Entwicklung des Sozialverhaltens bei mongolischen Rennmäusen Vorgelegt von Michal Trinkler Als Abschluss der Berufsmaturität im Fach Deutsch Zug 2006 Michal Trinkler IDPA GIBZ - Gewerblich-industrielles Bildungszentrum Zug Entwicklung des Sozialverhaltens bei mongolischen Rennmäusen Interdisziplinäre Projektarbeit (IDPA) als Abschluss der Berufsmaturität im Fach Deutsch Schuljahr 2005/2006 Vorgelegt von Michal Trinkler Betreuender Fachlehrer: R. Fribolin 19.02.2006 Note: _________ - Unterschrift: _____________________ 2/33 Michal Trinkler IDPA Einleitung Mit dieser Arbeit möchte ich aufzeigen, wie das spezifische Sozialverhalten einer jungen Rennmaus entwickelt wird. Die domestizierte mongolische Rennmaus die wir heute kennen ist leider oft aggressiv und unverträglich. Nachzuchten von Wildtieren hingegen zeigen ein soziales und weitgehend verträglicheres Verhalten. Um der negativen Entwicklung der domestizierten Tiere entgegenzuwirken, möchte ich mit meiner Arbeit Züchtern eine Unterstützung geben, verträgliche Rennmäuse zu ziehen. In der deutschen Fachliteratur wird dieses Thema kaum behandelt. 19.02.2006 3/33 Michal Trinkler IDPA Inhaltsverzeichnis 1 DIE WILDE RENNMAUS ................................................................................................................................ 5 1.1 1.2 2 LEBENSRAUM UND UMGEBUNG.................................................................................................................... 5 SIPPENSTRUKTUR UND SOZIALVERHALTEN .................................................................................................. 5 HEIMTIERHALTUNG..................................................................................................................................... 7 2.1 HALTUNG ..................................................................................................................................................... 7 2.2 SIPPENSTRUKTUR ......................................................................................................................................... 8 2.3 SOZIALVERHALTEN ...................................................................................................................................... 9 2.4 VERGESELLSCHAFTUNG ............................................................................................................................... 9 2.4.1 Trenngittermethode ................................................................................................................................. 9 2.4.2 Kleinraummethode ................................................................................................................................ 11 2.4.3 Verhaltensweisen beim Zusammenführen ............................................................................................. 11 3 EINFLÜSSE AUF JUNGTIERE ODER KINDER ALLGEMEIN BETRACHTET................................. 14 4 EINFLÜSSE AUF DIE JUNGE RENNMAUS .............................................................................................. 16 4.1 EINFLUSS DER ELTERN ............................................................................................................................... 16 4.1.1 Vererbung.............................................................................................................................................. 16 4.1.2 Prägung und Erziehung ........................................................................................................................ 17 4.2 GRUPPENGRÖSSE ........................................................................................................................................ 18 4.3 TRENNUNGSALTER ..................................................................................................................................... 19 5 DER VERSUCH............................................................................................................................................... 22 5.1 DIE TIERE ................................................................................................................................................... 22 5.1.1 Jungtiere................................................................................................................................................ 22 5.1.2 Adulte Tiere........................................................................................................................................... 22 5.2 VORBEREITUNG .......................................................................................................................................... 23 5.3 DURCHFÜHRUNG ........................................................................................................................................ 24 5.3.1 Trenngitterversuch ................................................................................................................................ 24 5.3.2 Kleinraumversuch ................................................................................................................................. 24 5.3.2.1 5.3.2.2 5.3.2.3 5.4 Versuch 1.......................................................................................................................................................24 Versuch 2.......................................................................................................................................................27 Nach dem Versuch ........................................................................................................................................28 ERGEBNISSE ............................................................................................................................................... 29 6 SCHLUSSWORT ............................................................................................................................................. 30 7 GLOSSAR......................................................................................................................................................... 