Globaler Klimawandel: Ursachen,Folgen, Handlungsmöglichkeiten rte e i s ali be u t k a ga aus 8 200 Diese Broschüre wurde im Rahmen der Klimaexpedition von Germanwatch erarbeitet. Weitere Informationen zur Klimaexpedition unter www.germanwatch.org/klimaexpedition.htm Germanwatch Büro Bonn Dr. Werner-Schuster-Haus Kaiserstraße 201 D-53113 Bonn Tel.: +49 (0) 228 - 60492 - 0 E-Mail: [email protected] Die Germanwatch-Klimaexpedition zeigt Live-Satellitenbilder in Schulen. Klimazusammenhänge werden so leicht verständlich und technisch faszinierend dargestellt. Germanwatch Büro Berlin Voßstraße 1 D-10117 Berlin Tel.: +49 (0) 30 - 28 88 356 - 0 E-Mail: [email protected] www.germanwatch.org Spendenkonto 32 123 00 Bank für Sozialwirtschaft AG BLZ 100 205 00 Abschluss der UN-Klimakonferenz in Bali, 15.12.2007 Gefördert durch: 2. überarbeitete Auflage, Februar 2008 AutorInnen 2. Auflage: Rixa Schwarz, Sven Harmeling, Gerold Kier, Christoph Bals Redaktion: Anika Busch, Martin Fliegner AutorInnen 1. Auflage: Sven Anemüller, Christoph Bals, Robin Girmes, Britta Horstmann, Gerold Kier Layout: ART:BÜRO Dietmar Putscher, Köln www.dietmar-putscher.de Bestellnummer: 08-2-04 Die 1. Auflage entstand mit Förderung des ISBN 978-3-939846-17-8 Gedruckt auf 100% Recycling-Papier Inhalt 1. Klima und Treibhauseffekt 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 Das Klima Der natürliche Treibhauseffekt Der Kohlenstoffkreislauf Das Klima ändert sich Der menschgemachte Treibhauseffekt Belege für den menschlichen Einfluss auf das Klima 2. Verursacher des menschgemachten Treibhauseffekts 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 Welche Länder sind die Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen? Absolute und Pro-Kopf-Emissionen der Länder heute Emissionen nach Sektoren Trends bei den Treibhausgasemissionen Ursachen für Veränderungen des CO2-Ausstoßes 3. Der Blick in die Zukunft: Szenarien und Auswirkungen des Klimawandels 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.3. 3.4 3.5 3.6 3.7 Grundsätzliche Ergebnisse des Vierten Sachstandberichts des IPCC und neuerer Forschungen Kipp-Elemente des Klimasystems und ihre Folgen Beschleunigter Meeresspiegelanstieg durch Schmelzprozesse in Grönland und der West-Antarktis Gletscherschmelze im Himalaja Bistabilität des Indischen Monsuns Kollaps des Amazonas-Regenwaldes Bistabile Entwicklung in der Sahel-Zone Extreme Wetterereignisse Gefährdung von Ernährungssicherung, landwirtschaftlicher Produktion und Wasserversorgung Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit Betroffenheit der Entwicklungsländer Gefährdung der Sicherheit 4. Gefährlichen Klimawandel vermeiden: Vom Kyoto-Protokoll zu einem UN-Abkommen nach 2012 4.1 4.2 4.3 4.4 Das Ziel der Klimarahmenkonvention: Gefährlichen Klimawandel vermeiden Das Kyoto-Protokoll Beschlüsse auf EU- und Bundesebene Meilensteine und Schwerpunkte für ein UN-Abkommen nach 2012 5. Die wichtigsten klimapolitischen Herausforderungen 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 Verantwortungsübernahme als Grundprinzip Die vier Grundszenarien der globalen Klimapolitik EU als Zugpferd und Einbezug der USA in den internationalen Klimaschutz Einbezug der Schwellenländer Anpassung an den Klimawandel Technologien Finanzmärkte und Investitionen 6. Maßnahmen zum Klimaschutz 6.1 6.2 6.3 Was kann die Politik tun? Welche Handlungsmöglichkeiten hat die Wirtschaft? Welchen Beitrag kann jede(r) Einzelne leisten? 7. Weiterführende Literatur und Internetseiten 7.1 7.2 7.3 Weiterführende Literatur Weiterführende Publikationen von Germanwatch Weiterführende Internetseiten 8 Im Text zitierte Quellen 4 4 4 4 6 6 8 11 11 11 13 15 16 18 20 20 21 22 23 23 23 24 26 28 28 28 29 29 30 31 31 34 34 35 35 36 37 38 38 41 41 42 43 46 46 46 47 48 3 1. Klima und Treibhauseffekt 1.1 Das Klima Das Klima beschreibt die Gesamtheit der meteorologischen Erscheinungen, die den durchschnittlichen Zustand der Atmosphäre an einem Ort charakterisieren. Üblicherweise werden hierzu die Messwerte des zurückliegenden 30-jährigen Zeitraums herangezogen. Hierin unterscheidet sich das Klima grundsätzlich vom Wetter, das nur kurzfristige und lokale Erscheinungen wie ein Gewitter oder einen kalten Wintertag kennzeichnet. Das globale Klima ist nicht konstant, sondern unterliegt ständigen Änderungen. Die Ursache hierfür liegt in mehreren Antriebsmechanismen. Die Atmosphäre hat dabei den größten Einfluss, steht jedoch in Wechselwirkung mit anderen Komponenten wie den Ozeanen und Eisflächen, der Landoberfläche und der Biosphäre. Der Antrieb für den Austausch zwischen diesen Teilsystemen wird von der Sonne geliefert, wobei je nach Breitengrad und Jahreszeit unterschiedlich viel Energie durch die Atmosphäre bis zur Erdoberfläche dringt. Dieses Ungleichgewicht, das Temperaturunterschiede und somit Luftdruckgefälle insbesondere zwischen dem Äquator und den Polen verursacht, setzt Ausgleichsprozesse wie zum Beispiel Wind oder Meeresströmungen in Kraft.1 halten und somit für den natürlichen Treibhauseffekt verantwortlich. Ändert sich die Zusammensetzung der atmosphärischen Gase, so ändert sich auch die Durchlässigkeit für die Wärmeabstrahlung der Erde. Die einzelnen Gase unterscheiden sich allerdings deutlich in ihrer Erwärmungswirkung. So hat ein Molekül Methan die gleiche Erwärmungswirkung wie 23 Moleküle Kohlendioxid (siehe Tabelle 1). Um diese Effekte besser vergleichbar zu machen und in ihrer Gesamtheit zu berechnen, verwenden die Klimawissenschaftler den Vergleichsmaßstab der CO2-Äquivalente: Allen Treibhausgasen werden Werte zugerechnet, welche die Erwärmungswirkung in Relation zum CO2 ausdrücken. Die Wirkung der Treibhausgase wird auch als Veränderung des Strahlungsantriebs bezeichnet, der die Veränderung der Bilanz aus solarer Einstrahlung und terrestrischer Abstrahlung in der unteren Atmosphäre darstellt und in der Regel in der Einheit Watt pro m2 angegeben wird (s. Tabelle 2). Abb. 1: Schematische Darstellung des Treibhauseffekts Spurengase und Wasserdampf 1.2 Der natürliche Treibhauseffekt Erst durch das Entstehen einer Atmosphäre und durch den natürlichen Treibhauseffekt ist Leben auf der Erde möglich. Der Treibhauseffekt bezeichnet den Erwärmungseffekt der Atmosphäre: Kurzwellige Sonnenstrahlung kann die Atmosphäre fast ungehindert bis zur Erdoberfläche durchdringen. Die von der Erdoberfläche reflektierte langwellige Wärmestrahlung jedoch wird von so genannten Treibhausgasen zu Teilen absorbiert und dadurch in der Atmosphäre gehalten (siehe Abbildung 1). So wird die globale Mitteltemperatur in Bodennähe, die ohne das Vorhandensein einer derartigen Atmosphäre -18 °C betragen würde, um 33 °C auf ca. +15 °C angehoben.2 Ohne diese Erwärmung wäre es folglich so kalt auf der Erde, dass sich kein höheres Leben hätte entwickeln können. Zu den „klimawirksamen“ Treibhausgasen der Atmosphäre, welche die Wärmestrahlung absorbieren, gehören vor allem Wasserdampf (H2O), Kohlendioxid (CO2), Distickstoffoxid (N2O), Methan (CH4) und Ozon (O3). Diese Gase sind in unterschiedlichen Konzentrationen auch ohne menschliches Zutun in der Atmosphäre ent- 1 2 4 vgl. Lauer 1995 vgl. Kraus 2004 Sonneneinstrahlung Erde Quelle: eigene Darstellung nach Justus-Perthes-Verlag, 1998 1.3 Der Kohlenstoffkreislauf Der Anteil kohlenstoffbasierter Treibhausgase wie CO2 und CH4 in der Atmosphäre ist für das Ausmaß des Treibhauseffektes von zentraler Bedeutung und wird durch die Prozesse des Kohlenstoffkreislaufs bestimmt (siehe Abbildung 2). Dieser Kreislauf erstreckt sich über die natürlichen Teilsysteme Ozean, Atmosphäre und Landökosysteme. Jedes Teilsystem des Kreislaufs gibt Kohlenstoff ab und nimmt ihn wieder auf. Diejenigen Systemkomponenten, aus denen der Atmosphäre treibhauswirksame Gase zugeführt werden, bezeichnet man als „Quellen“. Fossile Energieträger wie Erdöl oder Kohle, die heute in großem Maßstab durch den Menschen verbrannt werden, oder die Zerstörung der tropischen Regenwälder sind hierfür Beispiele. Den „Quellen“ stellt man die sogenannten „Senken“ gegenüber. Senken, wie zum Beispiel Ozeane, Böden oder Pflanzen, sind bis zu einem bestimmten Grad in der Lage, aus der Atmosphäre zusätzliches CO2 aufzunehmen und zu speichern. Beispielsweise binden Wälder während ihrer Wachstumsphase in der Regel große Mengen an CO2 in Holz und Boden. Wenn dann zu einem späteren Zeitpunkt das Holz verbrannt wird oder verrottet, wird das CO2 wieder in die Atmosphäre freigesetzt. Am Beispiel der Ozeane zeigt sich aber auch die Begrenztheit dieser Senken. Mit zunehmender CO2Anreicherung sinkt die Aufnahmekapazität: Die Senkenfunktion für die Aufnahme von zusätzlichem CO2 aus der Atmosphäre nimmt ab. Die Austausch- und Rückkopplungsprozesse zwischen den Teilsystemen sind teilweise hochkomplex und quantitativ schwer abzuschätzen. Der Ozean ist eine wichtige Senke.3 Etwa 30 % des vom Menschen zusätzlich freigesetzten CO2 bindet er direkt oder indirekt. Ohne diese Senkenfunktion wäre der CO2-Anstieg in der Atmosphäre noch stärker. Aber sie hat auch eine Kehrseite: Dem Sondergutachten des „Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen” von 2006 zufolge hat eine Versauerung, d. h. der Anstieg der CO2-Konzentration in den Meeren, durch den Klimawandel bereits begonnen.4 Diese Versauerung führt zum einen zu Veränderungen der Meeresökosysteme und zum anderen zur Verminderung der CO2Aufnahmekapazität der Meere. Abb. 2: Der Kohlenstoffkreislauf 119,6 Atmosphäre 597 +165 120 6,4 Nettoprimärproduktion und Respiration 70,6 70 1,6 2,6 22,2 20 Verbrennung fossiler Energieträger und Zementproduktion Landnutzungsänderungen und terrestrische Senke Fossile Energieträger 3.700 -244 Vegetation, Böden u. Streu 2.300 +101 -140 Oberflächenozean 900 +18 0,8 90,2 50 101 39 Marine Biosphäre 3 1,6 Abfluss tiefer Ozean 37.100 +100 Die Abbildung zeigt die Kohlenstoffreservoire (weiße Felder), die natürlichen Kohlenstoffflüsse (grüne Pfeile) und die Flüsse, die durch anthropogene Störungen verursacht werden (rote Pfeile) pro Jahr. Alle Angaben in Gigatonnen Kohlenstoff (GtC). Die Flüsse zwischen Atmosphäre und Ozean sowie Atmosphäre und Landvegetation sind durchschnittliche Jahresnettowerte für die 1990er Jahre. Quelle: eigene Darstellung nach: http://www.hamburger-bildungsserver.de/welcome.phtml?unten=/klima/treibhaus/ Oberflächensedimente 150 3 4 IPCC 2007a WBGU 2006 5 1.4 Das Klima ändert sich Zudem ist der Weltklimarat IPCC (siehe Kasten 1) zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der hydrologische Kreislauf (Wasserkreislauf) verändert hat. Während es auf der Nordhalbkugel eine Zunahme der kontinentalen Niederschläge um 5-10 % während des 20. Jahrhunderts gegeben hat, ist in manchen Regionen (z. B. Nord- und Westafrika) ein Rückgang zu beobachten. In den mittleren und höheren nördlichen Breiten konnte eine Zunahme extremer Niederschlagsereignisse verzeichnet werden. Ferner zeigt sich ein weiträumiger Rückzug von Berggletschern, die aufgrund ihrer Sensibilität gegenüber Temperaturveränderungen auch als „Fieberthermometer der Erde“ bezeichnet werden. Auch gibt es deutliche Anzeichen für ein Aufweichen von Permafrostböden in Teilen der Polar- und Subpolarregionen zu bemerken.6 Die globale Durchschnittstemperatur ist im Laufe des 20. Jahrhunderts um ca. 0,74 °C angestiegen, allerdings weder zeitlich noch regional gleichmäßig. Besonders in den Zeiträumen 1910 bis 1945 und seit 1976 ist es zu einer deutlichen Erwärmung gekommen. Elf der vergangenen zwölf Jahre (1995-2006) fallen unter die zwölf wärmsten Jahre seit Beginn der Temperaturmessungen im Jahr 1850.5 Der Anstieg fand vor allem über den Landflächen statt und hier besonders über der nördlichen Erdhalbkugel, weniger über den sich verzögert erwärmenden Ozeanen. Der durchschnittliche globale Meeresspiegel ist im 20. Jahrhundert um 12-22 Zentimeter angestiegen. Abb. 3: Wann ist Klimawandel gefährlich? Risiken und Folgen globaler Erwärmung I Risiken für einzigartige und bedrohte Systeme 6 II Häufigkeit und Schwere extremer Klimaereignisse Tempera- 5 turanstieg in °C 4 III Globale Verteilung und Ausgleich der Auswirkungen IV Gesamte ökonomische und ökologische Auswirkung 3 2 °C 2 Heute: 0,74 °C 1 } V Risiken unumkehrbarer, weit reichender und plötzlicher Auswirkungen Realistischer Temperaturanstieg bei massivem Klimaschutz rot = höheres Risiko gelb = geringes Risiko 0 I II III IV V Quelle: eigene Darstellung nach Schellnhuber 2007 1.5 Der menschgemachte Treibhauseffekt Bei den beobachteten Veränderungen stellt sich die Frage, ob und in welchem Ausmaß sie natürlichen Ursprungs oder durch den Menschen verursacht sind. Zunächst lässt sich zweifelsfrei festhalten, dass der Mensch mit seinem Handeln die Konzentration von Treibhausgasen und damit die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre deutlich beeinflusst. Durch eine Vielzahl von Prozessen setzt er große Mengen an Treibhausgasen frei: vor allem durch die Verbrennung fossiler Energieträger (Braun- und Steinkohle, Erdöl, Erdgas), die großflächige Änderung der 5 6 6 IPCC 2007a Alle Angaben IPCC 2007a Landnutzung (z. B. Rodung von Wäldern), landwirtschaftliche Tätigkeiten (v. a. Viehwirtschaft und Reisanbau) und industrielle Prozesse. Dieser menschliche Einfluss ist verantwortlich für den signifikanten Konzentrationsanstieg von Treibhausgasen in der Atmosphäre seit Beginn der Industrialisierung (siehe Tabelle 1) und die dadurch ausgelöste Verstärkung des Treibhauseffektes. Daher bezeichnet man den Anteil am gesamten Treibhauseffekt, den der Mensch durch sein Handeln verursacht, als menschgemachten oder anthropogenen Treibhauseffekt. Das Treibhausgas CO2 trägt zu etwa 55 % zum anthropogenen Treibhauseffekt bei und ist damit der Hauptfaktor in den vom Menschen verursachten Emissionen. Info-Kasten 1: IPCC - höchste Autorität der Klimawissenschaft Ohne Forschungen unabhängiger WissenschaftlerInnen kann die Politik keine fundierten und wirkungsvollen Entscheidungen in Richtung Klimaschutz treffen. Es bedarf folglich einer Institution, die den Sachverstand der weltweiten Klimawissenschaft so umfassend und konsensorientiert wie möglich bündelt. Zu diesem Zweck gründeten die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP ) 1988 den Zwischenstaatlichen Ausschuss zum Klimawandel (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC), der häufig auch als Weltklimarat bezeichnet wird. Seine umfangreichen Sachstandberichte waren stets eine wichtige Grundlage für wissenschaftlich fundierte klimapolitische Entscheidungen. So war der erste Bericht (1990) die wichtigste wissenschaftliche Grundlage für die Klimarahmenkonvention, der zweite Bericht (1995) hatte diese Funktion für das Kyoto-Protokoll. Die klimawissenschaftlichen Fakten des dritten Berichts (2001) waren ein wichtiger Antrieb für viele Regierungen, das Kyoto-Protokoll mit seinen verbindlichen Klimaschutzpflichten zu ratifizieren – und damit in Kraft zu setzen. Der 2007 erschienene vierte Bericht hat weltweit bereits die öffentliche und politische Diskussion über den Klimawandel und seine Konsequenzen stark befördert. Er stellt die entscheidende wissenschaftliche Grundlage für den Verhandlungsprozess dar, der bis 2009 zu einem UN-Klimaabkommen für die Zeit nach 2012 führen soll.7 Die Sachstandsberichte werden jeweils von mehreren hundert Fachleuten aus aller Welt in mehrfachen Begutachtungsprozessen erstellt. Dabei dürfen nur Erkenntnisse aufgenommen werden, die in wissenschaftlichen Zeitungen bereits einer Überprüfung durch WissenschaftlerInnen unterworfen worden sind („Peer Reviewing“). Vergleicht man die ersten drei Berichte mit dem jeweils nachfolgenden Bericht, so zeigt sich klar: zentrale Aussagen wurden jeweils sehr vorsichtig formuliert und nachher durch sicherere bestätigt. In vielen Fällen folgten sogar deutlich dramatischere Feststellungen, die sich aus dem zunehmenden wissenschaftlichen Sachstand ableiten ließen. Mehrere Beispiele deuten darauf hin, dass auch der vierte IPCCSachstandsbericht in vielerlei Hinsicht sehr vorsichtige, konservative Abschätzungen präsentiert. Dies gilt u. a. für die Annahmen zur weltweiten Emissionsentwicklung (siehe Abb.11) und zum Meeresspiegelanstieg (siehe 3.2.1) Der Beitrag von Methan liegt bei etwa 15 % (siehe Tabelle 1). Neben diesen Gasen gehören Distickstoffoxid (N2O, Lachgas) sowie industriell erzeugte Gase wie Fluorkohlenwasserstoffe zu den wichtigsten anthropogenen Treibhausgasen. Ozon (O3) wird nicht direkt ausgestoßen, sondern entfaltet seine Wirksamkeit als Folgeprodukt u. a. bei der Verbrennung fossiler Energieträger. Wasserdampf ist das natürlich am stärksten konzentrierte Treibhausgas in der Atmosphäre. Der Mensch beeinflusst seine Konzentration direkt durch den Flugverkehr und indirekt durch die erwärmungsbedingte Veränderung des Wasserkreislaufs. tion in den letzten 420.000 Jahren nie 290 ppm8 überschritten hat. Seit Beginn der Industrialisierung um 1750 – und damit der massiven Ausweitung oben skizzierter menschlicher Einflüsse – stieg die Konzentration von CO2 jedoch um ca. 30 % und betrug im Jahre 2005 im Jahresmittel bereits 379 ppm, mit einer jährlichen Zuwachsrate von etwa 1,9 ppm zwischen 1995 und 2005.9 Die Methankonzentration steigerte sich sogar um ca. 140 %.10 Aus der Analyse von Bohrungen im antarktischen Eis ging hervor, dass die atmosphärische CO2-Konzentra- Allerdings gibt es auch menschliche Handlungen mit einem kühlenden Effekt, beispielsweise die industriellen Emissionen von Schwefeldioxid (SO2).11 Insgesamt aber überwiegt der Ausstoß erwärmend wirkender Treibhausgase deutlich (siehe Tabelle 2). 