Vorhang auf für unsere Sterne des Jahres Ehrung: Zum zwölften Mal zeichnen die Neue Westfälische, die Lippische Landes-Zeitung und das Haller Kreisblatt Kulturschaffende und Künstler aus der Region für ihre herausragenden Leistungen aus. Die 13 Auszeichnungen für das Jahr 2016 werden während einer Feier am 27. Februar vor rund 300 Gästen in der Bielefelder Hechelei vergeben. Hans-Ulrich Henning, Leiter des erfolgreichen Christophorus-Jugendkammerchors aus Versmold, erhält einen Sonderstern für sein Lebenswerk Der letzte Cowboy in Gütersloh Christian Schäfer, Künstlerischer Leiter des Theaters Gütersloh. ¥ Schon als Intendant des Zimmertheaters in Tübingen war Christian Schäfer mit Inszenierungen zu den Ruhrfestspielen eingeladen. Diese Verbindung nahm er mit nach Gütersloh, wo er seit 2013 Künstlerischer Leiter des Theaters ist. Das Stück „Island One Way“, das Schäfer unter dem Pseudonym Fink Kleidheu zusammen mit Svavar Knútúr schrieb, kam 2014 als Koproduktion des Theaters Gütersloh mit den Ruhrfestspielen in Recklinghausen heraus. Im vergangenen Jahr legte Schäfer dann nach und verfasste mit „Der letzte Cowboy (Solitary Man)“ ein weiteres eigenes Stück nach Thommie Bayers bekannter Schlagerparodie. Die Uraufführung in Recklinghausen wurde begeistert aufgenommen. Im September war das Stück dann auch im Theater Gütersloh zu sehen und überzeugte auch dort. Für seine Erweiterung des Spielplangebots in Gütersloh, wo sonst nur Gastspiele zu sehen sind, und sein Engagement für das Gütersloher Theater insgesamt ehren wir Christian Schäfer mit einem Stern des Jahres. Deutsche Frauen im Iran ¥ Für ihre Masterarbeit im Studiengang Fotografie und Medien an die FH Bielefeld hätte Elham Rahmati (31) sich sicher auch eine weniger aufwendige Aufgabe aussuchen können. Doch die junge Fotografin erarbeitete sich lieber ein Thema, das ihr persönlich stark am Herzen lag. Monatelang bereiste sie das Herkunftsland ihrer Eltern und kehrte mit ausdrucksstarken Porträts – in Bild und Wort – von 13 Deutschen zurück, die im Iran leben. Die Frauen auf ihren Bildern wirken persönlichkeitsstark, charaktervoll – und sie tragen Kopftuch. Rahmati gelang es, einen Zugang zur Welt der deutschstämmigen Frauen zu finden. Die Benni Stiesch (v.l.), Katrin Kunze, Jan Uekermann und Katharina Ellerbrock betreiben zusammen mit sechs weiteren Mitstreitern das Offkino in Bielefeld. Jeden Freitag zeigen sie einen Film. Der Detmolder Tobias Richter dirigiert die „Phoniker“. ¥ Seit Juli 2015 ist Höxter das berufliche Zuhause der beiden ausgebildeten Schauspieler Stefan Marx und Simon Hillebrand. Ihr Café und Zimmertheater in der Stummrigestraße hat sich zu einem Publikumsrenner entwickelt, so dass schon bald eine zweite Bühne her musste. Der Terminkalender ist voll. Und die Aufführungen sind frühzeitig ausgebucht. Und in diesem Theater bleiben die Leute auch nach der Aufführung noch gerne an den Tischen sitzen, trinken einen Wein und reden miteinander. Zudem ist hier alles selbst gemacht, denn das Stückeschreiben, Proben und Spielen übernehmen die beiden Macher ebenso wie das Kuchenbacken. Für ihr Engagement gibt es einen Stern des Jahres. Elham Rahmati fotografierte für ihr Projekt „Almani“ im Iran. Fachhochschule honorierte ihre Arbeit mit der Prüfungsnote „sehr gut“. Und wir verleihen der 31-Jährigen für „Almani“ einen Stern des Jahres. siker, 20 Sänger, ein Dutzend Tänzer zurück nach Lippe gekommen, um die Show auf die Beine zu stellen. Angefangen hat alles 2006, als Tobias Richter, seinerzeit Freiwilliger im Sozialen Jahr am Landestheater Detmold, mit einem Ensemble, das er aus dem Freundeskreis rekrutierte, das Musical „Mozart!