Abstracts/Zusammenfassungen

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Universität Zürich
Zentrum für Gerontologie
11. Zürcher Gerontologietag
Tabus im Alter – Tabus des Alters
«Das gehört sich doch nicht, du in deinem Alter!»
Donnerstag, 2. September 2010
Universität Zürich, Rämistr. 71 / Künstlergasse 12, 8006 Zürich (Hörsaal KOH-B10)
Referate (Kurzfassungen)
9.15 – ca. 9.50 Uhr
Tabu des Sterbens und des Todes – Rechtliche Betrachtung
Prof. Dr. Brigitte Tag
9.55 – 10.30 Uhr
Tabu Geld – im Alter
Prof. Dr. Ueli Mäder
11.00 – 11.35 Uhr
Scham im Alter
Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker
11.40 – 12.15 Uhr
Sex über 69. Mehr als nur Viagra und Co.
Dr. med. Thomas Münzer
14.00 – 14.35 Uhr
Tabu Demenz: Das Dilemma zwischen Stigma Alzheimer-Diagnose und dem Rumpelstilzeffekt der frühen Diagnose
PD Dr. med. Albert Wettstein
14.40 – 15.40 Uhr
Parallele Workshops:
– Der Tod – inwiefern ist er ein Tabuthema im Alter?
Moderation: Brigitte Fuchs, Margarita Meier & Hans Sturm
(ArbeitsGruppe Senioren am Zentrum für Gerontologie, AGSG)
– Aspekte zum Umgang mit Sexualität und sexuellen Bedürfnissen
bei demenzbetroffenen HeimbewohnerInnen
Moderation: Dr. phil. Bettina Ugolini & Dr. med. Christoph Held
– Tabu Demenz?
Moderation: Dr. phil. Caroline Moor
– Tabu Diskriminierung durch Altersguillotine
Moderation: Dr. phil. Sandra Oppikofer
16.20 – 16.55 Uhr
Alters-Perspektiven aus dem Altertum: Selbstverständliches und Tabus
Prof. Dr. Dr. h.c. Walter Burkert
Universität Zürich
Zentrum für Gerontologie
11. Zürcher Gerontologietag 2010: Tabus im Alter – Tabus des Alters
Referate (Kurzfassungen)
Seite 2
Referat 1 Zeit: 9.15 – ca. 9.50 Uhr
Prof. Dr. iur. utr. Brigitte Tag
Tabu des Sterbens und des Todes – Rechtliche Betrachtung
Unzählige Bücher sind über das Sterben und den Tod geschrieben worden, massenhaft Filme wurden gedreht, Talkshows und Reportagen befassen sich mit dem Tod in seinen unterschiedlichen
Facetten und Gesichtern. Die politische und akademische Diskussion um die Reform des Strafrechts
im Bereich der Teilnahme am Suizid und das Management von Sterbeprozessen in Hospiz und Palliative Care – dies alles legt Zeugnis ab von der Allgegenwart des Themas in der Gesellschaft. Damit besteht jedoch noch kein gesichertes Wissen darüber, wie Sterben und Tod individuell erfahren
werden und wie Hilfe zum Sterben ethisch und rechtlich zu bewerten sind. Ersteres liegt vor allem
darin begründet, dass das biologische Sterben zwar aus der Ich-Perspektive erlebbar, in den wenigsten Fällen aber überlebbar ist. Sterben ist in der Regel nur mittelbar als das Sterben anderer
wahrnehmbar. Dies führt zu einer grossen Verunsicherung und Tabuisierung des eigenen Sterbens.
Letzteres wird dadurch beeinflusst, wie viel Selbstbestimmung eine Person angesichts ihres Todes
zugesprochen wird, wie viel individueller Entscheidungsraum die Gesellschaft dem einzelne zugestehen möchte und welche Hilfe als noch tolerierbar angesehen wird.
