Sexualisierte Gewalt als Kriegeswaffe "Herkömmliche Gender

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Sexualisierte Gewalt als Kriegeswaffe
"Herkömmliche Gender-Trainings sind nicht brauchbar"
Was taugt UN-Resolution 1820, die sexualisierte Gewalt als Kriegsverbrechen brandmarkt, um
sexualisierte Gewalt als Kriegsmittel zu bekämpfen? Kann diese im Juli 2008 vom UNSicherheitsrat verabschiedete Resolution zu mehr Sicherheit für die besonders betroffenen Frauen
beitragen? Und: Was kann/muss die Politik leisten, um der UN-Resolution 1820 zu mehr Geltung
zu verhelfen? Diese und andere Fragen waren Thema im politischen Salon des GenderHappenings am 8.Juli. Rolf Pohl, Professor für Sozialpsychologie aus Hannover und Autor des
Buches "Feindbild Frau", war einer der Diskutant_innen auf dem Podium. Die Journalistin und
Autorin Ute Scheub sprach mit ihm im Anschluss über den Zusammenhang zwischen männlicher
Sexualität und sexuellen Gewaltakten in Kriegen.
Herr Professor Pohl, warum schildern Soldaten den Krieg immer wieder in einer
sexualisierten Sprache?
Weil Soldaten ihre kriegerischen Aktionen zumindest auf der metaphorischen Ebene als eine Art
Geschlechtskampf sehen, der verschiedenen Stadien folgt: Annäherung, Angriff, Eindringen,
Penetration, großartige Explosion. Geschlechtskampf und Gefechtskampf sind sich auch
sprachlich nahe. Und viele Männer beschreiben diesen Kampf so euphorisch, als würde es sich
wirklich um einen Orgasmus handeln, ich erinnere hier nur an die Krieg verherrlichenden Schriften
Ernst Jüngers über den Kampf als „inneres Erlebnis“. Auch bei Wissenschaftlern und Ingenieuren,
die neue Waffen konstruieren, herrscht diese sexualisierte Sprache vor. Die US-Wissenschaftlerin
Carol Cohn hat 1984 beschrieben, mit welchem Jargon ihr in einem nuklearen Forschungsinstitut
die neuesten Waffen vorgeführt wurden. Ihre Gesprächspartner priesen begeistert ihre
Waffensysteme: "Überwältigend. Du kriegst mehr Bums fürs Geld." Die neuen MX-Raketen, vom
damaligen US-Präsidenten Reagan "Peacekeeper" genannt, sollten nur in der besten Halle
untergebracht werden, denn man stecke ja nicht die "hübscheste" Rakete in ein miserables Loch.
In anderen Vorträgen ging es um die besten Abschüsse aus vertikaler Position, "vertical erector
launchers".
Was spielt sich in diesen Männerköpfen wohl ab?
Natürlich kann man nicht behaupten, dass diese soldatischen Männer dabei wirklich einen
Orgasmus erleben. Aber für sie ist ihre Kampfeslust sexuell und ihre Sexualität gleichzeitig
aggressiv bestimmt: sich aufrichten, eindringen, aufreißen, aufspießen, durchbohren, zerstören,
wegwerfen. In den 1920er-Jahren hielt der Sexualwissenschaftler Wilhelm Reich das für den
Ausdruck eines phallischen Narzissmus, zu dessen Grundlagen eine allgemeine Geringschätzung
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der Weiblichkeit und eine Abwertung der Frauen gehört.
Aber es gibt ja auch Beschreibungen, die wie Geburtsvorgänge klingen?
Das gehört offenbar mit zur männlichen Kriegslogik. Erst penetriert man, zerstört, explodiert, und
dann entsteht - wiederum metaphorisch - neues Leben. Im Kern dieser destruktiven Phantasie
steht die Idee einer doppelten Geburt: einer Geburt durch Zerstörung, die etwa in der pathetischen
Beschwörung einer „neuen Weltordnung“ aufscheint und einer rein mann-männlichen
Wiedergeburt ohne Beteiligung von Frauen.
