- Civitas Institut

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IVITAS
ZEITSCHRIFT FÜR DAS CHRISTLICHE GEMEINWESEN
On ne bâtira pas la cité autrement que Dieu ne l'a bâtie ; on n'édifiera pas la société,
si l'Eglise n'en jette les bases et ne dirige les travaux ; non, la civilisation n'est plus à
inventer ni la cité nouvelle à bâtir dans les nuées. Elle a été, elle est ; c'est la
civilisation chrétienne, c'est la cité catholique. Il ne s'agit que de l'instaurer et le
restaurer sans cesse sur ses fondements naturels et divins contre les attaques toujours
renaissantes de l'utopie malsaine, de la révolte et de l'impiété :
OMNIA INSTAURARE IN CHRISTO.
Man kann das Gemeinwesen nicht anders bauen, als Gott es gebaut hat; man kann
die Gesellschaft nicht errichten, wenn die Kirche nicht die Fundamente legt und nicht
die Bauarbeiten leitet; nein, es ist nicht mehr nötig, eine Zivilisation zu ersinnen,
noch auch ein neues Gemeinwesen in den Wolken zu bauen. Es hat sie gegeben und
es gibt sie: es sind die christliche Kultur und das katholische Gemeinwesen. Es kann
sich nur noch darum handeln, es unablässig gegen die immer wieder neu
aufbrechenden Angriffe einer falschen Utopie, der Revolte und der Gottlosigkeit auf
seine natürlichen und göttlichen Grundlagen zu stellen und ihn darin zu stärken und
zu festigen: OMNIA INSTAURARE IN CHRISTO.
Hl. Papst Pius X.
Notre charge apostolique
Brief an die Erzbischöfe und Bischöfe Frankreichs über die Sillon-Bewegung vom 29. August 1910
CIVITAS
Zeitschrift für das christliche Gemeinwesen
herausgegeben vom Civitas-Institut
REDAKTION
Dr. Rafael Hüntelmann
ANSCHRIFT DER REDAKTION
Civitas-Institut, Redaktion Civitas, Postfach 15 41, 63133 Heusenstamm
[email protected]
HERAUSGEBER
Civitas-Institut: Dr. Rafael Hüntelmann
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Website
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Die Zeitschrift CIVITAS erscheint dreimal jährlich im Umfang von ca. 60 Seiten.
Das Abonnement kostet pro Jahr (drei Hefte) € 25,00 zzügl. Versandkosten. Das
Einzelheft kostet € 9,00 zzügl. Versandkosten. Bestellungen richten Sie bitte an den
Verlag editiones scholasticae.
ISSN 1865-6293
© 2008
All rights reserved
Inhalt
EDITORIAL
1
P. FRANZ SCHMIDBERGER
Die Religionsfreiheit
3
HEINZ-LOTHAR BARTH
Religionsfreiheit oder Toleranz?
Gedanken zum Verhältnis von Staat und Kirche
13
RAFAEL HÜNTELMANN
Jesus Christus, König der Nationen
41
WALTER HOERES
Das größte Glück der größten Zahl
Der Utilitarismus – Ethik der westlichen Welt
59
DOKUMENTATION
S.E, ALFREDO CARDINAL OTTAVIANI
Über die Beziehungen zwischen Kirche und Staat
und über die religiöse Toleranz
DIE AUTOREN DES HEFTES
67
Editorial
Landauf, landab gibt es in diesem Jahr Festveranstaltungen, die Zeitungen
und Zeitschriften berichten und dokumentieren „60 Jahre soziale
Marktwirtschaft“. Zweifellos, in ihrer ursprünglichen Intention war die
soziale Marktwirtschaft ein von der katholischen Soziallehre inspirierter
Entwurf. Die soziale Marktwirtschaft wendete sich in dieser Intention
einerseits gegen einen übermächtigen Sozialstaat, der alle sozialen und
kulturellen Aufgaben an sich reißt, und andererseits gegen einen liberalen
Kapitalismus, in dem jeder gegen jeden kämpft und der Individualismus in
allen Bereichen das beherrschende Prinzip ist. Was aus dieser Idee, die
angesichts ihrer Erfolge in den fünfziger Jahren auch die Zustimmung
vieler katholischen Sozialethiker erhielt, geworden ist, zeigt ein Blick auf
die Realität in Deutschland und Europa. Eine Staatsquote von über 60%,
staatlicher Dirigismus in allen Bereichen des sozialen und kulturellen
Lebens, verbunden mit einer linken Gleichheit-für-Alle-Ideologie, deren
Durchsetzung zur wichtigsten Staatsaufgabe geworden ist, bei gleichzeitig
globalisierter, radikal-liberalistischer Marktwirtschaft.
Eine Intention der sozialen Marktwirtschaft war die konsequente
Umsetzung des Prinzips der Subsidiarität in Wirtschaft, Kultur und
Gesellschaft. Leistung und Selbstverantwortung bei partnerschaftlicher
Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in sozialen
Fragen ohne staatliche Einmischung, ähnlich dem Modell der, wie man
früher sagte, berufständischen Ordnung, bzw. der wirtschaftlichen und
sozialen Selbstverwaltung. Der sechzigste Jahrestag der sozialen
Marktwirtschaft sollte zum Anlaß werden, dieses Modell der katholischen
Soziallehre, dessen Prinzipien in der Enzyklika Quadragesimo anno von
Papst Pius XI. vorgelegt wurden, wieder in Erinnerung zu rufen, anstatt
etwas zu feiern, was es seit fast vierzig Jahren nicht mehr gibt. In der
letzten Ausgabe der Zeitschrift CIVITAS haben wir das Modell der
wirtschaftlichen und sozialen Selbstverwaltung vorgestellt. Derzeit
arbeiten wir an einem umfangreichen Sonderheft, in dem die „soziale
Demokratie“ (Johannes Messner), im Sinne der Selbstverwaltungswirtschaft für unsere moderne Gesellschaft weiterentwickelt wird und so
gezeigt wird, daß diese Idee nach wie vor aktuell ist.
Das vorliegende dritte Heft unserer Zeitschrift beschäftigt sich im
Schwerpunkt mit der Frage der Religionsfreiheit, wie sie seit dem II.
Vatikanischen Konzil auch von der römisch-katholischen Kirche
propagiert wird. Das Thema ist aus verschiedenen Gründen wieder aktuell
geworden, besonders jedoch durch die Reden des Hl. Vaters, Benedikt
XVI. bei seinem USA-Besuch, wo er das liberale Modell der staatlichen
Neutralität in religiösen Fragen bei gleichzeitig freier Betätigung für alle
religiösen Gruppierungen und Gemeinschaften als Modell für die ganze
Welt empfahl. Daß diese Auffassung gegen die überlieferte Lehre der
Kirche über die religiöse Toleranz verstößt, zeigt Pater Franz
Schmidberger in seinem Beitrag. Die kirchliche Lehre zur Religionsfreiheit
bis zum II. Vatikanischen Konzil gibt das Dokument wieder, das die von
S.E. Alfredo Cardinal Ottaviani geleitete Vorbereitungskommission dem
Konzil vorlegte, das aber ohne Diskussion verworfen wurde. Im Beitrag
„Jesus Christus, König der Nationen“ versucht Rafael Hüntelmann zu
zeigen, daß die Religionsfreiheit im logischen Widerspruch zu den
fundamentalsten Lehren des katholischen Glaubens steht.
Heinz-Lothar Barth thematisiert das Verhältnis von Staat und Kirche und
geht auf die sehr wichtige Unterscheidung zwischen Religionsfreiheit und
religiöser Toleranz ein, ein Unterschied, der seit dem II. Vatikanischen
Konzil und in der gegenwärtigen Diskussion kaum noch gemacht wird.
Walter Hoeres beschäftigt sich in seinem Beitrag mit der heute
vorherrschenden Moraltheorie, dem Utilitarismus, der zunehmend,
besonders seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunders, auch bei
politischen und sozialen Entscheidungen als moralische Grundlage dient.
Problematisch ist hier schon allein die Tatsache, daß der persönliche
Nutzen zur ethischen Maxime erhoben wird, wo dieser doch dem von der
Erbsünde belasteten Menschen gewissermaßen natürlich ist, ihm also
sicher nicht als Moral nahegebracht werden muß.
Wir möchten bereits hier auf das Sonderheft 1 unserer Zeitschrift
hinweisen, das nicht zum regulären Abonnement geliefert wird. Dieses
Sonderheft von Dr. Heinz-Lothar Barth hat den Titel: „Solidarität und
Subsidiarität. Zwei Grundprinzipien der katholischen Gesellschaftslehre und
ihre Mißachtung in der heutigen Politik“. Das Sonderheft umfaßt etwa 100
Seiten und kann zum Preis von EUR 12,80 beim CIVITAS INSTITUT bestellt
werden.
Die Redaktion
2
Die Religionsfreiheit
von P. Franz Schmidberger
Wenige Menschen im deutschen Sprachraum einschließlich der der Tradition verbundenen Katholiken verstehen, warum wir uns mit aller Kraft gegen die Religionsfreiheit stemmen. Dieses Unverständnis rührt einerseits
von einer falschen Auffassung über den Gegenstand, andererseits aus einer
mangelhaften Unterrichtung über die kirchliche Lehre her. Unsere Gegner
behaupten immer wieder, wir wollten mit dem Verwerfen der Religionsfreiheit die Menschen zur Annahme der katholischen Religion zwingen;
andererseits ist diesen nicht oder nur oberflächlich bekannt, daß die Päpste
spätestens seit der französischen Revolution, also während zwei Jahrhunderten bis hin zum II. Vatikanum die Religionsfreiheit verurteilt haben.
Erst dieses unselige Konzil brachte die Wende in der bis dahin einhelligen
Lehre der Kirche.
Der Begriff der Religionsfreiheit
Um Klarheit zu schaffen bedarf es zunächst der Unterscheidung zwischen
der radikalen Religionsfreiheit und einer „gemäßigten“. Erstere sagt aus,
jeder Mensch habe ein Recht, ein Naturrecht darauf, jeder beliebigen Religion anzuhangen, jeder solle nach seiner eigenen Façon selig werden. Diese Form totaler Freiheit von jedem Wahrheitsanspruch und von jedem
geoffenbarten Glauben wurde von der Kirche immer verworfen; selbst das
II. Vatikanum sagt noch, der Mensch habe die Pflicht, nach der wahren Religion zu streben und ihr anzuhangen.
Die „gemäßigte“ Religionsfreiheit hat dagegen nicht das Verhältnis des
einzelnen Menschen zur Wahrheit zum Gegenstand, sondern das Verhältnis der Gesellschaft oder des Staates zur Religion bzw. zu den Religionen.
Und hier behauptet nun das II. Vatikanum als Sprachrohr der Liberalen,
der Mensch habe aufgrund seiner Würde, also aus dem Naturrecht heraus
das Recht auf Religionsfreiheit, das darin besteht, daß ihn weder Einzelne
noch Gruppen noch der Staat zu einer Religion zwingen dürfen. Bis dahin
sind wir vollkommen einverstanden, umso mehr, als die Annahme einer
Religion ein innerer Verstandes- und Willensakt ist und damit überhaupt
nicht erzwungen werden kann. Aber das II. Vatikanum fügt nun noch hinzu, daß man niemanden am öffentlichen (sic!) Bekenntnis einer Religion
hindern dürfe; der Staat muß also jede Religion, ob wahr oder falsch, öffentlich wirken lassen, und dies aufgrund des Naturrechts – und hier erheben wir entschiedenen Einspruch! Zitieren wir den beanstandeten Abschnitt aus der deutschen Übersetzung der Beschlüsse des Konzils, herausgegeben mit kirchlicher Druckerlaubnis von Werner Becker:
„Das Konzil erklärt, daß die menschliche Person das Recht auf Religionsfreiheit
hat. Diese Freiheit besteht darin, daß alle Menschen von jedem Zwang frei sein
müssen, sowohl von Seiten einzelner wie von Gruppen in der Gesellschaft wie
von jeglicher menschlichen Gewalt, und zwar in der Weise, daß in religiösen
Dingen niemals jemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln und
nicht daran gehindert wird, privat und öffentlich als Einzelner oder in Verbindung mit anderen nach seinem Gewissen zu handeln, innerhalb der gebührenden Grenzen. Ferner erklärt das Konzil, das Recht auf Religionsfreiheit sei in
Wahrheit auf die Würde der menschlichen Person gegründet, so wie sie durch
das offenbarte Wort Gottes und auch durch die Vernunft erkannt wird. Dieses
Recht der menschlichen Person auf Religionsfreiheit muß in der rechtlichen
Ordnung der Gesellschaft so anerkannt werden, daß es zum bürgerlichen Recht
wird.“ 1 (Hervorhebung durch uns)
Die so verstandene Religionsfreiheit ist nichts anderes als die religiöse Indifferenz des Staates, im Grunde die Ausrufung des staatlichen Atheismus
oder wenigstens des Agnostizismus, weil der Staat angeblich nicht wissen
kann, welches die wahre Religion ist. Aber der Staat wird repräsentiert und
geleitet vom Staatsmann, einem Menschen, der gemäß der Lehre des Römerbriefes (I, 20ff), gemäß dem I. Vatikanum und der Lehre Papst Leos
XIII. in dem Rundschreiben Immortale Dei sehr wohl die wahre Religion
erkennen und sie von der falschen unterscheiden kann:
„Welches aber die wahre Religion sei, wird der mit Leichtigkeit erkennen, der
klug und aufrichtig zu urteilen sucht: Denn aus vielen und glänzenden Beweisen, aus der Bewahrheitung der Weissagungen, aus der Fülle der Wunder, aus
der äußerst schnellen Verbreitung des Glaubens inmitten einer feindlichen Welt
und trotz größter Hemmnisse, aus dem Zeugnis der Märtyrer und anderen ähnlichen Tatsachen geht klar hervor, daß die wahre Religion allein jene ist, welche
Christus selbst gestiftet und mit deren Schutz und Ausbreitung er seine Kirche
betraut hat.“ 2
1
2
Dignitatis Humanae, 2
Mensch und Gemeinschaft in christlicher Schau, Nr. 848
4
Und an anderer Stelle heißt es in dem gleichen Rundschreiben:
„Heilig muß daher den Staatsoberhäuptern der Name Gottes sein; und es gehört
zu ihren vorzüglichen Pflichten, die Religion zu begünstigen, sie wohlwollend
zu schützen, sie zu verteidigen durch die Autorität und Macht der Gesetze, und
gar nichts zu beschließen oder anzuordnen, was ihr schaden könnte.“ 3
Zwar ist im Text des II. Vatikanums die Rede von „gebührenden Grenzen“, und ein klein wenig weiter spricht das Konzil von der „Wahrung der
gerechten öffentlichen Ordnung“. Doch zum einen wird nirgends näher definiert, worin diese „gerechte öffentliche Ordnung“ besteht und wo die
„gebührenden Grenzen“ liegen; zum anderen wird verkannt, daß gerade in
einem Land mit überwiegend katholischer Bevölkerung die religiöse Einheit, die sich auch in der Gesetzgebung niederschlagen muß, ordnungsstiftend ist. Darüber hinaus zeigt die Anwendung des Konzilstextes in der
nachkonziliaren Zeit, daß die vom Konzil angegebenen „gebührenden
Grenzen“ gerade nicht zum Tragen kamen.
Die Folgen, von den Päpsten vorausgesehen
Der staatliche Agnostizismus führt notwendigerweise zum Laizismus, zum
Säkularismus und zur vollkommenen Entchristlichung der Gesellschaft; er
führt auch zur Gleichgültigkeit des einzelnen Menschen gegenüber der Religion. Im Namen der Religionsfreiheit wurden die katholischen Staaten in
Südamerika aufgegeben, Spanien und Italien wurden laizistisch. Unter General Franco dagegen lautete der sechste Artikel der spanischen Verfassung Fuero de los españoles vorbildlich folgendermaßen:
„Bekenntnis und Ausübung der katholischen Religion, welche die Religion des
spanischen Staates ist, genießen offiziellen Schutz. – Niemand darf wegen seines religiösen Glaubens oder der privaten Ausübung seines Kultes beunruhigt
werden. – Es sind keine anderen äußeren Zeremonien oder Kundgebungen erlaubt als die der Staatsreligion.“ 4
Der Staat mischt sich also weder in den Gewissensbereich des Menschen
ein, noch in seine Privatsphäre; aber im öffentlichen Bereich hat er das
Recht und die Pflicht, die falschen Religionen zurückzudrängen und so den
Glauben zu schützen.
3
4
ebd. Nr. 847
vgl. Marcel Lefebvre: Sie haben ihn entthront, S. 208
5
Heute bekämpft das Regime Zapatero in Spanien die katholische Kirche,
die Bischöfe protestieren ohnmächtig dagegen. Wer trägt die Schuld daran? In Lateinamerika sind nach der Schleifung der katholischen Staaten die
protestantischen Sekten aus den USA gleich reißenden Wölfen in diese
Länder eingedrungen; wenigstens 60 Millionen Katholiken fielen von der
Kirche ab und wurden ihre Opfer. Wer trägt die Schuld am Verlust all dieser Seelen, am Verlust ihres ewigen Heils? Die obersten Vertreter der Kirche bedauern den Säkularismus, für den sie selbst die Grundlage geschaffen haben, indem sie behaupten, der Irrtum habe ein Naturrecht. Bei seiner
jüngsten USA-Reise machte sich Papst Benedikt XVI. zum Apostel der
Religionsfreiheit – wir sagen es mit Schmerz und Trauer.
Aus genauer Kenntnis der Dinge heraus haben die Päpste von Pius VI. bis
Pius XII. die Religionsfreiheit verworfen, die Freidenker und die Freimaurer haben sie immer gefordert. Sie konnten – Gott sei es geklagt – ihre
Forderung auf dem II. Vatikanum dank der liberalen Konzilsväter und theologen durchsetzen. Lesen wir dagegen die Worte Papst Pius’ IX. in der
Enzyklika Quanta Cura vom 8. Dezember 1864:
„Von dieser falschen Auffassung der Gesellschaftsordnung aus begünstigen sie
[die Liberalen] weiter jene irrige Ansicht, die der katholischen Kirche und dem
Seelenheile höchst verderblich ist und von Unserem jüngsten Vorgänger Gregor
XVI., als Wahnsinn erklärt wurde, nämlich, ‚die Freiheit des Gewissens und die
Gottesverehrung [also die Religionsfreiheit] seien jedes einzelnen Menschen
Eigenrecht, was in jedem Staat mit ordentlicher Verfassung gesetzlich verkündet und gewahrt werden müsse, und die Bürger hätten ein Recht auf jede beliebige Freiheit, die weder durch kirchliche noch staatliche Hoheit eingeschränkt
werden dürfe, sondern sie sollten ihre Meinungen in Wort und Schrift oder
sonst wie ganz öffentlich verkünden und verbreiten können.’ (…) 5
Bei dieser ungeheuren Verkehrtheit entarteter Anschauungen waren Wir Uns
Unserer apostolischen Pflicht gebührend bewußt und haben daher in Sorge um
Unsern heiligsten Glauben, um die rechte Lehre, um das Heil der Seelen, das
Uns von Gott anvertraut wurde, um das Wohl der menschlichen Gesellschaft
selbst, abermals Unsere Stimme vernehmen lassen. Alle verkehrten Meinungen
und Lehren also, die Wir in diesem Schreiben einzeln angeführt haben, weisen
Wir kraft unserer apostolischen Vollmacht zurück, verbieten sie und verdammen sie und wollen, daß alle Söhne der katholischen Kirche sie durchaus als
5
Mensch und Gemeinschaft in christlicher Schau, Nr. 28
6
zurückgewiesen, verboten und verdammt ansehen.“ 6 (Hervorhebung durch uns)
Und im anschließenden Syllabus werden folgende Sätze verurteilt:
Nr. 77: „In unserer Zeit geht es nicht mehr an, die katholische Religion als einzige Religion eines Staatswesens anzuerkennen, unter Ausschluß aller übrigen Arten von Gottesverehrung.“
Nr. 78: „Daher ist es lobenswert, wenn in gewissen katholischen Ländern gesetzlich vorgesehen wird, daß die Einwanderer öffentlich ihre eigene Religion, welcher Art sie auch sei, ausüben dürfen.“
Nr. 79: „Denn es ist falsch, daß die bürgerliche Religionsfreiheit sowie die volle,
für alle gewährleistete Befugnis, frei und offen irgendwelche Meinungen und
Gedanken kundzutun, leicht dazu führe, Geist und Sitte der Völker zu verderben
und die Seuche der Gleichgültigkeit zu verbreiten.“ 7
Der direkte Widerspruch zwischen der vorkonziliaren Lehre und der Erklärung zur Religionsfreiheit des II. Vatikanums ist offenkundig. Er trat bereits
in der letzten Sitzung der vorbereitenden Konzilskommission an den Tag,
als Kardinal Ottaviani ein Schema über die Toleranz der falschen Religionen vorlegte, Kardinal Bea als Vertreter der Liberalen ein Schema über die
Religionsfreiheit. Übrigens gestand der modernistische Konzilstheologe
Yves Congar ein, daß die Religionsfreiheit in der heiligen Schrift nicht enthalten ist.
Eine kleine Karikatur zu einem Ereignis aus dem Alten Testament stellt den
Sachverhalt lichtvoll heraus: Moses verurteilt im Namen der zehn Gebote
Gottes, insbesondere des ersten Gebotes, die von seinem Bruder Aaron erlaubte und geförderte Anbetung des goldenen Kalbes. Aaron beruft sich bei
der Verteidigung des Götzendienstes auf die Erklärung über die Religionsfreiheit des II. Vatikanums:
6
7
ebd. Nr. 31
ebd. Nr. 44
7
„Nein, nein, lieber Moses. Laut der Erklärung über die RELIGIONSFREIHEIT hast du nicht das Recht, uns an der Verehrung des goldenen
Kalbes zu hindern!“
Anwendung auf die konkrete Situation
Wie aber steht es um die konkrete Verwirklichung des Absolutheitsanspruches der katholischen Wahrheit und der Königsherrschaft unseres Herrn Jesus Christus in der heutigen Welt? Kardinal Ottaviani hat in seinem Entwurf
zu diesem Thema für das Konzil deutliche und klare Unterscheidungen getroffen. Hier sein Text:
„a) Anwendung in einem katholischen Gemeinwesen
Die oben durch das heilige Konzil dargelegte integrale Lehre kann nur Anwendung finden in einem Gemeinwesen, wo die Bürger nicht nur getauft sind, sondern den katholischen Glauben bekennen. In diesem Fall treffen die Bürger selbst
in freier Weise die Wahl, daß das bürgerliche Leben gemäß den katholischen
Grundsätzen geformt und so, wie der hl. Gregor der Große sagt, „der Ausblick
auf den Himmel weiter offen sein“ soll (Ep. 65, ad Mauricium).
8
Dennoch ist es selbst unter diesen glücklichen Bedingungen der bürgerlichen
Gewalt in keiner Weise erlaubt, die Gewissen zu zwingen, den von Gott geoffenbarten Glauben anzunehmen. Der Glaube ist nämlich wesentlich frei und kann
nicht Gegenstand irgendwelchen Zwanges sein, wie die Kirche lehrt, indem sie
sagt: „Daß niemand gezwungen werde, wider Willen den katholischen Glauben
anzunehmen!“ (C.I.C. can. 1351).
Das hindert jedoch nicht, daß die bürgerliche Gewalt die erforderlichen geistigen,
sozialen und moralischen Bedingungen schaffen muß, damit die Gläubigen, auch
die weniger gebildeten, leichter im empfangenen Glauben verharren. Ebenso also, wie die bürgerliche Gewalt sich für berechtigt hält, die öffentliche Moral zu
schützen, ebenso kann die bürgerliche Gewalt, um die Bürger gegen die Verführung des Irrtums zu schützen, um das Gemeinwesen in der Glaubenseinheit, die
das höchste Gut und Quelle vielfacher auch zeitlicher Wohltaten ist, zu erhalten,
von sich aus die öffentlichen Bekundungen anderer Kulte regeln und beschränken und ihre Bürger gegen falsche Lehren verteidigen, die nach dem Urteil der
Kirche ihr ewiges Heil in Gefahr bringen.
b) Religiöse Toleranz in einem katholischen Gemeinwesen
Bei diesem Schutz des wahren Glaubens gilt es nach den Erfordernissen der
christlichen Liebe und der Klugheit vorzugehen, damit die Dissidenten nicht von
der Kirche abgeschreckt, sondern vielmehr von ihr angezogen werden und weder
das Gemeinwesen noch die Kirche irgend einen Schaden erleide. Es gilt also immer sowohl das Gemeinwohl der Kirche als das Gemeinwohl des Staates im Auge zu behalten; mit Rücksicht darauf kann der bürgerlichen Gewalt je nach den
Umständen eine gerechte, sogar durch Gesetze verbürgte Toleranz auferlegt sein,
und dies zwar einmal, um größere Übel wie ein Ärgernis oder einen Bürgerkrieg,
das Hindernis für die Bekehrung zum wahren Glauben, oder andere Übel dieser
Art zu vermeiden, und weiter, um ein größeres Gut zu verschaffen wie etwa die
bürgerliche Zusammenarbeit und friedliche Koexistenz der Bürger verschiedener
Religionen, größere Freiheit für die Kirche und wirksamere Erfüllung ihrer übernatürlichen Sendung und andere Güter dieser Art. In dieser Frage gilt es nicht nur
dem Wohl nationaler Ordnung, sondern auch dem Wohl der universalen Kirche
(und dem internationalen bürgerlichen Wohl) Rechnung zu tragen. Durch diese
Toleranz ahmt die katholische bürgerliche Gewalt das Beispiel der göttlichen
Vorsehung nach, die Übel zuläßt, aus denen sie den Vorteil größerer Güter zieht.