7 8 Volltext der englischen Version des vierten Sachstandberichts: http://www.ipcc.ch; Zusammenfassung für Entscheidungsträger (deutsch): http://www.ipcc.ch/pub/nonun.htm ppm (parts per million): Teilchen pro Million IPCC 2007a 10 IPCC 2007a 11 IPCC 2001a: 9 9 7 Tabelle 1: Die wichtigsten anthropogenen Treibhausgase Spurengas Anthropogene Herkunft Derzeitige (und vorindustrielle) Konzentration Konzentrationsanstieg pro Jahr Anteil am anthropogenen Treibhauseffekt (seit 1750) Treibhauspotential pro Teilchen, CO2 = 1 Kohlendioxid (CO2) Verbrennung fossiler Energien; Waldrodungen und Bodenerosion; Holzverbrennung ca. 379 (280) ppm 1,5 ppm 60% 1 Methan (CH4) Reisanbau; Viehhaltung; Erdgaslecks; Verbrennung von Biomasse; Mülldeponien; Nutzung fossiler Energien ca. 1774 ppb (730 ppb) -5 bis +5 ppb 15 % ca. 23 Ozon (O3) Wird indirekt gebildet durch fotochemische Reaktionen; Verbrennung fossiler Energieträger durch Verkehrsmittel ca. 0,02 ppm in unklarer Trend Troposphäre (regional unterschiedlich) (kleiner 0,01) 8% ca. 2.000 Distickstoffoxid (N2O, Lachgas) Verbrennen von Biomasse und fossilen Energieträgern; Düngemitteleinsatz 319 (270) ppb 0,8 ppb 4% ca. 200-300 Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) Treibmittel in Sprühdosen; Beimengung im Leitungssystem von Kühlaggregaten, Isoliermaterial, Reinigungsmittel ca. 0,005 (0) ppm tendenziell Rückgang 11% ca. 14.000 Wasserdampf (H2O) Verbrennungsprozesse: hochfliegende Flugzeuge (führt zu Kondensstreifen und Zirruswolken) 0,2 - 0,3 ppm in k. A. Troposphäre (regional unterschiedlich) <3% k. A. ppm (parts per million): Teilchen pro Million; ppb (parts per billion): Teilchen pro Milliarde Quellen: IPCC 2007a, Jacobeit 2007, Hamburger Bildungsserver 2007 1.6 Belege für den menschlichen Einfluss auf das Klima Klimaänderungen hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben. Sind jedoch die jüngsten Veränderungen des Klimas ohne den Einfluss des Menschen zu erklären? Prinzipiell sind auch Ursachen denkbar, die nicht auf den Kohlenstoffkreislauf und die Konzentration von Treibhausgasen zurückzuführen sind (siehe auch Tabelle 2). Änderungen der Erdparameter und unterschiedlich starke Sonnenaktivität lassen die Einstrahlung der Sonnenenergie schwanken, die auf die Erdoberfläche trifft. Vulkanausbrüche können eine Abkühlung bewirken, wenn große Mengen Asche in die Atmosphäre geschleudert werden, welche die Durchlässigkeit der Sonnenstrahlung verringern. Dies war beispielsweise in den Jahren 1991-1993 der Fall, die in Folge des Ausbruchs des philippinischen Vulkans Pinatubo relativ kühl waren.12 Auch können interne Wechselwirkungen und Rückkopplungsmechanismen zwischen Atmosphäre und Ozeanen wie z. B. das 12 Schönwiese 2004: 8 13 IPCC 2007a 8 El-Niño-Ereignis das globale Klima über mehrere Jahre hinweg beeinflussen. Laut IPCC kann die Erwärmung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aber nicht allein durch natürliche Faktoren wie eine veränderte Sonnenaktivität erklärt werden. Vielmehr leitet sich aus den neuen Erkenntnissen des IPCC eine „sehr hohe Sicherheit” (d. h. nach IPCC-Definition in mindestens 9 von 10 Fällen korrekt) ab, dass zum einen menschliche Aktivität seit 1750 insgesamt zur Erderwärmung geführt hat. Zum anderen ist der größte Teil des Temperaturanstiegs in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts „sehr wahrscheinlich” (d. h. nach IPCC-Definition mit 90- bis 99%-iger Wahrscheinlichkeit) die Folge des menschgemachten Anstiegs der Treibhausgaskonzentration.13 Im dritten Sachstandbericht des IPCC hatte es noch „wahrscheinlich“ geheißen. Das internationale Wissenschaftlergremium stützt sich in seiner Aussage über den Beitrag des Menschen an der globalen Klimaänderung im Wesentlichen auf drei Pfeiler: die menschgemachte Zunahme von Treibhausgasen, die hohe Korrelation zwischen globaler Mitteltemperatur und der Kohlendioxidkonzentration in der Vergangenheit sowie Hochrechnungen mit Klimamodellen.14 eine noch größere Annäherung an die in der Realität beobachtete Entwicklung dar. Allerdings schließt dies nicht prinzipiell die Möglichkeit aus, dass noch weitere Faktoren eine begrenzte Rolle für den Temperaturanstieg gespielt haben könnten. Die anderen bekannten Faktoren, die die globale Temperatur verändern können, werden dabei berücksichtigt. Die Betrachtung des Strahlungsantriebs unterschiedlicher großräumig wirksamer Klimafaktoren (Tabelle 2) und die daraus berechneten Temperatursignale unterstützen die Hypothese, dass der Mensch über die Treibhausgase einen deutlich größeren Einfluss auf die Temperaturveränderung seit 1860 genommen hat als natürliche Faktoren wie veränderte Sonnenaktivität oder Vulkaneruptionen. Insgesamt sind das demnach ca. 0,7 °C, was in etwa dem beobachteten Anstieg von 0,74 °C im 20. Jahrhundert entspricht. Die natürlichen Klimasignale sind demgegenüber relativ klein sowie episodisch bzw. fluktuativ, haben also zu dem Langfristtrend der letzten 100 Jahre kaum beigetragen. Wenn man bei der Simulation der Temperaturentwicklungen der letzten eineinhalb Jahrhunderte sowohl die natürlichen Faktoren als auch die menschgemachten mit einbezieht, lässt sich der tatsächliche Temperaturverlauf sehr genau simulieren (siehe Abbildung 4). Die Simulation der natürlichen Entwicklung beschränkt sich dabei auf die Faktoren Variation der Solarstrahlung und Vulkanausbrüche. Die Simulation der menschgemachten Entwicklung bezieht nur die Faktoren Treibhausgasemissionen und Emissionen von Sulfataerosolen (die eine abkühlende Wirkung haben) mit ein. Bereits die Simulation der menschgemachten Faktoren würde eine plausible Erklärung für den größten Teil der beobachteten Temperaturentwicklung liefern. Die Integration beider Faktorenbündel hingegen stellt Insgesamt ist die Frage, ob sich das Klima ändert und ob der menschgemachteTreibhauseffekt in den letzten Jahrzehnten wesentlicher Antrieb dieser Veränderung war, nicht mehr wissenschaftlich umstritten. Diskutiert wird lediglich über das genaue Ausmaß und die zu erwartenden Konsequenzen in verschiedenen Regionen. Tabelle 2: Großräumig wirksame Klimafaktoren und die zugehörigen Strahlungsantriebe und Temperatursignale (seit 1860) Klimafaktor Strahlungsantrieb Signal 15 Signalstruktur Treibhausgase, TR (a) 2,07 bis 2,53 W/m2 0,9 bis 1,3 °C Progressiver Trend Sulfataerosol, SU (a) -0,1 bis -0,9 W/m2 -0,2 bis -0,4 °C Uneinheitl. Trend Kombiniert, TR + SU (a) 1,8 bis 2,43 W/m2 0,5 bis 0,7 °C Uneinheitl. Trend Vulkaneruptionen max. -1 bis -3 W/m2* -0,1 bis -0,2 °C Episodisch (1-3 Jahre) Sonnenaktivität 0,06 bis 0,3 W/m2 0,1 bis 0,2 °C Fluktuativ (+ Trend) El Niño/Southern Oscillation - 0,2 bis 0,3 °C Episodisch (a) anthropogen, * Pinatubo-Ausbruch 1991: 2,4 W/m2, 1992: 3,2 W/m2, 1993: 0,9 W/m2 Quellen: IPCC 2007a, Schönwiese 2004 14 vgl. auch Graßl, 1998: 12; Bolin, 1998: 352 15 Die natürlichen internen Schwankungen des Klimas sind das „Rauschen”, gegenüber dem sich Klimaänderungen durch be- stimmte externe Anstöße, ob durch natürliche Ursachen oder den Menschen, als „Signal” abheben. Will man eine ungewöhnliche Klimaänderung wie z. B. die Erwärmung der letzten Jahrzehnte erklären, so muss man zunächst untersuchen, ob es sich dabei um ein Phänomen handelt, das sich signifikant von dem natürlichen „Rauschen” des Klimas unterscheidet und nicht als natürliche interne Variabilität erklärt werden kann. Falls das so ist, muss man in einem zweiten Schritt versuchen, die Ursache des „Signals” herauszufinden, also zu bestimmen, ob es durch natürliche oder anthropogene externe Antriebsfaktoren bedingt ist. Quelle: Schönwiese 2004:8 9 Schwarz: Gemessene Temperaturabweichungen Blau: Simulation der natürlichen Einflussfaktoren Rot: Kombinierte Simulation der natürlichen und anthropogenen Einflussfaktoren Temperaturabweichungen in °C Abb. 4: Gemessene und simulierte Temperaturabweichungen vom langjährigen Mittel (1901-1950) seit 1901 1,0 0,5 0,0 1900 1950 2000 Quelle: IPCC 2007a 350 350 300 1 1800 1900 Jahr 2000 300 0 Strahlungsantrieb (W/m2) 400 Kohlendioxid (ppm) Abb. 5: Atmosphärische Konzentration der wichtigsten langlebigen Treibhausgase in den letzten 10.000 Jahren bzw. seit 1750 (jeweils eingefügte Grafik) 250 2000 Methan (ppb) 1500 1500 0,4 1000 500 1800 1900 Jahr 2000 0,2 1000 0 500 Strahlungsantrieb (W/m2) 2000 330 Lachgas (ppb) 300 270 300 1800 1900 Jahr 2000 0 270 10000 5000 Zeit (vor 2005) Quelle: IPCC 2007d 10 0,1 240 0 Strahlungsantrieb (W/m2) 330 2. Verursacher des menschgemachten Treibhauseffekts Wie gezeigt wurde, greift der Mensch durch sein Handeln massiv in die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre ein und ist somit fast zweifelsfrei der Hauptverursacher für den sich verstärkenden Treibhauseffekt der Erde. Allerdings war und ist der Beitrag der verschiedenen Staaten und ihrer Bewohner zum Klimawandel sehr verschieden – v. a. wegen ihrer unterschiedlichen wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Situationen. Generell ist zu sagen, dass die technologisch am wenigsten entwickelten Länder am wenigsten zum globalen Klimawandel beigetragen haben und nun am wenigsten in der Lage sind, sich auf die kommenden Veränderungen einzustellen. 2.1 Welche Länder sind die Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen? Die Frage, welche Länder für welche Mengen an Emissionen verantwortlich sind, stellt sich sowohl für die Vergangenheit als auch für Gegenwart und Zukunft. Aus zwei Gründen ist der Blick in die Vergangenheit besonders wichtig. Erstens ist CO2 ein rund 100 Jahre lang wirksames Treibhausgas, d. h. die Frage der Verantwortung für den heute bereits sichtbaren globalen Klimawandel ergibt sich aus den kumulierten Emissionen des letzten Jahrhunderts. Zweitens haben diejenigen Länder, die in der Vergangenheit besonders viel Energie nutzten, – vor allem Kohle, Öl und Gas – und damit besonders hohe Treibhausgasemissionen hatten, von diesem Verhalten profitiert, indem sie Infrastruktur, Produktionsanlagen und Kapital aufgebaut haben. Dieser Reichtum verschafft ihnen einen deutlich größeren Handlungsspielraum, heute in die Entwicklung und Verbreitung klimafreundlicher Energietechnologien zu investieren, als es in armen Ländern der Fall ist. Letztere erheben hingegen einen Anspruch auf „nachholende Entwicklung“ mit hohem Wirtschaftswachstum und erwarten, dass sie die Zusatzkosten für klimafreundliche Technologien vom Norden ganz oder teilweise finanziert bekommen. Abbildung 6 zeigt, dass die Industrieländer die Hauptverursacher des anthropogenen Treibhauseffektes sind, wenn man die im letzten Jahrhundert in der Atmosphäre durch den Menschen angehäuften CO2Emissionen betrachtet. Mehr als die Hälfte (58 %) entfielen zwischen 1900 und 1999 alleine auf Europa und die USA, auf das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion weitere 13,7 %. Die Gesamtheit der so genannten Entwicklungsländer war hingegen nur für 21% der angehäuften CO2-Emissionen verantwortlich. Der Vergleich dieser Daten mit den kumulierten Emissionen zwischen 1992 und 2004 verdeutlicht den wachsenden CO2-Ausstoß der Schwellenländer, vor allem Chinas und Indiens. Info-Kasten 2: Historische Verantwortung beim Klimawandel Die Tatsache, dass hauptsächlich die kapitalstarken Industrieländer den Klimawandel verursachen, während die Entwicklungsländer am stärksten unter den Auswirkungen zu leiden haben, veranlasste die britische Entwicklungsorganisation Oxfam dazu, einen Index zur Finanzierung der Anpassung an den Klimawandel zu erstellen. Diesem Index zufolge sollen hauptsächlich die USA (40 %), die EU (30%, hier vor allem Deutschland, Großbritannien, Italien, Frankreich und Spanien) und Japan (10 %) für die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern aufkommen, da diese Länder erstens für den bedeutendsten Teil der kumulierten Emissionen verantwortlich und zweitens wirtschaftlich ausreichend leistungsfähig sind, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden.16 2.2 Absolute und Pro-KopfEmissionen der Länder heute In den meisten Entwicklungsländern steigen die Treibhausgasemissionen heute stark an, was allerdings auch auf verschiedene Industrieländer zutrifft. Die USA haben durch ihre kumulierten CO2-Emissionen mit Abstand am meisten zum Klimawandel beigetragen: Auch im Jahr 2002 gingen fast 25 % des weltweiten CO2-Ausstoßes auf ihr Konto. China hat die USA nach verschiedenen Schätzungen im Jahr 2007 vermutlich überholt. Das Land stößt mit seinen gut 1,3 Milliarden Einwohnern jetzt etwa so viel CO2 aus wie die 15 Länder der „alten EU“ mit ihren rund 380 Millionen Einwohnern. Danach folgen unter den Einzelstaaten Russland, Japan und Indien (siehe Abbildung 6b). Angesichts des schnellen Emissionswachstums vor allem in den Schwellenländern lassen sich ernsthafte 16 Oxfam International 2007 11 globale Klimaziele ohne die zielgerichtete Kooperation mit diesen Ländern nicht ereichen. Selbst wenn die Industrieländer ihre Emissionen auf Null reduzierten, würde ein ungebremster Anstieg der Emissionen in den Ländern des Südens gefährliche Störungen des globalen Klimasystems unvermeidlich machen. Während für die Entwicklung des Klimasystems die Gesamtemissionen eines Landes zentral sind, stellt sich unter dem Aspekt der Gerechtigkeit eher die Frage der Pro-Kopf-Emissionen. Abbildung 7 zeigt die Entwicklung in den Jahren 1990 bis 2004 für ausgewählte Länder. Hier liegen die USA und Kanada mit ca. 20 bzw. 18 t CO2 im Jahr 2004 deutlich vorne. Zu beachten ist allerdings, dass einige der arabischen Golfstaaten noch weit höhere Pro-KopfWerte haben, in Qatar liegt der Wert bei ca. 60 Tonnen.17 In Deutschland und Russland sind mit dem deutlichen Gesamtrückgang auch sinkende Pro-KopfEmissionen verknüpft. Nichtsdestotrotz produziert jeder Deutsche im Durchschnitt immer noch etwa 10 t CO2 pro Jahr, Japan liegt mit 9,5 t knapp dahinter. Die Abb. 6a: Kumulierte energiebedingte CO2-Emissionen 1900-1999 Japan 3,7 % Russland 13,7 % Kanada 2,3 % Australien 1,1 % Entwicklungsländer 21 % Europa 27,7 % USA 30,3 % China, Indien und Entwicklungsländer Asiens 12,2 % Süd- und Mittelamerika 3,8 % Mittlerer Osten 2,6 % Afrika 2,5 % Quelle: eigene Darstellung nach World Resources Institute 2002 Abb. 6b: Kumulierte energiebedingte CO2-Emissionen 1992-2004 Japan 4,9 % Kanada 2,3 % Australien 1,4 % Russland 7% China (inkl. Hongkong) 13,6 % Entwicklungsländer Asiens 4,6 % Indien 3,9 % Europa 18,9 % Entwicklungsländer 30,5% USA 23,7 % Quelle: EIA 2004 17 IEA 2006: 104 12 Süd- und Mittelamerika 4% Mittlerer Osten 4,4 % Afrika 3,6 % Betrachtung der Pro-Kopf-Werte relativiert auch die hohen Gesamtemissionen Chinas und Indiens. Als bevölkerungsreichste Länder der Erde mit über 1,3 Mrd. (China) bzw. 1,1 Mrd. Einwohnern (Indien) verzeichnen sie zwar hohe absolute Emissionen, ihre Pro-KopfEmissionen liegen jedoch nur bei 3,6 bzw. 1 t CO2 pro Jahr. Und diese Emissionen werden ganz überwiegend von einer Minderheit der jeweiligen Bevölkerungen erzeugt: So werden in China nur etwa 20 % der Bevöl- kerung der „globalen Konsumentenklasse“ zugeordnet, die durch einen konsum- und ressourcenintensiven Lebensstil erhebliche CO2-Emissionen verursacht.18 Die summierten Emissionen des gesamten afrikanischen Kontinents sind durchschnittlich mit den ProKopf-Emissionen Indiens vergleichbar, einzelne Länder wie z. B. die Republik Kongo liegen mit ihren ProKopf-Emissionen sogar deutlich niedriger. Abb. 7: Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen pro Einwohner zwischen 1990 und 2004 für neun ausgewählte Länder 25 t CO2 / Einwohner USA 20 Kanada Russland Deutschland 15 Japan Südafrika 10 China Indien Republik Kongo 5 2004 2002 2000 1998 1996 1994 1992 1990 0 Quelle: eigene Darstellung nach IEA 2006 2.3 Emissionen nach Sektoren Die derzeitige Erwärmung ist auf eine Reihe von Emissionsquellen zurückzuführen. Im Folgenden wird zunächst die globale Ebene19 betrachtet, bevor auf die Verhältnisse in Deutschland Bezug genommen wird. Hauptfaktor für den weltweiten Ausstoß an Treibhausgasen20 im Jahr 2004 war der Sektor Energieversorgung mit ca. 25,9 % vor dem Industriesektor mit 19,4 %.21 Die Industrie nutzt allerdings auch einen großen Teil des Stroms aus der Energieversorgung. Eine eindeutige Abgrenzung ist also nicht ganz einfach. Als weitere folgen der Forstsektor (17,4 %) und die Landwirtschaft (13,5 %). Der Verkehrssektor m it 13,1 % zeichnet sich durch enorme Wachstumsraten aus. Der Zuwachs ist vor allem auf den Anstieg im inter- 18 Gardner/Assadourian/Sarin 2004: 43f 19 Quelle für alle Daten hierzu: IPCC 2007e nationalen Schiffs- und Flugverkehr zurückzuführen. Die Bedeutung des Flugverkehrs für den Klimawandel ist allerdings wegen anderer klimarelevanter Emissionen in großer Höhe noch etwa zwei- bis fünfmal größer, als die CO2-Zahlen zum Ausdruck bringen (siehe auch Info-Kasten 6).22 Von den gesamten anthropogenen Treibhausgasemissionen machte CO2 im Jahr 2004 mehr als 75% aus. Der Großteil dieser CO2-Emissionen ist energiebedingt. Daneben spielt vor allem die Freisetzung von CO2 durch die Zerstörung von Wäldern (z. B. durch die Rodung tropischer Regenwälder) eine große Bedeutung. Diese ist mit umgerechnet ca. 6 Milliarden Tonnen jährlich freigesetztem CO2 nach dem Verbrennen von fossilen Energieträgern global betrachtet die zweitgrößte CO2-Quelle. In einigen Entwicklungsländern stellt sie die größte Emissionsquelle dar, z. B. in Indo- 20 Neben CO sind hier CH , N O und die so genannten 2 4 2 F-Gase einbezogen. 21 IPCC 2007e 22 IPCC 2007e 13 nesien mit 83,4 % und in Brasilien mit 62 %. Hauptursache der Waldzerstörung sind landwirtschaftliche Aktivitäten, d. h. die Gewinnung von Acker- und Weidefläche durch Brandrodung. Problematisch ist vor allem die großflächige Rodung für Monokulturen wie Palmöl-, Zuckerrohr- und Sojaanbau. Soja aus Brasilien beispielsweise spielt eine wichtige Rolle als Futtermittel in der europäischen Tierzucht, womit auch der Fleischkonsum hier zur Zerstörung der Regenwälder beitragen kann. Ähnliches kann für Palmöl gelten, das z. B. als Agrotreibstoff im Verkehrssektor eingesetzt wird. Aus Klimaschutzgesichtspunkten ist der Schutz der Wälder wegen ihrer Funktion als CO2-Speicher zentral. Entwaldung verwandelt den CO2-Speicher in eine CO2Quelle, durch die sich die Temperaturerhöhung weiter verschärft. Angesichts dieser Situation kommt politischen und ökonomischen Instrumenten zur Bekämpfung der Entwaldung vor allem im Rahmen der Verhandlungen über das UN-Klimaregime für die Zeit nach 2012 eine große Bedeutung zu. Abgesehen von ihrer klimatischen Bedeutung tragen Wälder zum Erhalt der regionalen Artenvielfalt sowie zu nachhaltigen Lebensweisen für lokale Gemeinschaften bei. Eine Betrachtung der Wälder alleine unter Klimaaspekten kann allerdings leicht zu einem Verlust an Artenvielfalt beitragen. So binden schnellwachsende Plantagen zwar am meisten CO2, stellen aber in der Regel keinen Lebensraum dar, der eine hohe Tier- und Pflanzenvielfalt ermöglicht. Die Landwirtschaft ist nicht nur wegen ihres Beitrags zur Änderung der Landnutzung ein wichtiger Faktor für den anthropogenen Treibhauseffekt: Der überwiegende Anteil an den weltweiten anthropogenen Methan- emissionen entsteht durch Nassreisfeldbau und Rinderzucht.23 In diesem Zusammenhang kann man jedoch die Frage aufwerfen, ob alle Emissionen als prinzipiell qualitativ gleichwertig anzusehen sind oder ob man bei dem Vergleich unterscheiden muss, zu welchem Zweck die Emissionen verursacht werden. So sind z. B. die Emissionen, die durch Freizeitreiseverkehr entstehen, aus dieser Perspektive anders zu bewerten als beispielsweise der Methanausstoß, den asiatische Bauern durch den für sie überlebensnotwendigen Reisanbau verursachen. Wenngleich die zu dieser Frage teilweise verwendeten Begriffe „Luxus-Emissionen“ und „Überlebens-Emissionen“ nicht immer eindeutig definiert werden können, veranschaulichen sie doch gut die Rolle, welche die extrem unterschiedlichen Wohlstandsniveaus zwischen reichen und armen Staaten und Menschen für das Ausmaß der Treibhausgasemissionen und damit auch für die Vermeidungsmöglichkeiten spielen. In Deutschland sind der Energie- und der Verkehrssektor die Hauptemissionsquellen (siehe Abbildung 8). Der Verkehr ist in diesem Kontext als „klimapolitisches Sorgenkind“ zu bezeichnen: Während in allen anderen Sektoren teilweise deutliche Reduktionen erzielt wurden, sind die Verkehrsemissionen zwischen 1990 und 2000 deutlich angestiegen. Seitdem sind die Emissionen des PKW-Verkehrs – angesichts steigender Ölpreise und den Auswirkungen der Öko-Steuer – zwar leicht gesunken. Der Treibhausgasausstoß des übrigen Verkehrs steigt jedoch weiterhin stark an, was insbesondere für den Flugverkehr gilt. Abb. 8: Anteil der Sektoren an den energiebedingten Gesamt-CO2-Emissionen Deutschlands im Jahr 2005 (und 1990) Industrie 13 % (16 %) Gewerbe, Handel, Dienstleistungen 6,5 % (9 %) Energiewirtschaft 45,5 % (44 %) Haushalte 14 % (14 %) Verkehr 21 % (17 %) Quelle: eigene Darstellung nach UBA 2007 23 IPCC 2001a: 250 14 2.4 Trends bei den Treibhausgasemissionen Wie aus den Daten des IPCC hervorgeht, ist gerade beim wichtigsten menschgemachten Treibhausgas, dem Kohlendioxid, der Wachstumstrend auf globaler Ebene ungebrochen. Zwischen 1990 und 2004 ist es zu einem Wachstum von 28% bei den CO2-Emissionen gekommen, der Trend hat sich in den letzten Jahren beschleunigt (siehe Abbildung 11). In fast allen Weltregionen ist ein deutlicher Anstieg der Emissionen in dem besagten Zeitraum zu beobachten, wobei dieser natürlich auf stark unterschiedlichen Ausgangsniveaus aufbaut. Im Kyoto-Protokoll haben sich die Industrieländer 1997 zu moderaten Emissionsminderungen bis 2012 gegenüber 1990 verpflichtet. Eine Reihe von Staaten befindet sich auf gutem Wege, die für 2012 vereinbarten Ziele zu erreichen. Hierzu zählen einige wenige westliche Industriestaaten wie z. B. Großbritannien oder Deutschland. Auch in den Staaten des ehemaligen Ostblocks ist es aufgrund der starken Umstrukturierung ihrer Wirtschaften nach 1990 zu einem starken Emissionsrückgang gekommen. Bei den meisten westlichen Industriestaaten läuft hingegen das anhaltende Wachstum der Emissionen den vereinbarten Reduktionen stark entgegen. Dies gilt z. B. für Norwegen, Japan, Kanada und Australien, die das Kyoto-Protokoll völkerrechtlich verbindlich ratifiziert haben. Die USA hatten ihren Reduktionsverpflichtungen zwar ursprünglich zugestimmt, das Protokoll aber letztendlich bis heute nicht ratifiziert, so dass es für sie auch nach Inkrafttreten zumindest völkerrechtlich nicht verbindlich ist. Es ist möglich, dass die „Kyoto-Staaten“ in ihrer Gesamtheit die von ihnen zugesagte Reduktion bis 2012 erreichen. Da aber die Emissionen in den USA seit 1990 sehr stark angestiegen sind, ist schon jetzt klar, dass die Industrieländer insgesamt dann einen Anstieg und nicht eine Verringerung zu verkünden haben werden. Germanwatch hat mit dem sogenannten KlimaschutzIndex ein Instrument entwickelt, das die Emissionsentwicklung, das Emissionsniveau sowie die Klimaschutzpolitik der Hauptemittenten transparent gegenüberstellt. Der Index fungiert als Vergleichsinstrument zwischen den einzelnen Staaten und soll zu effizienterem Klimaschutz animieren. Tabelle 3 zeigt das Abschneiden der größten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2007. Großbritannien und Deutschland stehen zwar in diesem Vergleich gut dar, eine hochran- Tabelle 3: Abschneiden der größten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2008 Land Klimaschutzindex Platzierung 2008 (2007)* Anteil an den globalen CO2-Emissionen** Anteil am globalen Bruttoinlandsprodukt Deutschland 2 (4) 3,00 % 3,97 % Indien 5 (9) 4,23 % 6,16 % Großbritannien 7 (4) 1,95 % 3,11% China 40 (44) 18,80 % 14,75 % Italien 41 (35) 1,67 % 2,79 % Japan 42 (39) 4,47 % 6,36 % Russland 50 (42) 5,69 % 2,53 % Südkorea 51 (48) 1,65 % 1,75 % Kanada 53 (51) 2,02 % 1,81% USA 55 (53) 21,44 % 20,13 % - - 64,92 % 63,36 % Summe Quelle: Burck et al. 2007 * nach aktuellster Berechnungsmethode * * energiebedingt Einzelwertungen Trend, Niveau, Politik © Germanwatch 2007 15 gige Platzierung ist jedoch nicht mit ausreichendem Klimaschutz gleichzusetzen. Würden statt Platzierungen Schulnoten verteilt, gäbe es bisher keine Einsen zu vergeben. 