Säumen schwere Krankheiten und Gebrechen den Lebensweg einer Person, so ist die Auseinandersetzung mit dem Tod zwar oft Teil des Alltags der Betroffenen. Dies und das damit verbundene
Wissen um die Unvermeidlichkeit der ggf. vorhersehbaren Todesumstände kann aber für viele unerträglich sein. Sei es, weil absehbar ist, dass schwere Qualen den Tod begleiten werden, sei es,
weil Angehörige mit einem langen Sterbeprozess nicht belasten sein sollen oder weil niemand da
ist, der auf dem letzten schweren Weg begleitet und trösten kann. Mit den fortschreitenden Technisierung und Medikalisierung des Sterbens in den Kliniken wächst bei vielen Menschen zudem die
Furcht, am Ende eines weitgehend freien und selbstbestimmten Lebens hilflos medizinischen Behandlungen und Geräten ausgeliefert und zumindest für eine geraume Zeit unter für sie nicht hinnehmbaren Umständen am Leben gehalten zu werden. Die Alternative, das Warten zu beenden
und den Schusspunkt im Leben selbst zu setzen, ist daher für viele Menschen eine Möglichkeit,
über die sie zumindest ernsthaft nachdenken. Während zu früheren Zeiten die Umsetzung eines
solchen Entschlusses zum Freitod oftmals daran scheiterte, dass der Einsatz der hierzu nötigen,
häufig gewaltsamen Mittel grosse Überwindung sowie Kraft kostete oder bei der Beschaffung der
erforderlichen Menge an Schlaftabletten oder sonstigem Gift langfristiger Planung bedurfte, besteht heute in einigen Ländern die Möglichkeit, die todbringenden Mittel auf relativ einfachem
Wege zu besorgen. So bieten in der Schweiz private Sterbehilfeorganisationen professionelle Unterstützung bei der Selbsttötung an. Diese Freitodbegleitung wurde als Antwort auf die zunehmende Nachfrage nach einem möglichst unkomplizierten „Aus-dem-Leben-scheiden“ gegründet und
schrittweise professionalisiert. In den Benelux-Ländern wurde die Sterbehilfe sogar auf die Euthanasie, d.h. die aktive Sterbehilfe, erweitert. In anderen europäischen Ländern sind die Sterbehilfeorganisationen zwar noch wenig verbreitet, was aber zur Folge hat, dass Sterbewillige aus der
ganzen Welt in die Schweiz reisen, um deren Dienste in Anspruch zu nehmen. Das Referat wird
sich unter rechtlichen Aspekten mit einigen der angesprochenen Fragen, insbesondere den Entwicklungen im Bereich der organisierten Sterbehilfe, befassen.
Brigitte Tag, Prof. Dr. iur. utr.
Professorin für Straf-, Strafprozess- und Medizinrecht an der Universität Zürich, Leitungsmitglied
Kompetenzzentrum MERH (Medizin-Ethik-Recht Helvetiae).
Studium, Promotion und Habilitation in Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg. Gastprofessuren und Lehrstuhlvertretungen in Berlin und Dresden. Seit 2002 ordentliche Professorin an
der Rechtswiss. Fakultät der Universität Zürich. Rechtsanwältin in Frankfurt a.M.
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11. Zürcher Gerontologietag 2010: Tabus im Alter – Tabus des Alters
Referate (Kurzfassungen)
Referat 2 Zeit: ca. 9.55 – 10.30 Uhr
Tabu Geld – im Alter
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Prof. Dr. Ueli Mäder
Geld ist ein Tabu. Das gilt besonders für die Schweiz. „Über Geld spricht man nicht, Geld hat
man“, so lautet hier ein bekannter Ausspruch.
In den USA zeigt man das Geld. Vor allem, wenn die Brieftasche voll ist. Es gibt aber auch in der
Schweiz Personen, die ihr Geld offen legen. Das Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ veröffentlicht jeweils
im Dezember die finanziellen Verhältnisse der 300 Reichsten. Den einen ist das eher unangenehm;
andere melden sich von selbst, wenn sie nicht aufgeführt sind. Unterschiede zeigen sich auch bei
Spenden. Der Ausspruch „Man gibt, aber sagt nichts“ kennzeichnet das Verhalten alter Reicher
aristokratischer Herkunft. Neue Reiche kommunizieren hingegen gerne, wenn sie Gutes tun. Das
gehört zur Imagepflege; aber nicht für alle gleich.
