Report aus 2015

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57
REPORT
HORIZONT 43/2014
23. Oktober 2014
www.horizont.net/report
HANDELSMARKETING
ZUM THEMA
Kreativität
FOTO: KURHAN / FOTOLIA
Der Erlebnisfaktor
schmissenes Geld gewesen wäre. Nun
Analog ist der Turbo für Digital: Späte-
gen und damit indirekt auch die Wert-
Amazon in New York seine erste Filiale
eröffnet und Zalando in Deutschland
mit eigenen Outlet-Stores experimentiert, arbeiten Konzerne wie Media-Saturn, Galeria-Kaufhof und C&A mit
Hochdruck an der Digitaltauglichkeit
ihrer Filialketten. Vier Punkte werden
das Handelsmarketing künftig prägen.
Mobile Web trennen die Kunden nicht
mehr zwischen Online- und OfflineShopping. Für stationäre Händler ist es
eine gute Nachricht. Denn intelligente
digitale Verknüpfungen geben ihnen
neue Inszenierungs- und Serviceoptionen in den Filialen. Umgekehrt genießen
E-Commerce-Shops einen Wettbewerbsvorteil, wenn sie lokal Präsenz zeigen. Je besser das klassische PoS-Marketing eines Händlers ist, desto größer ist
sein digitales Wertschöpfungspotenzial.
steigern. Das bedeutet allerdings auch:
Wer als Marke unverwechselbar sein will,
muss das dafür nötige Know-how selbst
entwickeln.
Jammern hat im Handel Tradition. Nie
kaufen die Kunden genug, meist aufgrund zu guten oder schlechten Wetters.
Und seit einigen Jahren macht Online das
Überleben sowieso unmöglich. Die Betonung liegt auf „einigen Jahren“: Die nämlich haben Onlinehändler genutzt, um gigantische Monopole zu errichten. Währenddessen hat sich der stationäre Handel
mit erstaunlicher Ausdauer an die Idee
geklammert, dass die Zeiten des Internets
irgendwann auch wieder vorbei sein werden. Nur langsam öffnen sich einige der
digitalen Realität und stecken die Energie,
die sonst fürs Klagen aufgebracht wird,
ins kreative Umdenken. Ware ordern, in
den eigenen Verkaufsräumen ausstellen
und warten, bis der Kunde sie aus dem
Regal holt und zur Kasse trägt – so funktioniert es eben nicht mehr. An inszenierten Produkten, die das Gefühl ansprechen, wird er aber Freude haben: Weil
Online das nicht kann.
Bettina Sonnenschein
Ressort Specials
Von Santiago Campillo-Lundbeck hat sich der Wind gedreht: Während stens seit dem Massendurchbruch des wahrnehmung der verkauften Produkte
In der Multichannel-Ära werden
die analogen Elemente einer
Händlermarke immer wichtiger.
Selbst Amazon entdeckt mittlerweile den stationären PoS
S
o schnell können die Moden im
Einzelhandel wechseln: Galt vor
dem Internet die Lage der Filiale
als einer der entscheidenden Erfolgsgrößen, schien spätestens mit dem
Siegeszug von Amazon der stationäre
Handel zum Aussterben verdammt. Traditionelle Händlermarken versuchten
mit Hochdruck, eigene Onlineshops
aufzubauen und betrachteten ihre Niederlassungen als historisches Relikt, bei
dem jede neue Investition herausge-
Erlebnis schlägt Preiskampf: Dass Online-Herausforderer ihre Offline-Konkurrenten einfach mit Tiefstpreisen verdrängen konnten, war einmal. Heute reüssieren Start-ups wie Noblego sogar im
preisgebundenen Tabakmarkt, weil sie
ihre Kunden mit Service und Auswahl
überzeugen. Selbst traditionelle Preisbrecher wie Amazon halten mittlerweile
viele ihrer Kunden eher durch ihre Convenience als durch Tiefstpreise.
Technologie schafft die Basis für Markenwert: Die Modemarke Burberry
macht es in ihren Läden vor. Digitale
Technologien sind längst nicht mehr nur
Instrumente zur Verbesserung der Handelseffizienz. Sie können zum emotionalen Wert des Einkaufserlebnisses beitra-
Eigene Produkte werden zur Basis der
Händler-Marke: Lange Zeit gab es die
klassische Trennung zwischen Herstellern und Händlern. Doch in der Internet-Ära können Hersteller auch den direkten Kontakt zu Endkunden suchen
und jeder Händler kann potenziell jedes
Produkt anbieten. Wer hier nicht auf den
reinen Preis reduziert werden will, muss
exklusive und emotional aufgeladene
Produkte oder Services bieten. Die Handelsmarken der Zukunft sind damit
nicht mehr nur Margenbringer des Handels, sondern auch Kommunikationsplattformen des Marketings.
