1 Absurdität Hinsichtlich Des Sinnlosen Lebens Des Einsamen Individuums ABSURDITÄT HINSICHTLICH DES SINNLOSEN LEBENS DES EINSAMEN INDIVIDUUMS Melik BÜLBÜL1 Yalnız Bireyin Anlamsız Yaşamında Yer Etmiş Sıradışılık Öz Arthur Schnitzler, yaşadığı dönemin edebiyat dünyasına damgasını vurmuş ender yazarlardan biridir. Onu daha çok sıradışı karakteristik derinliklere sahip dramlarından tanıyoruz. Yarattığı kahramanlarına giydirdiği psikolojik donanımlar sayesinde, yaşadığı çağın manzaralarını ruhsal bir boyuttan panoramik biçimde derinlikli olarak yansıtmasını başarıyla bilmiştir. Yıkıntı edebiyatının (Trümmerliteratur) konu, figür, çağ gibi bileşenlerini derinlik psikolojisinin verilerini kullanarak daha da boyutlandırarak ve betimleyerek ustalıkla işlemiştir. Burada ele alınan Der Sohn adlı dramında, sözü edilen veriler doğrultusunda sıra dışı ruh manzaralarına tanık olmaktayız. Okurun düş dünyasında derin etkiler bırakan ve edebiyat tadında renkler sunan eser, okuma ve üretme süreçlerine çok olumlu katkılar sağlamaktadır. Bu çalışmada Avusturyalı ünlü yazarın bir dramı ele alınarak, onun çağına ve çağ insanına derinlik psikolojisi imkânlarından yola çıkarak çözümlemeye çalışılmıştır. Kullanılan yöntem, doküman inceleme, okur odaklı çözümleme yapma ve metinsel iletişim ilkelerinden yararlanma tekniklerinden oluşmaktadır. Anahtar sözcükler: Çağ portresi, yıkıntı edebiyatın öğeleri, derinlik psikolojisi. 1 Atatürk Üniversitesi KKEF Alman Dili Eğitimi ABD Öğretim Üyesi. ……….Yıl: 2015…..KKEFD…..Sayı:.31………. 2 MELİK BÜLBÜL Rooted Extraordinariness in Lonely Individual’s Meaningless Life Abstract Arthur Schnitzler is one of the prominent authors leaved his marks on his literature world. One knows him with his tragedies having extraordinary characteristics. With the psychological forms that he shaped in his characters, he knew well how to panoramically reflect his age’s portraits from a spiritual perspective in a detailed way. He skilfully subjected rubble literature’s elements like topic, figure, age by using depth psychology’s data, and also resizing and depicting them. We experienced extraordinary spiritual portraits in light of aforementioned data here, in his tragedy named Der Sohn. The work branding deep effects in readers’ imaginative world and presenting the colours in taste of literature, provided more positive attributions to reading and production processes. In this study, the prominent Australian author’s tragedy was handled and it was resolved by being used the authors’ age and humans of the age with the help of depth psychology. The adopted method was composed of document analysis, reader-focused analysis and the textual communication principles. Keywords: Age’s portraits, rubble literature’s elements, depth psychology. 0. Einleitung Der Sohn, Dramatext von Schnitzler, der ein großes Echo erweckt hat, thematisiert geistig gestörte Beziehungen zwischen Sohn und Mutter in einer problematischen Familie. Das Werk, das einen besonderen Raum neben seinen Dramen nimmt, wird mit einem großen Erfolg von Skandal- Schriftsteller Arthur Schnitzler inszeniert. Er stellt seelische Befindlichkeiten als familiäre Verhältnisse auf der Weise Konflikte dar, so dass die Figuren all die zwischenmenschliche Entfremdung selbst miterleben können. Da die Zeit, in der der Schriftsteller seine Dramen geschrieben hat, ist eine verloren gegangene Zeit. Neben Kulturkrise sieht man auch eine Dekadenz im Gebiet des sozialen Lebens und der individuellen Seele. Schnitzler ist gelungen, seine Figuren mit zeitlichen absurden Wertvorstellungen zu prägen und ihre Innenwelt durch innere Monologe auf seine Leser zu übertragen. Damit verletzte und brach er in seiner stürmischen Zeit mehrmals öffentliche Tabus. ……….Yıl: 2015…..KKEFD…..Sayı:.31………. 