57 REPORT HORIZONT 43/2014 23. Oktober 2014 www.horizont.net/report HANDELSMARKETING ZUM THEMA Kreativität FOTO: KURHAN / FOTOLIA Der Erlebnisfaktor schmissenes Geld gewesen wäre. Nun Analog ist der Turbo für Digital: Späte- gen und damit indirekt auch die Wert- Amazon in New York seine erste Filiale eröffnet und Zalando in Deutschland mit eigenen Outlet-Stores experimentiert, arbeiten Konzerne wie Media-Saturn, Galeria-Kaufhof und C&A mit Hochdruck an der Digitaltauglichkeit ihrer Filialketten. Vier Punkte werden das Handelsmarketing künftig prägen. Mobile Web trennen die Kunden nicht mehr zwischen Online- und OfflineShopping. Für stationäre Händler ist es eine gute Nachricht. Denn intelligente digitale Verknüpfungen geben ihnen neue Inszenierungs- und Serviceoptionen in den Filialen. Umgekehrt genießen E-Commerce-Shops einen Wettbewerbsvorteil, wenn sie lokal Präsenz zeigen. Je besser das klassische PoS-Marketing eines Händlers ist, desto größer ist sein digitales Wertschöpfungspotenzial. steigern. Das bedeutet allerdings auch: Wer als Marke unverwechselbar sein will, muss das dafür nötige Know-how selbst entwickeln. Jammern hat im Handel Tradition. Nie kaufen die Kunden genug, meist aufgrund zu guten oder schlechten Wetters. Und seit einigen Jahren macht Online das Überleben sowieso unmöglich. Die Betonung liegt auf „einigen Jahren“: Die nämlich haben Onlinehändler genutzt, um gigantische Monopole zu errichten. Währenddessen hat sich der stationäre Handel mit erstaunlicher Ausdauer an die Idee geklammert, dass die Zeiten des Internets irgendwann auch wieder vorbei sein werden. Nur langsam öffnen sich einige der digitalen Realität und stecken die Energie, die sonst fürs Klagen aufgebracht wird, ins kreative Umdenken. Ware ordern, in den eigenen Verkaufsräumen ausstellen und warten, bis der Kunde sie aus dem Regal holt und zur Kasse trägt – so funktioniert es eben nicht mehr. An inszenierten Produkten, die das Gefühl ansprechen, wird er aber Freude haben: Weil Online das nicht kann. Bettina Sonnenschein Ressort Specials Von Santiago Campillo-Lundbeck hat sich der Wind gedreht: Während stens seit dem Massendurchbruch des wahrnehmung der verkauften Produkte In der Multichannel-Ära werden die analogen Elemente einer Händlermarke immer wichtiger. Selbst Amazon entdeckt mittlerweile den stationären PoS S o schnell können die Moden im Einzelhandel wechseln: Galt vor dem Internet die Lage der Filiale als einer der entscheidenden Erfolgsgrößen, schien spätestens mit dem Siegeszug von Amazon der stationäre Handel zum Aussterben verdammt. Traditionelle Händlermarken versuchten mit Hochdruck, eigene Onlineshops aufzubauen und betrachteten ihre Niederlassungen als historisches Relikt, bei dem jede neue Investition herausge- Erlebnis schlägt Preiskampf: Dass Online-Herausforderer ihre Offline-Konkurrenten einfach mit Tiefstpreisen verdrängen konnten, war einmal. Heute reüssieren Start-ups wie Noblego sogar im preisgebundenen Tabakmarkt, weil sie ihre Kunden mit Service und Auswahl überzeugen. Selbst traditionelle Preisbrecher wie Amazon halten mittlerweile viele ihrer Kunden eher durch ihre Convenience als durch Tiefstpreise. Technologie schafft die Basis für Markenwert: Die Modemarke Burberry macht es in ihren Läden vor. Digitale Technologien sind längst nicht mehr nur Instrumente zur Verbesserung der Handelseffizienz. Sie können zum emotionalen Wert des Einkaufserlebnisses beitra- Eigene Produkte