Dass Gewehre und Waffenrohre als verlängerter Phallus wahrgenommen werden, ist ja
schon fast ein Klischee. Aber gleichzeitig tragen sie weibliche Namen. Wie verträgt sich
das?
Das hat eine mehrfache Bedeutung. Einerseits galt bei uns und auch in der US-Army: Das Gewehr
ist die Braut des Soldaten. Es gab im Vietnamkrieg den Spruch: "This is my rifle, this is my gun,
one for the killing and one for the fun." An die Stelle der Frau rückt also das militärische Gerät.
Wenn man damit schon kein Leben produzieren kann wie die Frauen, dann kann man wenigstens
gigantische Zerstörungen erzeugen und erweist sich damit als Herr über Leben und Tod. Bomben
allerdings tragen meist männliche Namen, während Militärflugzeuge oft nach der Mutter der Piloten
benannt werden. Vielleicht, weil sie einen Bauch haben, einen Laderaum, aus denen Bomben
fallen. Raketenköpfe, die die US-Army Richtung Irak abschoss, trugen die Inschrift: "For Saddam
with love". Das ist beides gleichzeitig: eine phallische Aufladung von Waffensystemen und eine
Armierung und Bewaffnung der eigenen Sexualität. So wie in den Träumen, die ein Patient seinem
Psychoanalytiker erzählte: Regelmäßig träume er davon, dass ein Bajonett auf seinen Penis
aufgepflanzt ist und er damit Geschlechtsverkehr praktiziert. In der Geschlechterforschung, der
feministischen Debatte und der Psychoanalyse ist es ein wenig aus der Mode gekommen, über die
sexuelle Dimension dieser Dinge zu reden. Damit wird die Phallokratisierung von Waffen und die
Armierung des männlichen Ichs nicht mehr thematisiert - eines unsicheren Ichs, das sich
symbolisch oder real bewaffnen muss, um Sexualität überhaupt noch erleben zu können.
Wieso ist Männlichkeit so fragil?
Männlichkeit ist fragil, weil patriarchalische Gesellschaften von Männern fordern, dass sie
autonom, unabhängig und selbstständig zu sein haben. Aber Gesellschaft ist kein Zustand lauter
autonomer unabhängiger Subjekte, und vor allem in der Sexualität wird diese Unabhängigkeit
fundamental in Frage gestellt. Heterosexuelle Männer begehren Frauen, aber sie hassen
gleichzeitig ihr Begehren, weil sie sich als abhängig von Frauen, ihren Körpern und ihrer Sexualität
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empfinden. Hier ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Frauenhass. Wenn ihre vermeintliche
Autarkie in Frage gestellt wird, reagieren viele Männer gekränkt und aggressiv. Das ist eigentlich
seltsam, denn an einem echten Macho müsste so etwas eigentlich abprallen. Die Vorbilder des
Macho, das sind Figuren wie die mexikanischen Revolutionsführer Emilio Zapata oder Pancho
Villa, mit lauter Patronengurten um den Körper, daneben ein paar Frauen und eine Flasche
Tequila. Aber im Grunde ist das Machogehabe nur eine Kompensation von Schwäche, die ein
Mann sich selbst nicht zugesteht, weil er Schwäche als weiblich empfindet. Je stärker sich ein
Mann von seiner inneren Schwäche bedroht fühlt, desto stärker muss er Gegenmaßnahmen
ergreifen, wozu nicht nur der Machismos, sondern auch Perversionen und sexuelle Gewalt
gehören.
Solche Männer sind ja nicht nur für Frauenhass anfällig, sondern auch für Nationalismus,
Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Militarismus. Stimmt die These, dass
Männer besonders anfällig werden, wenn sie schon in ihrer Kindheit eine abgewertete
Mutter erleben, wenn also der erlebte Sexismus die Folie abgibt für alle weiteren -ismen?