2.5 Ursachen für Veränderungen des CO2-Ausstoßes Einheit BIP) sowie einer Verringerung der CO2Intensität in der Energieversorgung bei stagnierender Bevölkerungszahl und einem nur moderaten Anstieg des BIP erklären. Im Falle von Deutschland wurde etwa die Hälfte der Energieeffizienzgewinne dadurch erzielt, dass viele ineffiziente Produktionsanlagen aus der DDR-Zeit stillgelegt und zum Teil durch sehr moderne Anlagen ersetzt wurden. Zusätzlich wurden aber auch viele weitere Maßnahmen für Energieeffizienz und die Nutzung von Erneuerbaren Energien umgesetzt, etwa das „Erneuerbare-Energien-Gesetz” (EEG) im Strombereich. In Marktwirtschaften lassen sich die energiebedingten CO2-Emissionen errechnen als: CO2 = Bevölkerung x Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf x Energienutzung pro BIP-Einheit x CO2-Ausstoß pro Energieeinheit. Möchte man ihren zukünftigen Verlauf beeinflussen, ergeben sich somit vier Ansatzpunkte. Dies gilt gleichermaßen für den Rückblick in die Vergangenheit. Abbildung 9 zeigt die Veränderung dieser Faktoren in sieben ausgewählten Ländern. Es lassen sich jeweils unterschiedliche Entwicklungen beobachten und ebenso unterschiedliche Erklärungen dafür benennen. In Südafrika, Indien und den USA hat der CO2-Ausstoß deutlich zugenommen, wenngleich unterschiedlich stark. Gleichzeitig sind sowohl in Südafrika und Indien als auch in den USA das Bruttosozialprodukt und die Bevölkerungzahl deutlich angestiegen. Indien weist eine leichte Verbesserung der Energieproduktivität auf, aber eine relativ deutliche Erhöhung des CO2Ausstoßes pro Energieeinheit. Dies lässt sich mit dem verstärkten Einsatz von Kohle und mit einem Wachstum des Verkehrs erklären. Der absolute CO2-Ausstoß ist in Deutschland und Großbritannien gesunken. Der Rückgang lässt sich hier mit einer deutlichen Erhöhung der Energieproduktivität (d. h. einem verringerten Energiebedarf pro Der CO2-Ausstoß Chinas hat sich seit 1990 etwa verdoppelt, während sich das Bruttoinlandsprodukt in der gleichen Zeit verdreifacht hat. Diese relative Entkopplung des CO2-Ausstoßes vom Wirtschaftswachs- Abb. 9: Prozentuale Änderung verschiedener Indikatoren 1990-2004 für sieben ausgewählte Länder 300 China CO2-Ausstoß gesamt 250 200 Bevölkerung 150 BIP in KKP Indien Energienutzung pro Einheit BIP in KKP 100 USA 50 Großbritannien Deutschland Südafrika Japan CO2 pro Einheit Energieverbrauch 0 -50 -100 Quelle: eigene Darstellung nach IEA (2006) 16 BIP: Bruttoinlandsprodukt KKP: Kaufkraftparitäten tum drückt sich in der signifikanten Verringerung der Energieintensität der Wirtschaft aus. Die CO2-Intensität der Energienutzung hat sich hingegen trotz umfangreicher Modernisierung und damit verbundener Effizienzverbesserung zahlreicher Kohlekraftwerke leicht erhöht.24 Auch wenn China zudem immer stärker die erneuerbaren Energien fördert, ist die CO2-Intensität pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts heute immer noch um ein Drittel höher als die Indiens. Abb. 10: Wachsender Wohlstand und Konsum in den Schwellenländern wie hier in China lassen die Emissionen von Treibhausgasen steigen. Foto: Digitalstock Wirft man erneut einen Blick auf die Faktoren in der obigen Gleichung, so liegen für die Zukunft große Potenziale in der Verringerung der Energienutzung pro BIP-Einheit, z. B. durch effizientere Fahrzeuge, sparsamere Produktionsanlagen etc., und im CO2-Ausstoß pro Energieeinheit, z. B. durch Kraft-Wärme-Kopplung und Nutzung von weniger CO2-intensiven Energieträgern bis hin zu Erneuerbaren Energien. Werden diese beiden Faktoren optimiert, so kann selbst bei einem Anstieg von Wirtschaftsleistung und Bevölkerung der CO2-Ausstoß deutlich verringert werden. Auch auf globaler Ebene lässt sich ermitteln, welche Faktoren die CO2-Emissionen wie stark beeinflussen (Abb. 11). Der Bevölkerungsanstieg war in den letzten 25 Jahren ein relativ konstant steigender Faktor. Das Wirtschaftswachstum (BIP pro Kopf) war in den letzten 10 Jahren größer als zwischen 1985 und 1995. Während lange Zeit die Weltwirtschaft immer effizienter wurde – die Kohlenstoffintensität pro BIP ist stetig zurückgegangen – hat sich dieser Trend in den letzten Jahren umgekehrt, vor allem aufgrund eines Ausbaus der Kohleverstromung. Diese Trendumkehr ist der Hauptgrund, warum die Emissionen seit 2000 ca. dreimal so schnell steigen wie im Jahrzehnt zuvor. Faktisch führt damit jedes Wirtschaftswachstum zu steigenden Emissionen. Dies macht die Dringlichkeit einer Klimapolitik, die wirtschaftliche Entwicklung mit sinkenden Emissionen vereint, umso deutlicher. Abb. 11: Weltweite Entwicklung von Emissionsfaktoren 1,5 Faktor (relativ zu 1990) 1,4 1,3 1,2 1,1 1,0 0,9 Emissionen Bevölkerung BIP pro Kopf Kohlenstoffintensität pro BIP 0,8 0,7 0,6 0,5 1980 1985 1990 1995 2000 2005 Quelle: verändert nach Raupach et al. 2007 24 Harmeling et al. 2007 17 3. Der Blick in die Zukunft: Szenarien und Auswirkungen des Klimawandels Um abschätzen zu können, in welchem Ausmaß Treibhausgasemissionen verringert und Anpassungsmaßnahmen ergriffen werden sollen, werden wissenschaftlich fundierte Aussagen über die Auswirkungen des Klimawandels benötigt. Klimaforscher stellen hierfür sogenannte „Szenarien“ auf. Sie legen also zunächst unterschiedliche Grundannahmen über die Entwicklung von Bevölkerung, Technologien, Wirtschaft etc. fest und kommen dementsprechend zu einer Vielfalt möglicher „Zukunftsvorstellungen“, die dann als „Projektionen“ bezeichnet werden. Bei der Betrachtung dieser Projektionen ist zu beachten, dass sie auf einer begrenzten Anzahl von Annahmen beruhen, also Aussagen über mögliche Zukunftstrends. Sie können also keine sicheren Prognosen liefern. Trotz ihrer Einschränkung bieten Szenarien jedoch eine gute Grundlage, Wenn-Dann-Entscheidungen zu treffen, auch wenn gewisse Unsicherheiten verbleiben. Info-Kasten 3: IPCC-Szenarien Das UN-Klimawissenschaftlergremium IPCC benutzte im Jahr 2000 in einem Sonderbericht mehr als 30 seinerzeit neue sogenannte SRES-Szenarien25, welche die Grundlage für wesentliche Aussagen des Dritten und Vierten IPCC-Sachstandberichts bildeten. Für die Berechnungen wurden mögliche Entwicklungen im 21. Jahrhundert in den Bereichen Bevölkerungswachstum, ökonomische und soziale Entwicklung, Geschwindigkeit der Einführung neuer Technologien, Ressourcenverbrauch und Umweltmanagement berücksichtigt. Diese Szenarien werden in die vier „Szenariofamilien” A1, A2, B1 und B2 unterteilt. Die Szenarien mit der Ziffer 1 gehen davon aus, dass sich die Welt „konvergent“ entwickelt, d. h. dass regionale Unterschiede stark abnehmen werden. Die Szenarien mit der Ziffer 2 gehen hingegen von weiterhin großen regionalen Unterschieden aus. Die B-Szenarien sind – im Gegensatz zu den A-Szenarien – von der Annahme geprägt, dass die Leitgedanken Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit die weltweite Entwicklung prägen werden (siehe Tabelle 4). Dementsprechend wird in den B-Szenarien ein geringerer Anstieg der CO2-Emissionen projiziert (siehe Abbildung 12). Generell kommen alle Szenarien bei der Berechnung der Temperaturänderungen bis etwa 2030 zu ähnlichen Ergebnissen und laufen erst danach deutlich auseinander. Dieser Umstand ist vor allem darin begründet, dass sich technische Umbauprozesse des Energie-, Verkehrs- und Gebäudesystems weltweit über Jahrzehnte hinziehen und die Atmosphäre – vor allem wegen der nur langsamen Erwärmung der Meere – auf die Treibhausgase um Jahrzehnte verzögert reagiert. Die Szenarien beziehen zusätzlichen Klimaschutz, wie z. B. die Umsetzung des Kyoto-Protokolls, nicht mit ein.26 Montage NASA 25 26 18 nach: Special Report on Emission Scenarios, IPCC 2000 vgl. IPCC 2007a Tabelle 4: Die zugrundeliegenden Annahmen der Szenarien des IPCC Special Report on Emission Scenarios (SRES) Szenarienfamilie Leitgedanken Technologien / wirtschaftliche Strukturen Weltbevölkerung A1 Konvergenz zwischen Regionen Schnelles Wirtschaftswachstum, schnelle Ab Mitte 21. Jh. abnehmend Einführung effizienter Technologien (A1FI: fossil-intensiv, A1T: nicht-fossil, A1B: gemischt) A2 Heterogene Welt, Entwicklung aus eigener Kraft Technologische Entwicklung und Wachstum der Pro-Kopf-Einkommen langsam und regional stark unterschiedlich B1 Konvergenz zwischen Regionen, Fokus auf Nachhaltigkeit + Gerechtigkeit Schneller Wandel in Richtung Ab Mitte 21. Jh. abnehmend Dienstleistungs- und Informationsökonomie, abnehmende Materialintensität, saubere + ressourcenschonende Technologien B2 Heterogene Welt, Fokus auf Nachhaltigkeit + Gerechtigkeit Entwicklung relativ langsam und sehr heterogen Kontinuierlich wachsend Wachsend (aber langsamer als in A2) Quelle: Eigene Darstellung nach IPCC 2007a 30 A2 20 A1B B2 B1 10 A1T 1000 800 0 600 B2 A1T B1 A1FI A2 A1B 2000 2010 2020 2030 2040 2050 Jahr 2060 2070 2080 2090 CO2-Konzentration A1FI Emissionen in GtC/Jahr Abb. 12: Szenarien des CO2-Ausstoßes bis zum Jahr 2100 400 2100 Zur Erläuterung der A- und B-Szenarien siehe Text und Tabelle 4. Quelle: eigene Darstellung nach Dieter Kasang, http://www.hamburger-bildungsserver.de/welcome.phtml?unten=/klima/treibhaus/ 19 3.1 Grundsätzliche Ergebnisse des Vierten IPCC-Sachstandberichts und neuerer Forschungen Der IPCC hat in seinem Vierten Sachstandbericht verschiedene Klimaszenarien zusammengestellt (siehe Info-Kasten 3). Diese Szenarien zeigen die Bandbreite der zu erwartenden Entwicklung, je nachdem, wie die Treibhausgasemissionen verringert werden können. ■ Treibhausgase: Die CO2-Konzentration wird nach verschiedenen Stabilisierungsszenarien im Jahr 2100 zwischen 400 und 790 ppm betragen (vgl. heute: ca. 379 ppm, siehe Tabelle 1). Das Niveau am unteren Ende der Skala wird nur bei sehr drastischem Klimaschutz erreicht werden können. Die globalen Emissionen müssten bis 2050 um 50-85 % gegenüber 2000 sinken.27 Neben den unterschiedlichen Grundannahmen der Szenarien rührt die große Bandbreite der Vorhersage auch von der Unsicherheit über die Fortdauer der Senkenfunktion von Ozeanen und des tropischen Regenwaldes. ■ Temperatur: Für den Zeitraum von 1990-2100 wird eine Erhöhung der mittleren globalen Erdoberflächentemperatur von 1,1 bis 6,4 °C gegenüber 1990 projiziert. Nimmt man die relativ am besten gesicherten Schätzungen („best guess“) der jeweiligen Szenarien, ergibt sich eine Spannbreite von etwa 1,8 bis 4,0 °C. Dieser Wert ist etwa zwei- bis zehnmal höher als die beobachtete Erwärmung während des 20. Jahrhunderts, die mit 0,74 °C beziffert wird. Die Erwärmung wird dabei nicht gleichmäßig stattfinden, sondern über Landflächen besonders ausgeprägt sein. Auch ist davon auszugehen, dass die Temperaturen in den hohen nördlichen Breiten vor allem im Winter überdurchschnittlich ansteigen werden. ■ Intensivierung des hydrologischen Kreislaufs: Bei weltweiter Betrachtung ist bis 2100 eine Steigerung der Niederschlagssummen um bis zu 20 % zu erwarten, da eine erwärmte Atmosphäre auch mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Gerade beim Niederschlag ist jedoch ein stark räumlich differenziertes Bild zu erwarten. In solchen Gebieten, die bereits eine ausreichende Niederschlagsmenge erhalten, ist von einer deutlichen Steigerung auszugehen, die mit stärkeren Schwankungen der Regenmengen zwischen den einzelnen Jahren einhergeht. In Regionen, die bereits unter Wassermangel leiden, wird hingegen eine Verschärfung erwartet, mit einzelnen außergewöhnlich starken Niederschlagsereignissen. Folge des intensivierten hydrologischen Kreislaufs wird also insgesamt eine Ände- 27 28 20 IPCC 2007c vgl. auch Schellnhuber/Jäger 2006 rung der Häufigkeit, Intensität und Dauer von Starkniederschlägen sein (siehe 3.5 unten). ■ Neben Starkniederschlägen, die zu Überschwemmungen führen können, erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens anderer Extremwetterereignisse wie Hitzewellen und Stürmen. Welche Auswirkungen haben die zuvor genannten Szenarien nun für Mensch und Natur? Zu dieser Frage hat die Klimawissenschaft in jüngster Zeit die meisten Erkenntnisse gesammelt. Sehr deutlich wird: Je größer die Emissionen und damit der Temperaturanstieg, desto größer die Risiken. Es wird immer deutlicher, dass ein groß angelegtes Experiment mit Mensch und Natur im Gange ist. Die kommenden Generationen werden mit einer deutlich höheren Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre leben müssen als alle anderen Generationen seit Entstehen der menschlichen Zivilisation. Es ist möglich, dass Teilsysteme des Geo-Ökosystems als komplexe, nicht-lineare Systeme schlagartig und ohne mögliche Umkehrung ihren Zustand ändern. Hierauf geht der folgende Abschnitt näher ein. 3.2 Kipp-Elemente des Klimasystems und ihre Folgen Die Karte der sogenannten „Kipp-Elemente" verleiht einen Überblick über Großrisiken, deren Eintrittswahrscheinlichkeit jenseits eines bestimmten Temperaturanstiegs – der jeweiligen Kipp-Punkte – deutlich erhöht wird (s. Abbildung 13, 15).28 Würden diese Schwellenwerte überschritten, könnten abrupte, starke und unwiderrufliche Veränderungen einsetzen, die durch ihre direkten sowie indirekten Folgen global unzumutbare Schäden für Mensch und Natur erwarten ließen. Diese Abschätzung betrifft u. a. die negativen Auswirkungen für Ökosysteme, die Nahrungsmittelproduktion und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung. Es könnte sogar ein „galoppierender Treibhauseffekt“ ausgelöst werden, wenn sich diese Effekte durch ihre Wechselwirkungen gegenseitig aufschaukeln. Dabei gibt es auch Wechselwirkungen, die das Tempo des Klimawandels abbremsen könnten. Bisher sieht es aber so aus, als sei die Wahrscheinlichkeit für positive (d. h. verstärkende) Rückkopplungen deutlich größer als die für negative Rückkopplungen. Viele Wissenschaftler halten es daher für notwendig, den mittleren globalen Temperaturanstieg auf unter 2 °C gegenüber vorindustriellem Niveau zu begrenzen, um einen in großem Maßstab gefährlichen Klimawandel zu vermeiden.29 Dabei liegt die Temperatur heute um 0,8 °C über dem vorindustriellen Niveau. Weitere 0,6 bis 0,9 °C sind bereits durch die 29 vgl. z.B. WBGU 2007 verzögerte Wirkung des Klimasystems auf bereits ausgestoßene Treibhausgase schon vorprogrammiert. Es ist also höchste Zeit, eine Trendumkehr bei den Emissionen einzuleiten. Zwischen 1,5 °C und 2,5 °C Tem- peraturerhöhung steigen die Risiken enorm an. Einige ausgewählte „Kipp-Elemente“ und ihre Konsequenzen werden im Folgenden näher erläutert.30 Abb. 13: Kipp-Elemente des Klimasystems und ihre Folgen Instabilität des grönländischen Eisschildes aufgrund nichtlinearer Abschmelzprozesse Kollaps der arktischen Schelfeisgebiete und Verminderung der Albedo Schmelzende Gletscher im Himalaya und Verminderung der Albedo im tibetanischen Hochplateau Grönland Instabilität/Kollaps des Golfstroms aufgrund des erhöhten grönländischen Schmelzwassereintrags und sinkender Salzkonzentration Arktis Permafrost / Methanhydrate Golfstrom Himalaya SommerMonsum Sahel-Zone Instabilität/Kollaps des Amazonas-Regenwaldes, u.a. aufgrund von Landnutzungswandel Methanfreisetzung durch Auftauen des sibirischen Permafrostbodens und mögliche Loslösung mariner Methanhydrate Amazonas Regenwald Bistabilität der Sahel-Zone: zuerst Ergrünung, dann deutlich trockener Meere West-Antarktis Versauerung der Meere und Abnahme der CO2-Pufferkapazität Bistabilität des indischen Sommermonsuns: Abschwächung aufgrund von Luftverschmutzung oder Verstärkung wegen globaler Erwärmung Instabilität des west-antarktischen Eisschilds aufgrund nichtlinearer Abschmelzprozesse El-Niño Verstärkung/Persistenz des El-Niño-Phänomens Klima-Kipp-Elemente mit direkten und großen Folgen für Menschen Klima-Kipp-Elemente mit positiver Rückkopplung auf Temperatur Quelle: eigene Darstellung nach Schellnhuber/Jäger 2006 3.2.1 Beschleunigter Meeresspiegelanstieg durch Schmelzprozesse in Grönland und der West-Antarktis Besorgniserregend sind Entwicklungen, die auf einen deutlich beschleunigten Meeresspiegelanstieg hindeuten. Die vom Weltklimarat IPCC benutzten Modellszenarien des Meeresspiegelanstiegs hatten 2001 noch einen Anstieg zwischen 11 und 88 cm bis Ende des Jahrhunderts für möglich gehalten. Der IPCC hat in seinem Bericht 2007 den Wert des erwarteten Meeresspiegelanstiegs niedriger angesetzt. Dies ist u. a. dadurch zu erklären, dass die zunehmend sichtbaren dynamischen Schmelzprozesse in Grönland und der 30 Westantarktis nicht angemessen in den verwendeten Modellen dargestellt wurden und deshalb quantitativ nicht berücksichtigt werden. Nach neueren Forschungsresultaten nehmen die Hinweise darauf zu, dass diese sich beschleunigenden Schmelzprozesse in Grönland und der Westantarktis schon jetzt einen positiven Beitrag zum Meeresspiegelanstieg leisten könnten. Zugleich zeigen die inzwischen ausgewerteten Beobachtungsdaten, dass der Meeresspiegel seit 1961 doppelt so schnell voranschreitet, wie die gegenwärtig benutzten IPCC-Modelle erwarten lassen. Aufgrund dieser sich abzeichnenden Risiken hat der IPCC in dem im November 2007 verabschiedeten „Synthese-Bericht” darauf verzichtet, eine Obergrenze für den erwarteten Meeresspiegelanstieg anzugeben. Würde man annehmen, dass für eine umfangreichere Analyse siehe Harmeling/Bals 2007 21 der Meeresspiegel in der bisherigen Korrelation mit der erwarteten Temperaturzunahme weiter steigt, dann wäre mit 50 bis 140 cm Anstieg bis Ende des Jahrhunderts zu rechnen, so eine Kalkulation des deutschen Klimawissenschaftlers Stefan Rahmstorf.31 Bereits der Anstieg um einen Meter würde – ohne entsprechende Schutzmaßnahmen – in Bangladesch und Vietnam ca. 3 Millionen bzw. 2,5 Millionen Hektar Landfläche überfluten. In Bangladesch würden dadurch ca. 15-20 Millionen Menschen vertrieben, in Vietnam etwa 10 Millionen Menschen.32 Auf diese Szenarien kann sowohl mit einer Verringerung der Treibhausgasemissionen (was dann einen geringeren Meeresspiegelanstieg erwarten ließe) als auch mit verbessertem Küstenschutz reagiert werden. Abbildung 14 zeigt, welchen Erfolg man sich von diesen Maßnahmen verspricht. 