werden zur Basis der Händler-Marke: Lange Zeit gab es die klassische Trennung zwischen Herstellern und Händlern. Doch in der Internet-Ära können Hersteller auch den direkten Kontakt zu Endkunden suchen und jeder Händler kann potenziell jedes Produkt anbieten. Wer hier nicht auf den reinen Preis reduziert werden will, muss exklusive und emotional aufgeladene Produkte oder Services bieten. Die Handelsmarken der Zukunft sind damit nicht mehr nur Margenbringer des Handels, sondern auch Kommunikationsplattformen des Marketings. INHALT Werbemarkt: Die Printanteile verschieben sich, TV gewinnt, Social Media wächst. 58 Im Fokus: Nielsen verzeichnet im laufenden Jahr Anstieg der Bruttowerbespendings. 58 Vermarktung: Zeitung und Radio stellen sich auf Multikanal-Handel ein. 59 Stationärer Handel: Experten kritisieren mangelnde Kreativität vor Ort. 60 Wirkungsnachweis: TV-Werbung treibt den ROI in die Höhe. 61 Anzeige 58 REPORT HANDELSMARKETING Nur die beste Seite zeigen Handelswerbung ist im Umbruch. Die Funktion der einzelnen Werbeträger wird von den Kunden spitzer definiert Trend Monitor – befragt wurden dazu jeweils 100 Händler und Branchenexperten – hat schon im vergangenen Jahr gezeigt: Die Mehrheit erwartet, dass der Preiswettbewerb abnimmt. Sahen 84 Prozent den Preis aktuell als zweitwichtigstes unter zehn Themen, so rutschte er mit Blick auf künftige Relevanz auf den vorletzten Rang (67 Prozent). Die Mediaverantwortlichen haben den Absichten offensichtlich Taten folgen lassen. „Die Lebensmittelhändler investieren zunehmend in klassische Markenkommunikation, die das Einkaufserlebnis, die Produktvielfalt und das Qualitätsversprechen in den Vordergrund stellt“, beobachtet Friebel. Als Folge davon habe sich der Mediamix deutlich erweitert. Tageszeitungen, Handzettel (analog und digital) sowie Radio übernehmen die Preiskommunikation, während TV, Online, Video, Magazine und Display stärker zur Markenpflege genutzt werden. Von Roland Karle D eutsche Kunden wechseln nur sehr selten die Geschäfte, suchen aber beim Einkauf gezielt nach Angeboten. Laut Nielsen Shopper Trends 2013/14 trifft das auf 43 Prozent der Befragten zu – in keinem anderen der insgesamt 19 untersuchten europäischen Länder ist die Treue zum Händler so ausgeprägt. Dafür beweisen die Bürger durchaus wechselnde Vorlieben bei der Markenwahl. Diese Neigung ist hierzulande stärker ausgeprägt als im größten Teil Europas. Fast jeder vierte Deutsche (24 Prozent) kauft „regelmäßig verschiedene Marken, wenn diese gerade im Angebot sind“. Ein Argument dafür, dass der Handel weiterhin den Preis in den Mittelpunkt seiner Werbung rücken sollte, das aber zu einfach gedacht ist: Es mehren sich die Hinweise, dass gerade im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) „die Schweinebauchanzeige von großer Bedeutung bleibt, der Preis allerdings nicht mehr alleiniges differenzierendes Kriterium ist“, so Guido Friebel, Head of Tradepointz, der Unit für Handelsmarketing bei Zenith. Bestätigt wird seine Einschätzung durch Ergebnisse der GfK. Deren Retail „Anzeigen für den Handel sind nicht mehr so stark mit Ware überfüllt“ Axel Ahlbrecht, Crossmedia D iese Gewichte im Handelsmarketing verschieben sich schon seit längerem. Waren vor fünf Jahren die Zeitungen mit einem Marktanteil von 54 Prozent der erhaltenen Bruttospendings der deutlich dominierende Werbeträger, so hat sich ihr Anteil (Januar bis Juli 2014: 28,7 Prozent) nahezu halbiert. Größter