Hinter dieser mehrfachen Anfälligkeit stecken typische Männerängste und vergleichbare
destruktive Versuche, sie zu bewältigen. Der aus umgewandelter Angst entstandene Hass ist somit
zwischen Frau und Feind verschiebbar. Er kommt in einer abwehrbereiten Kampfhaltung zum
Ausdruck, die nach paranoidem Muster funktioniert und sich gegen jede gespürte Bedrohung
richtet. Die Entstehung dieser Haltung wird mit Sicherheit auch durch frühe Erfahrungen mit der
abgewehrten Weiblichkeit der eigenen Mutter und anderer weiblicher Bezugspersonen begünstigt.
Sie wird nicht unabhängig von dieser Abwertung allein durch das Verhalten einer abweisenden
Mutter erzeugt, wie ständig behauptet wird. In der gegenwärtigen Diskussion werden immer wieder
die ihre Söhne angeblich verschlingenden Mütter für die „Krise der Männlichkeit“ verantwortlich
gemacht. Diese Schuldzuweisung ist falsch und dient der Selbstentlastung bei der
Aufrechterhaltung frauenabwertender Beziehungen.
Haben Männer im Militär nicht genauso viel Angst vor anderen Männern wie vor Frauen?
Ein Kommandeur und ein Gefreiter haben mir einmal erzählt, wie sie mit ihrer Bundeswehr-Einheit
in den Kosovo abkommandiert wurden und dort ein, zwei Wochen lang ein großes Lager
aufbauten. Als sie sich mit den Soldaten im einem Gemeinschaftszelt trafen, fragten sie: "So,
Jungs, fehlt noch was?" Und daraufhin kam wie selbstverständlich von allen Seiten: "Wie ist das
mit den Frauen, mit Pornografie, mit Prostitution? Kümmert ihr euch um die Beschaffung, oder
sollen wir das selbst besorgen?" Der Gefreite konnte es nicht fassen, wie Männer nach etwa zehn
Tagen solch einen Sexkoller entwickelten. Offensichtlich ging es dabei aber gar nicht um die
Befriedigung aufgestauter sexueller Bedürfnisse, sondern vor allem um den öffentlichen Beweis,
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dass sie allesamt nicht schwul sind. Die Vermutung der Sexualwissenschaft ist, dass in solchen
homosozialen Situation mit viel Enge, Nähe und Kameradschaft homosexuelle Anteile aktiviert und
dann als bedrohlich wahrgenommen werden. Es geht also vor allem um die Abwehr von
Homosexualität, wenn Männer ihre Heteronormativität so zwanghaft darstellen müssen. Man(n)
will zeigen, dass man ein richtiger Kerl und Soldat ist. Auch bei Kriegsvergewaltigungen sieht man,
dass da durchaus homosexuelle Anteile mithereinspielen, ohne dass das den Tätern selbst zu
Bewusstsein kommt. Der Prozentsatz von Gruppenvergewaltigungen ist sehr hoch, er beträgt in
Zivilzeiten 30 bis 50 Prozent und in Kriegszeiten ungefähr 70 aller Vergewaltigungen. Hier
vergewaltigen Männer direkt nacheinander oder gar gleichzeitig eine Frau. Wenn man es etwas
verkürzt darstellt, dann begegnen sich Männer in einem zum bloßen Behälter degradierten
weiblichen Körper, der allein auf seine Öffnungen reduziert wird. In einer deutschen
Aidsberatungsstelle hat sich einmal ein Anrufer gemeldet, der zusammen mit seinen
Saufkumpanen eine Frau vergewaltigt hatte. Einer seiner Kumpels, der vor ihm „dran war“, erwies
sich als HIV-positiv, und nun hatte er Angst, dass er sich im Körper des Opfers an dessen Sperma
angesteckt haben könnte. Solche Männer wollen sich gegenseitig demonstrieren, dass sie nicht
homosexuell sind, und praktizieren dabei gleichzeitig eine pervertierte gewalttätige Form von
Homosexualität, deren Abwehr mit dem Hass auf das zugleich begehrte und entwertete weibliche
Geschlecht einhergeht. Elfriede Jelinek hat in einem ähnlichen Zusammenhang treffend von der
„Annihilierung“, das heißt von einer völligen Zunichtemachung des weiblichen Körpers und damit
der weiblichen Subjektposition gesprochen
Wenn Sie Veranstaltungen mit Militärs machen, wie reagieren die auf Ihre Ausführungen zu
sexueller Gewalt?