31 8 LITERATURVERZEICHNIS ........................................................................................................................ 32 8.1 8.2 8.3 8.4 19.02.2006 ALLGEMEIN ................................................................................................................................................ 32 DIE WILDE RENNMAUS ............................................................................................................................... 32 HEIMTIERHALTUNG .................................................................................................................................... 32 EINFLÜSSE AUF JUNGTIERE ODER KINDER ALLGEMEIN BETRACHTET ......................................................... 33 4/33 Michal Trinkler IDPA 1 Die wilde Rennmaus 1.1 Lebensraum und Umgebung Die mongolische Rennmaus (Meriones unguiculatus) ist in der Steppe und Halbwüste am Rande der Wüste Gobi zuhause1. Sie leben unter extremen Temperaturschwankungen. Im Sommer kann es bis zu 40°C und im Winter bis zu -50°C werden, im Durchschnitt ist es im Sommer 15°C und im Winter -25°C2. Die Tiere bauen Erdhöhlen von ca. 4 cm Durchmesser3, die bis zu 1,5 m unter der Erdoberfläche liegen4. Die verzweigten Gangsysteme verfügen über viele Ein- und Ausgänge und Höhlen, die als Vorratsräume oder Schlafräume dienen4. Das Territorium beträgt etwa 300 bis 1.500 m² und wird durch Duftmarkierungen der Alphatiere klar abgegrenzt5. 1.2 Sippenstruktur und Sozialverhalten Wilde Rennmäuse leben in Gruppen von ungefähr 2-17 Tieren, die aus den Elterntieren und ihren Würfen bestehen3. Dabei pflanzt sich in der Regel nur ein Paar fort, das so genannte Alphapaar (ranghöchstes Paar). Es besteht aus den zwei grössten und kräftigsten Tieren in der Gruppe. Einzig in Notsituationen kann es auch zu anderen Paarungen kommen. In der Gruppe herrscht eine strikte Rangordnung, die grösseren Tiere dominieren die kleineren. Ist die Gruppengrösse von ca. 17 Tieren erreicht, hört das Weibchen aus Nahrungsgründen mit dem Werfen auf. Es kommt nur selten zu Aggressionen innerhalb der Gruppe. Im Frühling und im Sommer wird ein Teil der Jungtiere abgesetzt. Die Männchen suchen sich neue Territorien, in denen sie mit ihrem Weibchen eine neue Sippe bilden. Die Rennmaussippe macht fast alles gemeinsam: Das Beschützen des Territoriums, die Jungenaufzucht und das Futtersuchen (Abb. 1)5. Jungtiere spielen häufig miteinander, üben kämpferisches Verhalten und legen so die Abb. 1: Eine Gruppe wilder mongolischer Rennmäuse am fressen (© Guenther Eichhorn, [email protected]) 1 http://www.rennmaus.de/homepage.php?action=sonstiges_mongolei, 15.02.06 http://www.mongolei.de/land/klima.htm, 15.02.06 3 http://www.diebrain.de/re-info.html#wild, 15.02.06 4 http://www.ig-rennmaeuse.de/wildnis.htm, 15.02.06 5 Schulze-Sievert, 2002, S. 47-48 2 19.02.2006 5/33 Michal Trinkler IDPA Rollenverteilung in der Gruppe fest. Die Tiere eines Verbandes erkennen sich gegenseitig am Geruch. Jeder Begegnung folgt ein kurzes Schnuppern, um zu prüfen, ob es sich um ein Mitglied der Familie oder einen Eindringling handelt6. Bei Aktivitäten ausserhalb des Baus stellen die Rennmäuse Wachposten auf, die ihre Sippe bei Gefahr durch Trommeln mit den Hinterpfoten warnen7. Die natürlichen Feinde der Rennmäuse sind Raubtiere wie Füchse, Iltisse, Marder und Eulen8. Aber auch vor artgleichen Eindringlingen werden die Sippenmitglieder durch Trommeln in Kenntnis gesetzt und der Eindringling wird so vertrieben. Die Jungtiere wachsen in einer Erdhöhle auf und werden in eine klar gegliederte Rangstruktur hineingeboren. Sie lernen früh sich unterzuordnen. Machen sie das nicht, werden sie aus der Gruppe ausgeschlossen. 6 Brückmann V., 1992, S. 21 http://www.ig-rennmaeuse.de/wildnis.htm, 15.02.06 8 Schulze-Sievert, 2002, S. 43 7 19.02.2006 6/33 Michal Trinkler IDPA 2 Heimtierhaltung Die ersten mongolischen Rennmäuse wurden 1935 eingefangen. Sie wurden in Laboren weitergezüchtet, erlangten aber auch bald eine immer grösser werdende Beliebtheit als Heimtiere. 2.1 Haltung Rennmäuse werden meist in Aquarien oder Terrarien gehalten, da Käfige eine hohe Einstreuschicht verunmöglichen. Die Hauptbeschäftigungen von Rennmäusen sind Nagen und Graben, diesen sollten sie auch in ihrer Behausung nachgehen können (Abb. 2). Als Einstreu werden Hobelspäne, Hanfstreu, Flachsstreu oder Espenspäne verwendet9. Zum Nagen und zur Stabilisation der Bauten kann zusätzlich Heu, Stroh, ungiftiges und unbehandeltes Holz oder Karton gegeben werden. Die Behausung sollte mit Unterschlüpfen aus Holz oder Ton ausgestattet sein, besonders wenn mit der verwendeten Einstreu keine stabilen Höhlen gebaut werden können. Plastik darf nicht verwendet werden, da dieser beim Zernagen verschluckt werden kann. Eine Trinkflasche ist sehr nützlich, da Trinknäpfe sehr schnell vergraben werden. Futternäpfe werden nicht benötigt, da es für die Tiere eine zusätzliche Beschäftigung darstellt, wenn sie das Futter in der Einstreu suchen müssen. Als Futter eignet sich eine Körnermischung aus Kanarienfutter, Wellensittichfutter und Grassamen, ergänzt mit Frischfutter und tierischem Eiweiss. 9 www.rennmaus.de/homepage.php?action=Einstreu, 15.02.06 19.02.2006 7/33 Michal Trinkler IDPA Abb. 2: Ein artgerechtes Aquarium für die Rennmaushaltung. Die Tiere können sich in der Einstreu eigene Bauten graben. 2.2 Sippenstruktur In der Heimtierhaltung werden Rennmäuse meist zu zweit oder in Gruppen von 3-4 Tieren gehalten. Dies aus dem Grund, dass es in grösseren Gruppen oft zu Rangordnungs-Konflikten kommt. Da die Tiere nicht flüchten können wie in der Natur, kann das auch tödlich für sie enden! Grössere Gruppen sind in der Regel nur stabil, wenn sich vom Alter bzw. der Erfahrung der Tiere her eine klare Rangstruktur ergibt. Dies ist z.B. bei Elterntieren mit mehreren Würfen der Fall. Zur Zucht werden meistens Rennmauspaare (ein Männchen und ein Weibchen) und nicht Zuchtgruppen (mehrere Weibchen und mehrere Männchen) eingesetzt. Der Vorteil bei Paaren ist, dass die Abstammung sicher bestimmt werden kann. Bei Zuchtgruppen kann es auch vorkommen, dass zwei Männchen ein Weibchen decken oder dass mehrere Weibchen gleichzeitig werfen und die Jungtiere in ein gemeinsames Nest legen. Die Abstammung der einzelnen Jungtiere kann in diesem Fall nicht eindeutig bestimmt werden. 