“ aufführte. Bis heute hat die große Phoniker-Familie etliche Shows im Landestheater, im Detmolder Sommertheater und in der Lipperlandhalle auf die Bühne gebracht. Für diese Leistung gibt es einen Stern des Jahres. Rave im Barockgarten Heide Haike engagiert sich für die Künstlerinnenvereinigung „Gedok“ in Detmold. ten, in Willebadessen auf sich aufmerksam. Für ihren Einsatz für die Kunst verleihen wir der Vorsitzenden von Gedok-OWL, Heide Haike, unseren Stern des Jahres. Martina Bergmann, Buchhändlerin und Verlegerin aus Borgholzhausen. ¥ Vom Kammerkonzert im Salon bis zum Open-Air-Rave im Barockgarten: Regelmäßig öffnet Hiltrud von Spiegel (64) ihr Rittergut Groß Engershausen in Pr. Oldendorf (Kreis MindenLübbecke) für kulturelle Veranstaltungen verschiedenster Art. Sie arbeitet daran, die denkmalgeschützten Anlagen auch jungen Menschen zugänglich zu machen und so Interesse für historische Zusammenhänge und die Ästhetik von Gebäude und Gärten zu wecken. Nach dem Umbau des Gartens 2010 entstand so die Idee, Konzerte zu ver- anstalten. Den Auftakt machte eine Freiluftveranstaltung mit Elektroklängen und Illumination. Hiltrud von Spiegel beweist ein gutes Händchen bei der Auswahl der Künstler. Gut kam etwa der Chopin-Abend mit Pianist Gaswan Zerikly oder der Heine-Liederabend mit Ariane von der Heyden-Karas und Martin Wiemer an. Zudem bringt von Spiegel Einheimische und Flüchtlinge mittels der Kultur zusammen. Für ihr Engagement ehren wir Hiltrud von Spiegel mit einem Stern des Jahres. Hiltrud von Spiegel macht das Gut Groß Engershausen zu einem Ort der Kultur. ¥ Als Kulturmanager ist Dirk Bogdanski für Organisation und Vermittlung zuständig, dafür, die inhaltlichen Konzepte der Literaturkommission Westfalen und ihres Geschäftsführers Walter Gödden vor Ort im Kulturgut Nottbeck umzusetzen. Dabei ist von Bogdanski und seinem Team bisweilen auch Improvisationstalent gefordert. Zuletzt Ende September 2016, als die Stadthalle Gütersloh die Ruhrgebiets-Big-Band „The Dorf“ kurzfristig auf die Straße setzte und Bogdanski den Musikern spontan Asyl bot. Das Kulturgut Haus Nottbeck steht für ein großes Spektrum kultureller Angebote. Das ehemalige Rittergut beherbergt ein Museum für westfälische Literatur. Informationen zu Schriftstellern und Büchern, zu Epochen und Schreibumständen ¥ Borgholzhausen ist eine schöne, aber kleine Stadt. Kein einfaches Pflaster, um in Zeiten von Amazon & Co. eine Buchhandlung zu betreiben. Doch Martina Bergmann gelingt das ausgezeichnet. Ganz nebenbei stellt sie dabei unter Beweis, welchen Beitrag ein solches inhabergeführtes Geschäft für das kulturelle Leben einer Stadt leisten kann. Regelmäßige Lesungen gehören dazu. Auch bekanntere Autoren kommen gern mal in die Provinz, um ihre Werke vorzustellen und ihre Leser kennenzulernen, zeigt die Erfah- rung der Borgholzhausenerin – wenn man hartnäckig genug bleibt. Und an Hartnäckigkeit mangelt es der 37-Jährigen nicht. Das zeigt sich zum Beispiel darin, wie sie ihr zweites geschäftliches Standbein entwickelt hat: Der Bergmann Verlag hat sich auf die professionelle Fertigung von Büchern spezialisiert, die in kleinen Auflagen erscheinen. Für ihre zahlreichen Aktivitäten wurde Martina Bergmann bereits mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Wir ehren sie nun mit einem Stern des Jahres. Kabarett vom Feinsten ¥ Seit nunmehr 51 Jahren spießen die Mindener Stichlinge beinahe Jahr für Jahr die Absurditäten der Politik auf, um sie einmal durchgedreht dem Publikum zu servieren, bis es lacht. 