Ich versuche im Vortrag gängige Typologien zu differenzieren und beziehe mich dabei auf unsere
Studie „Wie Reiche denken und lenken“, die Ende Oktober 2010 im Zürcher Rotpunktverlag erscheint. Die Studie veranschaulicht den Wandel im Umgang mit Geld. Sie zeigt auch, wie heikel
Generalisierungen sind. Die einen tabuisieren das Geld, weil sie reich sind; andere, weil sie arm
sind. Eine Rolle spielt auch, ob wir Geld selber erarbeitet oder geerbt haben. Hinzu kommen kultürliche Hintergründe, wie asketische oder hedonistische Prägungen. Wichtig ist auch das Alter.
Jüngere gehen tendenziell pragmatischer mit Geld um als Ältere, die Mangel erlebt haben.
Im Alter kann auch die intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit die Haltungen
zum Geld verändern und dazu führen, das Tabu Geld etwas aufzubrechen. Ich gehe in meinem
Vortrag darauf ein, wie und weshalb alte Menschen das Geld mehr oder weniger tabuisieren. Dabei interessiert auch, inwiefern das Verhalten alter Menschen auf Erwartungen des Umfelds reagiert und übergreifende gesellschaftliche Veränderungen dokumentiert.
Ueli Mäder, Prof. Dr.
Ordinarius für Soziologie an der Universität Basel, Leiter des Instituts für Soziologie und des Nachdiplomstudiums in Konfliktanalysen. Hat auch eine Professur an der Hochschule für Soziale Arbeit
(FHNW).
Studium der Soziologie, Psychologie und Philosophie sowie Grundausbildung in Psychotherapie.
Berufliche Stationen: Geschäftsleitung einer Entwicklungsorganisation, Dozent an der Hochschule
für Soziale Arbeit (FHNW), Extraordinariat an der Universität Fribourg. Seit 2005 Ordentlicher Professor für Soziologie an der Universität Basel.
Arbeitsschwerpunkte: soziale Ungleichheit, Konflikt- und Biographieforschung.
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11. Zürcher Gerontologietag 2010: Tabus im Alter – Tabus des Alters
Referate (Kurzfassungen)
Referat 3 Zeit: 11.00 – ca. 11.35 Uhr
Scham im Alter
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Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker
Im Vortrag wird ein roter Faden verfolgt von Scham, Sünde, Schweigen zu den Barrieren Älterer,
über Psychisches zu reden bis hin zu den Barrieren in dieser Altersgruppe eine Psychotherapie zu
machen, wenn es einem schlecht geht. Wichtige Formen der Scham werden illustriert wie die Statusscham und die biografische Scham. Wenn religiöse Einengung, eine grosse Abhängigkeit von
gesellschaftlichen Normen und ein schwacher Selbstwert hinzukommen, resultieren bei Älteren
häufig Schweigen, Rückzug und ein Sich-nicht-helfen-lassen-Wollen.
Andreas Maercker, Prof. Dr. phil. Dr. med.
Ordinarius für Psychologie und Leiter des Fachbereichs Psychopathologie und Klinische Intervention
an der Universität Zürich, Leitungsmitglied des Zentrums für Gerontologie.
Studium und Promotion in Medizin und Psychologie in Berlin (Humboldt-Universität und MaxPlanck-Institut für Bildungsforschung), Approbation als Arzt und als Psychologischer Psychotherapeut, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Akademische Stationen in Dresden, San Francisco, Zürich und Trier. Seit 2005 ordentlicher Professor für Psychologie in Zürich.
Arbeitsschwerpunkte: Trauma, Trauer und Anpassungsstörungen, Klinische Gerontopsychologie,
Epidemiologie, Therapieforschung
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11. Zürcher Gerontologietag 2010: Tabus im Alter – Tabus des Alters
Referate (Kurzfassungen)
Referat 4 Zeit: ca. 11.40 – 12.15 Uhr
Sex über 69. Mehr als nur Viagra und Co.