Nutznießer der Entwicklung ist TV, wo in diesem Jahr laut Nielsen fast jeder zweite Werbe-Euro der Händler (46,4 Prozent) gelandet ist. „Viele Händler haben die kritische Masse an Standorten erreicht, sodass sich die viel zitierten Streuverluste in Grenzen halten“, erklärt Axel Ahlbrecht die Verschiebung der Werbemarktanteile. Gewachsen sei auch die Erkenntnis, dass „TV-Spots verkaufen. Das ist erst in den vergangenen Jahren richtig erfasst worden“, so der Unit Director und Experte für Handelsmarketing bei der Agentur Crossmedia. E-Commerce drängt ins TV, Lebensmittel in Print Mediamix des Handels und seiner wichtigsten Bereiche BruttoAnteil an werbeausgaben Werbeausgaben Zeitungen Fernsehen Radio Internet Zeitschriften in Mio. Euro Handel in Prozent Lebensmitteleinzelhandel 1 045,9 35 64,6 18,0 9,7 4,1 1,8 Branchenkategorie E-Commerce 937,6 31 2,8 69,3 2,7 18,3 Plakat 1,8 5,5 1,5 5,7 Kaufhäuser 504,7 17 36,4 35,4 14,1 6,8 1,6 Versandhandel 332,7 11 9,1 38,5 1,0 12,5 38,0 1,0 2 997,4 100 30,9 40,6 8,3 10,2 7,2 2,7 Handel insgesamt Quelle: Nielsen HORIZONT 43/2014 HORIZONT 43/2014 Die Verlagerung von Budgets hin zu den elektronischen Medien findet Wolfgang Nägele, Managing Director Universal McCann, folgerichtig. „Sie hat sich für die Werbungtreibenden bewährt. Zugleich zieht sich der Handel kontinuierlich aus Print, vor allem aus den Tageszeitungen zurück, weil ihr Werbedruck nachlässt und junge Menschen darüber praktisch nicht mehr erreicht werden“, lautet sein Befund. Direktverteilung und Beilagen in Anzeigenblättern hätten sich als Alternativen etabliert. Allerdings stellt sich der Trend uneinheitlich dar. Zum einen sind Unterschiede je nach Handelskategorie augenfällig. So bestimmen im LEH, der gut ein Drittel zu den gesamten Werbeausgaben im Handel beisteuert, die Zeitungen mit einem Anteil von rund 65 Prozent immer noch den Mediamix. Der kräftig wachsende E-Commerce (Werbeausgabenanteil: 31 Prozent) steckt fast sieben von zehn Werbe-Euros (69,3 Prozent) ins Fernsehen und investiert zudem mit 18 Prozent überdurchschnittlich stark in Onlinewerbung. Zum anderen entwickeln sich aktuell die Werbeausgaben des Handels für Tageszeitungen recht stabil. Aldi, Rewe und Norma haben ihre Budgets sogar massiv ausgebaut, wie Zenith-Manager Friebel feststellt: „Bei einigen Händlern erlebt die Tageszeitung eine Renaissance.“ Generell genießt Print immer noch beachtliche Wertschätzung. Laut EHI Marketing Monitor, für den vergangenes Jahr die Marketingchefs von 39 deutschen Handelsunternehmen befragt wurden, fließen rund 60 Prozent des Budgets in gedruckte Werbung. Allerdings machen Anzeigen nur etwa 15 Prozent der Printausgaben aus, während der Löwenanteil für Prospekte und eigene Werbemagazine aufgewendet wird – mit zunehmender Tendenz. „Digitalisierung und der Dialog mit den Kunden werden an Bedeutung gewinnen“, folgert Marlene Lohmann, Leiterin des Forschungsbereichs Marketing beim EHI Retail Institute, aus den Ergebnissen der Branchenumfrage. Eine Entwicklung, die nicht zulasten der gedruckten Medien gehen wird, wenn die Marketingchefs ihre Ankündigung wahr machen. Denn 70 Prozent sagen, dass „klassische Printwerbung in zehn Jahren noch eine maßgebliche Rolle spielen wird“. Was sich bereits jetzt feststellen lässt: Die Art der Ansprache und die Kreation von Handelswerbung verändern sich. Crossmedia-Manager Ahlbrecht lobt beispielsweise die Idee, Richard Bampfield, den britischen „Master of Wine“, zum Gesicht der aktuellen Lidl-Anzeigen zu machen. „Er fungiert als Vertrauter bei Weinempfehlungen. Die Kampagne ist richtig gut, hier stimmt auch die Kreati- 23. Oktober 2014 „Für den LEH wird der Preis bald nicht mehr das allein differenzierende Kriterium sein“ Guido Friebel, Zenith on.