19.02.2006 8/33 Michal Trinkler IDPA 2.3 Sozialverhalten Rennmäuse haben auch in Gefangenschaft ein ausgeprägtes Sozialverhalten. Vieles wird gemeinsam erledigt. Das gegenseitige Putzen spielt eine grosse Rolle, da dadurch Pheromone (Duftstoffe zur Kommunikation) im Fell verteilt werden, anhand derer die Tiere sich wieder erkennen. In dieser Arbeit analysiere ich nicht jede Form des sozialen Verhaltens. Ich gehe vor allem auf den Aspekt ein, wie sich ein Tier in eine Gruppe einfügt. Dazu gehört zum Beispiel, dass es als Jungtier anerkennt, dass es nur eingeschränkte Rechte hat oder dass es sich in der Gemeinschaft einem erfahreneren Tier unterordnet. 2.4 Vergesellschaftung Unter einer Vergesellschaftung von Rennmäusen versteht man das Zusammenführen von fremden Tieren zu einer verträglichen Gruppe. Fremde Rennmäuse verstehen sich in der Regel nicht, wenn man sie ohne spezielle Massnahmen zusammensetzt, meist jagen und beissen sie sich. Dies kann auch mit dem Tod eines der Tiere enden. Zwei Tiere lassen sich meist mit ein wenig Geduld zusammengewöhnen, bei grösseren Gruppen ist die Erfolgsrate viel kleiner. Für das Zusammengewöhnen haben sich zwei Methoden besonders bewährt. 2.4.1 Trenngittermethode Bei der Trenngittermethode wird in der Mitte eines Beckens ein Trenngitter angebracht. Dieses wird am besten aus einem Holzrahmen gefertigt, der mit engmaschigem Gitter bespannt wird (Abb. 3). 19.02.2006 9/33 Michal Trinkler IDPA Abb. 3: Ein Aquarium mit einem Trenngitter. Nun wird auf jede Seite des Trenngitters eine Partie der zusammenzuführenden Mäuse gesetzt. Die Seiten werden 1-3 x täglich gewechselt, so dass die Tiere sich an den Sippengeruch der anderen Mäuse gewöhnen. Es kann sein, dass sich die Tiere anfangs durchs Trenngitter zu beissen versuchen. Wenn über etwa 2 Tage keine Aggressionen mehr am Gitter zu beobachten sind, kann ein erster Versuch gemacht werden, die Tiere zusammenzusetzen. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten. Die einfachere Möglichkeit ist, das Trenngitter zu entfernen, die Einstreu zu durchmischen und die Mäuse zusammenzulassen. Die andere Möglichkeit ist, die Tiere auf neutralem Terrain zusammenzusetzen. Dies kann zum Beispiel in der Badewanne oder in einem frisch eingestreuten Becken sein. Auf jeden Fall sollte die Fläche nicht zu gross sein. Die Tiere müssen danach ½ - 1 Stunde lang beobachtet werden. Beginnen sie sich in dieser Zeit zu streiten, sich zu jagen oder zu beissen, müssen sie zurück ins Trenngitterbecken. Sind die Tiere friedlich, sollte man weiterhin wachsam sein, aber wenn sie sich gegenseitig putzen und im gleichen Nest schlafen, ist die Vergesellschaftung gelungen. Wichtig ist, dass in den 19.02.2006 10/33 Michal Trinkler IDPA ersten Tagen und während des Zusammensetzens keine Häuser, Unterschlüpfe, o.ä. im Becken sind, damit sie sich nicht vor den anderen Mäusen verstecken können. 2.4.2 Kleinraummethode Die Kleinraummethode eignet sich vor allem bei jungen Tieren. Sie kann auch mit der Trenngittermethode kombiniert werden, d.h. statt der Zusammenführung auf neutralem Terrain, wird die Kleinraummethode nach der Zeit im Trenngitter angewendet. Dies kann gerade bei sich schlecht vertragenden Tieren hilfreich sein. Bei der Kleinraummethode wird eine Transportbox benötigt (Abb. 4). Das ist eine Plastikbox mit luftdurchlässigem Deckel, die man im Zoofachhandel erhält. Die Box sollte nicht grösser als ca. 20x15x15 cm sein. Diese Box wird bis zum Deckel mit Stroh oder Heu gefüllt. Dann werden die Mäuse in die Box gesetzt. Da die Box kaum Platz bietet, können die Mäuse sich nicht jagen und beginnen so in der Regel nicht zu kämpfen oder sich zu beissen. Meist sieht man die Mäuse aufgrund der vielen Einstreu nicht mehr gut. Deshalb sollte man in den ersten Abb. 4: Für die Kleinraummethode einsatzbereite Transportbox Stunden auf die Box achten, damit man im Falle ernsthafter Beissereien reagieren kann. Die Mäuse sollten 2-3 Tage in der Box bleiben. In dieser Zeit kann man die Wassergabe durch Frischfutter ersetzen. Danach kann man die Mäuse ins neue Gehege setzen. In den ersten Tagen dürfen dort noch keine Versteckmöglichkeiten vorhanden sein, damit sich einzelne Mäuse nicht ausgrenzen. 2.4.3 Verhaltensweisen beim Zusammenführen Beim Zusammenführen fremder Rennmäuse kann man einige Verhaltensweisen beobachten, welche einem aufmerksamen Betrachter zeigen, ob die Mäuse sich vertragen oder nicht. Auch zeigt sich, welches Tier sich gerne als Alphatier durchsetzen will und welches sich eher unterordnet. 19.02.2006 11/33 Michal Trinkler IDPA Beschnuppern Am Anfang des Zusammentreffens beschnuppern sich die Rennmäuse intensiv an der Nase und in der Kinngegend, an der Bauchdrüse und an den Genitalien. Wenn die Rennmäuse sich gegenseitig nur an der Nase beschnuppern, bedeutet das, dass sie sich noch nicht so ganz trauen. Wenn Rennmäuse es akzeptieren, von anderen Rennmäusen an Genitalien und Bauchdrüse beschnuppert zu werden, zeugt dies von gewissem Vertrauen. Kopf runterdrücken Bei meinen Versuchen konnte ich mehrmals beobachten, dass das stärkere Tier dem schwächeren den Kopf runterdrückt und ihm dann für kurze Zeit nicht mehr erlaubt, seinen Kopf zu bewegen. Kopf putzen Nach dem Beschnuppern oder nach dem Kopf runterdrücken folgt oft ein Belecken und Putzen der Kopfgegend. Auch dies ist ein Zeichen von Dominanz, da das putzende Tier seinen Kopf über dem anderen hält. Fiepen Wenn eine Maus fiept, während die andere sich ihm nähert oder ein Dominanzverhalten an den Tag legt, zeigt sie damit ihre Angst. Das muss aber nicht zwingend bedeuten, dass sie sich bei einem Angriff nicht wehrt. Junge Tiere, die an ältere gewöhnt werden, zeigen dieses Verhalten vermehrt. Aufrichten und betrommeln Während Auseinandersetzungen richten sich die Rennmäuse manchmal gegeneinander auf. Manchmal verharren sie in dieser aufgerichteten Stellung, halten den Gegner aber mit den Vorderbeinen in gewissem Abstand. Manchmal wird auch mit den Vorderbeinen auf den anderen eingeschlagen. Dabei bleiben sie oft nicht auf der gleichen Stelle, sondern werden zurückgedrängt oder drängen den anderen zurück. Dieses Verhalten kann in einem ernsthaften Kampf enden, oft aber drückt ein Tier dem anderen den Kopf nach unten und beendet so das Verhalten. 