Mathe I - Helmut-Schmidt

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Mathematik für
Wirtschaftswissenschaftler I
Herbsttrimester 2010
Vorlesung
Gabriel Frahm
Helmut-Schmidt-Universität
Lehrstuhl für Angewandte Stochastik
Fächergruppe Mathematik/Statistik
22043 Hamburg
Zu meiner Person
Personalien: PD Dr. Gabriel Frahm
Lehrstuhl für Angewandte Stochastik
E-Mail: [email protected]
URL: www.hsu-hh.de/stochastik
Sprechstunde: Dienstags, 14:00 Uhr
Ort: Geb. H01, Eb. 1, Raum 1372
Laufbahn:
Universität zu Köln:
– Lehrstuhl für Finanzierungslehre sowie
– Lehrstuhl für Statistik & Ökonometrie.
Universität Münster:
– Lehrstuhl für Ökonometrie und empirische WiFo.
1
Zu meiner Person
Laufbahn:
Forschungsinstitute / Praxiserfahrung:
– Center of Advanced European Studies and Research,
– NEC Laboratories Europe,
– WestLB sowie diverse Beratungsprojekte.
Forschung:
Copulas, Extremwerttheorie, Random Matrix Theory,
Portfoliooptimierung, robuste Kovarianzmatrizen,
Missing-Data Analysis, multiples Testen.
Lehre:
Econometrics, Time Series Analysis,
Panel Data Analysis, Statistik, Mathematik,
Entscheidungs- und Spieltheorie.
2
Zur Veranstaltung
Name:
Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler I.
Zielgruppe:
Bachelor BWL und VWL im 1. Trimester.
Vorlesung:
Montags, 9:45 – 11:15 Uhr in HS 1 und
Montags, 14:00 – 15:30 Uhr in HS 1.
Übungen:
Ab 11.10.2010 (Übersicht auf der nächsten Seite).
Prüfung:
Klausur. Termin bitte beim Prüfungsamt erfragen.
3
Übungen
Gruppe
Wochentag
Uhrzeit
Raum
Mitarbeiter
1
Montag
11:30 – 13:00
Aula 2
Dr. Schäfer
2
Montag
15:45 – 17:15
101/103
Dr. Sever
3
Montag
15:45 – 17:15
301/303
Dr. Bondarenko
4
Montag
15:45 – 17:15
Aula 2
Blendek
5
Montag
17:30 – 19:00
Aula 2
Blendek
6
Dienstag
08:00 – 09:30
108
Dr. Schäfer
7
Mittwoch
11:30 – 13:00
108
Dr. Sever
8
Donnerstag
09:45 – 11:15
204
Dr. Bondarenko
4
Inhaltsverzeichnis
1 Funktionen
1.1 Grundbegriffe
8
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Umkehrfunktion und Verkettung
8
. . . . . . . . . . . . 33
1.3 Bivariate Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
1.4 Multivariate Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
2 Folgen und Reihen
65
2.1 Zahlenfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
2.2 Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
5
2.2.1 Die geometrische Reihe . . . . . . . . . . . . . 98
2.2.2 Finanzmathematik
. . . . . . . . . . . . . . . 104
2.2.3 Konvergenzkriterien für Reihen . . . . . . . . . 118
2.3 Stetigkeit von Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 127
3 Matrixalgebra
137
3.1 Elementare Matrixoperationen . . . . . . . . . . . . . 137
3.2 Die Inverse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
3.3 Die Determinante
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
3.4 Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
3.5 Lineare Gleichungssysteme
6
. . . . . . . . . . . . . . 203
Literatur
• M OSLER , K., DYCKERHOFF , R. und S CHEICHER , C. (2009).
Mathematische Methoden für Ökonomen.
• A LLEN , R.G.D. (1972). Mathematical Economics, 2. Auflage.
• C HIANG , A.C. und WAINWRIGHT, K. (2005). Fundamental
Methods of Mathematical Economics, 4. Auflage.
• S IMON , C.P. und B LUME , L. (1994). Mathematics for Economists.
• S YDSÆTER , K. und H AMMOND, P. (2006). Mathematik für
Wirtschaftswissenschaftler , 2. Auflage.
• S YDSÆTER , K., H AMMOND, P., S EIERSTAD, A. und S TRØM , A.
(2008). Further Mathematics for Economic Analysis, 2. Auflage.
7
1 Funktionen
1.1 Grundbegriffe
• Ein Betrieb stellt einen Milchdrink aus zwei Zutaten, nämlich
Vollmilch und Milchpulver, her.
• Dabei entstehen aus x1 Litern Vollmilch und x2 Kilogramm
Milchpulver
q = 0.7x1 + 0.1x2
Liter des Drinks.
• Die Anteile von Vollmilch und Milchpulver sind frei wählbar.