INHALT
Werbemarkt: Die Printanteile verschieben
sich, TV gewinnt, Social Media wächst. 58
Im Fokus: Nielsen verzeichnet im laufenden
Jahr Anstieg der Bruttowerbespendings. 58
Vermarktung: Zeitung und Radio stellen
sich auf Multikanal-Handel ein.
59
Stationärer Handel: Experten kritisieren
mangelnde Kreativität vor Ort.
60
Wirkungsnachweis: TV-Werbung treibt
den ROI in die Höhe.
61
Anzeige
58 REPORT HANDELSMARKETING
Nur die beste
Seite zeigen
Handelswerbung ist im Umbruch. Die Funktion der einzelnen
Werbeträger wird von den Kunden spitzer definiert
Trend Monitor – befragt wurden dazu
jeweils 100 Händler und Branchenexperten – hat schon im vergangenen Jahr gezeigt: Die Mehrheit erwartet, dass der
Preiswettbewerb abnimmt. Sahen 84 Prozent den Preis aktuell als zweitwichtigstes
unter zehn Themen, so rutschte er mit
Blick auf künftige Relevanz auf den vorletzten Rang (67 Prozent).
Die Mediaverantwortlichen haben
den Absichten offensichtlich Taten folgen
lassen. „Die Lebensmittelhändler investieren zunehmend in klassische Markenkommunikation, die das Einkaufserlebnis, die Produktvielfalt und das Qualitätsversprechen in den Vordergrund stellt“,
beobachtet Friebel. Als Folge davon habe
sich der Mediamix deutlich erweitert. Tageszeitungen, Handzettel (analog und digital) sowie Radio übernehmen die Preiskommunikation, während TV, Online,
Video, Magazine und Display stärker zur
Markenpflege genutzt werden.
Von Roland Karle
D
eutsche Kunden wechseln nur
sehr selten die Geschäfte, suchen aber beim Einkauf gezielt nach Angeboten. Laut
Nielsen Shopper Trends 2013/14 trifft das
auf 43 Prozent der Befragten zu – in keinem anderen der insgesamt 19 untersuchten europäischen Länder ist die
Treue zum Händler so ausgeprägt. Dafür
beweisen die Bürger durchaus wechselnde Vorlieben bei der Markenwahl. Diese
Neigung ist hierzulande stärker ausgeprägt als im größten Teil Europas. Fast
jeder vierte Deutsche (24 Prozent) kauft
„regelmäßig verschiedene Marken, wenn
diese gerade im Angebot sind“.
Ein Argument dafür, dass der Handel
weiterhin den Preis in den Mittelpunkt
seiner Werbung rücken sollte, das aber zu
einfach gedacht ist: Es mehren sich die
Hinweise, dass gerade im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) „die Schweinebauchanzeige von großer Bedeutung bleibt, der
Preis allerdings nicht mehr alleiniges differenzierendes Kriterium ist“, so Guido
Friebel, Head of Tradepointz, der Unit für
Handelsmarketing bei Zenith.
Bestätigt wird seine Einschätzung
durch Ergebnisse der GfK. Deren Retail
„Anzeigen für den
Handel sind nicht
mehr so stark mit
Ware überfüllt“
Axel Ahlbrecht, Crossmedia
D
iese Gewichte im Handelsmarketing verschieben sich schon seit
längerem. Waren vor fünf Jahren
die Zeitungen mit einem Marktanteil von
54 Prozent der erhaltenen Bruttospendings der deutlich dominierende Werbeträger, so hat sich ihr Anteil (Januar bis
Juli 2014: 28,7 Prozent) nahezu halbiert.