19.02.2006 12/33 Michal Trinkler IDPA Kauern Die Mäuse kauern ganz still nebeneinander und ducken den Kopf. Dieses Verhalten wird oft nach einem Aufrichten gezeigt. Es sieht dabei so aus, als würde sich keiner mehr trauen, irgendetwas zu machen. Schnelle Annäherung Eine Rennmaus macht eine schnelle Bewegung auf die andere zu. Dabei wird deren Kopf nach unten gedrückt oder die andere Maus erschrickt und flüchtet. Dieses Verhalten kann auch einen Kampf provozieren. Drohende Haltung Die Rennmäuse stehen angespannt nebeneinander. Dabei wird der Körper ein wenig gebeugt und der Kopf vom Gegner abgewendet. Dieses Verhalten wird oft kurz vor einem Kampf gezeigt. Manchmal beruhigen sich die Tiere aber und gehen auseinander. Kampf Die Rennmäuse gehen aufeinander los. Dabei geht alles blitzschnell. Ist wenig Platz vorhanden, springen sie auch gegen die Wände und den Deckel. Manchmal verbeissen sich die Rennmäuse so ineinander, dass man sie fast nicht mehr trennen kann. Diese Rennmäuse sollten so schnell wie möglich getrennt werden, damit sie sich keine ernsthaften Verletzungen zufügen. Dabei ist das Trennen mit einem dicken Lederhandschuh anzuraten. 19.02.2006 13/33 Michal Trinkler IDPA 3 Einflüsse auf Jungtiere oder Kinder allgemein betrachtet Ob das Verhalten und der Charakter des Nachwuchses durch Vererbung oder Prägung bestimmt werden, beschäftigt Psychologen und Wissenschaftler schon seit vielen Jahren. Da es aber keine wirklichen „Verhaltensgene“ gibt, sondern erst die Zusammenwirkung vieler verschiedener Gene gewisse Verhaltensweisen fördert, lässt es sich nicht so einfach belegen, wie es nun wirklich ist10. Einige Studien weisen auf Vererbung hin, andere auf Prägung. Die Wirklichkeit wird wohl eine Mischung daraus sein. Einige Forscher glauben, dass das Sozialverhalten hauptsächlich durch Vererbung bestimmt wird. Dies begründen sie mit folgenden und ähnlichen Studien: An der Universität Chigago machten Wissenschaftler einen Versuch mit Rhesusaffen11. Bei dieser Affenart ist bekannt, dass der weibliche Nachwuchs häufig dasselbe Sozialverhalten zeigt wie die Mutter. Nun vertauschten die Forscher die neugeborenen Äffchen und beobachteten die Verhaltensweisen der jungen Affen. Sie fanden heraus, dass das Verhalten der vertauschten Affen mehr dem der leiblichen Mutter als dem der Pflegemutter ähnelte. Andere Forscher untersuchten die Vererbung des Verhaltensmerkmals „Ängstlichkeit“ anhand eines Selektionsexperiments mit Mäusen12. Sie wählten jeweils aus einer Gruppe die ängstlichsten und mutigsten Mäuse aus und kreuzten diese untereinander. Nach über 30 Generationen unterschied sich der "ängstliche“ wie auch der „mutige“ Inzuchtstamm signifikant vom Wildtyp. Einige Forscher beobachteten bei der Geburt getrennte Zwillinge, die ganz unterschiedlich aufwuchsen. Was diese Zwillinge gemeinsam haben, müsste im genetischen Code geschrieben stehen; was sie trennt, müsste auf die unterschiedlichen Elternhäuser, Schulen und Freundeskreise zurückgehen. Ein Grossteil der ca. 7000 Zwillingspaare hatte den gleichen Beruf ergriffen und auch bei Religiosität, politischer Einstellung und Toleranz gegenüber Andersdenkenden fanden die Forscher statistisch signifikante Übereinstimmungen. Aus der Vielzahl von Adoptions- und Zwillingsstudien kristallisierte sich die Faustformel heraus, nach der etwa die Hälfte der Persönlichkeitsmerkmale genetisch bedingt, der Rest durch die Umwelt geprägt ist. 10 http://paedpsych.jku.at:4711/LEHRTEXTE/Rigos98.html, 15.02.06 http://www.wissenschaft-online.de/abo/ticker/694663, 15.02.06 12 http://www.zum.de/neurogenetik/5_3.html, 15.02.06 11 19.02.2006 14/33 Michal Trinkler IDPA Mit Umwelt sind aber nicht nur die Eltern gemeint, sondern auch andere Kinder/Jungtiere und das restliche Umfeld. 19.02.2006 15/33 Michal Trinkler IDPA 4 Einflüsse auf die junge Rennmaus Eine junge Rennmaus bleibt, wenn sie abgegeben wird, in der Regel etwa 6-8 Wochen bei den Eltern. In dieser doch recht kurzen Zeit muss sie viel lernen. Von vielen Seiten wirken Einflüsse auf sie ein. Sie lernt die allgemeinen Verhaltensweisen wie Futter suchen, graben, nagen, usw. In dieser Zeit lernt sie aber auch, sich in einer Familienstruktur zu behaupten und sich in deren Rangordnung einzugliedern. Rennmäuse in der Heimtierhaltung lernen zudem den „betreuenden“ Menschen kennen. Die Charaktere der Rennmäuse sind ähnlich verschieden wie die der Menschen. Dazu gehört auch das Verhalten der Sippe gegenüber – das Sozialverhalten. Um herauszufinden, wie viel die verschiedenen Einflüsse ausmachen, wurden zwölf Rennmauszüchter und Rennmauszüchterinnen nach ihren Erfahrungen befragt. Nicht alle wussten Antworten auf jede Frage, aber die aussagekräftigsten Antworten sind in den folgenden Kapiteln aufgeführt und erläutert. 4.1 Einfluss der Eltern 4.1.1 Vererbung Das Erbgut spielt also laut den Zwillingsforschern eine ziemlich grosse Rolle. Wie genau die prozentuale Verteilung ist kann aber niemand so richtig sagen. Dass Anlagen zu gewissen Verhaltensweisen vererbt werden, geht aber aus dem Selektionsexperiment mit Mäusen ziemlich klar hervor. „Ich beobachte, dass bei zutraulichen Eltern auch die Jungtiere ziemlich schnell zutraulich werden. Ich hatte einmal ein bissiges Männchen, dessen Nachwuchs dem Menschen gegenüber ziemlich misstrauisch war. Erst mit viel Geduld wurden sie zutraulich. Hier handelt es sich zwar nicht direkt um ein Sozialverhalten, sondern eher um das Verhaltensmerkmal „Ängstlichkeit“. Die Erfahrung dieser Züchterin stimmt ziemlich gut mit dem Selektionsexperiment der Forscher überein. 