3.2.2 Gletscherschmelze im Himalaja Nicht nur die Eisschilde an den Polen, auch die Inlandgletscher schmelzen: Sich beschleunigende Abschmelzprozesse der Gletscher v. a. im Himalaja und im tibetischen Hochplateau sind Anlass zur Beunruhigung. Die Gletscher im Himalaja – was übersetzt „Wohnung des Schnees” heißt –, speichern im Winter Wasser in Form von Eis und Schnee und geben dieses im Sommer durch die Schmelze wieder ab. Indem sie so die sieben größten Ströme Asiens speisen, erfüllen sie eine für mehrere hundert Millionen Menschen existenziell wichtige Funktion bei der Versorgung mit Wasser vor allem in der Trockenzeit. Die Temperaturen im Himalaja sind in den letzten 50 Jahren um zwei Grad angestiegen, mit drastischen Konsequenzen. Nirgendwo auf der Welt schmelzen die Gletscher schneller als im Himalaja. Wenn der gegenwärtige Trend anhält, ist ein kompletter Verlust aller HimalajaGletscher noch in diesem Jahrhundert sehr wahrscheinlich. In der Region würden dann mehrere hundert Millionen Menschen in Indien, China, Nepal, Bhutan und Pakistan mit Wasserknappheit zu kämpfen haben. Einige Hochkulturen, z. B. im indischen Laddakh, werden in ihrer Existenz bedroht sein. Ein Rückkopplungseffekt könnte darin bestehen, dass sich durch das großflächige Abschmelzen die Oberflächenabstrahlung (Albedo) deutlich verringert. Die Albedo bezeichnet das Verhältnis aus absorbierter und reflektierter Sonnenstrahlung. Je höher die Albedo, desto größer ist der Anteil der zurückgeworfenen Sonnenstrahlen und desto kleiner die in Wärme umgewandelte Strahlung. Mit der Abnahme der Albedo beschleunigt sich regional die Temperaturerhöhung. Weiße Schneeflächen haben eine Albedo von ca. 90 %, werfen also den allergrößten Teil der einfallenden Strahlung zurück. Die Albedo von dunkleren Flächen (z. B. Wald, Geröll Abb. 14: Anzahl der jährlich von Überflutung betroffenen Menschen bei verschiedenen Szenarien des Meeresspiegelanstiegs und des Küstenschutzes 240 240 von einer jährlichen Überflutung betroffene Menschen: Millionen Menschen 200 200 ohne Meeresspiegelanstieg und ohne verbesserten Küstenschutz 160 160 ohne Meeresspiegelanstieg und mit verbessertem Küstenschutz 120 120 mit Meeresspiegelanstieg und ohne verbesserten Küstenschutz 80 80 mit Meeresspiegelanstieg und mit verbessertem Küstenschutz 40 0 40 1990 2000 2050 2080 Quelle: eigene Darstellung nach: http://www.hamburger-bildungsserver.de, nach Nicholls et al.1999 31 32 22 Rahmstorf 2007 Conisbee/Simms 2003 0 etc.) hingegen beträgt nur noch ca. 15 %. Damit würde auf diesen enorm großen Flächen ca. 70 % mehr Sonnenstrahlung absorbiert als heute. Dies würde regional zusätzlich zur Erwärmung der Atmosphäre beitragen. 3.2.3 Bistabilität des Indischen Monsuns In den letzten zwei Jahren wird auch verstärkt diskutiert, wie sich der Indische Monsun durch den Klimawandel verändern könnte. In früheren Jahren brachte er in jedem Jahr relativ verlässliche Niederschläge, doch dieser Rhythmus scheint zunehmend an Konstanz zu verlieren. Ungewöhnliche Schwankungen haben in den letzten 30 Jahren in ganz Indien zu katastrophalen Hungersnöten und verheerenden Überschwemmungen geführt. Mittlerweile werden durch das Zusammenspiel von Klimawandel und Abstrahlungsveränderungen aufgrund von Landnutzungsveränderungen und vor allem Luftverschmutzung sowohl eine starke Abschwächung wie auch eine Verstärkung der Niederschläge bzw. sogar ein Aufeinanderfolgen dieser Prozesse im Sinne eines „Achterbahn-Szenarios” für möglich gehalten.33 Der Begriff „Bistabilität“ bezeichnet in diesem Fall die Situation, dass das Indische Monsun-System an bestimmten Verzweigungspunkten zwei sehr gegensätzliche Zustände einnehmen könnte: Einer führt zu übermäßig starken Niederschlägen, der andere zu extremer Trockenheit. Bereits heute weiß man, dass schon eine vergleichsweise geringe Abweichung von zehn Prozent vom durchschnittlichen Monsun-Niederschlag schwerwiegende Dürren oder Überschwemmungen auslösen kann. Ein schwacher Sommermonsun z. B. kann zu Ernteeinbrüchen und Nahrungsmittelknappheit der ländlichen Bevölkerung führen, die zwei Drittel der 1,1 Mrd. Bewohner Indiens ausmacht. 3.2.4 Kollaps des AmazonasRegenwaldes Das mögliche „Umkippen“ des Amazonas-Regenwaldes in eine Savannenvegetation ist ein weiteres Großrisiko im Klimasystem. Dadurch könnte die Region, die bislang viel CO2 bindet, plötzlich in enormem Ausmaß das Treibhausgas freisetzen. Dabei verstärken sich drei Faktoren wechselseitig: 1.) die Austrocknung durch einen überproportionalen Temperaturanstieg, 2.) die weiter fortschreitende Abholzung sowie 3.) ein eventuelles zukünftiges Ausbleiben des 33 34 Zickfeld et al. 2005 Mongabay 2006 natürlichen Nährstofftransports durch Sandstürme aus der afrikanischen Sahelzone nach Brasilien. Viele Beobachter fragen sich seit der extremen Trockenheit im Amazonasgebiet im Jahr 2004 besorgt, ob dies erste Vorzeichen eines solchen Prozesses sein könnten. So kommt eine Studie amerikanischer Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass nach mehr als zwei Jahren extremer Trockenheit viele Bäume so stark angegriffen sind, dass sie beginnen abzusterben.34 Ein „Umkippen“ des Amazonas-Regenwaldes hätte drastische Konsequenzen für die Artenvielfalt sowie die Lebenssituation vieler Millionen Menschen in Südamerika und würde zudem den globalen Treibhauseffekt durch den Ausstoß großer Mengen an CO2 weiter anheizen. Der Amazonas-Regenwald ist nur ein Beispiel für Ökosysteme, die vom Klimawandel betroffen sind. Die Erwärmung, die Verschiebung der Klimazonen sowie der zusätzliche Stress durch menschliche Aktivität gefährden zahlreiche Systeme und Arten. Dem IPCC zufolge könnten 20-30 % aller Arten bei einer Erwärmung von 1,5-2,5 °C vom Aussterben bedroht sein. 3.2.5 Bistabile Entwicklung in der Sahel-Zone Eine bistabile Entwicklung wird auch für die SahelZone prognostiziert. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts erlitt nur etwa ein Viertel des Gebiets ernsthafte Dürren. Zwischen 1970 und 1999 gab es dann eine 20prozentige Abnahme der Niederschlagsmenge, sodass schon die Hälfte der Region von ernsthaften Dürren betroffen war. Mittlerweile wird ein enger Zusammenhang zwischen dem Niederschlagsrückgang und der deutlichen Temperaturerhöhung im Indischen Ozean, die auf den anthropogenen Treibhauseffekt zurückgeführt wird, gesehen.35 Dieser hat zu Veränderungen beim Indischen Monsun geführt, der die Niederschlagsverhältnisse in Afrika entscheidend beeinflusst. Bei einer globalen Erwärmung um 2,5 °C in den nächsten Jahrzehnten wird noch innerhalb dieses Jahrhunderts mit einer Veränderung der Niederschlagsbedingungen in Richtung deutlich häufigerer und stärkerer Niederschläge in der Sahel-Zone gerechnet.36 Ein Modell, das die Vergangenheit besser als die meisten anderen Modelle abbildet, geht allerdings davon aus, dass ab einem Verzweigungspunkt Mitte des Jahrhunderts wieder deutlich trockenere Klimabedingungen folgen könnten, noch deutlich regenärmer als zur Zeit der großen Sahel-Dürre vor einigen Jahrzehnten. 35 36 Flannery 2006 Nyong 2006 23 Abb. 15: Temperaturschwellen von Kipp-Elementen, die in diesem Jahrhundert angestoßen werden könnten, und erwartete Auswirkungen 0 °C 1 °C 2 °C 3 °C 4 °C 5 °C 6 °C Kollaps des arktischen Schelfeises ■ Verschärfung des regionalen Temperaturanstiegs durch Albedo-Effekt ■ Verlust des Lebensraums bestimmter Tierarten (Eisbären, Seehunde) Abschmelzen des grönländischen Eisschildes ■ Meeresspiegelanstieg um bis zu 7 m über mehrere Jahrhunderte (irreversibel) ■ Temperaturrückkopplung durch Albedo-Effekt Kollaps des westantarktischen Eisschildes ■ Anstieg des Meeresspiegels um weitere 5-6 m in mehreren Jahrhunderten Kollaps des AmazonasRegenwaldes ■ Zusätzliche CO2-Freisetzung verschärft Temperaturanstieg ■ Möglicherweise Umkehr der Senkenfunktion des Bodens und der Vegetation hin (irreversibel) zur Freisetzung von großen Mengen CO2 Rückgang der nordischen Nadelwälder ■ Klimawandel erhöht Stress durch Pfanzenschädlinge, Feuer und Stürme ■ Massive zusätzliche Freisetzung von Kohlendioxid Bistabilität der SahelZone, Verlagerung des Westafrikanischen Monsuns ■ veränderte Niederschläge könnten Sahara/Sahel „ergrünen“ lassen ■ verringerter Nährstofftransport könnte Amazonas-Kollaps beschleunigen ■ Evtl. zeitversetzt Zunahme der Dürren in der Sahelzone durch Monsunschwan- Verstärkung/Häufung des El-Niño-Phänomens ■ Verstärkung von Wetterextremen (Dürrekatastrophen, Überschwemmungsereig- Abschwächung des „Golfstroms“ im Nordatlantik ■ Verlangsamung des durch den Klimawandel zu erwartenden Temperaturanstiegs kungen (Bistabilität) nisse), v.a. in Südostasien und Südamerika, aber auch anderen Erdteilen in Europa, möglicherweise zusätzlicher Anstieg in anderen Regionen ■ zusätzlicher Meeresspiegelanstieg im Nordatlantik (bis zu einem Meter beim vollständigen Aussetzen des Golfstroms) und im globalen Durchschnitt Mit dem zunehmenden Temperaturanstieg (gegenüber heutigem Niveau) steigt die Eintrittswahrscheinlichkeit der Ereignisse. Die unteren Abschätzungen dafür beginnen beim Übergang von weiß zu gelb. Quelle: eigene Darstellung nach Lenton/Schellnhuber 2007; Warren 2006 3.3 Extreme Wetterereignisse Extreme Wetterereignisse wie Überflutungen, Dürren, tropische Zyklone oder extrem hohe oder niedrige Temperaturen haben häufig weitreichende Folgen für ganze Regionen und sind oft Ursache für zahlreiche Todesopfer und hohe ökonomische Schäden. Es ist zwar aus Gründen der Logik niemals möglich, einen eindeutigen Zusammenhang zwischen einem einzelnen Extremwetterereignis und dem menschgemachten Klimawandel herzustellen, da Aussagen über das Klima 37 24 IPCC 2007a die Betrachtung eines mindestens 30-jährigen Zeitabschnitts voraussetzen. Der Trend der Anzahl und Heftigkeit von Extremwetterereignissen – nicht das Einzelereignis für sich genommen – ist für Beschreibungen des Klimas relevant. Für einige Regionen hat der IPCC allerdings einen Anstieg der Intensität von klimatisch bedingten Extremereignissen in den letzten Jahrzehnten festgestellt.37 Der Münchener Rückversicherung zufolge waren die Auswirkungen von extremen Wetterereignissen im Jahr 2004 und insbesondere 2005 außergewöhnlich.38 Die außerordentlich starke Hurrikansaison in der Karibik und den USA im Jahr 2005 (u. a. Hurrikan „Katrina“) hat direkte Schäden von mehr als 150 Mrd. US-Dollar verursacht sowie alleine in den USA mehr als 1.000 Menschenleben gefordert. Vor der Küste Brasiliens im Südatlantik wurde im Jahr 2004 erstmals ein Hurrikan registriert.39 Da Hurrikans nur ab einer bestimmten Wassertemperatur entstehen können, ist dies ein deutliches Anzeichen für die Meereserwärmung. Diese Beispiele bestätigen den Trend der letzten Jahrzehnte (siehe Abbildung 16), der einen Anstieg der Wetterkatastrophen (Sturm, Überschwemmung etc.) zeigt. Mit einer weiteren Häufung und Intensivierung von außergewöhnlichen Wetterereignissen als Folge des anthropogen verursachten Klimawandels wird von Seiten des IPCC gerechnet. Hierdurch – aber auch aufgrund zunehmender Verletzlichkeit in vielen Regionen (siehe Info-Kasten 4) – ist mit einem entsprechenden Anstieg von Schäden und Todesopfern zu rechnen. In Europa erhöht sich aufgrund des Klimawandels die Wahrscheinlichkeit für extreme Sommer. Diese könn- ten vergleichbar mit der Hitzewelle von 2003 sein, die europaweit ca. 30.000 Menschenleben forderte40 und sich zudem negativ auf u. a. Landwirtschaft, Waldwachstum und Verkehr auswirkte. Dieser wärmste Sommer in Westeuropa seit mindestens 500 Jahren könnte dafür ein Vorgeschmack gewesen sein. Auch bei einem nur relativ geringen Temperaturanstieg ist mit einer starken Zunahme von Hitzewellen zu rechnen. Britische Klimawissenschaftler sind bei der Analyse dieser Hitzewelle, in der sie gemessene Temperaturen mit Modellrechnungen verglichen und verschiedene Simulationen durchgeführt haben, zu dem Ergebnis gekommen, dass der menschliche Einfluss auf das Klima die Eintrittswahrscheinlichkeit solch ungewöhnlicher Hitzewellen in Westeuropa stark erhöht. Sie ist bereits jetzt um ein Mehrfaches höher, als sie ohne die menschlichen Treibhausgasemissionen wäre.41 In der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts könnten solche Sommer schon in jedem zweiten Jahr auftreten. Darüber hinaus sind indirekte Folgen des Klimawandels für die Gesundheit des Menschen zu erwarten, z. B. Krankheiten, die über Insekten übertragen werden, welche bei wärmeren Temperaturen bessere Lebensbedingungen vorfinden. Abb. 16: Weltweite Entwicklung der Anzahl von Großkatastrophen (1950-2004) 42 Anzahl 14 12 10 8 6 4 2 0 1950 1955 1960 1965 Erdbeben, Tsunami, Vulkanausbruch Sturm 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 Überschwemmung Sonstige Ereignisse (z.B. Hitzewelle / Dürre, Waldbrand, Winterschaden / Frost) Quelle: eigene Darstellung nach Münchener Rück 2005: 15 38 Münchener Rück 2004 Swiss RE 2004: 3 40 Stott et al. 2004 41 Stott et al. 2004 39 42 Als "groß" werden Naturkatastrophen in Anlehnung an Definitionen der Vereinten Nationen bezeichnet, wenn die Selbsthilfefähigkeit der betroffenen Regionen deutlich überschritten wird und überregionale oder internationale Hilfe erforderlich ist. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn die Zahl der Todesopfer in die Tausende, die Zahl der Obdachlosen in die Hunderttausende geht; oder wenn die volkswirtschaftlichen Schäden – je nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des betroffenen Landes – bzw. die versicherten Schäden außergewöhnliche Größenordnungen erreichen. (Münchener Rück 2005: 14) 25 Info-Kasten 4: Was ist eine Wetterkatastrophe? Sturm ist nicht gleich Sturm, denn die Auswirkungen sind abhängig davon, in welcher Region der Sturm stattfindet. Ereignet sich ein Sturm in der Wüste, so wird in der Regel nicht von einer Wetterkatastrophe gesprochen, weil Menschen nicht davon betroffen sind. Zu einer Katastrophe wird ein Sturm erst dann, wenn er Menschen oder deren Sachgüter in großem Maße schädigt. Wetterkatastrophen ereignen sich demnach dort, wo extreme Wetterereignisse auf eine dafür anfällige Gesellschaft treffen. Eine Zunahme an Wetterkatastrophen kann somit zwei wesentliche Ursachen haben: 1. Eine tatsächliche Zunahme extremer Wetterereignisse und 2. eine Erhöhung der Vulnerabilität (Verletzlichkeit) wegen nicht ausreichend eingeführter Schutzmaßnahmen bzw. einer nicht angepassten Lebensweise des Menschen an seine Umgebung. Dies kann die Besiedlung bisher wenig genutzter, ökologisch sensibler Räume umfassen, Umwelteingriffe (z. B. erosionsanfällige Böden nach Abholzung; größeres Hochwasserrisiko nach der Begradigung von Flüssen) oder aber auch den Anstieg der Bevölkerung in Gebieten klimatischer Risikozonen. Tabelle 5 zeigt einen Überblick über Temperaturschwellen, bei deren Überschreitung der Eintritt der hier vorgestellten sowie weiterer Großrisiken im Klimasystem in großem Maßstab befürchtet wird. Noch bestehen erhebliche Ungewissheiten. Die wissenschaftlichen Ergebnisse der letzten zwei Jahre deuten aber eher auf sich beschleunigende Prozesse hin. Dass die Wissenschaft hinsichtlich der Großrisiken "Entwarnung" gegeben hätte, ist hingegen leider nicht festzustellen. Zudem ist die CO2-Konzentration in vier der letzten fünf Jahre deutlich stärker angestiegen als im Durchschnitt der 30 Jahre vorher, wodurch eine weitere Zunahme der Extremwetterereignisse befürchtet werden muss.43 Foto: Diakonie Katastrophenhilfe 3.4 Gefährdung von Ernährungssicherung, landwirtschaftlicher Produktion und Wasserversorgung Das Klima ist für die Ernährungssicherheit ein sehr wesentlicher Faktor, da die Landwirtschaft stark von Temperatur und Wasserverfügbarkeit abhängt. Nutzpflanzen verfügen über unterschiedliche Möglich- 43 44 26 Adam 2007 ECF/PIK 2004: 5 keiten, sich an Klimaveränderungen anzupassen. Die Reaktion landwirtschaftlicher Systeme insgesamt auf Klimaveränderungen wird u. a. bestimmt durch Temperatur, Niederschlag, CO2-Düngeeffekt und sozioökonomische Rahmenbedingungen wie Marktzugang, Technologie oder die Verfügbarkeit von Ressourcen, die für die Anpassung notwendig sind.44 In gewissem Maße wird von einer steigenden CO2Konzentration ein „Düngeeffekt“ für das Wachstum bestimmter Pflanzen erwartet, der aber die Auswir- kungen wachsenden Temperaturstresses nicht unbedingt kompensieren kann. So wird zwar das Wachstum so genannter C3-Pflanzen wie Weizen, Soja und Reis, die an wärmere Temperaturen und höhere CO2-Konzentrationen angepasst sind, wahrscheinlich bis zu einem bestimmten Grad von einem erhöhten CO2Gehalt in der Atmosphäre profitieren. Bei den vorwiegend in Entwicklungsländern angebauten sogenannten C4-Pflanzen wie Mais, Sorghum, Hirse und Zuckerrohr wird dies aber nicht der Fall sein.45 Bereits in den nächsten 15 Jahren erwartet der IPCC in manchen Ländern Afrikas einen Rückgang der auf Regenfeldbau basierenden landwirtschaftlichen Erträge um bis zu 50 %.46 Ein Temperaturanstieg von mehr als 2 °C würde in den meisten südasiatischen Ländern die Möglichkeit des Weizenanbaus drastisch einschränken. Bei einem Temperaturanstieg von 2 bis 2,5 °C entstehen für die Ernährungssicherheit in Afrika, Russland und möglicherweise China große Risiken, so dass ca. 45 bis 55 Millionen Menschen weltweit zusätzlich unter Hunger und Unterernährung leiden könnten. Auf dem indischen Subkontinent besteht ein signifikantes Risiko für die Ernährungssicherung bei einem Temperaturanstieg von mehr als 2,6 °C gegenüber der vorindustriellen Zeit.47 Der Klimawandel birgt vielerorts außerdem Risiken für die landwirtschaftliche Produktion, die zwar nicht der Ernährungssicherung im eigenen Land dient, aber für den Export bestimmt ist und damit eine wichtige Einnahmequelle darstellt. Beispielsweise ist bei einem Temperaturanstieg von 2 °C zu befürchten, dass in Uganda nur noch auf einem sehr kleinen Teil der Landesfläche der Anbau von Kaffee – Exportgut Nummer eins – möglich sein wird (siehe Abbildung 17). Während bei einer moderaten Temperaturerhöhung die Landwirtschaft vieler entwickelter Länder in den mittleren Breiten durch günstigere Anbaubedingungen eher profitieren dürfte, wird oberhalb einer Erhöhung von 3 °C mit Nettoverlusten der globalen Nahrungsmittelproduktion gerechnet, d. h. auch die mittleren Breiten wären betroffen.48 Insgesamt ist eine Zunahme der globalen Ungleichheit zu erwarten, da die Entwicklungsländer am stärksten negativ betroffen sein werden. Die steigenden Temperaturen werden sich drastisch auf die Niederschlagsverhältnisse auswirken, was in vielen Regionen in Wasserknappheit resultieren wird. Sogar bei einem Temperaturanstieg von unter 2 °C ist davon auszugehen, dass bis zu 1,5 Milliarden Menschen zusätzlich von Wasserknappheit betroffen wären. Zwar sind Verbesserungen hinsichtlich Wasserverbrauchs- und Speicherungstechniken zu erwarten, dennoch wird der Klimawandel einen starken Einfluss auf die Wasserverfügbarkeit und -qualität haben. Dem IPCC zufolge werden in Afrika südlich der Sahara bis 2020 zwischen 75 und 250 Millionen Menschen durch den Klimawandel verstärktem Wasserstress ausgesetzt sein. Abb. 17: Auswirkungen des Temperaturanstiegs auf den Kaffeeanbau in Uganda Klimawandel zerstört Entwicklung ungeeignet weniger geeignet geeignet Heutige Temperatur Temperaturanstieg von 2 °C Quelle: eigene Darstellung nach Simonett 1989 45 46 Nisbet, 1994: 173 IPCC 2007b 47 48 ECF/PIK 2004: 5 WBGU 2003:14 27 3.5 Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit Viele der zuvor geschilderten Folgen des Klimawandels haben unmittelbare Auswirkungen auf die Gesundheit von Millionen von Menschen. Zum einen können die Auswirkungen den Menschen direkt treffen, z. B. durch Extremereignisse wie Hitzewellen,49 Stürme und Überschwemmungen. Indirekte Auswirkungen haben abnehmende Trinkwasservorräte und -qualität, geringere Nahrungsmittelproduktion, die zu Hunger und Mangelernährung führen. Außerdem wirken sich die veränderte Verbreitung und Aktivität von Krankheitserregern negativ auf die menschliche Gesundheit aus, so dass Durchfallerkrankungen, aber auch Malaria und Dengue-Fieber vermehrt auftreten. Aufgrund der Ausbreitung dieser Erkrankungen wagt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Abschätzung, dass bereits im Jahr 2000 weltweit rund 154.000 Tote auf den Klimawandel zurückzuführen waren50. 