Größter Nutznießer der Entwicklung ist
TV, wo in diesem Jahr laut Nielsen fast
jeder zweite Werbe-Euro der Händler
(46,4 Prozent) gelandet ist. „Viele Händler haben die kritische Masse an Standorten erreicht, sodass sich die viel zitierten Streuverluste in Grenzen halten“, erklärt Axel Ahlbrecht die Verschiebung der
Werbemarktanteile. Gewachsen sei auch
die Erkenntnis, dass „TV-Spots verkaufen. Das ist erst in den vergangenen Jahren richtig erfasst worden“, so der Unit
Director und Experte für Handelsmarketing bei der Agentur Crossmedia.
E-Commerce drängt ins TV, Lebensmittel in Print
Mediamix des Handels und seiner wichtigsten Bereiche
BruttoAnteil an
werbeausgaben Werbeausgaben
Zeitungen Fernsehen Radio Internet Zeitschriften
in Mio. Euro
Handel in
Prozent
Lebensmitteleinzelhandel
1 045,9
35
64,6
18,0
9,7
4,1
1,8
Branchenkategorie
E-Commerce
937,6
31
2,8
69,3
2,7
18,3
Plakat
1,8
5,5
1,5
5,7
Kaufhäuser
504,7
17
36,4
35,4
14,1
6,8
1,6
Versandhandel
332,7
11
9,1
38,5
1,0
12,5
38,0
1,0
2 997,4
100
30,9
40,6
8,3
10,2
7,2
2,7
Handel insgesamt
Quelle: Nielsen
HORIZONT 43/2014
HORIZONT 43/2014
Die Verlagerung von Budgets hin zu
den elektronischen Medien findet Wolfgang Nägele, Managing Director Universal McCann, folgerichtig. „Sie hat sich für
die Werbungtreibenden bewährt. Zugleich zieht sich der Handel kontinuierlich aus Print, vor allem aus den Tageszeitungen zurück, weil ihr Werbedruck
nachlässt und junge Menschen darüber
praktisch nicht mehr erreicht werden“,
lautet sein Befund. Direktverteilung und
Beilagen in Anzeigenblättern hätten sich
als Alternativen etabliert.
Allerdings stellt sich der Trend uneinheitlich dar. Zum einen sind Unterschiede je nach Handelskategorie augenfällig.
So bestimmen im LEH, der gut ein Drittel
zu den gesamten Werbeausgaben im
Handel beisteuert, die Zeitungen mit einem Anteil von rund 65 Prozent immer
noch den Mediamix. Der kräftig wachsende E-Commerce (Werbeausgabenanteil: 31 Prozent) steckt fast sieben von
zehn Werbe-Euros (69,3 Prozent) ins
Fernsehen und investiert zudem mit 18
Prozent überdurchschnittlich stark in
Onlinewerbung.
Zum anderen entwickeln sich aktuell
die Werbeausgaben des Handels für Tageszeitungen recht stabil. Aldi, Rewe und
Norma haben ihre Budgets sogar massiv
ausgebaut, wie Zenith-Manager Friebel
feststellt: „Bei einigen Händlern erlebt die
Tageszeitung eine Renaissance.“ Generell
genießt Print immer noch beachtliche
Wertschätzung. Laut EHI Marketing Monitor, für den vergangenes Jahr die Marketingchefs von 39 deutschen Handelsunternehmen befragt wurden, fließen
rund 60 Prozent des Budgets in gedruckte
Werbung.
Allerdings machen Anzeigen nur etwa
15 Prozent der Printausgaben aus, während der Löwenanteil für Prospekte und
eigene Werbemagazine aufgewendet wird
– mit zunehmender Tendenz. „Digitalisierung und der Dialog mit den Kunden
werden an Bedeutung gewinnen“, folgert
Marlene Lohmann, Leiterin des Forschungsbereichs Marketing beim EHI Retail Institute, aus den Ergebnissen der
Branchenumfrage. Eine Entwicklung, die
nicht zulasten der gedruckten Medien gehen wird, wenn die Marketingchefs ihre
Ankündigung wahr machen. Denn 70
Prozent sagen, dass „klassische Printwerbung in zehn Jahren noch eine maßgebliche Rolle spielen wird“.
Was sich bereits jetzt feststellen lässt:
Die Art der Ansprache und die Kreation
von Handelswerbung verändern sich.