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Dr. med. Thomas Münzer
Obwohl uns Sexualität als Phantasie, als gelerntes und erfahrenes Verhalten ein ganzes Leben lang
begleitet, wird die Sexualität älterer Menschen oft negiert. Die Konfrontation junger Menschen mit
der Sexualität der älteren Generation löst bei den Jungen Unsicherheit oder sogar Scham aus. Sexuell aktive alte Frauen und Männer bewegen sich in einer häufig von Jüngeren geschaffenen Tabuzone. Sexualität verändert sich mit dem älter werden. Neben funktionellen und hormonellen
Veränderungen wird Sexualität im Alter anders gewichtet, sie verschwindet aber nie. Sie definiert
sich im Gegensatz zu gängigen männlichen und mechanistischen Ansichten weit über die erektile
Dysfunktion hinaus. Auch ältere Menschen pflegen homo- oder heterosexuelle Partnerschaften, sie
besuchen Prostituierte oder haben andere sexuelle Bedürfnisse. Jedoch kann deren Befriedigung
Probleme bereiten, zum Beispiel wenn plötzlich die Wohnform ändert.
Da Sexualität vor allem in Kopf entsteht, haben viele der gerade für Männer angebotenen Mixturen
und Hormone nicht die gewünschten Effekte. Sinnvoller wäre es, mit alten Menschen über deren
sexuelle Bedürfnisse zu sprechen und über Möglichkeiten, diese auch zu leben. Dabei lassen sich
kreative und individuelle Wege aus dem Tabu erarbeiten.
Thomas Münzer, Dr. med.
Internist und Geriater (Oberarzt mit besonderer Funktion) in der Geriatrischen Klinik des Kompetenzzentrums Gesundheit und Alter St. Gallen.
Wissenschaftliche Aufenthalte und Tätigkeit als Assistenzarzt in Davos, St. Gallen, Baltimore und
Bern. Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Geriatrie.
Interessiert sich wissenschaftlich für Hormonveränderungen im Alter und die Effekte von Hormonen
auf ältere Menschen. Lehraufträge in an der Universität Bern und im Rahmen des Nachdiplomstudiums Pflege in St. Gallen.
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11. Zürcher Gerontologietag 2010: Tabus im Alter – Tabus des Alters
Referate (Kurzfassungen)
Seite 6
Referat 5 Zeit: 14.00 – ca. 14.35 Uhr
PD Dr. med. Albert Wettstein
Tabu Demenz: Das Dilemma zwischen Stigma Alzheimer-Diagnose und dem Rumpelstilzeffekt der frühen Diagnose
Weil heute nicht mehr vertraut wird auf den „Hirten, der für mich sorgt, wenn ich auch wandere
im finsteren Todestal“ der demenzbedingten Abhängigkeit, führt die Angst vor der „Finsternis“
Demenz zu deren Tabuisierung.
Dies wurde enorm verstärkt durch den „Mythos Alzheimer“, der entstanden ist durch die kriegerische Sprache des „Kampfes gegen Alzheimer“ der vereinigten Alzheimer-Pharma-Lobby.
Alzheimer lässt sich aber nicht besiegen, sondern nur verzögern und lindern, ist aber nicht wesentlich anders als eine Akzentuierung der conditio humana. Allgemeiner: Mensch sein heisst abhängig
sein von anderen, je moderner desto mehr. Es geht darum, dies zu akzeptieren und das zu tun,
was getan werden kann: die Leiden lindern, besonders die der Betreuenden.
Dabei hilft der Rumpelstilzeffekt und die Organisation von gezielten Entlastungen sowie eine fachverständige longitudinale Begleitung.
Albert Wettstein, PD Dr med.
Chefarzt Stadtärztlicher Dienst Zürich, Gründungs- und Leitungsmitglied Zentrum für Gerontologie.
Studium, Staatsexamen und Promotion in Medizin in Zürich, wissenschaftliche Aufenthalte und
Tätigkeit als Assistenzarzt in Portland, Seattle und Zürich. Facharzt für Neurologie. Habilitation für
geriatrische Neurologie in Zürich. Seit 1983 Chefarzt des Stadtärztlichen Dienstes.
