FASE 3 SCHEDA 1.14 Die neue Waldfunktion „Klima-Schutzwald“ als viel versprechende Option für die Realisierung des Parco Nazionale Locarnese Andreas Speich, dipl. Forsting. ETH/SIA/IUCN Dicembre 2012 Zusammenfassung Die Wälder im zukünftigen Parco Nazionale Locarnese (PNL) haben eine naturschützerische Bedeutung von internationalem Wert, weil sie sich über eine kurze Distanz, über eine grosse Höhenstufung und ein beachtliches ökologisches Spektrum ausbreiten. Sie sind weitgehend in einem Zustand, der eine freie Entwicklung zulässt, weshalb viele wertvolle Waldreservate oder zumindest ökologisch wertvolle Wälder mit hoher Biomasse geschaffen werden können. Diese ermöglichen wegen ihrer räumlich engen Nachbarschaft eine hohe Vernetzung des Naturareals. Die Leistung der Wälder mit hoher Biomasse (grossem Holzvorrat) ist für den Klimaschutz von erheblicher physischer und geldwerter Bedeutung und sollte den jeweiligen Waldeigentümern vergütet werden. Die Schritte für die Umsetzung dieser finanziellen Waldleistungen sind in der “RoadMap“ Abschnitt 2.3. dargestellt. Es werden Überlegungen zur Preisbildung von CO2-Attesten vorgestellt. Klimaschutz dank Waldreservaten ist eine absolut prioritäre Aufgabe eines waldreichen Nationalparks. INDEX 1 1. GENERELLE GRUNDLAGEN 2 1.1 WARUM KLIMASCHUTZ ? 1.2 DAS INTERESSE AM CARBON-OFFSET 1.3 CARBON-OFFSET IM WALD FÜR DEN KLIMASCHUTZ 1.3.1 DIE FUNKTIONSWEISE DES KLIMA-SCHUTZWALDES 1.3.2 QUANTITATIVE ASPEKTE DES KLIMAWIRKSAMEN CARBON-OFFSET IM WALD 1.3.3 DIE GELDMÄSSIGE BEWERTUNG DES CARBON-OFFSETS IM KLIMA-SCHUTZWALD 1.4 FAZIT AUS DER DISKUSSION DER GENERELLEN GRUNDLAGEN 2 3 5 5 5 6 7 2. DAS CO2-ATTEST (ATTESTATO CO2) 8 2.1 DIE STANDARDS DER CCBA 2.2 ÜBERLEGUNGEN ZUR PREISBILDUNG FÜR CO2-ATTESTE 2.3 DAS KONKRETE CO2-ATTEST — ROAD MAP FÜR DAS WEITERE VORGEHEN 2.3.1 SELBSTÄNDIGE INWERTSETZUNG DES CO2-ATTESTS DURCH DAS NATIONALPARK-PROJEKT LOCARNESE A: GENERELLE ROAD-MAP: B: PILOT-VERSUCH ONSERNONE, EXPRESS-ROAD-MAP FÜR SBB ODER FILMFESTIVAL LOCARNO 2.3.2 OUT-SOURCING AN MYCLIMATE, KLIMANEUTRAL ODER SOGAR KLIMAPOSITIV ? 2.4 RISIKEN DES CO2-ATTESTS 2.4.1 WALDBRAND 2.4.2 WINDWURF, INSEKTEN-, KRANKHEITSKALAMITÄTEN UND ANDERE EREIGNISSE 8 9 10 10 10 12 12 13 13 13 1/13 1. Generelle Grundlagen 1.1 Warum Klimaschutz ? In der globalen Klimaentwicklung, welche einen langsamen aber sehr dramatischen Temperaturanstieg der Atmosphäre verursacht, spielen die Treibhausgase (THG) eine entscheidende Rolle. Es sind verschiedene gasförmige Substanzen als verantwortlich für den Temperaturanstieg identifiziert worden, aber vermutlich spielt auch Feinstaub im Nanobereich eine Rolle. Abbildung 1: Erwärmung der globalen Temperatur bis 2100, je nach Klimamodell und Wirtschaftsentwicklung. in den Prognosen der acht global im Klimafach führenden wissenschaftlichen Institutionen1. Von den gesamten in der Luft vorhanden Substanzen, die als THG für den exponentiellen Anstieg der Atmosphären-Temperatur eine Rolle spielen, sind möglicherweise weit über die Hälfte natürlichen Ursprungs, wie zum Beispiel der Wassergehalt der Luft. Ganz ohne diese hätten wir auf der Erde bereits wieder eine lebensfeindliche Eiszeit. Der andere Anteil dieser Substanzen ist von den Menschen verursacht, in erster Linie das Kohlensäuregas (Kohlendioxyd) CO2. Dieses stammt hauptsächlich aus der Verbrennung von Öl, Gas, Kohle, Holz und anderer Biomasse. Zwar kann rund die Hälfte des global z.B. aus vulkanischen Quellen entweichenden CO2 und der von der Weltbevölkerung verursachten CO2-Emissionen auf natürliche Weise in den Meeren absorbiert werden. Die andere Hälfte führt zu einem Anstieg des CO2-Gehalts der Luft. Die gefährliche Klimawirkung des CO2 ist heute allgemein bekannt. Weniger beachtet wurde die bisher geringe in der Luft vorhandene Menge Methan. Es verursacht insgesamt möglicherweise bis zu ¼ des globalen störenden Klimaeffekts des CO2. Methan ist pro Mengeneinheit 23 x klimaschädlicher2 als CO2. Es hat seinen Ursprung zur Hauptsache in natürlichen Prozessen, die durch die zunehmende Erwärmung beschleunigt werden (Auftauen der Permafrostböden im Norden). 1971 wurde erstmals im Schwarzen Meer das Methaneis (Methanhydrat) entdeckt, das inzwischen in gigantischen Mengen an den Kontinentalabhängen in der Tiefe der Ozeane gefunden oder vermutet wird. Bei einem geringen Temperaturanstieg des Wassers kann das Methaneis destabilisiert werden und in Zukunft in die Atmosphäre gelangen. Eine weitere Beschleunigung der globalen Temperaturen wäre die Folge, welche das Leben in vielen Regionen der Erde bald unmöglich machen könnte. Allerdings kann sich Methan in der an Sauerstoff reichen Luft natürlich zersetzen, mit einer Halbwertszeit von etwa 14 Jahren. Aus Methan entsteht dann CO2 und Wasser. Es brennt hervorragend, wird aus Erdgas oder als Biogas gewonnen und für thermische Zwecke verwendet. Eine grosse semianthro-pogene Quelle von Methan sind die Wiederkäuer-Haustiere, vorab das Rindvieh und auch die bewässerte Kultivierung von Reis. Für den globalen Klimawandel ist es gleich bedeutend, ob 1 kg CO2 oder 23-mal weniger, mit gleicher Klimawirkung, nämlich 44 Gramm Methan in die Luft gelangen. Die diversen Treibhausgase hindern die Wärmeabstrahlung der Erdoberfläche im Infrarotbereich, während sie die kurzwelligere Wärmeeinstrahlung des Sonnenlichts weitgehend auf die Erdoberfläche durchdringen lassen. Das führt zu einer gefährlichen Zunahme der globalen Temperatur der Atmosphäre, der Ozeane und der Landmassen. Die Commission Internationale pour la Protection des Alpes (CIPRA) gibt in ihrem Jahresbericht 2011 an, die Durchschnittstemperatur in den Alpenregionen habe sich seit dem Jahr 1900 um ganze +2°C erhöht. Das ist doppelt so viel, wie in der unten abgebildeten NASA-Kurve. Diese Klimaänderung hat die Gletscher schwinden lassen. Der weitere sich beschleunigende Anstieg der Konzentration der THG und der globalen Temperaturen ist absehbar. Es sind keine optimistischen Prognosen möglich, weil die Massnahmen zur globalen Emissionsreduktion nicht greifen. Die grössten CO2-Emittenten wie die USA, Russland, China, Brasilien sind dem Kyōto-Prozess fern geblieben sind und neuerdings hat sich auch Kanada zurückgezogen. Die UNO rechnet bis im Jahr 2035 mit einer Migration von 250 Millionen Menschen aus südlichen Ländern, die als Klimaflüchtlinge eine neue Heimat suchen, wo sie dem Hungertod, Verdursten, Ertrinken, Krankheit oder der zunehmenden Gewalt entrinnen können. 