3 Absurdität Hinsichtlich Des Sinnlosen Lebens Des Einsamen Individuums Übrigens gebraucht er inneren Monolog in seinen darauffolgenden Dramen so mysteriös und wirksam, dass es ihm einen weltberühmten Raum in der Literaturwelt gewinnen lässt. Er wurde am 15. Mai 1862 in der Leopoldstadt geboren. Wie sein Vater studierte er Medizin und interessierte sich früh für Psychologie, die ihm in seinen folgenden Lebensphasen großen Beitrag zu den Andeutungen der Kunstwerke leisten werden. Nach der Promotion 1885 arbeitete als Assistenz- und Sekundararzt am Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien, dem heutigen Campus der Universität Wien in der Spitalgasse. Von 1888 bis 1893 assistierte er seinem Vater an der Poliklinik Wien. Nach dem Tod seines Vaters eröffnete er eine eigene Praxis. ( Vgl. Schnitzler, 1981; 131). Neben seinem Studium und der späteren Tätigkeit als Mediziner war Schnitzler immer auch schriftstellerisch tätig. Ab 1890 war er einer der Hauptvertreter des Jungen Wien, zu dem Autoren wie Hugo von Hofmannsthal, Hermann Bahr oder Felix Salten gehörten. Mit der Burgtheateraufführung von Liebelei gelang Schnitzler 1895 der Durchbruch als Dramatiker. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte er zu den meistgespielten Dramatikern auf deutschen Bühnen. Der Selbstmord seiner Tochter im Jahr 1928 erschütterte ihn tief. Am 21. Oktober 1931 starb Schnitzler als einer der einflussreichsten Autoren des 20. Jahrhunderts an einer Hirnblutung. (Vgl. Pankau, 2007; 19). Sechs Jahre nach Sigmund Freud (1856) geborener Schnitzler war eine spannende Zeit in Wien: einerseits Neoabsolutismus, Unterdrückung der freien Meinungsäußerung, andererseits doch ein Eldorado2 der gepflegten Konversation und Diskussion. Es war eine Zeit dynamischer Zuwanderung aus allen Teilen der Monarchie. Unter diesen historischen und politisch-kulturellen Auseinandersetzungen befindet sich er auf dem Weg psychoanalytisch wertvollen Schreiben. Nach der Uraufführung der Bühnenstücke wurde Schnitzler 1921 ein Prozess wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses gemacht. Wie Fräulein Else, Leutnant Gustl und so auch Der Sohn verursachten zu dem scharfen Aufsehen seiner schriftstellerischen Kraft. (Vgl. Nickl und Schnitzler, 1968; 121). 2 ist ein sagenhaftes Goldland im Innern des nördlichen Südamerika ……….Yıl: 2015…..KKEFD…..Sayı:.31………. 4 MELİK BÜLBÜL 1. Psychologie und Literatur Arthur Schnitzler und Sigmund Freud waren die ältesten Persönlichkeiten jener Gruppe, die die Protagonisten der intellektuell und künstlerisch so profilierten Epoche der Wiener Moderne waren und Schnitzler im Unterschied zu Freud gestattet seine Charaktere mit den tiefen psychologischen Zügen so herrisch und meisterhaft. Sozusagen ist die Literatur durch die schriftstellerischen Tätigkeiten Schnitzlers der Psychologie nahe gekommen. Die Kultur Wiens in der Zeit von 1870 bis 1930 fasziniert wahrscheinlich auch heute deshalb so sehr, weil die Bühnen des Alltags mit ihren Akteurinnen von Arthur Schnitzler, Hermann Bahr, Peter Altenberg, Hugo von Hofmannsthal, Stefan Zweig und Robert Musil so plastisch beschrieben wurden. (Matt, 2001). Walter Muschg hat in seinem Aufsatz über Psychoanalyse und Literaturwissenschaft nachdrücklich auf die Bedeutung gerade dieses Zusammenhangs für die Literaturwissenschaft hingewiesen. Der Abschnitt sei hier zitiert, weil man These und Weiterungen kaum knapper und präziser umreißen konnte: Ein weiteres Kennzeichen dieser Arbeiten (d.h. ernstzunehmender psychoanalytischer Beitrag zur Literaturwissenschaft, P.v.M.) ist die Interpretation des dichterischen Naturgefühls. Auch sie geht aus einem der seelischen Grundkonflikte hervor, welche die Psychoanalyse behandelt: aus den Inzestgelüste, aus dem Ödipusmotiv. (Matt, 2001; 74). Schnitzlers Drama Der Sohn ist auch wie die