46 Programme haben sie sich in all den Jahren ausgedacht. Nur das Debüt „Das 4. Fernsehprogramm“ haben sie zwei Jahre lang gespielt (1966 und 1967). Nur zwei Mal haben sie sich in all den Jahren eine Pause gegönnt – 1973 und 1992. 2016 feierten sie nun also „Goldene Hochzeit“ – die Stichlinge. Doch niemand sollte glauben, die Hobby-Kabarettisten würden nun etwa altersmilde oder gingen gar auf Schmusekurs. In ihrem Jubiläumsprogramm präsentierten sie gleich 20 neue Nummern – gewohnt bissig, hochaktuell und dran an den Themen dieser verrückten Zeit, die aus den Fugen geraten zu scheint. Kabarett vom Feinsten. Für 51 Jahre kabarettistische Kontinuität und Qualität zeichnen wir die Mindener Stichlinge mit unserem Stern des Jahres aus. Seit 51 Jahren sorgen die Mindener Stichlinge dafür, dass das Publikum die Politik lachend verdauen kann. Extreme Entblößung ¥ Ein spannendes Thema hat die Paderborner Theaterintendantin Katharina Kreuzhage mit der Produktion „Das wilde Kind“ angepackt. Da gibt es den Pädagogen Jean Itard (Alexander Wilß), der beweisen will, dass man auch dieses Kind, das er Victor nennt, noch erziehen kann. Der kläglich scheiternd letztlich Gewalt anwendet und letzten Endes den Jungen gerade dadurch weiter entmenschlicht. Und es gibt seine Gegenspielerin, die gutmütige Madame Guérin (Alessandra Ehrlich), die dem Jungen Unterschlupf gewährt. Zwischen diesen beiden Polen brilliert Max Rohland, der den Jungen Simon Hillebrand & Stefan Marx brachten das Zimmertheater samt Café nach Höxter. Mittlerweile haben sie schon eine zweite Bühne. Ein Juwel für Westfalens Literatur Einsatz für Künstlerinnen ¥ „Gedok“ – die Abkürzung steht für „Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnen“. Im vergangenen Jahr feierte der Verband, der von der jüdischen Frauenrechtlerin Ida Dehmel gegründet wurde, um Frauen in der Kunst zu fördern, seinen 90. Geburtstag. 3.000 Mitglieder zählt die größte und älteste Künstlerinnenvereinigung Europas. Organisiert sind die Künstlerinnen in 23 Regionalverbänden. Der ostwestfälische Ableger ist in Detmold beheimatet und machte im vergangenen Jahr mit einer sehenswerten Ausstellung, an der sich 54 Künstlerinnenmit 120 Werken beteilig- ¥ Im September 2010 brachte der Verein „Offkino – Freies Kino Bielefeld“ im Filmhaus das „Offkino“ an den Start. Seitdem ist jeden Freitag ein Film zu sehen. Im Kollektiv und ehrenamtlich bestimmen zwölf Frauen und Männer das Programm. Das Kino schlägt den Bogen vom Stummfilm bis zur Gegenwart. Alle Genres sind vertreten, Klassiker ebenso wie Kultstreifen. Das Kino zeigt in Vergessenheit Geratenes, Verkanntes, Schräges, Politisches, Experimentelles, Unterhaltsames. Zudem werden Mischformen von Konzert und Film erprobt. Das Offkino setzt originelle Akzente und bereichert die Filmkultur Bielefelds. Dafür zeichnen wir die Macher mit einem Stern des Jahres aus. Alles selbst gemacht im Zimmertheater Passion für sinfonischen Pop ¥ Ein Dirigent, der sich darauf versteht, seine Musiker zu begeistern, 120 ziemlich beste Freunde und die Passion für gut gemachten sinfonischen Pop: Aus dieser Mischung entstehen bei den Phonikern groß angelegte Musical-Shows. 