Diese Toleranz ist vor allem in den Ländern zu beobachten, wo seit Jahrhunderten nichtkatholische Gemeinschaften bestehen.
c) Anwendung in einem nichtkatholischen Gemeinwesen
In den Gemeinwesen, wo ein großer Teil der Bürger nicht den katholischen
Glauben bekennt oder nicht einmal von der Tatsache der Offenbarung weiß, muß
9
die nichtkatholische bürgerliche Gewalt sich in religiösen Dingen wenigstens den
Vorschriften des natürlichen Sittengesetzes anpassen. Unter diesen Bedingungen
muß diese nichtkatholische Gewalt allen Kulten, die sich nicht der natürlichen
Religion entgegenstellen, die bürgerliche Freiheit einräumen. Diese Freiheit widerspricht sodann nicht den katholischen Grundsätzen, da sie ebenso dem Wohle
der Kirche als dem des Staates ansteht. In den Gemeinwesen, wo die öffentliche
Gewalt nicht die katholische Religion bekennt, haben die katholischen Bürger
besonders die Pflicht, durch ihre bürgerlichen Tugenden und Handlungen, mit
denen sie im Verein mit ihren Mitbürgern das Gemeinwohl des Staates befördern, zu erreichen, daß man der Kirche die volle Freiheit gewährt, ihre göttliche
Sendung zu erfüllen. Von der freien Tätigkeit der Kirche hat nämlich auch das
nichtkatholische Gemeinwesen keinerlei Schaden und sogar zahlreiche und ausgezeichnete Vorteile. So sollen sich also die katholischen Bürger bemühen, daß
Kirche und bürgerliche Gewalt, wiewohl rechtlich noch getrennt, einander wohlwollende gegenseitige Hilfe leisten.“ 8
Oft führen die Verteidiger der Trennung von Staat und Kirche das Christuswort an, man müsse dem Kaiser geben, was des Kaisers ist, und Gott
geben, was Gottes ist. 9 Indes beinhaltet dieses Wort nur die Unterscheidung
der beiden Gewalten, aber keineswegs ihre Trennung. Auch der Kaiser muß
nämlich Gott geben, was Gottes ist, d.h. auch der Staat muß die Rechte des
Christkönigs anerkennen und die von ihm gestiftete Religion schützen und
fördern, dagegen die falschen Religionen im öffentlichen Bereich zurückdrängen, soweit dies in der konkreten Situation eben möglich ist. Wenn
nämlich Gott nicht auch vom Staat als Gott zu verehren ist, sondern nur von
den Individuen, wenn er nicht immer und überall Gott ist, dann ist er überhaupt nicht Gott! Anders ausgedrückt: Nur die Wahrheit, die ein Name für
Gott ist, hat ein allumfassendes Recht, der Irrtum hat nie und nimmer ein
Recht, muß aber oft um eines größeren Gutes willen geduldet werden, wie
Gott selbst die Sünde der Menschen duldet.
Wir können zusammenfassend sagen:
Die Religionsfreiheit des Zweiten Vatikanums
•
leugnet Gottes allumfassende Herrscherrechte;
•
entthront unseren Herrn Jesus Christus als König der
Gesellschaft;
8
9
Marcel Lefebvre: Sie haben ihn entthront, S. 258-260
vgl. Lk 20,26
10
•
stellt die Kirche auf dieselbe Stufe mit den falschen Religionen;
•
bewirkt die Entchristlichung der Gesellschaft;
•
führt die Menschen zur religiösen Gleichgültigkeit;
•
begünstigt nicht die Bekehrung der Seelen zur wahren Religion,
sondern eher ihr Verbleiben in den falschen Religionen.
Der Schaden für die Sache Gottes und das ewige Heil der Seelen könnte
nicht größer sein. Darum gibt der göttliche Gebieter der Welt im Evangelium Anweisung, die Liberalen, die nicht wollen, daß Er über sie herrsche,
vor seinen Augen niederzumachen (Lk 19, v. 14, 27). Mögen ihnen die
Augen aufgehen, damit sie nicht diesem göttlichen Zorngericht verfallen!
Wir hingegen als Jünger des Christkönigs halten uns an Quanta Cura und
den Syllabus und lehnen die Erklärung der Religionsfreiheit des II. Vatikanums ab:
Christus vincit – Christus regnat – Christus imperat!
11
Religionsfreiheit oder Toleranz?
Gedanken zum Verhältnis von Staat und Kirche
von Dr. Heinz-Lothar Barth
Immer wieder begegnet man heute der Behauptung, vor – und
nachkonziliare Lehre der katholischen Kirche über das Verhältnis von
Staat und Religion ständen nicht im Widerspruch zueinander. Vielmehr
liege, wenn das II. Vatikanum die Religionsfreiheit verkünde, eine
bruchlose und legitime Fortentwicklung vor. Ja Erzbischof Marcel
Lefebvre und der von ihm gegründeten Priesterbruderschaft St. Pius X.
wird Halsstarrigkeit und mangelnde geistige Flexibilität vorgeworfen,
wenn sie Bedenken gegen die neue Ausrichtung äußern.1
Die vorgetragene Behauptung ist nachweislich falsch. Der französische
Prälat verteidigte nur jene Doktrin, die von Anfang an und dann explizit
seit der sog. Konstantinischen Wende bis 1965 offiziell in der Kirche
immer gegolten hat. Da selbst bei Gebildeten oft große Unsicherheit
bezüglich dieser Frage herrscht, lohnt es sich, hier noch einmal einige
Prinzipien der katholischen Lehre festzuhalten. Wir sind uns sehr wohl
bewußt, daß der christliche Staat nicht auf der Agenda aktueller Politik
steht. Aber wie der Leser sehen wird, geht es bei dieser Thematik auch um
einige ganz grundsätzliche theologische Fragen, wie z.B. die des
Zusammenhangs von Natur und Übernatur, die auch heute noch von großer
Bedeutung sind.
Stimmen zum Bruch des II. Vatikanums mit der traditionellen
Lehre vom christlichen Staat
Zunächst einmal ist festzuhalten, daß in der Frage der Religionsfreiheit, wie
sie das II. Vatikanum propagiert, der Bruch mit der gesamten Tradition der
Kirche nicht nur irgendwie erahnt werden kann, sondern sogar in einzigartiger Weise augenfällig ist. Dieses harte Verdikt läßt sich durch nicht wenige
1
Vor kurzem wurde der Gemeinschaft sogar vorgehalten, die Bedenken gegen die
neue Lehre gingen auf „französische Idiosynkrasien“ (Eigentümlichkeiten) zurück
(„Das ist der Kairos – ein Appell an unsere Freunde“, UVK 38,1/2008, 6).
Autoritätszeugnisse von Gelehrten absichern, die außerhalb der Priesterbruderschaft St. Pius X. stehen und daher nicht unter den Verdacht der Parteilichkeit fallen können. Einige Stimmen sollen wenigstens kurz zu Wort
kommen.
So schrieb der bedeutende Mariologe Tibor Gallus SJ in seinem "Geistigen
Testament" unter dem Titel "Abweichung von der Frohbotschaft": "Den
Menschen zu gefallen war das Leitmotiv des Konzils... Die Lehre des Konzils über die Religionsfreiheit widerspricht der Lehre der Pius-Päpste!"2
Wie recht Gallus mit seiner Einschätzung der tieferen Ursache für die Erklärung der Religionsfreiheit hatte, kann man den historischen Umständen ihrer
Verabschiedung auf dem Konzil entnehmen. Am 4. Oktober 1965 begab sich
Papst Paul VI. zur UNO in New York, um dort eine Rede zu halten. Noch
kurz zuvor ließ er unter den Konzilsvätern über "Dignitatis humanae" eine
Orientierungsabstimmung durchführen, die eine breite Mehrheit für die Religionsfreiheit ergab. Die Welt und ihre Einheitsorganisation wußte nun, daß
die Kirche sich in einer wesentlichen Frage mit ihr gemein gemacht hatte.3
Der bekannte Kirchenrechtler und Kirchenhistoriker Georg May bemerkte
dann viele Jahre später treffend zu der neuen Lehre in seiner Rezension des
Buches von Winfried Aymans, Kanonisches Recht: "Der falsche Ansatz des
Konzils liegt in dem falschen Begriff von Menschenwürde4; hier hat ein säkulares Verständnis die Offenbarung übermächtigt. Mit der Erklärung 'Dignitatis humanae' desavouiert die Kirche, nebenbei bemerkt, ihre ganze Geschichte. Man muß hier aus der Realität argumentieren, nicht von blutleeren
Theorien ausgehen, die eine Gefälligkeitstheologie erzeugt hat. Die Wirk2
Anhang zum Buch "Der Rosenkranz - Theologie der Muttergottes", 2.Aufl. Stein am
Rhein 1983, 101; 103 f.
3
Yves Chiron, Paul VI. - Le pape écartelé, Paris 1993, 242. Chiron wertet den Zusammenhang zwischen der Abstimmung und dem Auftritt Pauls VI. vor der UNO so: "Le 4
octobre, le pape pouvait donc partir pour l' ONU, le 'passeport' de la liberté religieuse en
poche." („Am 4. Oktober konnte der Papst also zur UNO fahren, den „Paß“ der Religionsfreiheit in der Tasche.“).
4
Zum christlichen Begriff der Menschenwürde siehe jetzt P. Matthias Gaudron, Menschenrechte, Civitas 2/2008, 45-54.; Heinrich M. Robben, Die Freiheit, die ich meine –
Gottesrechte, Menschenrechte und die gesellschaftliche Freiheit, in: Kirchliche Umschau
11,4/2008, 15 f.
14
lichkeit ist diese: Die katholische Kirche sieht sich allezeit Konkurrenten gegenüber, die sie durch Unterbietung der an die Mitglieder zu stellenden Anforderungen aus dem Felde schlagen wollen. Um die Gewissen vor der davon ausgehenden Verführung zu bewahren, sind die Mittel rechtens, die seit
Augustinus Verwendung gefunden haben."5
Das wertvollste Zeugnis ist für uns vielleicht das des renommierten deutschen Verfassungsrechtlers Ernst-Wolfgang Böckenförde, der, obwohl alles
andere als ein Freund der katholischen Tradition und selbst vehementer Verfechter der neuen Religionsfreiheit, in intellektuell redlicher Weise den radikalen Bruch eingesteht6 und ihn auch nicht nach Art Yves Congars oder anderer Theologen zu beschönigen versucht.7 Stellen wir einige seiner einsichtigen Sätze hier im originalen Wortlaut vor: "Die traditionelle katholische
Lehre hatte die Anerkennung eines Rechts auf Religionsfreiheit im Ergebnis
immer abgelehnt. Sie ging dabei vom Primat der Wahrheit gegenüber der
5
Münchener Theologische Zeitschrift 44/1993, 270 f.
6
Religionsfreiheit - Die Kirche in der modernen Welt, Freiburg./B. 1990, Kap. "Die
Bedeutung der Konzilserklärung über die Religionsfreiheit", 59-70. Lediglich an einer
Stelle versucht Böckenförde ein gewisses Brückenglied zwischen traditioneller und neuer
Lehre zu konstruieren, nämlich als er sich auf die Möglichkeit einer Ausweitung des Toleranzgebotes Pius’ XII. nach Maßgabe der praktischen Klugheit bezieht. Im selben
Atemzug muß der Autor aber zugeben, daß sich streng genommen von hierher die Religionsfreiheit nach Art des II. Vatikanums nicht ableiten läßt (a.O. 62). Denn das letzte
Konzil argumentiert nicht vom positiven Recht her, wodurch der formale Bruch mit der
Tradition hätte vermieden werden können, sondern mit dem Naturrecht, das göttlichen
Ursprungs ist, ja sogar mit der göttlichen Offenbarung durch die Heilige Schrift.
7
Yves Congar, Der Fall Lefebvre - Schisma in der Kirche? dt. Ausgabe, 3. Aufl.
Freibg./B. 1977, 59 f. Es wird dann gern ein Bruch materialiter, aber nicht formaliter
zugegeben. Dieses Argumentationsmuster stellt bei den eher etwas „konservativeren“
Befürwortern der Religionsfreiheit beinahe die "communis opinio" dar, vgl. z.B. Gustav Ermecke, Was versteht die Kirche unter Religionsfreiheit? in: Kirche in Not, hg.
von der Ostpriesterhilfe Königstein im Taunus, Heft XX.: Religionsfreiheit für alle,
Limburg/Lahn 1972, 15. Hier wird außerdem die Lehre von der Religionsfreiheit, was
häufig geschieht, mit Blick auf die Verhältnisse totalitärer Staaten verteidigt, die man
mit Hinweis auf die eigene Neuausrichtung zu mehr Toleranz zu bewegen hoffte; aber
der noch so gute Zweck heiligt nun einmal nicht die falschen Mittel (Röm 3,8). Zur
Verteidigung der Religionsfreiheit vgl. z.B. auch Walter Kasper, Kirche und neuzeitliche Freiheitsprozesse, in: Jahres- und Tagungsbericht der Görres-Gesellschaft, Köln
1987, 5-18. Die einschlägige Literatur ist Legion, sie kann hier nicht annähernd vollständig aufgeführt werden.
15
Freiheit aus und von der These, daß dem Irrtum an sich kein Recht gegenüber der Wahrheit zukommen könnte.... Die Konzilserklärung hat dies nun
alles hinter sich gelassen. Sie ist von der bisherigen Lehre nicht nur graduell,
sondern prinzipiell abgerückt... Mit dieser Aussage ist der prinzipielle Schritt
vom 'Recht der Wahrheit' zum 'Recht der Person' getan... Es läßt sich ja nicht
bestreiten, daß die Konzilserklärung zu Äußerungen Gregors XVI., Pius' IX.
und auch Leos XIII. im Widerspruch steht. Was dort verworfen wurde, nämlich individuelle Religionsfreiheit und daraus folgend die öffentliche Kultusfreiheit als äußeres Recht, wird nun anerkannt, und es wird naturrechtlich,
aus dem Wesen der Person begründet. Diese Diskrepanz läßt sich nicht
durch Verschweigen wegräumen. Es ist auch eine Illusion zu meinen, man
müsse nur den Erzbischof Lefebvre, der sich nicht zu Unrecht immer wieder
auf diese Diskrepanz beruft, wie ein rohes Ei behandeln, um darüber Gras
wachsen zu lassen."8
Übrigens hatte auch Hans Küng, ein wohl in besonderem Maße unverdächtiger Zeuge, zugegeben, daß Erzbischof Lefebvre vollauf berechtigt sei,
die Konzilserklärung über die Religionsfreiheit in Zweifel zu ziehen, da der
Bruch mit der traditionellen Lehre kaum überbrückbar erscheine, was Küng
freilich wenig anfocht.9
Ebenso gelangte noch vor kurzem Bernhard Sutor im Anschluß an die umfangreiche Abhandlung des jungen Gelehrten Rudolf Uertz „Vom Gottesrecht zum Menschenrecht“ (wir kommen unten noch einmal auf sie zurück) zu einem ganz ähnlichen Schluß, was die Religionsfreiheit betrifft;
zuvor hatte er die lehramtliche Behauptung einer wenigstens formalen
Kontinuität erwähnt: „Die verständliche lehramtliche Gepflogenheit liefert
keinen wissenschaftlichen Beweis für die Kontinuitätsthese von Gregor
XVI. und Pius IX. bis zum Vatikanum II.“ In der Zusammenfassung der
Lehre Leos XIII., jenes Papstes also, den das II. Vatikanum groteskerweise
in Dignitatis Humanae 2 für die neue Position in Anspruch nimmt, schreibt
Uertz selbst: „Zentral ist für Leo XIII. die Norm für das Zusammenleben,
die über dem einzelnen Individuum steht, weil sie die Norm der menschlichen Natur als solche ist. Sie wird als ‚die Wahrheit’ bezeichnet: ‚die
8
9
Böckenförde 61; 63; 69
Interview mit dem National Catholic Reporter vom 21.10.1977, siehe Michael Davies, Apologia pro Marcel Lefebvre, dt. Ausgabe Stuttgart 1987, 390 f.
16
Rechte der Wahrheit (…), die höher stehen als die der Freiheit.’ Die
menschliche Freiheit darf ‚niemals den ewigen Sittennormen widerstreben’, die in ‚die menschliche Vernunft eingegraben sind’.“ Früher stand
also – für den Konfliktfall - die Wahrheit höher, heute die Freiheit; freilich
anerkannte man auch damals das Toleranzprinzip. Durch die Einführung
des Personalismus versucht man den Bruch notdürftig zu kaschieren. Als
wenn früher in der katholischen Lehre die Rechte (und Pflichten!) des Individuums nicht auch schon erkannt worden wären! Nur urteilte man eben
in besagter Frage anders. Die alte Norm galt übrigens noch über Leo XIII.
hinaus uneingeschränkt bis Pius XII. einschließlich. Man lese nur einmal
Erwin Iserloh, Die Religionsfreiheit nach dem II. Vatikanischen Konzil in
historischer und theologischer Sicht, in: Essener Gespräche zum Thema
Staat und Kirche, hg. von Joseph Krautscheidt und Heiner Marré, Nr. 3,
Münster 1969, 20-22!
Das liturgische Zeugnis der Karfreitagsliturgie
Die letztere Tatsache kann man bis in die Liturgie hinein verfolgen. Oder
hätte Pius XII. sonst bei seiner Karwochenliturgie-Reform weiterhin dem
klassischen Ideal christlich geprägter Staatsführungen angehangen?
Schließlich schuf er entsprechende Texte damals sogar neu! Das betrifft
z.B. die abschließenden Sätze des „Exsultet“ in der Osternacht, wo die alte
Fürbitte für den Kaiser durch ein Gebet für die Regierenden ersetzt wurde,
und es betrifft die Karfreitagsfürbitte „Pro res publicas moderantibus“, die
ebenso die alte, schon längere Zeit nicht mehr verwendete, aber auch nicht
völlig gestrichene Fürbitte für den Kaiser ablöste.10 Der neugeschaffene
Text wich dann auch nicht völlig von der Tradition ab, sondern orientierte
sich an älteren Vorlagen.11 Seit der Karwochenreform im Jahre 1955 hieß es
nun: "Lasset uns auch beten für alle Lenker der Staaten und für jene, die in
ihrem Auftrage Amt ausüben und Macht: Unser Gott und Herr leite ihren
Geist und ihr Herz Seinem Willen gemäß zu unserem immerwährenden
Frieden (Oremus et pro omnibus res publicas moderantibus eorumque mini10
Siehe Ludwig Biehl, Das liturgische Gebet für Kaiser und Reich – Ein Beitrag zur
Geschichte des Verhältnisses von Kirche und Staat, Paderborn 1937, 92
11
Siehe Polycarpus Radó O.S.B., Enchiridion liturgicum, Romae etc. 1961, II 1211.
Die uns besonders interessierende abschließende Formulierung, die den Begriffe „religionis integritas“ enthält, stammt nachweislich aus der Zeit vor 600. Denn sie ist uns
im Sacramentarium Veronense („Leonianum“) greifbar, das in der Zeit zwischen 600
und 625 aufgezeichnet worden ist (Art. Sakramentar, 3LThK 8/1999, 1456). Siehe
auch Charles Lett Feltoe, Sacramentarium Leonianum, Cambridge 1896, 62 f.
17
steriis et potestatibus: ut Deus et Dominus noster mentes et corda eorum secundum voluntatem suam dirigat ad nostram perpetuam pacem) . – Lasset
uns beten. – Beuget die Knie! – Erhebet euch! - Allmächtiger ewiger Gott, in
dessen Hand die Gewalt aller (Machthaber) und die Rechte aller Völker liegen (...in cuius manu sunt omnium potestates et omnium iura populorum).
Schaue gütig auf jene, die uns kraft ihres Amtes regieren (qui nos in potestatibus regunt), damit überall auf Erden unter dem Schutz Deiner Rechten gewahrt bleibe die Unversehrtheit der Religion und die Sicherheit des Vaterlandes (et religionis integritas et patriae securitas)".12
In der nachkonziliaren Liturgie wurde dann die Karfreitagsfürbitte der
neuen Ideologie angepaßt. So wurde, was uns hier besonders interessiert,
aus „religionis integritas“ – „Unversehrtheit der Religion“, nämlich der
wahren, katholischen, „religionis libertas“ – „Freiheit der Religion“ (offiziell: „Freiheit des Glaubens“); der Schluß des „Exsultet“ fiel ganz fort.
Rudolf Kaschewsky hat also ganz recht gehabt (was sich noch an vielen
weiteren Beispielen demonstrieren ließe), als er jüngst auf dem Katholikentag in Osnabrück den Vorzug der traditionellen lateinischen Liturgie
mit den Worten lobte, sie stelle „eine machtvolle Demonstration der Königsherrschaft Jesu Christi“ dar.13
Die neue Entwicklung, bei der sich das Verhältnis zwischen Wahrheit und
Freiheit umgekehrt hat, kann man auch mit dem Titel der oben schon
erwähnten gelehrten Abhandlung von Rudolf Uertz so ausdrücken: „Vom
Gottesrecht zum Menschenrecht“!14 Man sieht also, es geht hier um keine
12
Kursivsetzung durch Verfasser. Die Übersetzung ist angelehnt an den deutschen
Text des Schott-Meßbuchs von 1962, der allerdings von uns mit kleineren Änderungen
versehen wurde. So heißt es dort z.B. für omnium potestates et omnium iura populorum „die Macht und das Recht aller Völker“. Offenbar wurde populorum im Sinn einer
Versparung (zum Phänomen siehe G. Kiefner, Die Versparung, Diss. Tübingen 1960,
erschienen 1964) auch zum ersten omnium mit hinzugezogen. Das ist vom Duktus der
lateinischen Wortfolge nicht sehr wahrscheinlich. Besser übersetzt der Bomm: „die
Gewalten aller Machthaber und die Rechte aller Völker“ (siehe z.B. Lateinischdeutsches Sonntagsmeßbuch, von P. Urbanus Bomm, 6. Aufl. Einsiedeln 1959, 306 f.).
Hier empfindet man lediglich den Plural „Gewalten“ im konkreten Kontext als dem
Deutschen nicht sonderlich angemessen.
13
O Gott, Komm mir zu Hilfe: Der Katholikentag diskutiert über die alte Messe –
Martin Mosebach und Hans Maier streiten über den überlieferten römischen Ritus, DT
vom 27. Mai 2008, S. 5.
14
Rudolf Uertz, Vom Gottesrecht zum Menschenrecht – Das katholische Staatsdenken
in Deutschland von der Französischen Revolution bis zum II. Vatikanischen Konzil
18
Kleinigkeit, wenngleich manche mit dem Thema zusammenhängenden
Fragen derzeit nicht unmittelbare kirchliche oder politische Aktualität
besitzen mögen. Weitere Einzelheiten, vor allem die klare Verteidigung
der traditionellen Lehre noch durch Papst Pius XII. und auch einige
Zeugnisse zu den Verhältnissen in der Antike, mag man meinem Buch
„Keine Einheit ohne Wahrheit“ entnehmen (2. Aufl. Stuttgart 1999, 125144).
Ziel und Grenzen eines christlichen Staates
Die Lehre vom sozialen Königtum Jesu Christi wurde also von der Kirche
propagiert, weil sie um das Recht Gottes nicht nur auf die einzelnen Menschen, sondern, da diese von Natur aus Gemeinschaftswesen, „zoa politika“ bzw. „animalia socialia“, sind, auch auf die Gesellschaft weiß.15 Zugleich ist sie der festen Überzeugung, daß letztlich nur der Christ, und
zwar mit Gottes Hilfe und der Botschaft des Evangeliums, in der Lage ist,
auf Dauer wahrhaft Ordnung und Frieden im Staat und in der Welt zu sichern. Dabei weiß die Kirche selbst sehr genau, daß die Folgen der Erbsünde im irdischen Leben nie ganz auszulöschen sein werden und unter
diesen Bedingungen kein endgültiges und wahres Paradies möglich ist.
Daher sind Mißstände selbstverständlich auch für katholische Staaten der
Vergangenheit zuzugeben. Aber es wurden prinzipiell die göttlichen Rechte anerkannt, während man heute nur noch über Menschenrechte redet (so
viel Richtiges an denen im einzelnen auch sein mag!).
[1789-1965], Paderborn 2005. Die oben vorgelegten Zitate finden sich auf den Seiten
12 und 264.
