Darstellung gerückt werden. Und für diese knappen Analysen( .ewählter zentraler Aspekte gilt das gleiche wie ftjr alle übrigen, sehr viel arnb .iierteren Studien: sie wollen immer wieder zur erneuten Lektüre der Werke Shekespeares und seiner Zeitgenossen einladen, indem sie sich der Überprüfung ihrer Ergebnisse im Diskurs stellen. Diese Einführung hätte ein wesentliches Ziel erreicht, wenn möglichst viele Leserinnen und Leser - über die Rezeption der hier zusammengestellten exemplarischen und repräsentativen Details hinaus - sich ermutigt sähen, sich intensiv mit den Werken Shakespeares und seiner Zeitgenossen auseinanderzusetzen. Obwohl nach Umberto Ecos bekanntem Essay "Wie man ein Vorwort schreibt" (1987) Danksagungen zunehmend belastender werden, ist es mir mehr als eine angenehme Pflicht, atl denjenigen, die zum Erscheinen dieses Buches beigetragen haben, sehr herzlich zu danken. Ein erstes Dankeschön gebührt meinen mittlerweile mehr als 300 Examenskandidatinnen und -kandidaten, die sich den als besonders schwierig eingeschätzten thematischen Schwerpunkt "Shakespeare und seine Zeit" gewählt haben; die vielen Diskussionen mit engagierten Studentinnen und Studenten waren - wiederum sehr subjektiv - wichtiger als die Lektüre auch noch der letzten und natürlich ,definitiven' - Interpretation von Shakespeares King Leor. Für die kritische Lektüre dieser Einführung und etliche Verbesserungsvorschläge fühle ich mich meinen studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräften, Dr. Stefanie Hohn, Barbara Maerker, Silke Meyer, M. A., Julia Mittelstraß, Peter Nover, M. A., Susanne Rauter, Ruth Wucherpfennig und Dr. Britta Zangen, zu größtem Dank verpflichtet. Last but not feast sind die beiden ,begetter' zu erwähnen, ohne die das vorliegende Büchlein nicht geschrieben worden wäre: Ansgar Nünning, der die Reihe insgesamt so sorgfältig und kompetent konzipiert hat, und meine Frau Regina Baumann, der ich - wie immer - mehr verdanke, als sich in Worten ausdrücken lässt. f DJi1 0 JJl o .alssance und Tbeaterblüte in England Das elisabethanische Weltbild Umbruchszeit Die Zeit William Shakespeares ist eine Zeit des Umbruchs, des Paradigmenwechsels vom tl.1~()?entrischen Weltbild des Mittelalters zum. anthropozentrischen Weltbild der Neuzeit. Engagierte Diskussionen über die Erkenntnisfähigkeit des Menschen, divergierende Beurteilungen der Wirklichkeit und die Umakzentuierung zentraler Normen menschlichen Verhaltens sind deutliche Symptome dieses Umbruchs." Weltbild Weitgehend unabhängig von diesen in der elisabethanischen Gesellschaft umstrittenen und kontrovers diskutierten Fragen und Normen vermitteln uns die Texte jener Zeit ein Ensemble von Vorstellungen und Meinungen, das ein auf Konsens qeqründetesModell liefert, die Beschaffenheit und Zusammenhänge der wahrnehmbaren Welt zu erklären: "D.ieses W~Ubild dient als Rahmen.In den der Einzelne verschieden viele und verschieden differenzierte Detailkenntnisse und -meinungen einordnen kann".2 Mit diesem modifizierten Verständnis des Begriffs, Weltbild' (world pieture) erledigt sich im Grunde ein erheblicher Teil der Einwände gegen den Versuch TILLYARDS,3 das elisabethanische Weltbild synthetisierend zu beschreiben, d_enn ein Weltbild als Summe dessen, "was eine Epoche über die Welt weiß oder zu wissen glaubt", 4 wird man den EliSQbethanern aufgrund der in fast allen Bereichen erkennbaren Meinungsunterschiede nicht zuschreiben können. Uwe Baumann im Oktober 1998 Universale Ordnung Unter den Elisabethanern herrscht weitgehende Einigkeit darüber, das WE;ltganze als universale Ordnung zu verstehen, als 6:.Qrl1ß of order. Die Einheit des Universums stammt aus Gott, und mit der Schöpfung haben alle Kreaturen, von den Mineralien bis hin zu den Erzengeln, ihren Platz in einer noch dem Prinzip des degree gestuften hierarchischen Ordnung erholten, wie dies z. B. SIR THOMAS ELYOT in seinem Fürstenspiegel The Governour (1531) schon gleich zu Anfang ausführt: Hoth not He (sc. GOO) set degrees ond estates in oll His glorious wotks? First in His heavenfy ministers, whom, os the Church offirmeth, He hath 1 Vgl. Weiß, Drama der Snokespeare-Zett, S. 116-124. 2 Suerbuum, Shakespeares Dramen, S. 85. 3 Vgl. etwa DollimorelSinfield, Polilkal Shakespeare und Evons. Signifying Nothing. 4 Suerbcum, Shakespeares Dramen, S. 85. 6 o Das elisabethentsche Weltbild 7 constituted to be in divers degrees called hierarc( ..} Behold also the order that God hath put generally in all his creatures, beginning at the most inferior or base, and aseending upward. He made not only herbs to garnish the eorth, but also trees afa more eminent stoture thon hetbs, and yet in the one and the other be degrees ot quoitties: some pleasant to behold, same de/ieate or good in taste, other wholesome and medianabie, same commadiaus ond necessary. Sembfabfy in birds, beosts, ond tisbes, [...] so that in everything is order, and without order may be nothing stable or permanent; ond tt may not be colled order, except it do eontoin in it degrees, high ond bose, according to the merit or estimation 01 the thing that is ordered> Hierarchische Ordnung verd( .cht freilich auch, dass der einzelne Mensch durch die Laster 1~:Xuria(Genusssucht), 9u1a (Völlerei) und acedia (Trägheit) auf die niedrigste Stufe der bloßen Existenz zurücksinken kann. Metaphern als Veranschaulichung von Analogie und Korres- pondenz Die hierarchische Gliederung der sublunaren, irdischen welte veranschaulicht ein Diagramm aus BOV!LLUs (OE BOUELLES) Libet de Sapiente (1509)': l Die Treppe (ladder) gehört neben der Stufenleiter (seale of degree) und der Seins kette (cbgin,o_(l?ei'."