Der Preis ist heiß

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Internet World BUSINESS
E-COMMERCE
18. März 2013
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PRICING-STRATEGIEN
Der Preis ist heiß
Das Internet hat den Preiskampf im Handel vehement verschärft. Aber lassen sich Produkte online wirklich nur über den
Preis verkaufen? INTERNET WORLD Business hat sich bei Handelsexperten umgehört
reise, so scheint es, sind das einzige
Marketingwerkzeug der Moderne.
Nicht mehr mit Produktinnovationen und
Serviceangeboten profilieren sich Hersteller und der Handel, sondern nur noch mit
möglichst niedrigen Zahlen vor und hinter dem Komma. Im zunehmenden PreisDumping wird es für die Händler immer
schwerer, sich zu positionieren. Nicht zuletzt Media Markt und Saturn führten mit
der schweren Geburt ihrer E-CommerceStrategie allzu deutlich vor Augen, wie
schwierig nicht nur eine transparente
Kundenkommunikation, sondern ebenso
eine vernünftige und abgestimmte Preispolitik ist. So haben bei Saturn mangelnde
Preisabsprachen etwa dazu geführt, dass
Online vorgeprescht wurde und der Webshop günstigere Preise angeboten hat als
der stationäre Handel. Die Folge: Vertrauensverlust bei den „Geiz-ist-geil-Kunden“
und Tausende von Kunden, die in der Filiale die Online-Preise einforderten.
„Als Online für Media Markt und Saturn noch kein Thema war, haben diese
ein viel besseres Preisimage gehabt als ihre
tatsächliche Preispositionierung war“, erläutert Andreas Enders, Experte für Handelsunternehmen bei der Strategieberatung OC&C. „Das lag vor allem daran,
dass der Elektronikhändler auf regionales
Pricing gesetzt hat. In Paderborn gab es
zum Beispiel andere Preise als in Stuttgart
oder Flensburg. Mit dem Internet war das
vorbei.“ Zustimmung erhält der Experte
von Peter Kenning, Inhaber des Lehrstuhls
Negative Preisspirale:
Im Web wird vor allem
über den Preis verkauft
Foto: Fotolia / Piai
P
Perspektivwechsel online
herstellerdominierter Markt ist. Letztgenannte haben alle eigene Filialen, eigene
Point of Sales. Darüber hinaus hat die Bekleidungsindustrie kein
Interesse daran, dass
Amazon und Co. deren
Produkte günstiger anbieten als sie selbst.
Wie ernst es der Textilund Bekleidungsindustrie damit ist, hat Adidas
vorgemacht. Der Sportgigant aus Herzogenaurach verlangt seit 1. Januar 2013 seinen
Handelspartnern ab, Produkte nur noch
über von Adidas genehmigte Websites zu
vertreiben. Amazon und eBay, auf denen
Händler gemeinhin besonders preisaggressiv auftreten, gehören nicht dazu.
Die Buchbranche als zweite Größe hat
ebenso kein Pricing-Problem, da Bücher
der Buchpreisbindung unterliegen. Für
den Buchkunden mag „Preise wie bei
Amazon“ gut in den Ohren klingen, Fakt
ist aber, dass jeder Buchhändler, ob jetzt
on- oder offline, der Buchpreisbindung
unterliegt – auch in Sachen E-Books. Die
Elektronikbranche wiederum hat –
siehe Beispiel Media Markt und
„Der Offline-Handel setzt sich
Saturn – ein „sehr großes PricingProblem“, bekräftigt Enders. Die
im Vorfeld oft zu wenig mit dem
Frage, die sich deswegen stellt, ist,
Online-Handel auseinander.“
ob die Preistransparenz immer
durchs Internet erhöht wird und
MORITZ KOCH
ob sie zu einem Preisverfall führen
Managing Director bei Commerce Plus
muss. Für Peter Kenning gilt das
nur für „undifferenzierte Prozogen. Die Fashion-Industrie hat laut dukte“. Kenning sagt: „Preistransparenz
Enders keine Pricing-Probleme, da die setzt voraus, dass Produkte vergleichbar
Bekleidungsbranche ein marken- oder sind, und das Internet hat die Fähigkeit der
shop vertreten, versucht genau die Fehler
zu vermeiden, die Media Markt und Saturn gemacht haben. Und dazu gehört vor
allem die „Synchronisierung zwischen
zentraler Preis- und Sortimentsstrategie
und der dezentralen Preis- und Sortimentsstrategie des einzelnen Expert-Gesellschafters“, sagt Koch.
Aber wie sieht sie nun
genau aus, die intelligente Pricing-Strategie?