Crossmedia-Manager Ahlbrecht lobt beispielsweise die Idee, Richard Bampfield,
den britischen „Master of Wine“, zum
Gesicht der aktuellen Lidl-Anzeigen zu
machen. „Er fungiert als Vertrauter bei
Weinempfehlungen. Die Kampagne ist
richtig gut, hier stimmt auch die Kreati-
23. Oktober 2014
„Für den LEH wird der
Preis bald nicht mehr
das allein differenzierende Kriterium sein“
Guido Friebel, Zenith
on.“ Insgesamt positiv bewertet der Experte, dass in der Handelswerbung „die
Anzeigen nicht mehr so stark mit Ware
überfüllt sind“.
N
ur eine Minderheit von 13 Prozent der in der EHI-Studie befragten Handelsmanager geht
davon aus, dass in zehn Jahren Social Meda ihre Marketingstrategie bestimmen
wird, jedoch erwarten 78 Prozent, dass sie
in einem „intensiven und interaktiven
Dialog“ mit ihren Kunden stehen.
Universal-McCann-Geschäftsführer
Nägele attestiert Social Media im Handel
„eine herausragende Bedeutung“, weil
sich darüber Sympathie, Vertrauen und
Kundenbindung aufbauen lassen. „Mit
Facebook kann man zum Beispiel viele
Werbeverweigerer und TV-Wenigseher
erreichen – auch dank feinkörniger Targeting-Möglichkeiten.“ Seine Agentur
hat sogar eine Software entwickelt, die
den Media-Äquivalenzwert berechnet.
Nägele: „Mit dieser Dienstleistung wollen
wir unseren Handelskunden helfen, die
Rolle von Social Media innerhalb des Mediamixes finanziell zu bewerten.“
„Über Print sind junge
Menschen vom Handel praktisch nicht
mehr zu erreichen“
Wolfgang Nägele, Universal McCann
Im Fokus: Werbeausgaben
Die Werbeausgaben des Handels steigen. Nicht
exorbitant, doch immerhin: 2013 gab die
Branche laut Nielsen rund 4 Prozent mehr für
Werbemaßnahmen aus als 2012, nachdem die
Spendings zwei Jahre hintereinander gesunken
waren. Im laufenden Jahr zeichnet sich mit
einem Plus von 15 Prozent (Januar bis Juli) ein
ungewöhnlich starker Zuwachs ab. Eine freundliche Entwicklung, die bereits 2013 einsetzte.
Allerdings sind es nicht die Discounter, von
denen 20 Prozent und somit der größte Teil der
Werbeausgaben stammen. Im Gegenteil: Sie
reduzierten ihr Budget um 10,5 Prozent. Auch
die Elektronik-Fachmärkte, zweitgrößter Werbekunde aus dem Handel, gaben etwas weniger
aus (minus 1,3 Prozent). Dieser Teil der Branche
stellt jedoch weiterhin den „Biggest Spender“:
Media-Saturn investierte allein fast so viel Geld
für Werbung wie Edeka, Penny und Aldi zusammen.
Media- und Saturn-Märkte sind die Big Spender
Stabil im Fünf-Jahres-Trend
Top 10 Werbungtreibenden des Handels
Bruttowerbeausgaben des Handels seit 2009 (in Mio. Euro)
Werbeausgaben 2013
in Mio. Euro
Veränderung zum
Vorjahr in Prozent
375
Media-Saturn, Ingolstadt
244
Lidl, Neckarsulm
1,5
174
11,1
Edeka Zentrale, Hamburg
170
1,1
122
110
Aldi Süd, Mülheim
20,3
Otto, Hamburg
83
168,3
Maxdome, Unterföhring
Quelle: Nielsen
72
2881,1
2997,4
1316,0
1516,3
–41,3
85
77
3042,4
–21,7
Netto Marken-Discount, Maxhütte‐Haidhof
Ebay, Kleinmachnow
3149,4
5,2
Rewe, Köln
Penny-Markt, Köln
2956,0
–21,2
2009
2011
2012
2013
2013
2014
Januar bis Juli
7,7
HORIZONT 43/2014
2010
Quelle: Nielsen
HORIZONT 43/2014
HORIZONT 43/2014
REPORT HANDELSMARKETING 59
23. Oktober 2014
Auf vielen
Hochzeiten
Zeitungen und Radio stellen sich mit neuen Vermarktungskonzepten auf die Anforderungen des Multikanal-Handels ein
Von Guido Schneider
R
„Verlage verfügen über
wichtige Touchpoints,
um Menschen crossmedial zu erreichen“
Tino Eidebenz, ZMG
adio und Tageszeitungen sind
traditionell wichtige Werbeträger für die taktische Kommunikation im Handel. Doch ihre
Rolle ist schwieriger geworden, weil die
Handelsriesen ihre Ware längst auch im
Internet feilbieten. Wer als MultichannelHändler aktiv ist, kann sich nicht mehr
allein auf die aktivierende Kraft von Prospekten, Beilagen und Radiospots verlassen – er muss in einen ansprechenden
E-Shop investieren und Touchpoints via
Suchmaschinenwerbung und/oder Social-Media-Marketing realisieren. Wenn
Radiosender und Zeitungen nicht aus
dem Relevant Set fallen wollen, müssen
sie ihre Werbeangebote für die Branche
ebenfalls mehrkanalig ausrichten.
