Kap. 8 - Mathematik, TU Dortmund

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I. Zahlen, Konvergenz und Stetigkeit
Polynome
Aufgabe: Berechnen Sie alle Lösungen der Gleichung z 3 − 15z − 4 = 0 .
8.1 Definition. a) Ein Polynom P ∈ K[z] über K = Q , R , C ist eine Funktion
P : K 7→ K der Form
P : z 7→
m
P
k=0
ak z k = am z m + am−1 z m−1 + · · · + a1 z + a0
(1)
mit Koeffizienten ak ∈ K . Im Fall am 6= 0 heißt deg P := m der Grad von P.
8.2 Nullstellen. a) Ein Polynom P (z) = az + b vom Grad 1 hat genau eine
Nullstelle z0 = − b/a .
b) Ein Polynom P (z) = z 2 + 2pz + q vom Grad 2 hat wegen
z 2 + 2pz + q = 0 ⇔ (z + p)2 = p2 − q
für p2 = q genau eine Nullstelle z0 = −p , für p2 6= q nach Satz 7.13 genau 2
Nullstellen. Im Fall P ∈ R[z] , also p, q ∈ R , sind diese gegeben durch
z± = −p ±
q
p2 − q ,
q
p2 − q > 0 ,
z± = −p ± i q − p2 ,
(2)
p2 − q < 0 .
c) Nach Satz 7.13 hat ein Polynom P (z) = z n −w für w ∈ C\{0} genau n Nullstellen
in C .
d) Nach Satz 5.17 hat ein reelles Polynom P ∈ R[z] ungeraden Grades mindestens
eine Nullstelle in R .
8.3 Theorem (Fundamentalsatz der Algebra). Jedes Polynom P (z) =
m
P
ak z k
k=0
vom Grad m ≥ 1 hat mindestens eine Nullstelle in C .
Einen relativ elementaren Beweis unter Verwendung von Satz 7.13 findet man in
[K1], 27.16. In HM 3 wird sich der Satz mühelos aus dem funktionentheoretischen
Satz von Liouville ergeben.
8.4 Abspaltung von Linearfaktoren. a) Es sei 0 6= P ∈ K[z] mit P (z0 ) = 0 für
ein z0 ∈ K . Dann gibt es Q ∈ K[z] mit deg Q = deg P − 1 und
P (z) = (z − z0 ) · Q(z) .
(3)
Zum Beweis schreibt man P (z) = P (z) − P (z0 ) und verwendet Formel (3.7).
8.5 Satz. Ein Polynom P ∈ C[z] vom Grad m hat höchstens m verschiedene
Nullstellen und zerfällt in Linearfaktoren, d. h.
P (z) = α
r
Q
(z − zj )mj ,
j=1
α , zj ∈ C ,
r
P
j=1
mj = m .
(4)
8.6 Vielfachheiten. Die in (4) auftretenden Zahlen mj heißen Vielfachheiten der
Nullstellen zj ; dabei wird zj 6= zk für j 6= k angenommen. Im Fall mj = 1 heißt zj
einfache Nullstelle von P .
8 Polynome
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8.7 Kubische Gleichungen. a) Gleichungen z 3 + bz 2 + cz + d = 0 werden durch
die Substitution z = w − 3b auf die Form w 3 + pw + q = 0 reduziert. Setzt man
p
w = v− 3v
, so erhält man für v 3 die quadratische Gleichung 27(v 3 )2 +27qv 3 −p3 = 0
und somit explizite Lösungen.
b) Es wird die von R. Bombelli im 16. Jahrhundert diskutierte Gleichung
z 3 − 15z − 4 = 0
(5)
gelöst. Mit z = v + v5 erfüllt dann also u := v 3 die quadratische Gleichung
27u2 − 4 · 27u + 153 = 0 oder u2 − 4u + 53 = 0 . Es folgt
√
√
v 3 = u± = 2 ± 4 − 125 = 2 ± i 121 = 2 ± 11i .
c) Nach 7.15 ist v+,0 = 2 + i eine Lösung von v 3 = 2 + 11i . Für die entsprechende
Lösung von (5) ergibt sich
z+,0 = 2 + i +
5
2+i
= 2+i+
5(2−i)
5
= 4,
was man durch Einsetzen sofort bestätigt. Gemäß 8.4 erhält man eine Faktorisierung
z 3 − 15z − 4 = (z − 4) (z 2 + 4z + 1) ,
und daraus die weiteren (reellen) Lösungen −2 ±
√
3.
d) Ähnlich wie für kubische Gleichungen gibt es auch explizite Lösungsformeln für
Gleichungen 4. Ordnung, was aber ab der Ordnung 5 nach einem berühmten Resultat von N.H. Abel (1826) nicht mehr der Fall ist.