2016 hat die Formation um Tobias Richter, die aus ambitionierten Amateuren sowie Profi-Musikern besteht, anlässlich ihres zehnten Geburtstages die Gala „Die fantastische Welt der Musicals“ erfolgreich in der Lipperlandhalle Lemgo präsentiert. Aus ganz Deutschland und dem Ausland waren die 60 Mu- Bücher in und aus Borgholzhausen Das Offkino setzt originelle Akzente werden gekonnt visualisiert. Für ein umfassendes Erleben von Literatur werden auch Kontakte zu bildender Kunst und Musik genutzt. Das renovierte Gartenhaus bietet seit 2014 mehr Platz, un- ter anderem für inspirierende Ausstellungen wie „Du bist ein Gedicht“. Für ihre vielfältigen Verdienste um die Kultur ehren wir die Macher des Kulturguts mit einem Stern des Jahres. Walter Gödden und Dirk Bogdanski engagieren sich für das Kulturgut Nottbeck in Oelde – die Heimat des Westfälischen Literaturmuseums. Neuer Geist ¥ Als Dekanatskantor Harald Gokus vor 25 Jahren sein Amt in der Kirchengemeinde St. Clemens in Rheda antrat, fand er ein exzellent bestelltes Feld vor. Umso größer ist sein Verdienst zu werten, das Vorgefundene über ein Vierteljahrhundert mit immer neuem Geist und Leben erfüllt zu haben. Als Beispiel sei das Großprojekt genannt, die Aufführung des Oratoriums „MessiaSASAmbura“. Das Stück war nicht nur eine Konfrontation zwischen abendländischer (Händels „Messias“) und afrikanischer Kultur; es fand auch ein interreligiöser Dialog zwischen den Glaubenssphären von Christentum, Islam und autochthonen afrikanischer Religionen statt. Als Leiter der Aufführung musste Gokus die einzelnen Ensemb- Dekanatskantor Harald Gokus aus Rheda-Wiedenbrück. les (ein afrikanischer, ein Händel-Chor, ein afrikanisches Ensemble und ein Barockorchester) zusammenführen. Für dieses beispielhafte Engagement und den Mut, neue Wege zu gehen, verleihen wir Harald Gokus unseren Stern des Jahres. Schauspieler Max Rohland beeindruckt in „Das wilde Kind“. in seiner ganzen Wildheit und Ungezügeltheit drastisch animalisch, aber auch liebesbedürftig anlegt. Rohland braucht keine Sprache, um mit seiner eindrucksvollen und mutigen Darstellung zu zeigen, was in dem Jungen vorgeht. Der Schauspieler beweist hier erneut, dass er den Mumm hat für die extreme Entblößung. Er ist allein körperlich schon massiv präsent, doch genauso prägnant sind die kleinen Gesten, die feine Mimik. Für diese ausgezeichnete Leistung verleihen wir Max Rohland einen Stern des Jahres. Botschafter Versmolds ¥ Wer sich mit Chormusik beschäftigt, kommt an dem Versmolder Christophorus-Jugendkammerchor nicht vorbei. Der vor nunmehr 36 Jahren gegründete Chor ist das Lebenswerk von Hans-Ulrich Henning und seiner Frau Sibylle. Kaum ein Jugendchorwettbewerb, von dem die Versmolder seit den 80er Jahren nicht schon mit ersten Preisen heimgekommen sind – und das auf internationaler Bühne. Erst im Sommer wurden sie beim International Youth Music Festival in Wien mit einem „ersten Platz mit exzellentem Erfolg“ ausgezeichnet und siegten auch beim WDR-Wettbewerb „Der beste Chor im Westen“. Für sein gro- Hans-Ulrich Henning leitet den Versmolder Christophorus-Jugendkammerchor. ßes Engagement, das den Chor zum Botschafter Versmolds werden ließ, verleihen wir HansUlrich Henning einen Stern des Jahres.