“ Insgesamt positiv bewertet der Experte, dass in der Handelswerbung „die Anzeigen nicht mehr so stark mit Ware überfüllt sind“. N ur eine Minderheit von 13 Prozent der in der EHI-Studie befragten Handelsmanager geht davon aus, dass in zehn Jahren Social Meda ihre Marketingstrategie bestimmen wird, jedoch erwarten 78 Prozent, dass sie in einem „intensiven und interaktiven Dialog“ mit ihren Kunden stehen. Universal-McCann-Geschäftsführer Nägele attestiert Social Media im Handel „eine herausragende Bedeutung“, weil sich darüber Sympathie, Vertrauen und Kundenbindung aufbauen lassen. „Mit Facebook kann man zum Beispiel viele Werbeverweigerer und TV-Wenigseher erreichen – auch dank feinkörniger Targeting-Möglichkeiten.“ Seine Agentur hat sogar eine Software entwickelt, die den Media-Äquivalenzwert berechnet. Nägele: „Mit dieser Dienstleistung wollen wir unseren Handelskunden helfen, die Rolle von Social Media innerhalb des Mediamixes finanziell zu bewerten.“ „Über Print sind junge Menschen vom Handel praktisch nicht mehr zu erreichen“ Wolfgang Nägele, Universal McCann Im Fokus: Werbeausgaben Die Werbeausgaben des Handels steigen. Nicht exorbitant, doch immerhin: 2013 gab die Branche laut Nielsen rund 4 Prozent mehr für Werbemaßnahmen aus als 2012, nachdem die Spendings zwei Jahre hintereinander gesunken waren. Im laufenden Jahr zeichnet sich mit einem Plus von 15 Prozent (Januar bis Juli) ein ungewöhnlich starker Zuwachs ab. Eine freundliche Entwicklung, die bereits 2013 einsetzte. Allerdings sind es nicht die Discounter, von denen 20 Prozent und somit der größte Teil der Werbeausgaben stammen. Im Gegenteil: Sie reduzierten ihr Budget um 10,5 Prozent. Auch die Elektronik-Fachmärkte, zweitgrößter Werbekunde aus dem Handel, gaben etwas weniger aus (minus 1,3 Prozent). Dieser Teil der Branche stellt jedoch weiterhin den „Biggest Spender“: Media-Saturn investierte allein fast so viel Geld für Werbung wie Edeka, Penny und Aldi zusammen. Media- und Saturn-Märkte sind die Big Spender Stabil im Fünf-Jahres-Trend Top 10 Werbungtreibenden des Handels Bruttowerbeausgaben des Handels seit 2009 (in Mio. Euro) Werbeausgaben 2013 in Mio. Euro Veränderung zum Vorjahr in Prozent 375 Media-Saturn, Ingolstadt 244 Lidl, Neckarsulm 1,5 174 11,1 Edeka Zentrale, Hamburg 170 1,1 122 110 Aldi Süd, Mülheim 20,3 Otto, Hamburg 83 168,3 Maxdome, Unterföhring Quelle: Nielsen 72 2881,1 2997,4 1316,0 1516,3 –41,3 85 77 3042,4 –21,7 Netto Marken-Discount, Maxhütte‐Haidhof Ebay, Kleinmachnow 3149,4 5,2 Rewe, Köln Penny-Markt, Köln 2956,0 –21,2 2009 2011 2012 2013 2013 2014 Januar bis Juli 7,7 HORIZONT 43/2014 2010 Quelle: Nielsen HORIZONT 43/2014 HORIZONT 43/2014 REPORT HANDELSMARKETING 59 23. Oktober 2014 Auf vielen Hochzeiten Zeitungen und Radio stellen sich mit neuen Vermarktungskonzepten auf die Anforderungen des Multikanal-Handels ein Von Guido Schneider R „Verlage verfügen über wichtige Touchpoints, um Menschen crossmedial zu erreichen“ Tino Eidebenz, ZMG adio und Tageszeitungen sind traditionell wichtige Werbeträger für die taktische Kommunikation im Handel. Doch ihre Rolle ist schwieriger geworden, weil die Handelsriesen ihre Ware längst