19.02.2006 16/33 Michal Trinkler IDPA „Ich denke, dass sich die Aggressivität gegenüber Artgenossen vererbt. Ich hatte ein Weibchen, welches nur sehr schwer an andere Rennmäuse zu gewöhnen war. Einer ihrer Söhne war in einer 3-er Gruppe. Nach ca. einem Jahr flammte Streit auf, und das Männchen tötete seine beiden Mitbewohner!“ „Es hat sich für mich herausgestellt, dass Anlagen zu gewissem Verhalten vererbt werden. Allerdings machte ich diese Erfahrungen bei anderen Tierarten, bei Rennmäusen konnte ich dies bisher noch nicht beobachten.“ „Ich habe einen Fall, wo man einen Zusammenhang vermuten könnte. Der Vater war relativ zaghaft und etwas schreckhaft. Er liess sich regelmässig von Dingen, wie z.B. den Katzen erschrecken, was den anderen Rennmäusen gar nichts ausgemacht hat. Einer seiner Söhne war auch ganz zaghaft. Er traute sich erst etwa eine Woche später als seine Geschwister auf meine Hand zu krabbeln.“ „Ich hatte ein Weibchen, welches nach 2,5 Wochen begann, ihren Nachwuchs zu jagen und beissen. Der Nachwuchs war aber ganz friedlich und gutmütig.“ Dies ist ein Beispiel, bei dem sich das aggressive Verhalten der Mutter nicht auf die Jungtiere ausgewirkt hat. Der Grund dafür kann sein, dass die Rennmäuse nie in eine Situation kamen, in der sie die Aggressivität ausleben konnten. Es wird ja nicht die Verhaltensweise an sich vererbt, sondern die Veranlagung dazu. D.h. die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Tiere bei einer Auseinandersetzung aggressiv verhalten, ist höher. Ausserdem ist es auch möglich, dass diese Veranlagung sich nicht sofort auf die erste Generation auswirkt. Viele Anlagen werden rezessiv (versteckt) vererbt und erst in folgenden Generationen sichtbar. 4.1.2 Prägung und Erziehung Die Eltern spielen in der Prägung und Erziehung die Hauptrolle, wenn keine anderen erwachsenen oder halbwüchsigen Tiere da sind. Die Jungtiere ahmen die Erwachsenen oft nach und schauen ihnen Tricks ab. „Die jungen Rennmäuse imitieren das Verhalten ihrer Eltern. So hat z.B. eines meiner Männchen seinen Kindern und seinem Adoptivsohn beigebracht, wie man den Käfig öffnet.“ Dieses Verhalten konnte ich bei meinen Tieren ebenfalls beobachten. Ich habe ein Männchen, welches alles zernagt, was ihm in die Quere kommt. Die Partnerin dieses Männchens zeigt dieses Verhalten nicht so ausgeprägt. Die Jungtiere dieses Paares schauten dem Vater beim Nagen zu und beteiligten sich relativ schnell auch am Zernagen der Kartonröhren. 19.02.2006 17/33 Michal Trinkler IDPA „Ich denke, was man in den ersten acht Wochen bei den Tieren sieht, ist der Nachahmungstrieb. Erst mit ca. 10 Wochen fangen sie an, ihren eigenen Charakter unabhängig von den Eltern zu bilden. Ich denke aber auch, dass ein gut sozialisiertes Tier, welches im späteren Leben immer nur schlechte Erfahrungen macht, sein Verhalten noch ändern kann.“ Junge Rennmäuse kommen nackt, blind und taub zur Welt. Im Alter von ca. 5 Tagen öffnen sich die Ohren. Vor diesem Zeitpunkt nehmen die kleinen Rennmäuse nur die Wärme und den Geruch der Mutter und der anderen Tiere der Sippe wahr. Diese Prägung ist wichtig, da der Sippengeruch ein entscheidendes Erkennungsmerkmal im ganzen Leben einer Rennmaus ist. Rennmäuse kommunizieren im Ultraschall- wie auch im menschlichen Hörbereich miteinander. Das Öffnen der Ohren ist also ein bedeutender Wandel für die kleinen Mäuse. Mit 2-3 Wochen öffnen Rennmäuse die Augen und beginnen vermehrt die Umgebung ausserhalb des Nestes zu erkunden. Immer mehr müssen sie lernen, wie sie sich den Eltern gegenüber zu verhalten haben. Sie werden von Anfang an ins Sippenleben integriert. Die jungen Rennmäuse müssen sich den Eltern unterordnen. Junge Rennmäuse wollen und müssen – wie Menschenkinder – ihre Grenzen austesten. Ich beobachte bei meinen Mäusen, dass sie im Alter von 4-6 Wochen beginnen, miteinander zu raufen. Die Jungtiere raufen spielerisch miteinander. Je älter sie werden, desto mehr versuchen sie, auch die Eltern zu provozieren, indem sie diese ärgern. Dabei werden sie in der Regel von den Eltern in die Schranken gewiesen. 4.2 Gruppengrösse Eine Rennmausgruppe in der Natur besteht meistens nicht nur aus dem Elternpaar und dem aktuellen Nachwuchs. Die anderen Sippenmitglieder sind zwar rangniedriger als das sich fortpflanzende Paar, helfen aber bei der Aufzucht der Jungtiere tatkräftig mit. Spätestens wenn die Jungtiere aus dem Nest kommen, treten sie auch mit diesen Tieren in Kontakt. Je nach Rennmaussippe ist es sogar so, dass die Jungtiere bereits nach ein paar Tagen von der gesamten Sippe gewärmt und geputzt werden. In der Heimtierhaltung erfolgt die Zucht meist mit Paaren. In diesem Fall sind nur zwei Erzieher vorhanden - die Eltern. Die meisten befragten Züchter denken, dass sich eine Zucht in Gruppen 19.02.2006 18/33 Michal Trinkler IDPA positiv auf die jungen Rennmäuse auswirkt (z.B. Eltern und ältere Jungtiere oder Eltern und andere adulte Weibchen/Männchen). „Ich denke wenn man ein rangniedriges Tier aus einer grösseren Gruppe vergesellschaftet, hat man so gut wie keine Probleme. Auch Tiere die alleine waren sind in der Regel kein Problem. Probleme machen meist Tiere, die aus 2er Gruppen stammen. Es gibt natürlich auch Tiere, die sich überall und solche, die sich nirgends dazusetzen lassen. Aber ich finde, es hängt sehr stark davon ab wie sie die letzten drei Monate gehalten wurden.“ Diese Züchterin hat die Erfahrung gemacht, dass in Gruppen gehaltene Tiere sich besser in eine neue Gruppe einfügen lassen. Das Alphatier einer Gruppe hat aber in jedem Fall einen dominanteren Charakter als die übrigen Gruppenmitglieder. Dies führt dazu, dass sich solche ranghohen Tiere nur schwer an andere ranghohe Tiere gewöhnen lassen. 