!g) zu den bevorzuqten Metaphern für die hierarchische Ordnunq nach degree. Diese Leitmetaphern leisten zweierlei: sie weisen. allen Wesen ohne Ausnahme ihren unverrückbaren Platz zu und _sie verdeutlichen die Einordnung eines. jeden Wesens durch Unter- und Überordnunq.f Zugleich jedoch evozieren schon die Bilder von Treppe, Kette und Leiter die Vorstellung, dass ihre Glieder und Stufen sich an jeweils anderer Stelle wiederholen: mit anderen Worten, die Metaphern für die hierarchische Ordnung nach degree veranschaulichen die für die Elisabethaner zentrale Vorstellung von Analogie und Korrespondenz. h_nalogie und Korrespondenz (proportion) sichern den .Zusammenhalt und das Zusammenwirken der - in Qualit~~ und Stoff vielfältig differenzierten - Schöpfungsbereiche: As we see that in the body 01 this universal lrame, there is (os the Philosophers say) matter, forme, privoticn, simplicitie, mixture, substonce, quontitie, action and possion, arid that tne whole world being compounded of unlike elements, of earih, watet, aire and tire, is notwithstanding preserved by an Analogie and proportion, wh ich they have togither: ond os we see in 0 mons bodie, head, hands, feete, eies, rcse. eares: in a house, the husband, wiie, chi/dren, mostet, servonts: in 0 po/itike bodie, Magistrates, Nobles, common peopte, artificers: and thot everie bodie mingled with heute, coide, drie and meist, is preserved by the same reason of anofogie and proportion wh ich they have togither: So is it in every cornmon-wealth weil appointed and ordred [.··f Spiegel als Metapher Treppe 8 Auf der untersten Stufe der als Treppe verstandenen Hierarchie ist das Reich der Minewlien (Fels), deren Grundeigenschaft die Existenz ist. Existenz und Leben sind die Eigenschaften der nächsthöheren Stufe, des Vegetable Kingdom (Baum). Das Pferd als Angehöriger des Animal Kingdom verfügt über Gefühl und Bewegung als zusätzliche Qualitäten, und der Mensch, auf der höchsten Stufe des irdischen Bereichs, unterscheidet sich gegenüber dem Pferd durch Verstand und Seele. Die rechte Seite der Treppe zeigt dengelehrten Humanisten als Krone der irdischen Hierarchie, der sich durch virtus (Tugend) auszeichnet; die rechte Seite der Treppe mmm -_.... Renaissance und Theaterblüte in Engtand Der Spiegel tmuror, glass) als bildliehe Vorstellung der Korrespondenz wird für die ]Olisabethaner zur beliebtesten Metupher.Iv die Korrespondenzen zwischen dem Makrokosmos und dem Mikrokosmos .Mensch: werden in unterschiedlichsten Variationen beschrieben und analysiert. 5 Sir Thomas Elyot: Tne Book named The Coverno.; Hrsg.: S. E. Lehmberg. Lenden: Dent 1962 (= Everymcn's Library), 1,1 (S. 3-4). 6 Vgl. die Darstellungen der über der Sphäre des Mondes beginnenden intelligiblen, nicht mehr mit den Sinnen wahrnehmbaren Welt bei Suerbuurn, Elisabethanisches Zeitalter, S. 479--492. 7 Abb. nach Hussey, The World of Snakespeare, S. 27. 8 Vgl. Tillyard, Elizabelhan World Picture, S. 34-35. 9 Pierre de La Pnmcudcye: Trie French A.cademy (1586), zitiert nach Suerbaum, Shakespeeres Dramen, S. 91. 10 Vgl. Grabes, Speculum, Mirror und Looking-Glass. ~ Das elisabethanische Weltbild 9 Folgen des Sündenfalls Die ursprünglich perfekte Stabilität des 0.nqsqefüqes war durch den Sündenfall des Menschen ersch .rt. Mit dem Menschen waren Unsicherheit und Unbeständigkeit (mutability) zur permanenten Gefahr geworden; vielleicht war damit der Prozess des Verfalls nicht nur eingeleitet, sondern bereits irreversibel geworden. Symptome des Verfalls waren sowohl im Makrokosmos als auch im Mikrokosmos erkennbar, wie der Dichter JOHN DONNE unmissverständlich feststellt: 'Tis oll in pieces, off coherence gone; All just supply, and oll relation: Prince, subject, tathet, son, ore things torqot, Forevery man alone thinks he hath got To be 0 phoenix, and tho! there can be None of that kind, of which he is, but he.)? Weltbild als Ansplelunqs- horizont Weltbild als Norm und Gegenbild S Zum anderen bilanzieren die Dramen Shakespeares und seiner Zeitgenossen im öffentlichem Diskurs immer wieder die ideologische Reichweite solcher degree-Vorstellungen, indem sie sie primär als "Norm und als Gegenbild" 19 im Bewusstsein des Publikums präsent halten. Das elisabethanische Öffentliche Theater Zeitgenössische Einschätzung des Theaters 12 .:Die auf den Menschen konzentrierte knappe Synthese des elisobethanischen Weltbildes ist zum einen "als Anspielungshorizont, [, ..] als Komplex vorausgesetzter Informationen",18 Vorstellungen und Metaphern für das Verständnis der Dramen Shakespeares und seiner Zeitgenossen unverzichtbar. Cf;Pu:1,l!l .....: ~.! Theater außerhalb der Stadtgrenzen Theaterpublikum Theater Die Zahl der Theater, die Menge der Zuschauer und die Regelmäßigkeit der Aufführungen faszinierten die ausländischen Besucher Londons immer wieder. Das Zentrum des vielgestaltigen Theaterwesens des insgesamt so theatralischen elisabethanischen Zeitalters bildeten die öffentlichen Theater, wo vom Handwerkerlehrlinq ~is ~in zum Höfling jedermann willkommen war. Im Rückblick erscheint das Londoner Theqterleben der Jahre 1580 bis 1642 als der Höhepunkt elisabethanisch-jakobäischer Kultur, und doch war das Theater zu seiner Zeit keineswegs unumstritten. Es war ein durch und durch PtivatV{i.ili.