anderen seiner Dramen unverzichtbarer Bestandteil der Theaterspielpläne, seine Erzählungen sind für ein breitestes Publikum. Wie viele Geschichten von Arthur Schnitzler, so ist auch die Novelle Der Sohn - Aus den Papieren eines Arztes von der Schnitzlerischen Grundstimmung, nämlich einer leichten Melancholie, einer breitestes Lesart der Welt und des Daseins geprägt. Ein Arzt wird zu einem Verbrechen gerufen, bei dem ein junger Mann seine Mutter nach einem lautstarken Streit mit einer Axt attackiert hat. Der Sohn ist jedoch nicht nach der Tat geflüchtet, sondern wartet, seine Mutter bewusstlos auf dem blutigen Bett neben ihm liegend, bis die Polizei eintrifft. Emotionslos lässt er sich abführen, von Reue scheinbar keine Spur. Der Arzt, aus dessen Perspektive die Novelle erzählt wird, ist von der Bösartigkeit des jungen Mannes entsetzt. Er ist sich ……….Yıl: 2015…..KKEFD…..Sayı:.31………. 5 Absurdität Hinsichtlich Des Sinnlosen Lebens Des Einsamen Individuums sicher, dass die Schuld allein bei dem Sohn zu suchen sei. Umso erstaunter ist der Mediziner dann, als ihm die Mutter, nachdem sie kurzzeitig aus der Bewusstlosigkeit aufwacht, erklärt, dass sie die ganze Verantwortung an dem Unglück trage. Sie habe damals versucht, das Kind nach der Geburt zu ermorden, was jedoch nicht gelang. Aus diesem Grund sei die Schuld für das Verhalten des Sohnes allein bei ihr zu suchen. Einen Tag bevor sie an ihrer schweren Kopfwunde stirbt, lässt sie sich von dem Arzt das Versprechen geben, dass dieser sich vor Gericht für ihren Sohn einsetze. (Vgl. Rattner, 1999; 94). Wie in Thomas Bernhard Dramen so auch in Schnitzlers Dramen sind zahlreiche absurde Elemente zu sehen. Die Parallelitäten zwischen beiden Schriftstellern beruhen auf den Zeitauseinandersetzungen zum einen und zum anderen auf eigentlichen Lebensereignissen, die üblicherweise in den Werken beider Schriftsteller mit scharfen Konturen zu bemerken sind. (Schönau, 1976; 260). Die Absurdität des sinnlosen Lebens führt den Einzelnen zu den Anomalien. Lebenssinnlosigkeit, die dem zwanzigsten Jahrhundert eine Paradoxie-ähnliche Gestalt geschenkt hat, trägt die absurden Züge sowie: Triebkraft zum Töten, Angst vor Sterben, Inzestgelüste, das Wahnsinnige, Treiben zum Vernichten, Rache, Besessenheit, Verrücktsein, Dasein- Problem, Tagträume und Alpträume. All diese Elemente, die als absurd entstanden sind, geben der Interpretation der Werke, hier dem Drama Der Sohn eine tiefe Bedeutung, die sich aus der tiefen Psychologie zusammensetzt. Wie Schönau und Pfeiffer nachdrücklich zum Ausdruck gebracht haben: Grundlegend für das Selbstverständnis und das Verfahren der psychoanalytischen Literaturinterpretation war von Anfang an das Modell der Traumdeutung, wie Freud es 1900 vorgelegt hat, anhand der Traumtheorie erschien es nun möglich, die Gesetzmäßigkeiten des Phantasierens zu studieren, die offenbar auch weitgehend die Literatur bestimmen. In beiden Fällen erkannte man als ihre psychische Hauptfunktion die vorgestellte Befriedigung unbewusster Wünsche, deren Verkleidung und Bestrafung als eine Wirkung der Abwehr betrachtet wurde. (Schönau und Pfeiffer, 2003; 79). Schnitzler beschreibt im Drama Der Sohn eine pessimistische und graue Atmosphäre. Die psychische Befindlichkeit gibt dem Leser einen düsteren ……….Yıl: 2015…..KKEFD…..Sayı:.31………. 6 MELİK BÜLBÜL Horizont, wo er seine normalen Lebensereignisse ansehen kann. bei den ersten Sätzen des Dramas sieht man klar dieses düstere Klima: Ich sitze noch um Mitternacht an meinem Schreibtisch. Der Gedanke an jene unglückliche Frau läßt mich nicht zur Ruhe kommen... Ich denke an das düstere Hofzimmer mit den altertümlichen Bildern; an das Bett mit dem blutgeröteten Polster, auf dem ihr blasser Kopf mit den halbgeschlossenen Augen ruhte. (Schnitzler, 1970; 179). 