4.3 Trennungsalter Rennmäuse sind ab einem Alter von ca. 4 Wochen alleine überlebensfähig. Im Alter von ca. 3 Wochen beginnen sie langsam selber zu fressen und mit ca. 4 Wochen werden sie nicht mehr gesäugt. Einige Züchter trennen die Jungtiere bereits mit 5 Wochen von den Eltern. Gründe dafür sind: • Je jünger die Rennmäuse sind, desto einfacher lassen sie sich mit älteren Tieren zusammengewöhnen. • So junge Rennmäuse lassen sich problemlos mit fremden Jungtieren zusammensetzen, eine Angewöhnung entfällt. • Es gibt Weibchen, die ihre Jungtiere im Alter von ca. 4 Wochen beginnen zu jagen, zu beissen und zu vertreiben. In diesem Fall müssen die Jungtiere von der Mutter getrennt werden, da diese ihnen ansonsten ernsthafte Verletzungen zufügen kann. Dieses Verhalten ist in abgeschwächter Form natürlich, da die Jungtiere während des Absäugens von den Zitzen vertrieben werden. Das Sozialverhalten wird, wie schon erwähnt, in der Aufzuchtsphase noch geprägt. Darum ist es nicht ratsam, die Jungtiere bereits so früh von den Eltern zu trennen. Ideal ist es, wenn der Nachwuchs so lange bei den Elterntieren bleibt, bis Erfahrungen im Bereich der Jungtierpflege gesammelt werden konnten. Man hat herausgefunden, dass die Frequenz des Gitternagens 19.02.2006 19/33 Michal Trinkler IDPA erheblich ansteigt, wenn die Nachkommen von den Eltern getrennt werden, bevor der nachfolgende Wurf geboren ist13. Die befragten Züchter haben in dieser Richtung auch entsprechende Erfahrungen gemacht: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Tiere mit ca. 10-15 Wochen in der Prägephase sind. Das heisst, sie lernen aus den Geschehnissen um sich herum und fangen an, selbständig zu handeln und nicht mehr nur die Eltern nachzuahmen. Wenn ein Tier in dieser Zeit sehr viele schlechte Erfahrungen sammelt, prägt dies den Charakter und das Tier wird scheu und/oder aggressiv gegen Artgenossen. Genauso prägen aber auch gute Erfahrungen, wie z.B. ein stabiles Leben in der Sippe!“ Diese Züchterin findet es wichtig, dass die Tiere im Alter von 10-15 Wochen gute Erfahrungen machen. Natürlich können Rennmäuse auch in gleichgeschlechtlichen Gruppen gute Erfahrungen machen, allerdings lernen die jungen Rennmäuse weniger, wie sie sich in eine Gruppe einzufügen haben, bzw. dass sie sich meist unterordnen müssen. „Ich bin überzeugt, dass das Trennungsalter eine Rolle spielt und finde es wichtig, dass die kleinen Rennmäuse nicht zu früh vom Familienverband getrennt werden. Ich hatte zum Beispiel zwei Weibchen, wovon das eine einen Wurf gross zog. Mit 5 ½ Wochen wurden die Spannungen zwischen den Weibchen grösser, und ich trennte die Jungtiere von den zwei Weibchen. Die Jungtiere wurden abgegeben. Ein halbes Jahr später berichtete mir die neue Besitzerin, dass ihre zwei Mäuse sich gestritten hätten. Sie waren durch keine Vergesellschaftungsmethode wieder zu versöhnen. Bei allen Jungtieren aus anderen Würfen gab es nie solche Probleme.“ „Ich denke, dass ein 5 Wochen altes Tier, welches zu einem erwachsenen Tier kommt, noch genauso erzogen wird, wie von den Eltern. Ich habe früher viele Jungtiere vorübergehend bei mir aufgenommen. Alle kamen in eine gemischte Jugendgruppe mit einer 3-jährigen Erzieherin. Es ist weder zu Streit noch zu Nachwuchs gekommen, obwohl die Männchen oft bis zum Alter von 12 Wochen in der Gruppe blieben und die Weibchen noch länger. Auch konnte man diese Jungtiere einfach in bestehende Gruppen setzen, da sie gut sozialisiert waren und sich unterwarfen.“ Ein älteres Tier in einer Gruppe von jungen Rennmäusen wird in der Regel ohne Widerstand als Alphatier angenommen. Darum eignet sich die oben beschriebene Variante ebenso zur weiteren Sozialisierung. 13 Schulze-Sievert, 2002, S. 162 19.02.2006 20/33 Michal Trinkler IDPA Eine isolierte Haltung vor der Pubertät führt aufgrund der fehlenden Sozialisierung zu einer verstärkten Aggressivität, die dann auch beim ausgewachsenen Tier noch vorhanden ist14. Junge Rennmäuse sollen also niemals alleine gehalten werden. Wenn es schon nötig ist, sie früh von den Eltern zu trennen, sollten sie zumindest noch andere Rennmäuse als Gesellschaft haben. 14 Schulze-Sievert, 2002, S. 83 19.02.2006 21/33 Michal Trinkler IDPA 5 Der Versuch Anhand der Untersuchung möchte ich herausfinden, wie sich das unterschiedliche Trennungsalter auf junge Rennmäuse auswirkt. Dazu gehe ich vor wie folgt: Zwei junge Rennmäuse werden im Alter von 4 Wochen von den Eltern getrennt. Ein Wurfgeschwister verbleibt bei den Eltern. Im Alter von 3,5 Monaten wird getestet, wie sich die einzelnen Tiere gegenüber einem gleichgeschlechtlichen, adulten Tier verhalten. Dazu wird je ein junges Tier mit dem gleichgeschlechtlichen adulten Tier zusammengewöhnt. Dies wird mittels Trenngittermethode über eine Woche gemacht. 5.1 Die Tiere In den Versuch waren sechs Rennmäuse einbezogen, davon drei Jungtiere (1 m, 2 w) und drei adulte Tiere (1 m, 2 w). 5.1.1 Jungtiere Die drei Rennmäuse wurden am 27.10.2005 als erster Wurf der Eltern geboren. Ihre Eltern sind blutsfremde Wildfangnachzuchten, d.h. ihre Abstammung läuft nach wenigen Generationen auf zwei verschiedene Paare aus der Wildnis zurück. Somit sind diese Tiere noch nicht wirklich domestiziert und das verstärkte Agressionsverhalten mancher domestizierter Tiere ist noch nicht vorhanden. Wildfangnachzuchten sind ein wenig vorsichtiger als domestizierte Rennmäuse und brauchen ein wenig mehr Zeit, bis sie zutraulich werden. Die drei Jungtiere sind alle wildfarben (fachsprachlich Agouti). Die Tiere lebten bei den Eltern in einem Aquarium mit Gitterabdeckung. Die Einrichtung bestand aus einer Schicht Kleintierstreu mit Holzhäusern, Wurzeln und Ästen. Im Versuch habe ich die Namen der Tiere verwendet: Wummy (w), Wega (w), und Whisky (m). 5.1.2 Adulte Tiere Alle adulten Tiere sind eher dominant. Dies wurde mit Absicht so gewählt, damit sie versuchen, die jüngeren Tiere unterzuordnen. 