15
„Der Staat ist eine vollkommene (souveräne) Gemeinschaft von Menschen, die in
der Menschennatur grundgelegt ist und in freier Willensentscheidung verwirklicht
wird. Der Staat ist zutiefst Naturgebilde; denn er wurzelt in der wesenhaft gesellschaftlichen Natur des Menschen. Für sich allein kann der Mensch nicht existieren, er wird
vielmehr aus innerer Wesensanlage heraus, durch die Hilfsbedürftigkeit im Kleinen
wie im Großen, zum geselligen Leben geführt und findet im Staate die höchste Form
irdischer Gemeinschaftsbildung. Der Staat ruht daher als Naturschöpfung auf dem natürlichen Recht und ist insofern göttlichen Ursprungs. Er ist nicht die Summe der in
ihm vereinigten Menschen, sondern ein ganzheitliches Wesen, welches der Idee nach
vor und über den einzelnen steht und eine von der Willkür der einzelnen unabhängige
Wesensordnung vom natürlichen Rechte her als gegeben vorfindet.“ (Eduard Eichmann – Klaus Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici. 1. Bd., 11. Auflage München-Paderborn-Wien 1964, 43)
19
Damit beim Leser keine Mißverständnisse bezüglich eines katholischen
Gemeinwesens aufkommen, seien einige Grundsätze hier kurz angesprochen. Wer auch heute noch am – zweifellos nicht mehr oder jedenfalls
nicht mehr so wie früher zu verwirklichenden – Ideal eines christlich geprägten Staates festhält, befürwortet damit durchaus nicht notwendigerweise eine mehr oder minder starke Ineinssetzung von Staat und Kirche. Das
Reichskirchensystem, nach dem Bischöfe und Äbte auch über weltliche
Gewalt verfügten, hatte zu seiner Zeit – bei allen Problemen, die es mit
sich brachte – auch gute Züge. So sicherte es z.B. nicht selten eine größere
soziale Fürsorge für die Armen und Lohnabhängigen16, als dies dann nach
der Säkularisierung der Fall war.17 Nicht umsonst pflegte man bekanntlich
zu sagen: „Unter dem Krummstab ist gut leben.“ Und doch verschafft es
der Kirche auch Vorteile, wenn sie nicht selbst weltliche Macht innehat
und damit frei von säkularen Verpflichtungen und Rücksichtnahmen ist.
Hier hat man, ohne einen wirklichen Bruch zu vollziehen, durchaus im
Laufe der Kirchengeschichte gelernt, eine stärkere Eigenständigkeit von
Staat und Kirche anzuerkennen, ohne beide Bereiche völlig voneinander zu
trennen.18 Papst Leo XIII. sprach daher zutreffend von der Notwendigkeit
einer „quaedam… ordinata colligatio“ beider Gewalten, also einer „gewis16
Siehe das Kapitel „Katholische Nächstenliebe verändert die Welt“ innerhalb des
Buches von Thomas E. Woods jr. „Sternstunden statt dunkles Mittelalter – Die katholische Kirche und der Aufbau der abendländischen Zivilisation“ (dt. Ausgabe Aachen
2006, 221-242). Das Buch ist sehr wertvoll, aber kleinere Schwächen sind nicht zu
übersehen. So dürfte bei Texten, die allgemein zugänglich sind, nicht so oft sekundär
zitiert werden (siehe z.B. S. 32 f. und 36). Außerdem scheint mir, um nur einen Punkt
inhaltlicher Kritik zu nennen, das Kapitel „Die Kirche und die Wirtschaft“ (201-219)
neoliberal angehaucht zu sein. Zumindest wäre die katholische Soziallehre umfassender und differenzierter darzustellen, als sie uns hier von einem anscheinend zumindest
partiell zum Neokonservativismus neigenden katholischen US-Amerikaner präsentiert
wird.
17
„Die Säkularisation war im eigentlichen Sinne eine Revolution – eine Umwälzung
nahezu aller Lebensbereiche, vor allem auch der Sozialgefüge. Sozialfürsorge, Armen
– und Krankenwesen, in sich gesicherte Lebensbereiche, brachen zusammen, für die es
zunächst keinen Ersatz gab.“ So schrieb Norbert Kühn in seinem Aufsatz „Säkularisation – Ein Essay“ innerhalb des vom „Rheinischen Verein für Denkmalpflege und
Landschaftsschutz“ herausgegebenen Buches „Klosterführer Rheinland“ (Köln 2003,
14). Der gelehrte und mutige Beitrag meines Studienfreundes, der als promovierter
Historiker Direktor beim Landschaftsverband Rheinland ist, enthält auch sonst einige
wichtige Bemerkungen, die die angeblich so glorreiche Säkularisation in einem differenzierteren Licht erscheinen lassen.
18
Siehe auch Eichmann-Mörsdorf, a. O. 47-56.
20
sen geordneten Verbindung“ (Immortale Dei, DH 3168). Und da die primäre Aufgabe des Staates nicht etwa in der Sorge für das Seelenheil seiner
Bürger, sondern in der Förderung ihres irdischen Wohles liegt, sind damit
auch irgendwelche Formen direkten Zwanges, die katholische Religion zu
praktizieren, ausgeschlossen. Ja die Kirche selbst darf ja nicht einmal so
handeln, woran Papst Leo XIII. mit Bezugnahme auf den hl. Augustinus
erinnerte („Credere non potest [sc. homo] nisi volens“ – „Der Mensch kann
nicht glauben, wenn er nicht will“; Aug., In Iohannis Evangelium tract.
26,2, siehe CCSL 36, 260; das Zitat aus Augustinus findet sich in: Immortale Dei, DH 317719).
„Christkönigtum“ bedeutet nicht“ katholischer Zwangsstaat“!
Daß die frühere Forderung der Kirche nach Unterstützung des Christkönigtums, d. h. nach Schutz der wahren Religion durch den Staat, nur an die Führer katholischer Staaten gerichtet war und nicht an solche, die traditionell
gemischtkonfessionellen oder andersgläubigen Gemeinwesen vorstanden,
soll zur Vermeidung von Mißverständnissen ausdrücklich erwähnt werden.
Außerdem ist es für jeden Kenner der Materie klar, daß dem katholischen
Denken durchaus das Prinzip der Toleranz auch für die katholischen Staaten
eigen ist, das nach Maßgabe der praktischen Klugheit sehr großzügig gehandhabt werden kann oder sogar muß.20 Das von Kardinal Ottaviani verfaß19
In der Fußnote zu DH 3177 wird als Fundstelle für das Augustinuszitat genannt: „In
evangelium Iohannis, tract. 2“. Diese Angabe ist falsch.
20
Zu den genannten Aspekten, die auch eine Religionsfreiheit ermöglichen, wie sie
das deutsche Grundgesetz vorsieht (Art. 4 Abs. 1 und 2), siehe Verf., Keine Einheit
ohne Wahrheit! 2. Aufl. Stuttgart 1999, 141-144. In Deutschland ist eben aufgrund der
Trennung der Konfessionen schon seit dem 16. Jahrhundert (und, bedingt durch weitere Faktoren, verstärkt in jüngerer Zeit) eine Situation gegeben, die dem Staat gar keine
andere Wahl läßt, als sich – zumindest in einem bestimmten Rahmen – „neutral“ zu
verhalten (siehe Christian Hillgruber, Zu den Grenzen künstlerischer Freiheit, IBWJournal 41,1/2003, 15). Freilich müßte auch hier mindestens noch das Naturrecht gewahrt bleiben (vgl. die Bindung des allgemeinen Freiheitsrechts an das „Sittengesetz“
nach Art. 2,1 GG), was nach der geltenden Gesetzgebung und Rechtsprechung mittlerweile nicht mehr überall der Fall ist. Ein traditionstreuer Katholik ist jedenfalls
durchaus kein Verfassungsfeind – was ja im übrigen sonst alle Katholiken bis 1965
gewesen wären, so daß sie aus dem Öffentlichen Dienst hätten entfernt werden müssen! Das hat Ernst Wolfgang Böckenförde ganz richtig gesehen: Er erwähnte, daß der
Kanonist Klaus Mörsdorf noch im Jahre 1964 (!) unbeschadet äußern durfte, daß der
Kirche „der religiös neutrale Staat der Neuzeit… als nationale Apostasie“ erscheine
(Eichmann-Mörsdorf a. O. 51, nicht 57, wie Böckenförde schreibt). Die katholischen
21
te IX. Kapitel des ursprünglichen Kirchenschemas auf dem II. Vatikanum
vertrat diese Lehre noch unter dem Titel: "Über die Beziehungen zwischen
Kirche und Staat und über die religiöse Toleranz".21 Der Text enthält ohne
Abstriche die traditionelle Lehre, wenngleich in einer Form, in der man
dem modernen Denken so weit wie möglich entgegengekommen ist.22
Es ist natürlich klar, daß der klassische Toleranzbegriff, so wie es die Etymologie des lateinischen Wortes „tolerare“ nahelegt23, nichts mit dem pluralistiBürger müßten nur „die Religionsfreiheit als gesetzlich bestehend respektieren und
sich entsprechend verhalten“. (Ernst-Wolfgang Böckenförde, Der säkularisierte Staat –
Sein Charakter, seine Rechtfertigung und seine Probleme im 21. Jahrhundert, Carl
Friedrich von Siemens Stiftung, Themen Bd. 86, München 2006, 38 f.)
21
Acta et documenta Concilio Oecumenico Vaticano II apparando II,II,IV, 657-672. In
einer umfangreichen Anmerkung (Nr. 23, S. 669) wurden alle wichtigen Stellungnahmen
der Päpste seit Pius VI. (1790) zusammengetragen.
22
Die UVK hat erstmals, soweit ich sehe, das Dokument vollständig in deutscher
Sprache abgedruckt, und zwar zusammen mit den umfangreichen Fußnoten, die die
gesamte Tradition der Kirche beleuchten (UVK 27,1/1997, 14-29). Ohne Fußnoten ist
der Text auch greifbar in einem Buch, das für unsere Problematik grundlegend ist:
Erzbischof Marcel Lefebvre, Sie haben ihn entthront, Stuttgart 1988, 253-260.
23
Nur um der Kuriosität willen seien folgende geradezu grotesken Ausführungen zitiert, die zeigen, zu welchen Manipulationen manche Wissenschaftler um der modernen Ideologie willen bereit sind. Ihr Verfasser, ein protestantischer Theologe, hätte
wenigstens für seine merkwürdigen Ansichten zur Toleranz nicht die altehrwürdige
lateinische Sprache mißbrauchen sollen (und das noch mit Berufung auf ein Schülerlexikon!), die die postulierte Bedeutung des Substantivs „tolerantia“ einfach nicht kennt:
„’Tolerare’ hat aber, immer nach meinem alten, bewährten Stowasser, im Lateinischen
auch noch die positive Bedeutung von ‚erhalten, ernähren, aushalten, unterstützen’, ja
sogar ‚jemandem Genüge tun’, ihn also anerkennen… Toleranz ist das vorurteilslose
Akzeptieren, Ertragen, Gewähren und Anerkennen der Andersartigkeit unseres Nächsten. Unter religiöser Toleranz verstehen wir dementsprechend die Duldung und Anerkennung seiner religiös-weltanschaulichen Andersartigkeit.“ (Peter Vogelsanger, Toleranz als ökumenisches Problem, in: Oscar Cullmann – Otto Karrer, Einheit in Christus
2: Toleranz als ökumenisches Problem, Einsiedeln – Zürich – Köln 1964, 24 f.) Auf
dem Weg über seine aberwitzigen Taschenspielertricks mit der lateinischen Sprache ist
Vogelsanger also zu einer „Toleranz“ gelangt, die „Anerkennung“ heißen soll und die
ja offenbar mit dem, was man bisher als „Duldung“ verstand (Frage: Warum gebraucht
er überhaupt noch jenen Begriff?), nicht mehr viel gemein hat. Das erklärte der Autor
im folgenden auch ausdrücklich: „Die Duldung darf nicht nur den negativeinschränkenden Sinn haben, daß die Andersartigkeit zwar als Übel und Störung empfunden, unter den gegebenen Umständen und unter Berücksichtigung eines bonum
commune aber als das kleinere von zwei Übeln – gegenüber den unbestreitbar üblen
Begleiterscheinungen und Folgen etwa einer gewaltsamen Unterdrückung solcher Irr-
22
schen Toleranzkonzept neuzeitlicher Prägung zu tun hat, wonach verschiedene und sogar sich widersprechende Wahrheiten zugleich existieren, geschweige denn mit der Gleichgültigkeit derjenigen, denen alles gleich gültig
ist. Vielmehr geht es um die Duldung von Meinungen und Handlungsweisen,
die nach den Maßstäben der göttlichen Offenbarung falsch, schlecht oder
häßlich sind, und zwar um eines höheren Zieles willen, z.B. dem der Nächstenliebe, des (inneren und äußeren) Friedens, der Völkerverständigung, des
Ansehens der Kirche bei Un – oder Irrgläubigen usw.24
Beim Vergleich mancher früherer katholischer Gemeinwesen mit unserem
Staat, der - entgegen dem Geist des Grundgesetzes - mehr und mehr durch
die Fesseln der "political" bzw. "religious correctness" die freie Meinungsäußerung seiner Bürger einengt25, schneidet letzterer mittlerweile gar nicht
tümer – vorderhand zuzulassen, zu tolerieren sei. Augustins Definition ‚tolerantia quae
dicitur non est nisi in malis’ ist in dieser Hinsicht zu eng, einseitig, negativ.“ Nein, das
ist sie in Wahrheit gar nicht, sondern sie entspricht weiterhin dem authentischen Toleranzdenken der katholischen Kirche – auch wenn beispielsweise selbst Papst Johannes
Paul II. sich zur Förderung des Ökumenismus in ähnlichem Sinn wie Vogelsanger geäußert hat, freilich ohne dessen philologische Eskapaden mitzumachen (siehe Verf.,
Keine Einheit ohne Wahrheit! Bd. I, 2. Aufl. Stuttgart 1999 128 f.).
24
Eine Reihe schöner Stellungnahmen zu einer wahren christlichen Toleranz, die aus
der Antike und dem Mittelalter stammen, findet man jetzt zusammengestellt in: Florian Hartmann, Kommunikation – Exkommunikation – Keine Kommunikation: Grenzen
des Tolerablen im Investiturstreit, in: Uwe Baumann/Arnold Becker/Astrid SteinerWeber (Hg.), Streitkultur – Okzidentale Traditionen des Streitens in Literatur, Geschichte und Kunst, Super alta perennis – Studien zur Wirkung der Klassischen Antike
Bd. 2, Bonn 2008, 205-214. Eine herausragende Rolle im Einsatz für wahre Toleranz
im Investiturstreit spielte Ivon von Chartres, der sich seinerseits auf den hl. Augustinus
berief (211-214).
25
Siehe z.B. die zwar sehr vorsichtig formulierten, aber doch deutlichen Gedanken,
die der bekannte Bonner Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht (und gläubige Katholik) Josef Isensee vorgetragen hat: Tabu im freiheitlichen Staat – Jenseits und diesseits
der Rationalität des Rechts, Paderborn 2003. Einer für engagierte Christen besonders
gefährlichen, ganz aktuellen Form der „political correctness“ ist folgendes Buch gewidmet: Thomas Schirrmacher, Thomas Zimmermanns (Hgg.), Ein Maulkorb für
Christen? Juristen nehmen Stellung zum deutschen Antidiskriminierungsgesetz und
ähnlichen Gesetzen in Europa und Australien, idea-Dokumentation 12/2005. Ein
deutschsprachiger Bischof äußerte mir gegenüber vor kurzem in einem Telephongespräch: „Wenn das so weiter geht, landen wir bald alle im Gefängnis!“ Derselbe Apostelnachfolger zeigte sich, nebenbei bemerkt, erschüttert über die Blauäugigkeit und
mangelnde Abwehrbereitschaft seiner Mitbrüder im hohen Amt, was die Gefahr der
Islamisierung Europas angeht.
23
mehr so gut ab. Das konstatierte Patrick Bahners zu Recht in folgenden bemerkenswerten Sätzen: "Es ist nicht falsch, daß die Toleranz ein christliches
Erbe ist. Konfessionsstaaten, die sich der Wahrheit sicher waren, konnten es
sich leisten, Abweichler zu dulden. Der Demokratie, die sich nicht auf Gott
berufen kann, geht diese Selbstsicherheit ab."26 Bahners ist keineswegs ein,
wie man sich heute "politisch korrekt" auszudrücken pflegt, "christlicher
Fundamentalist", sondern ganz von liberalem Denken geprägt.
Daß man sogar als dezidiert liberaler Katholik mit einer radikalen Trennung
von Staat und Kirche seine Probleme haben kann, wenn man das Wesen der
christlichen Religion noch halbwegs ernstnehmen will, beweisen die folgenden erstaunlichen Worte des Bonner Moraltheologen Franz Böckle, die er im
Jahre 1969, also schon nach dem II. Vatikanum, vortrug: „Man kann auf
staatsrechtlicher Ebene über die Trennung von Staat und Kirche sehr unterschiedlicher Meinung sein. Theologisch gesehen sind die beiden Größen
aber nicht trennbar in ihrem gegenseitigen Dienst, weil letztlich auch in der
ethischen Wirklichkeit und ihrer gesellschaftlichen Gestaltung ein Zusammenhang zwischen Weltgeschichte und Heilsgeschichte besteht… Von der
aufgezeigten Verhältnisstruktur her gehört es zu den Verpflichtungen des
Staates, eine Rechtsordnung zu schaffen und zu schützen, die die Voraussetzungen schafft zu einem Leben aus dem Glauben und zur Entfaltung des
Reiches Christi. Diese Voraussetzungen sind weder die einzige noch die
notwendig entscheidende Bedingung für das Leben der Kirche in der Welt.
Aber wenn der Staat seine Pflicht zum Aufbau und Schutz einer Rechtsordnung, die diese Voraussetzung mitenthält und erhält, nicht erfüllt, macht er
sich an seiner eigenen Aufgabe schuldig. Wir Christen haben keinen Grund,
ihn dazu zu ermuntern.“27 Dem ist nichts hinzuzufügen!
Eine wahrhaft christliche Demokratie
Selbstverständlich ist die traditionelle Lehre der Kirche auch mit einer
gesunden Demokratie zu vereinbaren. Bekanntlich war Papst Pius XII.
aufgrund der negativen Erfahrungen mit allzu autoritären bzw. sogar
26
Nicht vor meinem Kind - Hört die Signale: Was der Kopftuchstreit enthüllt, Feuilleton der FAZ vom 15.7.1998.
27
Franz Böckle, Kirche – Staat – Gesellschaft. Theologische Bemerkungen zu ihrem
Verhältnis, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, hg. von Joseph
Krautscheidt und Heiner Marré, Nr. 2, Münster 1969, 45 f.
24
totalitären Regierungsformen ein Befürworter der Volksherrschaft (ohne
freilich andere Staatsformen als unkatholisch auszuschließen28). Um den
Gefahren einer Staatsform zu wehren, die alles in den Willen des Volkes
bzw. seiner Vertreter stellt, auch Entscheidungen gegen Gottes Gebote,
mahnte er mit Recht in seiner berühmten Radioansprache zu Weihnachten
1944: "Eine gesunde Demokratie, aufgebaut auf den unveränderlichen
Grundsätzen des Naturgesetzes und den geoffenbarten Wahrheiten, wird
entschieden Stellung nehmen gegen jene Verderbnis, die der staatlichen
Gesetzgebung eine zügel- und grenzenlose Macht zuerteilt und die aus der
28
Vgl. Verf., Keine Einheit ohne Wahrheit! 127. Die Kirche hat immer wieder zugestanden, daß auch eine Demokratie, wofern sie göttlichen Prinzipien nicht widerstreitet,
eine gute Staatsform sein kann, so z. B. Leo XIII. in „Immortale Dei“ vom 1. November
1885 (DH 3173) und in „Libertas praestantissimum“ vom 20. Juni 1888 (DH 3254). Es
stimmt auch nicht, daß jener Papst zum ersten Mal die Demokratie zu einer „kirchlich
tolerablen Staatform“ erklärt habe, wie es jüngst wieder bei Hans Apel in einem Zitat zu
lesen war (Europa ohne Seele, Gießen 2007, 48 f.; ich danke dem ehemaligen sozialdemokratischen Bundesminister, der sehr unter dem Zustand der EKD leidet, für das Geschenk dieses engagierten Buches). Schon Thomas von Aquin weist Ansätze in besagter
Richtung auf, allerdings mehr im Sinne einer Mischverfassung (er selbst favorisierte an
sich freilich die Monarchie), Suarez beispielsweise ging noch erheblich weiter (Hans
Meyer, Thomas von Aquin – Sein System und seine geistesgeschichtliche Stellung, 2.
Aufl. Paderborn 1961, 557-563).
Freilich sollte man die Demokratie auch nicht zur heiligen Kuh erklären und jegliche Kritik an ihren Schwächen – jedenfalls wenn sie so geartet ist, wie sie sich heute in
vielen westlichen Staaten präsentiert – unter Tabu stellen. Für Zeitgenossen, die sich
noch eine gewisse geistige Freiheit bewahrt haben, sei deshalb ein Buch des in den USA
lehrenden deutschen Volkswirtschaftlers Hans-Hermann Hoppe genannt, das den bezeichnenden Titel trägt „Demokratie – der Gott, der keiner ist“ (deutsche Ausgabe Waltrop und Leipzig 2003). Mit dieser Empfehlung ist natürlich keinerlei Zustimmung zu
allen dort vertretenen Thesen intendiert. Der Grundgedanke des Autors ist die Überzeugung von einem höheren Maße an Stabilität, das auf verschiedenen Bereichen eine Monarchie mit sich bringe. Dabei erklärt Hoppe ausdrücklich, nicht im eigentlichen Sinn
„Monarchist“ zu sein (11). Es geht ihm offenbar primär eher um die Möglichkeit einer
freien Diskussion über Vor – und Nachteile einzelner Staatsformen, wie sie zum Erbe
unserer europäischen Kultur spätestens seit Herodots „Verfassungsdebatte“ (3,80-82)
gehört. Welche Gesinnungsdiktatur mittlerweile in Europa ausgeübt wird, kann man daran erkennen, daß Monegassen nicht Bürger der Europäischen Union werden können,
solange die Staatsform Monacos der EU als vordemokratisch gilt! (FAZ vom 15. Sept.
2005, Seite R 1)
25
demokratischen Staatsform, trotz des gegenteiligen trügerischen Scheins,
einfachhin ein absolutistisches System macht."29
Von den beiden hier geforderten Fundamenten einer wahren christlichen
Demokratie, den "unveränderlichen Grundsätzen des Naturgesetzes" ("immutabili principi della legge naturale" heißt es im italienischen Original30)
und den "geoffenbarten Wahrheiten ("verità rivelate"), erkannte das II. Vatikanum aber nur noch das erste an. Das zweite ist der traditionswidrigen Lehre von der absoluten religiösen Neutralität des Staates zum Opfer gefallen
(Dignitatis humanae 3), die so nicht einmal das Grundgesetz kennt, wie dessen Präambel zeigt („Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den
Menschen…“ 31). Wer aber die letztere Basis absichtlich vollkommen aus29
A.F.Utz-J.F.Groner, Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens - Soziale
Summe Pius XII., 2. Aufl., Bd. II, Freibg./Schw. 1962, Nr. 3487, S. 1780 f. Zum richtigen Verständnis der Ansprache siehe Robert Leiber SJ, Pius XII. +, Stimmen der Zeit
163/1958-59, 91. Die Ausführungen Pius' XII. werden heute manchmal fälschlich als
angeblicher Freibrief der Katholischen Kirche für ungeordnete staatliche Verhältnisse
reklamiert, wie wir sie in vielen westlichen Demokratien mittlerweile leider mehr und
mehr antreffen. Davon kann keine Rede sein!
30
31
AAS 37/1945, 17
Diese Formulierung ist auch in die Neufassung der Präambel wieder aufgenommen
worden, die 1990 wegen der Wiedervereinigung nötig geworden war. Ja, das Bundesland Niedersachsen hat die Formel "Verantwortung vor Gott" im selben Jahr sogar neu in
seine Landesverfassung eingefügt, und 1993 wurde sie in die Verfassung des Freistaates
Thüringen integriert (William Hoye, Demokratie und Christentum. Die christliche Verantwortung für demokratische Prinzipien, Münster 1999, 90). Hermann Lübbe spricht
im Zusammenhang mit der Präambel von einem Element der „Zivilreligion“, die an
sich einer vom katholischen Standpunkt aus betrachtet nicht unproblematischen Konzeption entspricht, welche heute allerdings, oft mit sehr unterschiedlichem Inhalt,
weithin propagiert wird; siehe z. B. das Buch „Religion und Zivilreligion im Atlantischen Bündnis“ (hg. von Werner Kremp und Berthold Meyer, Atlantische Texte Bd.
14, Trier 2001). Der Philosoph erinnert daran, daß das Bundesland NordrheinWestfalen im Art. 7 seiner Verfassung als ein Erziehungsziel sogar die „Ehrfurcht vor
Gott“ ausweist. In Irland spricht das Volk in seiner Verfassung noch deutlicher „im
Namen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit“ und bekennt sich zu seinem „göttlichen
Herrn“ Jesus Christus; eine ähnliche, theologisch sogar noch differenziertere Formel
weist Griechenland, ebenso EU-Land, auf (Zivilreligion in Deutschland, in: Tamen!
Gegen den Strom. Günther Rohrmoser zum 80. Geburtstag, 475 f.). Wolfhart Pannenberg macht darauf aufmerksam, daß der Begriff „Neutralität“ in Zusammenhang mit
dem Verhältnis des Staates zur Religion in der verfassungsrechtlichen Fachliteratur
erst seit 1970 üblich geworden ist (Neutralität des Staates gegenüber der Religion? In:
26
klammert, kann konsequenterweise auch auf die erste nicht mehr zuverlässig
bauen.32
Dies ist schon die Folge der klaren Erkenntnis, die der katholischen Theologie immer eigen war, daß der Mensch nach dem Sündenfall nicht nur für die
übernatürlich wirksamen guten Werke, sondern auch für die zuverlässige
und beständige Erfüllung des Naturgesetzes über einen längeren Zeitraum
hinweg der Gnade bedarf. Ohne diese Gnade wird er mit moralischer Sicherheit früher oder später in die schwere Sünde fallen33, wie u. a. der hl. Thomas
von Aquin ausdrücklich lehrt (S. th. I-II q. 109 a. 8 RESP.).