auch im Internet feilbieten. Wer als MultichannelHändler aktiv ist, kann sich nicht mehr allein auf die aktivierende Kraft von Prospekten, Beilagen und Radiospots verlassen – er muss in einen ansprechenden E-Shop investieren und Touchpoints via Suchmaschinenwerbung und/oder Social-Media-Marketing realisieren. Wenn Radiosender und Zeitungen nicht aus dem Relevant Set fallen wollen, müssen sie ihre Werbeangebote für die Branche ebenfalls mehrkanalig ausrichten. Das ist vor allem für die regionalen Zeitungen überlebenswichtig, denen der Handel zuletzt massiv Budgets entzogen hat, weil sie weniger Haushalte erreichen und junge Leser verlieren. Laut Nielsen ist allein die gedruckte Anzeigenwerbung des Handels (ohne Beilagen, Rubrikenwerbung und Direktverteilung) zwischen 2010 und 2013 um 41 Prozent auf 913,1 Millionen Euro geschrumpft. Ein Teil des eingesparten Werbegeldes landete beim Rivalen Radio, dessen Bruttoeinnahmen mit Hörfunkspots des Handels im gleichen Zeitraum um 39 Prozent auf 245 Millionen Euro zulegten. Doch wie es scheint, sind die Zeitungen auf der Suche nach crossmedialen Vermarktungskonzepten für den Handel fündig geworden. Ein Beispiel ist die Onlineplattform Simply Local, die vom Göttinger Digitalunternehmen My-Place betrieben wird und an der die Weser-Kurier Mediengruppe, Nordwest-Zeitung, Aschendorff Medien und Rhein Main Digital beteiligt sind. Simply Local will Verbraucher, die online nach einem Produkt suchen, den Weg zu stationären Händlern aufzeigen und so verhindern, dass lokale Suchanfragen von globalen E- Commerce-Riesen wie Amazon bedient werden. Tino Eidebenz, Direktor Key-Account Management bei der Zeitungs Marketing Gesellschaft (ZMG), hält das Projekt für richtungsweisend: „Als Partner des lokalen Einzelhandels arbeiten die Zeitungen hier an einem Shopping-Konzept, das E-und M-Commerce sowie Location Based Services kombiniert und dem Verbraucher ein lokales ShoppingErlebnis ermöglicht.“ Auch die gedruckte Zeitung mit ihren digitalen Pendants muss um die Handelswerbekunden kämpfen. Glaubt man Eidebenz, dann verfügen die Verlage mit ihren Print-, Online- und Mobile-Versionen bereits über wichtige Touchpoints, um Menschen in relevanten Konsumsituationen crossmedial zu erreichen. So hat die „Saarbrücker Zeitung“ ihr Projekt „Local Hero“ realisiert (HORIZONT 42/ 14), mit dem sie die Onlineberichterstattung ihres neu konzipierten Portals Saarbruecker-zeitung.de auf alle Gemeinden im Saarland ausweitet und über den Tag hinweg aktualisiert. „Local Hero“ krempelt aber auch die Werbevermarktung um, denn künftig wird es im Verlag nur eine Crossmedia-Preisliste geben, die es dem Außendienst leichter macht, Anzeigen für die Lokalausgabe in Print wie Online zu verkaufen und medienübergreifende Werbekonzepte zu realisieren. D ie Radiosender sind ebenfalls überzeugt, dem MultichannelHandel einen leistungsfähigen Kanal zu eröffnen. Für Alexander Sempf, Geschäftsführer Verkauf beim Audiovermarkter RMS, kommt es für Werbekunden heute mehr denn je darauf an, die mobile Zielgruppe effektiv zu erreichen. Audio-Angebote wie die klassischen UKW-Programme, Webradios oder Musikstreamingdienste sind wie kein anderer Werbeträger geeignet, die von RMS propagierte „Generation Kopfhörer“ über den Tag zu erreichen. „Online-Audio ist als ständiger Begleiter über die gesamte Customer Journey hinweg dabei“, beton Sempf: „So ergeben sich Touchpoints, die kein anderer Kanal zu bieten hat.