3.6 Betroffenheit der Entwicklungsländer Entwicklungsländer und arme Menschen in allen Ländern sind, wie oben bereits angedeutet, von den Auswirkungen des Klimawandels besonders betroffen. Zum einen lebt der Großteil der Bevölkerung in Entwicklungsländern unmittelbar von der Landwirtschaft – in Afrika sind dies ca. 70 % der gesamten Bevölkerung51 – und ist somit direkt von den Klimaund Wetterbedingungen abhängig. Veränderungen haben deshalb oft verheerende Auswirkungen. Ein zweiter wesentlicher Grund für die hohe Anfälligkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels ist die Armut selbst. So wird durch einen Mangel an Kapazitäten (technisch, personell und finanziell) eine Anpassung an veränderte Bedingungen und ein Schutz vor den aufgezeigten Risiken erschwert. Daher muss eine nachhaltige Armutsbekämpfung auch als eine Schlüsselstrategie bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels angesehen werden.52 Das teils hohe Wachstum der Bevölkerung in den vom Meeresspiegelanstieg gefährdeten Küstenbereichen setzt auch eine wachsende Zahl von Menschen den Risiken des Klimawandels aus. Zudem sind diese Bevölkerungsgruppen in der Regel am wenigsten gegen die Schäden abgesichert, entsprechende Versicherungen sind nach wie vor ein faktisches Privileg der wohlhabenderen Staaten bzw. Bevölkerung (siehe Abbildung 18). 49 50 28 51 Münchener Rück 2004: 25 WHO 2002:72 IPCC 2001b: 502 3.7 Gefährdung der Sicherheit Ein ungebremster Klimawandel stellt eine ernstzunehmende Bedrohung für die humanitäre Sicherheit dar. Neben der Energie(versorgungs)sicherheit rückt in der Außenpolitik zunehmend die „Klimasicherheit” in den Fokus. Diesen Begriff führte die britische Außenministerin Beckett in die Debatte ein. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) hat die vier klimabedingten Konfliktkonstellationen „Nahrung”, „Süßwasser”, „Sturm und Flut” sowie „Migration” identifiziert, die zur Destabilisierung oder gar zum Scheitern von Gesellschaften sowie zu Instabilitäten und Unsicherheit im internationalen System führen können. Involviert sein könnten regionale Gruppen, einzelne Länder oder gar größere Ländergruppen. Der WBGU sieht etwa den nordafrikanischen Raum, die Sahelzone, das südliche Afrika, Zentralasien, die Ländergruppe Indien, Pakistan und Bangladesch sowie China als Regionen an, in denen der Klimawandel ein neues Sicherheitsrisiko darstellen könnte.53 Anfang 2007 stand das Thema Klima und Sicherheit erstmals auf der Agenda des UNO-Sicherheitsrates. Bei der Diskussion um die Auswirkungen des Klimawandels auf die humanitäre Sicherheit geht es nicht ausschließlich um die wachsenden Risiken bewaffneter Konflikte um Rohstoffe. Vielmehr werden auch große Risiken für wirtschaftliche Entwicklung, soziale Gerechtigkeit, andere Umweltgüter, Demokratisierung, Abrüstung, Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit erwartet.54 Angesichts des Sicherheitsrisikos „Klimawandel” bietet sich in erster Linie eine präventive Strategie an, militärische Lösungen scheinen wenig sinnvoll. Im Umgang mit den potenziellen Konfliktverschärfungen und neuen Konflikten bestehen verschiedene Möglichkeiten. Potenzielle Konflikte dürfen nicht unterschätzt oder ignoriert, sondern sollten bereits in der Entstehung gelöst werden. So sollten sich anbahnende Konflikte frühzeitig erkannt, und es sollten Kooperationen mit den beteiligten Parteien gesucht werden, bevor es zu einem Konflikt kommen kann. Ein Beispiel hierfür ist das Wassermanagement des Indus, Pakistans größtem Fluss, der aber zunächst durch Indien fließt. In wenigen Jahrzehnten wird das sommerliche Wasservolumen des Indus durch das Schmelzen der Gletscher im Himalaja deutlich abnehmen und damit die Konkurrenz der ohnehin verstrittenen Nachbarstaaten um das wenige zur Verfügung stehende Wasser verschärft. Beansprucht Indien das wenige verbleibende Wasser des Indus allein für sich, so stellt dies eine Handlung 52 53 54 Harmeling/Bals 2007 WBGU 2007 Annan 2005 mit enormem Konfliktpotenzial dar. Um einen ernsten Konflikt zwischen diesen Atommächten zu verhindern, braucht es bereits heute eine strategisch geschickte Politik der Kooperation zwischen den vom Wassermangel im Himalajagebiet betroffenen Regionen. Abb. 18: Ausmaß des Versicherungsschutzes in den Staaten der Welt Quelle: Münchener Rück 2004: 17 Sach-Versicherungsprämie (Nicht-Leben inkl. Kranken) pro Kopf und Jahr in US$ Gruppe der Unversicherten Gruppe der Basisversicherten Gruppe der gut Versicherten 0-5 US$ 6-25 US$ 51-100 US$ 26-50 US$ 101-500 US$ 501-1.000 US$ über 1.000 US$ 4. Gefährlichen Klimawandel vermeiden: Vom KyotoProtokoll zu einem UN-Abkommen nach 2012 4.1 Das Ziel der Klimarahmenkonvention: Gefährlichen Klimawandel vermeiden Treibhausgasemissionen so stark zu verringern, dass ein in großem Maßstab gefährlicher Klimawandel vermieden wird, ist eine jahrzehntelange Aufgabe. Es gilt – wie im vorherigen Kapitel gezeigt –, die globale Erwärmung auf deutlich weniger als 2 °C gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen, um unzumutbare Schäden und unabsehbare Risiken zu vermeiden. Bezüglich der Emissionen von Treibhausgasen in den Industrieländern empfiehlt der „Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen“ (WBGU) bis zum Jahr 2020 eine Verringerung um 30 %.55 Bis 2050 müssten die weltweiten Emis- 55 sionen um mindestens 50 % reduziert werden, um das Zwei-Grad-Limit mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu überschreiten. Bei einer weltweiten Angleichung der Pro-Kopf-Emissionen würde das bedeuten, dass die Emissionen der Industrieländer um mehr als 80 % reduziert werden müssten. Es gibt jedoch erhebliche Meinungsunterschiede darüber, wer bis wann wie viele Treibhausgasemissionen einsparen soll. Wer verantwortet wie viel des Klimawandels? Wo steigen die Emissionen am schnellsten? Wer erwartet Wettbewerbsvorteile durch Klimapolitik oder durch Verhinderung von Klimapolitik? Hierüber verhandeln die jeweiligen Länder seit Anfang der 1990er Jahre im Rahmen der 1994 in Kraft getretenen Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC). In dieser Konvention verpflichteten WBGU 2007 29 sich die Industrieländer – wenn auch nicht rechtsverbindlich –, ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2000 auf das Niveau von 1990 zu reduzieren. Wichtiger jedoch war, dass sie den Rahmen für näher auszuhandelnde Zusatzverträge (Protokolle) mit weitergehenden und verbindlichen Zielsetzungen schafften. Daher auch die Bezeichnung „Rahmenkonvention“. Das Kernziel der Rahmenkonvention ist in Artikel 2 ausgedrückt: Eine gefährliche Störung des Klimasystems durch den Menschen soll vermieden werden. 4.2. Das Kyoto-Protokoll Auf dem Klimagipfel in Kyoto 1997 wurde das erste völkerrechtlich verbindliche Klimaschutzprotokoll verabschiedet – nach Verhandlungen, die bis zur letzten Minute äußerst zäh und dem Scheitern bis auf Haaresbreite nahe waren.56 Das Kyoto-Protokoll enthält für die beteiligten Industriestaaten Emissionsbegrenzungsziele der wichtigsten Treibhausgase von im Durchschnitt 5 % gegenüber 1990 für den Zeitraum 2008 bis 2012 (die sogenannte „erste Verpflichtungsperiode“). Die EU-Staaten müssen ihren Ausstoß um durchschnittlich 8 % verringern, Japan hat sich zu einer Reduktion um 6 % verpflichtet.57 Für Russland wurde die Stabilisierung der Emissionen (d. h. ein Ziel von +/- 0 %) festgesetzt. Die US-Regierung hatte ein Reduktionsziel von 7 % unterzeichnet, aber das KyotoProtokoll wurde vom US-Parlament letztlich nicht ratifiziert und trat für die USA damit nicht in Kraft. In der ersten Verpflichtungsperiode übernahmen nur die Industrieländer rechtlich verbindliche Emissionsziele. Gemäß dem Grundsatz der „gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung“ liegen die Gründe hierfür vor allem darin, dass sie – sowohl bezüglich der historischen Gesamt- als auch der aktuellen ProKopf-Emissionen – mit Abstand die meisten Treibhausgasemissionen verantworten. Hinzu kommt, dass sie wirtschaftlich und technologisch leistungsfähiger sind und damit einen größeren Handlungsspielraum für Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen haben. Auch bei den Verhandlungen für die Zeit nach der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls (ab 2013) ist nicht zu erwarten, dass die Schwellenländer absolute Reduktionsziele beschließen. Angesichts ihrer sehr schnell wachsenden Emissionen ist es aber unentbehrlich, dass die Schwellenländer sich bereits jetzt – obwohl der Pro-Kopf-Ausstoß noch relativ gering ist – , zur Durchführung einer ernsthaften Klimaschutzpolitik bereit erklären. Sonst wird es nicht möglich sein, den Temperaturanstieg auf unter 2 °C zu begrenzen. Der Ausstieg der USA aus dem Kyoto-Protokoll unter G. W. Bush im März 2001 war ein herber Rückschlag, aber die internationale Staatengemeinschaft führte die Verhandlungen um die Umsetzung des KyotoProtokolls zur Überraschung vieler Beobachter dennoch weiter. Die von dem Unternehmerverband e5 (siehe Info-Kasten 5), WWF und Germanwatch in Gang gebrachte Unternehmerinitiative „e-mission55” gab den Verhandlungen zusätzlichen Rückenwind: Über 200 Firmen aus der EU, Japan, Kanada und Russland hatten sich unter dem Motto „Kyoto into force!“ (Kyoto in Kraft setzen) zusammengeschlossen und damit offen demonstriert, dass große Teile der Wirtschaft – trotz des Ausscheidens der USA – hinter dem Kyoto-Protokoll stehen. Auf dem Bonner Klimagipfel im Juli 2001 konnte schließlich eine Einigung über die wichtigsten Streitfragen erzielt werden, u. a. über Detailfragen bezüglich der „flexiblen Mechanismen“ (siehe Info-Kasten 6). Der letzte „Feinschliff“ erfolgte wenige Monate später auf dem Klimagipfel in Marrakesch. Die rechtlich bedeutsamen Ausführungsbestimmungen des Kyoto-Protokolls waren nun präzise genug ausgestaltet, um von den noch zögernden Ländern ratifiziert Abb.19: Treibhausgas-Emissionsziele für das 21. Jahrhundert Tr e i b h a u s g a s - E m i s s i o n s z i e l 1990 2008-12 2020 2050 2100 Um einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden, fordern Umwelt- und Entwicklungsverbände, aber auch Regierungsvertreter und wissenschaftliche Beratungseinrichtungen ehrgeizige Klimaschutzziele. Quelle: eigene Darstellung 56 30 Für einen Bericht von den Verhandlungen siehe Treber 1998b oder Oberthür & Ott 2002 57 Der komplette Vertragstext des Protokolls kann unter http://www.unfccc.int/resource/docs/convkp/kpger.pdf abgerufen werden – dort sind auch die Emissionsziele aller Industriestaaten im Anhang B verzeichnet. Die EU hat ihr 8%-Ziel allerdings im „Burden Sharing Agreement” modifiziert, so dass manche EUStaaten stärkere und andere schwächere Emissionsziele haben (siehe http://www.climnet.org/resources/euburden.htm und http://www.germanwatch.org/folien/eu-et/folie003.htm). zu werden. Für das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls mussten 55 Staaten, die mindestens 55 % der Treibhausgasemissionen der Industrieländer von 1990 abdeckten, das Abkommen ratifizieren. Dies wurde erst durch die Ratifikation Russlands im November 2004 erreicht, so dass das Protokoll drei Monate später, am 16. Februar 2005, in Kraft treten konnte. 4.3. Beschlüsse auf EU- und Bundesebene Mit ihren klima- und energiepolitischen Beschlüssen im Frühjahr 2007 bekannte sich die Europäische Union zu der Zwei-Grad-Begrenzung und formulierte als eigenes Zwischenziel, ihre Emissionen bis 2020 um 30 % im Vergleich zu 1990 zu reduzieren (oder 20 %, falls kein internationales Abkommen in Kraft tritt). Diese Emissionsverringerung soll vor allem durch eine verbesserte Energieeffizienz und die Förderung Erneuerbarer Energien erreicht werden. Deutschland erklärte sich bereit, die eigenen Emissionen um 40 % zu verringern, wenn die EU ihre Emissionen um 30 % reduziert. Im April 2007 stellte die Bundesregierung ihre „Klimaagenda 2020“ vor, mit der das 40 %-Ziel erreicht werden soll.58 Folgende Unterziele werden in diesem Acht-PunktePlan vorgeschlagen: ■ eine Reduktion des Stromverbrauchs um 11 %, ■ effizientere Kraftwerke, ■ eine Steigerung des Anteils Erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung auf über 27 %, ■ eine Verdoppelung des Einsatzes effizienter KraftWärme-Kopplung, ■ eine deutliche Reduktion des Heizenergieverbrauchs, ■ die Steigerung des Anteils Erneuerbarer Energien für die Wärmeerzeugung, ■ die Steigerung der Effizienz und des Einsatzes von Biosprit im Verkehr sowie ■ weniger Ausstoß anderer Treibhausgase als CO2, z. B. Methan. Im August 2007 hat die Bundesregierung „Eckpunkte für ein integriertes Energie- und Klimaprogramm”59 mit zahlreichen Maßnahmen in den wichtigsten Bereichen beschlossen. Dieses orientiert sich an der „Klimaagenda 2020“. Diese Eckpunkte wurden in den Folgemonaten weiter konkretisiert und am 5. Dezember beschloss die Bundesregierung in einem ersten Schritt 14 Maßnahmen. Ein zweites Gesetzespaket soll im Mai 2008 verabschiedet werden. Beide müssen jeweils auch im Deutschen Bundestag beraten werden. Das Programm wird – auch nach Regierungsabschätzung – noch nicht ausreichen, um wirklich die 40%-ige Reduk- 58 59 tion zu erreichen. Kritik von Nichtregierungsorganisationen bezog sich vor allem auf ein hohes Maß an Unverbindlichkeit bei einigen der vorgeschlagenen Maßnahmen und fehlende Stringenz im Verkehrsbereich. 4.4 Meilensteine und Schwerpunkte für ein UN-Abkommen nach 2012 Um unter der Großgefahrenschwelle von 2 °C Temperaturanstieg zu bleiben, ist es notwendig, dass sich nach der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls im Jahr 2012 direkt eine weit ehrgeizigere, zweite Verpflichtungsperiode anschließt. Die Verhandlungen dafür sollten bis Ende 2009 abgeschlossen sein, damit genügend Zeit für die Ratifizierungsprozesse in den Staaten bleibt. Mit dem im Dezember 2007 verabschiedeten Bali-Aktionsplan ist es bei der UN-Klimakonferenz gelungen, einen Verhandlungsrahmen zu vereinbaren, der sich genau in diesen Zeitkorridor einordnet. Über 190 Staaten haben damit deutlich gemacht, dass sie sich an ernsthaften Verhandlungen über ein neues Klima-Abkommen beteiligen wollen. Der Bali-Aktionsplan sieht vier Verhandlungsstränge vor. Auf der einen Seite geht es um die Ziele und Mechanismen zur Verringerung des TreibhausgasAusstoßes, inklusive der Weiterentwicklung des Emissionshandels als auch dem internationalen Waldschutz. Für die Öffentlichkeit wurde von der Staatengemeinschaft die Messlatte für den internationalen Klimaschutz deutlich markiert (nur die US-Regierung ging hier nicht mit, deshalb erfolgte die Festlegung im Kyoto-Kontext, wo die US-Regierung nicht blockieren konnte), allerdings noch nicht als verbindliches Ziel akzeptiert: Um die Schäden durch den Klimawandel zu begrenzen, müssten die Emissionen der Industrieländer bis 2020 um 25 bis 40 Prozent gegenüber 1990 sinken. Global müsste in zehn bis 15 Jahren der Höhepunkt des Emissionsausstoßes erreicht sein – und dann eine zügige Verringerung eingeleitet werden, die bis Mitte des Jahrhunderts die Emissionen um weit mehr als die Hälfte senkt. Durch die Bezugnahme auf den IPCCBericht wurde im Bali-Aktionsplan ein hohes wissenschaftlich belegtes Anspruchsniveau für den Verhandlungsprozess herausgestellt. Die globalen Reduktionsziele werden ohne deutlich mehr Klimaschutz insbesondere in den großen Schwellenländern wie China, Mexiko oder Indien nicht zu erreichen sein. Interessanterweise gehörten diese Länder in Bali aber auch zu den Akteuren, die sich im Vergleich zu den Vorjahren politisch deutlich bewegt und so zu dem Erfolg der Deutsche Bundesregierung 2007a Deutsche Bundesregierung 2007b 31 Verhandlungen beigetragen haben. Die Bereitschaft der Schwellenländer zum Einstieg in ernsthaften Klimaschutz hängt aber nach wie vor stark vom Verhalten der Industrieländer hinsichtlich der Erreichung der Kyoto-Ziele und neuer Minderungsziele ab. Zum anderen steht die Anpassung an die nicht mehr vermeidbaren Auswirkungen des Klimawandels auf der Agenda, insbesondere die Unterstützung der besonders betroffenen Regionen und Staaten. Die weiteren Verhandlungsstränge haben Bezüge sowohl zur Emissionsvermeidung wie auch zur Anpassung. Der dritte Verhandlungsstrang befasst sich nämlich mit Regeln und Anreizsystemen für die Bereitstellung und den Transfer von Technologien für beide Bereiche. Der vierte Verhandlungsstrang hat die Frage der Finanzierung von Technologien, Anpassung und Waldschutz zum Gegenstand, die ein Finanzvolumen erfordern, das um Größenordnungen über dem liegt, was bisher durch die Mechanismen des Kyoto-Protokolls und der Klimarahmenkonvention verfügbar ist. Hier wird auch die Weiterentwicklung des CDM als ein wichtiges, aber nicht ausreichendes Instrument eine Rolle spielen. Die Verhandlungen müssen in den nächsten Jahren angesichts der vielfältigen Herausforderungen, die der Klimawandel darstellt, intensiviert werden. Ein großer Hemmschuh für die UN-Klimaverhandlungen ist, dass die aktuelle Regierung des wichtigsten Industrielandes – der USA – nicht bereit ist, verbindliche Reduktionsziele zu akzeptieren. Dies hat auch in Bali die Verhandlungen gebremst. Viele Beobachter setzen deshalb ihre Hoffnung auf die Politik einer Nachfolgeregierung ab 2009. Europa und auch der europäischen Öffentlichkeit wird voraussichtlich eine besondere Verantwortung zukommen, nicht nur wegen der bereits skizzierten Vorreiterrolle der EU. Voraussichtlich wird im Jahr 2008 die UN-Klimakonferenz in Poznan (Polen) stattfinden und im Jahr 2009 in Kopenhagen (Dänemark). Hier wird es dann idealerweise zur Verabschiedung eines neuen Abkommens kommen. Info-Kasten 5: Die Pro- und Anti-Klimaschutz-Lobbys der Wirtschaft: e5 und GCC Die Angst vor unmittelbaren Risiken setzt bekanntlich meist stärkere Kräfte frei als das Erkennen von Chancen. Dies gilt auch für die Einflussnahme von Unternehmen auf die Klimapolitik. Mehrere multinationale Unternehmen v. a. aus der fossilen Energiewirtschaft (Kohle-, Öl- und Autobranche etc.), die in Klimaschutzmaßnahmen eine Bedrohung ihrer eigenen Geschäftstätigkeit sahen, gründeten daher schon sehr früh einen Lobbyverband, die Global Climate Coalition (GCC). Diese war im Rahmen der UNKlimaverhandlungen bis 1996 fast die einzige wahrnehmbare Stimme aus der Wirtschaft, so dass bei Politikern und Öffentlichkeit teilweise der Eindruck entstand, Klimaschutz schade grundsätzlich der Wirtschaft. Eine Reihe von Unternehmen, die den Klimaschutz insgesamt als wirtschaftliche Chance sehen, gründete 1996 den Verband e5 (European Business Council for Sustainable Energy). Gemeinsam mit dem bereits seit 1992 aktiven USamerikanischen Verband US Business Council for Sustainable Energy bildete e5 auf den Verhandlungen zum Kyoto-Protokoll fortan ein Gegengewicht zur klimaschutzfeindlichen GCC. Nun wurde bei Politikern und in der Öffentlichkeit zunehmend klar, dass Klimaschutz auch große wirtschaftliche Chancen eröffnen kann. Gleichzeitig sahen auch immer mehr Unternehmen des Finanzsektors – v. a. Banken, Ver- 60 32 Siehe http://www.e5.org sicherer und Pensionsfonds – die