Tamen! Gegen den Strom, 381). Der schon genannte Bonner Jurist Christian Hillgruber bezweifelt in einem höchst anregenden neuen Büchlein generell, daß man – bei
aller Religionsfreiheit, die die BR Deutschland gewährt - von einer völligen religiösen
Neutralität sprechen könne (Staat und Religion - Überlegungen zur Säkularität, zur
Neutralität und zum religiös-weltanschaulichen Fundament des modernen Staates, Paderborn 2007, 47-65. Die Überschrift des Kapitels lautet: „Der Staat des Grundgesetzes und der Mythos der Neutralität“). Dabei kann der Autor sich immer wieder auf die
Intention der Verfassungsväter berufen, die eindeutig eine gewisse christliche Prägung
des Staates wünschten, weil sie diese für das beste Bollwerk gegen eine potentielle
abermalige Katastrophe hielten, wie sie ab 1933 das deutsche Volk, und zwar nicht
ohne Schuld so mancher Bürger, heimgesucht hatte. Insofern kann man folgendem
Satz aus Hillgrubers Feder nur zustimmen: „Der Gott, den die Präambel des Grundgesetzes meint, ist, wie die maßgebliche subjektiv-historische Auslegung ergibt, der
christliche Gott und kein anderer. In seinem Ausgangspunkt konzediert dies auch Dietrich Murswiek, der jüngst die umfänglichste Präambelinterpretation vorgelegt hat.“ (a.
O. 59) Übrigens hat sich heute wohl mehrheitlich die Meinung durchgesetzt, daß die
Präambel zum Inhalt des Grundgesetzes gehört und sowohl politische Bedeutung hat als
auch rechtliche Konsequenzen nach sich zieht. So zutreffend William Hoye (Demokratie
und Christentum, 94), der sich auf die Grundgesetzkommentare von Maunz - Dürig und
Christian Starck beruft. Maunz - Dürig verweisen ihrerseits auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfGE 5,127).
32
Vgl. Verf., Keine Einheit ohne Wahrheit! 132 – 144, v. a. 134-136.
33
„Das ist die allgemeine Meinung der Theologen“ so kommentierte P. Matthias Gaudron diese Einsicht in einem lesenswerten Aufsatz zum Verhältnis von Natur und
Gnade (Natur und Übernatur: Worin besteht ihr gegenseitiges Verhältnis? In: Rundbrief für die Priesterfreunde der Priesterbruderschaft St. Pius X. im deutschen Sprachraum, 18/2008, 19). Gemeint sind natürlich die traditionellen Theologen, heute lehrt,
von einigen guten Ausnahmen abgesehen, sowieso jeder, was er will, und nicht, was er
– im Sinne der Kirche - soll! P. Gaudron hingegen hält sich in seinem Beitrag ganz an
die überlieferte Lehre, sichert sie aber geschickt gegen moderne Angriffe ab: „Im
Grunde entspricht die Erhebung in die Übernatur also dem tiefsten Verlangen der Na-
27
Natur und Gnade lassen sich also nicht völlig trennen, wohl hingegen deutlich unterscheiden. Damit hängt nun eng zusammen, daß auch Staat und Religion nicht radikal voneinander abgesondert werden dürfen, obgleich sie
ebenfalls jeweils über eine gewisse Eigenständigkeit verfügen. Dieser
Grundsatz müßte sich für jeden ernsthaften Katholiken schon mindestens aus
dem Problem der „res mixtae“ ergeben, also jener Bereiche, mit denen sowohl ein natürlicher als auch ein übernatürlicher Aspekt verbunden ist, wie
das Eherecht, das Schulwesen, die Feiertagsordnung oder die Verwaltung
des Kirchenvermögens. Man mag es fast als Ironie der Geschichte bezeichnen, daß in Zeiten, wo man gegen die klassische katholische Gnadendoktrin
den Vorwurf der „Zwei-Stockwerk-Lehre“ erhebt (ganz zu Unrecht, zumindest soweit es sich um die Position des hl. Thomas und seiner getreuen Schüler handelt!) und beide Bereiche, oft über Gebühr, miteinander verzahnen
möchte, im Bereich der Gemeinwesen von Staat und Kirche eine genau gegenläufige Tendenz verfolgt wird und man die völlige Neutralität des Staates
propagiert.
Im schon erwähnten „Lehrbuch des Kirchenrechts“ von EichmannMörsdorf sind diese Zusammenhänge noch im Jahre 1964 (!) ganz klar gesehen und beurteilt worden: „Der Mensch hat eine natürliches und ein
tur, auch wenn man daraus keinen Anspruch auf die Übernatur ableiten darf, sondern
festhalten muß, daß die Natur auch ohne diese Erhebung wahrhaft selig wäre, denn in
ihrer Ordnung wäre sie wahrhaft vollkommen und vollendet.“ (a. O. 42) Letzterer
Aspekt ist von außerordentlicher Bedeutung für die Debatte um den „Limbus puerorum“, die Gaudron allerdings nicht erwähnt: Denn nach der festen Lehre der Kirche,
die auch durch neuere vatikanische Erklärungen nicht umgeworfen werden kann, gelangt das nicht getaufte, aber von persönlicher Schuld freie Kind nach seinem Tod zu
einem Zustand rein natürlichen Glücks ohne die Anschauung Gottes. Zum Fortbestehen der Bedeutung jenes „limbus puerorum“ siehe Johannes Maria Schwarz, Zwischen
Limbus und Gottesschau, Kisslegg 2006; ds., Die bleibende Frage nach dem Heil ungetauft sterbender Kinder, Forum Kathol. Theol. 23/2007, 262 ff.; Manfred Hauke,
Abschied vom Limbus? Theologisches 37/2007, 258-266. Um den Vorwurf einer
Zwei-Stockwerk-Lehre abzuweisen, den moderne Theologen immer wieder gegen die
traditionelle Gnadenlehre der Kirche erheben, hatte Gaudron schon zuvor in seinem
Aufsatz zu Recht festgehalten: „Der Mensch bekommt streng genommen mit der Gnade nicht eine zweite Natur – auch wenn es berechtigt ist, wegen der neuen Fähigkeiten,
die er mit der Gnade bekommt, so zu reden – sondern seine schon bestehende Natur
wird erhöht und veredelt, wird Gott verähnlicht.“ (a. O. 39)
33
Eigene Übersetzung des lateinischen Originals.
28
übernatürliches Lebensziel. In dem Bereiche des natürlichen Zieles, d. i.
der irdischen Wohlfahrt, liegt die Aufgabe des Staates, in dem des übernatürlichen Zieles, d. i. der Aufrichtung des Gottesreiches auf Erden, die
Aufgabe der Kirche… Wie die Gnade die Natur voraussetzt, um sie vervollkommnen zu können, so steht die Kirche als übernatürliche Gemeinschaft auf einem natürlichen Substrat – Menschen aus Fleisch und Blut, die
durch die Taufe in das Volk Gottes eingereiht sind - , und ihre übernatürliche Zielsetzung ist im natürlichen Lebensbereich an und für leibhaftige
Menschen zu vollziehen. Die Kirche hat daher einen notwendigen Bezug
zu den natürlich-sittlichen Lebensbetätigungen und muß über diese soweit
bestimmen können, als es zur Erfüllung ihrer göttlichen Sendung notwendig ist. Andererseits will die Kirche durchaus nicht, daß der Staat sich von
den Angelegenheiten der Religion und Sittlichkeit fernhalte, sondern erwartet von ihm eine positive Förderung der wahren christlichen Religion.
Der religiös neutrale Staat der Neuzeit erscheint ihr als nationale Apostasie. Als getreue Hüterin der christlichen Offenbarung kann die Kirche dem
Irrtum keinerlei Rechte zugestehen und muß daher die unbeschränkte Bekenntnis – und Kultusfreiheit ablehnen; sie verkennt indessen nicht, daß
der konfessionell gemischte Staat in einer anderen Lage ist als der katholische des Mittelalters… Da das übernatürliche Lebensziel durch tätiges
Wirken in Raum und Zeit zu erstreben und deshalb mit dem Ringen um
das natürliche Lebensziel eng verbunden ist und davon nicht getrennt werden kann, bedeutet eine Trennung von Staat und Kirche willkürliches Auseinanderreißen zweier von Gott aus einander zugeordneter Gemeinschaften.“34
Die Problematik einer völligen Neutralität des Staates
Ganz recht hat jedenfalls der oben in Fußnoten schon erwähnte Bonner Jurist Christian Hillgruber, wenn er die absolute religiöse Neutralität des
Staates schon durch ganz einfache Überlegungen in Frage stellt, denen jeder Christ, ja eigentlich jeder vernünftige Mensch als Minimalkonsens zustimmen müßte: „Das politische Gemeinwesen kann, um seiner Selbsterhaltung willen, die religiöse Dimension nicht einfach ausblenden, ihm
kann der Glaube seiner Bürger nicht gleichgültig sein, weil und soweit er
politisch ‚durchschlägt’.“35 Diese Erkenntnis vertrage sich auch durchaus
mit der Religionsfreiheit des Grundgesetzes, so der Jurist: „Die Religions34
35
Eichmann-Mörsdorf a. O. 51 f.
Christian Hillgruber, Staat und Religion, 10 f.
29
freiheit zwingt den Staat keineswegs dazu, zu allen religiösen Bekenntnissen und Weltanschauungen gleiche Distanz zu halten. Sie verbietet ihm
lediglich, Glaubenszwang auszuüben, d. h. das individuelle religiöse Gewissen zu vergewaltigen und selbst zu missionieren.“36 In der Tat, und da
hat Hillgruber völlig recht, vermag ja die absolut freie Gesellschaft gar nicht
die Voraussetzungen zu erzeugen, die ihre Existenz überhaupt erst gewährleisten, um ein berühmtes Diktum des Verfassungsrechtlers und Rechtsphilosophen Ernst-Wolfgang Böckenförde zu zitieren.37 Ja Böckenförde gab zu,
daß ein solches Sozialwesen sogar dazu tendieren kann, jene unablässig abzubauen!38 Hillgruber wendet dagegen ein: „(Den Staat) interessiert in diesem Zusammenhang allein der säkulare Mehrwert der Religion, der Nutzen,
der dabei für das Gemeinwohl abfällt, und der ist nun offensichtlich von Religion zu Religion, von Glaubensrichtung zu Glaubensrichtung höchst unterschiedlich. Dem Rechnung zu tragen, liegt im wohlverstandenen Eigeninteresse und Selbsterhaltungsinteresse des freiheitlichen, säkularen Verfassungsstaates, der von Voraussetzungen lebt, die er, um Böckenfördes berühmtes
Diktum zu variieren, zwar nicht mit Hoheitsgewalt herbeizwingen, wohl aber
ganz ohne Eingriff in die gleiche, abwehrrechtlich verstandene Religionsfreiheit fördern kann und sollte.“39
Was z.B. in Deutschland passiert, wenn man durch den Staat nicht mehr vernunftgemäßes Handeln nach Vorgaben der christlich-abendländischen Tradition fördert, kann man dem Zeugnis eines unverdächtigen Zeitgenossen entnehmen. Umberto Eco, wahrlich nicht als Befürworter eines katholischen
Staates bekannt, legte dar, wie Joachim Fest in den 90-er Jahren referierte,
„daß die Welt des ‚anything goes’, ihrem eigenen Gesetz folgend, nicht einen steten Zuwachs an Freiheit bringe, sondern zwangsläufig zu Unterwer-
36
Hillgruber a. O. 68
Wörtlich sagte Böckenförde in seinem im Jahre 1967 erschienenen, berühmten Aufsatz, der auf eine Rede von 1964 zurückgeht: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat
lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ (Die Entstehung des
Staates als Vorgang der Säkularisation, mehrfach gedruckt, jetzt leicht zugänglich in:
Ernst-Wolfgang Böckenförde, Der säkularisierte Staat – Sein Charakter, seine Rechtfertigung und seine Probleme im 21. Jahrhundert, Carl Friedrich von Siemens Stiftung,
Themen Bd. 86, München 2006, 71. Das Bändchen ist kostenlos bei der Stiftung zu
beziehen.)
38
Siehe Joachim Fest, Die schwierige Freiheit – Über die offene Flanke der offenen
Gesellschaft, Berlin 1993, 32
39
Hillgruber a. O. 72
37
30
fungsverhältnissen hindrängt.“40 Und genau eine solche Entwicklung beobachten wir in den letzten Jahren in immer stärkerem Maße! Dazu braucht
man – abgesehen von den teilweise bedrückenden ökonomischen Verhältnissen - beispielsweise ja nur, wie wir oben schon andeuteten, einen Blick auf
die vielfachen Tabus zu werfen, die mittlerweile zum Standard der „political“ und „religious correctness“ gehören.41
Das liturgische Zeugnis des Christ König - Festes
In Übereinstimmung mit ihrer ständigen und unveränderlichen Lehre betete die Kirche aus der Einsicht heraus, daß nur der christliche Glaube das
Wohl im Staat und unter den Völkern dauerhaft sichert, seit Pius XI. am
Christ König - Fest, dem letzten Sonntag im Oktober, in der Tagesoration:
"Allmächtiger, ewiger Gott, Du hast in Deinem geliebten Sohne, Der des
Weltalls König ist, alles erneuern wollen; gewähre nun gnädig, daß alle die
Völkerfamilien, welche die Sündenwunde voneinander scheidet, sich Seiner
so milden Herrschaft unterwerfen"42 ("Omnipotens sempiterne Deus, qui in
dilecto Filio tuo, universorum Rege, omnia instaurare voluisti: concede propitius, ut cunctae familiae gentium, peccati vulnere disgregatae, eius suavissimo subdantur imperio"43). Heute betet man (wörtliche Übersetzung nach
40
Fest, Die schwierige Freiheit, 33
Immerhin soll nicht übersehen werden, daß wir immer noch ein höheres Maß an
Meinungsfreiheit genießen, als es in vielen Staaten der Welt trauriger Standard ist.
Und auch die Rechtsstaatlichkeit und die mit ihr verbundene Rechtssicherheit, eines
der wichtigsten Fundamente eines geordneten Gemeinwesens, ist zwar in mancher
Hinsicht bedroht bzw. schon eingeschränkt, aber doch zu einem beträchtlichen Teil
noch intakt! Welche Bedeutung wir Deutsche dem Recht für einen gesunden Staat
beimessen, bekunden wir ja an feierlicher Stelle, nämlich in der dritten, offiziellen
Strophe unserer Nationalhymne: „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche
Vaterland.“ Auch zu „Einigkeit und „Freiheit“ kann man sich als deutscher Katholik
wahrlich bekennen, wenn sie nur im richtigen Sinn aufgefaßt werden!
42
Übersetzung nach dem Lateinisch-Deutschen Volksmeßbuch von P. Urbanus Bomm
OSB, 4. Aufl. Einsiedeln/Köln 1940, 1407. Die Übersetzung hält sich hier an nicht
unwichtigen Stellen enger an den Urtext als die deutsche Fassung im Schott.
43
Auch sonst kommt der einheits – und friedensstiftende Charakter des Evangeliums
(innerkirchlich, aber auch unter den Völkern!) immer wieder in den traditionellen
Meßtexten zum Tragen, so in der Postcommunio der Osternacht, die am Ostersonntag
und Ostermontag wiederholt wird, und in der Tagesoration vom Osterdonnerstag, um
nur zwei Beispiele zu nennen. Es würde sich einmal lohnen, systematisch das traditionelle Meßbuch nach solchen Texten zu durchforschen. Man würde sich wundern, wie
wenig das verbreitete Vorurteil fundiert ist, erst der Geist des II. Vatikanums habe die
41
31
der lateinischen Editio typica von 1975): "(der erste Teil blieb unverändert):
gewähre nun gnädig, daß die ganze Schöpfung, von der Knechtschaft befreit,
Deiner Majestät diene und Dich ohne Ende lobe" ("Concede propitius, ut tota
creatura, a servitute liberata, tuae maiestati deserviat ac te sine fine collaudet").
Folgende Änderungen fallen ins Auge: Es wird nicht mehr die Herrschaft
Christi, sondern die des Vaters angesprochen. Hierauf hatte schon zu Recht
der große Indologe und tapfere Verteidiger der katholischen Lehre, Paul
Hacker, früher hingewiesen44, dessen von Kardinal Ratzinger empfohlenes,
lange Zeit nicht greifbares Werk „Das Ich bei Martin Luther“ mittlerweile
wiederaufgelegt worden ist (Edition Kirchliche Umschau, Bonn 2002). Statt
"alle Völkerfamilien" heißt es nun "die ganze Schöpfung". Von der Sünde ist
direkt keine Rede mehr; allerdings kann man sie aus der „Knechtschaft“, von
der die ganze Schöpfung befreit werden soll, heraushören, wenn man den
biblischen Hintergrund beachtet. Denn die „Befreiung der ganzen Schöpfung
von der Knechtschaft“ spielt offenkundig auf Röm 8, 19-22 an (v. a. 8, 21:
quia et ipsa creatura liberabitur a servitute corruptionis in libertatem gloriae
filiorum Dei), wo Paulus auf das Ende aller Zeiten blickt und die Befreiung
auch der nicht-geistigen Schöpfung von der durch den Sündenfall des ersten
Menschenpaares bewirkten Knechtschaft verkündet. Der Schlußgedanke des
Gebetes „ac te sine fine collaudet“ („und Dich ohne Ende lobe“) bestätigt
unsere Interpretation. Fazit: Nicht mehr die Völkergemeinschaft mit ihren
Staaten wird schon jetzt im irdischen Leben auf Christi Herrschaft verpflichtet („eius suavissimo subdantur imperio“ heißt es im traditionellen Text), um
so zur wahren Einheit zu gelangen, sondern es geht nur noch um das transzendente, ewige Gottesreich! Deshalb konnte auch der erste Teil des Gebetes
beibehalten werden, weil er von „Christus, dem König des Weltalls“ spricht.
Der Vesperhymnus vom Christ König – Fest:
Ausdruck der katholischen Lehre!
Konsequenterweise mußte in der neuen Liturgie auch der Vesperhymnus „Te
saeculorum principem" vom Christ König-Fest völlig umgestaltet werden.
Dabei gingen der Kirche zwei besonders ergreifende Strophen verloren. Es
handelt sich um jene Verse, in denen die Herrschaft Christi als der Zweiten
„Liebeskirche“ entdeckt!
44
Paul Hacker, Zum neuen Meßbuch, UVK 7,2-3/1977, 102-104
32
Göttlichen Person über die ganze Gesellschaft proklamiert wird: "Dich mögen die Führer der Völker/mit öffentlicher Ehre erheben/, Lehrer und Richter
ehren, Gesetze und Künste ausdrücken.// Es mögen als untergeordnet erstrahlen/ die dir geweihten Zeichen der Könige:/ Und mit mildem Zepter unterwirf/ das Vaterland und die Häuser der Bürger." Die lateinische Originalfassung dieser wunderbaren Verse lautet: "Te nationum praesides/ Honore
tollant publico,/ Colant magistri, iudices,/ Leges et artes exprimant.// Submissa regum fulgeant/ Tibi dicata insignia:/ Mitique sceptro45 patriam/ Domosque subde civium."46
Eine bezeichnende Verlegung des Christ König -Festes
Außerdem verlegte man das Christ König - Fest innerhalb des Jahreskalenders. Bis dato war es am letzten Sonntag im Oktober, also dem Sonntag vor
Allerheiligen, gefeiert worden, wie es Papst Pius XI., besonders durch seine
Enzyklika „Quas primas“ aus dem Jahre 1925 als großer Förderer des Christ
König-Gedankens bekannt, bestimmt hatte. Nunmehr verschob man die Feier auf den letzten Sonntag des Kirchenjahres. Man lehnt nämlich die Herrschaft Jesu über die Zeiten und Völker ab und akzeptiert nur noch ein rein
eschatologisches Reich Gottes! Diese Interpretation erwähnt Michael Davies
in seinem wichtigen Buch „The Second Vatican Council and Religious Liberty“ (Long Prairie/ Minnesota 1992, 250 f.) und beruft sich u. a. auf Erzbischof Marcel Lefebvre und den bedeutenden katholischen Gelehrten J.P.M.
van der Ploeg O.P. Innerhalb seines Buches ist besonders lesenswert das
ganze Kapitel mit der Überschrift "Lex orandi, lex credendi" (a. O. 243-251),
weil es deutlich zeigt, wie die neue Lehre von der Religionsfreiheit sofort
konsequent liturgisch umgesetzt wurde.
45
„Mitique sceptro“ ließe sich auch als Dativ zu „subde“ auffassen: „unterwirf das
Vaterland und die Häuser der Bürger deinem milden Zepter“, d. h. deiner milden Herrschaft.
46
Die abgedruckte, recht wörtliche Übersetzung ist der nützlichen zweisprachigen
Ausgabe von Johann Schenk entnommen: "Hymnenbuch - 1. Bd. Die Hymnen des Römischen Breviers", Regensburg 1951, 93. Aus Anlaß besagter Änderung fragte Arnaud
de Lassus zu Recht in seiner Untersuchung zur Religionsfreiheit des II. Vatikanums: "S'
il y avait vraiment continuité entre la doctrine conciliaire et la doctrine traditionelle, où
serait la raison d'etre de tels changements dans la liturgie?" (La liberté religieuse, Trente
ans après Vatican II [1965-1995], Paris 1995, 106)
33
Wer unsere Interpretation der zeitlichen Verlegung des Festes für überzogen
oder zumindest für wissenschaftlich nicht gesichert hält, kann leicht eines
besseren belehrt werden. Er braucht nur das von Joachim Kardinal Meisner,
dem Vorsitzenden der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz, mit Geleitwort versehene und mit Trierer Imprimatur vom 11. April
1996 veröffentlichte Textbuch Gemeindemesse (Mit Einführungen herausgegeben vom Deutschen Liturgischen Institut in Trier, Augsburg 1997) auf
S. 507 einzuschauen: „Die Liturgiereform nach dem II. Vatikanischen
Konzil hat das Christ König - Fest auf den letzten Sonntag im Kirchenjahr
gelegt. Durch diesen Termin wie auch durch die ausgewählten Perikopen
wird deutlich: Die endgültige Herrschaft Jesu erwarten die Christen für das
Ende der Zeiten. So klingt am Sonntag vor dem ersten Advent bereits die
Hoffnung auf die Wiederkunft des Menschensohnes in seiner Herrlichkeit
an (vgl. Lesejahr A, Mt 25,31-46).“ Noch ehrlicher wäre es gewesen, das
Attribut „endgültig“ beim Ausdruck „Herrschaft Jesu“ mit Blick auf die
modernen Christen wegzulassen. Denn diese wünschen die Herrschaft des
Gottmenschen, jedenfalls über die Gemeinwesen, in dieser Zeit überhaupt
nicht mehr, auch nicht in einer vorläufigen und eingeschränkten Form!
Jesus selbst fordert das soziale Christkönigtum!
Hatte aber nicht der Herr selbst am Schluß des Matthäusevangeliums zu
seinen Jüngern gesagt: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden“ (Mt 28,18)? Heute wird hingegen bis zum Überdruß als angeblicher
Beleg für die moderne Forderung nach einer radikalen Trennung von Staat
und Kirche darauf hingewiesen, daß Christus ja Pilatus gegenüber äußerte,
sein Reich sei „nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36). Daß die Kirche jedenfalls
diesen Satz wohl kaum im besagten Sinne aufgefaßt hat, zeigt allein schon
die Tatsache, daß er in die Evangelienperikope vom Christ König - Fest im
Jahre 1925 aufgenommen worden ist. Bei der heute immer wieder zu hörenden Deutung wird nämlich das Entscheidende verkannt: Schon viele Kirchenväter haben darauf hingewiesen, daß der Herr so einerseits sprach, um
falschen, von seinen Anklägern in verleumderischer Absicht evozierten Vorstellungen, er sei irgendein irdischer Kronprätendent mit weltlichen Absichten, zu begegnen. Außerdem, so argumentierten die Patres, u. a. um eine
schon damals vorgetragene Leugnung des universalen Anspruchs Christi zu
widerlegen, müsse man den genauen Wortlaut beachten. Jesus sage nicht:
„Mein Reich ist nicht in dieser Welt“ bzw. „hier“, sondern „Mein Reich ist
nicht von dieser Welt“ bzw. „von hier“ (Joh 18,36). Es handele sich eben um
34
ein Reich, das nicht unter jenen Vorzeichen irdischer Herkunft und irdischen
Verfalls stehe, wie sie der seit Adam erbsündlich belasteten Welt eigen seien.47 Und doch gebühre die Herrschaft auch schon auf Erden Christus! 48
Schließlich besteht Jesus ja in derselben Rede an Pilatus darauf, daß er „ein
König“ ist (Joh 18,37), was man heute meist verschweigt, und betont einige
Zeit später dem römischen Präfekten gegenüber, daß keine staatliche Macht
existiert, die nicht von Gott kommt (Joh 19,11). Ja vor Pilatus trägt der Herr
die Dornenkrone bzw. Dornenhaube. Wenn sie ihm auch zur Verspottung
von den römischen Soldaten aufgedrückt worden ist, so sagt sie symbolisch
doch etwas zutiefst Theologisches aus: Jesu Christi Königtum wurzelt, was
seine menschliche Natur betrifft, in seinem Priestertum, seinem Opfer von
Golgotha im Gehorsam gegenüber dem Vater.