Bei einer Veranstaltung vor Generälen und Generalsanwärtern habe ich einmal große Fotos von
den Massenvergewaltigungen im chinesischen Nanking durch das japanische Militär gezeigt - und
bin auf eine Wand von Abwehr gestoßen. Niemand wollte darüber reden oder sich gar darauf
einlassen, dass das etwas mit Männlichkeit und männlicher Sexualität zu tun haben könnte. Nur
einer wollte in etwas schnarrendem Ton wissen, mit welchen eher technisch verstandenen
Anweisungen sie als Kommandeure so etwas verhindern könnten.
Sexuelle Gewalt von Männern gegen Männer scheint in bewaffneten Konflikten viel häufiger
vorzukommen als gemeinhin angenommen. Ein Indiz dafür: In 40 Prozent aller Anklagen
gegen Täter vor dem UN-Sondertribunal zu Ex-Jugoslawien spielt diese Form von Gewalt
eine Rolle. Wie ist die erklärbar?
Hier gibt es verschiedene Formen, bei denen genauer zwischen sexualisierter und sexueller
Gewalt unterschieden werden muss: Sexuelle Folter soll die Opfer in besonderer Weise demütigen
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und entmännlichen, zum Beispiel durch Einführen von Gegenständen sowie durch andere Formen
sexueller Schmerzzufügungen und Erniedrigungen. Zu diesen sexualisierten Foltermethoden sind
übrigens auch weibliche Soldaten fähig, wie das Beispiel Lyndie England gezeigt hat. Wenn es zu
direkten Vergewaltigungen kommt, bei denen es auch oder vorwiegend um die sexuelle Lust der
Täter geht, dann werden diese das wahrscheinlich damit legitimieren, dass sie selbst aktiv und
beherrschend bleiben und damit in ihren eigenen Augen nicht homosexuell sind. Das kennt man
auch aus anderen Kulturkreisen oder Zusammenhängen. Homosexuelle Aktivitäten in
Gefängnissen werden geduldet, weil sie als Ersatz gelten und einer "vorübergehenden
Notsituation" geschuldet sind. Hauptsache, man ist selbst der Aktive und behält dabei die Kontrolle
und die Oberhand, und die männlichen Opfer werden als ein begehrenswertes, aber rohes Stück
Fleisch betrachtet, dessen Geschlecht im Prinzip als weiblich empfunden oder gekennzeichnet
wird.
Geht es um Lust, die sich vor allem der eigenen Macht und der Ohnmacht der anderen
versichern will?
