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Kölner Stadt-Anzeiger - Als Gladbach noch am Meer lag
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Bergisch Gladbach - 30.03.2014
FOSSILIEN IM BERGISCHEN
Als Gladbach noch am Meer lag
Von Agatha Mazur
Der Paläontologe und Geologe Hans Martin Weber führte
durch die ehemalige Ur-Landschaft in Bergisch Gladbach. Im
Tal „Schlade“ kann man die Überreste eines urzeitlichen Riffs
mit versteinerten Fossilien noch heute bestaunen.
Bei der Führung durch Landschaft und
Geschichte der Fossiliensammlung präsentierte
Silke Junixk eine Schnecke.
Foto: Bilder: Jürgen Dehniger (2), Diethelm
Nonnenbroich
Das Wetter am Wochenende lud die Bergisch Gladbacher Bürger zum
Sonnenbaden ein. Strandsachen einpacken ɠ und ab ans Meer. Geht
nicht? Vor gut 400 Millionen Jahren wäre das kein Problem gewesen:
Das Bergische Land lag zu dieser Zeit nämlich an der See. Von dieser
erdgeschichtlichen Periode zeugt das Tal „Schlade“ zwischen Hebborn
und Romaney, das geologisch der „Paffrather Kalkmulde“ zugeordnet
wird. Dort kann man die Überreste eines urzeitlichen Riffs mit
versteinerten Fossilien noch heute bestaunen.
Urzeitliche Fossilien ɠ das ist Hans Martin Webers Spezialgebiet. Der promovierte Paläontologe und Geologe
führte am Wochenende im Auftrag des Vereins „Landschaft und Geschichte“ geschichtsinteressierte Bürger
durch die ehemalige Ur-Landschaft. Gleich zu Anfang gab es einen Crashkurs durch die frühe Erdgeschichte: Im
Zeitalter des Devon (vor circa 360 bis 410 Millionen Jahren) bildeten das heutige Nordamerika, Teile Europas
und das, was heute Sibirien ist, eine große Landmasse: den OldɠRedɠKontinent, auch Laurussia genannt. Das
frühe Bergische Land lag an der Südküste dieses Frühzeit-Kontinents und gleichzeitig am Äquator. Die
Küstenlinie verlief ungefähr bei Lindlar, wo damals tropische Bedingungen herrschten. In dieser Zeit
entwickelten sich dort die ersten Wälder: Die „Calamophyton“ genannten Bäume, die sich über Jahrmillionen
aus Wasserpflanzen entwickelt hatten, bilden die Urmütter der heutigen Wälder. „Dafür ist Bergisch Gladbach
weltberühmt“, schwärmt Weber.
Doch das ist nicht das einzige, weswegen in der Paläontologie jeder Wissenschaftler das Bergische Land kennen
sollte. Der 49-jährige Wissenschaftler hat ein paar Fossilien aus dem Fundus der Fossiliensammlung Bergisch
Gladbach mitgebracht. Er deutet auf einen sandfarbenen Stein, in dem sich über die Jahre die Konturen des
Skeletts eines Fisches eingebrannt haben: „Ctenurella gladbachensis“ heißt das ungefähr dreizehn Zentimeter
lange Exemplar eines Panzerfisches. Weber hat an die 150 Präparationsschritte gebraucht, um das PanzerfischFossil freizulegen. Das Besondere dabei: Das Fossil stammt aus einer Zeit, in der sich die Fischarten auf der Erde
gerade zu entwickeln begannen.
1960 war die Gattung in Bergisch Gladbach das erste Mal beschrieben worden, daher trägt das Fossil stolz den
Namen der Stadt. „Im Zeitalter des Devon hat sich in Bergisch Gladbach eine unglaublich artenreiche
Fischfauna entwickelt“, erläutert Weber, „der Panzerfisch war quasi der ,Herrscher des Devon'.“ Das geschah zu
einer Zeit, in der sich alle Fischarten rasant entwickelten. „Das Leben war am toben“, beschreibt der
Paläontologe diese Zeit.