~J:l9ftli~h orqoriisiertes komrnerzielles Unterhaltungsthe.ater, '{Qru:i~~ städtischen Behörden eher widerwillig geduldet denn als Kultur- und Bildunqsmstttution akz-eptiert. Befürchteten die städtischen Behörden, das nach· Taus-enden zdhlende Publikum nicht hinreichend überwochen zu können, so war für die Geistlichkeit, zumal die Purituner, das"Theater der Sündenpfuhl der Stadt: Zum einen war für sie jede Renaissance Lind Theaterblüte in England Fon .es Theqterspielens sittenwidrig, weil "hier Menschen in Verkl ,'g und Verstellung - dem Habitus des Bösen - auftreten lind Rollen spielen - Männer die von Frauen und Gemeine die von Königen -, die ihnen nach der gottgewollten Ordnung nicht zukommen" .20 Zum anderen präsentierten die Theater Fiktionen, Lügengeschichten; sie konzentrierten sich auf die Durstellunq von Mord, Rebellion, Betrug und unerlaubter Liebe und .reizten damit zur Nachah-. mung; damit stellten sie insbesondere eine Gefahr für die Jugend dar. Diese puritanischen Einwände gegen das Theater teilten viele gutsituierte··Bürger der Stadt; ei~J.l).stituti.Qn,.gie sich "nicht in die fiierarchj~ .4.~rAl,itoritäten ul1d Kontrollenre) einbinden ließ, wurde uls Bedrohunq der zivilen Ordnung e.mpf\ln~en, die .!teterogene Zusammensetzunq des Publikums galf als Anämalie innerhalb des ansonsten so klar differenzierten. 9t?sellschaftlichen Lebens. DIe geographische Lage der Londoner Theater spiegelt diese zwiespältige Situation. Die Theater lieqen allesamt uußerhulb der Stcdtqrenzen. unterstehen clso nicht der [urisdiktion der stüdrisehen Behörden. Die privaten Theater .etablieren sich ebenfalls dort.wo sie der städtischen [unsdiktlon nicht unterworfen sind, auf dem ehemaligem Kirchenbesit.z des Whitefriors und des BlackInors Konvents. Die Karte auf der nächsten Seite zeigt - mit Ausnahme des weiter süd-westlich gelegenen Cockpits in der Drury Lane (ab 1616) - die wichtigsten Londoner Theeter.eJedes öffentliche Theater bot etwa :l.Q99 bis 3.000 Zuschauerinnen und Zuschauern Platz. In Anbetracht der Vielzahl dei Spielstätten und der jeweiligen Zuschauermengen waren die _$.Qrg.en der Ordnunqsbehörden sicherlich nicht ganz unberechtigt. Zudem waren die J.h_~ater im Norden und Süden der Stadt· jeweils Teile ganzer . Amüsierviertel, wohin sie ihr Publikum Gm hellichten Tag, während der normalen Arbeitszeit, lockten; davon profitierten dann auch die in unmittelbarer Nachbarschaft befindlichen Tavernen, Schänken und Bordelle.v- Das Publikum der öffentlichen Theoterrekrutierte sich aus allen qesellschoftlichen S"hi_c;!J.t~.n. Den "größten Anteil stellten Unterschicht und niederes Bürgertum [".] [a]uch die gesellschaftliche Oberschicht - von der gentry 17 lohn Donne's Poetry. Hrsg.: A. L. Clements. New York: London: Norton 1992, "Anotomy" 213-218 (S. 102). 18 Suerboum. Shakespeares Dramen, S. 95. 19 Suerboum, Shakespeares Dramen, S. 106. Das Elisabethanische Zeitalter, S. 432. Das Elisabethanische Zeitalter, S. 433. 22 Abb. noch Hussey, The World of Shakespeare, S. 42-43. 23 Vgl. grundlegend Gurr, Playgoing in Shakespeare's London und Gurr, The Shakespearean Stage. 20 Suerbcurn, 21 Suerbcum, fJ Das elisabethanische Theater 13 und den Mitgliedern der professions (z. B. Jurist" (ediziner) an aufwärts - war relativ stark vertreten"_24 Auffällig ,·,...if auch der hohe Anteil der jüngeren Generation, quer durch alle gesellschaftlichen Schichten. Im Prinzip standen die privaten Theater ebenfalls allen gesellschaftlichen Gruppen offen, jedoch schloss. hier der hohe Eintrittspreis von mindestens Six-pence dus wenlqer begüterte Publikumaus. 7 Rod Bull • SI'n,.d;\ch 1 The<>t'. ., ClfR~ENW!:LL '.' ~~~I!I~ol '2 Curtnln fortu" • (/"L"-\_ .... ,~ =~;~o',';:.~::;;;".",--'"-~-----,---,~/-., "~-- Szene als selbständige 4 Swan Einheit 1. The Theatre (1576-1597) - 2. The Curtain (ab 1576) - 3. The Rose (ab ca. 1587) - 4. The Swan (1595-1630/40) - 5. The Globe (1598-1613 [abgebrannt], wieder aufgebaut 1614; 1644 zerstört) - 6. The Fortune (1600-1621 [abgebrannt], wieder aufgebaut 1623) - 7. The Red Bull (1606-1663, in der späteren Zeit nur sporadisch benutzt) -8. The Hope (ab 1614 für Dramen genutzt, 1656 zerstört) - 9. Blockftiars (als privates Theater genutzt 1576-1584 und 1609-1642) - 10. Whitefriars (als privates Theater genutzt in den 1590er Jahren) - 11. Office of Revels (Sitz des Zensors) Elisabethanische Bühne 14 m:fJMU$·_,... Über das Innere der elisabethanischen Theater wissen wir - wie über andere Aspekte der Alltagswirklichkeit auch - recht wenig. Die folgende Rekonstruktionszeichnung berücksichtigt sowohl die wenigen erhaltenen zeitgenössischen Darstellungen als auch die seit 1989 in London durchgeführten Ausgrabungen und vermittelt eine anschauliche vorstellunq=: Renaissance und Theaterblüte in England Die nach drei Seiten offene Bühne wie auch das dichtgedrängt stehende und sitzende Publikum hatten tiefgreifende Konsequenzen für die Dramaturgie, die Struktur der dramatischen Texte. Als Wichtig~fe· Konsequenz ergibt sich die Konzeption der einzelnen Szene als selbständige Einheit, 1(1 bei einer vorhanglosen und nicht abdunkelbaren Bühne die leere Bühne die einzige Möglichkeit bietet, "einen Übergang zu einem anderen Ort und eine Unterbrechung des Zeitkontinuums zu symbolisieren".26 Wortkulisse Eine weitere Konsequenz der Bühnenverhältnisse ist der 'y~rzicht auf Kulissen, da diese einem Teil des Publikums die Sicht nehmen würden: Wo und wann eine Szene spielt, muss sprachlich vermittelt werden (Wortkulisse). Beispiel Die erste Szene in [ulius Caesar27 liefert ein anschauliches Beispiel für den geschickten Autbau einer solchen - detailreichen - Wortkulisse. Zwei Autoritütspersonen, erst später wird klar, dass es die Tri- 24 Suerbaum, Shakespeares Dramen, S. 35. 25 Abb. nach William Shckespecre: ritus Antronicus. Hrsg.: J. Bore. London; New York: Routledge 1995 (0:;; The Arden Shakespeare. Third Series). S. 5. 