Risiken des Klimawandels und die Chancen einer vorsorgenden Unternehmenspolitik. Bei den UN-Klimaverhandlungen vertreten die in der Finanzinitiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen zusammengeschlossen Unternehmen (UNEP Finance Initiative) diese Position. Ab 1997 häuften sich die Austritte von Unternehmen aus der GCC. Zunächst kehrten ihr BP und Shell den Rücken. BP vollzog diesen Schritt kurz vor dem Klimagipfel in Kyoto (1997) und sandte damit ein wichtiges Signal an die Politik. Im Januar 2000, nachdem die kritischen Aktionäre von DaimlerChrysler und Germanwatch die andauernde Mitgliedschaft von DaimlerChrysler in der GCC kritisiert hatten, kündigte die Konzernspitze den Austritt an. Die OpelMutter General Motors und weitere Firmen folgten dem Beispiel. Im Jahr 2001 löste sich die GCC schließlich auf, nachdem es mittlerweile zu rufschädigend für Firmen geworden war, dort Mitglied zu sein und letztlich nur noch Exxon als Unternehmen übrig blieb. Die Unternehmerinitiative e5 setzt sich hingegen weiter für Rahmenbedingungen im Sinne eines effektiven Klimaschutzes ein und vertritt derzeit über 70 Unternehmensverbände und Einzelunternehmen.60 Viele andere konstruktive Unternehmensinitiativen haben sich inzwischen gebildet. Info-Kasten 6: Emissionshandel und andere flexible Mechanismen Im Rahmen des Kyoto-Protokolls wurden für die verschiedenen Staaten Klimaschutzpflichten vereinbart. Die Staaten geben diese zwar weitgehend an innerstaatliche Akteure (z. B. die Industrie) weiter, bürgen aber letztlich im Sinne des Völkerrechts für die Einhaltung. Mit verschiedenen sogenannten „Flexiblen Mechanismen“ können Staaten und Unternehmen ihre Klimaschutzpflichten nun – mit gewissen Einschränkungen – in anderen Staaten erfüllen. Dahinter steht die Strategie, Treibhausgase dort einzusparen, wo dies am kostengünstigsten ist. Das Kyoto-Protokoll sieht drei verschiedene Mechanismen vor (siehe auch Abbildung 19): ■ Clean Development Mechanism (CDM). Hier finanziert ein Akteur aus einem Industrieland 61 ein Klimaschutzprojekt in einem Entwicklungsland 62 und lässt sich die entstandene Emissionsminderung gutschreiben. Die Projekte sollen auch der nachhaltigen Entwicklung in den Gastländern dienen. ■ Joint Implementation. Dieser Mechanismus unterscheidet sich vom CDM dadurch, dass das Projekt in einem Industrieland durchgeführt wird. ■ Emissionshandel im engeren Sinne („Kyoto-Emissionshandel“). Hier verkauft ein Staat, der sein Emissionsziel übererfüllt, die überschüssigen Kontingente an einen anderen Staat. Zusätzlich zu diesen im Kyoto-Protokoll geregelten Mechanismen gibt es innerhalb der Europäischen Union den EU-Emissionshandel als Instrument für die Industrie, um die eigenen Ziele umzusetzen. Hier haben die einzelnen EU-Staaten der energieintensiven Industrie (v. a. Kraftwerksbetreiber) Emissionsreduktionsziele gesetzt. Unternehmen, die noch stärkere Treibhausgasreduktionen erzielen als für sie im nationalen Zuteilungsplan festgeschrieben, können entsprechende Zertifikatmengen wieder verkaufen. In der sogenannten „Verbindungsrichtlinie“ hat die EU zudem für Unternehmen die Möglichkeit geschaffen, Zertifikate aus den oben genannten Mechanismen des Kyoto-Protokolls zuzukaufen. Allerdings gilt hierfür eine Mengenbeschränkung und drei besonders umstrittene Projekttypen sind davon ausgeschlossen: Atomkraftwerke, Senkenprojekte (s. Info-Kasten 8) und große Wasserkraftwerke, wel- 61 In Annex B des Kyoto-Protokolls sind diese Staaten namentlich aufgeführt. Im Fachjargon bezeichnet man sie daher als „Annex-B-Parteien“. Nur Staaten, die das KyotoProtokoll ratifiziert haben, dürfen an den flexiblen Mechanismen teilnehmen. Zu den Industriestaaten im Sinne des Annex B gehören auch die im Übergang zur Marktwirtschaft befindlichen Länder. che die Kriterien der World Commission on Dams (WCD) 63 nicht erfüllen. Beim Aufbau des EU-Emissionshandelssystems war vor allem die Fertigstellung nationaler Zuteilungspläne (Allokationspläne) von kontroversen Debatten und Verteilungskämpfen geprägt. Im ersten deutschen Allokationsplan (2005-2007) konnten auf Druck starker Kräfte der Wirtschaft und des Wirtschaftsministeriums viele im Sinne des Klimaschutzes essentielle Anreizmechanismen nicht verankert werden. In Deutschland wie auch in vielen anderen EU-Staaten kam es daher zu einer „Überallokation“, d. h. es waren deutlich mehr Zertifikate auf dem Markt, als von den Anlagenbetreibern benötigt wurden. Dadurch konnte der Emissionshandel bisher seine Aufgabe, vielfältige Optionen zur Reduktion der Emissionen marktfähig zu machen, nur sehr begrenzt erfüllen. Im zweiten Nationalen Allokationsplan (NAP) für die Zeit von 2008 bis 2012 konnten aber, vor allem auf Druck der EU-Kommission und der Zivilgesellschaft, wichtige Verschärfungen durchgesetzt werden. So wurde in Deutschland die Gesamtmenge der Emissionen deutlich verringert, um ca. 10 % für die Zeit bis 2012. Außerdem setzte der Deutsche Bundestag durch, dass erstmals ein Teil der Zertifikate kostenpflichtig abgegeben und nicht mehr an die Unternehmen verschenkt wird. Die dadurch erwarteten Einnahmen von mehreren hundert Millionen Euro sollen wiederum zum Klimaschutz eingesetzt werden. Mittelfristig sollte eine vollständige Versteigerung der Zertifikate angestrebt werden, damit sich der Marktmechanismus des Emissionshandels richtig entfalten kann. In der Europäischen Union wird derzeit über die Ausweitung des Emissionshandels auf andere Sektoren, vor allem auf den Flug- und den Schiffverkehrssektor, diskutiert. Diese Bereiche unterliegen bisher praktisch keiner angemessenen klimapolitischen Regulierung. Da sich auch Staaten außerhalb Europas, etwa USBundesstaaten, immer stärker für den Emissionshandel als ökonomisches Klimaschutzinstrument interessieren, wird in Zukunft auch über eine Verknüpfung des europäischen Emissionshandelssystems mit anderen Systemen diskutiert werden. 62 D. h. in einem Land, das nicht in Annex B des Kyoto-Protokolls aufgeführt ist 63 Die World Commission on Dams (WCD) hat auf Grundlage vergangener Erfahrungen – v. a. negativer ökologischer und sozialer Auswirkungen vieler Großstaudammprojekte – Kriterien erarbeitet, welche die ökologische und soziale Verträglichkeit solcher Energieprojekte sichern sollen. Siehe auch http://www.dams.org. 33 Abb. 20: Flexible Mechanismen Entwicklungsländer Industrieländer (Annex-B-Parteien des Kyoto-Protokolls) Entwicklungsland 1 Industriestaat 1 emissionsminderndes Projekt Handel zwischen Kyoto-Parteien = Emissionshandel im engeren Sinne (hat Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert = kein CDM möglich) JI = Joint Implementation Entwicklungsland 2 Industriestaat 2 (hat KP ratifiziert) CDM = Clean Development Mechanism EUEmissionshandel Akteur 1 Akteur 2 emissionsminderndes Projekt Die Industriestaaten haben – soweit sie das Kyoto-Protokoll ratifiziert haben – verbindliche Emissionsziele. Die Entwicklungsländer haben bis 2012 keine verbindlichen Emissionsziele. Die Pfeile kennzeichnen die Transferrichtung von Emissionszertifikaten. Weitere Erläuterungen siehe Text und Info-Kasten 5. Quelle: Eigene Darstellung. 5. Die wichtigsten klimapolitischen Herausforderungen 5.1 Verantwortungsübernahme als Grundprinzip Wer anderen einen Schaden zufügt, hat aus moralischer und juristischer Sicht zwei Pflichten: Er muss die Schädigung einstellen und eintretende Schäden kompensieren. Dieser Grundsatz der Moral und des Rechts trifft prinzipiell auch auf all diejenigen zu, die in unverhältnismäßigem Ausmaß Treibhausgase ausstoßen. Hinsichtlich der Reduzierung von Emissionen ist das Kyoto-Protokoll bereits ein erster Schritt, wenngleich er für die Vermeidung eines gefährlichen Klimawandels bei weitem noch nicht ausreicht und wichtige Verursacher noch keine Verantwortung übernehmen. Wie in Kapitel 3 dargelegt wurde, steigt die Gefahr von Klimaschäden mit zunehmender Treibhausgas- 34 konzentration in der Atmosphäre. Auch wenn im einzelnen Schadensfall der Nachweis der Kausalität aus prinzipiellen Gründen unmöglich ist, sollte ein eindeutiger Nachweis der steigenden Wahrscheinlichkeit auf Dauer ausreichen, um eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip durchzusetzen. Ähnliches gilt für die Finanzierung von Präventivmaßnahmen (z. B. Deichbau), die angesichts steigender Gefahren notwendig werden. Viele Wege wie z. B. kofinanzierte Versicherungsmodelle und Klimaschadensfonds sind hierfür denkbar und werden bereits intensiv diskutiert, auch im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen. Eine steigende Zahl von Beobachtern hält auch Schadenersatzklagen gegen all jene, die sich besonders hartnäckig dem Klimaschutz verweigern oder ihn gar torpedieren, in der Zukunft für möglich. 5.2 Die vier Grundszenarien der globalen Klimapolitik Es ist nicht verwunderlich, dass heftig um das Post2012-Abkommen gerungen wird. Es geht um ein Signal, in welche klimapolitische Richtung die Welt treiben wird. Folgende Möglichkeiten sind denkbar: Erstens das Szenario Großexperiment – der Klimawandel kann sich weitgehend ungebremst entfalten, was einem Großexperiment mit Mensch und Natur gleichkommt. Zweitens das Szenario Globale Apartheid – eine kleine Minderheit von Menschen sichert sich ihren privilegierten Lebensstil und begrenzt das Recht der anderen auf Entwicklung – (angeblich) dem Klimaschutz zu liebe. Die IPCC-Szenariofamilien A2 und B2 deuten in die Richtung dieses Szenarios. Um das zu vermeiden, wollen die Schwellenländer erst über ihren Beitrag zum Klimaschutz verhandeln, wenn die Industrieländer mit weit höherem Pro-Kopf-CO2-Ausstoß ihre Emissionen schnell und deutlich reduzieren. Drittens das Szenario Kooperation und Klimaschutz – die Staaten einigen sich auf einen fairen und verbindlichen, die Klimagefahr begrenzenden internationalen Rahmen. Dieser hat zum einen die notwendige, drastische Reduktion von Treibhausgasen zum Ziel und bietet zum anderen verlässliche Unterstützung der Anpassung insbesondere in den am wenigsten entwickelten Ländern. Viertens das Szenario Dialyse – die Welt am Tropf derer, die großtechnisch das Wetter auf dem Globus manipulieren wollen. Wenn in den nächsten Jahren nicht entschieden gehandelt und die Größenordnung des angestoßenen Großexperiments (vgl. Abb. 13) immer deutlicher wird, wird dieses Szenario immer wahrscheinlicher. Es könnte leicht passieren, dass die Menschheit dann nicht mehr auf die immer mehr überforderten natürlichen Regelungsmechanismen des Klimas setzt, sondern durch technische Maßnahmen außerhalb des natürlichen Klimakreislaufs auf diesen Einfluss nimmt: indem viele Tausende von Spiegeln im Weltall die Erde etwas abdunkeln sollen oder indem Tag für Tag Schwefeldioxid mit Flugzeugen in die Atmosphäre gebracht wird, um das Treibhaus Erde abzukühlen. Solche Maßnahmen wären nicht nur teuer und müssten dauerhaft durchgeführt werden, sondern sie würden, wie die Dialyse beim Menschen, mit erheblichen Nebenwirkungen einhergehen. Schon in 15 bis 20 Jahren wird man deutlicher sehen, in welche Richtung sich die Zukunft der Erde bewegt. Die heutige Generation weiß über diese Problematik, was die vorherige noch nicht wissen konnte. Ihr Handeln entscheidet damit über die Lebensbedingungen der zukünftigen Generationen. 5.3 Die EU als Zugpferd und der Einbezug der USA in den internationalen Klimaschutz Da von den USA derzeit wenige Impulse zu erwarten sind, fällt der EU im internationalen Klimaschutz die Rolle des Zugpferds unter den Industrieländern zu. Im Frühjahr 2007 setzte sie sich klare Ziele für 2020 und lieferte damit ein deutliches Signal für die Zeit nach 2012 (s. o.). Die deutliche Verringerung der Emissionen soll u. a. dadurch erreicht werden, dass 20 % des Energiebedarfs bis 2020 durch Erneuerbare Energien gedeckt werden. Zentral für den Erfolg der europäischen Klimapolitik ist die weitere Gestaltung des Emissionshandels mit intelligenten Anreizmechanismen im Hinblick auf diese Ziele (siehe Info-Kasten 6) sowie der Einstieg in eine stringente Rahmensetzung für Energieeffizienz in verschiedenen Sektoren. Die Erfolgsmodelle der in Deutschland und anderen europäischen Ländern bereits wirksamen Gesetze für die Markteinführung Erneuerbarer Energien können hier als weitere Orientierung dienen. Die deutsche Bundesregierung reagierte, wie in Abschnitt 4.1 dargestellt, mit einem Reduktionsziel von 40 %, wenn die EU ihre Emissionen um 30 % verringert. Ähnliche Zielsetzungen sind mit der derzeitigen Regierung der USA, die die Verhandlungen über ein anspruchsvolles Klima-Abkommen für die Zeit nach 2012 immer wieder zu blockieren versucht, zurzeit nicht in Aussicht. Dies gilt, auch wenn die US-Regierung den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel nicht mehr leugnet und sich beim G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm und bei der Klimakonferenz in Bali zu für ihre Verhältnisse relativ weitgehenden Vereinbarungen hat drängen lassen. Trotz der Widerstände der US-Regierung und ihres Ausstiegs aus dem KyotoProtokoll zeichnet sich eine gewisse Klimaschutzdynamik im Land ab. So wächst die Zahl der USBundesstaaten und Kommunen, die mit ernsthaftem Klimaschutz beginnen. Einige setzen sich anspruchsvolle Minderungsziele, arbeiten an der Einführung von Emissionshandelssystemen und fördern immer stärker die Erneuerbaren Energien. Viele Akteure in Finanzmarkt und Industrie setzen inzwischen auf ernsthaften Klimaschutz. Der Film „Eine unbequeme Wahrheit” des ehemaligen Vizepräsidenten Al Gore, aber auch der „Untergang“ von New Orleans durch Hurrikan „Katrina“, trugen stark zur 35 Bewusstseinsbildung (nicht nur) der amerikanischen Bevölkerung bei, die zunehmend in praktischem Klimaschutz mündet. Es besteht also durchaus berechtigte Hoffnung, dass nach der Präsidentschaftswahl im November 2008 auch auf Bundesebene die Klimapolitik weit ernster als bisher betrieben wird. 5.4 Einbezug der Schwellenländer Neben den Industriestaaten müssen auch Schwellenländer, deren Emissionen aufgrund des mit dem Wirtschaftswachstum einhergehenden Verbrennens fossiler Energieträger schnell zunehmen, bald mit dem Klimaschutz beginnen. Eine effektive Klimapolitik ist in den Schwellenländern zum heutigen Zeitpunkt deshalb so wichtig, weil in der industriellen Aufbauphase langfristig entscheidende Investitionen getätigt werden, die gerade auch die Energieversorgung des Landes über einen langen Zeitraum festlegen. Vom Ausbau Erneuerbarer Energien profitieren Schwellenländer, abgesehen von der besseren Luftqualität, ebenfalls durch die Unabhängigkeit von Rohstoffimporten. Deshalb kreisen derzeit die Gespräche mit Schwellen- und Entwicklungsländern darum, Anreize für Investitionen in „grüne“ Technologien zu setzen und Chancen zu nutzen.Da sich die Schwellenländer hinsichtlich ihrer politischen, sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen stark voneinander unterscheiden und außerdem äußerst verschiedene Rollen für den Klimaschutz übernehmen können, ist es naheliegend, die fünf führenden Schwellenländer einzeln zu betrachten: China ist der größte Wachstumsmarkt der Welt und hat mittlerweile die höchsten jährlichen CO2-Emissionen weltweit. Damit nimmt das Land der Mitte trotz weiterhin mäßigem Pro-Kopf-Ausstoß (siehe 2.2) eine zentrale Stellung im Klimaschutz ein – sowohl bezüglich des Treibhausgasausstoßes des Landes als auch bezüglich der Entwicklung von Technologien im Bereich Energieeffizienz und Erneuerbare Energien. Gerade die Chancen, die sich durch das Wachstum Chinas im Bereich der Technologieentwicklung ergeben, haben das Potenzial, eine weltweite Wirkung zu entfalten. Gleichzeitig wird das Land auch massiv von den Konsequenzen des Klimawandels betroffen sein.64 Angesichts der geringen Pro-Kopf-Emissionen in China ist dort im Zuge der weiteren Industrialisierung ein deutlicher Anstieg zu erwarten. Allerdings hat China auf der Renewables-Konferenz 2004 das (freiwillige) Ziel angekündigt, bis 2020 den Energieverbrauch nur zu verdoppeln, obwohl eine Vervierfachung des Bruttoinlandsprodukts geplant ist.65 Dies käme einer 64 65 36 Harmeling/Schwarz/Bals 2007 Siehe International Conference for Renewable Energies 2004 Verdopplung der Energieeffizienz und damit einer echten Effizienzrevolution gleich, die bislang in diesem Maßstab ohne Beispiel ist, vor allem in Schwellenländern. China will diese Entwicklung zudem durch einen massiven Ausbau Erneuerbarer Energien flankieren – ein erstes Gesetz in diese Richtung wurde im Februar 2005 verabschiedet. Zudem möchte das Land die Einführung effizienterer Technologien voranbringen – ein erster Schritt ist ein jüngst verabschiedetes Gesetz, das Verbrauchstandards für Fahrzeuge vorschreibt.66 2007 hat China ein nationales Programm zur Klimapolitik verfasst. Darin sind weitere Klimaschutzmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel angekündigt. Art der Umsetzung und Effektivität sind noch ungewiss67. Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, dass es in diesem großen vielfältigen Land nicht einfach ist, die zentral gesteckten Ziele auf den verschiedenen Ebenen zu erreichen. Die Emissionen wachsen weiterhin stark an. Das Erreichen der Ziele hängt in China daher zum einen von einer besseren Durchsetzung der eingeführten Gesetze ab. Zum anderen wird aber auch entscheidend sein, in welcher Form sich Partnerstaaten, gerade auch Exportweltmeister Deutschland und die EU, hier engagieren. Durch bilaterale Energieund Klimaabkommen könnte der Kurs hin zu Energieeffizienz und Erneuerbaren Energieträgern untermauert werden. Nachdem China durch seine hohen Zielsetzungen für großes Aufsehen in der internationalen Politik gesorgt hat, will nun auch Indien eine nationale Strategie zum Klimawandel vorlegen. Eine Analyse möglicher Risiken, eine Anpassungsstrategie an diese und Möglichkeiten der Emissionsminderung – z. B. durch Erneuerbare Energien und Energieeffizienz – sollen erarbeitet werden. Diese Strategie wird für das Frühjahr 2008 erwartet. Brasilien spielt vor allem aufgrund des AmazonasRegenwaldes eine wichtige Rolle für den Klimaschutz, da dieser enorme Mengen Kohlenstoff speichert, die bei der Waldzerstörung wieder freigesetzt werden. Die Klimapolitik Brasiliens ist gerade in Hinsicht auf den Schutz des Regenwaldes verbesserungswürdig. Mexiko zeigt sich dagegen in der internationalen Klimapolitik, wie beispielsweise auf den G8+5Verhandlungen 2007, konstruktiv. Das Land will zudem auf nationaler Ebene einen Plan zur Begrenzung des Treibhausgasausstoßes weiterentwickeln. Südafrika weist eine ganz eigene Struktur auf. Die ProKopf-Emissionen des Landes sind für ein Schwellenland relativ hoch (siehe Abb. 7b). Zu begründen ist dies mit dem hohen Lebensstandard der hauptsächlich weißen Bevölkerung. Hier sollten Emissionen in ähn- 66 Siehe International Conference for Renewable Energies 2004 67 National Development and Reform Commission People’s Republic of China 2007 lichem Umfang wie in Industriestaaten begrenzt werden. Bei den internationalen Verhandlungen spielt das Land eine konstruktive Rolle. 