Wie sollten Händler stationär und online darauf reagieren? Und gibt
es überhaupt nennenswerte Alternativen und
positive Beispiele? „Generell“, so Andreas Enders, „muss man zwiMedia-Markt-Kampagne: Die Elektronikfachmarktkette nutzt die
schen Firmen und ihren
Preistransparenz im Internet zur Eigenwerbung
Branchen unterscheifür Marketing an der Zeppelin Universität den, da es diese unterschiedlich trifft.“
in Friedrichshafen: „In einem Multikanal- Von den meisten Strategieberatungen
system sind Preisdifferenzierungen sehr werden in Deutschland zur Pricing-Straschwer durchzuhalten; das akzeptiert der tegie die drei großen Beispielbranchen BeKunde nicht.“
kleidung, Bücher und Elektronik herange-
Synchronisierung
Moritz Koch von der E-CommerceAgentur Commerce Plus, die unter anderem Telefónica Germany,
Jack Wolfskin, Liebeskind Berlin
und den Elektronikhändler Expert auf der Kundenliste hat, weiß
aus langjähriger Erfahrung: Stationäre Händler, die in den E-Commerce eintreten, „brauchen ein bis drei
Jahre, um dort erfolgreich anzukommen“.
Expert, seit einem Jahr mit einem Web-
‚intimen Dualisierung‘ zu relativ günstigen Kosten.“ Im Klartext: Produkte, die
individualisiert und konfiguriert sind,
sind nicht mehr so einfach miteinander zu
vergleichen. Damit ist auch die Preistransparenz geringer.
Dieser Weg ist nicht neu, er wird „seit
Jahren vom klassischen Handel beschritten und manifestiert sich in der Zunahme
der Eigenmarken, wie man das vor allem
im Lebensmitteleinzelhandel sieht“, meint
Kenning. Rewe, Spar, Lidl und Co. setzen
allesamt auf Eigenprodukte und pushen
diese in den Markt, da sie es ermöglichen,
sich vom Wettbewerb abzuheben – und
zudem lukrativ sind. LEH-Eigenmarken,
eigene Marken des Lebensmitteleinzelhandels, machen bis zu 20 Prozent vom
Umsatz aus. Diesen Weg scheint nun ein
deutscher E-Commerce Player zu gehen:
Zalando. Mit Kiomi wird erstmals unter
eigener Domain eine weitere Eigenmarke
in den Markt gedrückt. Der Grund dafür
ist klar: Es lassen sich deutliche höhere
Margen erzielen als mit Drittprodukten.
„Es hört sich banal an, aber Händler, die
Waren on- und offline vertreiben, müssen
sich den eigenen Markt und Wettbewerb
anschauen. Dabei muss ein stationärer
Händler, der in den Online-Handel eintritt, einen Perspektivwechsel vollziehen:
„Das Internet hat die Fähigkeit
der intimen Dualisierung zu
relativ günstigen Kosten.“
PETER KENNING
Zeppelin Universität, Friedrichshafen
In dem Moment, wo dieser im E-Commerce mitmischen will, sind seine Wettbewerber Online-Händler“, sagt Moritz Koch
von Commerce Plus. Hier werden seiner
Einschätzung nach oft die ersten Fehler
gemacht, weil sich der stationäre Händler
im Vorfeld zu wenig mit dem Online-Handel auseinandergesetzt hat. Nach „Analyse“
und „Preisstrategie“ folgt der dritte Schritt,
die „klare Entscheidung“, ob der Händler
„in einen Preiswettbewerb treten will oder
Kundenbindung anstrebt“, so Koch.
Plusanschluss.de ist für Electronic Partner der
Versuch, über Service Geld zu verdienen
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auf Serviceleistungen gesetzt werden,
die wiederum einen Teil des Umsatzverlusts im Verkauf kompensieren“, erklärt Andreas Enders.
4. Das Potenzial, welches Eigenmarken haben, ist – mit wenigen Ausnahmen (siehe LEH) – in Deutschland
noch nicht voll erkannt.
Alle Ansätze haben den Vorteil, dass
„sie eine eigene Preisbarkeit beinhalten,
sich damit unabhängig vom Wettbewerb machen und damit dem OnlineOffline-Spiel entgehen“, meint Experte
Enders. Was für den einen „Services“
sind, sind für den anderen „Mehrwerte“.
Kenning unterscheidet grundlegend
zwischen den strategischen Ansätzen
Kiomi: Mit der neuen Eigenmarke bewegt sich Zalando preislich
der Preisführer- oder Qualitätsführeraußerhalb jeder Konkurrenz – und stärkt damit die Marge
schaft. „Es gibt Unternehmen, die
Händler, die in den Preiswettbewerb eintreten, bewusst Preisführer sein wollen und die Preise
bewirken selten eine langfristige Kundenbindung, entsprechend treiben. Wer als Qualitätsführer
meint der E-Commerce-Experte. Der Service sei höhere Preise hat, kann dies nur über Differenzieschlecht, das Shoppen bringe keinen Spaß und die rung erreichen“, sagt Peter Kenning. Das könne
Produkte seien nicht selten von zweifelhafter Her- kurz-, mittel- oder langfristig sein. Die Preisdiffekunft. Commerce Plus verfolgt den Ansatz, dass renzierung könne vertikal oder horizontal
Händler, die sich als Anbieter des Vertrauens geschehen. Zum Beispiel, dass nur bestimmten
positionieren und es schaffen, dies von ihrem sta- Gruppen wie Studenten, Working Moms, Fußballtionären Geschäftsfeld auf das Geschäftsfeld fans etc. bestimmte Preise auch in Form von CouOnline zu transportieren, dem Kunden damit die pons angeboten werden. Jedoch entbindet all das
Möglichkeit geben, „aus der Preisspirale auszutre- nicht von der Aufgabe einer vernünftigen Komten“. Damit könne, so Koch, „der Händler nicht den munikation. Warum ein Produkt teurer ist, muss
erklärt werden. Sei es, weil die Lieferung besonPreis, sondern den Service aggressiver bewerben“.