Max Mosley, der Sportfunktionär und Chef des Weltautomobilverbandes, geriet im Jahr 2008 ins
Blickfeld der Boulevardmedien, weil er sich bei einer Sexorgie von Dominas in Naziuniformen
verprügeln ließ - also die volle Mischung aus Rassismus, Sexismus und Sadomaso bot. Der
Vorsitzende der Formel-1, Bernie Ecclestone, der vor kurzem durch sein Loblied auf Hitler auffiel,
machte schon vor ein paar Jahren die Bemerkung, Frauen müssten grundsätzlich weiß gekleidet
sein, "so wie alle anderen Haushaltsgeräte auch". Und mit dieser Haltung hält er sich seit vielen
Jahren als Vorsitzender einer der wichtigsten Männersportarten. Und gleichzeitig konsumieren
solche Männer junge Mädchen in Serie, mit denen sie ihr Ego als alte, aber reiche und mächtige
Männer aufpolieren. Ähnliches wird immer wieder von Berlusconi berichtet, dessen Eskapaden mit
jungen Prostituierten von seinem Anwalt damit gerechtfertigt wurden, es handele sich beim
italienischen Ministerpräsidenten ja nur um den „Endverbraucher“ der Mädchen. Aber nicht nur für
derartige Machos gilt, dass ernst gemacht wird, wenn die Frauen nicht mehr willfährig mitspielen
oder scheinbar zu viel Macht erhalten. Um auf das Militär zurückzukommen: In der US-Armee ist
der so genannte Tailhook-Skandal von 1991/92 ein Beispiel dafür, dass Männer Frauen
herabwürdigen, wenn sie ihre eigene Machtposition gefährdet sehen. Nachdem die US-Regierung
beschlossen hatte, dass auch weibliche Marineflieger Kampfeinsätze fliegen sollten und nicht nur
männliche, verübten fast zweihundert männlichen Flieger beim jährlichen Treffen massivste
sexuelle Übergriffe auf über achtzig ihrer Kameradinnen.
Das sind doch klare Beispiele für sexualisierte Machtpolitik?
Ja. Macht macht geil, besagt ein klassischer Machospruch. Es gibt Leute, die eine unglaubliche
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Lust an der Macht empfinden und Macht ausnützen für ihre sexuelle Befriedigung. Aber ich glaube,
dass die Sexualität sich nicht allein in einen Machtdiskurs auflösen lässt. Wenn man daran festhält,
dass es nur sexualisierte und nicht auch sexuelle Gewalt gibt, dass es den Tätern also allein um
Macht geht und nicht auch um sexuelle Lust, dann unterstützt man sogar den Männlichkeitswahn.
Als habe der Mann seine Sexualität so unter Kontrolle, dass er sie jederzeit an- und ausknipsen
und notfalls sogar auf Befehl einsetzen kann.
Rund 30 Prozent dieser Vergewaltiger sollen sexuelle Funktionsstörungen bei der Tat
haben.
Ist ja auch kein Wunder. Aber wenn sie vorher eine Viagra einnehmen, ist das inzwischen kein
großes Problem mehr. Durch Viagra lassen sich Körperlichkeit und Begehren endgültig
medikamentös voneinander trennen. Vergewaltigungen werden durch Militärs in Ruhephasen
verübt, nach Siegen, Eroberungen oder in Übergangszeiten. Da kommen mehrere Motivationen
zusammen: Sie waren im Kampfeinsatz, sie haben Angriffe und Todesangst überlebt, sie wollen
zeigen, dass sie leben, dass sie weiterhin Männer sind, und das demonstrieren sie in einer
unglaublich brutalen Art und Weise auch auf dem Feld der Sexualität.
Ist das nun sexualisierte Gewalt oder sexuelle Gewalt?