8
• Unter einer Isoquante versteht man den Ort aller
Input-Kombinationen in der (x1 , x2 )-Ebene, mit denen eine
bestimmte Menge q produziert werden kann.
x2
3000
2000
1000
x1
100 200 300 400
Isoquanten einer Produktionsfunktion.
9
• Etwas allgemeiner: Ein Gut wird aus einem oder mehreren
Produktionsfaktoren hergestellt.
• Wenn die technischen Bedingungen der Produktion gegeben
sind, hängt die produzierte Menge (Output) nur von den Mengen
der eingesetzten Faktoren (Inputs) ab.
• Um wie viel verändert sich der Output, wenn alle Inputs um ein
Prozent erhöht werden?
• Wie kann man einen Produktionsfaktor durch einen anderen
ersetzen, um den selben Output zu erhalten?
• Wie kann ein gegebener Output zu minimalen Kosten produziert
werden?
10
Definition (Funktion): Seien A und B nichtleere Mengen. Jedem
∈ A sei genau ein Element y = f (x) ∈ B zugeordnet.
Diese Zuordnung bezeichnet man als Funktion f von A nach B und
Element x
man schreibt formal:
f:
A → B
x
7→ f (x) .
Die Menge A wird Definitionsbereich und die Menge B wird
Wertebereich von f genannt. Die Größe x bezeichnet man als
Argument und f (x) als Funktionswert von f an der Stelle x .
11
• Bei den meisten uns interessierenden Funktionen ist der
Funktionswert f (x) eine reelle Zahl.
• Das Argument x besteht aus einer oder mehreren reellen Zahlen.
• Eine solche Funktion wird kurz reelle Funktion genannt.
• Im Folgenden bezeichnet R die Menge der reellen Zahlen.
• Sie entspricht den Punkten der Zahlengeraden.
• R2 steht für die Menge aller Paare (x1 , x2 ) von reellen Zahlen,
also die Punkte der Zahlenebene.
• R+ bezeichnet die Menge aller nichtnegativen reellen Zahlen und
R2+ die Menge aller Paare solcher Zahlen.
12
• N steht für die Menge der natürlichen Zahlen (N = {1, 2, . . .}).
• Z steht für die Menge der ganzen Zahlen (Z = {0, ±1, . . .}).
• Ein abgeschlossenes Intervall der Zahlengeraden wird mit [ a, b ]
und ein offenes Intervall mit ] a, b [ bezeichnet.
• Halboffene Intervalle sind ] a, b ] und [ a, b [ .
• Dabei sind a und b Zahlen aus R mit a < b .
• Gehen Definitions- und Wertebereich klar aus dem Kontext
hervor, schreibt man kurzerhand f (x) .
√
• Beispiel: Die Funktion f (x) = x bezeichnet man als
Wurzelfunktion und es gilt a priori A = R+ und B = R .
13
Definition (Graph und Bild): Bei einer gegebenen Funktion
f : A → B wird die Menge
Gf = (x, y) : x ∈ A, y = f (x)
Graph von f und die Menge
f (A) = y ∈ B : x ∈ A, y = f (x)
Bild(-menge) von A unter f genannt.
• Das Bild einer Funktion ist also eine Teilmenge ihres
Wertebereichs.
• Der Graph einer reellen Funktion mit einem Argument ist eine
Teilmenge des R2 und wird als Kurve bezeichnet.
14
y
1
x
1
√
Graph der Wurzelfunktion f (x) = x .
15
• Zwei reelle Funktionen, deren Definitionsbereiche
übereinstimmen, kann man addieren, indem man die
entsprechenden Funktionswerte addiert.
• Aus den beiden Funktionen f : A → R und g : A → R entsteht
so die Funktion
f +g : A → R
x
7→ f (x) + g(x) .
• Beispiel: Die Funktion h(x) = x2 − 2x + 1 ergibt sich als
Summe der Funktionen f (x) = x2 und g(x) = −2x + 1 .
Gemeinsamer Definitionsbereich ist hierbei R .
16
y
f
f +g
g
1
x
1
Summe zweier Funktionen f (x)
17
= x2 und g(x) = −2x + 1 .
• Ebenso kann man zwei Funktionen mit einem gemeinsamen
Definitionsbereich A subtrahieren, multiplizieren und dividieren:
f −g :
A → R,
x 7→ f (x) − g(x) ,
f ·g :
A → R,
x 7→ f (x) · g(x) ,
f /g :
A → R,
x 7→ f (x)/g(x) .
• Den Quotienten f /g darf man natürlich nur unter der
Voraussetzung g(x) 6= 0 für alle x ∈ A bilden.
• Ansonsten muss der Definitionsbereich A geeignet eingeschränkt
werden, d.h. man wählt den Definitionsbereich für f und g gerade
so, dass g(x) 6= 0 für alle x ∈ A .