2. Der Geistig Gestörte Einzelne Ich-Erzähler beschreibt einen blutigen Raum, was den Leser plötzlich zur Angst und Verzweiflung treibt. Gleich kommen die anderen wahnsinnigen Blicken, die bildhaft auftreten: Ein so trüber Regenmorgen war es überdies. Und in der andern Zimmerecke, auf einem Stuhle, die Beine übereinandergeschlagen, mit trotzigem Gesichte, saß er, der Unselige, der Sohn, der das Beil gegen das Haupt der Mutter erhoben... Ja, es gibt solche Menschen, und sie sind nicht immer wahnsinnig! ( d. S. 80). Die graue Atmosphäre umgibt überall. Das bringt mit sich Angst und Panik. Was merkwürdig ist, ist, dass der Sohn sich als Unseliger bezeichnet. Der Sohn mit Beil in der Hand und als der Unselige. Dieses Bild bietet ein absurdes Panorama dar. Regen, Haupt der Mutter, Beil sind die düsteren Elemente, die als absurd auftreten und auf dem Bild der Geschichte zusammenkommen. Rattner untersucht dieses Schuldgefühl des Sohnes in der damaligen Lebensphase der Mutter, die zu einer Rache Anlass gegeben hat. Die Mutter dachte damals, nach Geburt das Kind zu vernichten: Der Arzt, aus dessen Perspektive die Novelle erzählt wird, ist von der Bösartigkeit des jungen Mannes entsetzt. Er ist sich sicher, dass die Schuld allein bei dem Sohn zu suchen sei. Umso erstaunter ist der Mediziner dann, als ihm die Mutter, nachdem sie kurzzeitig aus der Bewusstlosigkeit aufwacht, erklärt, dass sie die ganze Verantwortung an dem Unglück trage. Sie habe damals versucht, das Kind nach der Geburt zu ermorden, was jedoch nicht gelang. Aus diesem Grund sei die Schuld für das Verhalten des Sohnes allein bei ihr zu suchen. Einen Tag bevor sie an ihrer schweren Kopfwunde stirbt, lässt sie sich von dem Arzt das ……….Yıl: 2015…..KKEFD…..Sayı:.31………. 7 Absurdität Hinsichtlich Des Sinnlosen Lebens Des Einsamen Individuums Versprechen geben, dass dieser sich vor Gericht für ihren Sohn einsetze. (Vgl. Rattner, ebenda). Schnitzlers Werke reflektieren die Destabilisierungssymptome der Décadence, in der sich die Grenzziehungen der Kultur auflösen, die den Menschen bisher als Orientierungsvorgaben im Erleben ihrer selbst und anderer dienten. Das Wahrnehmen des traurigen Ereignisses von der Umwelt fällt ganz seltsam. Die Umherstehenden waren völlig erstaunt. Hier sieht man eine dünne Ironie, die Schriftsteller mit meisterhaften Ausdrücken geformt hat: Die Bewohner des Vorstadthauses waren in heftiger Erregung; vor der Wohnungstüre standen sie in Gruppen und besprachen das traurige Ereignis. Einige fragten mich auch, wie es da oben stehe und ob Hoffnung für das Leben der Verletzten vorhanden sei. Ich konnte keine bestimmte Antwort geben. ( d. S. 80). Wie in den meisten Dramen von Schnitzler auch im Drama Der Sohn läuft die traurige und mysteriöse Geschichte um die psychopathologischen d. h. absurden Ereignisse umher. Darunter tritt Mordmotiv im Drama tragisch und bemerkenswert auf. Die tiefen psychologischen und unter dem Bewusstsein verborgenen Defekte kommen erst dann zustande, wenn die zwischenmenschlichen Beziehungen in Hinsicht des problematischen Individuums einen günstigen Raum finden, aus dem Bewusstsein an den Tag zu kommen. Mordmotiv kommt erst auf dieser Basis entgegen. Das Individuum, das sich unter dem Druck des Jahrhunderts stark abgekapselt gefühlt hat, sucht für sich einen Ausweg, sich aus dieser Unterdrückung zu befreien und sich dadurch seelisch zu reinigen. Diese Reinigung hängt von dem Ereignis ab: Mörder zu werden. Auf der Stiege begegneten mir die Gendarmen, welche den Muttermörder abholen kamen… Die Bewohner des Vorstadthauses waren in heftiger Erregung; vor der Wohnungstüre standen sie in Gruppen und besprachen das traurige Ereignis. Einige fragten mich auch, wie es da oben stehe und ob Hoffnung für das Leben der Verletzten vorhanden sei. Ich konnte keine bestimmte Antwort geben. ( d. S. 81). Im Grund Ihres Wesens sind Sie ein psychologischer Tiefenforscher, so ehrlich unparteiisch und unerschrocken wie nur je einer war. Die ……….Yıl: 2015…..KKEFD…..Sayı:.31………. 