Das ist vor allem für die regionalen
Zeitungen überlebenswichtig, denen der
Handel zuletzt massiv Budgets entzogen
hat, weil sie weniger Haushalte erreichen
und junge Leser verlieren. Laut Nielsen ist
allein die gedruckte Anzeigenwerbung
des Handels (ohne Beilagen, Rubrikenwerbung und Direktverteilung) zwischen
2010 und 2013 um 41 Prozent auf 913,1
Millionen Euro geschrumpft. Ein Teil des
eingesparten Werbegeldes landete beim
Rivalen Radio, dessen Bruttoeinnahmen
mit Hörfunkspots des Handels im gleichen Zeitraum um 39 Prozent auf 245
Millionen Euro zulegten.
Doch wie es scheint, sind die Zeitungen auf der Suche nach crossmedialen
Vermarktungskonzepten für den Handel
fündig geworden. Ein Beispiel ist die Onlineplattform Simply Local, die vom Göttinger Digitalunternehmen My-Place betrieben wird und an der die Weser-Kurier
Mediengruppe,
Nordwest-Zeitung,
Aschendorff Medien und Rhein Main Digital beteiligt sind. Simply Local will Verbraucher, die online nach einem Produkt
suchen, den Weg zu stationären Händlern aufzeigen und so verhindern, dass
lokale Suchanfragen von globalen E-
Commerce-Riesen wie Amazon bedient
werden. Tino Eidebenz, Direktor Key-Account Management bei der Zeitungs
Marketing Gesellschaft (ZMG), hält das
Projekt für richtungsweisend: „Als Partner des lokalen Einzelhandels arbeiten die
Zeitungen hier an einem Shopping-Konzept, das E-und M-Commerce sowie Location Based Services kombiniert und
dem Verbraucher ein lokales ShoppingErlebnis ermöglicht.“
Auch die gedruckte Zeitung mit ihren
digitalen Pendants muss um die Handelswerbekunden kämpfen. Glaubt man Eidebenz, dann verfügen die Verlage mit
ihren Print-, Online- und Mobile-Versionen bereits über wichtige Touchpoints,
um Menschen in relevanten Konsumsituationen crossmedial zu erreichen. So
hat die „Saarbrücker Zeitung“ ihr Projekt
„Local Hero“ realisiert (HORIZONT 42/
14), mit dem sie die Onlineberichterstattung ihres neu konzipierten Portals Saarbruecker-zeitung.de auf alle Gemeinden
im Saarland ausweitet und über den Tag
hinweg aktualisiert. „Local Hero“ krempelt aber auch die Werbevermarktung
um, denn künftig wird es im Verlag nur
eine Crossmedia-Preisliste geben, die es
dem Außendienst leichter macht, Anzeigen für die Lokalausgabe in Print wie Online zu verkaufen und medienübergreifende Werbekonzepte zu realisieren.
D
ie Radiosender sind ebenfalls
überzeugt, dem MultichannelHandel einen leistungsfähigen
Kanal zu eröffnen. Für Alexander Sempf,
Geschäftsführer Verkauf beim Audiovermarkter RMS, kommt es für Werbekunden heute mehr denn je darauf an, die
mobile Zielgruppe effektiv zu erreichen.
Audio-Angebote wie die klassischen
UKW-Programme, Webradios oder Musikstreamingdienste sind wie kein anderer Werbeträger geeignet, die von RMS
propagierte „Generation Kopfhörer“
über den Tag zu erreichen. „Online-Audio ist als ständiger Begleiter über die gesamte Customer Journey hinweg dabei“,
beton Sempf: „So ergeben sich Touchpoints, die kein anderer Kanal zu bieten
hat.“ Zumal die nicht visuellen AudioAngebote Werbebotschaften auch dann
transportieren, wenn die Nutzer nur über
Kopfhörer erreichbar sind und ihr
Smartphone in der Tasche steckt.