ders schnell ist – hierfür zahlt der Kunde gerne –,
Raus aus der Online-Preisfalle
Die Beratungsstrategen von OC&C
beobachten hinsichtlich der PricingStrategie vier Ansätze, von denen sich in
Deutschland noch keine als Erfolgsmodell durchgesetzt hat; somit gibt es
noch viel Luft nach oben:
1. Die Entkoppelung von Online und
Offline. Das funktioniert nur bei Sortimentsbereichen, bei denen der Kunde
auf eine schnelle Verfügbarkeit setzt, beispielsweise
ein Handyladegerät. Für dieses ist der Kunde auch
bereit, zwei Euro Aufschlag zu zahlen, solange er
es sofort mitnehmen kann. Bei einem Kühlschrank, TV-Gerät oder einem Fahrrad wäre ein
Aufpreis von 20 Prozent nicht durchsetzbar.
2. Man setzt auf die High-Low-Preisstrategie,
das heißt wenige Artikel, die die Preiswahrnehmung
des Konsumenten stark beeinflussen. Aggressive
Preisaktionen auf Werbeartikel, teilweise durch
Hersteller finanziert, können den Online-Preis
kurzfristig unterbieten. Preisaktionen bilden
damit ein gutes Instrument, um über eine sogenannte High-Low-Preisstrategie eine günstige
Preiswahrnehmung beim Kunden zu erzeugen.
„Der Schnäppchencharakter“, sagt Andreas Enders, „erhöht die Kundenfrequenz in der Filiale,
häufig verbunden mit der Hoffnung, dass Kunden
auch in anderen Sortimentsbereichen einkaufen.
Gleichzeitig ziehen sie allerdings insbesondere illoyale Kunden an, die nur wegen des Preises und
nur für den Aktionszeitraum kaufen. Auch wenn
Preisaktionen ebenso von Online-Anbietern genutzt werden können, führen sie vor allem zu
Preisintransparenz auf Angebotsprodukte.“ Dieser Ansatz wird aktuell von Media Markt und Saturn versucht.
3. Umstellung des Geschäftsmodells: Hier entwickelt sich die Filiale weg vom reinen VerkaufsShop hin zu einem erweiterten Profil, das vor allem für mehr Service, Wartung, Einrichtungsleistungen oder einen Lieferdienst steht. Best Buy in
den USA zählt hier als Vorreiter, allerdings besteht in den USA auch eine viel höhere Bereitschaft, für Serviceleistungen zu zahlen, als in
Deutschland. Dennoch benötigt auch der stationäre Handel in Deutschland eine Veränderung
des Grundgedankens bezüglich seiner Verkaufsflächen im stationären Handel. „Es muss stärker
„Die Elektronikbranche hat –
anders als Buch und Mode – ein
sehr großes Pricing-Problem.“
ANDREAS ENDERS
Handelsexperte bei OC&C
sei es, weil eine bestimmte Funktionalität oder anderes im Vordergrund stehen. Oder sei es, weil es
ein Unternehmen, wie zum Beispiel Manufaktum,
geschafft hat, sich hoch zu positionieren und stark
vom Wettbewerb zu differenzieren. „Als Multichannel-System liefert Manufaktum auch über
das Internet Produkte, die man woanders nicht
bekommt“, so Peter Kenning.
Das können weder Media Markt noch Saturn
von sich behaupten. Aber neben dem Ausbau ihrer Serviceleistungen (Aufbau-/Einbauservice,
Montage, Installation, Datenrettung, Kaffeevollautomatenwartung) bietet Saturn seit Kurzem die
Möglichkeit an, gebrauchte Geräte gegen Einkaufsgutscheine einzutauschen. Der Elektronik■
konzern investiert in Kundenbindung.
SANDRA GOETZ
Auswahlkriterien für Webshops
Welche drei Faktoren sind Ihnen am wichtigsten?
Preis des Produkts
78 %
Versandkosten
57 %
Lieferzeit/Bestand
37 %
Zahlungsverfahren
35 %
Kundenbewertungen
30 %
Bekanntheitsgrad/Image
17 %
Geld-zurück-Garantie
13 %
Gütesiegel
11 %
Kostenloser Rückversand
10 %
Sonstiges
4%
Der Preis des Produkts spielt für viele Verbraucher die wichtigste Rolle
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Business 6/13
Quelle: Ibi Research; Stand: 2. Halbjahr 2011;
Basis: 977 Personen, die ein Produkt im Internet kaufen würden
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