26 Suerbcum. Das Elisabethanische Zeitalter, 5. 422. 27 Der Einfachheit halber werden die Werke William Shakespeeres im Folgenden zitiert nach der Ausgabe: Ttve Notion Shakespeare. Based on the Oxford Edilion. Hrsg.: S. Greenblatt; W. Cohen; T. E. Howard; K. E. Maus. New York; London: W. W. Norton & Company 1997. EI Das elisabethanische Theater 15 bunen Flcvtus und Marullus sind, treffen auf e; Gruppe von Hand" werkem. Auf mehrere Sprecher und über d. .0109 der gesamten Szene I,I verteilt, informiert der Dramatiker sem Publikum über den Ort und die Zeit des Geschehens: die Handwerker wollen den Triumph Caesars sehen (J,1,29-30), sie und auch die Autoritätspersonen sind Römer (1,1,35). Ort der Handlung sind die Straßen Roms (1,1,31-41), das Kapitol und der Tiber werden zur Verdeutlichung mehrfach genannt (1,1,44; 57; 62), und auch die Zeit wird noch präziser bestimmt: "You know it is the Feast ofLupercal" (I,I,66). ; Moderne ,Wertung he-: ,Ql1cllu_ngsbetonte Konzeption der mystery plays, mit ihrer Ve .üpfunq VPn biblischen Stoffen.und derben Roufszenen, von Heilsgeschichte und Schwank, vermittelte strukturell wichtige Impulse. Die morality plays prägten sowohl mit der Dramatisierung des ethischen Entscheidungskonflikts eines .Individuums (vgl. z. B. in MAHLOWES Qr. Faustus) als auch mit der Vice-Fiqur (vgl. dazu unten S. 70 f) das Drama Shakespeeres und seiner Zeitgenossen. Mag der durch die Bühnenverhältnisse im öffentlichen Theater erzwungene Verzicht auf Kulissen manchmal als Mangel empfunden worden sein, so ermöglichte er andererseits eine immense Fle.xibilität.28 Die elisabethanisch-jakobäische Bühne· "einem talentierten und ehrgeizigen Dramatikel~ der ihre Gegebenheiten berücksichtigte und der bereit war, sein eigener Bühnenbildner, Techniker und Regisseur zu sein, größere Freiheiten [ein] [...] als eine kompliziertere und anspruchsvollere Bühne'l; zugleich förderte sie, "dµr_ch ihre _Uniµlängl.ichkeit indirekt die Anreicherung des Textes bis rdurrlte zur Grenze des sprachlich Möglichen",29 Tradition des antiken Dramas Wie die Bühnenverhältnisse die Dramaturgie, die Struktur der einzelnen Dramen beeinflussten, so wirkten auch die vielfältigen dramatischen Traditionen in die Dramen Shakespeares und seiner Zeitgenossen hinein. Aus der Antike übernahmen die Dramatiker (H~Differenzletunq von Komödie und Tragödie. Allerdings setzten sie sich mit Mischformen (z. B. Tragikomödie) sogleich über fast alle der sechs. traditionellen Unterscheidungskriterien (HistorizitaCrnora)ische Quulitöt, sozialer Stand und Redestil der Figuren, Stoff und Drumcnuusqcnqw) hinweg. Plautus und Terenz Dennoch verdenkt die englische Komödie der Tudor- und Stuartzeit FLAUTUS(ca. 254-184 v. Chr.) und TERENZ(ca. 195-159 v. Chr.), entscheidende Impulse: die logisch entwickelte Hendlunq. die Einteilunq i" Akte und Szenen und eine ganze Reihe von stereotypen Bühnenfiguren (z. B. den mUes gloriosus) und Bühnenkonventionen (z. B. Proloq- und Epiloqsprecherj.s! Seneca In gleicher Weise sind die Tragödien SENECAS(ca. 4 v. Chr.-65 n. Chr.) Geburtshelfer der eliscbethunischen Tragödie, wie die Übernahme ~en~cai'scher Motive (z..8. der zur Rache mahnende G.~ist oder das konnibqlistische Horrorbonkett) und technischer Mittel (z. B. Botenbericht) verdeutlichen.V . ' ..... , Tradition des mittelalterlkhen Dramas 16 . lC!tjiji!lß·> . Markiert die antike, im wesentlichen die lateinische, Tradition die eine Wurzel des ehsobethcrnsch-jckoböischen Dramas, so wichtig ist die heimische mittelalterliche Tradition der mysterY_.µD_g. mora/ity plays als zweite Wurzel. Die _9.b~~chslµngsreicl.le, weitg€- I Renaissance und Theaterblüte in England Das Elisubethanische Zeitalter, S. 423: "Man kann Szenen spielen dann irgendwo draußen zu irgendeiner Zeil" bei Tage -, man kann oder die Orts- und Zeitheschreibung breit ausführen und ins Symbolische weiten. " Suerbuum, Das Elisabethanische Zeitalter, S. 424-425. Vgl. Asmuth, E.inführung in die Dramenana!yse, S. 24-36. Vgl. Weiß, Shakespeare-Handbuch, S. 53-56. Vgl. grundlegend Brcden, Renaissance Iroqedy und MioJa, Snakespeare 28 Vgl. Suerbcum, 29 __ 30 31 32 uniocaiisiert lassen - sie ganz knapp lokalisieren und Metaphorische aus- and Classical Tragedy. D Das elisabethanische Theater 17 ti&Hi1EII o William Shakespeare: Eine Kurzbiographie Die Biographie William Shakespeares (15_6j::J_616.)gilt als die am besten dokumentierte Bürgerbiographie der Tudor- und Stuartzeit.! Dennoch bieten die erhaltenen Akten und sonstigen Quellen nicht die Informationen, die man vor allem seit der Romantik von einem Künstler dieses Ranges erwortete.? Shakespeare hatte - so bedauerlich dies auch sein mog - keinen ECKERMANN; Wäscherechnungen, private Briefe oder Tuqebuchnotizen sind wenn es sie denn jemals gegeben hat - nicht erhalten. Der bürgerliche Lebenslauf William Shakespeeres ist dagegen sehr gut dokumentiert.s . Bürgerleben Am 26_ April 1564 wurde William Shakespeare - nach der Eintragung im Kirchbuch - in der Pfarrkirche zu ;;tIQ!X9r._0getauft. Das genaue Geburtsdatum ist unbekannt; die traditionelle Festsetzung auf den 23. April, das Fest des Heiligen Georg, ist zwar bereits Teil der Shakespeare-Legende, mag aber durchaus zutreffen. Vater Williams war [2!:'_t:J_ SHAKESPsARE, ursprünglich W_gill~r:Qer und *c_h~r, der lv!_!lB.t.bß_[)_EN, eine Tochter aus gjFr_g_fntrY-[(j!lljlie geheiratet und damit denGrun.dst~I.I!_für seinen ...soziclen Auf§tieg gelegt hatte, Shokespeore ;;;,,(d~-zuin a;;g~s~h~nen Bü~ger sejneiKI~nstadt: der-er lange Zeit alsjal§llerr und 1568/69 als bailiff und FriedeI1srichtex dient~; Immobilienkäufe dokumentieren den zµ~~.hme-nde~· der Familie. rOHN und MARY SHAKESPE~R~~hatte'ri·Q~htiinder,von denen fünf die Ktndheit.