1 2 http://en.wikipedia.org/wiki/CO2 http://en.wikipedia.org/wiki/Greenhouse_gas 2/13 Wie sich die globale Temperatur auf das jeweilige regionale und lokale Klima im Einzelnen auswirken wird, ist noch schwer vorauszusagen. Man rechnet jedoch mit grösserer Variabilität, das heisst mit der Häufung von Extremereignissen, seien es Stürme, Trockenperioden oder Überschwemmungen. Jedenfalls ist heute schon klar, dass der Meeresspiegel ansteigen wird, weil an den Polkappen das Eis schmilzt. Bis zum Jahr 2100 wird vom IPCC3 in der Arktis ein Temperaturanstieg von über +7.5°C erwartet. Das Polareis in der Arktis wird bald jeden Sommer fast vollständig verschwinden, mit gravierenden Folgen für den Verlauf wichtiger Meeresströmungen im Nordatlantik. Die Erwärmung der globalen Erdatmosphäre scheint in jüngster Vergangenheit rascher zuzunehmen, als die Prognosen bisher voraussagten. Klimaforscher der ETH haben kürzlich das Klimaziel von maximal +2° C Erwärmung als unerreichbar erklärt und auf +4° C revidiert. Die Ozeane erwärmen sich wegen ihrem grossen Volumen zwar nur sehr langsam, aber messbar. Mit der Zeit wird das wärmere Meerwasser stärker verdunsten: viel mehr Wolken und Niederschläge! Es wäre eine problematische Hypothese, zu meinen, mit dem globalen Temperaturanstieg gehe zwingend auch überall zunehmende Trockenheit einher. Ob das Klima im Projektgebiet in Zukunft „waldfeindlicher“ oder „waldfreundlicher“ sein wird, ist noch sehr ungewiss4. Im Frühjahr 2013 wird der an der Universität Bern kompilierte, neue 6-Jahresbericht des International Panel on Climatic Change (ICPP) veröffentlicht werden, welcher alarmierend sein wird. Abbildung 2: Die obige NASA-Grafik5 zeigt, dass der globale Temperaturanstieg erst etwa seit 1985 statistisch eindeutig nachweisbar wurde, obwohl der finnische Forscher Svante Arrhenius schon vor 117 Jahren (1895) vermutete, die anthropogene CO2-Anreicherung in der Atmosphäre werde die Erdtemperatur erhöhen und daraus folgerte6: „Der Anstieg des CO2 wird zukünftigen Menschen erlauben, unter einem wärmeren Himmel zu leben.“ (Rote Kurve von A. Speich ermittelt.) 1.2 Das Interesse am Carbon-Offset Jede Aktion, die sich gegen die Erhöhung der globalen Temperaturen durchsetzen kann, findet bereits öffentliche Anerkennung. Diese dürfte um Faktoren grösser werden, als die Wertschätzung des reinen Naturschutzes. Es sind in den letzten Jahren globale Bemühungen in Gang gesetzt worden (u.a. Kyōto-Prozess) um den weiteren Anstieg des CO2 in der Atmosphäre aufzuhalten. Die schweizerische und die internationale Umweltpolitik versuchen die CO2-Emissionen zu verringern. Mit der Einsparung und letztlich mit dem Ersatz von CO2 emittierenden Karbon-Energieträgern (Kohle, Erdöl, Erdgas, Biogas und Holz) können zudem Kosten gespart werden. Es steht heute fest, dass die globale Energieversorgung ohne Karbon- und ohne Nuklearenergie komfortabel möglich wäre. Wind- und Solarenergie stehen in geeigneten Gebieten (Atlantik, Mittelmeer, nordafrikanische Wüsten) in schier unbeschränkter Menge zur Verfügung. Die „Klimareparatur“ kann, neben dem Verzicht auf jede Form von Karbonenergie, in beschränktem Ausmass durch die Fotosynthese in gewissen Wäldern erfolgen. Das Geoengineering forscht nach weitern Möglichkeiten. Die meisten der vielen anderen Massnahmen bewirken lediglich eine Verlangsamung der Zunahme der THG und der Klimaproblematik. Es darf keineswegs übersehen werden, dass auch stark verringerte Emissionen noch immer für sehr lange Zeit zunehmend klimaschädlich wirken. 3 IPCC: Intergovernmental Panel on Climate Change mit Sitz in Genf (IPCC), auch als Weltklimarat bezeichnet, wurde im November 1988 von 4 5 6 der UNO (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründet. http://www.ipcc.ch http://www.eea.europa.eu/publications/water-resources-across-europe (European Environment Agency, 2009) http://de.wikipedia.org/wiki/Globale_Erwärmung http://de.wikipedia.org/wiki/Svante_Arrhenius 3/13 Unter dem englischen Begriff „Carbon Offset“ oder seltener auch „Carbon-Offsetting“ wird die Entnahme des Kohlesäuregases CO2 aus der Atmosphäre oder direkt aus Emissionsquellen (Kamine) verstanden. Das CO2-Gas besteht nur zu 27.3 % aus Kohlenstoff (C, lat. Carboneum); 72.7 % sind Sauerstoff (O, lat. Oxygenum). Die fatale Wirkung entsteht durch die chemisch relativ stabile Verbindung von Kohlenstoff und Sauerstoff. Beim Carbon-Offset durch pflanzliche Assimilation wird allerdings nur der Kohlenstoff in Biomasse „eingebaut“. Das Sauerstoffmolekül O2 wird bei der Fotosynthese gleich wieder an die Luft abgegeben und ist als solches klimaneutral. Da aus der Luft dank diesem Prozess effektiv nur der Kohlenstoff entfernt wird, nennt man diese Klimaschutz-Massnahme Carbon-Offset. Auf Deutsch ist der Begriff CO2-Senke verbreitet. Man spricht auch von CO2-Sequestrierung („Gefangennahme“) dank Fotosynthese, was eine nicht ganz logische Bezeichnung ist, da nicht die Molekularmasse des CO2, sondern nur der Kohlenstoff aus der Luft entfernt wird. Die Pflanzen sequestrieren die CO2-Moleküle zwar für kurze Zeit, behalten davon aber nur den Kohlenstoff. Das CO2-Gesetz und zahlreiche Verordnungen und Mitteilungen der Bundesverwaltung zeigen die derzeitigen Klima-Bemühungen in der Schweiz. Auf dem internationalen Parkett ist das bürokratische Instrument der handelbaren CO2-Zertifikate geschaffen worden. Solche sollen erlauben, Emissionsberechtigungen zu verkaufen oder zusätzliche zu erwerben. Mit diesem, an Börsen handelbaren Finanzinstrument hat man gehofft, dem Klimawandel begegnen zu können, was sich vermutlich als Irrtum herausstellen wird. Am 22. Mai 2012 war im Zürcher Tages-Anzeiger zu lesen: »Die Bayerische Börse stellt den Handel mit CO2Zertifikaten ein ... Verantwortlich dafür sei ein Überangebot an CO2-Zertifikaten, der daraus resultierende Preisverfall und ein Imageschaden durch Betrugsfälle.» Die damaligen Preise für internationale CO2Zertifikate (März – Mai 2012: 10 – 18 € pro Tonne) waren bereits viel zu tief und die Papiere haben weiter an Glaubwürdigkeit verloren. Die CO2-Zertifikate „European Emission Allowances EU 2013-2020“ erzielten an der Börse7 am 18.12.2012 lediglich noch 6.45 € pro to CO2 (ca. 7.80 CHF). Diese zerfallenden Preise sind jedoch für die Preisbildung einheimischer Klima-Schutzwald-Leistung zweitrangig. Das erklärt auch, weshalb die Oberallmeindkorporation Schwyz (OAK), selbst für relativ geringe Naturschutzeffekte ihre CO2Leistung 4 mal teuerer verkaufen kann, wie die CO2-Zertifikate der EEX-Börse in Leipzig. Es hat sich generell die Devise verbreitet, in folgender Reihenfolge dem Klimawandel entgegenzuwirken: 1. Energieverbrauch zu reduzieren 2. Schädliche Energiequellen durch saubere zu substituieren 3. Emissionen durch Beteiligung an Carbon-Offset-Projekten zu kompensieren Intelligenter wäre es, alle drei Optionen gleichzeitig zu wählen und parallel anzuwenden. CO2-Kompensation durch Beteiligung an Carbon-Offset-Projekten kann nämlich ohne Zeitverzug realisiert werden. Anders die Reduktion und vor allem die Substitution von CO2 emittierenden Energiequellen, die in vielen Fällen kostspielig und zeitraubend sind. Diese Überlegungen müssen den interessierten Unternehmungen, welche sich am Carbon-Offset durch Klima-Schutzwald beteiligen wollen, anschaulich dargestellt werden. Sie müssen ihren eigenen „CO2-Fussabdruck“, d.h. die durch ihre Tätigkeit verursachten jährlichen CO2-Emmission berechnen8 und Massnahmen zur Verringerung derselben durchführen. Sie könnten durch Klimaschutzprojekte im Wald sogar beweisen, dass sie mehr als klimaneutral, nämlich klimapositiv wirken, das heisst, dass sie nicht nur die Zunahme des schädlichen CO2-Gehalt der Luft limitieren, sondern den THG-Gehalt der Luft abbauen helfen. Umweltbewusste Unternehmungen oder öffentliche Verwaltungen scheinen bereit zu sein, finanzielle Entgelte für den Klimaschutz zu entrichten. 