Die UN-Resolution 1820 ist hier eindeutig, wenn sie von „sexual violence“ spricht. Es gibt natürlich
fließende Übergänge zwischen sexueller Gewalt und sexualisierter Gewalt oder sexualisierter
Machtpolitik. Aber ich verwende den Begriff sexualisierte Gewalt nicht, weil ich davon ausgehe,
dass die männliche Sexualität in männlich dominierten Gesellschaften prinzipiell von einer
Mischung aus Aggressivität und Begehren gekennzeichnet ist. Unter den destruktiven Vorzeichen
von Kriegen entmischt sich das, und es gibt die angedeutete Verschiebung zwischen Feind und
Frau. Joan Smith hat in ihrem Buch "Misogynies" in den 1980er-Jahren über ein Songbook von
US-Atombomberpiloten berichtet. In einem dieser Lieder heißt es: "Ich fickte ´ne tote Hure im
Graben, Ich wusste sofort, sie war tot. Keine Haut auf dem Bauch und null Haare. Damit hatte sie
keine Not. Und als ich da so neben ihr lag, War ich aber reichlich erschreckt. Ich schleckte schnell
die süße Muschi. Sog raus, was von mir ihn ihr steckt." Die Piloten singen diese Lieder, während
sie mit Frauen und Kinder und Verwandtschaft grillen. Die kaum verhüllte Botschaft lautet:
Frauenkörper rufen gleichzeitig Erregung und Abscheu hervor und Tod und Verwesung sind
folglich die Strafe für die lustvollen Gefühle, die sie beim Mann hervorrufen. Nach dieser
Einstellung geht von Frauen selbst dann noch eine Todesdrohung aus, wenn sie schon halbtot
oder ermordet worden sind. Frauen gelten also nicht nur als Sexualobjekte, sondern werden
vielleicht gerade deshalb mit dem Tod assoziiert. Nach den Kampfhandlungen sind die Frauen des
Feindes der Feind.
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Und wenn man diese Frauen "im Griff" hat, kann man damit sein beschädigtes Bild vom
Mannsein reparieren?
Männlichkeit ist ein fragiles Konstrukt und viele Männer fühlen sich durch Frauen und Weiblichkeit
bedroht, speziell auf dem Gebiet der Sexualität. Bei den Sambia und anderen Ethnien in PapuaNeuguinea fürchten die Männer sogar, von Frauen tödlich angesteckt zu werden. Sexualität muss
deshalb weit außerhalb des Dorfes vollzogen werden, im Stehen, ungeheuer schnell, denn die
Männer müssen während dieser Zeit die Luft anhalten. Sie dürfen nicht atmen, weil nach ihrem
Glauben während des Sexualaktes von den Frauen giftige Dämpfe ausgehen. Aus dieser Sicht ist
die weibliche Sexualität bedrohlich, weil sie den Mann kontaminieren kann.
Aber es gibt doch auch völlig friedliche Völker mit unaggressiven Männern, beispielsweise
die Semai in Malaysia. Bei ihnen scheint es keinerlei Legierung zwischen Sexualität und
Aggression zu geben. Entsteht diese also nur unter patriarchalischen Bedingungen?
Zweifellos. Diese Völker haben das Geschlechterverhältnis anders organisiert als wir, sie kennen
keine Unterordnung der Frauen unter die Männer. Aber im Patriarchat muss die
Vergeschlechtlichung von Macht und damit ihr Uberlegenheitsanspruch tief in die Körper der
Männer eingeschrieben werden. Und dazu dienen auch die Initiationsriten, die bei den Männern
viel weiter und tiefer gehen als bei den Frauen. Die Blutrituale, das Ritzen und Schneiden dient in
erster Linie dazu, das "vergiftende" mütterliche Blut aus dem männlichen Körper herausfließen zu
lassen. Die Baruya in Papua-Neuguinea ersetzen das übrigens in rituellen Fellatiopraktiken durch
das Sperma älterer Initianten, die noch nie Sex mit einer Frau hatten, die also noch nicht erneut
weiblich "vergiftet" worden sind. Die Logik ist: Sperma ist die bessere Milch, es bringt Jungen zum
Wachsen und macht aus ihnen Männer. Sperma muss auch den Frauen zu trinken gegeben
werden, damit sie schwanger werden, Söhne gebären und selbst gute Milch geben können.
Aber es gibt doch auch hierzulande sehr viele Männer, die völlig friedlich und unauffällig
sind?
