ZATOKREV

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Interviews & Artikel
ZATOKREV
Weder Metalhead noch
Hippie
Seit Jahren schon ist der
Schweizer Frederyk Rotter mit
seinem Bandprojekt ZATOKREV
ein Fixpunkt der europäischen Musiklandschaft zwischen
Hardcore, Metal und Postrock, immer wieder werden
NEUROSIS als Bezugsgröße genannt. Ich nahm das auf
Candlelight Records erschienene neue Album „Silk Spiders
Underwater“ zum Anlass, Fredy ein paar Fragen zu stellen.
Fredy, welche Bedeutung hat die Band beziehungsweise das
Musikmachen für dich? Ich denke, dass es viel Kraft kostet,
ein Projekt wie ZATOKREV über mehr als ein Jahrzehnt am
Leben zu halten.
ZATOKREV waren mein erstes eigenes Projekt, das ich auf die
Beine gestellt habe, ganz nach meiner Vorstellung und Intuition.
Musik ist Therapie und ein Ventil für mich, sozusagen eine Welt,
in der ich mich frei fühle und reflektieren kann. In der Tat kostet es
sehr viel Energie. Gerade als Kopf einer Band trägt man
Verantwortung in jeder Situation, die mit der Band zu tun hat, aber
so lange das Ganze mehr Kraft spendet, als stiehlt, geht’s eben
weiter. Um 2009/2010, als meine beiden damaligen Bandkumpels
innerhalb von kurzer Zeit bei ZATOKREV aufhörten, war die
Sache sicherlich gefährdet, aber der Name bedeutet ja nicht
umsonst übersetzt „... dafür Blut“. Statt das Handtuch zu werfen,
entschied ich mich erneut, Energie zu investieren, um die richtigen
Leute zu finden und mit ihnen ZATOKREV neu aufzubauen. Das
war eine der besten Entscheidungen meines Lebens, die offenbar
immer wieder belohnt wird.
Wie sieht dein Alltag aus? Ich denke, trotz verstärkter
internationaler Anerkennung dürfte es schwer sein, seinen
Lebensunterhalt allein mit der Musik zu bestreiten. Wäre das
für dich überhaupt wünschenswert?
Das wäre im Grunde genommen nicht schlecht, aber nicht um
jeden Preis. Ich mache Musik nicht, um damit meinen
Lebensunterhalt zu verdienen, sondern weil ich gerne Songs
komponiere, Texte schreibe, Alben produziere und live spiele. Ich
habe eine Zeit lang von akustischer Musik gelebt, möchte das
aber eigentlich nicht mehr, weil zusätzlicher Druck entstehen
kann, der sich auf meine Kreativität negativ auswirkt. Ich
bevorzuge es, in der Musik frei zu bleiben, ohne den Druck, dass
Geld reinkommen muss. Ich habe lieber einfach einen Job und
mache nebenher intensiv Musik. Ich habe ein kleines Label, Czar
Of Crickets, mit welchem ich hauptsächlich meinen
Lebensunterhalt verdiene. Nebenher habe ich zur Zeit fünf
musikalische Projekte. Dazu gehören CROWN, mein PsychedelicFolk-Projekt THE LEAVING, zwei weitere neue Bands, die noch
keinen Namen haben, und natürlich ZATOKREV. Ich helfe auch
oft auch als Live-Musiker aus, wenn mir die jeweilige Band gefällt
und ich noch Kapazitäten frei habe. Von CROWN und THE
LEAVING werden noch dieses Jahr neues Alben erscheinen.
Deine Mail-Adresse lautet „metalheadhippie@...“ – siehst du
dich so, als „Metal-Hippie“? Für was stehen beide
Subkulturen, wie passen sie zusammen?