5.5 Anpassung an den Klimawandel Neben der Frage des Verringerns von Emissionen wird die Anpassung (engl. Adaptation) an die negativen Auswirkungen des Klimawandels ein zunehmend wichtiges Thema, ganz besonders für die ärmsten Entwicklungsländer, die Least Developed Countries (LDCs). Die zukunftsferneren Folgen des Klimawandels können zwar durch Minderung von Treibhausgasemissionen begrenzt werden („Vermeidung des Unbewältigbaren”), ein Teil der Folgen lässt sich aber nicht mehr aufhalten, und Anpassungsmaßnahmen sind demzufolge unumgänglich („Bewältigung des Unvermeidbaren”). Wie auch die vorhergehenden Berichte betont der vierte Sachstandbericht des IPCC die besondere Anfälligkeit von Entwicklungsländern, insbesondere LDCs und kleinen Inselstaaten, für die Folgen des Klimawandels.68 Diese hohe Verletzlichkeit (Vulnerabilität) der ärmsten Staaten begründet sich 1.) mit ihrer starken Betroffenheit vom Klimawandel und von Wetterextremen, insbesondere durch die überproportionale Bedeutung der witterungsabhängigen Landwirtschaft, 2.) dem Mangel an finanziellen Ressourcen sowie 3.) einem mangelnden Zugang zu Informationen, Krediten und anderen Dienstleistungen. Die Folge ist eine geringe Kapazität zur Bewältigung der Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt. Bereits auf dem UN-Klimagipfel 2001 in Marrakesch wurden Leitlinien für LDCs zur Erarbeitung von nationalen Aktionsprogrammen zur Anpassung (NAPAs) verabschiedet, die die Ausgangssituation des jeweiligen Landes, die Folgen und die regionalen Auswirkungen des Klimawandels auf das Land, dessen Schadensanfälligkeit und mögliche Anpassungsstrategien erläutern sowie die kurzfristig notwendigsten Projekte identifizieren sollen. Bis Ende 2007 lagen beim Sekretariat der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) 26 von einzelnen Ländern entwickelte NAPAs vor. Hierbei handelt es sich allerdings um kurzfristig angelegte Maßnahmen, die nur als erster Schritt für nationale Anpassungsstrategien gesehen werden können. besonders für arme Landbewohner in den Entwicklungsländern die Gefahr, das für die gegenseitige Unterstützung notwendige soziale Netzwerk zu zerstören. Wettervorhersagen können sowohl die Optimierung der Pflanztermine als auch die Planung der Bildung eines Vorrats an Lebensmitteln vor Dürren erleichtern.69 Gerade für die Ärmsten fehlt es bisher weitestgehend an Versicherungssystemen zum Schutz gegen die finanziellen Folgen von Extremereignissen (siehe 3.6), und ohne Ko-Finanzierung aus den Industriestaaten wird die Versicherungswirtschaft diese mangels Kaufkraft der Bevölkerung vor Ort auch nicht aufbauen. Der Erhalt natürlicher Systeme wie der Korallen oder der Mangrovenwälder, die eine wichtige Funktion zur Stabilisierung von Küstenstreifen ausüben, kann als Anpassungsmaßnahme gegen einen steigenden Meeresspiegel und gegen Überflutungen verstanden werden. Im konkreten Notfall können solche Maßnahmen zwar die Katastrophenhilfe nicht ersetzen. In langfristiger Betrachtung besteht dennoch wenig Zweifel, dass vorbeugende Maßnahmen effektiv sind, da sie Verluste mindern und sich finanziell auszahlen. Dies zeigt nicht zuletzt die Tsunami-Katastrophe in Südostasien Ende 2004. Diese war zwar kein durch den Klimawandel beeinflusstes Ereignis, die Zahl der Opfer und die ökonomischen Schäden hätten aber durch Frühwarnsysteme drastisch verringert werden können. Die Kombination von vorbeugenden Maßnahmen und Katastrophenhilfe verspricht also die besten Erfolge bei der Anpassung an den Klimawandel. Offen ist derzeit, wie in Abschnitt 4.2 dargestellt, die Frage der Finanzierung der Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern. Im UN-Kontext gibt es verschiedene Finanzierungsmechanismen, die sich z. T. aus freiwilligen Beiträgen der Industrieländer, z. T. aus Gebühren innerhalb des CDM (s. o.) speisen. Die verfügbaren Mittel bleiben aber noch weiter hinter den auf mindestens 50 Milliarden US-Dollar geschätzten zusätzlichen Kosten in den Entwicklungsländern zurück.70 Wichtige Elemente einer Anpassungsstrategie können beispielsweise die Nutzung von Langzeitwettervorhersagen, Frühwarnsystemen und öffentlich-privaten Versicherungsmärkten (etwa „Micro-Insurance“) zur Verringerung der Risiken durch Wetterextreme sein. Dürren, Überschwemmungen und Stürme bergen Die kapitalstarken Hauptverursacher des Klimawandels werden besonders gefragt sein, die Kosten der Anpassung in Entwicklungsländern zu tragen (siehe 2.1). Daher könnte z. B. die Versteigerung von Emissionszertifikaten im Emissionshandel ein zukünftig auszubauendes Instrument zur finanziellen Unterstützung von Anpassungsmaßnahmen sein. Als weitere Finanzierungsinstrumente werden eine Ausdehnung der Abgabe auf CDM-Zertifikate, auf weitere Handelsmechanismen mit Emissionszertifikaten (Joint Implementation, internationaler Emissionshandel) oder eine Abgabe auf die Flugverkehrsemissionen diskutiert. 68 IPCC 70 Siehe 2007b 2003: 225 Oxfam International 2007 69 Weltbank 37 5.6 Technologien Wenn die Menschheit bis Mitte des Jahrhunderts ihren Treibhausgasausstoß wirklich auf weniger als die Hälfte des Niveaus von 1990 verringern will, darf sie nicht viel Zeit verlieren. Denn die Lebensdauer von Kraftwerken, Gebäuden, Flugzeugen, Fahrzeugen etc. ist sehr lang. Noch länger ist der Zeitraum, wenn man auch die Entwicklungs- und Planungsphase mit einrechnet. Wird beispielsweise heute der Bau eines Braunkohlekraftwerks beschlossen, so ist damit zu rechnen, dass dieses mindestens drei bis vier Jahrzehnte laufen wird, wenn man es nicht vor Ablauf der regulären Laufzeit vorzeitig vom Netz nehmen will. Das vorzeitige Abschalten ist aber meist mit großen finanziellen Verlusten verbunden, die dann direkt oder indirekt meist vom Endverbraucher bezahlt werden müssen. Entscheidend für den Erfolg langfristiger Klimaschutzziele ist daher, ob schon heute die Weichen in diese Richtung gestellt werden. In Deutschland beispielsweise ist ein großer Teil des bestehenden Kraftwerkparks relativ alt. Derzeit werden sehr viele neue und moderne Kohlekraftwerke geplant, die zwar kurzfristig – wenn sie nämlich alte Anlagen ersetzen – die Emissionen reduzieren könnten. Da diese Kraftwerke normalerweise aber 40 und mehr Jahre in Betrieb sind, könnten dadurch langfristige Klimaziele verbaut werden. Daher regt sich an vielen geplanten Standorten massiver Widerstand aus der Bevölkerung, die Neubauten vermeiden will. Je mehr Elektrizität durch Energieeffizienz eingespart bzw. durch Erneuerbare Energien und hocheffiziente KraftWärme-Kopplungs-Anlagen gedeckt wird, desto größer sind die Chancen, mittelfristig die notwendigen Emissionsminderungen zu erreichen. Mittel- bis langfristig ruhen die größten Hoffnungen auf Erneuerbaren Energien – in Kombination mit Energieeffizienz. Sie haben nicht nur ein erhebliches Potenzial für den Klimaschutz, sondern auch für die Entwicklung ländlicher Gebiete in den Ländern des Südens.71 Bisher haben erst wenige Länder diese Potenziale durch entsprechende politische Rahmenbedingungen zu mobilisieren versucht. Die Wachstumsraten im Bereich der Erneuerbaren Energien sind zwar sehr hoch. Können sie allerdings nicht noch deutlich weiter gesteigert werden, wird es noch einige Jahrzehnte an Zeit und Investitionen in Forschung, Entwicklung und Markteinführung benötigen, bis Erneuerbare Energien die fossilen Energien weitgehend ablösen können. Als neue Technologie im Bereich der fossilen Kraftwerke ist die CO2-Abscheidung und -Lagerung (CCS) im Gespräch.72 Damit soll CO2 im Zuge der Verbrennung von Kohle, Öl oder Gas abgeschieden und dann unterirdisch an einem geeigneten Ort sicher und dauerhaft gelagert werden. Zwar birgt die Lagerung von CO2 in der Geosphäre einige Risiken, und vor der Verbreitung dieser Technologie müssen viele Fragen bezüglich der ökologischen Sicherheit, der ökonomischen Dimension und der Haftung im Schadensfall geklärt werden. Dennoch können Abscheidung und die unterirdische Lagerung des CO2 gerade mit Blick auf die Entwicklungen im Energiesektor in China und Indien – dort muss mit weiter hohem Kohleverbrauch gerechnet werden – eine wichtige Brückenlösung werden. Öffentliche Gelder, die für Forschung und Entwicklung von Technologien in den Bereichen Energieeffizienz und Erneuerbare Energien vorgesehen sind, sollten allerdings nicht in die CCS-Entwicklung umgeleitet werden. Insgesamt geht es letztendlich um eine Risiko-Abwägung ausgehend von der Annahme, dass CO2 aus der Kohleverbrennung in der Atmosphäre ein größeres Risiko darstellen würde als unter der Erde, sollte diese Technologie wirklich funktionieren. 5.7 Finanzmärkte und Investitionen Der Klimawandel führt zu erheblichen finanziellen Risiken für die Wirtschaft. Dem von Sir Nicolas Stern im Oktober 2006 vorgelegten Report zu den volkswirtschaftlichen Kosten des Klimawandels zufolge kostet ernstzunehmender Klimaschutz jährlich 1 % des weltweiten Bruttoinlandprodukts.73 Die Kosten, die bei ungehemmtem Klimawandel durch dessen Auswirkungen entstehen könnten, würden hingegen 5 bis 20 % des jährlichen globalen Bruttoinlandprodukts betragen. Technologien im Bereich Energieeffizienz können einen sehr kurzfristig umsetzbaren und großen Beitrag Die Kosten entstehen für den Finanzmarkt teils als direkte Wirkungen, z. B. durch die Zunahme von Schäden durch Stürme und Überschwemmungen. Aber es gibt auch erhebliche regulative Risiken, die vor allem dann entstehen, wenn sich ein Unternehmen mangel- 71 Siehe 73 Der Denkhaus 2004 = CO2 Capture and Storage. Für eine ausführliche Darstellung siehe Duckat et al. 2004. Ein umfangreicher Sonderbericht des IPCC zum Thema CCS ist unter http://www.ipcc.ch abrufbar 72 CCS 38 zum Klimaschutz leisten. Neben der „Angebotsseite“ wie z. B. im Bereich Kraft-Wärme-Kopplung sind große Einsparpotenziale auf der „Nachfrageseite“ vorhanden, beispielsweise durch Wärmedämmung von Gebäuden zur Reduktion des Heizenergieverbrauchs und effizientere Geräte bzw. Maschinen und Motoren. Dies gilt auch für den Verkehrssektor, wo eine starke Effizienzsteigerung von Fahrzeugen dringend notwendig ist. 'Stern Review on the economics of climate change' ist unter http://www.hm-treasury.gov.uk/independent_reviews/stern_review_economics_climate_change/sternreview_index.cfm einzusehen. haft auf absehbare Klimaschutzgesetzgebungen wie etwa den Emissionshandel oder steigende Energiesteuern vorbereitet. Weiterhin nimmt die Bedeutung der Unternehmensverantwortung („Corporate Social Responsibility“) zu, so dass Klimaschutzmaßnahmen sich zunehmend günstig auf das Unternehmensimage auswirken, andersherum das Unterlassen von Klimaschutzmaßnahmen dem Image schadet. Und nicht zuletzt könnte das Risiko von Schadensersatzklagen eine unmittelbare Auswirkung auf den Marktwert eines Unternehmens haben. Doch trotz aller Fortschritte bezüglich der Berücksichtigung des Klimawandels durch den Finanzmarkt: In der tatsächlichen Geldanlagepolitik der großen Banken, Versicherer und Pensionsfonds spielt die Vermeidung von Klimarisiken zwar eine wachsende, bisher aber noch untergeordnete Rolle. Dies ändert sich nur, wenn die Politik klare, langfristige Signale sendet. Grundlage sollte die ökologische Rahmensetzung des „long, loud and legal” sein. Das heißt, dass eine langfristige politische Rahmensetzung über Kyoto hinaus, ein deutliches Preissignal für Treibhausgasemissionen durch Weiterentwicklung des Emissionshandels, CO2-Steuern oder -Regulierungen und die rechtliche Verbindlichkeit der Maßnahmen gewährleistet sein müssen, damit der Finanzmarkt in großem Maße seine Investitionen umschichtet. Info-Kasten 7: Flugverkehr und Klimaschutz Die internationale Luftverkehrsbranche ist die einzige treibhausgasintensive Branche, die auch nach Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls keinerlei Verantwortung für das Verringern von Treibhausgasen übernimmt. Dabei schädigt ein Flug das Klima pro zurückgelegtem Kilometer pro Person um ein Mehrfaches einer Auto- oder Bahnreise.74 Dies liegt vor allem daran, dass bei Flügen über 700 km wegen der dann hohen Flughöhe nicht allein das Kohlendioxid klimaschädlich wirkt. Hinzu kommen u. a. auch Kondensstreifen und Zirruswolken, die sich in großer Höhe bilden und das regionale Klima beeinflussen können. Der IPCC hat daher die gesamte Klimawirkung der verschiedenen Effekte, ausgedrückt durch den sogenannten „Radiative Forcing Index“ (RFI), auf mindestens das Zwei- bis Vierfache des CO2-Ausstoßes geschätzt.75 Neuere wissenschaftliche Forschungen deuten sogar auf noch höhere Werte hin.76 Noch bedrohlicher für das Klima als die aktuellen Emissionen des Flugverkehrs ist dessen Wachstumsrate: Alleine das Wachstum von 1990 bis 2010 wird vermutlich eine doppelt so hohe Klimawirkung verursachen wie die Emissionen, die durch die Vereinbarungen im Rahmen des Kyoto-Protokolls eingespart werden sollten.77 In der EU haben sich die Emissionen des Flugverkehrs seit 1990 nahezu verdoppelt. Trotz seiner extremen Klimaschädlichkeit wird der Flugverkehr nach wie vor hochgradig subventioniert. 78 In der Europäischen Union wird derzeit der Einbezug des Flugverkehrs in den Emissionshandel diskutiert, was ein wichtiger Schritt sein könnte, wenn er mit anspruchsvollen Klimaschutzzielen einhergeht. Für die erste Jahreshälfte 2008 wird mit der Verabschiedung einer entsprechenden Richtlinie gerechnet. Verschiedene Wege sind zudem denkbar, wie die Flugverkehrsbranche trotz fehlender politischer Regulierung Verantwortung für den Klimaschutz übernehmen kann. Fluggesellschaften bzw. Fluggäste haben die Möglichkeit, bereits jetzt auf freiwilliger Basis aktiv zu werden: Durch die Unterstützung von Klimaschutzprojekten, die Emissionen in einer Höhe einsparen, welche äquivalent zur Erwärmungswirkung des Fluges sind.79 Angesichts des im Vergleich zur Wachstumsrate des Flugverkehrs recht geringen Potenzials von technischen Verbesserungen ist jedoch eines klar: Möchte man das Wachstum der Flugverkehrsemissionen zumindest deutlich abbremsen, so reichen solche freiwilligen Lösungen mittelbis langfristig nicht aus. Sie sind nur als Ergänzung zu verbindlichen Regelungen und ökonomischen Instrumenten zu sehen. Neben dem Einbezug in den Emissionshandel sollten daher auch eine Emissionsabgabe und der Abbau verschiedener Subventionen angestrebt werden. Abb. 21: Der Flugverkehr – eines der am schnellsten wachsenden Probleme für das Weltklima. Foto: Dietmar Putscher 74 Siehe 77 Brockhagen 75 IPCC 78 Siehe Germanwatch 2004 1999: 8 76 Siehe Graßl & Brockhagen 2007 2004: 21 Treber et al. 2003 und Treber 1998a 79 Siehe z.B. http://www.atmosfair.de 39 Info-Kasten 8: Der Wald als Senke und Reservoir von CO2 Eine „natürliche Technologie“, die zur Verringerung der atmosphärischen Treibhausgaskonzentration beitragen kann, ist die Senkenfunktion der Vegetation, d. h. die Bindung von CO2 durch Pflanzen, insbesondere durch Bäume (siehe 1.3). Belastend für das Klima ist die Freisetzung dieses CO2 durch die Vernichtung von Wäldern, wenn diese anschließend nicht wieder nachwachsen bzw. aufgeforstet werden. Allerdings ist dem Klimaschutz aus vier Gründen nicht gedient, wenn das Anpflanzen von Wäldern auf die Emissionsziele des Kyoto-Protokolls angerechnet werden kann. Erstens wird dadurch weniger Klimaschutz in anderen Bereichen wie Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz geleistet. Diese sind aber im Sinne des notwendigen Umbaus der weltweiten Energiesysteme dringend erforderlich. Zweitens bestehen nach wie vor große wissenschaftliche Unsicherheiten beim Berechnen der CO2Menge, die netto durch Aufforstung gebunden wird. Drittens kann niemand garantieren, für wie viele Jahre, geschweige denn Jahrzehnte ein Wald intakt bleiben und damit CO2 binden wird. Und viertens können erhebliche soziale und ökologische Probleme entstehen, wenn Wälder alleine unter CO2-Aspekten optimiert werden. So zeichnet sich ab, dass die Artenvielfalt bei Neuanpflanzungen alleine unter CO2-Aspekten regelmäßig auf der Strecke bleibt. Aufforstung sollte also zusätzlich zu – und nicht anstelle von – Maßnahmen in den Bereichen Energieeffizienz und Erneuerbare Energien geleistet werden. Außerdem sollte sie in erster Linie vom Schutz der Artenvielfalt und nur sekundär von der des Klimas angetrieben sein. Nicht nur zum Klimaschutz, auch im Hinblick auf die vielen anderen wertvollen Funktionen des Waldes bedarf es eines großangelegten, globalen Konzeptes mit wirkungsvollen Anreizen, um die schnelle Entwaldung zu verhindern. In den Verhandlungen über ein Post-2012-Klimaabkommen wird im Gegensatz zu den Verhandlungen um das 1997 verabschiedete Kyotoprotokoll ernsthaft diskutiert, wie es zu Fortschritten beim Walderhalt kommen kann. Da die Entwaldung für etwa 20 % der CO2-Emissionen verantwortlich ist, was in der Menge vergleichbar dem durch Kohle- oder Erdgasverbrennung entstehenden CO2-Ausstoß ist, nimmt dieser Punkt zurecht eine zentrale Rolle ein. Foto: Dietmar Putscher 40 6. Maßnahmen zum Klimaschutz Ein wichtiger Grund dafür, dass Klimaschutzmaßnahmen trotz aller wissenschaftlicher Erkenntnisse nur zögerlich vorankommen, ist sicherlich die mangelnde Übernahme von Verantwortung. Politik, Wirtschaft und Bevölkerung schieben diese gerne in die jeweils anderen Bereiche ab: ■ Politiker setzen oft halbherzige Beschlüsse nur zögerlich um mit dem Hinweis, die Bevölkerung unterstütze umfangreichere Maßnahmen zum Klimaschutz derzeit noch nicht. ■ Unternehmen verweisen darauf, dass die Politik erst die richtigen Rahmensetzungen schaffen müsse und es letztlich eine Entscheidung der Verbraucher sei, ob sie beispielsweise im Kurzurlaub einen Langstreckenflug buchen oder eher näher gelegene Reiseziele mit anderen Verkehrsmitteln ansteuern. ■ Jede(r) Einzelne sieht sich als machtlos an: „Jetzt sollen erst einmal die Politiker und großen Konzerne etwas machen – ich kann ja ohnehin nichts ausrichten“. Dabei hat praktisch jeder von uns in allen drei Bereichen Möglichkeiten zur Veränderung: Beispielsweise durch Beeinflussen von Entscheidungen der Wirtschaft entweder im beruflichen Umfeld oder (oft noch wichtiger) durch Kaufentscheidungen und die Kriterien für die Anlage von Ersparnissen, bei Wahlen oder durch sonstige persönliche Aktivitäten. Um den gesellschaftlichen Druck auf die Akteure zu verschärfen, hat sich im Frühjahr 2007 „Die KlimaAllianz“ in Deutschland gegründet, die mittlerweile aus über 70 Umweltverbänden und Entwicklungsorganisationen, Kirchen und anderen Organisatio- Abb. 22: Plenarsitzung auf dem Achten Weltklimagipfel (Neu Delhi 2002), Foto: Dörte Bernhardt 80 Mehr Information über die Klima-Allianz bietet die Webseite www.die-klima-allianz.de 81 Zur Diskussion der Möglichkeiten, den Klimaschutz in die nen besteht. Sie hat u. a. die Bundesregierung dazu aufgefordert, die notwendigen Maßnahmen zur 40%-igen Verringerung der Treibhausgasemissionen bis 2020 (gegenüber 1990) in die Wege zu leiten.80 Ähnliche Bündnisse etablieren sich auch in anderen Industrieländern, um dort den Druck auf die Politik und Akteure, die den notwendigen Klimaschutz bremsen, zu erhöhen. 