Sicherlich, und zum Glück ist das die überwiegende Mehrheit der Männer. Öffentlichkeit und
Medien schauen immer nur auf die Vergewaltiger, die Straftäter, die Jugendlichen, die aus dem
Ruder laufen. Aber eigentlich müssten wir gerade über diejenigen reden, die friedlich sind und
weniger auffallen. Auch bei denen gibt es aggressive Anwandlungen, aber sie haben Formen
gefunden, damit umzugehen. Wenn man gründlicher über sie forschen würde, könnte man
herauskriegen, an welchen Weichenstellungen in ihrer Lebensgeschichte das lag. Eine der
wichtigsten Weichen ist die Adoleszenz: Hier wird Männlichkeit und speziell die Sexualität in eine
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aggressive Richtung mit einer ambivalenten bis feindseligen Einstellung zu Frauen gebahnt oder
eben nicht.
Mischungen von Begehren und Aggression gibt es also überall?
Ich gehe davon aus, dass das insbesondere in Gesellschaften mit männlicher Vorherrschaft der
Fall ist. Das merkt man beispielweise immer dann, wenn Partner sich trennen. In der Regel sind es
Männer, die extrem gewalttätig reagieren, wenn sie verlassen werden und sich betrogen fühlen,
ungeachtet auch der Kinder, die sie doch angeblich lieben. Es gibt Täter, die ihre Ex-Partnerinnen
mit Äxten, Hämmern und ähnlichen Waffen erschlagen oder mit Messern zerstückelt haben und
dann vor Gericht behaupten: „Ich tat es nur aus Liebe“. Das ist kein Umschlagen von Liebe in
Hass, sondern die in bedrohlich erlebten Krisen erfolgte neue Mischung einer ambivalenten
Gefühlseinstellung nun unter destruktivem Vorzeichen. Und so etwas Ähnliches passiert auch im
Militär, wenn nach den Kriegshandlungen oder bei der Eroberung einer Stadt Frauen zu Freiwild
werden.
Wie kann man dem vorbeugen und Soldaten dazu bringen, über ihre Männlichkeit
nachzudenken?
Die in der Bundeswehr oder auch bei den UN-Friedenstruppen eingeführten Gender-Trainings sind
hier nicht besonders brauchbar. Das darin vermittelte Weiblichkeitsbild basiert auf der Annahme,
dass Frauen grundsätzlich verletzlich und potenzielle Opfer sind. Das aber bestärkt die traditionelle
Männlichkeit mit ihrem Schutzanspruch gegenüber Frauen und ist tendenziell sogar
kontraproduktiv. Die Trainings müssten sich dagegen viel stärker mit Männlichkeit, der männlichen
Sexualität und den in ihr eingelagerten Weiblichkeitseinstellungen beschäftigen - wie funktioniert
sie und warum ist sie so, wie sie ist? Auf die Bundeswehr bezogen müsste außerdem viel stärker
als bisher die Sexualorganisation rund um die Lager der deutschen Soldaten in den
Auslandseinsätzen beleuchtet werden: Wieviel Prostitution, insbesondere Zwangs- und
Kinderprostitution gibt es und kommt es innerhalb und außerhalb des Militärs zu sexuellen
Übergriffen? Das wird bisher von der Bundeswehrführung und der Politik buchstäblich unter der
Decke gehalten. Dagegen müsste versucht werden, eine öffentliche Kampagne zu starten, damit
das endlich einmal diskutiert wird. Bei den traumatisierten deutschen Soldaten hat es auch lange
gedauert, bis wenigstens in Ansätzen thematisiert wurde, dass solche Einsätze zu schweren
psychischen Störungen mit langfristigen Folgen führen können. Und wenn diese Verantwortung
gegenüber den eigenen Soldaten besteht, dann müsste sie bei „friedenbildenden“ oder
„friedenserhaltenden“ Maßnahmen auch und gerade gegenüber Frauen in den entsprechenden
Einsatzländern existieren. Aber ich glaube, ein solches Projekt wird extrem schwierig umzusetzen
sein, weil sich Männer dann gründlich mit ihrer eigenen Sexualität und ihren Fallstricken in
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männlichkeitsbetonten Einrichtungen wie dem Militär auseinandersetzen müssten.
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