Christian Thoma: Schnelle Regulation durch Translationskontrolle

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Christian Thoma: Schnelle Regulation durch
Translationskontrolle
Sie ist einer der wichtigsten Schalter der Molekularbiologie und dennoch gewissermaßen
ein Stiefkind. Während der Prozess der sogenannten Transkription und deren
Regulationsmechanismen seit längerem erforscht werden, scheint die Translation ein
Schattendasein zu fristen. Dabei wird immer deutlicher, wie wichtig die zelluläre Kontrolle
dieses Schritts in der Herstellung der Proteine ist, auch im klinischen Kontext. Der
Heisenbergstipendiat PD Dr. Christian Thoma vom Universitätsklinikum Freiburg hat sich
schon seit Jahren auf die Translationskontrolle spezialisiert. Er hat eine spezielle Methode
etabliert, mit der er die Vorgänge auf molekularer Ebene untersuchen kann. Dem Ziel,
Angriffspunkte für Therapien bei Krebs oder Hepatitis C zu finden, sind er und sein Team
inzwischen einen Schritt näher gekommen.
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PD Dr. Christian Thoma © PD Dr. Christian Thoma
Eine Zelle muss stets regulieren, wie viel von einem Enzym, Signalmolekül oder
Strukturprotein sie herstellt. Das ist zum einen im physiologischen Kontext wichtig, etwa in der
Entwicklung eines Organismus, wo bestimmte Eiweiße als Inhibitoren oder Aktivatoren von
zellulären Prozessen nur in bestimmten Phasen gebildet werden dürfen. Aber auch im
pathophysiologischen Kontext, denn eine Krebszelle etwa hat ein Interesse daran, bestimmte
Signalmoleküle oder Enzyme in größeren Mengen herzustellen, um ihre eigene
Teilungsaktivität zu steigern. Die Kontrolle über die Menge des hergestellten Proteins kann auf
der Ebene der Transkription erfolgen, also während die DNA abgelesen und in die
Messenger-RNA ( mRNA) überschrieben wird. Deshalb studieren zahlreiche Forscher die
Regulation dieses Prozesses durch zum Beispiel Transkriptionsfaktoren oder Signalkaskaden.
Oder aber auf der Ebene der Translation. "Die Kontrolle der Translation hat für die Zelle einen
erheblichen Vorteil", sagt PD Dr. Christian Thoma, Heisenbergstipendiat in der Abteilung II am
Universitätsklinikum Freiburg. "Die Zelle kann die Menge der aus der mRNA hergestellten
Proteine erhöhen oder verringern, ohne dabei die ganze Kaskade von der DNA über die mRNA
durchlaufen zu müssen."
Krebs und ein alternativer Mechanismus
Die Translation erlaubt also wesentlich schnellere Eingriffe in das komplexe Netz aus
Molekülen in einer Zelle. In einem erst kürzlich erschienenen Nature-Paper zeigten Forscher
sogar, dass sie den Hauptmechanismus der Kontrolle von biologischen Prozessen darstellt,
also viel wichtiger ist als der Abbau von überschüssigen Eiweißen oder andere Mechanismen.
Deshalb können bei einer Deregulierung der Translationskontrolle leicht Krankheiten wie
Krebs die Folge sein. Trotzdem beschäftigen sich in Deutschland nur einige wenige Gruppen
mit dem wichtigen Prozess. Der studierte Mediziner Thoma entschied sich nach einer
Doktorarbeit im Bereich der Molekularen Biologie in der Medizinischen Abteilung II (Ärztlicher
Direktor: Prof. Dr. Dr. mult. h.c. H. E. Blum) des Universitätsklinikums Freiburg für ein PostdocProjekt auf dem Gebiet der Translationskontrolle in der Arbeitsgruppe des „Associate-Director“
Prof. Dr. M.W. Hentze am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in
Heidelberg und habilitierte sich später auch in Heidelberg in dem Fach „Molekulare Medizin“
mit Fokus auf die Translationskontrolle. Heute untersuchen er und sein Team vor allem einen
molekularen Translationsmechanismus, der eine Alternative zur klassischen Initiation der
Translation darstellt. Und der zum Beispiel bei Krebszellen oder beim Hepatitis-C- Virus eine
wichtige Rolle spielt.
Bei der Translation wird die im Zellkern transkribierte mRNA-Sequenz außerhalb des Zellkerns
an riesigen molekularen Dechiffrier-Maschinen, den sogenannten Ribosomen, in eine Sequenz
aus Aminosäuren übersetzt. Dieser Prozess kann in der Regel nur beginnen, wenn die mRNA an
einem ihrer Enden eine sogenannte cap-Struktur besitzt, und am anderen Ende einen Schwanz
aus vielen hintereinander geschalteten Adenosin-Nukleosiden. Einige virale mRNAs können
aber auch translatiert werden, ohne eine solche Kappe zu tragen. Sie müssen hierfür eine
Struktur tragen, die als Internal Ribosomal Entry Site (IRES) bezeichnet wird. Dazu zählt zum
Beispiel die mRNA des Hepatitis-C- Virus. Jedoch können auch zelluläre mRNAs, deren
Proteinprodukte für das Überleben von Krebszellen von Bedeutung sind, über einen solchen
Mechanismus translatiert werden.