überlebten: von diesen WQr WilÜq:·m der ..ölteste Sohn und das älteste derüberlebenden Kinder, "statistisch fast eine Durchschnittsfamilie" 4 In Stratford besuchte William die von überdurchschnittlich gut bezahlten Lehrern geleitete 9J ....Q_l11..f!I._Q.[Jchool; wann er diese verließ, wissen wir nicht. Aktenkundig wl.i"rde· er erst wieder um 27 _November 15_82. Die Ausgabe einer Lizenz für die .H~iratWjj, ~~q_tpsI?j_t8-J}..~"LJ:t~J1i.~~~X wurde beurkundet; einen Tag später fOlgie-'-gegen eine Bürgschaft von IC 40 die Dispens, ohne das ansonsten vorgeschriebene dreimalige Aufgebot zu heiraten. Dieses umständliche Verfahren war notwendig, weil die Ehe mit der ocht Jahre ctlt~ren.ANNE HATHAWAY l1!'ch vor der 'llTeihnachtszeit (vor dem L Advent)'geschlos-sen_werden sollte; denn ANNE·-war. schwonqer, Dies wiederum dokumentiert der Taufeintrog im Kirchbuch von Stratford vom 26_ Mai l~.cSuoANNA, TochterWillia_m Shckespecres. Am 2_ Februar l5ß5 wurden die Zwillinge Stratford HA' undIuurrx.qetuuft: !:lAMNETstcrb.mttelf Jahren, beide föchter Überlebten die Kindheit. Über das Eheleben der Familie Shokespecre. das Verhältnis der Eltern untereinander oder zu den Kindern, sind - wie für fast alle anderen bürgerlichen Familie dieser Zeit auch - keinerlei Unterlagen erholten. Zwischen 1585 und 1592 hoben wir keinerlei Jnformationen übei-Wi\llam ("the lost years"),watAnlass zii vielföltiqen Spekulotionen bot.> William Shaltespeare: BÜrger, Schauspieler und Dramatikei" london Sicher hingegen ist, dass yvilliomShokespeare 1592jn~ondon ist und sich offensichtlich bereits als Scheuspieler und Dramatiker einer .qewjssen Bekenntbett erfreute. Wann er nach London gekommen ist, wie er seine Karriere begann, oll dieses wissen wir nicht. 15.9.~_un<i159;! .veröffentltchte Sh"kespeQreseine beiden Versepen, Venus and AdOnis (1593) und TheRape ot Lucrece (1594), die e,i.I1.zi.9.e~. s.ei.n.~~W~r>~e,die er zweifelsfrei selbst iQ.. den Druck g!l.i<,Bereits Ende ~521_gehörte er - wie ein Rechnungsbeleg zeigt - zu den führenden. Mitgliedern der LordChambetiain's Men, der Teil an deren wirtschuftliehen Erfolgen hat: Seit 1596 legte Shakespeare kontinuierlich Geld on. 1599, noch .dern Bnu des <;;!qpe:lh_eCl!,e, wurde §ha_kespeare Teilheber (sharer) mit einem ~f1t,elJvon einem Zehntel. l--6Q§_,beider.Pochteines z\y~iten Theaters.ides B!9c~friarS, ist ShOkespeare_erneµt_ als Teilhaber bezeugt; diesesmal mit einem Siebtel. Sozialer Aufstieg Der wirtschoftliche Erfolg ging_ offensichtlich einher mit dem sozialen AufStie9_:Am 20. Oktober)~ verlieh das College of Arms lOHN SHAKESPEARE, Gentleman, und seinen Kindern und Kindeskindern das Recht, ein Wappen zu führen. Fortan führte William Shak_§sp~gIe.die Standesbezeichnung gentleman. Gentleman Das Selbstverständnis William Shakespeares verdeutlicht die Tatsache, dass er sich -während er in Londons Theaterwelt als Schauspieler, Dramatiker und Teilhaber Geld und Ruhm erwarb- durchgängig als" \<Vijl!arlJ_5h_akespeareofStr9t[Q!gYRon)jvpn, in the countty oIWQr.w.i~~!.gel1tIf:J!!9_r:(bezelcnnete:···ln Stratford und seiner näheren Umgebung legte er sein Geld in Immobilien, Wald-, Weideund sonstigen Nutzungsrech ten an, während er in Lond?l1- außer den finanziellen Einlagen für sein eigenes Thea·t~-~.::_. n·ur ·eben so viel investierte, um sich den an Haus- und Grundbesitz gekoppelten ~l(1_tuseinesVollbürgers ZU erhaltene Die in manchen älteren Shokespecre-Bloqrnphien kolportierte Vorstellung, Shakespeare Lohn VJ~hl~tcmd 18 a:i',iji!'H!I -; WHliam Shakespeare: Bürqer Schauspiele, und Dramatiker 1 Vgl. Bohz. Shakespeare-Handbu.ch, S. 132-179; Suerbcum. Shakespeares Dramen, S. 242-251. 2 Vgl. Schoenboum. Shakespeare's uves, bes. 99 ff. 3 Vgl. Schoenbaum, A Compact Docu.mentary Ure. 4 Suerboum. Oa.s elisabethanische Zeitalter, S. 349. 5 Vgl. die grundlegenden Untersuchungen von Schoenbcurn. Snokespeare's lives, bes. 41-96. Im William Shakespeare: Eine Kurzbloqrephle 19 ier Theaterleben hütte sich 1611, 1612 oder 1613 vom LOT zurückgezogen, ist - wie so vieles - Teil der L . .mdenbildunq: Die Vorstellung von 5tratford als Ruhesitz nach getanem Werk widerspricht nicht nur der Vorstellung eines gentleman von Daheimsein und Auswärtssein, von Geschäft und Muße, sondern sie steht auch nicht in Einklang mit der dokumentarischen Evidenz. Es gibt aus den späten Jahren, von der allerletzten Zeit abgesehen, genauso viele Zeugnisse, die Aufenthalt MeQ !, The Tomtnq of the Shrew, The Tempesl, Timort of Athens, Tw. . Night, The Two Gentlemen ofVerona, The Winter's Tale und 1 Henry VI9 Das Dramatische Werk Shakespeares und Tätigkeit in London bekunden, wie aus den Jahren vorher. 6 Vom 25. März 1616 datiert Shakespeares Testament; es besteht aus drei eng beschriebenen und jeweils vom Erblasser unterschriebenen Seiten. Dieses Testament, das umfangreichste persönliche Dokument Shakespeares, ist das TestQm~l1t eines wohlhubenden Bürqers, der sich bemühte, den Fnmilienbesitz weitqehend gesS;h.lo·.ssenan seine ..älteste Tochter ...~,l!SAßNA.."Y~iterzugeben und jedem, der ihm verbunden war, eine Erinnerungsgabe zu hinterlassen. Da die Theateranteile im Testament nicht eigens aufgeführt sind, wird man vermuten dürfen, dass er diese schon früher, vielleicht nach dem ll.nl.D.cld~s_<';lobe,Theqtre am 29. juni.l613, verkauft hatte. Testament Manuskripte Einen Monat nach der Unterzeichnung seines letzten Willens, am 2_3.:.!,pr[ll<;i16, starb William Shukespeure: am 26. April wurde er im Chorraum der Holy Tnntty Church in Strutford - wie es seinem Stand als gentleman entsprach - beqrcben. Tod und Beisetzung fj Die Texttradition Im jahre 1623, sieben jahre nach Shakespeares Tod, erschien in London die-berühmte - von ~l:ak~sp~ares Freundenund Schaus.piel~rkgllegen.j o..HU.l:I,':!i-;;CE" -~I1.dHE"R; CqNDELL herousqeqebene ..