47
Siehe auch die Stellungnahme des Römischen Katechismus, der nach dem Trienter
Konzil herausgegeben wurde: „In qua Dei regia potestate etsi praecipua ratione sunt in
hac vita ii, quos diximus, sancti ac pii homines: tamen monuit Pilatum ipse Christus
Dominus, regnum suum non esse ex hoc mundo, hoc est, minime ex hoc mundo, qui et
conditus est et interiturus, ortum habere. Nam eo, quem diximus, modo dominantur
imperatores, reges, respublicae, duces, omnesque ii, qui vel expetiti ac delecti ab hominibus, praesunt civitatibus atque provinciis: vel per vim et iniuriam dominatum occupaverunt. Christus autem Dominus constitutus est rex a Deo, ut ait Propheta (Ps
2,6).“ (Catechismus ex Decreto Concilii Tridentini ad parochos, ante quidem Pii
Quinti Pont. Max. iussu conscriptus, nunc autem in IIII. libros certaque capita distributus, Pars IV, Cap. VI, Coloniae 1572, 453. Ich danke Herrn Hans Frieder Wedel herzlich für das Geschenk dieses wertvollen Buches.) In der kritischen Neuausgabe des
„Catechismus Romanus“ (Vatikanstadt 1989) findet man den Text nahezu im selben
Wortlaut, lediglich mit etwas anderer Orthographie, und zwar unter Pars IV, cap. 11,
S. 579 f.; nur heißt es dort (wohl besser) „reipublicae duces“ statt „respublicae, duces“.
Die deutsche Übersetzung des zitierten Textes mit der Lesart „respublicae, duces“ lautet: „Wiewohl in dieser königlichen Macht Gottes vorzugsweise, wie gesagt, die heiligen und frommen Menschen in diesem Leben stehen, so erinnerte doch Christus, der
Herr, selbst den Pilatus, sein Reich sei nicht von dieser Welt, d. h. es habe nicht aus
dieser Welt, welche geschaffen ist und zu Grunde gehen wird, seinen Ursprung; denn
auf die angegebene Weise herrschen Kaiser, Könige, Republiken, Fürsten und all jene,
welche, von den Menschen entweder aufgefordert oder gewählt, Staaten und Provinzen vorstehen oder mit Gewalt und Unrecht die Herrschaft an sich gerissen haben.
Christus aber, der Herr, ‚ist aufgestellt’ als König von Gott, wie der Prophet sagt. (Ps.
2,6)“ (Text nach: Der römische Katechismus – Catechismus Romanus. Nach dem Beschlusse des Konzils von Trient für die Pfarrer. Auf Befehl der Päpste Pius V. und
Klemens XIII. herausgegeben. Übersetzt nach der zu Rom 1855 veröffentlichten Ausgabe mit Sachregister, Kirchen/Sieg 1970, 386).
48
St. Thomas von Aquin hat solche Stimmen zusammengetragen: Catena aurea in quatuor evangelia, Turin (Marietti) 1953, II 564.
35
Was die Herrschaft Gottes über die Völker und ihre Staatslenker angeht,
muß man auch die Aussage des hl. Paulus aus dem Römerbrief hinzunehmen: „Jedermann unterwerfe sich den vorgesetzten Obrigkeiten, denn es gibt
keine Obrigkeit außer von Gott, und die bestehenden sind von Gott angeordnet. Wer sich daher der Obrigkeit widersetzt, widersetzt sich der Anordnung
Gottes, und die sich widersetzen, werden sich selbst das Gericht zuziehen.“
(Röm 13,1 f.) 49 Selbstverständlich gilt diese Gehorsamspflicht, durch die das
Böse unterdrückt und das Gute gefördert werden soll, wie man den sich anschließenden Worten des Völkerapostels entnehmen kann, nur unter der Bedingung, die der hl. Petrus in die berühmten Worten faßte: „Man muß Gott
mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5, 29).50 D. h. im idealen Fall hat
der Staatslenker sich eben an Gott und seiner Offenbarung zu orientieren!
Demnach müßten sich also alle Menschen den göttlichen Geboten fügen, wie
es auch aus zahlreichen Stellen des Alten Testaments ersichtlich ist, das ja im
Neuen Bund durchaus sein Bedeutung behält, sofern nicht einzelne Bestimmungen, da sie ihr eigentliches Ziel und ihre Erfüllung bereits erreicht haben,
vom Gottmenschen selbst aufgehoben oder modifiziert worden sind. Die
universale und unumschränkte Herrschaft Gottes auch über die Staaten und
49
Diese und vergleichbare Stellen bespricht der bekannte protestantische Exeget Martin Hengel in seiner Schrift „Christus und die Macht“ (Stuttgart 1974, 31-46). Leider
bestreitet er die Historizität der Worte, die Christus und Pilatus bei Johannes miteinander wechseln (a. O. 43 f.). Daß Markus sie nicht aufgezeichnet hat, worauf sich Hengel
beruft, erzwingt doch keineswegs den Schluß, daß solche Gedanken nicht ausgetauscht
worden sind. Es besteht ja durchaus kein formaler Widerspruch von Mk 15,5 („Jesus
aber antwortete nichts mehr, so daß sich Pilatus wunderte“) zum JohannesEvangelium, wenn man sich nur den jeweiligen Kontext genau anschaut.
50
Schon von daher ist es klar, daß die katholische Kirche ein Widerstandsrecht für den
staatlichen Bereich kennt, wenngleich hier strenge Maßstäbe anzulegen sind. Für die
Verhältnisse unter der Monarchie vergangener Tage ist immer noch grundlegend das
Werk von Fritz Kern, Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im früheren Mittelalter,
Darmstadt 31962. Vom systematischen Standpunkt aus ist folgende moraltheologische
Arbeit grundlegend geworden: Josef Spindelböck, Aktives Widerstandsrecht, St. Ottilien
1994. Wichtige Überlegungen zum Widerstandsrecht, v. a. zur Frage, ob und wann ein
„Tyrannenmord“ sittlich erlaubt ist, findet man in zwei Beiträgen aus jüngerer Zeit: Clemens Breuer, Ein ethischer Extremfall: Für und wider die Tyrannentötung aus christlicher Sicht, Carbones (Schriftenreihe der Josef Kardinal Frings – Gesellschaft zu Neuss
am Rhein e. V.) 2/2003, 17-36; Stefan Heid, Ein heiliges Kuriosum: Der Märtyrer Merkurius tötet den Tyrannen Julian Apostata, ebd. 37-45. Beide Aufsätze enthalten reichlich
weiterführende Literatur.
36
Völker geht z.B. auch aus folgenden Passagen hervor: Ps 2 (!), 21(22), 29;
102(103), 19; 144(145), 13; Prov 8,15 f.; Sap 3,8; Eccli 10,4 usw.51
Dignitatis humanae manipuliert die geschichtliche Wahrheit!
Interessant ist noch ein genauerer Blick auf die Konzilsdeklaration über die
religiöse Freiheit „Dignitatis humanae“. Das Konzil verkündete, jene absolute Inkompetenz des Staates in religiösen Angelegenheiten (in DH 3,5
verkündet) gehe auf die Offenbarung Gottes und die Apostel zurück und sei
von der Kirche – trotz temporärer Zuwiderhandlung – über die Zeiten hin
bewahrt worden (DH 12). Der Protestant Walther von Loewenich, der die
neue Doktrin an sich begrüßte, stellte fest, hier habe das Konzil "eine reichlich kühne Behauptung" aufgestellt. (Der moderne Katholizismus vor und
nach dem Konzil, Witten 1970, 367) Yves Congar, der für den besagten Abschnitt von "Dignitatis humanae" mit verantwortlich war, hatte den Auftrag
erhalten, die neue Doktrin der Religionsfreiheit als bibelkonform zu erweisen
und entsprechende Belegstellen beizubringen. Wie er selbst zugab, gelang
ihm dies nicht (Eric Vatré, La droite du Père, Enquête sur la tradition catholique d'aujourd'hui, Editions Guy Trèdaniel 1994, 118). Und trotzdem hielt
man die Behauptung aufrecht, gezwungenermaßen nun, ganz gegen den sonstigen Brauch des II. Vatikanums, ohne die erhofften Bibelzitate im Testimonien-Apparat.
In DH 2 war die "Erklärung über die Religionsfreiheit" ferner als eine Weiterführung der Lehre der neueren Päpste ausgewiesen worden. Loewenich
kommentierte zu Recht: "Wer können diese 'neueren Päpste' eigentlich sein,
außer Johannes XXIII.?" (a. O. 366) In der Tat wurde eine Passage aus Papst
Johannes’ XXIII. Enzyklika „Pacem in terris“ herangezogen, in der nach
dem Zeugnis von Msgr. Pietro Pavan, der an ihrer Abfassung mitgewirkt hatte, absichtlich eine zweideutige Formulierung gewählt worden war (siehe R.
Laurentin, Bilan du Concile, Paris 1966, 330). Jedem Menschen komme, so
hatte es dort geheißen, das Recht zu, „ut... religionem privatim et publice
profiteri possit“ („daß er die Religion privat und öffentlich bekennen kann“).
Es sollte dabei bewußt unklar bleiben, ob damit die wahre Religion („die Re-
51
Eine Fülle weiterer Stellen findet man z.B. in: Neue Konkordanz zur Einheitsübersetzung der Bibel, erarbeitet von Franz Joseph Schierse, neu bearbeitet von Winfried
Bader, Düsseldorf 1996 (Lizenzausgabe für die Wissenschaftliche Buchgesellschaft),
725-729 s.v. herrschen.
37
ligion“) oder die jeweils individuell favorisierte („seine Religion“, so die
Übersetzung in Denzinger-Hünermann Nr. 3961) gemeint ist.
Die weiteren in der Fußnote 2 genannten Traditionszeugnisse lassen den
sachkundigen Leser noch mehr erstaunen. Es handelt sich nämlich um die
Erklärungen dreier vorkonziliarer Päpste der Neuzeit, die alle gegen die
nachweisbare Intention der Verfasser angeführt werden: Diese hatten lediglich die Freiheit für die wahre Religion verfochten, ansonsten aber gerade die
auf den Liberalismus der Französischen Revolution zurückgehende Gleichstellung aller Religionen, die unabhängig von der Frage der Wahrheit gelten
sollte, scharf zurückgewiesen.
Fazit
Drängt sich nach diesem Befund nicht das Fazit auf, daß die neue Lehre von
„Dignitatis humanae“ mit unlauteren Mitteln zustande gekommen ist und
daher in dieser Form auf Dauer niemals vor der Geschichte der Kirche Bestand haben kann? Da nützt es auch wenig, wenn das Konzil in DH 1 erklärt,
es lasse „die überlieferte katholische Lehre über die moralische Pflicht der
Menschen und Gesellschaften gegenüber der wahre Religion und der einzigen Kirche Christi unangetastet“ („integram relinquit traditionalem doctrinam catholicam de morali hominum ac societatum officio erga veram religionem et unicam Christi Ecclesiam“). Denn im folgenden tut die Synode
genau das Gegenteil, es sei denn, es wäre in DH 1 im neuzeitlichen Sinne
eine Differenzierung zwischen „societates“ („Gesellschaften“) und „Staaten“
(„civitates“, „res publicae“ oder auch „status“) intendiert; in DH 3,5, wo die
Inkompetenz des Staates in religiösen Angelegenheiten postuliert wird, ist
der Ausdruck „potestas civilis“ gewählt, der sich mit „staatlicher Gewalt“
wiedergeben läßt. Um diese Frage zu klären, bedürfte es einer ausführlicheren Untersuchung, die wir hier nicht leisten können.
Eine gesicherte Tatsache scheint uns aber zu sein, daß die der oben zitierten
Erklärung von DH 1 unmittelbar folgende Behauptung sich nicht halten läßt:
„Insuper, de hac libertate religiosa agens, Sacra Synodus recentiorum Pontificum doctrinam de inviolabilibus humanae personae iuribus necnon de iuridica ordinatione societatis evolvere intendit“ – „Überdies beabsichtigt die
Heilige Synode, indem sie über diese religiöse Freiheit handelt, die Lehre der
jüngeren Päpste über die unverletzlichen Rechte der menschlichen Person
38
sowie über die rechtliche Ordnung der Gesellschaft weiterzuentwickeln.“52
Man kann wohl schlecht von einer „Weiterentwicklung“, einem „evolvere“
sprechen, wenn, um ein Bild des bedeutenden englischen Katholiken G. K.
Chesterton zu gebrauchen, aus einem jungen Hund eine Katze geworden
ist.53 Angemessener und redlicher wäre es gewesen, wenn man das Verb
„abrogare“ verwendet hätte: Man hat die traditionelle Lehre abgeschafft und
durch eine neue ersetzt, die zu ihr in kontradiktorischem Widerspruch steht.
52
Zitate nach: Herders theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil,
hg. von Peter Hünermann und Bernd Jochen Hilberath, Bd. 1, Freibg./B. 2004, 438.
53
„Wenn wir sagen, ein Welpe entwickle sich zum ausgewachsenen Hund, dann meinen wir nicht, er entwickle sich allmählich zur Katze, sondern wir meinen, daß er mehr
und nicht weniger Hund wird. Entwicklung ist die Entfaltung aller Möglichkeiten einer
Lehre, all dessen, was sie in sich birgt, wenn es an der Zeit ist, diese Möglichkeiten zu
unterscheiden und herauszustellen.“ (G. K. Chesterton, Thomas von Aquin – Franz
von Assisi. Erste vollständige deutsche Textfassung, Verlag nova et vetera, Bonn
2003, 23). Zur harmonischen, bruchfreien Entwicklung der wahren katholischen Doktrin siehe auch Verf., „Fern sei, daß sich die Rosenschößlinge der katholischen Lehre
in Disteln und Dornen verwandeln!“ (Vinzenz von Lérins, Commonitorium 23,12), in:
UVK 26/1996, 293-306. Ausführlich und grundlegend hat Michael Fiedrowicz vor
kurzem besagtes Phänomen für die Kirchenväter untersucht (Theologie der Kirchenväter – Grundlagen frühchristlicher Glaubensreflexion, Freiburg/B. 2007, 323-364, Kapitel „Lehrentfaltung“).
39
Jesus Christus, König der Nationen
von Dr. Rafael Hüntelmann
0. Wenn man einen Vergleich zieht zwischen den Äußerungen des traditionellen Lehramtes des Kirche zur Soziallehre und den Äußerungen des
kirchlichen Lehramtes nach dem II. Vatikanischen Konzil, dann springt ein
Unterschied besonders deutlich ins Auge: Die Idee der Königsherrschaft
Jesu Christi. Während das überlieferte Lehramt diese Idee gewissermaßen
als Leitidee der gesamten Soziallehre voranstellt, spielt diese nach dem II.
Vatikanischen Konzil nicht nur eine untergeordnete, sondern überhaupt gar
keine Rolle mehr. Deshalb hat Erzbischof Marcel Lefebvre ganz zu Recht
den Vorwurf erhoben: „Sie haben Ihn entthront!“ Und hierfür ist nicht allein der vielbeschworene „Geist des Konzils“ verantwortlich, der sich ja
angeblich von den Dokumenten unterscheiden soll, sondern hier sind es die
verabschiedeten Dokumente selbst, die von der Entthronung Jesu Christi
direktes Zeugnis ablegen. Die Königherrschaft Christi wird durchgängig
eschatologisch interpretiert, d.h. sie bricht erst am Ende der Zeiten an. Bis
es soweit ist, verteidigt die Kirche jetzt die Religionsfreiheit und den Pluralismus. Dabei geht es nicht um die Frage, ob es nicht bestimmte Umstände
gibt, unter denen die Forderung nach religiöser Toleranz angemessen ist,
sondern um eine prinzipielle Frage. Zweifellos ist es z.B. in der kommunistischen Volksrepublik China oder im radikal-islamistischen SaudiArabien durchaus sinnvoll, wenn die Kirche hier „Religionsfreiheit“ fordert, um auf diese Weise ihre Tätigkeit überhaupt ausüben zu können. In
diesen Fällen ist die Forderung nach „Religionsfreiheit“ ein Mittel um das
eigentliche Ziel, die Herrschaft des Erlösers Jesus Christus über die Gesellschaft herzustellen. Doch eigentlich handelt es sich hier nicht um die Forderung nach Religionsfreiheit im liberalen Verständnis, sondern um die
Forderung nach religiöser Toleranz. Das letzte Konzil hat jedoch das Verhältnis von Mittel und Ziel ins Gegenteil verkehrt, wenn es die Religionsfreiheit als Ziel anstrebt und dafür sogar katholische Staaten auffordert,
den religiösen Pluralismus einzuführen.
1. Im heutigen Vortrag möchte ich deutlich machen, daß der Kampf für das
soziale Königtum Jesu Christi mit logischer Notwendigkeit aus den Grundlagen des christlichen Glaubens folgt. Man kann, dies ist meine These, die
Notwendigkeit der Herrschaft Christi und seiner Kirche in der Gesellschaft
nur dann bestreiten, wenn man die grundlegensten Dogmen des christlichen Glaubens bestreitet. Luther war der erste, der dies getan hat und der
deshalb auch eine Trennung von Staat und Kirche zumindest theoretisch
gefordert hat; praktisch hat seine Lehre und die Reformation sogar zum
Staatskirchentum geführt, etwas, das dem katholischen Verständnis über
das Verhältnis von Staat und Kirche ebenso fremd ist, wie die Trennung
von Staat und Kirche, bei der die Religion zur Privatsache degradiert wird.
Ich werde im Weiteren von einigen grundlegenden christlichen Glaubensüberzeugungen ausgehen, die von jedem Katholiken, aber auch von orthodoxen und selbst von zahlreichen Protestanten geteilt werden oder zumindest geteilt werden sollten, um daraus die Notwendigkeit des sozialen Königtums logisch abzuleiten.
1. Prämisse: Es gibt einen allmächtigen, allwissenden Gott,
der das gesamte Universum, alles Sichtbare und Unsichtbare
erschaffen hat.
Diese Überzeugung teilen zweifellos alle Christen. Selbst Moslems und
Juden werden dieser Aussage nicht widersprechen. Und schon allein aus
diesem grundlegenden Glaubenssatz folgen die wichtigsten Schlüsse für
die Forderung nach der Herrschaft Gottes. Wenn Gott allmächtig ist, dann
gibt es keine andere Macht im Himmel und auf Erden, die ihre Macht nicht
durch Gott hat. Dies bedeutet zunächst faktisch, daß Gott das gesamte
Universum beherrscht. Allerdings hat er dem Menschen die Freiheit geschenkt. Dadurch ist der Mensch in der Lage, die ihm gegebene Macht zu
mißbrauchen. Er kann seine Macht dazu benutzen, sich gegen den Willen
Gottes zu stellen. Die Forderung der Kirche, Gott allein möge herrschen,
ergibt sich also allein auf Grund dessen, daß der Mensch seine ihm von
Gott verliehene Macht anders gebrauchen kann, als Gott dies will.
Zunächst müssen wir hier erst die Frage stellen, was wir denn überhaupt
mit Macht meinen? Es gibt sicherlich ganz verschiedene Bestimmungen
der Macht. In unserem Zusammenhang ist nur die gesellschaftliche, die
politische Macht von Bedeutung, d.i. die Gewalt, die einem Menschen gegeben ist, um andere Menschen zu beherrschen. Macht in diesem Sinne
kommt den Eltern gegenüber ihren Kindern zu, dem Lehrer über seine ihm
anvertrauten Schüler, dem Arbeitgeber über die von ihm beschäftigten Arbeitnehmer, dem Priester und Bischof über die Gläubigen seiner Kirchengemeinde bzw. seines Bistums, dem Bürgermeister über seine Gemeinde
42
oder Stadt usw. Jede dieser Gewalten ist relativ genau umschrieben und
beschränkt. Ein Machtmißbrauch liegt bereits dann vor, wenn einer dieser
Machthaber seinen Machtbereich überschreitet und etwas anordnet, was
nicht mehr zu seinem Herrschaftsbereich gehört. Zur Festlegung des jeweiligen Herrschaftsbereichs ist das Prinzip der Subsidiarität, das wir früher
bereits behandelt haben, von ausschlaggebender Bedeutung. Auf der anderen Seite ist diese gesellschaftliche und politische Autorität lebensnotwendig für jedes Gemeinwesen. Kein Gemeinwesen kann ohne solche Autoritäten bestehen, denn diese garantieren die Ordnung des Gemeinwesens und
sollen die Ausrichtung aller Tätigkeiten eines Gemeinwesens auf das Gemeinwohl sicherstellen. An dieser Stelle ist eine weitere Prämisse anzuführen:
2. Prämisse: Gott ist nicht nur Schöpfer individueller Dinge und Menschen, sondern auch der Eigenschaften und Beziehungen, die zwischen
ihnen bestehen.
Die Beziehungen zwischen den Menschen sind aber das, was die menschlichen Gemeinschaften konstituiert. Dies besagt, daß Gott nicht nur Menschen geschaffen hat, sondern daß er ebenso der Schöpfer der menschlichen Gemeinschaften ist. Natürlich ist Gott nicht der Schöpfer des Kegelvereins „Alle Neune“ in Unterpfaffenhofen, sondern er hat die sogenannten
natürlichen, d.h. notwendigen Gemeinschaften geschaffen. Diese natürlichen Gemeinschaften des Menschen sind die Familie und der Staat. Gott
erschafft den Menschen als Sohn oder Tochter, als Bruder oder Schwester
dieser Eltern, dieser Geschwister und er gibt den Eltern, besonders dem
Familienoberhaupt die Macht über die Kinder, damit sie diese Macht gebrauchen, um die Kinder im Glauben an Gott zu selbständigen und guten
Menschen zu erziehen. Über die weitere Verwandtschaft, die Nachbarschaft, die Gemeinde usw. entsteht das Volk, das durch die staatlichen Organe und die ihnen von Gott zukommende Autorität zum Gemeinwohl gelenkt wird. Ganz gleich welche Regierungsform ein Volk sich wählt, ob
eine Monarchie, eine Aristokratie oder eine Demokratie und welche Gestalt diese Herrschaftsformen auch immer annehmen mögen, die Macht,
die den Herrschenden zukommt ist immer von Gott verliehene Macht. Dies
widerspricht bekanntlich dem liberalen Verständnis der Demokratie, das
besagt, daß alle Macht vom Volke ausgeht. Wenn man diesen Satz in dem
Sinne versteht, daß das Volk den Regierenden ihre Macht verleiht, dann ist
der Satz eindeutig falsch. Denn woher sollte das Volk die Macht haben, die
43
es angeblich vergibt? Wenn Gott allmächtig ist, dann ist alle Macht von
ihm. Bei Wahlen in demokratischen Staaten bestimmt das Volk, wem Gott
die Macht geben soll, um das Volk zu regieren. Die Macht der Regierung
kommt aber von Gott und nicht vom Volk. Wer dies bestreitet, muß
bestreiten, daß Gott allmächtig ist und wer bestreitet, daß Gott allmächtig
ist, der bestreitet, das Gott Gott ist.
Wir haben damit bewiesen, daß alle Macht von Gott kommt und daß jede
Person, die über eine Autorität verfügt, ihre Autorität, d.h. ihre Befugnis,
Macht in einem bestimmten Umfang auszuüben, diese Macht nur von Gott
haben kann. Gott bindet seine Gabe aber daran, daß der Empfänger die ihm
verliehene Gabe im Sinne des Gebers verwendet. Die Macht, die Gott einem Menschen gibt, ist kein Geschenk, mit dem der Beschenkte tun und
lassen kann, was er will. Vielmehr fordert Gott vom Menschen, daß er die
dem Menschen verliehene Macht als Mittel im Dienste des gesellschaftlichen Gemeinwohls und im Dienste Gottes anwendet. Gott hätte selbstverständlich auch alle Macht alleine behalten können und so dem Menschen
direkt befehlen können, was er tun und lassen soll. Doch in diesem Falle
wäre der Mensch kein freies Wesen. Gott hat den Menschen als freies Wesen erschaffen, damit er sich ohne Zwang für Gott entscheidet und dadurch
Verdienste erwirbt, die alles Denkbare übersteigen, nämlich das ewige Leben in der Anschauung Gottes, des höchsten Gutes.
Das gesagte kurz zusammenfassend können wir also sagen: Wenn es Gott
gibt und wenn Gott allmächtig ist, dann ist alle Macht im Himmel und auf
Erden von Gott. Jeder Mensch der über Macht verfügt hat diese Macht von
Gott geliehen bekommen, damit der Mensch im Dienste Gottes wirken und
handeln kann.
Doch damit stellt sich nun eine entscheidende Frage: Der Mensch soll die
ihm verliehene Macht im Dienste Gottes verwenden, d.h. er soll nach dem
Willen Gottes seine Macht einsetzen. Was aber ist der Wille Gottes? Woher wissen wir, woher wissen die Eltern, die Polizisten, die Bürgermeister,
die Könige und Bundeskanzler, was der Wille Gottes ist, nach dem sie die
ihnen anvertraute Macht gebrauchen sollen?