18
• Ähnlich sind das Minimum und das Maximum von f und g
definiert:
min{f, g} :
A → R,
max{f, g} :
A → R,
x 7→ min f (x), g(x) ,
x 7→ max f (x), g(x) .
• Beispiel: Betrachte die Funktionen f (x) = x und g(x) = −x
für x ∈ R . Ihr Maximum ist die für x ∈ R definierte
Betragsfunktion
a(x) = max{x, −x} = |x| =
19

x ,
falls
x ≥ 0,
−x , falls x < 0 .
y
1
x
−1
1
Betragsfunktion a(x)
20
= |x| .
Beispiel:[Polynom] Eine Funktion der Form
p(x) = αr xr + αr−1 xr−1 + . . . + α1 x + α0
mit Koeffizienten α0 , α1 , . . . , αr−1
∈ R , αr 6= 0 und r ∈ N wird
als Polynom r -ten Grades bezeichnet.
• Die Funktion p(x) = −5x4 + x ist ein Polynom vierten Grades.
• Die Quadratunktion f (x) = x2 ist ein Polynom zweiten Grades.
• Die Wurzelfunktion ist jedoch kein Polynom.
21
Definition (Monotonie): Sei f
: A → B mit A, B ⊂ R. Die
Funktion f steigt monoton, wenn sich der Funktionswert bei jeder
Erhöhung von x ebenfalls erhöht oder gleich bleibt. Formal: Wenn für
alle x, x′
∈ A die Implikation
x < x′
f (x) ≤ f (x′ )
=⇒
erfüllt ist. Die Funktion f steigt streng monoton, wenn sich der
Funktionswert bei jeder Erhöhung von x ebenfalls erhöht. Formal:
x < x′
f (x) < f (x′ ) .
=⇒
Die Funktion f fällt monoton bzw. fällt streng monoton, wenn aus
x < x′ die Ungleichung f (x) ≥ f (x′ ) bzw. f (x) > f (x′ ) folgt. 22
f (x)
4
3
2
1
x
-1
1
2
3
4
∈ R wird die größte ganze Zahl ⌊x⌋
zugeordnet, die kleiner oder gleich x ist.
Gauß-Klammer: Jedem x
23
• Ob eine gegebene Funktion monoton steigt oder fällt, kann man
häufig direkt an ihrem Graphen ablesen.
• So ist z.B. die Wurzelfunktion eine streng monoton steigende
Funktion.
• Die Funktion h(x) = x2 − 2x + 1 ist hingegen weder monoton
steigend noch monoton fallend.
• Schränkt man jedoch ihren Definitionsbereich auf das Intervall
[ 1, ∞ [ ein, so erhält man eine monoton steigende Funktion.
• Entsprechend liefert ihre Einschränkung auf den
Definitionsbereich ] − ∞, 1 ] eine monoton fallende Funktion.
24
• Die gerade Verbindung zweier Punkte des Graphen der
Wurzelfunktion liegt stets unterhalb des Graphen.
• Eine solche Funktion nennt man konkav.
• Beim Graphen der Quadratfunktion f (x) = x2 verhält es sich
umgekehrt: Die Verbindungsstrecke von je zwei Punkten liegt
oberhalb des Graphen.
• Eine Funktion mit dieser Eigenschaft heißt konvex.
• Sei f eine auf einem Intervall A definierte Funktion.
• Nun betrachten wir zwei beliebige Punkte des Graphen von f ,
(x, f (x)) und (z, f (z)), als auch die Strecke, die sie verbindet.
25
• Jeder Punkt der Verbindungsstrecke hat die Form
αx + (1 − α)z, αf (x) + (1 − α)f (z)
mit einer Zahl α
∈ [ 0, 1 ] .
A→R
heißt konkav, falls für alle x, z ∈ A und für alle α ∈ ] 0, 1 [ gilt:
Definition (Konvexität und Konkavität): Die Funktion f :
f (αx + (1 − α)z) ≥ αf (x) + (1 − α)f (z) .
Die Funktion f heißt konvex, falls für alle x, z
α ∈ ] 0, 1 [ gilt:
∈ A und für alle
f (αx + (1 − α)z) ≤ αf (x) + (1 − α)f (z) .
26
f (x)
f (xα )
yα
x
z
xα
Definition einer konkaven Funktion.
27
x
• Manche Funktionen, etwa die
– Wurzelfunktion und die
– Logarithmusfunktion ln (x),
nehmen beliebig große und/oder kleine Werte an.
• Andere dagegen nicht, z.B. der
– Sinus sin(x) für alle x
∈ R und die
– negativ-exponentielle Funktion
f (x) = 1 − exp(−λx) ,
für alle x
> 0.
28
λ > 0,
f (x)
1
x
Negativ-exponentielle Funktion mit λ
29
= 2.