Aufgabenschwerpunkte: Sozialmedizinische Innovation und Beratung der Bevölkerung sowie des
Stadtrates, Beratung der leitenden Ärztinnen und Ärzte in städtischen und privaten Pflegezentren
sowie im drogenmedizinischen Bereich, Bezirksarzt der Stadt Zürich.
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11. Zürcher Gerontologietag 2010: Tabus im Alter – Tabus des Alters
Referate (Kurzfassungen)
Workshops
Zeit: 14.40 – 15.40 Uhr
Tabus im Alter – Tabus des Alters
Workshop 1: KOL-F-109
Der Tod – inwiefern ist er ein Tabuthema im Alter?
Moderation: Brigitte Fuchs, Margarita Meier & Hans Sturm
(ArbeitsGruppe Senioren am Zentrum für Gerontologie, AGSG)
Workshop 2: KOL-F-117
Aspekte zum Umgang mit Sexualität und sexuellen Bedürfnissen
bei demenzbetroffenen HeimbewohnerInnen
Moderation: Dr. phil. Bettina Ugolini & Dr. med. Christoph Held
Workshop 3: KOL-G-209
Tabu Demenz?
Moderation: Dr. phil. Caroline Moor
Workshop 4: KOL-G-204
Tabu Diskriminierung durch Altersguillotine
Moderation: Dr. phil. Sandra Oppikofer
Berichte aus den Workshops (im Plenum)
Zeit: 16.00 – 16.20 Uhr
Seite 7
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11. Zürcher Gerontologietag 2010: Tabus im Alter – Tabus des Alters
Referate (Kurzfassungen)
Seite 8
Referat 6
Zeit: ca. 16.20 – 16.55 Uhr
Prof. Dr. Dr. h.c. Walter Burkert
Alters-Perspektiven aus dem Altertum: Selbstverständliches und Tabus
Im fernen Spiegel des Altertums erkennt man fortbestehende Grundprobleme, einigen Fortschritt,
auch alte und neue Tabus.
Das von der ‚Natur’ vorgesehene Alter des Menschen hat sich in den letzten 3000 Jahren offenbar
nicht wesentlich geändert: es gibt durchaus aktive Achtziger(innen) auch in der Antike.
Ein nahezu universales Phänomen ist der ‚Rat der Alten’, lateinisch senatus, kirchlich das Gremium
der ‚Älteren’ (presbyteroi) – ‚Priester’. Es gibt auch entsprechende Frauen-Clubs. Die Verbindung
von ‚Alter’ und ‚Ehre’ ist besonders im Griechischen sprachlich mehrfach fixiert, wird aber doch
unterlaufen. Der Mythos erzählt von Tithonos, dem Gatten der Morgenröte (Eos), der unsterblich,
aber nicht alterslos war und schließlich zur Zikade schrumpfte.
Cicero schrieb, mit 61 Jahren, einen philosophischen Dialog ‚Cato Maior oder Über das Alter’, der
überaus positiv zur Sache geht: Krankheit lasse sich durch rechte Lebensführung vermeiden, berufliche Tätigkeit durch geistige Tätigkeit ersetzen, die Sexualität loszuhaben aber solle man froh sein.
Realiter bleiben alle bekannten Defizite und Schrecken präsent. Philosophen sterben an ProstataProblemen, man weiß auch vom geistigen Verfall. Aristoteles meint, nur der Körper als Werkzeug
der Seele könne versagen, nicht aber der Geist; solcher Dualimus ist heuzutage kaum mehr durchzuhalten.
Fast tabulos diskutierbar ist der selbstbestimmte ‚Ausgang’ aus dem Leben.
Walter Burkert, Prof. Dr. phil. Dr. h.c. mult.
Emeritierter Professor für Klassische Philologie, besonders Griechisch, an der Universität Zürich.
Studium der Klassischen Philologie, Geschichte und Philosophie in Erlangen und München, Assistent, Promotion und Habilitation in Erlangen. Wissenschaftliche Aufenthalte und (Gast-)Professuren in Washington D.C., Berlin, Harvard, Berkeley, Los Angeles und St. Andrews. 1969-1996
Professor für Klassische Philologie an der Universität Zürich. Diverse wissenschaftliche Ehrungen
und Ehrendoktortitel.
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