19.02.2006 22/33 Michal Trinkler IDPA Jana (w) wurde am 23.2.2005 in meiner eigenen Zucht geboren und ist graublau-weiss gescheckt (fachsprachlich Blau-Schecke). Sie verbrachte ½ Jahr mit ihrer Mutter zusammen. Die Mutter starb bei einem Vergesellschaftungsversuch mit zwei anderen Weibchen. Sie war dann zwei Monate alleine bevor ein Vergesellschaftungsversuch mit einem eher dominanten Weibchen begann. Der Versuch sie zusammen zu setzen, schlug mehrere Male fehl. Seit einem Monat ist sie nun wieder ganz alleine. Jana ist eher dominant, allerdings hatte sie in letzter Zeit ein wenig abgenommen und war ein wenig schwächer. Dadurch konnte sie sich nicht mehr so stark anderen gegenüber behaupten. Zora (w) wurde am 28.3.2005 geboren und ist braun (fachsprachlich Marder). Sie kommt aus einer deutschen Zucht. Sie verbrachte 4,5 Monate in der Familiengruppe. Danach versuchte ich sie zu vergesellschaften (Trenngitterkäfig), jedoch scheiterte dies und somit sass sie seit etwa Oktober 2005 alleine. Zora verhielt sich beim Vergesellschaftungsversuch ziemlich dominant, sie liess sich schlecht unterordnen. Jumper (m) wurde im Mai 2005 geboren und ist orangebraun-weiss gescheckt (fachsprachlich Gold-Schecke). Er kommt mit seinem Bruder aus einem Luzerner Zoofachhandel, welcher ihn von einem Grosszüchter aus St.Gallen hat. Im Alter von 4 Monaten kam er mit einem Weibchen zusammen. Er wurde 3-mal Vater und verbrachte dann ca. 2 Monate mit zwei von seinen Söhnen. Anfangs Februar wurde er von seinen Söhnen getrennt und einzeln gesetzt. Jumper ist dominant, da er in der vorigen Konstellation die Alphamännchen-Rolle hatte. 5.2 Vorbereitung Die weiblichen Jungtiere (Wummy und Wega) wurden im Alter von 4,5 Wochen von den Eltern getrennt (Ende November 2005). Die folgenden 2,5 Monate verbrachten sie zu zweit. Der menschliche Einfluss beschränkte sich auf das Füttern der Tiere. Whisky blieb bis zum Ende des Versuchs bei den Eltern. Er erlebte einen weiteren Wurf der Eltern mit (geb. 2.12.05) und half bei der Aufzucht und Betreuung. 19.02.2006 23/33 Michal Trinkler IDPA 5.3 Durchführung Der Versuch wurde anfangs Februar durchgeführt. Da das anfänglich geplante Vorgehen keine Resultate ergab, wurde das Vorgehen kurzfristig geändert. 5.3.1 Trenngitterversuch Jana und Wummy wurden in einen Trenngitterkäfig gesetzt. Die Tiere beschnupperten sich durchs Gitter. Kurz danach nahmen die Tiere eine Körperhaltung an, mit der Rennmäuse normalerweise einem fremden Tier zeigen, dass sie sich bedroht fühlen (siehe drohende Haltung). Die Tiere attackierten sich durchs Gitter, da dies aber durch das Gitter erfolglos blieb, beruhigten sie sich bald. Die Seiten wurden 1x täglich gewechselt. Nach 4 Tagen erfolgte das erste Zusammensetzen. Die Tiere beschnupperten sich, blieben aber friedlich. Ein erneutes Zusammensetzen zwei Tage später zeigte ein noch friedlicheres Verhalten. Da dieses Vorgehen die Tiere zu stark aneinandergewöhnt, könnte aus dem Verhalten der Tiere keine Schlüsse gezogen werden. Ich entschloss mich, das Vorgehen zu ändern. 5.3.2 Kleinraumversuch Beim Kleinraumversuch kam eine Transportbox in Einsatz. Diese wurde mit einem Gemisch aus Stroh und Kleintierstreu gefüllt. Die Tiere wurden, ohne dass sie sich zuvor schon einmal getroffen hatten, in die Box gesetzt. Dabei wurde das Verhalten der Tiere beobachtet und dokumentiert. Kam es zu einem ernsthaften Kampf oder verbissen sich die Tiere ineinander, wurden sie getrennt. Nach etwa 5 Minuten wurden sie auf jeden Fall getrennt. 5.3.2.1 Versuch 1 Whisky und Jumper Die Box enthält ein ca. 10cm hohes Stroh-Streu-Gemisch. Die Tiere zeigen nach dem Zusammensetzen folgendes Verhalten: • Die Tiere beschnuppern sich Nase an Nase. • Jumper putzt Whiskys Kopf. • Jumper attackiert Whisky, dieser schiebt seinen Kopf unter Jumper. 19.02.2006 24/33 Michal Trinkler IDPA • Jumper attackiert Whisky, dieser flüchtet unter das Stroh. • Jumper beschnuppert Whisky, dieser hält sich weiterhin unter dem Stroh und fiept. • Whisky kommt vorsichtig unter dem Stroh hervor und Jumper attackiert ihn ein weiteres Mal. • Whisky fiept Jumper an, dieser verharrt in Kampfbereitschaft Die Tiere werden getrennt. Whisky wird zu den Eltern zurückgesetzt. Jumper kommt zurück in sein Becken. Wega und Jana Die Box enthält ein ca. 10cm hohes Stroh-Streu-Gemisch. Die Tiere zeigen nach dem Zusammensetzen folgendes Verhalten: • Die Tiere beschnuppern sich Nase an Nase. • Wega putzt Janas Kopf. • Wega hält ihre Schnauze auf Janas Schnauze. • Die beiden Rennmäuse buddeln in der Transportbox (Abb. 5). Abb. 5: Jana und Wega gehen sich aus dem Weg. • Wega putzt Jana ein weiteres Mal. • Wega verharrt mit der Schnauze auf Janas Schnauze. Die Tiere werden getrennt. Beide kommen in ihr Becken zurück. Whisky und Jumper Die Box enthält ein ca. 5cm hohes Gemisch (hauptsächlich Streu), damit sich die Tiere nicht mehr verstecken können. Dies wird bei den übrigen Versuchen so beibehalten. • Die Tiere beschnuppern sich aufgeregt Nase an Nase. • Beide richten sich auf und halten sich mit den Pfoten voneinander fern (Abb. 6). • Sie kauern sich nebeneinander und verharren einen Moment (Abb. 7). • Die Tiere halten ihre Nasen aneinander. 19.02.2006 25/33 Abb. 6: Jumper und Whisky richten sich auf. Michal Trinkler • Kurz darauf greift Jumper Whisky an. • Die Tiere halten kurz inne, und beginnen dann zu kämpfen. IDPA Die Tiere werden getrennt. Whisky wird zu den Eltern zurückgesetzt. Jumper kommt zurück in sein Becken. Abb. 7: Jumper und Whisky kauern nebeneinander. Wega und Jana • Die Tiere beschnuppern sich Nase an Nase. • Wega hält ihre Schnauze über Janas und verharrt so. • Jana hält inne, wenn sie Wega begegnet. • Jana putzt Wegas Kopf, Wega fiept. • Wega sucht Kontakt zu Jana, diese buddelt aber eifrig. • Jana findet ein Leckerli. Wega beschnuppert es kurz, lässt es ihr aber (Abb. 8). • Wega putzt Janas Kopf. • Jana kommt von hinten zu Wega, diese dreht sich schnell um und drückt Janas Schnauze runter. Die Tiere werden getrennt. Beide kommen in ihr Becken zurück. 19.02.2006 26/33 Michal Trinkler IDPA Abb. 8: Wega beschnuppert Jana’s Leckerli. 5.3.2.2 Versuch 2 Zwei Tage später machte ich einen zweiten Versuch. Da ich den Verdacht hatte, dass Jana den Sippengeruch von Wega schon kannte, da sie mit Wummy im Trenngitter war, zog ich ein weiteres Weibchen (Zora) in den Versuch mit ein. Whisky und Jumper • Die Tiere richten sich gegeneinander auf. Whisky fiept Jumper an. • Whisky drückt Jumpers Kopf runter und beide Mäuse verharren in dieser Stellung. • Die beiden richten sich plötzlich wieder auf und schlagen mit den Pfoten aufeinander ein. • Sie halten die Schnauzen aneinander und verharren, Whisky fiept. • Sie richten sich ein weiteres Mal auf, verharren und Whisky fiept. • Beide kauern sich auf den Boden und verharren. • Sie richten sich auf. • Die Tiere beschnuppern sich Nase an Nase. Die Tiere werden getrennt. Whisky wird zu den Eltern zurückgesetzt. Jumper kommt zurück in sein Becken. 