8 MELİK BÜLBÜL Einschätzung seines Zeitgenossen Siegmund Freud in einem Brief an Arthur Schnitzler trifft aus heutiger Sicht - nahezu 150 Jahre nach seiner Geburt genau ins Schwarze. (Vgl. Lindken, 1999). In den Zeiten seines literarischen Schaffens, im königlich-kaiserlichen Österreich, sahen seine zahlreichen Kritiker das anders. In einer Gesellschaft, in der die Monarchie, die Herkunft, Moral und militärische Ehrenkodizes mehr galten als der Einzelne, wurden die Texte des promovierten Mediziners nicht selten als Affront aufgefasst. Schnitzler schaute genauer hin, blickte in die Seelen seiner Protagonisten und beschrieb auch deren körperliche Begierden. Nach der Veröffentlichung seiner Novelle Leutnant Gustl, in der er mit der neuen Erzählform des inneren Monologs den Ehrenkodex des österreichischen Militärs kritisierte, wird dem Literaten der Offiziersrang eines Oberarztes der Reserve aberkannt. Und nach der Uraufführung des Bühnenstücks Der Reigen wird dem jüdischen Schriftsteller der Prozess wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses gemacht. So sehr die Moralisten ihm das Leben schwermachen, so verlässlich stützen ihn seine Künstlerfreunde und eine wachsende Gemeinde treuer Leser und Theatergänger. Zu ihnen gehörte auch seine spätere Frau Olga Gussmann, mit der Schnitzler einen Sohn und eine Tochter hatte. Dass seine geliebte Lili sich nach dem Scheitern einer frühen Ehe mit nur 18 Jahren das Leben nahm, hat Arthur Schnitzler nie verwunden. Er stirbt drei Jahre nach ihrem Tod an einer Hirnblutung. (Vgl. Hacker, 1982) Schnitzler gilt heute als einer der einflussreichsten deutschsprachigen Autoren des frühen 20. Jahrhunderts. Was ihn sogar auch heute einen weltberühmten Tiefenforscher und Schriftsteller gemacht hat, ist, dass er mit einer wirkungsvollen Meisterschaft seine Figuren zu versehen beschaffen hat. Die Fälle beim Sohn und Mutter im Drama Der Sohn waren eben daher bemerkenswerter: Der Ausgangspunkt dieses Unglücks ist in der Nacht zu sehen, in der die verzweifelte Mutter, Martha Eberlein, versucht ihren neugeborenen Sohn mit Decken zu ersticken. Die Tat misslingt, aber trotzdem sind sowohl die Mutter als auch der Sohn nach dieser Nacht, wenn auch verschieden stark, traumatisiert (griechisch Trauma = Verletzung). (Vgl. Schulz, 2003; 203). ……….Yıl: 2015…..KKEFD…..Sayı:.31………. 9 Absurdität Hinsichtlich Des Sinnlosen Lebens Des Einsamen Individuums Das Trauma des Kindes liegt im Unbewussten „begraben“, d.h. der Sohn wird sich sicherlich nicht an den ersten Tag seines Lebens erinnern können. Verschwunden ist diese unverarbeitete Traumatisierung aber deswegen nicht. Wie es sich genau auf das Handeln des jungen Mannes auswirkt und welche Folgen es noch hat, wird Aufgabe der später folgenden psychoanalytischen Betrachtung sein. (Vgl. Schulz, ebenda). Auch die Mutter trägt ein Trauma aus dieser Nacht davon. Sie ist erschrocken über die Kaltblütigkeit und Grausamkeit ihrer Tat. Immerhin hat sie versucht, ihren gerade geborenen Säugling zu ersticken. Ob diese Tat in einer postpartalen Depression (Postpartum-Syndrom) begründet liegt, oder der verzweifelte Lösungsversuch von Existenzangst gewesen ist, bleibt ungeklärt. Diese Situation entsteht als milde Narkose des Lebens. Die dramatischen Spiele im Theater können den Rezipienten in jenen Zustand der Selbstvergessenheit, der Versenkung in die Welt der Fiktion bringen. Freuds Definition der ästhetischen Erfahrung als ‚milde Narkose‘ (Vgl. Schönau und Pfeiffer, 2003; 59). hat ihre Berechtigung: Verschiedene Umstände, die als Bedingungen dieser psychischen ‚Absorption‘ auftreten: der Ruhestand des Körpers, die stillgelegte Motorik, eine störungsfreie Umgebung, die Konzentration der Aufmerksamkeit auf die Innenwelt und ihre Szenarien lassen diesen tranceähnlichen Zustand der Versenkung als ‚Hypnoiden Zustand‘, erscheinen als einen ‚altered state of consciousness‘, der sowohl Ähnlichkeiten mit dem Traumerleben wie mit der Hypnose aufweist. (Schönau und Pfeiffer, 2003, 59). Was im Drama Der Sohn sich vom Anfang bis zum Ende abgespielt hat, konzentriert sich in erheblichem Masse auf Schulgefühl und reuige Geständnisse. Die Rollen zwischen der Mutter und dem Sohn sind ab und zu gewechselt. Im Laufe der Geschichte wird der Sohn zum Unschuldigen; dagegen die Mutter zu einem Mörder. Das alles findet man unter den Zeilen, die die Mutter in reuigen Gefühlen dem Arzt ausgedrückt hat. Das waren im Sinne der Beichte die alten Geschichten: Gleich werden Sie mich verstehen... Ich bin nicht Frau Eberlein... ich bin Fräulein Martha Eberlein... Man hält mich nur für eine Witwe... Ich habe nichts dazu getan, um die Leute zu täuschen, aber ich konnte ……….Yıl: 2015…..KKEFD…..Sayı:.31………. 10 MELİK BÜLBÜL diese alten Geschichten doch nicht jedermann erzählen.... (d. S. 87). Was die Mutter nach Jahren zu diesem Gedanken geführt hat, steht verborgen in ihrem Innern, was bemerkenswert bis auf die Geburtszeit zurückgeht. Die Realität hat sich die Mutter wegen innerlichen Treibens mit dem Arzt zu verteilen gezwungen gefühlt: Oh, es steht in Ihrer Macht, wenn es eine Gerechtigkeit gibt...Ich bitte Sie recht sehr... versuchen Sie sich nicht aufzuregen... Ich fühle wohl, dass Sie mich für Ihren Freund halten, und ich danke Ihnen dafür; ich bin aber auch Ihr Arzt und darf Ihnen ein bisschen befehlen. Nicht? – Also Ruhe! Vor allem Ruhe!... Ruhe...wiederholte sie, und schmerzlich zuckte es ihr um Augen und Mund...Herr Doktor – Sie müssen mich anhören... es lastet so schwer auf mir! ( d. S. 86). Es soll dabei nicht übersehen werden, dass es in der Tiefen-Psychologie Ödipuskomplex eine relevante Rolle spielt, was problematisch auf die naturinstinktbezogenen Beziehungen zwischen Vater und Tochter beruht. Dasselbe gilt auch umgekehrt sozusagen zwischen Mutter und Sohn, was der Fall hier ist. Mordimpulse gehen auf diese Weise auf die früheren Zeitspannen, wo die Komplexität im Leben als problematisch entsteht. Das aber ist nachher als Schuldgefühl zustande gekommen (Muttermord-Impuls) (Vgl. Matt 2001; 74). Die Frage, warum sich die Mutter nach Jahren dieses traurige Ereignis zu gestehen benötigt gefühlt hat, zu deuten, braucht eine psychoanalytische Suche. Da die Mutter sich dadurch innerlich reinigen und reinwaschen kann, geht sie auf den Weg, ihre Schul mit jemandem zu verteilen: Oh, nicht das! Es sind zwanzig Jahre, dass ich verlassen wurde... verlassen, noch bevor er zur Welt kam, er, mein und sein Sohn. Und da... es ist nur der reine Zufall, daß er lebt, denn, Herr Doktor... ich hab' ihn umbringen wollen in der ersten Nacht!... Ja, schaun Sie mich nur so an!... Allein und verzweifelt stand ich da... Aber ich will mich nicht reinwaschen... Ich nahm Decken und Linnenzeug und legte es über ihn und dachte, er werde ersticken... Dann in der Früh' nahm ich furchtsam die Decken wieder weg... und er wimmerte! Ja, er wimmerte – und atmete – und lebte! Sie weinte, die arme Frau. Mir selber versagten die Worte. ( d. S. 86). ……….Yıl: 2015…..KKEFD…..Sayı:.31………. 