A → R heißt
beschränkt, wenn es eine Zahl M gibt, so dass |f (x)| ≤ M für alle
x ∈ A.
Definition (Beschränktheit): Eine Funktion f :
• Dies ist für die negativ-exponentielle Funktion mit M = 1 erfüllt,
aber auch mit jeder anderen Zahl M > 1.
• Die Wurzelfunktion und die Logarithmusfunktion sind dagegen
nicht beschränkt.
• Grund: Man betrachte eine beliebige Schranke M > 0 . Die
Wurzel- bzw. Logarithmusfunktion nimmt an allen Stellen
2
x > M bzw. x > e
ln (eM ) = M an.
M
√
Werte größer als M 2 = M bzw.
30
• Die Einschränkung der Wurzelfunktion auf ein endliches Intervall
(etwa [ 0, 100 ]) ist beschränkt. Hier liegen nämlich alle
√
√
Funktionswerte zwischen 0 = 0 und 100 = 10 .
• Die Hyperbelfunktion
1
f (x) =
x
ist für alle x 6= 0 , d.h. x ∈ R \ {0}, definiert.
• Sie ist nicht beschränkt, da sie für x > 0 beliebig große und für
x < 0 beliebig kleine Werte annimmt.
31
1
x
√
x
1
M= 10
x
1
x
100
Eingeschränkte Wurzelfunktion und Hyperbelfunktion.
32
1.2 Umkehrfunktion und Verkettung
A → B eine Funktion. Diese
heißt umkehrbar, wenn es für jedes y ∈ B genau ein x ∈ A gibt, für
das f (x) = y gilt. Die Funktion
Definition (Umkehrfunktion): Sei f :
f −1 :
B → A
y
7→ f −1 (x)
wird dann als Umkehrfunktion von f bezeichnet.
• Umkehrbar bedeutet also, dass jeder Punkt des Wertebereichs
einen Funktionswert darstellt und außerdem keine zwei
Argumente denselben Funktionswert besitzen.
33
• Das ist insbesondere dann gegeben, wenn die Funktion in ihrem
gesamten Definitionsbereich streng monoton steigt oder dort
streng monoton fällt.
• Wenn es eine Umkehrfunktion f −1 gibt, ist diese wiederum
umkehrbar, und ihre Umkehrfunktion ist die ursprüngliche
Funktion f .
• Der Graph Gf einer umkehrbaren Funktion f muss für jedes y
des Wertebereichs von f die horizontale Gerade der Höhe y
genau einmal schneiden.
• Der Graph der Umkehrfunktion ergibt sich dann durch
Vertauschung der x- mit der y -Achse.
34
• Die Quadratfunktion f (x) = x2 ist umkehrbar, wenn man den
Definitionsbereich und den Wertebereich auf die nichtnegativen
Zahlen beschränkt.
• Ihre Umkehrfunktion ist dann die Wurzelfunktion.
f
f −1
1
x
1
Quadratfunktion und Wurzelfunktion.
35
• Der natürliche Logarithmus ln (x) ist jene Zahl, mit der man die
Eulersche Konstante e ≈ 2.71828 potenzieren muss, um x zu
erhalten.
• D.h. ln (x) ist gerade so definiert, dass
eln (x) = x
gilt. Der natürliche Logarithmus ist streng monoton steigend und
umkehrbar.
• Seine Umkehrfunktion ist die Exponentialfunktion
ln −1 (x) = exp(x) = ex .
36
f −1 (x) = exp(x)
f (x) = ln(x)
x
Logarithmusfunktion und Exponentialfunktion.
37
• Gegeben sei z.B. die Funktion f (x) = (x2 + 1)−1 mit x ≥ 0 .
• Die Umkehrfunktion wird wie folgt bestimmt:
1
y = 2
x +1
1
= x2 + 1
y
1
− 1 = x2
y
r
1
− 1 = x.
y
p
−1
• Der Definitionsbereich von f (y) = 1/y − 1 ist durch
0 < y ≤ 1 gegeben und entspricht dem Bild von f .
38
f (x)
1
0.8
0.6
0.4
0.2
0
0
2
Ursprungsfunktion f (x)
4
6
10
8
x
= (x2 + 1)−1 mit x ≥ 0 .
39
10
8
6
4
2
0
0
0.2
Umkehrfunktion f −1 (y)
f −1 (y)
p
0.4
=
40
y
0.6
0.8
1
1/y − 1 mit 0 < y ≤ 1 .
• Das Argument einer Funktion kann selbst wiederum eine
Funktion sein.
• Zwei Funktionen werden verkettet, indem man die
Funktionswerte der einen Funktion in die andere einsetzt.
• Voraussetzung: Das Bild der ersten Funktion ist im
Definitionsbereich der zweiten Funktion enthalten.