8.8 Reelle Polynome. Für P ∈ R[z] folgt aus P (a) = 0 auch P (ā) = P (a) = 0 .
Mit (z − a)k enthält das Produkt in (4) auch den Faktor (z − ā)k , insgesamt mit
a = b + id also den Faktor ((z − b)2 + d2 )k ∈ R[z] . Somit ist jedes Polynom
P ∈ R[z] ein endliches Produkt von Konstanten, Linearfaktoren (z − a) , a ∈ R ,
und von quadratischen Faktoren (z 2 + 2pz + q) mit p, q ∈ R ohne reelle Nullstellen,
d. h. p2 < q . Diese Aussage ist ohne den Umweg über das Komplexe“ nicht ohne
”
weiteres ersichtlich.
8.9 Rationale Polynome. Für ein Polynom P ∈ Q[z] über Q möchte man gern
Nullstellen raten. Dazu multipliziert man die Gleichung P (z) = 0 mit dem Hauptnenner aller Koeffizienten und benutzt:
8.10 Satz. Es sei
P : z 7→
m
P
k=0
ak z k = am z m + am−1 z m−1 + · · · + a1 z + a0
(6)
ein Polynom mit ganzzahligen Koeffizienten a0 , a1 , . . . , am ∈ Z . Für jede rationale
Nullstelle z0 ∈ Q von P gilt dann z0 = pq , wobei p ∈ Z ein Teiler von a0 und
q ∈ N ein Teiler von am ist.
Beweis. Man kann z0 = pq ∈ Q als einen gekürzten Bruch mit p ∈ Z und q ∈ N
schreiben. Aus P (z0 ) = 0 folgt dann wegen (6) nach Multiplikation mit q m sofort
am pm + am−1 pm−1 q + · · · + a1 p q m−1 + a0 q m = 0 .
Somit ist p ein Teiler von a0 q m und q ein Teiler von am pm ; da aber p und q
teilerfremd sind, folgt daraus die Behauptung.
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I. Zahlen, Konvergenz und Stetigkeit
8.11 Folgerungen. a) Es sei
P : z 7→ z m + am−1 z m−1 + · · · + a1 z + a0
(7)
ein Polynom mit dem höchsten Koeffizienten 1 und ganzzahligen Koeffizienten
a0 , a1 , . . . , am−1 ∈ Z . Jede rationale Nullstelle z0 ∈ Q von P ist dann ganzzahlig und ein Teiler des konstanten Terms a0 .
√
b) Für
∈ N und√a ∈ N ist m a ganz oder irrational. Insbesondere sind Zahlen
√ m√
wie 2 , 3 4 oder 17 100 irrational.
8.12 Beispiel. a) In Beispiel 5.5 wurden (reelle) Nullstellen des rationalen Poly1
∈ Q[z] gesucht. Multiplikation mit dem Hauptnenner
noms P (z) = 15 z 3 + 12 z 2 − 10
10 liefert das Polynom Q(z) = 2z 3 + 5z 2 − 1 über Z . Nach Satz 8.10 sind ±1 und
± 21 mögliche rationale Nullstellen. Durch Einsetzen sieht man, daß z0 = − 12 in der
Tat eine Nullstelle von Q ist.
b) Gemäß Satz 8.4 hat man
Q(z) = (z + 21 ) (2z 2 + 4z − 2) .
(8)
Die Nullstellen des quadratischen Polynoms 2z 2 + 4z − 2 sind
√
z± = −1 ± 2 ;
√
insbesondere ist also ξ = −1 + 2 die in Beispiel 5.5 näherungsweise gefundene
Nullstelle der Polynome Q und P .
Quotienten von Polynomen sind i.a. keine Polynome. Wie bei ganzen Zahlen, etwa
25
= 3·7+4
= 3 + 74 , ist jedoch die Division mit Rest möglich.
7
7
8.13 Satz (Euklidischer Algorithmus). Zu Polynomen P, Q ∈ K[z] gibt es eindeutig bestimmte Polynome T, R ∈ K[z] mit
P = T ·Q+R
und
deg R < deg Q .