11 Absurdität Hinsichtlich Des Sinnlosen Lebens Des Einsamen Individuums Im Drama wird auf den Fall Todeswunsch gegen die Eltern stark betont. Das Kind hier ist wütender weise in der Lage die Eltern zu ermorden. Die Triebkraft im Innern des Individuums soll im Rahmen der Literatur(-Textes) psychoanalytisch interpretiert werden. Die absurden Merkmale, die als unvorstellbar aufgetreten sind, gehen auf die Kinderzeiten. Unter dem Bewusstsein verborgene Anomalien im Einzelnen kommen im Zustand der gereizten Impulse zustande. Matt weist auf diese Situation mir eigenen Äußerungen hin: …den Gegenwunsch gegen die Eltern. Zu dessen Erklärung sieht er sich gezwungen, auf Resultate zurückzugreifen, die er in der Analyse von Neurotikern gefunden hat. Und hier wird er zum ersten Mal dazu gebracht, ein beziehungsnetz prinzipiell zu beschreiben, das über die Traudeutung hinaus für die Sexualforschung und die Psychoanalyse überhaupt von zentraler Bedeutung werden sollte. (Matt, 2001; 18). Der Sohn im Drama Schnitzlers trägt die gleiche patalogische Situation wie in den Freudschen Äußerungen. Das Rache-Gefühl hat von jeher dem Sohn innerlich zu Herzen gegangen und er hat innerlich belästigt gefühlt. Der Sohn ist folglich nicht imstande, gesund zu denken und mit Menschen normalerweise auszukommen. Das Schuldgefühl, das die Mutter seelisch quält, treibt sie dazu, Einbildungen zu tun, wodurch sie sich erst innerlich gereinigt spürt: Aber das kam so allmählich – so allmählich. – Und immer wartete ich – immer, wenn er den Mund aufmachte, wartete ich: jetzt wird er es dir sagen. Ja, ja, er wird es dir sagen, dass er sich nicht täuschen lässt, dass all die Küsse, all die Liebkosungen, all die Liebe dich nicht zur wahren Mutter machen können. Er wehrte sich, er ließ sich nicht küssen, er war ungebärdig, er liebte mich nicht... Ich ließ mich schlagen von dem fünfjährigen Buben, und auch später noch ließ ich mich schlagen und lächelte... Ich hatte eine wahnsinnige Sehnsucht, meine Schuld loszuwerden, und wusste doch, dass es nimmer ginge! Konnt' ich's denn jemals sühnen?... Und, wenn er mich ansah, immer mit denselben fürchterlichen Augen...! Als er älter wurde, in die Schule ging, da wurde es mir vollends klar, dass er mich durchschaute... Und alles nahm ich reuig hin... Ach, er war kein gutes Kind... aber... ich konnte ihm nicht böse sein! Böse! oh, ich liebte ihn, liebte ihn bis zum Wahnsinn... Und ……….Yıl: 2015…..KKEFD…..Sayı:.31………. 12 MELİK BÜLBÜL mehr als einmal sank ich hin vor ihn, küsste seine Hände – seine Knie – seine Füße! – Oh, er verzieh mir nicht. – Kein Blick der Liebe, kein freundliches Lächeln...! ( d. S. 87). Es geht Schnitzler meist nicht um die Darstellung krankhafter seelischer Zustände, sondern um die Vorgänge im Inneren gewöhnlicher, durchschnittlicher Menschen mit ihren gewöhnlichen Lebenslügen, zu denen eine Gesellschaft voll von ungeschriebenen Verboten und Vorschriften, sexuellen Tabus und Ehrenkodices besonders die schwächeren unter ihren Bürgern herausfordert. Wie man sieht, spielen Schnitzler widersprüchliche Beziehungen der normalen Menschen eine relevante Rolle, weil die Zeit psychopathologische Impulse der betreffenden Menschen reflektiert. Wie Sigmund Freud in der Psychoanalyse bringt Arthur Schnitzler etwa zur gleichen Zeit jene Tabus (Sexualität, Tod) zur Sprache, welche die damalige bürgerliche Gesellschaft und ihre Moral unterschlagen (Vgl. Matt 73). Im Gegensatz zu Freud offenbart sich das Wesen dieser Gesellschaft und ihrer Teilnehmer bei Schnitzler nicht als (vorher) Unbewusstes, sondern als Halb-Bewusstes etwa im inneren Monolog eines Protagonisten. Freud selbst schrieb in einem Brief an Schnitzler. Ich habe mich oft verwundert gefragt, woher Sie diese oder jene geheime Kenntnis nehmen konnten, die ich mir durch mühselige Erforschung des Objekts erworben, und endlich kam ich dazu, den Dichter zu beneiden, den ich sonst bewundert. So habe ich den Eindruck gewonnen, dass Sie durch Intuition – eigentlich aber infolge feiner Selbstwahrnehmung – all das wissen, was ich in mühsamer Arbeit an anderen Menschen aufgedeckt habe. (Reik, 1993; 136). Schnitzler, der in der Jahrhundertwende ein merkwürdigeres Ansehen erweckt