Leider schaffte der Panzerfisch den Sprung in die Neuzeit nicht, am Ende des devonischen Zeitalters starb er aus.
Eine weitere Fischart, die am Bergisch Gladbacher Riff vorkam, allerdings schon: Der Quastenflosser legte eine
eindrucksvolle Karriere hin. Er gilt als „Brückentier“, als Bindeglied zwischen Fisch und Amphibie. Die
Nachfahren dieser Art gibt es heute noch: Zwischenzeitlich für ausgestorben erklärt, entdeckten Wissenschaftler
21.04.2014 14:49
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ein Exemplar im Jahr 1938 vor der südafrikanischen Küste. Der Quastenflosser überlebte, in dem er sich
veränderten Bedingungen anpasste: Der ehemalige Flachwasserbewohner hält sich mittlerweile in tieferen
Gewässern auf.
Man benötigt einiges an Fantasie, um sich vorzustellen, dass der Waldweg, der sich durch das Tal der Schlade
schlängelt, einmal am Meeresgrund gewesen sein soll. Doch ohne viel Mühe erkennt man in der Felskante, die
sich auf der einen Seite imposant auftürmt, das Riff, in dessen Schutz sich vor Jahrmillionen der Artenreichtum
entwickeln konnte.
Doch nicht nur Fische gab es damals in Hülle und Fülle, auch Korallen und Schwämme gediehen hier prächtig.
Hans Martin Weber greift sich einen unscheinbaren, mit Moos bedeckten Stein. Doch am Fuße eines ehemaligen
Urzeitmeeres birgt jeder noch so normale Stein eine Überraschung: Der vermeintliche Felsbrocken entpuppt sich
als versteinerter Kalkschwamm der Gattung „Stromatoporen“, einer mittlerweile ausgestorbenen Tierart. Für
Hans Martin Weber gibt es nichts Spannenderes als die urzeitliche Fauna: „Es ist erstaunlich sich vorzustellen,
dass das alles hier einmal gelebt hat.“
Das Riff mit seinen verschiedenen Zonen wie der Brandungszone und der Rifflagune ist heute von rein
wissenschaftlichem Interesse, im 19. Jahrhundert war es allerdings auch wirtschaftlich ein wichtiger Standort.
Die Schlade wurde jahrelang als Steinbruch genutzt, in dem Kalkstein abgebaut wurde, unter anderen um daraus
Bausteine herzustellen.
Noch heute kann man die verarbeiteten Steine an verschiedenen Häuserfassaden erkennen, beispielsweise an der
Fassade des Bergisch Gladbacher Rathauses. Dieser Industriezweig trug viel zur hiesigen Wirtschaft bei: „Einen
Teil seines Reichtums verdankte Bergisch Gladbach seiner Kalkindustrie“, betont Weber. Seit 2006 ist das Tal
ein Nationaler Geotop und steht unter Naturschutz, da es auch in der Gegenwart eine Fülle an Arten beherbergt:
von Kaisermantel über Rosenkäfer bis hin zu den in unseren Breitengraden raren Orchideen. „Die komplette
Paffrather Mulde ist ein Kleinod“, schwärmt Geologe Weber, der sich gemeinsam mit dem Verein „Landschaft
und Geschichte“ für die Modernisierung der Bergisch Gladbacher Fossiliensammlung einsetzt.
Unterstützt von der Bethe-Stiftung und vom Verein „Wir für Bergisch Gladbach“ kämpfen die Vereinsmitglieder
für eine neu konzipierte Ausstellung im Bergischen Löwen.
Das Problem: Für die notwendige Katalogisierung und Modernisierung fehlen gut 30 000 Euro, die allesamt von
privaten Geldgebern und Sponsoren aufgebracht werden müssen.
„Für die meisten Leute sind Fossilien nur Steine“, meint Weber schmunzelnd, doch wer ihnen zuhört, dem
erzählen sie die komplette Erdgeschichte.
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