3. Zur Antwort auf diese Frage müssen wir eine weitere Prämisse formulieren, die etwa folgendermaßen lautet:
44
3. Prämisse: Gott hat jedem Menschen ein besonderes Wissen gegeben, durch das der Mensch den Willen Gottes erkennen kann, und Er
hat sich selbst und Seinen Willen offenbart in Jesus Christus.
Das besondere Wissen, von dem in unserer Prämisse die Rede ist, ist das
Gewissen. Im Gewissen erkennen wir im allgemeinen schon weit vor einer
Handlung oder Unterlassung, ob das Vorhaben gut oder schlecht ist. Ist eine Handlung oder Unterlassung dann erfolgt, sagt uns das Gewissen erneut, ob das, was wir getan haben, gut oder böse war. Auf Grund dieses
Vermögens kann sich kein Mensch auf dieser Erde herausreden, er habe
nicht gewußt, daß seine Handlung böse war. Sofern er sein Gewissen nicht
aus eigener Schuld und über lange Zeit unterdrückt hat, kann er mit großer
Sicherheit erkennen, ob etwas gut oder böse ist. Dies gilt selbst von Menschen, die nicht an Gott glauben. Auch sie, wie jeder andere Mensch, welcher Ideologie oder Religion er auch folgt, kann in seinem Gewissen die
Qualität seiner Handlungen erkennen und richtig beurteilen. Allerdings ist
es auch wahr, daß bestimmte Umstände dazu führen können, daß das Gewissen verdunkelt wird und man nicht mehr in der Lage ist, in diesen Fällen sein Gewissen zu hören. Beispielsweise führen die kulturellen Umstände und die falschen Lehren des Islam die meisten Menschen islamischen
Glaubens dazu, die Polygamie, also die Vielehe als etwas Erlaubtes, ja
vielleicht sogar Gutes anzuerkennen. So können bestimmte historische, soziale und kulturelle Umstände das Gewissen von Menschen schwer beeinträchtigen, auch wenn sie sonst und in allen anderen Bereichen über ein
gutes und gesundes Gewissensurteil verfügen. Auch Ideologien sind geeignet, das Gewissen eines Menschen schwer zu beeinträchtigen, wie der
Nationalsozialismus und Kommunismus gezeigt haben. Unsere moderne
Gesellschaft ist das beste Beispiel für diese Zerstörung des Gewissens und
des damit verbundenen Schuldbewußtseins. Wer empfindet heute z.B.
noch irgendein Schuldbewußtsein, wenn er oder sie mit einem Partner vor
der Ehe zusammenlebt? Noch in den sechziger Jahren und seit Jahrhunderten galt dies in fast allen Hochkulturen als ein schwer schuldhaftes Verhalten. Ein weiteres Beispiel ist die praktizierte Homosexualität. Noch bis in
die sechziger Jahre hinein wurde ein solches Verhalten als in höchstem
Maße unnatürlich und krankhaft betrachtet und über den § 175 sogar bestraft. Mit Ausnahme von Hochkulturen mit schweren Verfallserscheinungen, die kurz vor ihrem Untergang waren, wie in der griechischen und römischen Antike, wurde Homosexualität stets als unnatürlich betrachtet.
Heute ist dies in Europa und den USA genau umgekehrt. Derartige perver-
45
se sogenannte „Partnerschaften“ sind in Deutschland und den meisten anderen Ländern der Ehe gleichgestellt. Und zahlreicher Personen, die noch
in den sechziger Jahren Homosexualität als ein pathologisches Phänomen
sahen, finden es heute völlig natürlich. Deshalb kann man sich leider nicht
in allen Fällen auf sein persönliches Gewissensurteil verlassen, weil nicht
jedes Gewissen auch ein gebildetes Gewissen ist. Daher hat Gott sich darüber hinaus selbst offenbart in Jesus Christus, der zweiten Person der göttlichen Dreifaltigkeit. Wenn wir hinsichtlich unseres Gewissensurteils somit
in Zweifel geraten, haben wir zusätzlich Kenntnis vom Willen Gottes
durch Seine Selbstoffenbarung. Allerdings muß man an dieser Stelle hinzufügen, daß der Inhalt der Selbstoffenbarung Gottes weit über das hinausgeht, was uns das Gewissen vermittelt. Das Gewissen beinhaltet nur das
Wissen über die moralische Qualität der Handlungen, während uns die Offenbarung Gottes Einsicht in sein Wesen, sein Leben und Seinen Willen
vermittelt. Jedenfalls kennen wir den Willen Gottes und können somit zumindest grundsätzlich Seinen Willen erkennen, wenn es darum geht, die
von ihm verliehene Macht auszuüben.
Sofern eine Autorität ihre Macht im Einklang mit den Geboten Gottes, d.h.
also in Einklang mit dem Naturrecht, das ihm durch sein Gewissen bekannt
ist, ausübt, herrscht Gott gewissermaßen durch diese Autorität. Eine solche
Autorität übt ihre Macht im Einklang mit dem Naturrecht aus und entspricht so bereits weitgehend dem Willen Gottes, selbst dann, wenn diese
Autoritätsperson kein gläubiger Christ sein sollte. Diese Art der Autoritätsausübung kann man deshalb von jeder Person fordern, da sie nicht an ein
besonderes religiöses Bekenntnis gebunden ist.
Nun geht aber die Forderung Gottes und seiner Kirche noch über diese naturgemäße Machtausübung hinaus, wenn sie fordert, daß Jesus Christus
herrschen soll, ja, daß Er allein, als König über die ganze Welt, das Recht
hat zu herrschen. Um zu dieser Einsicht zu gelangen, bedarf es einer weiteren Prämisse.
Prämisse 4: Jesus Christus ist die zweite Person der göttlichen Dreifaltigkeit, durch den und für den alles geschaffen ist und er ist wahrer
Gott und wahrer Mensch und er ist der Erlöser der ganzen Menschheit.
46
Diese Prämisse besteht aus drei Teilen, drei Aussagen, die zusammengehören. Zunächst ist hier die Rede vom einen und allein wahren Gott, dem
dreifaltigen, dreipersonalen Gott, der uns durch Jesus Christus offenbart
wurde. Er, der menschgewordene Gott, ist die zweite Person der allerheiligsten Dreifaltigkeit, eines Wesens mit dem Vater und dem Hl. Geist, in
allem den beiden anderen göttlichen Personen gleich. Wenn also zuvor
schon gezeigt wurde, daß Gott als Schöpfer und Erhalter der Welt, des gesamten Universums, der sichtbaren und der unsichtbaren Dinge alles beherrscht, dann gilt dies aufgrund der Gottheit Jesu Christi logisch folgerichtig auch von Ihm. Ob es dem Menschen gefällt oder nicht, ob er sich
gegen Gottes Herrschaft und Allmacht auflehnt oder gleichgültig ist, Tatsache ist, daß Gott herrscht und zuletzt alles nach Seinem Willen geschieht. Selbst die Auflehnung gegen Gott führt er letztendlich hin auf Sein
von Ewigkeit her feststehendes Ziel.
Die Prämisse sagt weiterhin, daß alles was geschaffen ist, für den Sohn
Gottes, für die zweite göttliche Person, für Jesus Christus geschaffen ist
und daß alles auch durch ihn geschaffen ist. Dies bedeutet, daß alles was
existiert, Eigentum Jesu Christi ist, daß es allein ihm gehört. Weil es sein
Eigentum ist, deshalb kann er damit tun, was er will. Er hat aber alles den
Menschen übergeben, damit sie es in Seinem Sinne verwalten. Der Mensch
ist aber nicht wirklicher Eigentümer seiner Güter, sondern diese wurden
ihm gegeben, ihm anvertraut, damit er dadurch sein ewiges Ziel, die Verherrlichung Gottes, erlangt. Spätestens mit seinem Tod wird ihm alles wieder genommen und nun hat er vor Gott Rechenschaft dafür abzulegen, was
er mit dem ihm anvertrauten Gut gemacht hat. Und entsprechend seiner
Verwaltung der ihm übertragenen Güter wird der Mensch belohnt oder bestraft. Eigentümer ist und bleibt aber der, durch den und für den alles erschaffen ist.
Es gibt aber noch einen weiteren Grund, weshalb Jesus Christus alles gehört. Im zuvor genannten Grund ist Jesus Christus durch seine Gottheit
gewissermaßen schon „natürlicherweise“ Eigentümer des gesamten Universums. Der besondere Grund, weshalb Ihm besondere Ehre gebührt und
der Mensch Ihm alles, was er hat und kann verdankt, ist seine Tätigkeit,
nämlich das Werk der Erlösung. Jesus Christus ist Mensch geworden, um
für uns leiden zu können, um die Strafe, die wir für unsere Sünden verdient
haben, auf sich zu nehmen und die Strafe für unsere Sünden ist der Tod.
Diesen Tod, den wir verdient hätten, hat Er auf sich genommen und uns
47
dadurch wirklich freigekauft von der Strafe. Dadurch sind wir auf besondere Weise sein Eigentum, das er durch Seinen Opfertod am Kreuz erworben
hat. Und dies ist nun auch der besondere Grund, durch den Jesus Christus
das Recht hat, über uns zu herrschen. Die gewöhnlichen Herrscher dieser
Welt schicken ihre Untergebenen in den Tod z.B. um das Land und Volk
gegen eine äußere Invasion zu schützen. Christus ist selbst für Sein Volk in
den Tod gegangen und hat deshalb das Recht, auch über die weltlichen
Herrscher zu regieren. Er ist für uns gestorben, damit wir gerettet werden.
Doch diese Rettung ist kein Automatismus. Wir sind nicht, egal was wir
auch tun mögen, egal ob wir ihn als Herrscher und König anerkennen oder
ablehnen, auf jeden Fall gerettet, wie die Allerlösungslehre verkündet.
Wenn er der Herrscher und König ist, dann können wir nur durch Ihn gerettet werden und das besagt, wir werden gerettet, wenn wir Ihn als König
anerkennen und Seinen Geboten und Gesetzen folgen. Seine für uns erworbenen Verdienste können wir nur bekommen, wenn wir sie auch bekommen wollen, wenn wir Ihn als unseren Herrn und König anerkennen.
So wie man die Verdienste eines Landes nur dann bekommt, wenn man
Einwohner, Bürger dieses Landes ist, so bekommt man die Verdienste, die
Christus für uns erworben hat nur dann, wenn man „Einwohner“ Seines
Landes, Seiner Gemeinschaft wird. Einwohner der Gemeinschaft Christi zu
werden und so Teilhaber an Seinen Verdiensten zu werden bedeutet aber
nichts anderes, als Seinem mystischen Leib, der heiligen, allgemeinen Kirche eingegliedert zu werden. Durch Seinen mystischen Leib, die Kirche,
will Gott durch Jesus Christus über die Menschen herrschen. Diese Aussage muß in der fünften und letzten Prämisse zusammengefaßt werden, um
damit die volle Bedeutung der Königherrschaft Christi zu begreifen. Während bis zu der zuletzt genannten 4. Prämisse jeder Christ zustimmen müßte, wird bei der 5. Prämisse der Protestant, wie es seine Natur ist, protestieren. Diese fünfte Prämisse lautet:
Prämisse 5: Jesus Christus hat eine heilige, allgemeine Kirche gestiftet
und als ihr sichtbares Oberhaupt Petrus eingesetzt. Die Päpste sind
von Jesus Christus selbst eingesetzte Nachfolger Petri und Stellvertreter Christi auf Erden.
Auch wenn die Protestanten protestieren, so bleibt doch wahr, daß Christus
die Kirche selbst gegründet hat und schwachen und armseligen Menschen,
Sündern, die Mitwirkung und Verwaltung Seines Erbes anvertraut hat.
Durch Seine Kirche verbreitet Jesus Seine Lehre und die Früchte der Erlö-
48
sung über die ganze Welt, damit alle Menschen in den Genuß seiner Verdienste gelangen können. Diese Verdienste werden den Menschen durch
die Kirche, den mystischen Leib Christi zugewendet durch die Sakramente,
das Gebet der Kirche, in dem Jesus Christus selbst unablässig den Vater
anruft und verherrlicht und durch die Gesetze, durch deren Einhaltung der
Mensch sein ewiges Ziel, die Gemeinschaft mit Gott, die Teilhabe an der
Liebe der Allerheiligsten Dreifaltigkeit erlangt. Daraus ergibt sich nun
auch das gesamte Verhältnis von gesellschaftlicher und staatlicher Macht
zur Herrschaft Gottes. (Vgl. für das folgende das sogenannte OttavianiSchema des II. Vatikanischen Konzils: „Schema einer Konstitution über
die Kirche“, vorgelegt von der Theologischen Kommission, Zweiter Teil,
9. Kapitel „Über die Beziehungen zwischen Kirche und Staat und über die
religiöse Toleranz“, von Kardinal Alfredo Ottaviani. Das Schema wurde
ohne jede Diskussion verworfen)
Beide, Kirche und Staat sind vollkommene Gesellschaften. Alles, was sie
zur Ausübung ihres Zweckes benötigen, haben sie in sich selbst und sind
nicht auf etwas anderes, äußeres angewiesen und innerhalb ihrer jeweiligen
Ordnung steht jeder dieser beiden Gesellschaften an der Spitze. In der natürlichen Ordnung gibt es nichts oberhalb des Staates und in der übernatürlichen Ordnung steht nichts oberhalb der Kirche. Gott ist der Schöpfer beider Gesellschaften, sowohl der Kirche, die der mystische Leib Christi
selbst ist, als auch des Staates. Auch sind Staat und Kirche jeweils unabhängig von der jeweils anderen und beide sind innerhalb ihres Bereiches
Inhaber der gesetzgebenden, gerichtlichen und ausführenden Gewalt. Dieser Unterschied der beiden Gesellschaften ergibt sich aus den Worten Jesu
Christi selbst: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes
ist“ (Mt. 22,21). Dies ist auch die Bedeutung dieses Herrenwortes, nicht
jedoch das, was Modernisten heute daraus ableiten, nämlich die Trennung
von Kirche und Staat. Die Unterscheidung zwischen Staat und Kirche ergibt sich aus der unterschiedlichen Zielsetzung der beiden. Das natürliche
Ziel des Menschen ist das allgemeine Wohlergehen der Gesellschaft und
des Einzelnen und die Aufgabe des Staates besteht entsprechend darin, für
die irdischen Güter zu sorgen und das Gemeinwohl sicherzustellen. Darüber hinaus ist der Mensch von Gott aber zu einem unendlichen höheren
Ziel erschaffen worden, seinem übernatürlichen Ziel, der ewigen Gemeinschaft mit Gott.
49
Beide Gesellschaften, der mystische Leib Christi und der Staat üben ihre
Gewalt über dieselben Personen und auch oft in Bezug auf denselben Gegenstand aus. Dadurch sind sie aufeinander verwiesen und sollen in vollkommener Harmonie zusammenarbeiten. Doch diese Zusammenarbeit
setzt voraus, daß das ewige Ziel des Menschen, das selbstverständlich über
seinem natürlichen Ziel steht, auch von Seiten des Staates als das Höhere
anerkannt wird. Dies bedeutet dann aber auch, daß die Zwecke des Gemeinwesens den Zwecken der Kirche untergeordnet werden. Und genau
dies ist das Wesentliche, was mit der Forderung der Kirche, daß Christus
herrschen soll, gemeint ist. Die Sorge des Staates für das zeitliche Glück
der Menschen ist wertlos, wenn der Mensch dadurch seine Seele verliert
(vgl. Mt. 16,26; Mk. 8,36; Lk. 9,25). Dies bedeutet in Hinsicht auf den
Staat, daß dieser seine Zwecke nie so verfolgen darf, daß der letzte Zwecke
des Menschen, sein ewiges Heil, ausgeschlossen oder verletzt wird. Bezüglich der Macht der Kirche besagt dies, daß sich die Kirche nicht in rein
weltliche Angelegenheiten einmischt und die Autorität des Staates in diesen Angelegenheiten anerkennt. In zahlreichen Angelegenheiten sind aber
sowohl die zeitlichen als auch die ewigen Zwecke des Menschen betroffen,
wie z.B. Ehe und Familie, die Kindererziehung usw. In diesen Fällen
„müssen die Rechte der bürgerlichen Gewalt auf solche Weise ausgeübt
werden, daß nach dem Urteil der Kirche die höheren Güter der übernatürlichen Ordnung keinerlei Schaden erleiden.“ (Ottaviani-Schema, in: Marcel
Lefebvre: Sie haben Ihn entthront, Anhang, S. 254).
Da der Zweck der Kirche das ewige Heil der Menschen ist, ein Zweck, zu
dem Gott selbst durch Jesus Christus die Kirche gegründet und die Apostel
und ihre Nachfolger mit dem Papst an der Spitze eingesetzt hat, und dieser
Zweck unendlich über den endlichen Zweck des Menschen steht, deshalb
ist es unter keiner Bedingung für den Staat erlaubt, sich in Angelegenheiten der Kirche einzumischen. Da dies in den Staaten mit einer sogenannten
Staatskirche regelmäßig der Fall, lehnt die katholische Kirche diesen Status
für sich selbst ab. Auf keinen Fall jedoch kann die Kirche eine Trennung
von Kirche und Staat akzeptieren, wie sie sich aus dem absoluten Machtanspruch des liberalen und sozialistischen Staates ergibt. Diese Trennung
von Staat und Kirche ist ein Verbrechen an den Menschen, ein direkter und
schwerer Verstoß gegen den Willen Gottes, da sie die Hilfe, die die Kirche
den Menschen auf ihrem Weg zum ewigen Heil gewährt, erschwert oder
gar verhindert.
50
Zu den religiösen Pflichten der bürgerlichen Gewalt, die ja, dies sei erneut
betont, ihre Macht allein von Gott hat und deshalb Ihm gegenüber verpflichtet ist, ihre Macht in Seinem Sinne auszuüben, zu diesen religiösen
Pflichten gehören alle Maßnahmen, die dem Menschen helfen, „auf religiöse Art ein menschliches Leben zu führen“ (Ibid, 256). Dazu gehört insbesondere, Gott zu erkennen und als Herrn über die ganze Welt anzuerkennen und seine Pflichten gegenüber Gott zu erfüllen. Dies bedeutet z.B.
die Teilnahme staatlicher Vertreter an öffentlichen Akten der Religionsausübung, die Erteilung von verpflichtendem Religionsunterricht auch an
allen öffentlichen Schulen durch Vertreter der Kirche und die Anerkennung der kirchlichen Missionspflicht, die Ausrichtung aller Gesetze an den
Vorschriften des natürlichen Sittengesetzes, d.h. des Naturrechts, die Achtung der kirchlichen Gebote, insbesondere der Sonntagspflicht, die Achtung und den Schutz des kirchlichen Eigentums, damit die Kirche ihrer
Aufgabe auch wirtschaftlich nachkommen kann usw. „Schließlich obliegt
es der bürgerlichen Gewalt ganz besonders, aus Gesetzgebung, Regierung
und öffentlicher Aktivität alles auszuschließen, was nach ihrer Beurteilung
die Kirche hindern könnte, ihr ewiges Ziel zu erreichen“ (Ibid, 257). Um
dafür nur einige Beispiele zu nennen: das strikte Verbot der Abtreibung,
Verbot der Praktizierung von Homosexualität, Verbot der Pornographie,
alles Dinge, die noch in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts völlig selbstverständlich waren, obgleich dies sicherlich alles andere als eine
paradiesische Zeit gewesen ist.
In diesem Zusammenhang gehört nun auch die Frage der sogenannten Religionsfreiheit, wie sie seit dem 18. Jahrhundert von allen Feinden der Kirche, und insbesondere durch die Freimaurerei und die daraus hervorgegangene französische Revolution gefordert wird und seit dem II. Vatikanischen Konzil, entgegen der beständigen Lehre der Kirche, auch von der
Mehrheit der Konzilsväter anerkannt wurde.
Kritik und Verurteilung der Religionsfreiheit durch das Lehramt der Kirche findet sich unter anderem in den folgenden Schreiben der überlieferten
Lehramtes:
• Quod aliquantulum, Pius VI. vom 10.03.1791.
• Apostolischer Brief Post tam diuturnitas, Pius VII.
• Enzyklika Mirari vos, Gregor XVI. vom 15.08.1832
• Enzyklika Quanta Cura, Pius IX, vom 8.12.1864
51
• Enzyklika Immortale Dei, Leo XIII., vom 1.11.1885
Das was in allen diesen Dokumenten verurteilt wird ist das angebliche
Recht, „in der öffentlichen Ausübung der Religion seiner eigenen Wahl
nicht durch die bürgerliche Gewalt beunruhigt zu werden; ihr gemeinsamer
Nenner (wie Kardinal Billot es ausdrückt) ist die Befreiung von jeglichem
Zwang in religiöser Hinsicht (M. Lefebvre: Sie haben Ihn entthront, 77).
Kurz gesagt, die Forderung nach Religionsfreiheit entspringt der freimaurerischen französischen Revolution und ihrer Forderung nach totaler Autonomie des Menschen.
Das Prinzip der Religionsfreiheit besagt, daß die Wahrheit und die Unwahrheit, die wahre Religion Jesu Christi und die falschen Religionen und
Sekten das gleiche Recht haben. Dieses Prinzip ist eine der wichtigsten Ursache der religiösen Gleichgültigkeit, des Indifferentismus und der auch
von Papst Benedikt XVI. verurteilten „Diktatur des Relativismus“, die z.B.
jährlich zu Millionen von im Mutterleib getöteten Kindern führt.
Daß dies nicht reine Theorie ist, zeigt ein Blick auf die Gegenwart und aktuelle Umfrageergebnisse. Eine überragende Mehrheit der Deutschen ist
heute der Auffassung, daß es keine wesentlichen Unterschiede zwischen
den Religionen gibt; schon gar nicht wesentliche Unterschiede zwischen
der katholischen Religion und dem Protestantismus. Dies kann nicht verwundern, wenn der soeben neu gewählte Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, in einem Interview verkündet, die Gemeinsamkeiten zwischen katholischem und protestantischem
Glauben seien bei weitem größer, als die Differenzen. Diese Entwicklung
ist die Folge der auf dem II. Vatikanischen Konzil anerkannten Religionsfreiheit.
Zusammengefaßt bedeutet das Prinzip der Religionsfreiheit, wie alle anderen liberalen Freiheitsforderungen, das gleiche Recht für Wahrheit und Irrtum. Der Irrtum kann aber kein Recht besitzen. Er kann toleriert werden.
Die Toleranz gegenüber anderen Religionen ist keine Erfindung des Liberalismus, sondern der Kirche. Daher kann man aufgrund des Toleranzprinzips allein, das von der Kirche stets geachtet wurde, von Diktaturen fordern, daß sie gegenüber der katholischen Kirche und den Gläubigen in ihren Ländern dieselbe Toleranz üben, die die Katholiken auch anderen Re-
52
ligionen gegenüber üben. Die Forderung nach Religionsfreiheit ist dazu
nicht erforderlich.
Mit Bezug auf die heutige Situation der katholischen Kirche in den meisten
Ländern der Erde wird die Kirche zweifellos nicht fordern können, daß die
katholische Religion als einzig wahre Religion vom Staat anerkannt wird,
wenn auch ebenso zweifellos wahr ist, daß sie dies ist. Weil die katholische
Religion die einzige wahre Religion ist, und dies auch im Prinzip durch die
bekannten Beweise gezeigt werden kann, kann sie nicht zugleich fordern,
daß alle anderen Religionen und Sekten die gleichen Rechte haben, wie die
katholische Religion. Damit würde die katholische Kirche ihren Wahrheitsanspruch aufgeben und den Zusammenhang von Recht und Wahrheit
leugnen. Die Kirche kann allerdings dafür eintreten, daß unter den derzeitigen gesellschaftlichen Verhältnissen andere Religionen und Sekten unter
bestimmten Bedingungen zu tolerieren sind, daß z.B. die Angehörigen des
Islam ihre Religion unter bestimmten Bedingungen öffentlich praktizieren
dürfen. Damit wird diesen Menschen allerdings kein Recht auf freie Religionsausübung zugesprochen, sondern diese wird toleriert.
Der einzige bekannte Einwand gegen dieses Argument aus katholischen
Kreisen ist die Behauptung, nicht die Wahrheit habe Rechte, sondern nur
Personen. Während die „alte Kirche“ das Recht der Wahrheit, mit Bezug
übrigens zum Hl. Thomas von Aquin, betont habe, sei man auf dem II. Vatikanischen Konzil zu der Einsicht gelangt, daß allein Personen Rechte und
Pflichten hätten.
Dies ist überhaupt kein Einwand gegen unsere Argumentation, und die
Aussage ist auch keineswegs so neu, wie die Modernisten meinen. Selbstverständlich ist es richtig, daß im eigentlichen Sinne nur Personen Rechte
besitzen. Doch ist die Wahrheit selbst personal. Nirgendwo deutlicher als
im Wort des Herrn, daß Er selbst die Wahrheit ist, wird dies zum Ausdruck
gebracht. Und weil Jesus Christus selbst der Weg, die Wahrheit und das
Leben ist, deshalb ist auch die christliche Religion die einzig wahre Religion und deshalb hat auch allein sie Rechte. Es sind die Rechte des dreifaltigen Gottes, die Rechte Jesu Christi, die verteidigt werden, wenn die Kirche
sich gegen die Religionsfreiheit wendet.