(9)
8.14 Beispiele und Bemerkungen. a) Der Beweis von Satz 8.13 ist konstruktiv:
Zuerst erhält man durch Division der höchsten Terme von P und Q das Polynom
T1 (z) := abmn z m−n . Natürlich kann man nun nicht P − T1 Q = 0 erwarten, aber für
den Rest R1 = P − T1 Q gilt deg R1 < m . Ist noch deg R1 ≥ n , so wendet man das
gleiche Verfahren auf R1 an: Durch Division der höchsten Terme von R1 und Q
entsteht ein Polynom T2 , so daß für den Rest R2 = R1 − T2 Q gilt deg R2 < deg R1 ,
also deg R2 < m − 1 . Man hat dann
P = T1 Q + R1 = (T1 + T2 )Q + R2 .
Dieser Algorithmus (Rechenverfahren) kann nun so lange fortgesetzt werden, bis der
Grad des Restes kleiner als n = deg Q wird.
b) Die Durchführung des Euklidischen Algorithmus wird anhand des Beispiels
P (z) = 4z 4 + 3z 3 − z − 1 und Q(z) = 2z 2 + 2 in [K1], 10.4 erläutert.
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8 Polynome
8.15 Horner-Schema. a) Ein Polynom P (z) =
m
P
k=0
folgendermaßen geschrieben werden:
ak z k ∈ K[z] vom Grad m kann
P (z) = a0 + z(a1 + z(a2 + z(· · · + z(am−1 + zam ) · · ·))) .
Bei der numerischen Auswertung von P (z1 ) an einer Stelle z1 ∈ K arbeitet man die
Klammern von innen nach außen ab und schreibt die Ergebnisse in schematischer
Form auf:
am am−1 am−2
. . . a1
a0
bm z1 bm−1 z1 . . . b2 z1 b1 z1
bm bm−1 bm−2
. . . b1
b0
z1
Mit bm := am wird bm−1 = am−1 + bm z1 , dann bm−2 = am−2 + bm−1 z1 , usw.
Allgemein gilt also
bm := am , bk−1 = ak−1 + bk z1 ;
k = m, . . . , 1 .
(10)
Nach m Schritten erhält man b0 = P (z1 ) .
b) Für P (z) = z 4 − 2z 2 + 3z − 7 etwa hat man P (−2) = −5 .
c) Die Bedeutung der Zahlen bk , k = 1, . . . , m, ergibt sich folgendermaßen: Nach
8.4 oder 8.13 hat man
P (z) = c0 + (z − z1 )Q(z) ,
deg Q = m − 1 , c0 = P (z1 ) = b0 .
Nun setzt man Q(z) = c1 + c2 z + · · · + cm z m−1 an und vergleicht Koeffizienten:
P (z) = c0 + c1 (z − z1 ) + c2 (z − z1 )z + · · · + cm (z − z1 )z m−1
= cm z m + (cm−1 − cm z1 )z m−1 + (cm−2 − cm−1 z1 )z m−2
+ · · · + (c1 − c2 z1 )z + (c0 − c1 z1 )
!
= am z m + am−1 z m−1 + · · · + a1 z + a0 .
Daraus ergibt sich cm = am , ck−1 − ck z1 = ak−1 , und wegen (10) folgt ck = bk für
k = 0, . . . , m mit den bk aus dem Horner-Schema. Folglich gilt
P (z) = b0 + (z − z1 ) (b1 + b2 z + · · · + bm z m−1 ) .
(11)
d) Diese Formel läßt sich iterieren. Man erhält dann Zahlen dk (mit d0 = b0 ) und
Polynome Qk vom Grad k mit
P (z) = d0 + (z − z1 ) Qm−1 (z)
= d0 + (z − z1 ) [d1 + (z − z1 ) Qm−2 (z)]
= ···
= d0 + (z − z1 ) [d1 + (z − z1 ) {d2 + · · · + (dm−1 + (z − z1 ) Q0 ) · · ·}] .
Wegen deg Q0 = 0 ist Q0 (z) = dm eine Konstante. Man hat also eine Entwicklung
von P nach Potenzen von (z − z1 ) :
P (z) =
m
P
k=0
dk (z − z1 )k .
e) Für das Polynom aus b) ergibt sich
P (z) = z 4 − 2z 2 + 3z − 7
= (z + 2)4 − 8 (z + 2)3 + 22 (z + 2)2 − 21 (z + 2) − 5 .
(12)
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