www.evimed.ch Body piercing in England: Bei jungen Frauen besonders beliebt Frage: Wer lässt sich in England wo durch wen ein Body Piercing machen, und wie häufig führt das zu Komplikationen? Hintergrund: Body Piercing wird immer beliebter, ist aber häufig mit Komplikationen verbunden. Das Ziel der Studie ist es, einen Überblick über das aktuelle Piercing Verhalten in England zu geben und assoziierte Komplikationsraten quantitativ darzustellen. Einschlusskriterien: Personen ≥16 Jahre alt Wohnhaft in England Studiendesign und Methode: Haushaltsbefragung 2005. Ziel war es zu erheben, wie hoch der Anteil der Personen älter als 16 Jahre war, der ein Piercing an anderer Stelle als am Ohrläppchen hatte, und wie die Verteilung nach Alter, Geschlecht, sozialer Zugehörigkeit und Piercingstellen war, sowie wo das Piercing vorgenommen wurde. Ebenso sollte die Komplikationsrate und das Aufsuchen von Hilfe auf Grund der Komplikation ermittelt werden. Studienort: England Resultat: 10503 Erwachsene konnten in den Survey eingeschlossen werden, davon 5123 Männer und 5380 Frauen. Von diesen hatten ca. 10% (95%CI: 9.4% bis 10.6%, 1049/10503) jemals ein Piercing. Im Durchschnitt hatte eine gepiercte Person 1.71 Piercings, 7 Personen berichteten von mehr als 10 Piercings. Piercing war signifikant häufiger in Frauen als in Männern und signifikant häufiger in jüngeren Altersgruppen. Piercing war auch signifikant häufiger in weniger privilegierten sozialen Schichten gegenüber hohen sozialen Schichten und in Gegenden ausserhalb Londons gegenüber London. Von den insgesamt 1934 Piercings waren 33% am Bauchnabel, 19% an der Nase, 13% am Ohr (nicht am Ohrläppchen), 9% an der Zunge, 9% an einer Brustwarze, 8% an Augenbrauen, 4% an den Lippen, 2% an den Genitalien, 3% an anderen Körperstellen. Bei Männern war das häufigste Piercing an einer Brustwarze, während bei Frauen mehr als ein Drittel ein Piercing am Bauchnabel hatten. Alle Arten von Piercing waren häufiger in der Gruppe der 16-24 Jährigen, als bei den Älteren. Insgesamt wurden 80% der Piercings in einem spezialisiertem Tattoo-Zentrum durchgeführt (1564 von 1943, 80.4%, 95%CI 77.4 bis 83.2). Verglichen mit anderen Piercingstellen wurden Piercings am Ohr (nicht Ohrläppchen), Nase, Lippen und Genitalien weniger häufig bei Spezialisten durchgeführt (Range 61 bis 76% beim Spezialisten). Bei jeder Piercingstelle wurde eine gewisse Anzahl Piercings erwähnt, die selbstständig oder durch Bekannte www.evimed.ch durchgeführt wurden (Ohr: 48 Piercings, 20%, Nase: 31 Piercings, 8%, Bauchnabel: 21 Piercings, 3%). Insgesamt wurden 533 Komplikationen bei 1940 Piercings berichtet ( 27.5%, 95% CI 24.8 bis 30.3%, Zahlen wegen Gewichtung für die Repräsentativität gerundet), bei denen in 250 Fällen Hilfe aufgesucht wurde (12.9%, 95%CI 10.8 bis 15.2%). In der Altersgruppe zwischen 16 und 24 Jahren ergaben sich bei 31% der Piercings Komplikationen (233 von 754 Piercings, 95%CI 26.8 bis 35.5%) von denen bei der Hälfte Hilfe aufgesucht wurde (115 Fälle, 15.2%, 95%CI 11.8 bis 19.5%). Die häufigsten Probleme traten bei Zungenpiercings (50%), Genitalpiercings (45%) und Brustwarzenpiercings (38%) auf, meist in Form von Schwellung, Infektion oder Blutungen. Hilfe wurde am ehesten aufgesucht bei Genitalpiercings (45%), Brustwarzenpiercings (25%) und Zungenpiercings (24%). Piercings in der Altersgruppe 16-24 Jahre, die von nicht professionellen Personen durchgeführt wurden, hatten nicht-signifikant mehr Komplikationen (22% der Piercings bei Nichtspezialisten, 14% der Piercings bei Spezialisten, p=0.13), aber führten signifikant häufiger zu Hospitalisationen (nicht professionelle Personen: 4 von 134, 3%, 95%CI 0.7 bis 11.9%, spezialisierte Personen: 3 von 620, 0.5%, 95%CI 0.1% bis 2.0%). Ungefähr 1 in 100 Piercings führte in dieser Altersgruppe zu einer Hospitalisation. Kommentar: Die Autoren schliessen aus den Ergebnissen, dass Bodypiercing in England besonders unter jungen Frauen sehr beliebt ist. In der Altersgruppe der 16-24 Jährigen kam es bei einem Drittel der Piercings zu Komplikationen, von denen bei jedem 7. Piercing Hilfe aufgesucht wurde. Interessant ist, dass in der Gruppe der 16-24 Jährigen Hilfe am häufigsten bei Apothekern (5.1%), bei den Piercern selber (4.4%) und an dritter Stelle bei Hausärzten (3.0%) gesucht wurde. Ein wichtiger Ansatz wäre damit, das Bewusstsein für die mögliche Notwendigkeit ärztlicher Hilfe bei den Jugendlichen zu schärfen, da Komplikationen nicht selten zu sein scheinen. Die Ergebnisse scheinen plausibel. Gründe, die die Aussagekraft der Studie allerdings beeinflussen könnten sind, dass die Personen nicht randomisiert ausgesucht wurden (Selektionbias). Ebenso berufen sich die Aussagen auf die reine Erinnerung der Betroffenen, was auch fehleranfällig sein kann (Recallbias). Ausserdem könnte es auch sein, dass intime Informationen, wie zum Beispiel über Genitalpiercings, eher zurückgehalten werden (Responsebias). Im Fragebogen wurde ganz konkrete Antwortkategorien vorgegeben, abweichende oder ergänzende Antworten waren nicht möglich. Ebenso wurde Details der Komplikationen nicht explizit erhoben, so dass es von Seiten der Befragten zu Missklassifikationen der Komplikationsart hätte kommen können. Da die Repräsentativität der Ergebnisse durch eine definierte Gewichtung gewährleistet werden sollte, waren die präsentierten Zahlen in einigen Fällen schwer nachvollziehbar. Literatur: www.evimed.ch Bone A. et al.: Body piercing in England: a survey of piercing at sites other than earlobe. BMJ. 2008 Jun 21;336(7658):1426-8. Epub 2008 Jun 12. Verfasser: Anne Spaar