“ Zumal die nicht visuellen AudioAngebote Werbebotschaften auch dann transportieren, wenn die Nutzer nur über Kopfhörer erreichbar sind und ihr Smartphone in der Tasche steckt. Im Regelfall will der Handel die Konsumenten mit eng getakteter Aktionswerbung zum Point of Sale führen. Um dabei das beste Ergebnis zu erzielen, muss er „Online-Audio ist als ständiger Begleiter über die gesamte Customer Journey dabei“ Alexander Sempf, RMS nicht nur die richtigen Touchpoints nutzen, auch das Timing muss stimmen. „Werbungtreibende müssen heute wissen, in welchen Situationen der Konsument ansprechbar ist und ein Call-toAction erfolgreich sein kann“, glaubt Sempf. Radio und Audiodienste können den Werbekunden dabei helfen, weil sich Push-Werbung bei ihnen zeitlich genau aussteuern lässt. Am Vormittag kann sie Haushaltsführenden kurz vor dem Einkauf einen Impuls geben, in der DriveTime lockt sie Berufstätige in den Supermarkt. Ein Prinzip, das Ikea besonders gut beherrscht, so Sempf. Morgens nach dem Aufstehen schaltet der Möbelgigant Spots für Badezimmereinrichtung, wenn die Leute abends nach Hause fahren, hören sie Werbung für Schlafzimmermöbel. Anzeige 60 REPORT HANDELSMARKETING HORIZONT 43/2014 23. Oktober 2014 FOTO: GINA SANDERS / FOTOLIA Von Bettina Sonnenschein D as Ende des stationären Handels ist nah. Zu diesem Eindruck kann kommen, wer sich in die ehemals gut besuchten Einkaufsstraßen mittlerer und kleiner deutscher Städte begibt. Leerstand allerorten, verrammelte Ladenfronten mit großflächig plakatierten Hinweisen zur Mietmöglichkeit des Objekts. Kein Wunder, möchte man sagen, angesichts der gleichzeitigen Umsatzentwicklung des Onlinehandels: Laut dem Kölner Institut für Handelsforschung IFH wird er 2014 erstmals die 40-Milliarden-Euro-Grenze überschreiten. Schon jetzt stellt es für einzelne Branchen einen Online-Umsatzanteil fest, der sich in fünf Jahren zumeist verdoppelt hat. Beispiel Freizeit und Hobby: 2010 lag der Online-Anteil am Gesamtmarkt bei 9,7 Prozent, 2013 machte er bereits 18,4 Prozent aus. Noch deutlicher wird es für den Bereich Fashion & Accessoires. Hier lag der OnlineAnteil vor fünf Jahren bei 6,2 Prozent – 2013 erreicht er 18,9 Prozent. Je nach Berechnungsgrundlage gehen manche Experten sogar von 20 bis 25 Prozent des Umsatzes aus. Trotz dieser alarmierenden Entwicklung scheinen stationäre Händler noch immer zu meinen, das Internet einfach ignorieren zu können. Oder, um es mit Georg Schapdicks Worten auszudrücken: „Das Internet ist unumkehrbar – das Motto ‚Augen zu und durch‘ und ‚Das Weihnachtsgeschäft wird es schon richten‘ gefährdet nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch die Existenz des Unternehmens.“ Der Senior-Consultant der Unternehmensberatung Kerkhoff & Schapdick, Bocholt, kritisiert aber nicht nur die Arglosigkeit der Händler bezüglich der Onlinekonkurrenz, er macht auch die mangelnde Auseinandersetzung mit dem Ideen können Türen öffnen Online setzt stationäre Händler immer stärker unter Druck – Experten kritisieren ihre mangelnde Kreativität eigenen Unternehmen für die Misere verantwortlich: Zu wenig Kenntnis über die wahren Gewinnpotenziale und die Chancen eines Onlinekanals: „Mit dem kritischen Hinterfragen fängt es an. Ein Händler, der 50000 Euro Gewinn erwirtschaftet, sollte doch überprüfen, ob er nicht sogar das Doppelte machen kann.