9 Abbildung 3: Die berühmte Keeling-Kurve zeigt den Anstieg des atmosphärischen Gehalts an Kohlenstoffdioxid seit 1958, gemessen in Mauna Loa, Hawaii. Jeweils im Sommer sinkt der CO2-Gehalt der Erdatmosphäre, u.a. wegen des hohen CO2- Verbrauchs der Pflanzen auf der Nordhalbkugel der Erde. 2010 wurden durchschnittlich ca. 0.039 Volumen-% CO2 in der gesamten globalen Atmosphärenluft (390 ppmv) gemessen, in Bodenähe jedoch bis zu 30 mal mehr. 7 EEX: European Energy Exchange, Leipzig. http://www.eex.com/de/ 8 z.B. mit Hilfe von http://www.myclimate.org 9 http://en.wikipedia.org/wiki/CO2 4/13 1.3 Carbon-Offset im Wald für den Klimaschutz Der Treibhauseffekt wird durch eine grosse Anzahl verschiedener Stoffe in der Atmosphäre verursacht. Mit Ausnahme des CO2 bietet sich für andere Treibhausgase (THG) kaum eine Möglichkeit an, durch Naturprozesse ihre Konzentration zu senken. Die Bemühungen um die Verringerung der CO2-Emissionen haben verdeckt, dass über die Brenn- und Treibstoffeinsparungen hinaus, das Konzept Klima-Schutzwald Beachtung verdient um den CO2-Gehalt der Luft zu senken. In der Schweiz gibt es erst wenige Waldeigentümer, welche diese Chance erfasst haben und in Geldwerte umzumünzen in der Lage sind. Das Interesse am Carbon-Offset darf jedoch nicht nur unter dem Aspekt der generierbaren Einkommen für die Waldbesitzer betrachtet werden. Es ist eine generelle Aufgabe von öffentlichem Interesse, den Klimaschutz sehr ernst zu nehmen. Diese öffentliche Aufgabe muss in einem waldreichen Nationalpark mit besonderem Nachdruck wahrgenommen werden. 1.3.1 Die Funktionsweise des Klima-Schutzwaldes Alle Pflanzen stellen ihr Gewebe aus CO2 her, das sie aus der Atmosphäre entnehmen. Die Wurzeln nehmen aus dem Boden das Wasser sowie die für den Assimilationsprozess und die Pflanzenentwicklung notwendigen Mineralstoffe auf. Erstaunlich ist dabei, dass die Pflanzen den sehr geringen Gehalt an CO2 in der Luft dermassen effektiv nutzen können. Der CO2-Gehalt beträgt heute global fast 0.04 % des Luftvolumens. Im Jahr 1960 waren es erst 0.03 %. In Bodennähe ist der CO2-Gehalt der Luft bis zu 30 Mal höher. Der Klima-Schutzwald bietet eine ausgezeichnete Gelegenheit, CO2 zu sequestrieren, was schon die Gesellschaft Deutscher Chemiker im Jahr 2004 und auch eine Wissenschaftergruppe um Sebastiaan Luyssaert 2008 in der Fachzeitschrift Nature dargestellt hatten10. Die Pflanzen stellen aus 1.5 kg CO2 etwa 1 kg Biomasse her. Die gleichen Mengen sind zu veranschlagen, wenn sich die Biomasse zersetzt und CO2 wieder als Gas freigesetzt wird. Das Klimaschutzpotenzial ist im Perimeter des Parco Nazionale Locarnese um Faktoren grösser als im Schwei-zerischen Nationalpark im Engadin, weil im Locarnese rund 67% des Projektperimeters bewaldet sind. Die biologische Aktivität ist hier, dank dem günstigeren Tessinerklima viel grösser, als in den kühlen Regionen des Engadins. Zudem ist hier der Wald in einem Entwicklungsstadium, welches über viele Jahrhunderte eine kontinuierliche Zunahme der Kohlenstoff absorbierenden Biomasse ermöglicht, sofern die Biomasse (Holz) nicht entfernt wird. Die äquatorialen und südlichen Wald- und Agrargebiete der Erde eignen sich weit weniger für das Carbon-Offset, da ihre Fähigkeit Biomasse zu produzieren für agrarische Zwecke beansprucht wird. Die biologisch sehr wertvollen, zum Teil Jahrhunderttausende alten tropischen Urwaldflächen weisen schon seit langem eine ausgeglichene Null-Bilanz des Carbon-Offsets auf. Das Argument „an Biodiversität reiche tropische Waldreservate“ ist täuschend, denn das hat nichts mit CO2-Sequestrierung zu tun. Aufforstungsprojekte sind für das Carbon-Offset nur bedingt geeignet, da eine erhebliches CarbonOffset erst nach Jahrzehnten einsetzt, wenn die Bäume relativ gross geworden sind. 1.3.2 Quantitative Aspekte des klimawirksamen Carbon-Offset im Wald Wegen der früheren intensiven Nutzungspraxis enthalten viele Wälder im Tessin relativ junge Bäume, die noch keine grosse Holzmasse aufweisen. Zudem sind Aufforstungen entstanden, die noch weit vom maximalen Bio-massegehalt entfernt sind. Relativ junge, in voller Entwicklung stehende, an Holzvorrat noch suboptimale Wälder sind am besten geeignete Klima-Schutzwälder. Sie können noch während mindestens 200 bis 400 Jahren an Biomasse reicher werden. Das Projektgebiet des Parco Nazionale Locarnese hat im landesweiten Vergleich eines der besten Potenziale für den Klimaschutz, denn die hier vorhanden Wälder sind noch weit von der denkbaren Sättigung an Kohlenstoff entfernt. Die Wissenschaft hat bisher noch nicht schlüssig untersucht, auf welchem Mengenniveau und nach wie viel Jahren der Gleichgewichtszustand einer Biomasse-Sättigung des Waldes erreicht werden wird. Als sehr grobe Schätzung darf man annehmen, die gesamte momentan in einem Wald vorhandene Biomasse sei etwa in der Grössenordnung des zweifachen (lebenden) forsttechnisch definierten Stammholz-Vorrates. Die Quantifizierung der Biomasseleistung, das heisst das Carbon-Offset muss objektspezifisch in kleinen geografischen Zellen eruiert werden, da es grosse standörtliche Unterschiede gibt. 10 Speich, Andreas.; Der Klimaschutz-Wald NZZ vom 12.7.2011, Zürich und Zeitschrift NATIONALPARK 1/2012, D-94477 Grafenau; oekom-Verlag München. 5/13 Man kann vermuten, dass der Schweizerwald heute erst etwa 35% seiner möglichen maximalen Biomasse enthält, also noch eine sehr grosse Kohlenstoff-Speicher-kapazität hat. Im Tessin hat der Biomassegehalt des Waldes möglicherweise noch nicht einmal ¼ seines Potenzials erreicht. Die wenigen europäischen, mit den Tessiner Verhältnissen vergleichbaren Urwaldreservate geben für diese , Einschätzung einen brauchbaren Hinweis. Die Urwaldreservate Douroč 11 in der Slowakei, Rotwald12 13 in 14 Niederösterreich und das Urwaldreservat Rog im dinarischen Gebirge von Slowenien sowie das Urwaldreservat Peručica in Bosnien-Herzegowina, haben eine permanente Gesamtbiomasse von möglicherweise über 1'000 Tonnen pro ha, was etwa 1ʼ500 Tonnen pro Hektare sequestriertem CO2 entspricht. Man muss dabei den Umstand berücksichtigen, dass sich in jedem Wald — ob jung oder alt — laufend Biomasse zersetzt. Deshalb darf höchstens die Hälfte des jährlichen Biomassezuwachses als dauerhaft eingelagert angerechnet werden. In Bosnien Herzegowina, im ehemals türkisch besetzten Gebiet, gab es noch bis um 1920 ausgedehnte, noch nie genutzte Urwaldgebiete. Viele davon sind von Michael Fröhlich eingehend untersucht und beschrieben worden. Die lebenslange, wissenschaftliche Urwaldforschung Fröhlichs15 im nahen Südosteuropa ist von der Wissenschaft leider kaum beachtet worden, obwohl daraus für die Biomasseberechnung wertvol3 le Schlüsse gezogen werden könnten. Man kann grob annehmen, dass 1.0 m Stammholz-Zuwachs (= ca. 500 kg Stammholz-Trockenmasse oder 1ʼ000 kg Gesamt-Trocken-Biomasse) in einem Wald mittleren Alters im Durchschnitt etwa einer Tonne dauerhaft aus der Luft entferntes CO2 entspricht. Der laufende natürliche Zerfall junger und alter Biomasse im Wald ist bei diesem geschätzten Mengenverhältnis bereits eingerechnet. Die Oberallmeind-Korporation Schwyz (OAK)16 geht bei ihren Attesten von diesem gutachtlichen Verhältnis aus. Sogar eine infolge von Nutzungsverzicht vor Jahren einsetzen-de Carbon-Offset-Leistung, wie im Waldreservat Onsernone, könnte attestiert und „vermarktet“ werden. Im Wald gewonnenes und für eine lange Zeitdauer verbautes Nutzholz kann auch eine Carbon-OffsetWirkung haben kann. Jedoch nur rund 10% der schweizerischen forstlichen Nutzholzmenge können heutzutage einen Netto-Beitrag zum Carbon-Offset leisten. 