• Man erhält dann eine neue Funktion, nämlich die Verkettung
(oder Komposition) der beiden ursprünglichen Funktionen.
41
Definition (Verkettung): Sei f :
B ∗ ⊂ B . Man definiert
A → B ∗ und g : B → C mit
(g ◦ f )(x) := g(f (x))
für alle x
∈ A und erhält so die Funktion g ◦ f („ g nach f “).
f
A
g
C
B∗
B
Verkettete Funktion g
42
◦ f.
√
• Seien f (x) = x + 1 und g(y) = y . Dann ist
√
(g ◦ f )(x) = x2 + 1
2
die Funktion g nach f .
• Seien h(x) = x2 (x ≥ 0) und g wie zuvor die Wurzelfunktion.
Die möglichen Verkettungen sind
√
x2 = x ,
(g ◦ h)(x) =
√ 2
(h ◦ g)(y) = ( y) = y .
• Es gilt also f −1 (f (x)) = x und f (f −1 (y)) = y .
• Die Komposition einer Funktion mit ihrer Umkehrfunktion ist also
die identische Funktion (oder Identität) id(x) = x .
43
• Die allgemeine Potenzfunktion zur Basis a > 0 ist durch
ax = ex·ln (a) = exp(x ln (a))
für alle x
> 0 definiert. Sie ist also die Komposition der Funktion
f (x) = x ln (a) mit der Exponentialfunktion.
1.3 Bivariate Funktionen
• Bisher haben wir hauptsächlich univariate Funktionen
betrachtet.
• Dabei handelt es sich um reelle Funktionen eines Arguments.
44
• Unter einer bivariaten Funktion versteht man eine reelle
Funktion von zwei Argumenten.
• Auch eine bivariate Funktion f : A → R mit A ⊂ R2 lässt sich
graphisch darstellen.
• Ihr Graph hat die Form
Gf = (x1 , x2 , f (x1 , x2 )) : (x1 , x2 ) ∈ A ,
wobei A
⊂ R2 ist.
• Gf ist eine Teilmenge des R3 .
• Der R3 entspricht anschaulich unserem physikalischen Raum
und wird daher als Anschauungsraum bezeichnet.
45
• Der Graph Gf lässt sich durch seine Höhenlinien (oder
Isoquanten) beschreiben.
• Die Höhenlinie Hf (y) ist der Ort aller Punkte (x1 , x2 ), welche
den gleichen Funktionswert f (x1 , x2 ) = y besitzen:
2
Hf (y) = (x1 , x2 ) ∈ R : f (x1 , x2 ) = y .
• Die Höhenlinie der Höhe Null ist die Menge der Nullstellen der
Funktion.
• An der Lage der Höhenlinien kann man das Steigungsverhalten
der Funktion erkennen und feststellen, wo sich Maxima und
Minima ungefähr befinden.
46
r79m
r69m
Bredenberg
Reilerberg
r74m
Wulmsberg
Höhenlinien einer Landkarte.
47
• Die sogenannte Cobb-Douglas-Funktion
f (x1 , x2 ) = γ xα1 xβ2
mit α, β, γ
> 0 wird in den Wirtschaftswissenschaften häufig als
Produktions- oder Nutzenfunktion verwendet.
• Eine Funktion kann wie im Falle der Cobb-Douglas-Funktion
zusätzlich von Parametern abhängen.
• Wählt man speziell α = 1, β =
√
Funktion f (x1 , x2 ) = x1 x2 .
1
2
und γ
= 1, entsteht die
• Betrachtet man hierbei f (x1 , x2 ) nur in Abhängigkeit von x2 bei
konstant gehaltenem x1 = 1, so erhält man die Wurzelfunktion.
48
1,0
0,75
0,5
0,25
1,0
0,0
1,0
0,75
0,75
0,5
0,5
x1
0,25
0,25
0,0
x2
0,0
√
Graph der Cobb-Douglas-Funktion f (x1 , x2 ) = x1 x2 .
49
Beispiel: Die bivariate Funktion
(x1 + 2)2 (x2 + 1)2
+
−1
f (x1 , x2 ) =
4
9
ist auf R2 definiert.
• Die Menge der Nullstellen von f ,
2
2
(x1 + 2)
(x2 + 1)
(x1 , x2 ) :
+
−1=0 ,
4
9
ist eine Ellipse um (−2, −1) mit Hauptachsen der Länge 2 bzw.
3, die zu den Koordinatenachsen parallel verlaufen.
50
-0,6
-0,7
-0,8
-0,9
-1,0
-3
-2
-1
x2
0
1 -4
Graph der Funktion f (x1 , x2 )
51
=
-3
-2
-1
0
x1
(x1 +2)2
4
+
(x2 +1)2
9
− 1.
x2
f (x1 , x2 ) = 0
x1
Höhenlinien der Funktion f (x1 , x2 )
52
=
(x1 +2)2
4
+
(x2 +1)2
9
− 1.