-::.lirst.Eo.ljo:7,.Mr.; WiUiqm ShQ~esp.eQ~.esComedies, Histoturs. ..§l" Tragedies.. In ihrer Vorrede geizten die Herausgeber nicht mit Krizu;ür erschienenen Drucken (Ilstolne, and surreptitious copies, maimed, and deformed by the frauds and stealthes of iniurious impostois"; und .9}~~g.s:pn"t~hten..Wrihre .Ausqcbe, ...q.i_.€. Texte nochdes Autorshqndschnftlichen "Irue OrhJinall Cppies" Zl.l. bieten. Achtz~-h~-·-d~~~j).~QmeI),die in die \ First Folio aufgenomme·n wurden, VI:'.0~~!L~_l!YQr_~S1i9.Q ..9}?. te.J9.UY. prei~we~E! Einzeldrucke. zunl_1_~il sogar...I.nel1xfq~h.".tro_.Qugr(Q-fQrllf.C1t8 erschienen. Diese achtzehn bereits gedruckten Dramen ergänzten die Herausgeber um weitere I:; achtzehn bis 1623 ungedruckte: AWs Well That Ends Well, Antony .' and Cleapatra, As You Like 11, The Comedy ot Errors, Coriolanus, Cym- First Folio tir cl·n beline, Henry VIII, [uiius Caesar, King [ohn, Maebeth, 20 tfJJJJiJlI§ ..-) • William Shakespeare: Bürger, Schauspieler und Dramatiker Measure for Diese s~~h.~.~D.g_dr~lß.~g. in die First Folio oufqenommenen - und wie viele Untersuchungen-"gezeigt haben, s9rgfältig edierten und gedruckten - Dramen konstituieren mit Perides und tlJe T~o Noble /(lnsrneri·das in _der Forschung allgemein akzeptierte drumutische Werke Shakespeares; darüber hinaus scheint die Beteiligung Shaj(esp'~ares"a;"-aer Gemeinschaftsproduktion The Book of Sir Thomas More gesichert. Die von den Herausgebern der First Folio vorgeblich benutzten Manuskripte Shckespeores scheinen ausnahmslos verloren zu sein. Die g,arnenShq.k.espeares waren ~pieltexte.Jür.das Jhe.at.l'l' und dies bedeutet, dass sie den [eweiliqen ..Verhöltnissen <;uJ.9~püsst, modifiziert und beständig überarbeitet wurde!" ,\,Q))r~,hein!ich tgjls~i!!i!,_t~U"<ih!le..fu;~iljgJ,l!,g,_c!~~,PI(l!l)Clti~ers.Der Verwendung eines Dramentextes als' Spielvorlcqe 'voraus gehen - so der Konsens der Forschung -·.z'µiheis~ zwei, wenn nicht drei Manuskriptfassungen: Di~:Iti..fWurfsfq_~§yrig,unter Umständen mit einer Vielzahl von Autoreii:V:-orrekturen ("rough_eapy" oder "faul papers"), eine~ }"{ei~schxtft;::~höufig angefertigt von einem professionellen Schreiber ("t'!~:~2P.i:l! und das p[Qrn{2t.,bQ9.~im Theater, der ullqemeine Arbeitstext. der mit der fair copy identisch sein konnte. In der Vorbereitung der Aufführung wurden darüber hinaus TeilManuskripte mit den einzelnen Rollentexten (und Auftnttsstichworten) angefertigt. Aus dieser frühen Phase der Manuskriptüberlieferung ist für kein Drama Shakespeares etwas erhalten; eine Ausnahme bildet die wahrscheinlich autographe Passage (Hand 0) in der Gemeinschaftsproduktion The Book af Sir Thomas More. QuartoAusgaben Die frühesten erhaltenen Versionen sind gedruckte Ausgaben, bei achtzehn der insgesamt 38 Dramen sind dies Quarta-Ausgaben, die noch zu Lebzeiten Shckespeeres oder kurz nach seinem Tod erschienen sind. Traditionell unterscheidet man bei diesen Quartos 92.".r1.guWtos und QQ!igµartos, wobei bei den goo.d gy_arios die relntjve Nähe zum First Folio-Text einen Druck nach elnemzuverlässigen Manuskript (zumeist faircopy oder prompt boak) nahelegt. 6 Suerbaum, Das eusabettuuuscne Zeitalter, S. 368. 7 Das Format erklärt die Bezeichnung: Ein Druckbogen wurde einmal gefalzt, wodurch 200ppetselten entstehen, von denen jeweils vorder- und Rückseite bedruckt wurden (= 4 Seiten). 8 Hierfür wurde ein Druckbogen zweimal gefalzt, wodurch 4 Doppelseiten entstehen, von denen jeweils Vorder- und Rückseite bedruckt wurden (;co 8 Seiten). 9 Vgl. insgesamt die Überstchtsmetnx unten S. 22ff. fJ Die Texttradition 21 Bad quartos gehen vermutlich. auf unzuve ( ge Manuskripte zurück, bei denen der Text von einem öder mehreren Schauspielern aus dem Gedächtnis rekonstruiert oder durch Mitschreiben im wurde, Änciere;se·it~··könnten, w~rauf insbesondere die neuere Forschung verweist, einige der traditionell als bad quartas eingeschätzten Texte durchaus auf gekürzte Spielversionen zurückqehen.l" In der Forschung heftig umstritten waren und sind insbesondere der Status der Quarta-Fassungen von Richard III (1597), King Lear (1608) und athello (1622), die darum auch gerne als "gg~"tIi!lguqztos" bezeichnet werden. Darüber hinaus ist auch nicht auszuschließen, dass Shakespeare selbst seine Dramen immer wieder überarbeitet hat: Von insgesamt sechs Dramen (Hamiet, athello, 2 Henry IV, King Lear, Richard II und Troilus and Cressida) scheint es jeweils zwei einigermaßen zuverlässige Textfassungen zu geben. Die von STANLEYWELLS und GARYTAYLOR herausgegebene Gesamtausgabe The Oxford Shakespearell druckte daher zwei Fassungen von King Leat, die Quarto- und die Folio-VersioD;12 die hier durchgängig zitierte Gesamtausgabe The Notton Shakespeare fügte noch eine dritte, aus Quarto und Folio synthetisierte Fassung hinzu. Th.~.9t~r ·he;g~~teiit Übersicht 22 Angesichts der vielen strittigen Detailfragen ist die im folgenden zusammengestell te Gesamtübersicht der textlichen Überlieferung der Shakespearedramen stark veretnfocht.P darüber hinaus sind bisher weder die relative Chronologie (besonders zu Anfang und gegen Ende der dramatischen Karriere) noch die Entstehunqszeiten einzelner Dramen absolut qesichert.i+ Als Abkürzungen werden durchgängig benutzt:Wii.r_goodquarto, bQ_für bad quarto, dQ für dQUb.tful.quarto undLfQIJj.!:j.t}:9.li_Q;~ . , .