1.3.3 Die geldmässige Bewertung des Carbon-Offsets im Klima-Schutzwald Für den Klimaschutz-Wald sind, die entfallenden Erträge aus der Holznutzung eine denkbare Berechnungsgrundlage. Da in vielen Berg-Regionen eine rentable Waldwirtschaft schon seit langem nicht mehr möglich ist, ergeben heutige hypothetische Netto-Erträge aus der Holznutzung keine brauchbaren Hinweise für den Preis der Klimaschutzwirkung. Angebot und Nachfrage sind ausschlaggebend, was nicht im Voraus genau kalkulierbar ist. Der denkbare maximale Mengenbedarf für Klimaschutzleistungen des Waldes könnte in der Schweiz rund das 30-fache des maximalen Angebots ausmachen. Deshalb ist längerfristig mit einem „Verkäufermark“ zu rechnen. Der Verkäufer könnte sich wegen der Knappheit des Produktes „Carbon-Offset“ und dank dem generellen Goodwill für den Wald einen Marktvorteil erarbeiten. Führend für freiwillige WaldKlimaschutz-Leistungen ist derzeit der flächenmässig grösste Waldbesitzer der Schweiz, die OberallmeindKorporation (OAK) Schwyz. Die OAK bietet heute Carbon-Offset erfolgreich für Fr. 35.- pro Tonne CO2 an. Der Bund hat die ungefähre Carbon-Offset-Leistung des Schweizerwaldes bereits im Kyōto-Prozess anrechnen lassen und dadurch im internationalen Vergleich tiefere Reduktionsraten einhandeln können (die kaum eingehalten werden). Diese Tatsache hindert jedoch weder Waldeigentümer noch umweltbewusste Unternehmungen daran, freiwilligen Carbon-Offset im Wald zu realisieren, obwohl es mit dem oben erwähnten Konzept der handelbaren CO2-Zertifikate nicht kompatibel ist (siehe unten). 11 Korpel, Stefan (1995): Die Urwälder der Westkarpaten; Gustav Fischer Verlag Stuttgart, 1995, 310 S. (NB. Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Korpel war Ordinarius für Waldbau an der Forstfakultät von Zvolen (SK). 12 Lang H.-P., Nopp-Mayr, U.: 2012. Die Bedeutung des Urwaldes Rog für die Urwaldforschung; in SILVA FERA, Wissenschaftliche Nachrichten aus dem Wildnisgebiet Dürrenstein, ISSN 2227-3387, Hrsg. Schutzgebietsverwaltung Dürrenstein, A-3270 Scheibbs. 13 www.wildnisgebiet.at 14 http://www.natura2000.gov.si/uploads/tx_library/Diaci_Virgin_forests_and_forest_reserves__Cost_E4_.pdf 15 Fröhlich, Michael (Forstmeister und Oberforstrat a.D.), 1954; Urwaldpraxis, 40 jährige Erfahrungen und Lehren; Verlag Neumann, Radebeul und Berlin, 200 Seiten. 16 OAK: Oberallmeindkorporation Schwyz, siehe http://www.oak-schwyz.ch/index.php?s=index 6/13 Diese Feststellung wird u. a. durch Korrespondenzen mit dem UVEK und BAFU bestätigt, ohne jedoch — und das ist entscheidend – dass der Bund die direkte Inwertsetzung durchfreiwillige CO2-Attestate in irgend einer Weise als rechtswidrig erkennen würden, im Gegenteil17, 18. Einerseits der rein statistische internationale Ausweis der CO2-Leistungen des Waldes und andererseits die davon nicht betroffene rechtmässige Inwertsetzung der Eigentumsrechte der Waldeigentümer an der CO2-Seques-trierung sorgte bisher für unnötige Unklarheiten. Dass Wirtschaftsunternehmungen ihr ökologisches Engagement auf (fast) völlig freiwilliger Basis bekannt machen wollen, hat der Erfolg des Labels Forest Stewardship Council (FSC) bewiesen, auch wenn dieses den Waldbesitzern direkt nichts gebracht hat. Die Kunden werden kaum besser überzeugt, als durch den guten Namen eines vom Bund bereits anerkannten Nationalparkprojekts mit der Marke „Ticino“. Im Falle des Nationalparkprojektes kann man auf jede Zertifizierung verzichten, da die vom Bund erlassene Pärkeverordnung hohe wissenschaftliche Kompetenz und eine hohe Biodiversitäts-Leistung fordern. Der Schutz vor einer Kundentäuschung durch ein staatlich anerkanntes und von Gemeinden, Kanton, Bund und Pro Natura getragenes und kontrolliertes Projekt bedarf keiner externen Zertifizierung. Eine Zertifizierung oder Validierungen würden zudem viel kosten und kaum bessere Hinweise für die Preisbildung von CO2-Attestaten vermitteln, als das die Projektleitung des PNL selbst finden kann. Allenfalls wären Marketingspezialisten zu konsultieren, die für die Kommunikationsstrategie und die Preisbildung Fachkompetenz einbringen könnten. Konkrete Hinweise für eine Preisbildung finden sich weiter unten. Zudem gibt die Technologie des so genannten Carbon-Capture-and-Storage (CCS) für die geldmässige Bewertung des Carbon-Offset gewisse Hinweise. Energiekonzerne, die Kohle oder Gas verbrennen, versuchen das dort in konzentrierter Form anfallende CO2 mittels chemisch-technischer Prozesse abzufangen und unterirdisch zu deponieren. Bei der Förderung von Erdgas fällt viel CO2 in konzentrierter Form an, das in unterirdische CCS-Deponien gebracht werden soll. Dazu gibt es bereits erfolgreiche Pilotprojekte. Für eine Tonne mit dem CCS-Prinzips deponiertes CO2 wird mit Kosten von 70 – 130 Fr. gerechnet. Die CCS-Technologie wird jedoch von Umweltexperten vehement kritisiert, da an der Deponiesicherheit gezweifelt wird. Würde man versuchen, das in sehr geringer Konzentration in der Luft vorhandene CO2 mittels technischen, industriellen Prozessen „einzufangen“, wäre mit Kosten von über 3ʼ000.- Fr. pro Tonne CO2 zu rechnen. 1.4 Fazit aus der Diskussion der Generellen Grundlagen Im Perimeter des Parco Nazionale Locarnese findet eine beträchtliche Klimaschutzleistung statt und zwar schon seit mehreren Jahrzehnten, seit die Holznutzung in den Wäldern allmählich aufgegeben wurde und auf früheren Weide- und Ackerflächen sich spontan Gehölze ansiedelten. Diese Leistung hat ihren hohen ökonomischen und ökologischen Wert, unabhängig davon, ob der Staat oder Private diese Leistung finanziell entschädigen. Grundsätzlich wäre es richtig, in einem Nationalpark möglichst die gesamte Waldfläche als Naturreservat auszuscheiden, was aber zurzeit eine vielschichtige, kaum überwindbare Opposition wecken würde. Für die ökologischen Ziele des Nationalparks ist es im konkreten Fall vor allem von Bedeutung, dass die Wälder möglichst naturbelassen bleiben und an Biomasse rasch zunehmen können. Ein solches Waldentwicklungsziel ist auch unter den herrschenden forstpolitischen Gegebenheiten möglich. 