• Man betrachte die drei Funktionen
f (x1 , x2 ) = x1 x2 ,
g(x1 , x2 ) = x1 + x2 ,
h(x1 , x2 ) = min{x1 , x2 }
mit x1 , x2
≥ 0.
• Alle drei Funktionen nehmen an der Stelle (x1 , x2 ) = (0, 0)
ihren kleinsten Wert an.
53
x2
x2
x2
4
3
2
1
5
4
3
2
1
4
3
2
1
x1
x1
1 2 3 4
1 2 3 4
4
4
3
3
3
0
1,5
4
0,5
0,0
0,5
1,0
x2
1,5
2,0
0,0
2,0
1,5
1
1,0 x1
3
0
2
2,0
1,5
1
1,0 x1
2
0
2
2,0
1
3
1 2 3 4 5
4
2
4
x1
4
0,5
2
0,5
1,0
x2
1,5
2,0
0,0
2,0
1,5
1
1,0 x1
1,5
1
1,0 x1
0,0
2,0
3
0
1,0 x1
0,5
0,0
2
0,5
1,0
x2
1,5
0,5
0,5
1,0
x2
1,5
2,0
0,0
0
0,5
0,0
0,5
1,0
x2
1,5
54
2,0
0,0
0
0,0
2,0
1,5
1
1,0 x1
Höhenlinien der Funktionen f , g und h .
0,0
2,0
0,0
0,5
0,5
1,0
x2
1,5
2,0
0,0
Definition (Monotonie): Eine bivariate reelle Funktion steigt
monoton, wenn sie bezüglich jedes Arguments monoton steigt
(wobei das jeweils andere Argument konstant gehalten wird). Sie
steigt streng monoton, wenn sie bezüglich jedes Arguments streng
monoton steigt. Entsprechend sagt man, die Funktion fällt (streng)
monoton, wenn sie bezüglich der einzelnen Argumente (streng)
monoton fällt.
• Die Funktionen f (x1 , x2 ) = x1 x2 und g(x1 , x2 ) = x1 + x2
sind streng monoton steigend.
• Die Funktion h(x1 , x2 ) = min{x1 , x2 } ist hingegen nur
monoton, jedoch nicht streng monoton steigend.
55
Definition (Konvexität und Konkavität): Eine bivariate reelle
Funktion heißt konkav, wenn die gerade Verbindungslinie zweier
Punkte ihres Graphen stets unterhalb des Graphen liegt. Die Funktion
heißt konvex, wenn diese Verbindungslinie stets oberhalb des
Graphen liegt.
• Die Funktion
(x1 + 2)2 (x2 + 1)2
f (x1 , x2 ) =
+
−1
4
9
ist konvex.
• Die Funktionen f (x1 , x2 ) = x1 x2 und
h(x1 , x2 ) = min{x1 , x2 } sind hingegen konkav.
56
1.4 Multivariate Funktionen
• Die in ökonomischen Modellen auftretenden Funktionen sind
häufig Funktionen von mehr als zwei Argumenten.
• Beispiel: Die Produktion eines Gutes erfordert den Einsatz von n
Faktoren, wobei n eine beliebige natürliche Zahl darstellt.
• Eine solche reelle Funktion von mehreren Argumenten
bezeichnet man als multivariate Funktion.
• Analog zu den Punkten (x1 , x2 ) im R2 und (x1 , x2 , x3 ) im R3
fasst man n reelle Zahlen gemeinsam als Punkt auf.
57
• Man bezeichnet die Menge aller solchen Punkte als
n-dimensionalen Euklidischen Raum Rn :
Rn = {(x1 , x2 , . . . , xn ) : xi ∈ R , i = 1, 2, . . . , n} .
• Eine reelle Funktion mit n Argumenten hat als Definitionsbereich
eine Teilmenge A ⊂ Rn , d.h.
f:
A
→ R
(x1 , . . . , xn ) 7→ y = f (x1 , . . . , xn ) .
• Ökonomische Variablen sind meist positiv (z.B. Mengen, Preise,
Lagerbestände, etc.).
58
• Darum tritt der nichtnegative Orthant des Rn , d.h.
Rn+ = {(x1 , x2 , . . . , xn ) ∈ Rn : xi ≥ 0, i = 1, 2, . . . , n}
als Definitionsbereich zahlreicher n-variater ökonomischer
Funktionen auf.
• Häufig ist jede einzelne Komponente xi auf ein offenes Intervall
] ai , bi [ beschränkt.
• Dann bilden die entsprechenden Punkte ein offenes
n-dimensionales Intervall der Form
] a, b [ = ] a1 , b1 [ × · · · × ] an , bn [ .