“ Einen Internetauftritt hält er heute in jedem Fall und für jedermann für unerlässlich, allein weil Kunden, die einen stationären Laden betreten, in der Regel bestens über Produkte und Preise informiert sind. Das Argument, die persönliche Beratung allein gebe den Ausschlag zur Kaufentscheidung vor Ort, sei so längst nicht mehr aufrechtzuerhalten. Darijusch Faseli, Director Shopper Marketing Strategy bei Leo Burnett, stimmt ihm bedingt zu. Dass Kunden gut informiert sind – ja. Dass das Beratungsargument nicht ausreicht – auch richtig. Dass es ohne Online nicht geht – entschieden nein. Denn Faseli geht an das kritische Hinterfragen von Unternehmen anders heran: Welche Produktkategorien biete ich an? Welchen emotionalen Wert haben sie? Würde ich dafür in einen Laden gehen, um sie zu sehen, anzufassen, zu vergleichen? „Batterien und Wollsocken zum Beispiel wird bald keiner mehr offline kaufen.“ Sein schonungsloser Rat für kleine Händler mit wenig gefühlsbeladener Ware und null Power für einen Onlineshop: „Zumachen.“ Andererseits hat der stationäre Handel eben Chancen, die er aus Sicht von Faseli überhaupt noch nicht erkannt hat. Sowohl für Unternehmen auf großer als auch auf kleiner Fläche gilt: Kreativität walten lassen. „Wenn Kaufhäuser erst einmal Kleinelektro und Wollsocken aus dem Sortiment streichen, gibt̀s Platz für andere Dinge. Durch die Leerstände in kleinen Städten sinken die Ladenmieten – es können sich Händler verwirklichen, die neue Ideen haben.“ Hinauslaufen müsste das am Ende auf eine Art Eventisierung des Einkaufens. Die Spielzeugabteilung im Kaufhaus als Vergnügungspark inszenieren, den Laden mit hippen Klamotten abends zur Bar für Menschen in hippen Klamotten umrüsten, im Schuhladen eine Pediküre anbieten und beim Friseur eine Schmuckabteilung – den Ideen sind kaum Grenzen gesetzt. „Die Frage muss immer sein, was über den Verkauf des Kernsortiments noch zu bieten ist, was Online eben nicht kann.“ Das Problem sei nur, dass gerade viele kleine Einzelhändler und -handelsverbände gedanklich in Strukturen verhaftet sind, die einst sinnvoll, aber heute eben überholt sind. Beispiel Buchhandel: Während sich Onlinehändler Amazon mit Verlagen um E-Book-Rabatte streitet, stimmen Händler allenfalls in die Kritik ein, anstatt sich für vermehrt kritische Kunden wieder attraktiv zu machen. Und damit ist nicht die Aufnahme von Bleistiften und Postkarten ins Sortiment gemeint. Lesungen für Kinder, Show-Kochen in der Kochbuchecke, Handarbeitskurse vor den Freizeitratgebern – für gelernte Buchhändler, die gewohnt sind, Bücher in Regale zu stellen und dann zu verkaufen, sicher nicht ganz leicht zu ertragende Überlegungen. Doch ohne Emotionalisierung des Angebots wird es schwierig. Selbst Onlinehändler versuchen sich daran, bislang eher erfolglos. „Diesen Vorteil hat der stationäre Handel“, sagt Faseli und verweist auf eines der beiden deutschen ZalandoOutlets in Frankfurt: Abgesehen davon, dass der Onlinehändler hier versucht, auf einfachem Weg seine Retouren loszuschlagen, merke man sofort, dass das Know-how des stationären Händlers fehle: „Herrenhemden in kleinen Größen hängen oben, große Größen unten – da sind die einfachsten Regeln des stationären Handels nicht bekannt.