17 http://www.bafu.admin.ch/wald/01198/index.html?lang=de Finanzierung von Ökosystemleistungen im Wald, Schlussbericht Juli 2012 18 Auszug aus dem Schreiben des BAFU vom 27.3.2012 (von Andreas Götz und Christian Küchli) an Andreas Speich: „... Mit Ausnahme einzelner Waldeigentümer der wie der von Ihnen erwähnten OAK hat die Branche diesen Ansatz nicht weiter verfolgt“. Antwort auf das von Andreas Speich an Bundesrätin Doris Leuthard gerichtete Schreiben vom 16. März 2012 7/13 2. Das CO2-Attest (Attestato CO2) Das geltende Forstrecht, generell das Sachenrecht und massgebende Rechtswissenschafter halten fest, dass die Carbon-Offset-Leistung und die dadurch generierbaren Einkünfte ausschliesslich dem Waldeigentümer gehören. „... Gemäss dem den Artikeln 26 VV und 641ZGB zugrunde liegende Eigentumskonzept kann somit der Waldeigentümer über das in seinem Wald gespeicherte CO2 frei verfügen. Solange dieses nicht vom ‚Träger Baumʼ verselbständigt wird, bleibt es blosser Bestandteil des Baumes und folgt rechtlich dessen Schicksal. Wie der Beitrag von Schmidke19 ... zeigt, lässt das Obligationenrecht für vertragliche Regelungen einen beinahe unbegrenzten Gestaltungsspielraum“ 20. Es zeigt sich ein zunehmendes Interesse am Werbe- und Imageeffekt, wenn Produkte als „klimaneutral“ bezeichnet und angepriesen werden können, z.B. mit dem Label der schweizerischen Briefpost, welches mit Elektromobilen und vorwiegend im Ausland generierten Kompensationsleistungen zu überzeugen versucht. CO2 neutrales Handtuch Dank unserem Beitrag an die Waldreservate des neuen Natioalparks Locarnese wird dort das klimaschädigende CO2 dauerhaft absorbiert, welches bei der Herstellung und dem Waschen unserer Handtücher als Emission anfällt. Attest Nr. PNL 1234 Als Beispiel für eine potenzielle Vermarktung von CO2-Carbon-Offset könnte das rechts abgebildete fiktive Produktelabel dienen. Es handelt sich um Handtuchrollen bester Bio-Qualität für Toiletten in noblen Hotels und Banken, die von einer Schweizer Firma bereits vermarktet werden. Das Label „klimaneutral“ würde in diesem Beispiel etwa mindestens 1-3% des Produktepreises ausmachen. Wie viel diese Umweltverpflichtung schliesslich dem Bezahlenden wert ist, entscheidet der Markt. Es muss jedoch bei den zur Diskussion stehenden und empfohlenen Wald-CO2-Attesten darauf hingewiesen werden, dass es sich im schweizerischen Klima-Schutzwald um freiwillige Carbon-Offset Leistungen handelt. Diese sind nicht zu verwechseln mit den Klimaschutz-Massnahmen, welche vor allem grosse Energieverbraucher zwecks Befreiung von der CO2-Abgabe auf Brennstoffen bei der zuständigen Bundesstelle (BAFU) registrieren lassen können. Zu diesem Zweck können sie die international börsenkotierten CO2-Zertifikate verwenden. Das konkurrenziert oder schmälert die Möglichkeiten, die Bedeutung und Attraktivität des einheimischen Klimaschutz-waldes jedoch keineswegs. Die verschiedenen freiwilligen Kompensationsleistungen haben sich bereits als image- und werbewirksam erwiesen. Diese werden auf den Produkten zum Beispiel mit dem speziellen, für freiwillige Klimaschutzmassnahmen geschaffenen Gütesiegel von MyClimate und mit einem kurzen ergänzenden Text dargestellt: „Klimaneutrales Unternehmen 2011/2012 (Nr. 123456). Diese Broschüre wurde klimaneutral gedruckt.“ 2.1 Die Standards der CCBA Für die Entwicklung und Validierung von Carbon-Offset Projekten ist auf internationaler Ebene heute die Climate, Community & Biodiversity Alliance (CCBA)21 massgebend. Die meisten CCBA-Standards befassen sich mit kolateralen Carbon-Offset-Effekten in der südlichen Hemisphäre. Obwohl diese Standards nicht für Verhältnisse entwickelt worden sind, wie sie im Locarnese herrschen, erfüllt das Nationalparkprojekt fast alle, mit Ausnahme der noch mangelnden, genauen geografischen Lokalisierung der Orte und Wälder, wo das Carbon-Offset stattfinden soll. Die nationalpark-spezifischen, naturethischen, für einen Nationalpark relevanten Komponenten fehlen in den CCBA-Standards weitgehend. 19 Schmidke, Hubertus; 2010; CO2-Zertifikate — ein Produkt aus Schweizer Wäldern? Schweiz. Zeitschr. f. Forstwesen, Vol 161-9. S. 374 ff 20 Zimmermann, Willy; 2010; Rechtliche Aspekte bei der Vermarktung von Nichtholz-Waldleistungen. Schweiz. Zeitschr. f. Forstwesen, Vol 161-9. S. 362 - 367 21 http://www.climate-standards.org/standards/pdf/ccb_standards_second_edition_december_2008.pdf 8/13 2.2 Überlegungen zur Preisbildung für CO2-Atteste Mit dem hohen Prestige von ganz oder weitgehend naturbelassenen Wäldern in einem Nationalpark sollte 2 eine Preisbasis von letztlich über Fr. 50.- bis Fr. 100.- pro Tonne CO2 gefunden werden. Von den 148 km Wald des Projektperimeters scheint es realistisch zu sein, etwa die Hälfte, d.h. rund 7ʼ500 ha als KlimaSchutzwald auszuwählen. Darin sind bereits fünf Waldreservate mit einer Gesamtfläche von 1'555 ha enthalten. Waldreservate können im Prinzip als Teil der obligatorischen Kernzonenfläche angerechnet werden. Im 2 PNL soll sich diese im und ausserhalb des Waldes auf insgesamt rund 80 km erstrecken. Auf dieser Grundlage hat Pro Natura dem Projekt den Beitrag von 1 Million Fr. zugesichert. Die Klima-Schutzwälder müssen jedoch nicht zwingend ausschliesslich in der Kernzone liegen und die Bedingungen von Waldreservaten erfüllen. Sie können auch Wälder umfassen, deren Eigentümer lediglich eine 30-jährige Verpflichtung eingehen wollen, die eine etwa 20%-ige Erhöhung des stehenden Holzvorrates vorsieht, allerdings mit reduziertem Entschädigungsbetrag pro Tonne CO2. Finanzielle Entgelte für das Carbon-Offset könnten starke Anreize schaffen um die Zustimmung der Waldeigentümer zur Naturwaldentwicklung und auch zum Reservatskonzept zu erwirken. Mit 7'500 ha Klima3 Schutzwald à 3.5 m /ha würden jährlich 26'250 Tonnen CO2 für die finanzielle Vergütung zur Verfügung stehen (über eine Mio Fr. pro Jahr). Mit den Jahren kann diese Menge wesentlich grösser werden, weil der Biomassezuwachs sich infolge der „Reifung“ der Wälder markant erhöhen wird und das veränderte Klima möglicherweise die Wuchs-bedingungen positiv beeinflusst. Letztlich werden mit zunehmendem Erfolg des Klima-Schutzwaldes mehr Waldeigentümer von dieser Geldquelle profitieren wollen, was ihnen nach Jahrzehnten ertragsloser Forstwirtschaft durchaus zu gönnen wäre. Die anvisierten Preise für die CO2-Leistung des Waldes liegen heute im Durchschnitt sehr weit über den holzwirtschaftlich erzielbaren Ergebnissen. Auf dem Gros der Waldfläche des Projektgebietes werden seit Jahren gar keine solchen mehr erwirtschaftet, weil die Holzpreise viel tiefer sind, als die Nutzungskosten. Das heisst jedoch keinesfalls, dass das holzwirtschaftliche Interesse der Waldeigentümer an ihrem Waldbesitz auf alle Zeit hinaus erloschen wäre. Es ist denkbar, dass bei zunehmender globaler Energieknappheit und wachsender Klimakrise die Holzpreise wieder eine kompatible Grössenordnung erreichen. Dann wird es sich als besonders klug erweisen, wenn während Jahrzehnten zuvor keine Nutzung stattgefunden hat und deshalb grosse Holzvorräte vorhanden sind. In jenem fernen Zeitpunkt ist es dann immer noch möglich, die Option Waldreservat für die weitere Zukunft zu wählen. Immerhin gibt es auch heute noch lohnende Holznutzungen im Projektgebiet. Beispiel: Ein pensionierter 3 Waldeigentümer, der pro Jahr auf seiner Hektare Wald bisher nachhaltig 5 m Brennholz zur Selbstversorgung geschlagen hat und das weiterhin tun möchte, müsste dieses Holz in Zukunft kaufen und dafür etwa 300.