Im Regelfall will der Handel die Konsumenten mit eng getakteter Aktionswerbung zum Point of Sale führen. Um dabei
das beste Ergebnis zu erzielen, muss er
„Online-Audio ist als
ständiger Begleiter
über die gesamte Customer Journey dabei“
Alexander Sempf, RMS
nicht nur die richtigen Touchpoints nutzen, auch das Timing muss stimmen.
„Werbungtreibende müssen heute wissen, in welchen Situationen der Konsument ansprechbar ist und ein Call-toAction erfolgreich sein kann“, glaubt
Sempf.
Radio und Audiodienste können den
Werbekunden dabei helfen, weil sich
Push-Werbung bei ihnen zeitlich genau
aussteuern lässt. Am Vormittag kann sie
Haushaltsführenden kurz vor dem Einkauf einen Impuls geben, in der DriveTime lockt sie Berufstätige in den Supermarkt. Ein Prinzip, das Ikea besonders
gut beherrscht, so Sempf. Morgens nach
dem Aufstehen schaltet der Möbelgigant
Spots für Badezimmereinrichtung, wenn
die Leute abends nach Hause fahren, hören sie Werbung für Schlafzimmermöbel.
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60 REPORT HANDELSMARKETING
HORIZONT 43/2014
23. Oktober 2014
FOTO: GINA SANDERS / FOTOLIA
Von Bettina Sonnenschein
D
as Ende des stationären Handels ist nah. Zu diesem Eindruck kann kommen, wer sich
in die ehemals gut besuchten
Einkaufsstraßen mittlerer und kleiner
deutscher Städte begibt. Leerstand allerorten, verrammelte Ladenfronten mit
großflächig plakatierten Hinweisen zur
Mietmöglichkeit des Objekts. Kein Wunder, möchte man sagen, angesichts der
gleichzeitigen Umsatzentwicklung des
Onlinehandels: Laut dem Kölner Institut
für Handelsforschung IFH wird er 2014
erstmals die 40-Milliarden-Euro-Grenze
überschreiten. Schon jetzt stellt es für einzelne Branchen einen Online-Umsatzanteil fest, der sich in fünf Jahren zumeist
verdoppelt hat. Beispiel Freizeit und
Hobby: 2010 lag der Online-Anteil am
Gesamtmarkt bei 9,7 Prozent, 2013
machte er bereits 18,4 Prozent aus. Noch
deutlicher wird es für den Bereich Fashion & Accessoires. Hier lag der OnlineAnteil vor fünf Jahren bei 6,2 Prozent –
2013 erreicht er 18,9 Prozent. Je nach Berechnungsgrundlage gehen manche Experten sogar von 20 bis 25 Prozent des
Umsatzes aus.
Trotz dieser alarmierenden Entwicklung scheinen stationäre Händler noch
immer zu meinen, das Internet einfach
ignorieren zu können. Oder, um es mit
Georg Schapdicks Worten auszudrücken:
„Das Internet ist unumkehrbar – das
Motto ‚Augen zu und durch‘ und ‚Das
Weihnachtsgeschäft wird es schon richten‘ gefährdet nicht nur Arbeitsplätze,
sondern auch die Existenz des Unternehmens.“ Der Senior-Consultant der Unternehmensberatung Kerkhoff & Schapdick, Bocholt, kritisiert aber nicht nur die
Arglosigkeit der Händler bezüglich der
Onlinekonkurrenz, er macht auch die
mangelnde Auseinandersetzung mit dem
Ideen
können
Türen
öffnen
Online setzt stationäre
Händler immer stärker unter
Druck – Experten kritisieren
ihre mangelnde Kreativität
eigenen Unternehmen für die Misere verantwortlich: Zu wenig Kenntnis über die
wahren Gewinnpotenziale und die Chancen eines Onlinekanals: „Mit dem kritischen Hinterfragen fängt es an. Ein
Händler, der 50000 Euro Gewinn erwirtschaftet, sollte doch überprüfen, ob er
nicht sogar das Doppelte machen kann.“
Einen Internetauftritt hält er heute in
jedem Fall und für jedermann für unerlässlich, allein weil Kunden, die einen
stationären Laden betreten, in der Regel
bestens über Produkte und Preise informiert sind. Das Argument, die persönliche Beratung allein gebe den Ausschlag
zur Kaufentscheidung vor Ort, sei so
längst nicht mehr aufrechtzuerhalten.