19.02.2006 27/33 Michal Trinkler IDPA Wega und Zora • Die Tiere beschnuppern sich Nase an Nase. • Zora greift an und beginnt zu kämpfen. Die Tiere werden getrennt. Wega kommt in ihr Becken zurück. Zora wird wieder in die Transportbox gesetzt und Wummy kommt dazu. Wummy und Zora • Die Tiere beschnuppern sich Nase an Nase. • Zora beschnuppert Wummy an den Genitalien. • Zora ordnet Wummy unter (Schnauze auf Schnauze). • Wummy hält ihre Schnauze an Zoras Hals und verharrt drohend. • Die Tiere richten sich gegeneinander auf. • Sie nehmen eine drohende Körperhaltung ein. • Die Tiere machen einige Angriffe beiderseits, denen kurze Kämpfe folgen • Wummy drückt Zoras Schnauze runter. • Wummy putzt Zoras Kopf. • Wummy will Zora unterordnen, diese wehrt sich und drückt Wummys Kopf runter. Die Tiere werden getrennt. Beide kommen in ihr Becken zurück. 5.3.2.3 Nach dem Versuch Wummy und Wega sollten weiterhin zusammenbleiben. Sie waren eine Woche getrennt gewesen. Sie wurden in der Transportbox mit etwa 10cm Stroh-Streu Gemisch zusammengesetzt. Nach kurzer Zeit begannen sie aber zu kämpfen, und ich musste die Box mit mehr Streu füllen, damit sie nicht mehr kämpfen konnten. Sie bissen sich zwar nicht ernsthaft, griffen sich aber immer wieder an. Zwei Tage nach dem Zusammensetzen schliefen sie noch immer nicht in einem Nest. Zora wurde nach dem Versuch mit Whisky zusammengewöhnt (Trenngittermethode), was ziemlich reibungslos funktionierte. 19.02.2006 28/33 Michal Trinkler IDPA Jumper und Jana blieben bis auf weiteres erstmal alleine. 5.4 Ergebnisse Whisky ordnete sich während des Versuchs meist unter, und zeigte mit Fiepen, dass er Angst vor Jumper hatte. Wega versuchte in den ersten Versuchen meist, Jana unterzuordnen. Im Versuch mit Zora und Wega begannen die beiden sofort zu kämpfen. Wummy ordnete sich Zora ebenfalls nicht unter, sondern versuchte eher Zora unterzuordnen. Allerdings akzeptierte Zora dies nicht ganz. Die beiden Schwestern (Wummy und Wega) liessen sich nicht reibungslos wieder zusammensetzen, obwohl sie vorher 2,5 Monate lang zusammen waren. Damit zeigt sich, dass Whisky, welcher 3,5 Monate lang in der Familiengruppe blieb, sich eher unterordnete als Wummy und Wega, welche nur einen Monat bei der Familiengruppe waren. Ich denke jedoch, dass sich keine der zusammengesetzten Konstellationen verstanden hätten, wenn man sie einfach so zusammengelassen hätte, da in allen Versuchen ein recht angespanntes Klima herrschte. Um aus einem solchen Versuch signifikante Ergebnisse zu erhalten, müssten die adulten Tiere (Jana, Zora, Jumper) aus der gleichen Familie stammen. Ausserdem müsste eine grössere Menge an Tieren beobachtet werden. 19.02.2006 29/33 Michal Trinkler IDPA 6 Schlusswort Die Arbeit war für mich sehr interessant. Anfangs war ich erstaunt, wie wenig über die Entstehung des individuellen Sozialverhaltens von Tieren und selbst von Menschen bekannt ist. Während der Erarbeitung des Themas wurde mir dann aber klar, dass ich so meine eigene Befragung und meinen Versuch noch viel mehr zur Geltung bringen kann, da ich vieles selbst kombinieren und ergründen muss. Auch fand ich es erstaunlich, dass ein so grosser Teil des Sozialverhaltens vererbt wird, da ich immer geglaubt hatte, der grösste Teil mache die Prägung aus. Ich fand es sehr faszinierend, meine Rennmäuse einmal so richtig genau zu beobachten und alles zu dokumentieren. Ich habe schon viele Rennmäuse aneinander gewöhnt, jedoch habe ich mir meistens nicht wirklich Zeit genommen, die Tiere zu beobachten und mir zu überlegen, was ihr Verhalten bedeutet. Für mich ist diese Arbeit wichtig, da ich jetzt weiss, dass ein ausgeglichenes Sozialverhalten der Eltern eine grosse Rolle spielt, aber die jungen Rennmäuse auch in einem stabilen Umfeld aufwachsen sollten. 19.02.2006 30/33 Michal Trinkler 7 IDPA Glossar adult erwachsen, geschlechtsreif, alle Körpermerkmale sind voll ausgebildet Alphatier Leittier einer Gruppe. Alphatiere sind in der Regel die kräftigsten und erfahrensten Tiere der Gruppe. Domestizierung Veränderungsprozess einer Tierart, wenn diese über Generationen hinweg in Gefangenschaft gehalten wird. Dominanzverhalten Ein Tier möchte das Verhalten der anderen Tiere beherrschen/kontrollieren. rezessiv Ein rezessiv vererbtes Merkmal tritt nicht in Erscheinung, sondern wird von dominant vererbten Merkmalen überdeckt. Steppe baumlose Graslandschaft Territorium abgegrenztes Revier eines Tieres 19.02.2006 31/33 Michal Trinkler IDPA 8 Literaturverzeichnis 8.1 Allgemein Schulze-Sievert, 2002 Ein Beitrag zur tiergerechten Haltung der Mongolischen Wüstenrennmaus anhand der Literatur Brückmann V., 1992 Experimentelle Untersuchungen zur visuellen Diskriminationsleistung von Meriones unguiculatus 8.2 Die wilde Rennmaus http://www.rennmaus.de/homepage.php?action=sonstiges_mongolei, 15.02.06 Die Heimat der Rennmäuse - Die Mongolei http://www.mongolei.de/land/klima.htm, 15.02.06 Klima in der Mongolei http://www.diebrain.de/re-info.html#wild, 15.02.06 Rennmausinfo - Wildlive http://www.ig-rennmaeuse.de/wildnis.htm, 15.02.06 Die Mongolische Rennmaus in Ihrer Heimat 8.3 Heimtierhaltung www.rennmaus.de/homepage.php?action=Einstreu, 15.02.06 Die richtige Einstreu 19.02.2006 32/33 Michal Trinkler IDPA 8.4 Einflüsse auf Jungtiere oder Kinder allgemein betrachtet http://paedpsych.jku.at:4711/LEHRTEXTE/Rigos98.html, 15.02.06 Alexandra Rigos - "Eltern sind austauschbar" http://www.wissenschaft-online.de/abo/ticker/694663, 15.02.06 Böse Stiefmutter - Bestimmt Erziehung oder Vererbung unser Verhalten? http://www.zum.de/neurogenetik/5_3.html, 1.2.06 Komplexe Verhaltensmerkmale, quantitative Vererbung und selektierte Beispiele für den Einfluß bekannter Gene 19.02.2006 33/33