- Fr. aufwenden, falls sein Wald unter den Nutzungsverzicht fallen würde. Er würde dann zu Recht eine 3 Entschädigung von Fr. 60.-/m Holz einfordern, was Fr. 60.- pro Tonne sequestriertes CO2 entspricht. Dort wo die Forstwirtschaft keine positiven Ergebnisse erwirtschaften kann und nur ein marginales Interesse von Holz-Selbst-versorgern besteht, ist der Wert des Nutzungsverzichts wesentlich kleiner. Die Oberallmeindkorporation Schwyz (OAK) erhebt Fr. 35.- pro Tonne sequestriertes CO2, das bei der Vorratserhöhung ihrer Wirtschaftswälder auf lange Zeit gebunden bleibt. Dieser Betrag kann auch für den PNL als anfängliche Orientierungsgrösse verwendet werden. Der aussermarktwirtschaftlich Wert der Nationalpark-Waldreservate kann pro Hektare auf vielleicht 20 % des Erholungswaldes von Lugano22 geschätzt werden, was nachweislich Fr. 714.- Pro Tonne CO2 ausmachen würde. Ein solcher Wert ist jedoch als Kompensationsleistung für CO2-Emissionen jenseits einer bezahlbaren Grössenordnung. Die sehr weite Spannweite von Fr. 35.- bis Fr. 714.- ergeben ein geometrisches Mittel von Fr. 158.- pro Tonne CO2. Das dürfte die extreme, oberste denkbare Preisgrenze für Carbon-Offset in Waldreservaten darstellen. Bei einem Wert von 10% von Lugano ergeben sich als geometrisches Mittel Fr. 112.- /to CO2. Dieser Betrag entspricht ziemlich gut den Kosten der im Abschnitt 1.3.3 erwähnten CCS-Technologie. In der Preisspanne zwischen Fr. 35.und Fr. 112.- pro Tonne sequestriertes CO2 obliegt es dem Marketinggeschick der Waldeigentümer, des kantonalen Forstdienstes und/oder des PNL das jeweils mögliche Optimum herauszuholen. Der behördliche Konsens zur Schaffung eines Nationalparks hat betreffend einen allfälligen Nutzungsverzicht für die Waldeigentümer bisher kaum rechtliche Verbindlichkeit. Es ist jedoch zu erwarten, dass sie von den wirtschaftlichen Opportunitäten profitieren möchten und bald einem vorratsreichen Naturwaldkonzept oder sogar Waldreservaten zustimmen werden. Einzelne Waldeigentümer werden möglicherweise ohne 22 Nielsen, Claudia, 1992; Der Wert stadtnaher Wälder als Erholungsraum — Eine ökonomische Analyse am Beispiel von Lugano. Dissertation Uni Zürich, Verlag Ruegger, Zürich, Chur 9/13 Forderung nach substantieller Entschädigung einer Wald-Kernzone zustimmen, andere werden eine finanzielle Entschädigung fordern oder allenfalls einen ausserhalb liegenden Realersatz. Für Pachtverträge wie im Nationalpark im Engadin hat der Bund noch keinerlei Zusage geben können. Für die vertraglichen Vereinbarungen zum Klimaschutzwald, sei es nun in der Form von Erhöhung des Holzvorrates (das heisst der gesamten konservierten Biomasse) oder in der Form von Waldreservaten, ist die Dauer der wirksamen Biomasse-Konservierung ein zentraler Punkt. Um als Klima-Schutzwald wirksam zu sein, darf die vereinbarte und erzielte Biomassemenge durch allfällige technische Eingriffe im Prinzip nie kleiner werden. Um finanzielle Klima-Schutzwald-Einnahmen zu generieren, muss sich die Biomasse in den entsprechenden Wald sogar jährlich erhöhen. Sie darf im Idealfall erst wieder durch Holznutzung reduziert werden, wenn sich die Klimaproblematik entschärft hat. Das wäre der Fall, wenn der globale CO2-Gehalt der Atmosphäre wieder auf den Wert von 2012 sinken würde (0.04 % des Luftvolumens) oder sich die Klimaproblematik weltweit auf andere Weise zuverlässig entschärft haben würde. Das könnte allenfalls der Fall sein, wenn infolge der allmählichen Erwärmung der Ozeane die Niederschläge weltweit zunehmend und ein Ausmass und eine Verteilung erreichen würden, welche eine stark erhöhte, permanenzfähige Agrarproduktion ermöglichen könnte. Ein solches Szenario ist jedoch zurzeit nicht in Sicht. Ein Waldeigentümer kann sich entscheiden, bis zu welchem Biomasse-Vorrat er von der CO2-Entschädigung seines Waldes profitieren möchte. Wenn diese Biomassemenge (Holz etc.) erreicht ist, kann er den weiteren Holzzuwachs technisch als Rohstoff nutzen, wobei dann der Vergütungsanspruch für CO2-Sequestrierung erlischt. Er kann aber auch die Vertragsmenge der CO2-Einlagerung für weitere Jahre oder Jahrzehnte erhöhen und weiterhin CO2-Vergütungen kassieren. Wenn er jedoch die vereinbarte Vertragsmenge abbauen 3 will, indem er mehr Holz (m /ha) nutzt als zuwächst, wird er einen Teil der früher bezogenen CO2Vergütungen grundsätzlich zurückerstatten müssen. Diese Analyse zeigt, dass es sorgfältige und verständnisvolle Verhandlungen mit den Grundeigentümern bedarf, die nicht überstürzt erfolgen dürfen. Von Seiten des Nationalparks muss jedoch eine angemessene finanzielle Entschädigung versprochen werden können, wozu das Projekt heute noch nicht in der Lage ist. Die Entwicklung und Vermarktung der CO2-Klimaschutz-Strategie scheint bislang die einzige nachhaltige, grössere finanzielle Ressource zu sein, um eine vermehrte Partizipation der Bevölkerung zu gewinnen. Bereits im Verlaufe der letzten Jahre eingetretene Erhöhungen des Holzvorrates können im Prinzip ebenfalls als CO2-Seques-trierung vergütet werden, allerdings nur für jene Menge an Biomasse, welche die konventionell forsttechnisch berechnete optimale Vorratsmenge überschritten hatte. Das könnte im Fall des schon 10 Jahre bestehenden Waldreservates Onsernone etwa für insgesamt 20 - 40 Tonnen CO2/ha zugestanden werden. Das würde den rückwirkenden Anspruch auf Vergütung von total 1 – 2ʼ000.- Fr./ha ergeben. Generell sollte die Vergütung am Ende jedes Jahres nur für die tatsächlich im Verlaufe des vergangen Jahres zugewachsene Biomasse erfolgen. Eine Vergütungszahlung für erst zukünftig eintretenden Biomassezuwachs wäre problematisch, weil die berechnete Menge lediglich als Prognose, jedoch nicht als physisch messbare Grösse vorhanden ist. Das Management und die Kontrolle der Klima-Schutzwald-Leistungen sind jedoch von nicht zu unterschätzender Komplexität. Es ist administrativ sowie im Bezug auf die Quantifizierung der lokal unterschiedlichen CO2-Sequestrierung forstfachlich aufwändig. 