Dieser wahrhaft katholischen Auffassung über die Königherrschaft Jesu
Christi wirft man bekanntlich vor, sie sei fundamentalistisch. Man könnte
53
diesen Vorwurf einfach übergehen, denn der Liberalismus belegt schon seit
vielen Jahren alles mit diesem Prädikat, was nicht liberal ist. Der Liberalismus ist nämlich seinem innersten Wesen nach, zu tiefst fundamentalistisch. Selbstverständlich akzeptiert er die Vielfalt der Meinungen, er erhebt keinen Wahrheitsanspruch und läßt alles als gleich-gültig gelten usw.
Mit einer Ausnahme: Der grundsätzlichen Kritik am Liberalismus. Wer
sich gegen den Liberalismus wendet und dabei seine tieferen Wurzeln und
seinen totalitären Charakter aufdeckt, der wird mit aller Macht in seine
Schranken gewiesen. Sollte eines, hoffentlich nicht allzu fernen Tages, die
katholische Kirche wieder zu ihrer Tradition zurückkehren, spätestens
dann werden wir erleben, wie liberal der Liberalismus wirklich ist. Der
Vorwurf des Fundamentalismus wird gerne gebraucht, um jede nichtliberale Auffassung zu vernichten und diese in direkter Verbindung mit
den terroristischen Mörderbanden des Islam zu bringen. Daher möchte ich
an dieser Stelle es nicht versäumen, den Unterschied der katholischen Auffassung von der Herrschaft Christi über die Gesellschaft zur islamischen
Staatstheorie zumindest stichpunktartig zu klären.
a. Der Islam anerkennt keine Selbständigkeit des Staates gegenüber der
Religion. Der Islam ist nämlich im Grunde keine Religion, sondern eine
politische Herrschaftstheorie, dessen Ziel darin besteht, die gesamte Welt
unter einer einheitlichen Diktatur der Sharia zu unterwerfen. Islam heißt
sogar Unterwerfung. Bis in die kleinsten Details des alltäglichen Lebens
hinein schreibt der Islam und die Sharia mit ihren zahlreichen Auslegungen
den Menschen vor, was sie zu tun haben. Einen selbständigen weltlichen
Bereich kennt der Islam nicht.
b. Der Islam kennt Toleranz im echten Sinne, im Sinne der katholischen
Religion nicht. Er stellt Andersgläubige vor die Wahl, entweder den Islam
anzunehmen, oder besondere Schutzzölle und Steuern zu bezahlen um zu
verhindern, daß diese getötet werden. Die Konversion zu einer anderen Religion wird mit dem Tode bestraft. Zahlreiche weitere Bestimmungen machen deutlich, daß der Islam keine Toleranz kennt und seine Verbreitung
nicht dem Wort, sondern nur durch dem Schwert verdankt.
c. Im radikalen Unterschied zum Christentum ist der Islam keine Religion
der Liebe. Selbst wenn Vertreter des Islams nicht müde werden zu betonen, welche Bedeutung die Liebe im Islam hat, so ist dies nichts anderes
als Takiha, die erlaubte Lüge, sofern sie der Ausbreitung des Islam dien-
54
lich ist. Und selbst dann, wenn die Liebe im Islam eine wichtige Rolle
spielen sollte, ist dieser ganz gewiß nicht die Religion der Liebe. Eine Religion der Liebe kann nur die Religion sein, die einen dreifaltigen Gott anerkennt, einen Gott der Liebe: Der Vater, die erste Person des dreieinigen
Gottes gibt sich in vollkommener, selbsthingebender Liebe in Seinen Sohn,
der diese Liebe in absoluter antwortender Hingabe an den Vater zurückgibt
und aus diesem Liebesband des Vaters und des Sohnes geht die dritte Person, der Hl. Geist, der Geist der Liebe, hervor. Die Liebe aber erträgt alles,
duldet alles wie der Hl. Paulus sagt und deshalb ist jede Art von Gewaltanwendung, selbst für das höchste Ziel des Christen, in keinem Falle erlaubt. Die schwersten Angriffe der Kirche in den verschiedenen Revolutionen der Neuzeit, die das Ziel verfolgten, die Kirche restlos vom öden Boden dieser Erde zu vernichten, wurden niemals mit Gewalt beantwortet,
sondern im Vertrauen auf Gott erduldet. An dieser geduldigen und demütigen Haltung der Christen prallt jeder Vorwurf des Fundamentalismus ab.
Diejenigen, die diesen Vorwurf erheben, also insbesondere die Liberalen,
sollten in ihrer eigenen Geschichte nachsehen, wie sie ihre heutige Überlegenheit erlangt haben: durch die Gewalt, den Terror und den Mord an Tausenden und Abertausenden unschuldiger Christen in der französischen Revolution und den anderen bürgerlichen Revolutionen, die nur die harmloseren Kinder der französischen Revolution sind.
Selbstverständlich gibt es zahlreiche Möglichkeiten, gegen unsere Beweisführung zu argumentieren, allerdings dies nur, wenn man die Prämissen
nicht akzeptiert und statt dessen andere Prämissen ansetzt. Ein Liberaler,
der davon ausgeht, daß alle politische Macht vom Volke ausgeht und den
Machtinhabern quasi per Vertrag vom Volk verliehen wird, wird zweifellos unsere Argumentation nicht akzeptieren, denn er leugnet Gott. Wenn
man aber Gott nicht leugnet, dann muß man auch anerkennen, daß Gott
allmächtig ist, denn dies ist eine der notwendigen, bzw. logischen Eigenschaften Gottes. Deshalb möchte ich mich jetzt nicht auf eine Diskussion
mit den Liberalen, Atheisten oder anderen Theorien einlassen, die unsere
Prämissen nicht teilen, sondern auf ein Argument eingehen, das auch von
sogenannten konservativen Katholiken gegen unsere Argumentation vorgebracht wird.
In der Hl. Schrift, so sagt uns der neokonservative, in Wirklichkeit allerdings liberale Katholik (ein seltsames Wort, denn Katholik und Liberaler
sind ein unvereinbarer Gegensatz), in der Hl. Schrift also sagt Jesus: „Mein
55
Reich ist nicht von dieser Welt.“ Damit, so unser Liberaler weiter, wollte
Jesus sagen, daß Seine Macht nichts mit dieser Welt zu schaffen hat, daß
Seine Macht vielmehr im Himmel ist und eines Tages, am Ende aller Zeiten, wenn alle Menschen erlöst sind, oder doch zumindest der größte Teil
der Menschen – denn Adolf Hitler möchte unser Neokonservativer dann
doch lieber nicht im Himmel begegnen –, dann bricht die Herrschaft Gottes
an. In der Welt kann Gott nicht herrschen und darauf hat Er auch keinen
Wert gelegt. Deshalb findet es unser Liberalkonservativer auch angemessen und begrüßenswert, daß das Christkönigsfest auf den letzten Sonntag
des Kirchenjahres verlegt wurde. Wie schon Luther und seine Gefolgsleute
trennt unser Liberaler zwischen „weltlich Ding“ und Himmel.
Hier erkennt man sehr klar, was Louis Veuillot über den Liberalen sagt:
„Der liberale Katholik ist weder Katholik noch liberal. Ich will damit sagen
– ohne bis daher an seiner Ernsthaftigkeit zu zweifeln, - daß er keinen richtigen Freiheitsbegriff mehr hat und keinen richtigen Kirchenbegriff. Liberaler Katholik soviel er will! Er trägt ein bekannteres Mal, und alle seine
Züge lassen gleichermaßen eine aus der Geschichte der Kirche schon lange
bekannte und oft bekannte Persönlichkeit erkennen: SEKTIERER, das ist
sein wahrer Name.“
Es trifft zu: Christus antwortet dem Pilatus auf dessen Frage, ob er ein König sei: Ja, ich bin ein König, aber mein Reich ist nicht von dieser Welt. In
der Tat, das Reich unseres Herrn Jesus Christus, seine Macht, ist nicht von
dieser Welt, sie ist die Macht Gottes. Doch daß Seine Macht nicht von dieser Welt ist bedeutet eben nicht, daß Seine Macht nicht in dieser Welt ist.
Im Gegenteil, Er sagt zu Pilatus, er, Pilatus, habe nur deshalb Macht, weil
Sein himmlischer Vater ihm diese Macht verliehen habe. Die Macht Gottes
erstreckt sich über die gesamte Schöpfung, über den Himmel und die Erde,
über Sichtbares und Unsichtbares. Deshalb ist sie auch in der Welt, allerdings nicht von der Welt, wie die Macht der Herrschenden, die sich nur
von rein weltlichen Zielen leiten läßt.
Es ist richtig, zwischen der Welt und dem Himmel zu unterscheiden, es ist
aber falsch, beides voneinander zu scheiden. Diese Scheidung, die Trennung von Gott und Welt ist die Grundlage der gesamten neuzeitlichen
Entwicklung, die Grundlage des Liberalismus. Denn was ist die Grundidee
des Liberalismus? Es ist die Unabhängigkeit, die Autonomie der Welt. Im
Liberalismus geht es nicht in erster Linie um die Freiheit, wie das Prädikat
56
„liberal“ nahelegt. Es geht um die Autonomie der Welt, die den Menschen
befreien soll. Wovon soll die Welt befreit werden? Von Gott und Seiner
Kirche. Dies ist die Freiheit des Liberalismus, die Freiheit von Gott und die
Errichtung des gottlosen Staates, in dem der Mensch allein und autonom
entscheidet, was gut und was schlecht ist, in dem er die Menschenrechte
aufstellt, um die Rechte Gottes zu vernichten. Gegen diese gottlose Welt
hat die katholische Kirche seit Jahrhunderten gekämpft, bis sich auf dem
II. Vatikanischen Konzil große Teile der Kirche der Welt angepaßt haben,
und jetzt die Menschenrechte verteidigen und die Rechte Gottes aus dem
Blick verloren haben. Doch dieser Kampf ist nicht beendet, er geht weiter,
wenn auch heute nur noch wenige Menschen den Mut besitzen, gegen diesen gewaltigen und immer stärker anschwellenden Strom der Gottlosigkeit
zu kämpfen. Das Civitas Institut hat diesen Kampf aufgenommen und fordert alle treu gebliebenen Katholiken auf, alles in ihrer Macht stehende zu
tun, diesen Kampf in ihrem jeweiligen Bereich und mit ihren jeweiligen
Möglichkeiten zu unterstützen.
57
Das größte Glück der größten Zahl
Der Utilitarismus – Ethik der westlichen Welt
von Professor Dr. Walter Hoeres
Kapitel I: Die Begründung des Hedonismus
§ 1: Tatsachen als Normen
Es ist eine Ironie der Geistesgeschichte, daß das Hauptwerk von Jeremy
Bentham (1748-1832), der zu den einflußreichsten Begründern moderner
Moral- und Gesellschaftsphilosophie gehört, noch immer nicht in einer
zeitgemäßen deutschen Übersetzung erschienen ist. Wir meinen die „introduction to the principles of morals and legislation“, deren Lektüre allerdings alles andere als kurzweilig ist. Der Schaden wird allerdings wettgemacht durch die vorzügliche, bei C.H. Beck erschienene „Einführung in
die utilitaristische Ethik“ von Otfried Höffe, in der Benthams wichtigste
Texte ebenso wie die seiner klassischen und modernen Schüler auszugsweise abgedruckt und vor allem kommentiert sind.1
Die ungeheure Resonanz, die Bentham schon zu seinen Lebzeiten zuteil
wurde und die ihn zum Ehrenbürger der französischen Republik avancieren ließ, erklärt sich daraus, daß er eines der elementarsten Bedürfnisse der
Aufklärung erfüllte: die Begründung einer auf reinen Tatsachen beruhenden, metaphysik- und weltanschauungsfreien Ethik und damit auch von
„Prinzipien“ der Moral, die es in Hinkunft erlauben sollten, die Folgen des
jeweiligen Handelns im Hinblick auf das Wohl der Gesellschaft so genau
wie möglich im voraus zu kalkulieren. Dieses Bedürfnis, dem Bentham
scheinbar optimal entgegenkam, besteht heute mehr denn je, da unsere
weltanschaulich gespaltene oder gleichgültig gewordene Gesellschaft – im
Agnostizismus befangen – immer unfähiger wird, auf den traditionellen
Maßstab der abendländischen Ethik, die menschliche Wesensnatur und
damit den Satz: „gut ist, was der menschlichen Natur entspricht“ zurückzugreifen.
1
Otfried Höffe: Einführung in die utilitaristische Ethik. München 1975
In dieser Lage, die schon zu Benthams Zeiten bestand, besann sich die
Philosophie des Empirismus mit dem für die Engländer typischen common
sense auf scheinbar unleugbare Tatsachen, um nur aus ihnen plausible
Maßstäbe moralischen Handelns abzuleiten. Schon David Hume (17111776), der einflußreichste Vertreter des Empirismus öffnete den Weg für
eine Philosophie, für die einfach d a s gut ist, was unseren Bedürfnissen
entspricht und dementsprechend Lust in uns hervorruft. Denkt man diese
Position zu Ende, dann sind Lust und Unlust, die die Handlungen unserer
Mitmenschen in uns hervorrufen, Maßstab ihrer sittlichen Billigung oder
Mißbilligung.
Schon in diesem schlichten, radikal psychologistischen Ansatz sind viele
der Schwierigkeiten vorgezeichnet, mit denen Bentham und der von ihm
begründete Hedonismus bzw. Utilitarismus zu kämpfen haben. Dazu gehört vor allem die Frage, wie man mit dieser allzu einfachen Erklärung den
sittlichen Charakter unserer Werturteile verständlich machen soll. Moralisch entrüsten wir uns ja nicht schon deshalb, weil uns ein Übel oder seelischer Schmerz zugefügt wird. Denn das kann durchaus eine wohlverdiente
Strafe, eine Maßnahme der ausgleichenden Gerechtigkeit oder einfach
Mißgeschick sein. Vielmehr sind wir entrüstet, wenn wir erkennen, daß
uns oder anderen ein Unrecht geschieht und das Übel aus Bosheit oder
Niedertracht zugefügt wird, sodaß wir Lust oder Unlust durchaus von ihrer
moralischen Qualität zu unterscheiden wissen.
§ 2: Glück als Moralprinzip
Gut empiristisch geht Bentham von der Tatsache aus, daß die Menschen
nach nichts anderem als ihrem Glück streben, das er massiv als Lust (pleasure) oder Vermeidung von Unlust (pain) versteht. So wird er zum Wortführer des deskriptiven oder psychologischen Hedonismus der Neuzeit,
nachdem dieser – allerdings mit Einschränkungen und auf höherem Niveau
– bereits in der Antike von Aristipp (435-355 v. Chr.) und Epikur (341-271
v. Chr.) vertreten wurde. Und schon hier muß sich Bentham die Frage gefallen lassen, ob die Psychologie, die er zugrunde legt, überhaupt den Tatsachen, d.h. unserer Selbsterfahrung entspricht.
Max Scheler hat mit Recht darauf hingewiesen, daß Lust und Freude an
den Dingen das letzte sind, was wir bewußt erstreben oder wollen, wenn es
60
sich nicht gerade um kraß sinnliche Gaumengenüsse wie den Verzehr von
Schokolade oder ähnlichem handelt.2 Wollen wir ein Vermögen erwerben,
so geht es uns um den Besitz und nicht um die Lust daran. Sind wir ehrgeizig, dann geht es uns um die Macht und nicht um die Lust an ihr, die sich
in ihrer Ausübung dann durchaus einstellen mag. Sind wir Idealisten, dann
geht es uns um die Ausbreitung faszinierender Ideen und nicht um den Genuß, den uns ihre Realisierung verschaffen mag. Hier überall stellen sich
also Freude, Lust, Genuß erst als Folge dessen ein, was wir intendieren und
dann erreichen: umso tiefer und anhaltender, je weniger sie ausdrücklich
beabsichtigt werden.
Mit dieser Widerlegung des deskriptiven Hedonismus, nach dem die Menschen bei allem, was sie tun, angeblich immer nach dem fühlbaren Glück
Ausschau halten, das sie davon haben, ist allerdings der normative Hedonismus oder Utilitarismus, wie er allgemein genannt wird, noch keineswegs erledigt. Denn es mag durchaus der Fall sein, daß die Menschen im
allgemeinen sich nicht ausdrücklich Lust und Freude an den Dingen zum
Ziel setzen. Ebenso wahr ist aber auch, daß sie ein Anrecht auf Glück oder
Freude anmelden – gleich auf welchem Wege sie es de facto erreichen.
Und auf dieser Tatsache beruht vor allem die berühmte Formel Benthams
vom größten Glück der größten Zahl als dem obersten Ziel und Prinzip der
Moral.
Die Schwierigkeit besteht aber gerade darin, daß Bentham und die ihm folgenden Utilitaristen es bei der Selbstverständlichkeit, daß die Menschen
ein Recht auf Glück zu haben meinen, nicht bewenden lassen. Ihr Ziel ist
es zu zeigen, daß dieses Glücks-Postulat die einzig mögliche und in unserem angeblich weltanschauungsfreien Zeitalter allein überzeugende Grundlage aller moralischen Forderungen sei und somit der moralische Charakter
dieses Postulates zwingend erwiesen werden könne. Diesen Beweis können sie aber selbst wieder nur als Erfahrungswissenschaftler versuchen,
denen es nicht mehr vergönnt ist, auf letzte Einsichten zurückzugreifen.
Denn mit ihnen würden sie doch wieder zu den „ewigen Wahrheiten“ und
„unbedingten Prinzipien“ zurückkehren. Ihre Aufgabe muß es daher sein,
aus erfahrbaren Tatsachen die Berechtigung ihres Moralprinzips abzuleiten
und dieses „rational“ zu begründen.
2
Max Scheler: Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik (Werke 2).
Bern und München 5. Aufl. 1966 S. 56
61
Mit dieser Ableitung aber stößt Bentham auf eine zweifache Schwierigkeit.
Nehmen wir einmal an, er habe recht damit, daß die Menschen tatsächlich
nach nichts anderem streben als nach Glück oder Lust, dann scheint daraus
zunächst nichts anderes zu folgen als der „sacro egoismo“. Denn es ist
nach dieser Voraussetzung ihre eigene Lust, nach der sie verlangen, während es nach dem utilitaristischen Prinzip nicht nur um s i e , sondern um
die Lust und das Glück aller oder zumindest aller von meiner Handlung
Betroffenen gehen soll. Hier könnte man sich allenfalls im Sinne Humes
damit behelfen, daß es neben der Selbstliebe oder dem Selbstinteresse noch
die Gefühle der Sympathie gibt, die Leid und Lust der anderen auf unmittelbare Weise miterleben lassen. Aber es fragt sich, warum das Gefühl für
andere sittlich besser sein soll als das für mich und das gilt vor allem für
den Extremfall, daß ich fremde Lust so empfinde, als wäre sie meine eigene ! Hier wird immer schon der Wertmaßstab oder das, was zu beweisen
wäre, vorausgesetzt, nämlich daß das Streben nach dem Wohlgefühl und
dieses selbst höchster sittlicher Wert sei. Anders formuliert bleibt die Frage, wie und mit welchem Recht wir aus der Tatsache, daß die Menschen de
facto nach Glück streben, die Verpflichtung erschließen können, daß sie es
auch tun sollen.
§ 3: Benthams Glückskalkül
Erstaunlicherweise hat jedoch die brüchige Beweisführung der Ausbreitung des Utilitarismus nicht geschadet. Denn die Originalität von
Benthams Ansatz liegt nicht allein und nicht in erster Linie in dem Versuch, die Gültigkeit des ethischen Prinzips vom größten Glück der größten
Zahl durch Rückgriff auf Erfahrungstatsachen zu lösen. Vielmehr bemühen
er und der nachfolgende Utilitarismus sich zum ersten Mal in der Moralphilosophie, dieses Glück kalkulierbar zu machen oder anders ausgedrückt
den moralischen Charakter unserer Handlungen darin zu sehen, daß ihre
Folgen für das Glück aller Betroffenen bewußt in Rechnung gestellt und
auskalkuliert werden. Daß solches Glückskalkül möglich sei und in ihm
die wahre moralische Anstrengung bestehe, ist der eigentlich neue Gedanke des Utilitarismus, der Bentham trotz aller Abhängigkeit deutlich von
Hume unterscheidet.
Die These, daß unser Handeln erst dann moralisch sei, wenn es so genau
wie möglich die Glück bringende und Unglück vermeidende Funktion der
einzelnen Tat für die Allgemeinheit abzuschätzen vermag, wird von ihm
62
mit so eiserner Konsequenz durchgeführt, daß er ihr zuliebe jene merkwürdige Psychologie, ja Anthropologie entwirft, die Erfüllung und Glück
nur noch als kraß sinnliche Lust zu begreifen vermag. Denn weil er eisern
an der Möglichkeit des Glückskalküls und der Verpflichtung dazu festhält,
muß er das Glück berechenbar machen und in vergleichbare, jedenfalls
aber meßbare Portionen einteilen. Das ist aber höchstens bei Lust und
Schmerz im krassesten Sinne des Wortes, nicht aber bei den unendlich differenzierten Formen der Beglückung und Trauer möglich, über die wir in
Wirklichkeit verfügen.
Sinnliche Lust und Unlust mögen sich nach ihrer Intensität, Dauer und dem
Grad der Gewißheit berechnen lassen, mit der sie zu erwarten sind und das
sind genau die Merkmale, die Bentham für den sogenannten Gratifikationswert der einzelnen Handlungen aufstellt. Von diesem Zwang her, das
Glück auf eine einzige Dimension zu reduzieren, in der es für Maß und
Zahl verfügbar wird, erklärt sich der ungemein bezeichnende Aphorismus
Benthams: „quantity of pleasure being equal, pushpin is as good as poetry“: die Menge der Lust kann ganz dieselbe sein, ob sie durch die hohe
Kunst der Dichtung oder durch Kegelspiel hervorgerufen wird.
Neben diesem in den neuzeitlichen Vulgärmaterialismus einmündenden
Primitivismus ist es aber vor allem die zweite Voraussetzung, die ihn den
Jakobinern sympathisch gemacht hat. Es ist dies der Gedanke, daß die Individuen gleich sind oder doch Anspruch auf gleiche Behandlung und Berücksichtigung haben. Denn nur so läßt sich seiner Forderung entsprechen,
die Anzahl der Personen zu bestimmen, die von unserer Handlung betroffen sind und die Zahl zu addieren, die den Grad ihrer Wohlbehagen schaffenden Tendenz ausdrückt, um so schließlich zu der geforderten Glücksbilanz zu kommen.
Kapitel 2: Mill als Vollender des Utilitarismus
§ 1:Glück und Lust
Daß sich diese Moralphilosophie trotz ihrer ungeheuerlichen Naivität und
Einseitigkeit bis zu einer der einflußreichsten ethischen Strömungen der
Gegenwart ausweiten konnte, verdankt Bentham vor allem seinem treuen
Schüler John Stuart Mill (1806-1873), der den Utilitarismus von der primitiven Gleichung „Lust = Lust“ und damit von jener allzu krassen Glücks-
63
mathematik befreite, die ihn bei Ahnvater Bentham so absonderlich erscheinen läßt. 3 Dabei ist gar kein Zweifel, daß Mill rigoros an Benthams
Grundgedanken festhält, ja diese womöglich noch ins allgemein Weltanschauliche steigert, wenn er die Frage nach dem Sinn des Daseins schlicht
und einfach dahingehend beantwortet, daß wir dazu da seien, Lust und
Wohlbehagen zu empfinden.4
Wir brauchen hier wohl kaum auf den unermeßlichen Abstand hinzuweisen, der diese Antwort auf die Sinnfrage von der Aussage der christlichabendländischen Metaphysik trennt, daß wir zur Ehre Gottes geschaffen
seien. Nach Mill wird jedoch der Gedanke, „daß das Leben keinen höheren
Zweck habe als die Lust“ nur deshalb als entwürdigend angesehen, weil
die Anklage immer schon unterstelle, „daß Menschen keiner anderen Lust
fähig seien als zu der, deren auch Schweine fähig sind“.5 Und im Blick auf
Bentham konzediert er, daß die utilitaristischen Autoren die Verschiedenheit der einzelnen Formen der Freude nur in quantitiativen Merkmalen wie
der Dauerhaftigkeit und Verläßlichkeit gesehen hätten, während es doch
feststehe, daß die Menschen höhere Fähigkeiten haben als bloß tierische
Gelüste. Deshalb werde es auch von den Epikuräern, zu denen sich Mill
rechnet, nicht bestritten, daß es Freuden des Verstandes und des ästhetischen Gefühles gebe, die weit höher zu veranschlagen seien als die der puren Sinnlichkeit. Und in diesem Zusammenhang fällt dann auch der berühmte Satz, daß es besser sei, ein unzufriedener Mensch zu sein als ein
zufriedenes Schwein.6
Aber so berechtigt dieser Übergang zu einem differenzierten Begriff der
Freude auch sein mag, so muß sich Mill doch die Frage gefallen lassen,
woher er als Empirist oder Positivist, der auch in der Philosophie nur auf
unmittelbare Fakten statt auf Einsichten in das Wesen der Dinge setzt,
überhaupt das Recht zur Unterscheidung höherer und niederer Fähigkeiten
des Menschen nimmt ! Denn einen solchen Maßstab geben die psychologischen und soziologischen Fakten nicht her !
Mills Antwort auf diese Frage ist überraschend simpel und völlig konsequent. Diejenige von zwei Freuden ist wünschenswerter, die von den Leu3
4
5
6
John Stuart Mill: Der Utilitarismus (RUB) Stuttgart 1976
A.a.O. S. 14
A.a.O.
