346 M e i e r , Beitrag z. Kenntnis d. bakteriziden Eigenschaften d. Kuhmilch. wie: schroffer Temperaturwechsel, veränderte chemische Reaktion, wechselnder osmotischer Druck usw. können, wie wir früher zu konstatieren Gelegenheit hatten, nicht als Ursache für die interes­ sante Erscheinung der Bakterizidie der frischen Milch in Betracht fallen. Es ist nicht zu verkennen, daß die genannten Faktoren, je nachdem der eine oder andere zur Wirkung gelangt, die Wirkung der bakteriziden Kräfte der Milch zu steigern oder zu vermindern vermögen. Von verschiedenen Forschern ist nun festgestellt worden, daß der Milch, speziell dem Milchserum, die gleichen bakteriziden Schützstoffe zukommen, wie dem Blute und anderen Körpersäften. Da ja die Milch zum Teil Transsudat aus dem Blut, zum Teil Zellsaft darstellt, so kann es nicht wundernehmen, daß die bakterientötenden bzw. -hemmenden Stoffe, die dem Blute eigen sind, auch in der Milch nachgewiesen werden können. Auf diese Weise zustandegekommen, würde also die spezifisch bakterizide Wirkung des frischermolkenen Eutersekretes nichts anderes sein, als eine Äußerung der natürlichen Immunität des Körpers. Nach L e h m a n n und N e u m a n n (15) beruht die natürliche Immunität des Körpers im Vorhandensein folgender Stoffe: * 1. L e u k o z y t e n . Sie sind in der Lage, Bakterien aufzunehmen und zu verdauen. Nach M e t s c h n i k o f f spielen namentlich polynukleäre Leukozyten bei der angeborenen Immunität eine große Rolle. 2. L e u k o z y t e n s t o f f e . Sie töten im Innern der Leukozyten die Bakterien ab; es wird aber auch angenommen, daß sie aus den lebenden Leukozyten als thermolabile Schutzstoffe (Komplemente) ins Blut sezernieren. 3. I m m u n k ö r p e r o d e r A m b o c e p t o r e n , d. h. im Serum gelöste, thermostabile Substanzen, die sich an die zu ihnen passenden Bakterien anlagern. 4. K o m p l e m e n t e , d. h. im Serum gelöste, thermolabile Substanzen, welche die mit den Immunkörpern oder Amboceptoren beladenen Bakterien abtöten resp. auflösen. 5. A n t i t o x i n e , die Bakteriengifte chemisch binden und damit unschädlich machen. Neben dieser durch die Äußerungen der natürlichen Immunität des Körpers bedingten Bakterizidie der Milch, wäre es nun auch denkbar, daß die Wirkung der keimhemmenden Kräfte durch eine lokalisierte, erworbene Immunität der Milchdrüse selbst verstärkt wird. Es ist anzunehmen, daß die durch den Zitzen­ kanal ins Euterinnere eintretenden Bakterien in vielen Fällen Gegenmaßregeln des Drüsenepithels zur Folge haben, die darin bestehen können, daß an der Stelle, wo die Bakterien eingedrungen sind, Amboceptoren gebildet werden (es wird angenommen, daß neben der Milz, dem Knochenmark und den Lymphdrüsen auch die Stellen, wo Bakterien in den Körper injiziert werden, als Bildungsstätte der Amboceptoren in Betracht fallen), die sich an die eingedrungenen Spaltpilze anlagern; ebenso können auch Agglutinine, Präzipitine auf diese Weise entstehen. Wie wir schon angeführt haben, wird angenommen, daß die Leukozyten thermo­ labile Schutzstoffe, sogenannte Komplemente, aus dem Innern der Zelle in die Flüssigkeit heraustreten lassen — zweifellos wird