2.3 Das konkrete CO2-Attest — Road Map für das weitere Vorgehen 2.3.1 Selbständige Inwertsetzung des CO2-Attests durch das Nationalpark-Projekt Locarnese Die Entwicklung, Kreation und schliesslich die Vermarktung eines Nationalpark-Wald-CO2-Attests, welchem ein konkreter Geldwert zugeordnet wird, bedarf folgender Schritte, die unverzüglich eingeleitet werden sollen: A: Generelle Road-Map: a. Anerkennung des gesamten Nationalpark-Perimeters durch den Bund als valabler Kandidat für einen Schweizerischen Nationalpark (bereits offiziell erfolgt). b. Eingehende Sensibilisierung des Consiglio del Parco, des Forstdienstes und anderer dem Nationalparkprojekt nahe stehende Kreise über die Bedeutung und Wirkungsweise des Carbon-Offset im Wald. 10/13 c. Der Managementplan des Nationalparks muss die Waldflächen konkret bezeichnen, wo eine vollständig freie Waldentwicklung vollständig ohne Holznutzung stattfinden soll und damit als Kernzone gemäss dem Bundesrecht anerkannt werden kann. d. Der Managementplan des Nationalparks muss jene anderen Waldflächen konkret bezeichnen, wo eine weitgehend freie Waldentwicklung mit qualitativ und quantitativ reduzierter, oder mit einer erst in ferner Zukunft wieder einsetzenden Nutzung stattfinden könnte. Solcher Wald kann deshalb zwar als Kernzone gemäss dem Bundesrecht nicht anerkannt werden kann, aber dennoch wertvolle Carbon-OffsetLeistungen erbringen. Solche Waldflächen sind durchaus auch naturschützerisch von zunehmendem Wert und somit grundsätzlich konform mit den Zielen des Nationalparks. e. Die Projektleitung muss sich umfassende Forsteinrichtungs-Daten über die im Klima-Schutz-Konzept eingebundenen Waldparzellen verschaffen, damit der örtlich zu erwartende Carbon-Offset-Effekt zuverlässig ermittelt oder geschätzt werden kann. Diese Datenbeschaffung kann vorerst unter Respektierung einer Fehlerquote rein gutachtlich durch lokal erfahrene Forstexperten erfolgen. Später sind wissenschaftliche, technische Methoden anzuwenden, die genauere Information liefern (z.B. Airborne Laser-Scanning, LIDAR). f. Die Grundeigentümer der Waldparzellen c) und d) sind eingehend über die Gefahr, Problematik und Herausforderung des Klimawandels insbesondere auch über die Dauer ihres Nutzungsverzichtes zu informieren. Sie sind zudem über die hohe, ihnen zu gute kommende, öffentliche ideelle Anerkennung sowie über die zu erwartenden finanziellen Vorteile in umfassender Weise in Kenntnis zu setzen. g. Die Projektleitung beziehungsweise die spätere Nationalparkverwaltung müssen eine juristische Person darstellen, welche als Handels-Agentur konform ist. h. Die langfristigen Verträge mit den jeweiligen Grundeigentümern für die Waldparzellen c) und d) müssen im Sinne des Managementplans des Nationalparks mit Erfolg verhandelt sein. i. Die Verträge gemäss h) müssen rechtskräftig im Grundbuch eingetragen werden. j. Von den Grundeigentümer der Waldparzellen c) und d) ist das Einverständnis zu erwirken, dass sie damit einverstanden sind, dass die Nationalparkverwaltung beziehungsweise die Projektleitung die auf diesen Waldparzellen feststellbare, langfristige Biomasse-Einlagerung vermarktet, dafür Käufer sucht und die Preise selbständig bestimmt, z.B. anfänglich mindestens Fr. 35.- pro Tonne CO2, später wenn möglich steigende Preise. k. Die Verteilung der zu erwartenden Einkommen ist vertraglich festzulegen. Anzustreben wäre folgende: 60 % in bar an den Waldeigentümer, 20 % als Beitrag für die Transaktionskosten der Nationalparkverwaltung und 20 % als Beitrag für die Schaffung von Nationalpark-Infrastrukturen (z.B. Wanderwege) und andere Projekte, vor allem waldbauliche Massnahmen. l. Design der CO2-Atteste als formelles Dokument für die mit einem Käufer vereinbarte CO2-Menge. m. Festlegung eines Standardvertrages mit potenziellen Käufern von CO2-Attesten. n. Festlegung der werbewirksamsten Erwähnung des Carbon-Offsets auf Produkten des Käufers, in der Form von Labels, die den Produkten der Käuferschaft und dem Nationalpark angemessen sind. o. Erkundung der markwirksamsten „Branding“-Elemente, möglichst unter Verwendung des eingeführten Labels p. Entwicklung von Kontakten zu interessierten Käufern der CO2-Atteste. Vorzugsweise sind gemäss der Erfahrung der OAK Druckereien daran interessiert. Sport- und Kultur-Events haben sich ebenfalls als Interessenten gezeigt. q. Unterstützung der Kunden bei der Feststellung ihrer eigenen CO2-Bilanz und der CO2-Emssionsan-teile23, die ihre einzelnen Produkte verursachen24. r. Eine Datenbank ist zu erstellen, für die bezogenen CO2-Atteste und die verfügbare CO2-Mengen. s. Die Zuordnung der ausgegeben CO2-Atteste muss online verfolgbar sein. t. Die Schritte a) bis t) sind im Sinne eines Projekttagebuches zu dokumentieren, damit der Vorgang später evaluiert kann. 23 Die CO2-Bilanzen einzelner Produkte können sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem ob die graue Energie und die entsprechende CO2-Emmission eingerechnet werden. Eine gängige Berechnungsweise berücksichtigt nur die CO2-Emmission der inländischen Verarbeitungs- und Verkaufsbetriebe und nicht der ausländischen Produzenten z.B. von Lebensmitteln. Andere Berechnungsweisen zählen auch die private CO2-Emmission der Firmen-Mitarbeiterfamilien, einschliesslich Wohnungsheizung, des Autos und der Ferienflüge. Ob nun eine weit reichende oder eine limitierte CO2-Rechnung vorgelegt wird, kann nicht zum vornherein als richtig oder falsch taxiert werden. Der Umfang der berücksichtigten CO2-Emissionen muss jedoch klar definiert und erkennbar sein. 24 Als provisorische Faustregel kann die CO2-Emission einer Unternehmung, die keine ins Gewicht fallende karbonthermische Produktionsverfahren anwendet, wie folgt geschätzt werden: Anzahl 100% Arbeitsstellen x 12 Tonnen CO2 pro Jahr, da der Privathaushalt der Mitarbeiter einen sehr grossen Anteil der CO2-Emission ausmacht. Der Landesdurchschnitt an CO2-Emission pro Einwohner (ohne Zementindustrie, Giessereien, Glasindustrie und Autotransportgewerbe etc.) beträgt ca. 4 Tonnen/Einwohner pro Jahr. Pro Vollzeit-Arbeitende sind etwa 3 Einwohner zu rechnen. 11/13 u. Es ist zu prüfen, ob die CO2-Vermarktung aus den Nationalparkwäldern im Sinne von Out-Sourcing durch eine externe Agentur abgewickelt werden könnte (siehe unten Abschnitt 2.3.2). Diese Option hätte den grossen Vorteil, das Management des PNL von kommerziellen Aktivitäten, Kundenaquisition, Marketing, Qualitäts- und Konformitäts-Beratung der Käufer sowie von der Kontrolle der ausgegeben Atteste zu entlasten. B: Pilot-Versuch Onsernone, Express-Road-Map für SBB oder Filmfestival Locarno Da die Schweizerische Post AG ihre Briefpost bereits „klimaneutral“ anpreist, werden wohl andere Grossbetriebe, zum Beispiel die SBB nachziehen. Ein Express-Pilot-Versuch mit dem Waldreservat Onsernone ist dringend, um den Einstiegszeitpunkt nicht zu verpassen: Einverständnis der Verantwortlichen des Wald-Reservates Onsernone, dass das PNL die Vermarktung der Carbon-Offset-Leistung abwickelt. Quantifizierung des vergangenen und laufenden jährlichen Carbon-Offset der im wüchsigen Reservat seit seinem Bestehen (10 Jahre) sequestrierten CO2-Menge. Vom seit Reservatsgründung verzeichneten Holzzuwachs könnte etwa die Hälfte als bereits verkaufbarer CO2-Vorrat anerkannt werden. Das ergäbe 10 x 500 3 x 3 m , gleichbedeutend mit 15'000 Tonnen CO2, à Fr. 35.- = total Fr. 525ʼ000.- als verkaufbare KlimaSchutzleistung. Bei erfolgreichem Verkauf derselben könnten Fr. 310'000.