hat, konnte die Elemente der Tiefenpsychologie mit ihren Tiefendimensionen der menschlichen Seele bestmöglich zum Gebrauch machen. Seine Charaktere in seinen Werken sind mit vielschichtigen Bestandteilen der psychologischen Defekte versehen. Dadurch versucht er die zwischenmenschlichen Beziehungen auf der psychopathologischen Ebene zu reflektieren. Die Zeit, in der er lebte, war die Zeit des Untergangs des Individuums mit all seinen Werten. So, in einem wertlosen Ära ein wertvolles Leben zu führen, fällt nicht so recht. Er erzählt in seinen Werken von den sozio-kulturellen Fragen aus der Perspektive der absurden Figuren. ……….Yıl: 2015…..KKEFD…..Sayı:.31………. 13 Absurdität Hinsichtlich Des Sinnlosen Lebens Des Einsamen Individuums 3. Schlussfolgerung Arthur Schnitzlers, Skandal-Schriftsteller gebraucht in seinen weltberühmten Dramen inneren Monolog so mysteriös und wirksam, dass es ihm einen unvergesslichen Raum in der Literaturwelt gewinnen lässt. Neben seinem Studium und der späteren Tätigkeit als Mediziner war Schnitzler immer auch schriftstellerisch tätig. In seinen Dramen gebraucht er meisterhaft die absurden Elemente mit den literarisch-künstlerischen Hintergründen. Seine Charaktere sind mit psychoanalytischer Deutung offenen Zügen versehen und ausgestattet. Das gibt dem Werk eine vielseitige Dimension, die den Leser zu neuen Denkungsarten führen kann. Im Drama Der Sohn findet man viele mit den absurden Merkmalen versehene Besonderheiten, die auf den ersten Blick widersinnig vorkommen. Die absurden Züge sowie: Triebkraft zum Töten, Angst vor Sterben, Inzestgelüste, das Wahnsinnige, Treiben zum Vernichten, Rache, Besessenheit, Verrücktsein entstehen auf Weise der Anomalie, da die Zeit fin de siècle den Zeitmenschen psychologisch in dekadenten Zustand getrieben hat. Das war der Untergang des modernen Menschen im ihm geeigneten Absurden. Literaturverzeichnis Hacker, F. (1982): Im falschen Leben gibt es kein richtiges, In: Literatur und Kritik, 17. Erreichbar unter: http://www.arthur-schnitzler.net/werk, Zugang: 5.11.2014. Jugend in Wien, eine Autobiographie. (1968). Hrsg. Von Nickl Th. und Schnitzler H., mit einem Nachw. Von F. Torberg, Wien u.a. : Molden. Lindken, H. U. (1999). Erläuterungen zu Arthur Schnitzler, Leutnant Gustl, Fräulein Else. 2., überarbeitete Auflage. Königs Erläuterungen und Materialien Band 374. Hollfeld, Bange. Pankau, J.G. (2007). Das weite Land, Das Natürliche als Chaos,, Interpretationen Arthur Schnitzler, Dramen und Erzählungen, (Hrsg. von H. J. Kim und Günter Sasse),: Stuttgart. :Reclam Peter von M. (2001): Literaturwissenschaft und Psychoanalyse, , Stuttgart. : Reclam ……….Yıl: 2015…..KKEFD…..Sayı:.31………. 14 MELİK BÜLBÜL Rattner, M. (1999) Österreichische Literatur und Psychoanalyse, In: Florian Wenz, 2007, Ein psychoanalytischer Blick auf Arthur Schnitzlers „Der Sohn – Aus den Papieren eines Arztes“, München, GRIN Verlag GmbH. Reik, Th. (1993). Schnitzler als Psycholog. Mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Bernd Urban, Fischer, Frankfurt am Main, (Einleitung). Schnitzler bewahrte stets einen Vorbehalt gegen die „fixen psychoanalytischen Ideen“. Schönau W. (1976). Thomas Bernhards „Ereignisse“, In Psyche, Zeitschrift für Psychoanalyse, hrsg. von Alexander Mitscherlin, , Stuttgart.: E. K. Verlag Schönau W. und Pfeiffer J. (2003). Einführung in die psychoanalytische Literaturwissenschaft, , Stuttgart.: J. B. Metzler Verlag Schnitzler, A. (1970). Gesammelte Werke, Die Erzählenden Schriften, 2. Band, , Frankfurt a. M: S. Fischer Verlag Schnitzler, H. (Hrsg). In eig’ner Sache, (1981). in: Arthur Schnitzler. Sein Leben, sein Werk, seine Zeit, hrsg. Von Heinrich Schnitzler (u. a.), Frankfurt a. M. Schulz, G. (1973). Prosa des Naturalismus, , Ditzingen. :Reclam ……….Yıl: 2015…..KKEFD…..Sayı:.31……….