6.1 Was kann die Politik tun? Eine globale Aufgabe wie der Klimaschutz braucht eine globale Strategie81 – nicht zuletzt wegen der Flexibilität von Unternehmen, die den nationalen Regelungen oft durch Standortverlagerungen ausweichen. Das Kyoto-Protokoll ist zwar ein erster wichtiger Schritt, wird aber einen gefährlichen Klimawandel in keiner Weise vermeiden können, wenn es nicht als Basis für weitaus ehrgeizigere Maßnahmen nach 2012 genutzt wird. Ebenso wichtig ist es nun, mit gutem Beispiel voranzugehen. Die EU wie auch die deutsche Bundesregierung haben mit ihren Zielsetzungen von 30 % bzw. 40 % Reduktion der Emissionen bis 2020 (gegenüber 1990) wichtige Signale gesetzt, wobei es jetzt um die Umsetzung von Gesetzen und anderen Maßnahmen geht, die das Erreichen dieser Ziele wirklich wahrscheinlich machen. ■ Vorsorgepolitik betreiben Die Politik muss den Wählern gegenüber offensiv vertreten, dass Klimaschutzmaßnahmen Investitionen in zukunftsfähige Lebensbedingungen sind. ■ Klimaschädliche Subventionen abbauen Fossile Energieträger werden weltweit mit schätzungsweise über 250 Mrd. US-Dollar pro Jahr subventioniert.82 Milliardensubventionen für diesen Bereich wirken nicht nur wettbewerbsverzerrend, sondern vor allem fatal für das Klima. Mit dem Abbau dieser Subventionen würde sich die ökonomische Wettbewerbsfähigkeit klimaschonender Alternativen wie der Erneuerbaren Energien drastisch verbessern. Ein besonders zentraler Schlüssel zum langfristigen Klimaschutz liegt in der weltweiten Begrenzung der Kohleförderung, insbesondere im Verzicht auf den Aufschluss neuer Lagerstätten, da die Kohlevorräte deutlich größer sind als die Reserven aller anderen fossilen Energieträger. Dies gilt gleichermaßen für den heimischen Kohlebergbau wie für den Export entsprechender Fördertechnologien. Systemlogik von Politik, Wirtschaft und Technologie zu übersetzen, siehe Bals 2002 82 Johansson/Turkenburg 2004 41 ■ Internalisierung externer Kosten Die vom Treibhausgasausstoß verursachten Schäden sollten sich soweit wie möglich in den Preisen von Produkten und Dienstleistungen widerspiegeln. Im Sinne des Klimaschutzes sind hier pauschale Preise (z. B. Kfz-Steuer) deutlich ungünstiger als beispielsweise verbrauchsabhängige Steuern bzw. Abgaben auf Mineralöl und Kerosin oder das Einbinden in den Emissionshandel. Die Steuerbefreiung des internationalen Flugverkehrs hinsichtlich Kerosin- und Mehrwertsteuer stellt eine besonders klimaschädliche Förderung dar. die Einspeisung von regenerativ erzeugtem Strom aus verschiedenen Quellen differenziert fördert, ist in mittlerweile mehr als 40 Ländern zum Vorbild für ähnliche gesetzliche Rahmenbedingungen geworden. In anderen Ländern entwickelte Politikansätze, wie z. B. das japanische „Top-Runner-Modell“, das dynamische Effizienzstandards für Energie verbrauchende Geräte setzt, werden in der EU und in Deutschland diskutiert. Nimmt Deutschland – mit der anvisierten 40%-igen Reduktion – seine Vorreiterrolle ernst, können noch weitere Politikmodelle ihre Effektivität beweisen und so auch für andere Länder interessant werden. ■ Finanzierung der Anpassung gerecht regeln Es ist Aufgabe der Politik, im eigenen Land sowie weltweit für eine gerechte Finanzierungslösung der Anpassung an Klimawandelfolgen zu sorgen. Industriestaaten tragen als Hauptverursacher des Klimawandels die größte Verantwortung für Auswirkungen und Schäden und stehen daher in der Pflicht, vor allem die besonders betroffenen Länder und Bevölkerungsgruppen bei der Anpassung an die Auswirkungen finanziell zu unterstützen. Hierzu können gerade auch Finanzinstrumente unabhängig von den öffentlichen Haushalten genutzt werden, wie beispielsweise der Emissionshandel (s. o.). ■ Vorreiterrolle und Ausbreitung erfolgreicher Politikmodelle Als Exportweltmeister kann Deutschland seine Position nutzen, um eine Multiplikatoren- bzw. Vorreiterrolle hinsichtlich effizienter Klimaschutzpolitik einzunehmen. Denn auch erfolgreiche Politikmodelle können „exportiert“ werden. Das in Deutschland sehr erfolgreiche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das 6.2 Welche Handlungsmöglichkeiten hat die Wirtschaft? Kaum ein Unternehmen aus dem CO2-intensiven Bereich verfolgt derzeit eine mit dem Zwei-Grad-Limit verträgliche Unternehmensstrategie, obwohl Unternehmen sich nach den OECD-Leitlinien83 dazu verpflichten, sich an der erklärten Politik ihres Landes auszurichten. Oft wird dies mit den wirtschaftlichen Risiken für einzelne Branchen begründet, die angeblich klimafreundliche Strategien bergen. Über die sich bietenden ökonomischen Chancen wird dagegen oft weniger diskutiert. Sektorspezifisch wichtige Indikatoren können auch für eine klimafreundliche Unternehmensstruktur Hinweise liefern, in welche Bereiche investiert werden sollte, um möglichst große Effekte – sowohl ökonomisch als auch ökologisch – zu erzielen. So sollten vor allem klimarelevante Aspekte angegangen werden, z. B. die Flotten im Autosektor oder nachhaltiges Investment bei Banken. Abb. 23: Vertreter der Finanzwirtschaft beraten über den EU-Emissionshandel Workshop der UNEP-Finanzinitiative und von Germanwatch mit Finanz-Ratingagenturen im April 2004. Foto: Gerold Kier. 83 42 Siehe www.germanwatch.org/corp/uv.htm ■ Gemeinsam ihr Interesse am Klimaschutz aussprechen Einige Unternehmen haben sich bereits im Unternehmerrat e5 oder anderen Unternehmergruppen wie der 2°-Initiative zusammengeschlossen, die sich gegenüber der Politik aktiv für mehr Klimaschutzmaßnahmen einsetzen. 6.3 Welchen Beitrag kann jede(r) Einzelne leisten? ■ Sich informieren. ■ In Zukunftstechnologien investieren Jede(r) Einzelne sollte sich über die Folgen des eigenen Handelns sowie über Klimaschutzmaßnahmen und ihre Wirksamkeit auf dem Laufenden halten. Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, die jeder und jede Einzelne nutzen kann. Dazu kann es nützlich sein, den eigenen Energieverbrauch genau unter die Lupe zu nehmen und die effektivsten Möglichkeiten zur persönlichen Reduzierung des Verbrauchs zu ermitteln. Viele dieser Maßnahmen können sofort umgesetzt werden, ohne dass der Einzelne auf die Politik warten muss. Jede kleine Aktion, die zum Klimaschutz beiträgt, ist wichtig. Doch sollte man sich auch über die sehr unterschiedliche Wirksamkeit von Maßnahmen bewusst sein und nach Möglichkeit vor allem dort Emissionen einsparen, wo es besonders effektiv ist.84 Viele Firmen orientieren sich bereits um und tätigen erhebliche Investitionen in Erneuerbare Energien und Effizienztechnologien. ■ Dort sparen, wo es auch wirklich etwas bringt. ■ Betriebliche Ökobilanz erstellen Im privaten Bereich haben den mit Abstand größten Anteil am direkten und indirekten Treibhausgasausstoß: ■ Direkte und regulative Finanzrisiken erkennen Zum einen erkennen immer mehr Unternehmen, dass durch den Klimawandel, etwa durch Wetterextreme, direkte Risiken für sie zunehmen. Zum anderen sehen sie, dass die Entwicklung von innovativen klimaverträglichen Technologien und Konzernstrategien Chancen birgt. Der Finanzmarkt bezieht in zunehmenden Maße in seine Bewertung von Unternehmen mit ein, ob sie sich auf diese Chancen und Risiken einstellen. Wenn sich Unternehmen einem entsprechenden Check unterwerfen, bringt dies sehr oft auch große finanzielle Einsparungen mit sich, z. B. beim Energieverbrauch. ■ Management und Emissionsausgleich von Dienstreisen Durch eine systematische Optimierung der Dienstreisetätigkeit können Unternehmen nicht nur große Mengen an Treibhausgasen, sondern meistens zugleich auch Geld einsparen. Hierzu gehört u. a. die Nutzung von Video- oder Telefonkonferenzen, insbesondere bei routinemäßig abgehaltenen Besprechungen. Angesichts der besonderen Klimaschädlichkeit des Flugverkehrs bietet sich ein freiwilliger Beitrag zu Klimaschutzprojekten an, um die Erwärmungswirkung der Flüge zumindest teilweise auszugleichen (siehe Info-Kasten 6). Atmosfair ist eine dieser Initiativen, die Flugemissionen, die gerade in international agierenden Unternehmen in großem Umfang entstehen, durch seriöse Klimaschutzprojekte u. a. in Indien, Thailand und Brasilien ausgleicht. ➜ Auto- und Flugverkehr: Durch einen Hin- und Rückflug nach Neuseeland schädigt ein durchschnittlicher Bundesbürger das Klima stärker als durch seinen gesamten (übrigen) jährlichen Konsum. Einmal von Köln nach Berlin und zurück mit der Bahn zu fahren anstatt zu fliegen, spart etwa so viele Emissionen ein wie der Austausch von drei 60Watt-Birnen gegen Energiesparlampen, wenn alle Birnen ein Jahr lang täglich drei Stunden brennen.85 Im Sinne des Klimaschutzes gilt es folglich, das Flugzeug als Transportmittel soweit wie möglich zu meiden. Für nicht vermeidbare Flüge gibt es die bereits oben dargelegte Möglichkeit, den Schaden für das Klima zumindest teilweise wieder auszugleichen (s. atmosfair). Abb. 24: Der Schienenverkehr ist in der Regel deutlich klimafreundlicher als das Fliegen. Foto: Dietmar Putscher 84 Siehe Internet-Links zu zahlreichen Ratgebern unter www.germanwatch.org/klima/verb-links.htm 85 Quelle: Eigene Berechnung auf der Grundlage der Emissionsrechner von Atmosfair (http://www.atmosfair.de) und der Bahn AG (http://www.bahn.de/umweltmobilcheck) 43 Auch der private Pkw-Verkehr beeinflusst in großem Maß das Klima und besteht wie der Flugverkehr zum größeren Teil aus Freizeitverkehr. Ein Jahr Autofahren in Deutschland entspricht mit ca. 2000 kg CO2 zum Beispiel etwa dem jährlichen CO2-Ausstoß eines Menschen in der Dominikanischen Republik. Ebenfalls in diesem Bereich gilt: Rad oder Bahn sind oft sinnvolle Alternativen. Beim Kauf eines neuen PKW sollte auf sparsamen Verbrauch geachtet, außerdem können Emissionen durch eine sparsame Fahrweise vermieden werden. Siehe auch: Atmosfair: www.atmosfair.de; Verkehrsclub Deutschland: www.vcd.org Abb. 26: Fleischarme Ernährung leistet einen Beitrag zum Klimaschutz, Foto: Dietmar Putscher ➜ Heizung: Durch schlechte Gebäudedämmung wird enorm viel Energie verschwendet. Hausbesitzer zu verbessertem Wärmeschutz zu bewegen (es gibt staatliche Förderprogramme) ist daher eine wichtige Möglichkeit zum Energie- und Emissionssparen. Was die Heizanlagen selbst angeht, sollten alte Heizkessel mit Niedrigtemperatur- oder Brennwertkessel ersetzt werden. Warmes Wasser lässt sich oft durch Solarwärme erzeugen. Einfache Tipps: Bei längerer Abwesenheit und in wenig genutzten Räumen die Heizung herunterdrehen. Stoßlüften statt Dauerlüften mit dem Kippfenster hat ebenfalls einen großen Effekt. Außerdem: Ein Grad weniger Raumtemperatur bringt 6 % Einsparung – übrigens auch bei den Kosten. Siehe auch: CO2-Online:www.co2online.de oder Institut Wohnen und Umwelt: www.iwu.de ➜ Ernährung: Da die Produktion von Fleisch im Durchschnitt um ein Mehrfaches energieintensiver ist als die Herstellung einer kaloriemäßig gleichwertigen Menge von Gemüse und Obst, ist eine fleischarme Ernährungsweise ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz. Bei Rindfleisch ist neben der aufgewendeten Energie auch der Methanausstoß durch die Rinder selbst eine nicht unerhebliche Belastung für das Klima. Die Produktion von 1 kg Rindfleisch ist mit 250 km Autofahren gleichzusetzen. Tipp: Nicht öfter als ein- bis dreimal pro Woche Fleisch essen – vorzugsweise solches, das nach ökologischen Kriterien erzeugt wurde. Wer insgesamt auf eine ausgewogene Kost setzt, lebt nicht nur gesünder, sondern reduziert neben den Treibhausgasemissionen auch die vielen weiteren Probleme der Massentierhaltung. Außerdem kann durch den Kauf regionaler Produkte aufgrund der geringeren Transportwege weiteres CO2 eingespart werden. Siehe auch: Vegetarismus.ch: www.vegetarismus.ch Abb. 25: Ein Grad weniger bringt 6% Energie- und Geld-Einsparung, Foto: Dietmar Putscher 44 ■ Die richtige Wahlentscheidung treffen: Dies gilt nicht nur für Bundestags- und Europaparlaments-, sondern auch für Landtags- und Kommunalwahlen. Denn wichtige Entscheidungen für oder gegen den Klimaschutz werden auf allen Ebenen getroffen, somit kann der Klimaschutz in allen Fällen ein wichtiges Wahlkriterium sein. Umweltverbände veröffentlichen vor Wahlen „Wahlprüfsteine”, die bei der Entscheidung helfen können. Die Entscheidungen der Politik für den Klimaschutz gilt es dann aber auch nach ihrer Einführung zu akzeptieren, auch wenn man selbst davon betroffen ist. ■ Investieren in Strom aus Erneuerbaren Energien: Der Bezug von Strom aus Erneuerbaren Energien und ggf. der Wechsel des Stromversorgers ist heute in den meisten Fällen problemlos möglich. Angebote gibt es bei vielen lokalen Stromversorgern, aber auch überregional. Wichtig ist, dass die Angebote wirklich glaubwürdig sind. Anbieter mit den Siegeln „okPower” oder dem „Grüner-Strom-Label” sind aus ökologischer Sicht zu empfehlen. Zudem sollten die Anbieter eigentumsrechtlich unabhängig von den großen Energieversorgern sein. Der Bau oder die Beteiligung an Erneuerbaren Energieprojekten (z. B. Solarstrom, Windkraft) sind Geldanlagen, die Rendite und Klimaschutz verbinden. Bürgersolarparks ermöglichen eine Beteiligung auch mit kleinen Geldbeträgen und auch, wenn man kein eigenes Dach besitzt. Manche Projekte kombinieren solche Anlagen mit Energieeinsparmaßnahmen, um den Klimaschutznutzen zu erhöhen. Siehe auch: Germanwatch-Stromwechsel-Aktion: www.germanwatch.org/strom.htm oder EcoTopTen: www.ecotopten.de tungen. Beispielsweise fällen wir beim Autofahren Entscheidungen pro und kontra Klimaschutz nicht nur hinsichtlich des eigenen Spritverbrauchs: Verkauft mir meine Tankstelle nur Benzin, oder gehört sie eventuell zu einem Konzern, der (im Gegensatz zu anderen) aktive Lobbyarbeit gegen Klimaschutzbemühungen der Politik betreibt? Gehört mein Autoclub eventuell zu denen, die sich (im Gegensatz zu anderen Anbietern solcher Dienstleistungen) gegenüber der Politik und in der Öffentlichkeitsarbeit für eine einseitige Förderung des Straßenverkehrs einsetzen? Sind die Elektrogeräte – v. a. weiße Waren wie Kühlschränke, etc.– der günstigen Firma nicht nur im Betrieb, sondern auch in der Produktion energiearm? Schaltet sich mein neuer Fernseher völlig aus oder steht er noch auf Stand-by und verbraucht Strom, während ich ihn gar nicht nutze? Siehe auch: EcoTopTen: www.ecotopten.de oder Verbraucherplattform für Nachhaltigkeit: www.bewusst-einkaufen.de ■ Selbstvertrauen haben: Erkennen, dass sich nur etwas bewegen kann, wenn sich jeder selbst bewegt. Mut haben, auch gegen den Trend etwas zu tun, was man selbst für richtig hält. ■ Gemeinsam handeln: Sich mit anderen zusammenschließen und etwas für den Klimaschutz tun. Durch Mitarbeit oder Spenden Organisationen unterstützen, die sich für Klimaschutz einsetzen. ■ Einfach noch mal nachdenken: Abb. 27: Solarthermische Anlage Solche Anlagen – hier auf einem Hausdach in Griechenland – sind ein Beispiel für eine schon heute kosteneffiziente Nutzung Erneuerbarer Energien. Foto: G.Kier Sich klar machen, welche großen Vorteile für zukünftige Generationen schon relativ kleine Veränderungen des eigenen Handelns haben. Sich überlegen, ob man etwas tut, weil es schöner und angenehmer ist als klimafreundlichere Alternativen, oder vielleicht doch eher aus Gewohnheit. Siehe auch: www.klima-ideen.de ■ Die Klima-Konsequenzen von Kaufentscheidungen berücksichtigen: Buchtipps: In dem Maße, in dem in der Gesellschaft der Einfluss von Konsum immer wichtiger wird, müssen Bürger ihre demokratischen Rechte nicht nur mit dem Wahlzettel, sondern auch mit dem Geldschein wahrnehmen. Dies gilt sowohl für die Geldanlage als auch für die Entscheidung für bestimmte Produkte und Dienstleis- ■ 'Einfach das Klima verändern', Pendo Verlag, München 2007, ISBN: 978-3-86612-123-2 ■ 'Pendos CO2-Zähler', Pendo Verlag, München 2007, ISBN 978-3-86612-141-6 ■ 'Der Klima-Knigge', von R. Grießhammer, Berlin 2007, Booklett-Verlag, ISBN 978-3940153029 45 7. Weiterführende Literatur und Internetseiten 7.1 Weiterführende Literatur Flannery, T. (2005): Wir Wettermacher, Fischer Verlag, Frankfurt Gore, A. (2006): Eine unbequeme Wahrheit, Riemann Verlag, München Latif, M. (2007): Bringen wir das Klima aus dem Takt? Fischer Taschenbuch, Frankfurt Lynas, M. (2004): Sturmwarnung - Berichte von den Brennpunkten der globalen Klimakatastrophe. Riemann Verlag, München. Rahmstorf, S., Schellnhuber J. (2006): Der Klimawandel, C. H. Beck, München UNFCCC (1999): Klimaänderungen besser verstehen. Ein Leitfaden für Anfänger zur Klimakonvention der Vereinten Nationen und zum Protokoll von Kyoto. http://unfccc.int/resource/docs/publications/beginner_ge.pdf [10.01.2008] UNFCCC (2007): Uniting on climate 2007 – a guide to the Climate Change Convention and the Kyoto Protocol. http://unfccc.int/files/essential_background/background_publications_htmlpdf/application/pdf/pub_07_uni ting_on_climate_en.pdf [10.01.08] WBGU - Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2003): Welt im Wandel - Energiewende zur Nachhaltigkeit. http://www.wbgu.de/wbgu_jg2003.html [10.01.2008] WBGU - Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2006): Die Zukunft der Meere - zu warm, zu hoch, zu sauer http://www.wbgu.de/wbgu_sn2006.html [10.01.2008] WBGU - Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2007): Welt im Wandel -Sicherheitsrisiko Klimawandel http://www.wbgu.de/wbgu_jg2007.html [10.01.2008] 7.2 Weiterführende Publikationen von Germanwatch Unterrichtsmaterialien ■ Klimaschutz Aktionsheft: enthält Anleitungen für ein Rollenspiel sowie für ein Unterrichtsprojekt sowie eine umfangreiche Materialliste. www.germanwatch.org/rio/k-aktion.htm ■ Arbeitsblätter: www.germanwatch.org/rio/ab.htm Fallbeispiele zu Auswirkungen des Klimawandels: ■ Meeresspiegelanstieg in Bangladesch und den Niederlanden. Ein Phänomen, verschiedene Konsequenzen http://www.germanwatch.org/klak/fb-ms-d.htm ■ Gletschersee-Ausbrüche in Nepal und der Schweiz. Neue Gefahren durch den Klimawandel http://www.germanwatch.org/klak/fb-gl-d.htm ■ Klimawandel – Eine Herausforderung für Tuvalu http://www.germanwatch.org/klak/fb-tuv-d.htm 46 ■ Klimawandel in der Arktis - Ein Resümee des ACIA-Berichts http://www.germanwatch.org/rio/acia05.htm ■ Auswirkungen des Klimawandels auf Deutschland -mit Exkurs NRW http://www.wbgu.de/wbgu_jg2007.html ■ China und der globale Klimawandel: Die doppelte Hersuaforderung http://www.germanwatch.org/klima/klichi07.pdf ■ Die Millenium-Entwicklungsziele und der globale Klimawandel http://www.germanwatch.org/klima/klimdg07.htm Foliensätze (jeweils mit Begleittext): ■ Foliensätze zu unterschiedlichen Themen unter http://www.germanwatch.org/folien Weitere Infos: ■ Fakten, die Sie nicht überfliegen sollten http://www.germanwatch.org/klak/flug04.htm 7.3 Weiterführende Internetseiten Deutschsprachige Seiten ■ Hamburger Bildungsserver. http://www.hamburger-bildungsserver.de/index.phtml?site=klima ■ Umweltbundesamt. http://www.umweltbundesamt.de/klimaschutz ■ Bundesumweltministerium. http://www.bmu.de/klimaschutz ■ Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. http://www.pik-potsdam.de ■ Germanwatch: Infos zum Thema Klimaschutz. http://www.germanwatch.org/klima Englischsprachige Seiten: ■ UNEP/GRID Arendal. http://www.grida.no/climate ■ IPCC - Intergovernmental Panel on Climate Change. http://www.ipcc.ch ■ UN-Klimasekretariat. http://www.unfccc.int ■ NOAA - US National Oceanic and Atmospheric Administration. http://www.noaa.gov ■ CLIVAR - An international research programme on Climate Variability and Predictability. http://www.clivar.org 47 8. 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Wir setzen uns dafür ein, die politischen Rahmenbedingungen am Leitbild der sozialen und ökologischen Zukunftsfähigkeit für Süd und Nord auszurichten. ■ Gerechter Welthandel und faire Chancen für Entwicklungsländer durch Abbau von Dumping und Subventionen im Agrarhandel Unser Engagement gilt vor allem jenen Menschen im Süden, die von den negativen Auswirkungen der Globalisierung und den Konsequenzen unseres Lebensund Wirtschaftsstils besonders betroffen sind. Wir treten dafür ein, die Globalisierung ökologisch und sozial zu gestalten! Möchten Sie uns dabei unterstützen? Für unsere Arbeit sind wir auf Spenden und Beiträge von Mitgliedern und Förderern angewiesen. Spenden und Mitgliedsbeiträge sind steuerlich absetzbar. Germanwatch arbeitet an innovativen und umsetzbaren Lösungen für diese komplexen Probleme. Dabei stimmen wir uns eng mit Organisationen in Nord und Süd ab. Wir stellen regelmäßig ausgewählte Informationen für Entscheidungsträger und Engagierte zusammen, mit Kampagnen sensibilisieren wir die Bevölkerung. Darüber hinaus arbeiten wir in gezielten strategischen Allianzen mit konstruktiven Partnern in Unternehmen und Gewerkschaften zusammen, um intelligente Lösungen zu entwickeln und durchzusetzen. ✃ ■ Einhaltung sozialer und ökologischer Standards durch multinationale Unternehmen ■ Ökologisches und soziales Investment Bankverbindung / Spendenkonto: Konto Nr. 32 123 00 BLZ 100 205 00, Bank für Sozialwirtschaft AG Weitere Informationen erhalten Sie unter www.germanwatch.org oder bei einem unserer beiden Büros: Germanwatch Büro Bonn Dr.Werner-Schuster-Haus Kaiserstr. 201 D-53113 Bonn Telefon +49 (0)228 / 60492-0, Fax, -19 Germanwatch Büro Berlin Voßstr. 1 D-10117 Berlin Telefon +49 (0)30 / 288 8356-0, Fax -1 E-mail: [email protected] Internet: www.germanwatch.org Ja, ich unterstütze die Arbeit von Germanwatch. 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