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Die Translation ist ein komplexer Vorgang, bei dem die mRNA an Ribosomen in eine Aminosäurekette übersetzt wird.
© Mariana Ruiz Villarreal
Thoma und sein Team untersuchen heute die Mechanismen, mit denen diese cap-unabhängige
Translation kontrolliert wird. Welche Proteine sind daran beteiligt, den Beginn der Translation
von solchen mRNAs zu erleichtern oder zu erschweren? "Würde man solche Proteine finden
und ihre Funktion genau aufklären, dann könnte man in die Kontrolle der Translation von
mRNAs, die bei der Krebsentstehung oder bei der Hepatitis-C- Virus-Infektion eine Rolle spielen,
gezielt eingreifen", sagt der Mediziner. Für ihn ist es wichtig, Verbindungen zwischen
Grundlagenforschung und möglichen klinischen Anwendungen herzustellen.
Das gesamte Genom einer Krebszelle durchforsten
Ein konkretes Projekt, das momentan in der Thoma-Gruppe bearbeitet wird, ist die Suche nach
Regulatoren der Translation des Vaskulären Endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF). Dieses
Molekül spielt eine wichtige Rolle für Tumoren, denn es regt das Wachstum von neuen
Blutgefäßen an. Eine ausreichende Versorgung mit Blut und damit mit Nährstoffen ist für
Tumoren sehr wichtig. Eine Krebszelle ist daher interessiert daran, dass eine möglichst große
Menge von VEGF produziert wird.
Deshalb versucht sie, die Translation des Moleküls in die Höhe zu treiben. Allerdings kommt es
unter hypoxischen Bedingungen zu einer Herunterregulierung der cap-abhängigen Translation.
Die Aktivierung der cap-unabhängigen Translation, die sich in einer von Nährstoffen
abgeschnittenen Krebszelle in Gang setzt, erlaubt es nunmehr, dass die VEGF-Synthese
weiterhin möglich ist. "Welche Proteine sind dafür zuständig, dass die VEGF-mRNA capunabhängig translatiert werden kann?", fragt Thoma. Um eine solche Frage beantworten zu
können, haben sein Team und er in den letzten Jahren eine spezielle Methode entwickelt, die
es grundsätzlich erlaubt, das gesamte Genom einer Krebszelle nach Genen zu durchsuchen,
die eine erhöhte cap-unabhängige Translation der VEGF-mRNA fördern oder blockieren
können.
In funktionellen Hochdurchsatz-Assays schalten sie mit Hilfe der RNA-Interferenz-Technologie
die Expression von Genen aus und prüfen anschließend, ob sich die Translation von VEGF
erhöht oder verringert hat. „Bislang wurden überwiegend biochemische Methoden eingesetzt,
um Proteine zu identifizieren, die (spezifisch) an mRNAs binden. In einem zweiten Schritt wird
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dann erst überprüft, ob die gefundenen Kandidaten auch funktionell von Bedeutung sind“,
sagt Thoma. "Mit unserem Ansatz suchen wir direkt nach Molekülen, die eine funktionelle Rolle
bei der Translation und bei deren Kontrolle spielen." Inzwischen haben der Mediziner und sein
Team einige molekulare Mitspieler entdeckt, die vielversprechende Kandidaten im Bereich der
cap-unabhängigen Translationsskontrolle sind. Die Moleküle müssen nun genauer untersucht
werden: Wie genau kontrollieren sie die Translation der VEGF-mRNA? Welche physiologische
Relevanz haben sie tatsächlich auf die Blutversorgung eines Tumors und das
Tumorwachstum? Und kann man sie manipulieren, um einen Ansatz für eine Therapie zu
entwickeln?
Ist ein fruchtbarer Austausch möglich?
In Zukunft wollen die Forscher um Thoma auch die Translationskontrolle der mRNA des
Hepatitis-C- Virus unter die Lupe nehmen. Grundsätzlich kann mit der von ihnen entwickelten
Methode jede beliebige mRNA-Sequenz untersucht werden. Da viele Forscher - manchmal auch
zufällig - über Fragestellungen stolpern, die mit Thomas Forschungsgebiet zu tun haben, ist
davon auszugehen, dass die Translationskontrolle immer mehr auch in den Fokus anderer
Molekularbiologen rücken wird. Eine zeitnahe Möglichkeit zum Austausch in Deutschland ist
die internationale Konferenz zur Translationskontrolle, die diesen September wieder im
„Advanced Training Center“ am EMBL Heidelberg stattfinden wird. Es ist durchaus vorstellbar,
dass ein Austausch fruchtbar wäre, denn oft waren es in der Wissenschaftsgeschichte Impulse
aus benachbarten Forschungsgebieten, die zu Innovationen führten.
Fachbeitrag
25.07.2011
mn
BioRegion Freiburg
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
PD Dr. Christian Thoma
Heisenberg-Fellow
Universitätsklinik Freiburg
Abteilung für Medizin II
Hugstetterstr. 55
79106 Freiburg
Tel.: +49 (0)761 270 / 32770
Fax: +49 (0)761 270 / 32770
Universitätsklinikum Freiburg, Innere Medizin, AG
Thoma
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