-- Titel Textliche Überlieferung Entstehungszeit Titus Andronicus The Taming ofthe Shrew 1 Henry VI 2 Henry VI 3 Henry VI Richard III The Comedy of Errors The Two GentlemaJl ofVerona Love's Labour's Lost Romeo and [uliet Q1-Q3, 1594-1611/F (1589-1594?) F,·f\1 bQ1-bQ3,1594-1619/F bQ1-bQ3,1595-1619/F dQ1-dQ6, 1597-1622/F (1589_1594?) (1591-1592) (1590-1592) (1590-1592) (1592-1593) F (1590-1594) F (1590-1598) (1593-1595) 1liiiIDl!iI:"; ·:(\\0 F Q 1598/F bQ1, 1597; Q2-Q4, 1599-1622/F William Shakespeare: Bürqer, Schauspieler (1591-1597) und Dramatiker Titel AMidsummer Night's Oreom King lohn Richard II The Merchanl ofVenice 1 Henry IV 2 Henry IV The Merry Wives ofWindsor Henry V [uiius Caesar Much Ado Aboul Nothing As You Like It Twelflh Night }' Hamlet Troilus and Cressida All'> Weil Tlrat Ends Weil Measure for Measure Othelio Il< King Lear ~Macbelh 10 Vgl. Creenblott, "General Textliche Überlieferung Entstehungszeit Q, 1600; 1619/F F Q1-Q5, 1597-1615/F (1594-1598) (1591-1598) (1594-1595) Q, 1600; 1619/F QO (Fragment) Q1-Q6, 1598-1622/F Q, 1600/F (1594-1597) bQ, 1602/F bQ1-bQ3, 1600-1619/F F (1597-1602) (1599) (1599) Q 1600/F (1598-1600) (1598-1600) (1600-1602) F F bQ1, 1603; Q2, 1604-1605; Q3, 1611; Q40·1./F Q, 1609/F F F dQ, 1622/F dQ, 1608; 1619/F F Introductton", (1596-1597) (1597-1598) (1599-1601) (1601-1603) (1601-1604) (1603-1604) (1603-1604) (1605-1606) (1606-1611) S. 70-71. Hrsg.: Stanley WeHs; Gcry Taylar. Oxford: Oxford ur 1986. 12 vgl. Greenblatt, "General Introduction", S. 73: »[...] the editors glanced longingly at tne impractiml out alluring possibility ofinc/uding twa texts of Hornlet. Othello, and Troilus". 13 Folgende Details sind dennoch wichtig: 1. Oie Frage, ob die Quarta-Versionen von The Taming of a Shrew als bad quartos von The Tammo of the Shrew aufzufassen sind, scheint noch nicht gelöst. 2. QI-Q3 von Titus Andronicus enthalten die für die dramatische Konzeption wichtige Szene lll.Z nicht. 3. Q1-Q3 von Wchard II enthalten - vermutlich aufgrund des Einspruchs der Zensurbehörde - die Absetzunqsszene in IV,l nicht, wahrend Q4 und Q5 diese in einer text11 The Oxford Shakespeere. lich zweifelhaften Fassung bieten. 14 Die Gesamtübersicht fasst im Wesentlichen die Einzelinformationen von Gabler, SnacespeoreHandbuch, S. 209-251 zusammen und orientiert sich in der relativen Chronologie und den Entstehungszeiten der Dramen cn der dortigen Synopse S. 250-251; vgl. die insbesondere in der relativen Chronologie geringfügig abweichende Synopse bei Suerbcum, Shakespeares Drcmen, S. 325-327. fJ Die Texttradition 23 Titel Textliche Überlieferung An!'ony and Cleopatra Timoll of Athen.<; F F F bQ1-bQ6, 1609-1635/ nicht in F; F3, 1664 Coriolanus Pericles tstehungszeit \1606-1608) (1605-1608) (1605-1610) Cymbeline The Winter's Tale The Tempest Henry VIII The Two Noble F F (1606-1608) (1608-1611) (1610-1611) (1609-1611) (1612-1613) Kirismen nicht in F/o, 1634 (1613-1614) Moderne Ausgaben Gesamtausgaben Einzelausgaben F F lIlfilIIilllll ") Die Verfasse ~gr:-aphie~ jenem - Dem modernen Lese- und Theaterpublikum 15 sind die Dramen Shakespeares in einer Vielzahl von unterschiedlichen Editionen zugänglich, Grob kann man Gesamtausgaben und Einzelausgaben unterscheiden; Zwischenformen sind recht selten. Für die schnelle Lektüre oder das Nachschlagen einer bestimmten Szene bietet sich eine Gesamtausgabe an, für die intensive Beschäftigung mit einem einzelnen Drama in aller Regel eine kompetent eingeleitete und kommentierte Einzelausgabe. Für diese in der langjährigen Unterrichtspraxis bewährte Kombination sind die folgenden Gesamt- und Einzelausgaben besonders gut geeignet:16 Die größte Anhängerschor Edward de Vere, ur 17th Earl of Oxford, als Beispiel 1986, Hrsq.: Stephen Greenblatt; Walter Cohen; [eun E, Howard; Kotherme Eisaman Maus. New York; London: W W Notton & Company 1997, The Norton Snakespeare. Bcsed on the Oxford Shckespeure. The New Stiokespeate [New Cambridge Snckespeare]. Hrsq.: Wilson. Cambridge: Cambridge , J, Dover ur 1921-1966, wllllem Shakespeare: Bürger, Schauspieler und Dramatiker Gegenargumente hat gegenwärtig wohl ~DWARD OE hinter sich versammelt, wie die Gründung··einer eigenen Gesellschaft und das von dieser im Internet betriebene Diskussionsforum zeigt. Die Argumentation der sog. OxfordiQn~:r ist durchaus repräsentativ, wenngleich nicht ganz so -i·öricht'~'j~ ~iele ähnliche Versuche, den wahren Verfasser der Werke Shakespeares zu identifizieren. Qt~.Oxfordiuner verfolgen im Grunde il:tr,Ziel mit einer recht einfachen, zweigeteiltenArgumentä!t<?~nske11~:_I8 Zum einen stilisieren ste den Stratforder Shakespeare --zu einem ungebildeten, kaum des Schreibens kundigen Bauernbursehen: zum anderen präsentieren sie mi.tE_qWARDOE VERE, 17th Earl of Oxford. den ihrer Meinung nach besseren Kandidaten für die Verfnsserschcft. DieserAristokrat wird denn zum eiqentlichen Verfasser derWerke Shakespeares erklört, der den,l11ittelmdßigen Schauspielel""us.Strattord lediglich als Strohmann vorgeschoben hobe. Als Grund für diese Mystifikation verweisen die Oxfordianer auf die m(l11gelrr~e Reputation des TheatersEnde des 16, [ohrhunderts. Y_l~E, 17t!1 Eqr] ofOxford, The Osterd Shakespeate. Hrsq.: Stanley Wells; Gary Toylor, Oxford: Oxford :haftsfrage Die fust religiöse ,yeJ~,hIl!ng, die dem Werk Shukespeares ,_eit der Rorri"QrltTkzuteilwurde, führte angesichts der dokumentierten Biodes Dromotikers wiederholt zu Imtcnonen. I\QQn~e ein solches Werk von Ewigkeitsgeltung von jenem nur in sein·er~bürgerlichen Existenz gut bezeugten William Shakespeare, gentleman, stam.men? Ein klares individuelles ,..