“ HORIZONT 43/2014 REPORT HANDELSMARKETING 61 23. Oktober 2014 FOTO: KURHAN / FOTOLIA Spots füllen den Korb I Der Lebensmitteleinzelhandel investiert allmählich mehr in TV-Werbung, denn der ROI verspricht eine hohe Rendite zent gestiegen ist. Mit dem Forschungstool will Seven-One belegen, dass TVWerbung nicht nur den kurzfristigen Abverkauf ankurbelt, sondern auch langfristig Wirkung hat. Der Vermarkter hat damit eine Werkzeug in der Hand, um Kunden das Medium noch schmackhafter zu machen. Der von Seven-One und der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) entwickelte Analyzer wertet täglich die Kaufakte von 30000 Haushalten aus. Durch den Blick in den Einkaufskorb wird ermittelt, wie effizient die Flimmerkasten-Werbung ist – und welcher ROI selbst in Zukunft erreicht werden kann. Mit 33 Millionen Eu- Von Natascha Gross n Großbritannien sind Spots des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) wie von Sainsbury und Tesco seit langem ein fester Bestandteil der Fernsehwerbung. Hierzulande werben sowohl Vollsortimenter als auch Discounter erst seit einigen Jahren stärker im TV – Print steht meist noch höher im Kurs. Allerdings zeigt der ROI-Analyzer (Return on Invest) von Pro-Sieben-Sat-1Vermarkter Seven-One Media, dass das Werbeinvestment des LEH im 1. Halbjahr 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 3 Pro- ro im 1. Halbjahr 2014 hat der Discounter Lidl in diesem Jahr bislang das meiste Geld in TV-Werbung investiert. Dahinter folgt das ebenfalls zur Schwarz-Gruppe gehörende SB-Warenhaus Kaufland. Stattlich: Die Neckarsulmer senden seit diesem Jahr erstmals Spots und haben dafür bereits 26 Millionen Euro ausgegeben. Rewe hingegen machte in diesem Jahr bisher weniger TV-Werbung als im Vorjahr. Tochter Penny indes modernisiert nicht nur seine Filialen, sondern verdoppelte auch seinen TV-Werbeetat. Dass sich diese Investition lohnt, zeigt die Auswertung der TV-Kampagnen von drei – allerdings anonymisierten – Einzel- handelsunternehmen, darunter zwei Vollsortimenter und ein Discounter. In allen drei Fällen zeigt die Analyse, dass sich der Werbe-Euro refinanziert und langfristig eine noch höhere Wirkung erzielt. Noch deutlicher wird, dass imageorientierte Werbung mehr Zusatzumsätze generiert als Produktspots. Laut Studie lösen qualitative Argumente eher den Impuls aus, ein Geschäft zu besuchen, als wenn die Werbung nur auf den Preis hinweist. Das zeigen auch die niedrigen Renditen der produktorientierten Spots des Discounters, dessen Kernkompetenz sowieso tiefe Preise sind. Anzeige Lidl ist im TV am stärksten vertreten TV-Werbung zahlt sich dauerhaft aus Imagespots schaffen höhere Werberendite Werbeinvestitionen des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) Durch Werbespots generierte Zusatzumsätze pro investiertem Euro (ROI) Durch Werbespots generierte Zusatzumsätze pro investiertem Euro (ROI) Top-TV-Spending in Mio. Euro 1-6/2014 HORIZONTREPORT ist ein Sonderteil von HORIZONT, Zeitung für Marketing, Werbung und Medien Chefredaktion: Dr. Uwe Vorkötter (V.i.S.d.P.), Volker Schütz, Jürgen Scharrer Ressortleitung: Dr. Jochen Zimmer Telefon 069/7595-2695 E-Mail: [email protected] Redaktion: Bettina Sonnenschein, Natascha Gross ROI Analyse* 1-6/2013 33 Lidl Kaufland Angaben in Euro 23,46 24 ROI Analyse* ROI Prognose** Vollsortiment 26 0 22 Quelle: Seven-One Media 11,43 17 4,49 3,05 10,42 2,47 18 Rewe Real Discounter 4,07 Edeka Penny Angaben in Euro ROI Prognose** 6,05 5,61 25 2,52 12 4,02 1,57 6 0,06 9 Händler A 10 Händler B Händler C * nach einem Jahr; ** 5-Jahres-Vorhersage HORIZONT 43/2014 Quelle: Seven-One Media produktorientiert imageorientiert 0,13 produktorientiert imageorientiert * nach einem Jahr; ** 5-Jahres-Vorhersage HORIZONT 43/2014 Quelle: Seven-One Media HORIZONT 43/2014