Darijusch Faseli, Director Shopper
Marketing Strategy bei Leo Burnett,
stimmt ihm bedingt zu. Dass Kunden gut
informiert sind – ja. Dass das Beratungsargument nicht ausreicht – auch richtig.
Dass es ohne Online nicht geht – entschieden nein. Denn Faseli geht an das
kritische Hinterfragen von Unternehmen
anders heran: Welche Produktkategorien
biete ich an? Welchen emotionalen Wert
haben sie? Würde ich dafür in einen Laden gehen, um sie zu sehen, anzufassen,
zu vergleichen? „Batterien und Wollsocken zum Beispiel wird bald keiner mehr
offline kaufen.“ Sein schonungsloser Rat
für kleine Händler mit wenig gefühlsbeladener Ware und null Power für einen Onlineshop: „Zumachen.“
Andererseits hat der stationäre Handel
eben Chancen, die er aus Sicht von Faseli
überhaupt noch nicht erkannt hat. Sowohl für Unternehmen auf großer als
auch auf kleiner Fläche gilt: Kreativität
walten lassen. „Wenn Kaufhäuser erst
einmal Kleinelektro und Wollsocken aus
dem Sortiment streichen, gibt̀s Platz für
andere Dinge. Durch die Leerstände in
kleinen Städten sinken die Ladenmieten –
es können sich Händler verwirklichen,
die neue Ideen haben.“
Hinauslaufen müsste das am Ende auf
eine Art Eventisierung des Einkaufens.
Die Spielzeugabteilung im Kaufhaus als
Vergnügungspark inszenieren, den Laden
mit hippen Klamotten abends zur Bar für
Menschen in hippen Klamotten umrüsten, im Schuhladen eine Pediküre anbieten und beim Friseur eine Schmuckabteilung – den Ideen sind kaum Grenzen gesetzt. „Die Frage muss immer sein, was
über den Verkauf des Kernsortiments
noch zu bieten ist, was Online eben nicht
kann.“ Das Problem sei nur, dass gerade
viele kleine Einzelhändler und -handelsverbände gedanklich in Strukturen verhaftet sind, die einst sinnvoll, aber heute
eben überholt sind.
Beispiel Buchhandel: Während sich
Onlinehändler Amazon mit Verlagen um
E-Book-Rabatte streitet, stimmen Händler allenfalls in die Kritik ein, anstatt sich
für vermehrt kritische Kunden wieder attraktiv zu machen. Und damit ist nicht
die Aufnahme von Bleistiften und Postkarten ins Sortiment gemeint. Lesungen
für Kinder, Show-Kochen in der Kochbuchecke, Handarbeitskurse vor den
Freizeitratgebern – für gelernte Buchhändler, die gewohnt sind, Bücher in Regale zu stellen und dann zu verkaufen,
sicher nicht ganz leicht zu ertragende
Überlegungen.
Doch ohne Emotionalisierung des
Angebots wird es schwierig. Selbst Onlinehändler versuchen sich daran, bislang
eher erfolglos. „Diesen Vorteil hat der stationäre Handel“, sagt Faseli und verweist
auf eines der beiden deutschen ZalandoOutlets in Frankfurt: Abgesehen davon,
dass der Onlinehändler hier versucht, auf
einfachem Weg seine Retouren loszuschlagen, merke man sofort, dass das
Know-how des stationären Händlers fehle: „Herrenhemden in kleinen Größen
hängen oben, große Größen unten – da
sind die einfachsten Regeln des stationären Handels nicht bekannt.“
HORIZONT 43/2014
REPORT HANDELSMARKETING 61
23. Oktober 2014
FOTO: KURHAN / FOTOLIA
Spots
füllen
den Korb
I
Der Lebensmitteleinzelhandel
investiert allmählich mehr
in TV-Werbung, denn der ROI
verspricht eine hohe Rendite
zent gestiegen ist. Mit dem Forschungstool will Seven-One belegen, dass TVWerbung nicht nur den kurzfristigen Abverkauf ankurbelt, sondern auch langfristig Wirkung hat.