- in bar bereits an die Waldeigentümer ausbezahlt werden. Konsultation mit dem Leiter Bereich Natur und Naturgefahren, SBB, dipl. Forsting. ETH, Albert Müller25 und formelles Angebot des PNL an die SBB (z.B. für Zeitschrift VIA und Billett-Drucksachen). Verhandlung mit der Direktion des Filmfestival Locarno für klimaneutrale, internationale Flüge der Juroren, Organisatoren und der Stargäste sowie für die klimaneutrale Herstellung der Festival-Drucksachen. 2.3.2 Out-Sourcing an MyClimate, klimaneutral oder sogar klimapositiv ? Das Out-Sourcing der Klimaschutzleistungen der Wälder im PNL an die schweizerische Stiftung MyClimate26 (Sitz in Zürich, Geschäftsstellen in Deutschland und Peru) ist eine zu prüfende, interessante Option. Diese Agentur verspricht effektive Klimaneutralität zu vermitteln. Das heisst logischerweise, dass das entsprechende Produkt und dessen Herstellungsprozess durch das Kompensationsprojekt „neutralisiert“ werden. Das bedeutet, dass der atmosphärische CO2-Gehalt z.B. durch eine Flugpassage kalkulatorisch nicht belastet wird, also als ob der Flug gar nicht stattfinden würde. Das Gesamtssystem CO2-Emittent plus Kompensationsprojekt verursachen zusammen aber noch immer einen grossen CO2-Ausstoss. Es ist bisher nicht gelungen, in den Unterlagen von MyClimate einen Fall zu finden, wo das vom primären CO2-Emittenten freigesetzte THG effektiv physisch resorbiert würde, was allerdings noch nicht beweist, dass MyClimate eine solche Option nicht doch anbieten könnte. Klima-Schutzwald ist kann eine solche Option sein. Allerdings vertritt MyClimate leider bisher die völlig irrige Auffassung, die CO2-Sequestrierung im Wald gehöre dem Bund und nicht dem Waldeigentümer. Energiegewinnung aus rezenter Biomasse kann bedingt klimaneutral sein, wenn kein Feinstaub, keine anderen THG als CO2 und H2O entstehen und ebenbürtiges, nachhaltiges Biomasse-Wachstum zeitgleich gewährleistet ist. Biomasse-Energie durch Verbrennung ist jedoch immer nur „second best“. CO2-Neutralität von Holz ist nicht gut genug, denn Waldbiomasse kann mehr, nämlich positiv CO2-aktiv sein. Viel besser wäre das Biomassewachstum des Waldes für Carbon-Offset zu verwenden, die Energie aus Solar-, Windoder Geothermieanlagen zu gewinnen, oder die Biomasse für eine Terra-preta-Anwendung zu karbonisieren27. MyClimate hat das Gütesiegel „clima top“ entwickelt. Das Label erwähnt in seiner grafischen Gestaltung den Begriff „klimaneutral“ nicht. Aus den Webseiten von Climatop, beziehungsweise aus den Webseiten von MyClimate geht schliesslich hervor, dass nur die Reduktion der Emissionen und nicht deren völlige Vermeidung anvisiert wird. Die Emissionen z.B. eines Flugzeugs werden mit Klimaschutzprojekten kompensiert, die ebenfalls in den allermeisten Fällen noch mit vielen THG-Emissionen belastet sind. Mit relativ kleinem Aufwand könnte die Grenze „klimaneutral“ überschritten und werden und zu einem klimapositiven Ergebnis füh25 Tel. 041 360 83 50 [email protected] 26 http://ch.myclimate.org/ z.Z. 44 Mitarbeitende in der Schweiz: Stiftung myclimate - The Climate Protection Partnership!, Sternenstrasse 12!, 8002 Zürich! Tel. +41 (0) 44 500 43 50 Fax +41 (0) 44 500 43 51! E-Mail: [email protected] 27 http://de.wikipedia.org/wiki/Pflanzenkohle und http://de.wikipedia.org/wiki/Terra_preta 12/13 ren. Das wäre angesichts der dramatischen Klimaentwicklung sehr wünschenswert. Klimapositiv ist jener Zustand, bei welchem als Summenergebnis absolut nicht nur keine THG emittiert werden, sondern THG resorbiert werden. Das kann nur durch CO2-Sequestrierung und Carbon-Offset in speziellen Zuständen von Wäldern oder durch CCS erreicht werden. MyClimate müsste eigentlich an einem neuen Waldportfolio Interesse haben. Ein Mix aus viel Carbon-Offset im Wald plus Emissionsverringerung im Kompensationsprojekt könnte dem Primärprodukt attestieren, dass die Konsumation desselben eine klimapositive Wirkung hat, indem der CO2-Gehalt der Atmosphäre effektiv verringert wird. Eine Kooperation mit MyClimate ist auf jeden Fall prüfenswert. Die Kundenaquisition, das internationale Netzwerk und der Bekanntheitsgrad dieser Agentur sind schon weit fortgeschritten. MyClimate wird bereits hohe internationale Anerkennung zugesprochen. MyClimate hat ein beachtliches Portfolio an ausländischen Kompensationsprojekten, die im Sinne von ländlicher Entwicklung und Armutsbekämpfung mit viel Goodwill rechnen können. Allerdings ist nicht erst in jüngster Zeit berechtigte Kritik an Entwicklungshilfekonzepten laut geworden, da diese vielfach die genuine sozioökonomische Entfaltung beeinträchtigen. Inwieweit MyClimate in diesem Sinne selektiv zu operieren in der Lage ist, kann im Rahmen dieser Studie nicht beurteilt werden. 2.4 Risiken des CO2-Attests Grundsätzlich sollte nach strikten Naturschutzkriterien in Kernzonen eines Nationalparks die absolute Regel gelten, dass alle natürlichen Prozesse ungestört ablaufen sollen und dürfen. Dazu kann auch ein Waldbrand oder ein anderes Grossereignis zählen. 2.4.1 Waldbrand In amerikanischen Nationalpärken und auch im Schweizerischen Nationalpark im Engadin hat die Regel des Nichteingriffs bei Waldbränden schon zu engagierten Debatten geführt. In unserem Fall spricht jedoch die Kleinräumigkeit des PNL und das Carbon-Offset für eine Bekämpfung von Waldbränden. Zwar bestimmt die Pärkeverordnung vom 1. Dezember 200728 in Art. 16 2b „dass die freie Entwicklung der Natur gewährleistet ist.“ Diese Rechtsnorm kann jedoch nicht bedeuten, den Waldbränden sei freier Lauf zu lassen. In grossen skandinavischen und amerikanischen Nationalpärke kann man durchaus eine andere Ansicht vertreten. Für den Fall eines Waldbrandes auf einer Fläche, deren Carbon-Offset-Leistung bereits verkauft wurde, wäre eine Versicherungslösung denkbar. Der PNL könnte dafür später allenfalls einen Fonds schaffen und damit auf eine externe Versicherungslösung verzichten, was kostengünstiger wäre. Schliesslich sei auf die Antwort des Bundesrates auf die Interpellation von NR Cathomas hinzuweisen, welche die hier geäusserte Interventions-Vernunft durchaus bestätigt29: „2. Für notwendige Luftfahrtbewegungen gelten dieselben Bemerkungen. Zudem sind Flüge im Zusammenhang mit Rettungseinsätzen sowie Massnahmen zur Naturgefahrenprävention aufgrund ihrer Wichtigkeit jederzeit erlaubt.“ Diese Ausnahmeregelung soll auch ausdrücklich für die Bekämpfung von Waldbränden gelten! 2.4.2 Windwurf, Insekten-, Krankheitskalamitäten und andere Ereignisse Solche Ereignisse müssen nicht versichert werden, denn ein effektiver Verlust der akkumlierten Biomasse findet kaum statt. Das dafür eingesetztes Geld bleibt Klima neutralisierend, selbst im Fall von Windwurf, Krankheiten, Insektenkalamitäten und anderen Ereignissen. Adresse des Verfassers: Andreas Speich, Katzenbachstasse 101, CH-8052 Zürich oder poste restante, CH-6614 Brissago E-mail [email protected] Tel. +41 79 405 61 46 28 29 Amtliche Sammlung des Bundesrechts AS 2007 5241 http://www.parlament.ch/D/Suche/Seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20093832 13/13