Die Mail-Adresse ist nicht wirklich ernst gemeint. Den Namen
habe ich vor ziemlich vielen Jahren aus Spaß gewählt, als ich mit
einem Freund regelmäßig im Proberaum Songs schrieb. Er sang
hauptsächlich und ich spielte Gitarre. In einem seiner Texte kam
das Wort „metal head hippie“ in einem charmanten
Zusammenhang vor. Ich sehe mich weder als Metalhead noch als
Hippie, weil doch irgendwie beide ziemlich uniformiert wirken, und
ich will keine Uniform tragen. Ich möchte die Freiheit haben, mich
jederzeit neu definieren zu dürfen, von daher kann ich mit
Bezeichnungen wie Metaller oder Hippie nichts anfangen. Das
Hippie- und Metaltum war in gewissen Zeiten an gewissen Orten
sicher wichtig und revolutionär, für viele ist es das immer noch
und das respektiere ich. Das heißt aber nicht, dass ich mich von
diesen Begriffen gefangen nehmen muss, um mir eine Identität zu
verschaffen.
Wie „solitär“ gehst du das Musikschreiben an, wie
beeinflussbar bist du und wodurch?
Inspirierend sind persönliche Erlebnisse, alle möglichen
Stimmungen um mich herum, andere Musik, Gespräche oder
auch diverse Filme. Tatsache ist, dass praktisch alle Songideen
von mir kommen, was aber nicht bedeutet, dass meine
Bandkumpels nicht auch ihren Senf dazugeben. Ich lasse mir da
gerne reinreden und habe immer ein offenes Ohr für andere
Vorschläge. Gerade die Einflüsse von meinen Mitstreitern sind es,
an denen ich musikalisch am meisten wachse. Je länger wir
zusammen spielen, desto mehr können sich auch die anderen
einbringen, und ich nehme das wohlwollend an.
Wie stehst du zum ewigen Konflikt zwischen E- und U-Musik?
Ich finde ja, dass Songs von Bands wie NEUROSIS, MINSK,
MONO oder ZATOKREV durchaus als Aufführung mit einem
Orchester im angemessenen Rahmen funktionieren könnten.
Stattdessen ist in den altehrwürdigen Spielstätten immer nur
die Musik von Komponisten zu hören, die schon seit 100 oder
200 Jahren tot sind – mit entsprechend bürgerlichem
Publikum.
Das ist mir eigentlich ziemlich egal. Es soll jeder hören und
machen, was er will. Musikindustrie, E-Musik, U-Musik hin oder
her. Als ich noch jünger war, musste ich mich für die Musik, die
ich machte, oft rechtfertigen, weil die Älteren – auch viele
„Musiker“ – keinen Sinn darin sahen, weil sie schon immer als
wirtschaftlich uninteressant eingeschätzt wurde. Viele aus meinem
Umfeld rieten mir von so ziemlich allem ab, was ich anpeilte.
Meine Musik hatte nun mal nie „Hitpotenzial“, was ich ja auch nie
in irgendeiner Weise wollte. Heutzutage bin ich selbstbewusster,
ich bin dankbar für das, was ich habe, und meine Entscheidung,
das zu machen, was ich immer noch mache, liegt viele Jahre
zurück. U- und E- Musik unterscheiden sich ja im Wesentlichen
über den wirtschaftlichen Wert. Ich und viele andere machen eben
Musik, weil es uns einen seelischen Ausgleich beschert oder wie
man das auch immer benennen will, und nicht, um etwas damit zu
verdienen – wir können eben nicht anders. Es ist ein Hobby, das
viel Platz einnimmt. Ich bin mein eigener Boss, kann meine
Rechnungen bezahlen und ich kann mir Zeit für meine
Musikprojekte nehmen. Ich lebe zwar alles andere als auf großem
Fuß, dafür weiß ich aber, wo ich hingehöre. Und solange ich einen
Probekeller habe, Songs schreibe, Gigs spiele, mein Label weiter
existieren kann, bin ich zufrieden und beachte sogenannte
Konflikte zwischen E- und U-Musik gar nicht groß.
Joachim Hiller
Webseite
© by Ox-Fanzine / Ausgabe #120 (Juni/Juli 2015)
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