59
• Analog bildet man n-dimensionale abgeschlossene und
halboffene Intervalle.
• Solche Intervalle können endlich oder unendlich sein. Z.B. stellen
Rn und ebenso Rn+ Intervalle dar.
2
b2
a2
1
a1
b1
Zweidimensionales abgeschlossenes Intervall.
60
• Die allgemeine Form der Cobb-Douglas-Funktion lautet
f (x1 , x2 , . . . , xn ) = γxα1 1 xα2 2 · . . . · xnαn
mit (x1 , x2 , . . . , xn )
∈ Rn+ und γ, α1 , . . . , αn > 0 .
• Sei f (x1 , . . . , xn ) der Nutzen, den ein Konsument aus den
Mengen x1 des Gutes 1 bis xn des Gutes n erzielt. Eine
spezielle Nutzenfunktion ist die additiv-logarithmische Funktion
f (x1 , . . . , xn ) = b1 ln (x1 ) + . . . + bn ln (xn )
mit (x1 , x2 , . . . , xn )
∈ Rn+ und b1 , . . . , bn > 0 .
• Es gilt f (x1 , . . . , xn ) = ln (xb11 · . . . · xbnn ). Also ist diese
Nutzenfunktion eine logarithmierte Cobb-Douglas-Funktion.
61
Definition (Monotonie): Eine reelle Funktion von mehreren
Argumenten steigt bzw. fällt (streng) monoton, wenn sie bezüglich
jeder einzelnen Argumente (streng) monoton steigt bzw. fällt (wobei
die jeweils anderen Argumente konstant gehalten werden).
• Die Cobb-Douglas-Funktion ist offenbar streng monoton steigend.
• Sie nimmt ihr Minimum bei (x1 , x2 , . . . , xn ) = (0, 0, . . . , 0) an.
• Ein Maximum existiert hingegen nicht.
• Die Isoquante zu einem vorgegebenen Output q besteht aus allen
Input-Bündeln (x1 , x2 , . . . , xn ), mit denen der Output q erzielt
werden kann.
62
5
5
4
4
3
3
5
2
4
3
1
2
0
0
2
3
x2
4
5
4
3
1
x1
0
1
1
5
2
0
2
0
1
1
2
3
x2
4
5
0
√ √
Graph der Cobb-Douglas-Funktion f (x1 , x2 ) = x1 x2 (links)
und der Nutzenfunktion f (x1 , x2 ) = ln (x1 ) + ln (x2 ) (rechts).
63
x1
Wiederholung
• Funktionen
• Treppenfunktionen, beschränkte Funktionen
• Monoton steigende und fallende Funktionen
• Konvexe und konkave Funktionen
• Umkehrung und Verkettung von Funktionen
• Exponentialfunktion, Logarithmus
• Bivariate und multivariate Funktionen
• Höhenlinien einer bivariaten Funktion
• Cobb-Douglas-Funktion
64
2 Folgen und Reihen
2.1 Zahlenfolgen
• Das Spinnwebmodell (Englisch: Cobweb Model) beschreibt die
wechselseitige Anpassung von Angebot und Nachfrage auf einem
Gütermarkt.
• Es handelt sich um ein dynamisches Periodenmodell für den
Preis und die Menge des Gutes.
• Der Hersteller des Gutes bestimmt in jeder Periode den Preis.
• Der Preis des Gutes in Periode n ∈ N wird mit pn bezeichnet.
• Gegeben sei zunächst ein Startpreis p0 .
65
• Die Nachfrage in Periode 0 hänge nun linear von p0 ab. Genauer:
Es gelte q0 = a + bp0 mit b < 0 .
• Darüber hinaus gelte qn = a + bpn in jeder Periode n ∈ N .
• Der Produzent passt den Preis in der darauf folgenden Periode
anhand der Formel p1 = c + dq0 mit d > 0 an.
• Allgemein stellt sich der Preis in jeder Periode n ∈ N gemäß
pn = c + dqn−1 ein.
• Er reagiert also stets mit einer zeitlichen Verzögerung (Lag) von
einer Periode.
66
• Setzt man die Nachfragegleichung qn = a + bpn in die
Angebotsgleichung pn = c + dqn−1 ein, so erhält man die
Rekursionsgleichung
pn = c + d(a + bpn−1 ) = c + ad + bdpn−1 = α + βpn−1
mit α
= c + ad und β = bd .
• Ersetzt man nun pn−1 durch α + βpn−2 , so ergibt sich
pn = α + β(α + βpn−2 ) = α + αβ + β 2 pn−2 .
67
• Wiederholt man diesen Vorgang so lange, bis auf der rechten
Seite der Startpreis p0 erscheint, erhält man
pn = α + αβ + . . . + αβ n−1 + β n p0
!
n
n
X
α X i
i−1
n
β − 1 + β n p0 .