A.a.O. S. 18
64
ten, die beide kennen, im allgemeinen bevorzugt wird ! An die Stelle der
Philosophie, die stets nach einem inneren Maßstab im Wesen des Menschen gefahndet hat für das, was als edel, gerecht und gut zu gelten hat, ist
hier endgültig die Demoskopie getreten.
§ 2: Der Regelutilitarismus
Mit seiner, wenn auch unzureichend begründeten Differenzierung des
Benthamschen Glücksbegriffes manövriert Mill den Utilitarismus in eine
neue Schwierigkeit hinein. Wenn nun nicht mehr gilt, daß Lust gleich Lust
ist, sondern es höchst unterschiedliche Formen der Erfüllung gibt, dann
scheint es noch schwieriger als ohnehin schon, jedesmal die Folgen der Tat
für das Wohl und Wehe der Betroffenen, ja der ganzen Gemeinschaft abzuwägen und so noch länger die berühmte Glückskalkulation anzustellen.
In der Auseinandersetzung mit dieser Frage hat sich der sogenannte Regelutilitarismus entwickelt, der den Vorschlag macht, den Glücks- oder Utilitaritätstest nicht mehr auf einzelne Handlungen, sondern auf Arten, Klassen oder Regeln solcher Handlungen anzuwenden. Es soll nun nicht mehr
gefragt werden, ob diese oder jene konkrete Lüge, dieser oder jener Bruch
eines Versprechens gute oder schlechte Konsequenzen habe, sondern ob
die Regel, andere zu belügen oder Versprechen nicht zu halten, zu guten
oder schlechten Konsequenzen für das Wohl der Gemeinschaft führe.
Auf den ersten Blick scheint dieser Regelutilitarismus tatsächlich zwei
Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können. Erstens kann er ohne alle
Schwierigkeiten an all den Geboten und Normen festhalten, die dem allgemeinen sittlichen Bewußtsein entsprechen. Zweitens kann er am Opportunitätsprinzip als oberstem Prinzip der Ableitung jener Gebote festhalten
und doch dem immer wieder gegen ihn erhobenen Vorwurf entgehen, er
sanktioniere den Grundsatz, daß der Zweck, nämlich das allgemeine Wohl
die Mittel heilige. So wird gegen den Utilitarismus häufig eingewandt, er
könne nicht begründen, warum man seine Versprechen halten müsse. Warum sollte ich auch – dem Glückskalkül folgend, das stets das allgemeine
Beste im Auge hat – etwa das einem Sterbenden gegebene Versprechen
halten, sein Geld für eine archäologische Sammlung oder ein Tierasyl zu
verwenden, wenn es doch in meiner Macht steht, es unmittelbar karitativen
Zwecken zuzuwenden ?
65
Der Regelutilitarismus scheint diese Gefahr eines kurzschlüssigen ZweckMittel-Denkens zu vermeiden. Wie schon Mill bemerkte, wäre es töricht,
eine Regel von so überragender Nützlichkeit wie die, gegebene Versprechen zu halten, wegen kurzfristiger Vorteile zu durchbrechen. Aber daß
dies töricht wäre und damit wiederum auch das Gebot, sich doch an die
betreffende Regel zu halten, leitet der Utilitarismus wieder aus dem Opportunitätsprinzip ab und damit aus der Nützlichkeit solcher Regeln für das
allgemeine Wohlbehagen. Und es ist nicht zu sehen, wie er jemals über
diesen Standpunkt der Opportunität oder Nützlichkeit hinauskommen und
zu aus sich bestehenden moralischen Verpflichtungen vorstoßen kann.
Aber es liegt auf der Hand, daß die Frage, ob die letzten Maßstäbe moralischen Handelns in ihrer Nützlichkeit für jenes wie immer zu beschreibende
Wohlbehagen oder in einer in sich bestehenden Verpflichtung zu suchen
sind, die dann noch weiter zu begründen wäre, in einer Zeit, da sich aktive
Sterbehilfe und Eingriffe in das Erbgut einbürgern, von schicksalhafter
Bedeutung ist.
66
Dokumentation
__________________________________________________________________________
Päpstliche Zentrale Vorbereitungskommission
des Zweiten Vatikanischen Konzils
Schema einer Konstitution über die Kirche,
vorgelegt von der Theologischen Kommission
Zweiter Teil
9. Kapitel
Über die Beziehungen
zwischen Kirche und Staat
und über die religiöse Toleranz1
Seine Eminenz Kardinal Alfredo Ottaviani
Berichterstatter
Vorbemerkung: Das von Kardinal Ottaviani vorgelegte doktrinelle Schema umfaßte
in seiner lateinischen Originalfassung 7 Seiten und dazu 13 Seiten Verweise, die von
Pius VI. (1790) bis zu Johannes XXIII. (1959) reichen. Es wurde bereits auf der ersten
Sitzung des Konzils zugunsten des vom Sekretariat für die Einheit der Christen unter
der Leitung von Kardinal Bea verfaßten Schemas verworfen. Dieses neue Schema, das
pastoral sein wollte, erstreckte sich auf 14 Seiten ohne jeden Verweis auf das vorausgegangene Magisterium.
Das Ottaviani-Schema genießt keine lehramtliche Autorität, stellt jedoch den Stand der
katholischen Lehre über diese Frage zum Zeitpunkt des Konzilsbeginn dar und drückt
im wesentlichen die Lehre aus, die das Konzil hätte vorschlagen müssen, wenn es
nicht von seinem Ziel abgebracht worden wäre durch den Staatstreich derer, die das
Konzil zu den „Etats généraux“ des Volkes Gottes, einem zweiten 1789, gemacht haben! Natürlich hätte das Konzil jede nützliche Präzisierung oder Verbesserung zu diesem Exposé hinzubringen können.
Erzbischof Marcel Lefebvre
1
Aus: MARCEL LEFEBVRE: Sie haben Ihn entthront. Vom Liberalismus zur Apostasie.
Die Tragödie des Konzils, Stuttgart 1988.
1. Das Prinzip: Unterscheidung zwischen der Kirche und der bürgerlichen Gesellschaft und Unterordnung des Zweckes des Gemeinwesens
unter den Zweck der Kirche
Der Mensch, von Gott zu einem übernatürlichen Ziel bestimmt, bedarf sowohl der Kirche als der bürgerlichen Gesellschaft, um seine ganze Vollkommenheit zu erreichen. Die bürgerliche Gesellschaft, welcher der
Mensch auf Grund seines sozialen Charakters angehört, muß über die irdischen Güter wachen und dafür sorgen, daß die Bürger auf Erden ein „ruhiges und friedliches Leben“ (vgl. 1 Tim. 2,2) führen können; die Kirche, der
sich der Mensch auf Grund seiner übernatürlichen Berufung eingliedern
muß, ist von Gott gegründet worden, um, sich immer weiter ausbreitend,
ihre Gläubigen durch ihre Lehre, ihre Sakramente, ihre Gebete und ihre
Gesetze zu ihrem ewigen Ziel zu führen.
Jede von diesen beiden Gesellschaften besitzt die notwendigen Befugnisse,
um ihre eigene Mission in gehöriger Weise zu erfüllen; jede ist auch vollkommen, daß heißt sie steht in ihrer Ordnung an der Spitze und ist also unabhängig von der anderen und Inhaberin der gesetzgebenden, gerichtlichen
und exekutiven Gewalt. Diese Unterschiedenheit der beiden Gemeinwesen,
wie eine ständige Tradition sie lehrt, beruht auf den Worten des Herrn:
„Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ (Mt.
22,21).
Da indessen diese beiden Gesellschaften ihre Gewalt über dieselben Personen ausüben und oft in Bezug auf denselben Gegenstand, können sie einander nicht ignorieren; sie müssen sogar in vollkommener Harmonie vorgehen, damit sie selbst nicht minder als ihre gemeinsamen Mitglieder gedeihen.
Das heilige Konzil, in der Absicht zu lehren, welche Beziehungen zwischen diesen beiden Gewalten gemäß der Natur einer jeden von ihnen bestehen müssen, erklärt an allererster Stelle die feste Verpflichtung daran
festzuhalten, daß sowohl die Kirche als die bürgerliche Gesellschaft zum
Nutzen des Menschen eingesetzt worden sind; daß jedoch das der Sorge
der bürgerlichen Gesellschaft anvertraute Glück für den Menschen nichts
wert ist, wenn er dabei seine Seele verliert (vgl. Mt. 16,26; Mk. 8,36; Lk.
9,25). Daß folglich der Zweck der bürgerlichen Gesellschaft nie verfolgt
68
werden darf, indem der letzte Zweck ausgeschlossen oder verletzt wird,
nämlich das ewige Heil.
2. Die Gewalt der Kirche und ihre Grenzen; die Pflichten der Kirche
gegen die bürgerliche Gewalt
Da also sich die Gewalt der Kirche auf alles erstreckt, was die Menschen
zum ewigen Heil führt; da das, was nur das zeitliche Glück berührt, als
solches der bürgerlichen Autorität unterstellt ist, folgt daraus, daß die Kirche sich nicht mit den zeitlichen Realitäten befaßt, es sei denn insoweit, als
diese auf den übernatürlichen Zweck hingeordnet sind. Was die ebenso auf
den Zweck der Kirche wie auf den des Gemeinwesens hingeordneten Akte
betrifft wie Ehe, Kindererziehung und anderes dergleichen, so müssen die
Rechte der bürgerlichen Gewalt auf solche Weise ausgeübt werden, daß
nach dem Urteil der Kirche die höheren Güter der übernatürlichen Ordnung keinerlei Schaden erleiden. In die übrigen zeitlichen Aktivitäten, die,
unbeschadet des göttlichen Gesetzes, mit gutem Recht auch auf verschiedene Weise ins Auge gefaßt oder ausgeführt werden können, mischt die
Kirche sich in keiner Weise ein. Als Hüterin ihres Rechtes, das Recht des
anderen vollkommen respektierend, hält die Kirche es nicht für ihre Sache,
eine Regierungsform oder Institutionen zu wählen, die dem zivilen Bereich
der christlichen Völker angehören; von den verschiedenen Regierungsformen mißbilligt sie keine unter der Bedingung, daß Religion und Moral unangetastet sind. Ebenso nämlich, wie die Kirche auf ihre eigene Freiheit
nicht verzichtet, ebenso hindert sie die bürgerliche Gewalt nicht daran,
von ihren Gesetzen und ihren Rechten freien Gebrauch zu machen.
Die Oberhäupter der Nationen müssen anerkennen, welch große Güter die
Kirche in Erfüllung ihrer Mission der bürgerlichen Gesellschaft verschafft.
Die Kirche arbeitet ja selbst daran mit, daß die Bürger durch ihre Tugend
und ihre christliche Frömmigkeit gut werden; und wenn sie so sind, wie die
christliche Lehre es empfiehlt, wird nach dem Zeugnis des hl. Augustinus
(Ep. ad. Marcellinum, 138, 15) ohne jeden Zweifel das öffentliche Wohl in
Blüte stehen. Den Bürgern erlegt die Kirche die Verpflichtung auf, den legitimen Befehlen zu gehorchen, „nicht nur um der Strafe, sondern auch um
des Gewissens willen“ (Röm. 13,5).Was die betrifft, denen man die Regierung des Landes anvertraut hat, so weist sie sie auf die Verpflichtung hin,
ihr Amt auszuüben nicht aus Machtwillen, sondern zum Wohl der Bürger,
da sie Gott Rechenschaft ablegen müssen (vgl. Hebr. 13,17) über ihre von
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Gott empfangene Gewalt. Schließlich prägt die Kirche die Befolgung sowohl der natürlichen als der übernatürlichen Gesetze ein, dank welcher die
gesamte bürgerliche Ordnung sowohl unter den Bürgern als unter den Nationen in Frieden und Gerechtigkeit verwirklicht werden kann.
3. Religiöse Pflichten der bürgerlichen Gewalt
Die bürgerliche Gewalt kann hinsichtlich der Religion nicht gleichgültig
sein. Von Gott eingesetzt, um den Menschen zu helfen, eine wahrhaft
menschliche Vollkommenheit zu erwerben, muß sie ihren Untertanen nicht
nur die Möglichkeit liefern, sich die zeitlichen Güter – seien es materielle,
seien es geistige – zu verschaffen, sondern auch den Zufluß der geistlichen
Güter fördern, die ihnen erlauben, auf religiöse Art ein menschliches Leben zu führen. Nun aber ist unter diesen Gütern nichts wichtiger, als Gott
zu erkennen und anzuerkennen, ferner seine Pflichten gegen Gott zu erfüllen: denn hierin besteht die Grundlage jeder privaten und mehr noch jeder
öffentlichen Tugend.
Diese Pflichten gegen Gott verpflichten nicht nur jeden Bürger gegenüber
der göttlichen Majestät, sondern auch die bürgerliche Gewalt, welche bei
den öffentlichen Akten die bürgerliche Gesellschaft verkörpert. Gott ist ja
der Urheber der bürgerlichen Gesellschaft und die Quelle aller Güter, die
durch sie in alle ihre Glieder herabfließen. Die bürgerliche Gesellschaft
muß also Gott ehren und ihm dienen. Was die Art des Dienstes betrifft, so
kann es innerhalb der gegenwärtigen Ökonomie keine andere sein als die,
welche Er selbst als verpflichtend bestimmt hat, nämlich in der wahren
Kirche Christi, und dies nicht nur für die Bürger, sondern ebenso für die
Behörden, die die bürgerliche Gesellschaft repräsentieren.
Daß die bürgerliche Gesellschaft die Fähigkeit hat, die wahre Kirche Christi zu erkennen, ist klar: Sie kann dies auf Grund der offenkundigen Zeichen ihrer göttlichen Einsetzung und Sendung, welche Zeichen der Kirche
von ihrem göttlichen Gründer gegeben worden sind. Daher hat die bürgerliche Gewalt und nicht nur jeder von den Bürgern die Pflicht, die von der
Kirche selbst vorgestellte Offenbarung anzunehmen. Ebenso muß sie sich
in ihrer Gesetzgebung den Vorschriften des natürlichen Sittengesetzes anformen und den positiven Gesetzen, sowohl den göttlichen als den kirchlichen, die bestimmt sind, die Menschen zur übernatürlichen Seligkeit zu
führen, streng Rechnung tragen.
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Ebenso wie kein Mensch Gott auf die von Christus eingerichtete Weise
dienen kann ohne ein klares Wissen, daß Gott durch Christus gesprochen
hat, ebenso kann auch die bürgerliche Gesellschaft dies nicht tun, wenn
nicht die Bürger zuvor eine sichere Kenntnis von der Tatsache der Offenbarung haben, ganz wie die bürgerliche Gewalt, insofern sie das Volk repräsentiert.
Deshalb muß die bürgerliche Gewalt die volle Freiheit der Kirche auf ganz
spezielle Art schützen und darf sie in keiner Weise hindern, sich ganz und
gar ihrer Sendung zu entledigen, sei es in der Ausübung ihres heiligen
Lehramtes, sei es in der Anordnung und Ausführung ihres Kultes, sei es in
der Spendung der Sakramente und der pastoralen Sorge für die Gläubigen.
Die Freiheit der Kirche muß von der bürgerlichen Gewalt in allem anerkannt werden, was ihre Mission betrifft, namentlich in der Auswahl und
Ausbildung ihrer Priesteramtsanwärter, in der Wahl ihrer Bischöfe, in der
freien und gegenseitigen Mitteilung zwischen Papst und den Bischöfen und
Gläubigen, in der Gründung und Leitung von Ordensinstituten, in der Veröffentlichung und Verbreitung von Schriften, im Besitz und in der Verwaltung zeitlicher Güter wie auch ganz allgemein in all den Aktivitäten, die
die Kirche, ohne die bürgerlichen Rechte zu vernchlässigen, für geeignet
hält, die Menschen zu ihrem letzten Ziel zu führen, ohne dabei den profanen Unterricht, die sozialen Werke und vielerlei weitere Mittel auszunehmen.
Schließlich obliegt es der bürgerlichen Gewalt ganz besonders, aus Gesetzgebung, Regierung und öffentlicher Aktivität alles auszuschließen, was
nach ihrer Beurteilung die Kirche hindern könnte, ihr ewiges Ziel zu erreichen; mehr noch, sie muß sich befleißigen, ein Leben nach christlichen und
jenem erhabenen Ziel, für welches Gott die Menschen geschaffen hat, absolut konformen Grundsätzen zu erleichtern.
4. Allgemeines Prinzip der Anwendung der dargelegten Doktrin
Die Kirche hat jederzeit anerkannt, daß die kirchliche Gewalt und die bürgerliche Gewalt verschiedene Beziehungen untereinander unterhalten je
nach der Art, wie weit die das Volk persönlich repräsentierende bürgerliche Gewalt von Christus und der von Ihm gegründeten Kirche Kenntnis
hat.
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5. Anwendung in einem katholischen Gemeinwesen
Die oben durch das heilige Konzil dargelegte integrale Lehre kann nur
Anwendung finden in einem Gemeinwesen, wo die Bürger nicht nur getauft sind, sondern den katholischen Glauben bekennen. In diesem Fall
treffen die Bürger selbst in freier Weise die Wahl, daß das bürgerliche Leben gemäß den katholischen Grundsätzen geformt und so, wie der hl. Gregor der Große sagt, „der Ausblick auf den Himmel weiter offen sein“ soll
(Ep. 65, ad Mauricium).
Dennoch ist es selbst unter diesen glücklichen Bedingungen der bürgerlichen Gewalt in keiner Weise erlaubt, die Gewissen zu zwingen, den von
Gott geoffenbarten Glauben anzunehmen. Der Glaube ist nämlich wesentlich frei und kann nicht Gegenstand irgendwelchen Zwanges sein, wie die
Kirche lehrt, indem sie sagt: „Daß niemand gezwungen werde, wider Willen den katholischen Glauben anzunehmen!“ (C.I.C. can. 1351).
Das hindert jedoch nicht, daß die bürgerliche Gewalt die erforderlichen
geistigen, sozialen und moralischen Bedingungen schaffen muß, damit die
Gläubigen, auch die weniger gebildeten, leichter im empfangenen Glauben
verharren. Ebenso aber, wie die bürgerliche Gewalt sich für berechtigt hält,
die öffentliche Moral zu schützen, ebenso kann die bürgerliche Gewalt, um
die Bürger gegen die Verführung des Irrtums zu schützen, um das Gemeinwesen in der Glaubenseinheit, die das höchste Gut und Quelle vielfacher auch zeitlicher Wohltaten ist, zu erhalten, von sich aus die öffentlichen Bekundungen anderer Kulte regeln und beschränken und ihre Bürger
gegen falsche Lehren verteidigen, die nach dem Urteil der Kirche ihr ewiges Heil in Gefahr bringen.
6. Religiöse Toleranz in einem katholischen Gemeinwesen
Bei diesem Schutz des wahren Glaubens gilt es nach den Erfordernissen
der christlichen Liebe und der Klugheit vorzugehen, damit die Dissidenten
nicht von der Kirche abgeschreckt, sondern vielmehr von ihr angezogen
werden und weder das Gemeinwesen noch die Kirche irgendeinen Schaden
erleide. Es gilt also immer sowohl das Gemeinwohl der Kirche als das
Gemeinwohl des Staates im Auge zu behalten, mit Rücksicht, auf welche
der bürgerlichen Gewalt je nach dem Umständen eine gerechte, sogar
durch Gesetze verbürgte Toleranz auferlegt sein kann und zwar einmal, um
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größere Übel wie ein Ärgernis oder einen Bürgerkrieg, das Hindernis für
die Bekehrung zum wahren Glauben, oder andere Übel dieser Art zu vermeiden, und weiter, um ein größeres Gut zu verschaffen wie etwa die bürgerliche Zusammenarbeit und friedliche Koexistenz der Bürger verschiedener Religionen, größere Freiheit für die Kirche und wirksamere Erfüllung ihrer übernatürlichen Sendung und andere Güter dieser Art. In dieser
Frage gilt es nicht nur dem Wohl nationaler Ordnung, sondern auch dem
Wohl der universalen Kirche (und dem internationalen bürgerlichen Wohl)
Rechnung zu tragen. Durch diese Toleranz ahmt die katholische bürgerliche Gewalt das Beispiel der göttlichen Vorsehung nach, die Übel zuläßt,
aus denen sie den Vorteil größerer Güter zieht. Diese Toleranz ist vor allem in den Ländern zu beobachten, wo seit Jahrhunderten nichtkatholische
Gemeinschaften bestehen.
7. Anwendung in einem nichtkatholischen Gemeinwesen
In den Gemeinwesen, wo ein großer Teil der Bürger nicht den katholischen
Glauben bekennt oder nicht einmal von der Tatsache der Offenbarung
weiß, muß die nichtkatholische bürgerliche Gewalt sich in religiösen Dingen wenigstens den Vorschriften des natürlichen Sittengesetzes anpassen.
Unter diesen Bedingungen muß diese nichtkatholische Gewalt allen Kulten, die sich nicht der natürlichen Religion entgegenstellen, die bürgerliche
Freiheit einräumen. Diese Freiheit widerspricht sodann nicht den katholischen Grundsätzen, da sie ebenso dem Wohle der Kirche als dem des Staates ansteht. In den Gemeinwesen, wo die öffentliche Gewalt nicht die katholische Religion bekennt, haben die katholischen Bürger besonders die
Pflicht, durch ihre bürgerlichen Tugenden und Handlungen, mit denen sie
im Verein mit ihren Mitbürgern das Gemeinwohl des Staates befördern, zu
erreichen, daß man der Kirche die volle Freiheit gewährt, ihre göttliche
Sendung zu erfüllen. Von der freien Tätigkeit der Kirche hat nämlich auch
das nichtkatholische Gemeinwesen keinerlei Schaden und sogar zahlreiche
und ausgezeichnete Vorteile. So sollen sich also die katholischen Bürger
bemühen, daß Kirche und bürgerliche Gewalt, wiewohl rechtlich noch getrennt, einander wohlwollende gegenseitige Hilfe leisten.
Um nicht durch Nachlässigkeit oder durch unklugen Eifer entweder der
Kirche oder dem Staat zu schaden, sollen die katholischen Bürger bei der
Verteidigung der Rechte Gottes und der Kirche sich dem Urteil der kirchlichen Obrigkeit unterwerfen; deren Sache ist es, gemäß den verschiedenen
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Umständen über das Wohl der Kirche zu urteilen und die katholischen
Bürger bei ihren zur Verteidigung des Altars bestimmten bürgerlichen Aktionen zu leiten.
8. Schluß
Das heilige Konzil anerkennt, daß die Prinzipien der wechselseitigen Beziehungen zwischen der kirchlichen Gewalt und der bürgerlichen Gewalt
nicht anders angewandt werden dürfen als nach der oben dargelegten Regel. Jedoch kann es nicht gestatten, daß eben diese Prinzipien durch irgend
einen falschen Laizismus verdunkelt werden, auch nicht unter dem Vorwand des Gemeinwohls. Diese Prinzipien beruhen nämlich auf den absolut
festen Rechten Gottes, auf der unveränderlichen Verfassung und Mission
der Kirche sowie auf der sozialen Natur des Menschen, welche, alle Jahrhunderte hindurch immer dieselbe bleibend, selbst den wesentlichen
Zweck der bürgerlichen Gesellschaft bestimmt, ungeachtet der Verschiedenheit der politischen Regierungsformen und der übrigen Wechselfälle
der Geschichte.
N.B: Wir haben die zahlreichen Anmerkungen, die dieses Dokument enthält, weggelassen. Interessenten seien auf den lateinischen Originaltext
verwiesen.
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Die Autoren des Heftes
HEINZ-LOTHAR BARTH, Dr. phil., Jahrgang 1953, ist Dozent für
Klassische Philologie an der Universität Bonn. Neben
fachwissenschaftlichen Publikationen verfaßt er seit 20 Jahren
Schriften zur Verteidigung des katholisch-apostolischen
Glaubens, zuletzt: Ist die traditionelle lateinische Messe
antisemitisch? 2. Aufl. 2007.
WALTER HOERES, Prof. Dr. phil., Philosoph, Promotion bei T.W.
Adorno, Habilitation an der Theologischen Fakultät der
Universität Salzburg, zahlreiche Bücher und Abhandlungen
zur Geschichte der Scholastik und hier vor allem zu Olivi,
Heinrich v. Gent, Duns Scotus und Suarez. Verfasser einer
umfangreichen philosophischen Anthropologie und Ästhetik.
Rege publizistische Tätigkeit im kirchlichen Raum.
RAFAEL HÜNTELMANN, Dr. phil. studierte Philosophie, Pädagogik
und katholische Theologie. Selbständiger Verleger.
Herausgeber der Zeitschrift CIVITAS.
ALFREDO KARDINAL OTTAVIANI, 1890 – 1979, Kurienkardinal,
1959 von Papst Johannes XXIII. zum Sekretär des Offiziums
erhoben, krönte Papst Paul VI. zum Papst, (Ottaviani war der
letzte Kardinal, dem diese Ehre zukam), 1965 bis 1967
zunächst Kardinalsekretär, dann bis zum 6. Januar 1968 der
erste Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre.
P. FRANZ SCHMIDBERGER, römisch-katholischer Priester, deutscher
Distriktoberer der Priesterbruderschaft Pius X. (FSSPX) und
geistlicher Beirat des Civitas Instituts.
IVITAS
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Heinz-Lothar Barth
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Zwei Grundprinzipien
der katholischen Gesellschaftslehre
und ihre Mißachtung in der heutigen Politik
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