-: Nein . ...•.. .._....-auf diese Frage fÜhrte seit Beginn des 19, Jahrhunderts zu' einer nicht abreißenden Kette von - Versuchen, eben dokumentarisch gut bezeugteh--- b~igerlich erfolgreichen Kaufmann und Investor das literarische Werk abzusprechen. Mehr als sechzig Kandidatinnen und Kandidaten wurden mit z. T. skurrilsten Begründungen als die wahren Verfasser der Drornen. Versepen und Sonette Shakespeares ~·~~Eex yorgeschlagen: u.o.. Ct!RISTOPHER MARLOWE, FRANCIS BACON,_.ANNE .HATHAWAY, KÖNIGIN EUSABETH 1., wILLiÄ"M STAN~ty,"6th Earl of Derby, RÜGERMANNERS,5th Earl of Rutland und EDWARD OEVERE,17th Earl of Oxford.!? Zweifel an der Verfasserschaft The (New) Arden Snakespeare. Hrsq.: Uno Ellis-Ferrnor: Harold E Brooks: Herold [enkins. London 1951-1982 [seit 1995 erscheint eine neue Arden-Ausgabe] The New Cambridge Stiakespeare. Hrsq.: Philip Brockbank. Cambridge: Cambridge UP 1984 ff The New Oxford Stickespeare. Hrsq. Stonley Wells. Oxford: Oxford UP 1982 ff Englisch-deutsche Studienausgabe der Dramen Shakespeares. Hrsg.: Andreas Fischer; Werner Habicht; Ernst Leisi; Ulrich Suerbuurn. Tübingen: Francke 1976 ff 24 o , " Zunächst einmal ist festzuhalten. dass alle Versuche der Oxfordioner .gescheitert sind, Shakespeerezumdes .$chrefben;5'ünkundigen Bauern zu stilisieren. Darüber hinaus besitzen wir über die ;> 15 Über die Editlonsgeschichte informiert Gabler, Shakespeare-Handbuch, S. 229-245. 16 Vgl. die kritische Besprechung dieser und weiterer Editionen bei Suerbaum, Snocespeares Dramen, S. 312--318. 17 Vgl. Schoenboum, Snokespeare's Lives, S. 385-451. 18 Vgl. die Zusammenfassung der - bisweilen mit geradezu grotesken Missverständnissen aufwartenden - Thesen der Oxfordicner bei Klier; vgl. dagegen die Argumente von Meiler. ~ Die Verfasserschaftsfrage 25 hat: nriftliches Manuskript eines Dramas, sich gemäß der Verschworungs- und Mystifikationstheorie der Oxfordianer uminterpretieren ließen. Umqekehrt ist das Nichtvorliegen einer Verschwörung, die Nichtexistenz einer Mystifikation prinzipiell nicht beweisbar. Angesichts der historisch reich dokumentierten Biographie und der einhelligen Identifizierung des Schauspielers, Theaterteilhabers und Dramatikers Shakespeares mit dem Bürger Strotfords durch seine Londoner Kollegen, besteht jedoch kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln, dass er der Verfasser der unter seinem Namen überlieferten Werke ist. meisten der ~git9.~n9ssische~Dr9~ati.ker (z. r I?~AS, KYD, J9.~~ VYE.BSJ~R ...und f?I-IN FORD) sehr viel weniger broqrophische Informationen als über Shakespeare; dieses zur Kenntnis zu nehmen, weigern sich die Oxfordianer freilich beharrlich. Nimmt mon einmal hypothetisch an, die Oxfordianer hätten recht, welchen Sinn hätte dann die Mystifikation mit dem Verfassernamen Williom Shakespeare bei den Versepen oder den Sonetten? Sonette oder Versepen zu verfassen, wäre selbst für ein Mitglied des Hochadels nichts Ehrenrühriges; in der Tat verfasste z. B, EOWAROOE VERE,17th Earl of Oxford, Sonette, die sich freilich mit denen Shakespeares nicht messen können.'? Nimmt man nochmals hypothetisch an, die Oxfordianer hätten recht, so müssten in dieses Ko Plott zumindest die Schauspieler- und Drumatil11 ke,koll~9"n Sh_akespeares, die Zensurbehörde. der Staatsrat und die Köniqin selbst eingeweiht gewesen sein, die allesamt eisernes Schweigen bewahrten; eine killlm_g)_aubliche.Y9.rsjellung .. Gegenprobe In einem haben die Oxfordianer recht: Es gibt kein Dokument, das zweifelsfrei bestätigt, dass William Shake~pe(:ue,. gentleman aus Strutford, auch der Verfasser der unter diesem Nornen überlieferten . Drnmen, Versepen und Sonette ist. Die Frage, die kein Oxfordianer stellt, ist jedoch, wie denn ein solches Dokument beschaffen sein könnte, das auch sie überzeugt. In seinem Testament konnte Shakespeare seine Werke nicht erwähnen: Die Versepen hatte er erstmals 1593 und 1594 in den Druck gegeben, die Sonette waren 1609 erschienen, über die Manuskripte seiner Dramen konnte er - selbst wenn er dies gewollt hätte - keine Verfügungen treffen, da diese nicht ihm, sondern der Schauspieltruppe gehörten. Nehmen wir nochmals hypothetisch an, wir hätten das Protokoll einer offiziellen Aussage von z. B. Ende April 1597 vor dem Staatsrat, wonach Shakespeare einen Eid darauf ablegte, dass die unter seinem Namen !izensierten, gespielten und gedruckten Dramen auch von ihm eigenhändig verfasst wären, was würde das ändern? Die Oxfordianer hätten selbst für ein solches Dokument schnell eine Erklärung: Vielleicht hätte die Gefahr einer Enttarnung bestanden; jedenfalls hätte EOWARDDEVEREsich genötigt gesehen, den Strohmann Shakespeare zur Beschwichtigung aller möglichen Gerüchte vor den Staatsrat zu schicken. Im übrigen schiene die ,Falsch-Aussage' Shakespeares ja auch fürstlich honoriert worden zu sein, wie der am 4. Mai 1597 beurkundete Ankauf von New Place, einem der gröf~ten Anwesen in Strotford. beweise. Verschwörungstheorie und flktlves . Szenario Das einzige, was dieses - mit Ausnahme des tatsächlich am 4. Mai 1597 beurkundeten Ankaufs von New Place - frei erfundene Szenario zeigt, ist die Tatsache, dass alle vorstellbaren, die VerfasserschaftWilliam Shakespeares bestätigenden Dokumente, selbst ein Wertung 26 Itt;igen, '") Wlillam Shakespeare: Bürqer, Schauspiele, und Dramatiker i.. 119 Weitere ·7Y·- Detailprobleme, wie z. B. des Sterbejahr de Veres (1604) mit der gesicherten späteren Datierung einiger Dramen (7... B. The Tempest) zu vereinbaren ist, übergehe ich. o Die verfasserscheftsfraqe 27