Der Vermarkter hat damit eine Werkzeug in der Hand, um Kunden das Medium noch schmackhafter zu machen. Der
von Seven-One und der Gesellschaft für
Konsumforschung (GfK) entwickelte
Analyzer wertet täglich die Kaufakte von
30000 Haushalten aus. Durch den Blick
in den Einkaufskorb wird ermittelt, wie
effizient die Flimmerkasten-Werbung ist
– und welcher ROI selbst in Zukunft erreicht werden kann. Mit 33 Millionen Eu-
Von Natascha Gross
n Großbritannien sind Spots des
Lebensmitteleinzelhandels (LEH)
wie von Sainsbury und Tesco seit
langem ein fester Bestandteil der
Fernsehwerbung. Hierzulande werben
sowohl Vollsortimenter als auch Discounter erst seit einigen Jahren stärker im
TV – Print steht meist noch höher im
Kurs. Allerdings zeigt der ROI-Analyzer
(Return on Invest) von Pro-Sieben-Sat-1Vermarkter Seven-One Media, dass das
Werbeinvestment des LEH im 1. Halbjahr
2014 im Vergleich zum Vorjahr um 3 Pro-
ro im 1. Halbjahr 2014 hat der Discounter
Lidl in diesem Jahr bislang das meiste
Geld in TV-Werbung investiert. Dahinter
folgt das ebenfalls zur Schwarz-Gruppe
gehörende SB-Warenhaus Kaufland.
Stattlich: Die Neckarsulmer senden seit
diesem Jahr erstmals Spots und haben
dafür bereits 26 Millionen Euro ausgegeben. Rewe hingegen machte in diesem
Jahr bisher weniger TV-Werbung als im
Vorjahr. Tochter Penny indes modernisiert nicht nur seine Filialen, sondern verdoppelte auch seinen TV-Werbeetat.
Dass sich diese Investition lohnt, zeigt
die Auswertung der TV-Kampagnen von
drei – allerdings anonymisierten – Einzel-
handelsunternehmen, darunter zwei
Vollsortimenter und ein Discounter. In
allen drei Fällen zeigt die Analyse, dass
sich der Werbe-Euro refinanziert und
langfristig eine noch höhere Wirkung erzielt.
Noch deutlicher wird, dass imageorientierte Werbung mehr Zusatzumsätze generiert als Produktspots. Laut Studie
lösen qualitative Argumente eher den Impuls aus, ein Geschäft zu besuchen, als
wenn die Werbung nur auf den Preis hinweist. Das zeigen auch die niedrigen Renditen der produktorientierten Spots des
Discounters, dessen Kernkompetenz sowieso tiefe Preise sind.
Anzeige
Lidl ist im TV am stärksten vertreten
TV-Werbung zahlt sich dauerhaft aus
Imagespots schaffen höhere Werberendite
Werbeinvestitionen des Lebensmitteleinzelhandels (LEH)
Durch Werbespots generierte Zusatzumsätze
pro investiertem Euro (ROI)
Durch Werbespots generierte Zusatzumsätze
pro investiertem Euro (ROI)
Top-TV-Spending in Mio. Euro
1-6/2014
HORIZONTREPORT
ist ein Sonderteil von HORIZONT,
Zeitung für Marketing, Werbung und Medien
Chefredaktion: Dr. Uwe Vorkötter (V.i.S.d.P.),
Volker Schütz, Jürgen Scharrer
Ressortleitung: Dr. Jochen Zimmer
Telefon 069/7595-2695
E-Mail: [email protected]
Redaktion: Bettina Sonnenschein,
Natascha Gross
ROI Analyse*
1-6/2013
33
Lidl
Kaufland
Angaben in Euro
23,46
24
ROI Analyse*
ROI Prognose**
Vollsortiment
26
0
22
Quelle: Seven-One Media
11,43
17
4,49
3,05
10,42
2,47
18
Rewe
Real
Discounter
4,07
Edeka
Penny
Angaben in Euro
ROI Prognose**
6,05
5,61
25
2,52
12
4,02
1,57
6
0,06
9
Händler A
10
Händler B
Händler C
* nach einem Jahr; ** 5-Jahres-Vorhersage
HORIZONT 43/2014
Quelle: Seven-One Media
produktorientiert
imageorientiert
0,13
produktorientiert
imageorientiert
* nach einem Jahr; ** 5-Jahres-Vorhersage
HORIZONT 43/2014
Quelle: Seven-One Media
HORIZONT 43/2014
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