360 Medicinisch-pharmaceutische Botanik. des lebenden Organismus Bakterien und Fäulniss auftreten und Thier- und Pflanzenleichen oft in kurzer Zeit von innen heraus in Verwesung gerathen. Wo keine Fäulniss erfolgt, beruht dies nicht auf mangelnder Infection, sondern auf dem Fehlen der chemischen und physikalischen Bedingungen für Erzeugung der Bakterien wie für deren Wirkung. — Das Ferment der Gährung ist ebenfalls ein Organismus, welcher durch seine Lebensthätigkeit eine uner­ schöpfliche Werkstätte neuer, aus der Umgebung producirter Kräfte darstellt. Die Producte der Gährung bestehen in Kohlensäure und gewissen anderen Säuren, sowie in Alkohol. Das Gerinnen der Milch (Milchgährung) beruht (von der künstlichen Gerinnung durch Lab abgesehen) auf Bildung der Milchsäure durch Zersetzung des Milchzuckers. Dasselbe wird hervorgerufen durch die Milchbakterien, welche binnen kurzer Zeit in der warmstehenden Milch durch Umbildung der organisirten Milchbestandtheile, wahrscheinlich der Milchzellen, spontan entstehen und zwar selbst bei vollständigem Abschluss von freiem Sauerstoff. Sie sind morphologisch den gewöhnlichen Fäulnissbakterien sehr ähnlich, physiologisch aber völlig différent, da sie Milchsäuregährung, aber keine Fäulniss erregen. Durch Kochen wird die Milch so verändert, dass die Entstehung der Milchbakterien ganz verhindert oder ihre Qualität wesentlich modificirt wird. Die Käsegährung, nämlich die Er­ zeugung von Buttersäure, ist für aus spontan geronnener Milch bereitetem Käse nur ein weiteres Stadium der Milchsäuregährung; auch die Bakterien der Buttersäure sind mit den Milchsäurebakterien morphologisch identisch. Wahrscheinlich gilt dies auch für die Käsebereitung, bei welcher die Gerinnung der Milch künstlich durch Lab hervorgerufen wird. Die Brodgährung wird in der Regel durch Uebertragung eines Fermentes, des Sauerteiges, erzeugt. Derselbe verdankt sein Infectionsvermögen Bakterien (Bacterium farinaceum), welche den Milchbakterien in Form und Grösse gleichen, aber auch innerhalb der Mehlsubstanz, nämlich vorzugs­ weise in den den Eiweisskörper des Getreidekorns bekleidenden Kleberzellen, spontan entstehen können. Auch sie sind physio­ logisch von den vorerwähnten verschieden. Bakterien können aber auch weingeistige Gährung — beim Fehlen jeglicher Spur von Hefe — hervorrufen; demnach hemmen die der Bierwürze bei­ gemengten Bakterien die Wirkung der Hefezellen nicht, sondern unterstützen dieselbe. — Auch das noch nicht näher bekannte flüssige Ferment der Diastase wird nicht nothwendig durch die Thätigkeit der keimenden Pflanze, sondern wesentlich durch Bakterien oder durch einen in Beziehung zur Bakterienbildung stehenden eigenthümlichen Zustand des Protoplasma gewisser Zellen erzeugt, und zwar erzeugen am keimenden Getreidekorn das Skutellum und die daraus hervorgegangenen Bakterien die Stärkediastase, während den Albumenbakterien ausschliesslich die Pro­ duction der Cellulosediastase zukommt. In gleicher Weise erfolgt behufs Ernährung der neuen Triebe die Auflösung der in den Zwiebeln, Knollen und Rhizomen aufgespeicherten Stärke in Zucker und wahrscheinlich auch der Eiweissstoff in Pepton durch tanzende