= α
β + β p0 =
β i=0
i=1
• Daraus ergeben sich nun z.B. folgende Fragen:
1. Unter welchen Bedingungen „strebt der Preis pn mit
fortschreitender Zeit n gegen einen Gleichgewichtspreis“?
2. Welcher Preis stellt sich im Gleichgewicht ein?
3. Hängt dieser Gleichgewichtspreis vom Startwert p0 ab?
68
Definition (Folge): Eine Funktion
N → R,
n 7→ an ,
heißt Zahlenfolge oder kurz Folge in R. Als Symbol für die Folge
schreibt man {an }n∈N oder auch kurz {an }. Die Zahl an wird als
n-tes Folgenglied bezeichnet.
a)
1, 4, 9, 16, . . . , d.h. an = n2 .
b)
−1, 1, −1, 1, −1, 1, . . . , d.h. an = (−1)n .
c)
1
, . . . , d.h. an =
1, 41 , 19 , 16
1
n2
.
{β n p0 } mit β ∈ R und p0 > 0 .
Pn
e) { i=0 β i } mit β ∈ R .
d)
69
• Die Folge {1/n} = 1, 12 , 31 , 14 , . . . „konvergiert“ oder „strebt“
gegen Null.
1
• Gleiches gilt z.B. auch für die Folge {2−n } = 12 , 14 , 18 , 16
,....
• Es ist zunächst nicht eindeutig klar, was es bedeutet, dass eine
Folge einen „Grenzwert“ (z.B. Null) besitzt.
• D.h. die Begriffe Konvergenz und Grenzwert müssen zunächst
präzise definiert werden.
70
Definition (Konvergenz): Eine Folge {an }n∈N reeller Zahlen
konvergiert gegen eine reelle Zahl a , wenn es für jedes beliebig
gewählte ε
> 0 eine Zahl Nε ∈ N gibt, so dass
|an − a| < ε für alle n ≥ Nε .
Die Zahl a heißt dann Grenzwert der Folge und man schreibt
limn→∞ an = a oder kurz lim an = a . Weitere Schreibweisen sind
n→∞
an −−−→ a oder auch einfach nur an → a . Eine Folge {an }n∈N
heißt konvergent, wenn sie gegen eine reelle Zahl a konvergiert.
Eine Folge heißt divergent, wenn sie nicht konvergent ist. Eine Folge
mit Grenzwert Null nennt man Nullfolge.
71
• Ob eine Folge konvergent ist oder nicht, hängt nicht davon ab,
welche Werte die ersten Folgenglieder haben, sondern nur davon,
wie sich die späteren Folgenglieder „verhalten“.
• Ändert man also bei einer konvergenten Folge mit Grenzwert a
z.B. die ersten zehn Folgenglieder ab, so ist die entstehende
Folge nach wie vor konvergent gegen a .
• Allgemein kann man bei einer Folge eine endliche Anzahl von
Folgengliedern ändern, ohne dass sich das Konvergenzverhalten
dieser Folge ändert.
72
an
1.0
0.5
a+ε
n
a−ε
-0.5
-1.0
Zwei konvergente Folgen.
73
• Bei einfachen Folgen lässt sich mit Hilfe dieser Definition
nachweisen, dass diese einen bestimmten Grenzwert besitzt.
• Dazu muss man allerdings den möglichen Grenzwert kennen
oder zumindest vermuten.
• Bei komplizierteren Folgen ermittelt man den Grenzwert mit Hilfe
von Rechenregeln, die später erläutert werden.
Beispiel: Wir betrachten die Folge { n1 }
= 1, 12 , 13 , . . . . Wie bereits
erwähnt, konvergiert diese Folge gegen Null. Um das zu beweisen,
muss man zeigen, dass zu jedem ε
dass
> 0 eine Zahl Nε existiert, so
1
− 0 < ε für alle n ≥ Nε .
n
74
Es gilt
1
− 0 = 1 = 1 .
n
n n
D.h. n1
< ε genau dann, wenn n > 1/ε . Wählt man also Nε als die
kleinste natürliche Zahl, die größer als 1/ε ist, so erfüllt dieses Nε
gerade unsere Forderung.
Z.B. ist für ε
= 0.1 die gesuchte Zahl Nε = 11. Ab dieser Zahl
haben alle weiteren Folgenglieder einen kleineren Abstand als 0.1
von Null.
Für ε
= 0.000001 ist das gesuchte Nǫ = 1000001. Ab dieser Zahl
haben alle Folgenglieder einen Abstand von Null, der geringer als
0.000001 ist.
75
• Die Folge {n} = 1, 2, 3, . . . konvergiert offenbar nicht.
• Die Folgenglieder werden immer größer und übersteigen
schließlich jede beliebig vorgegebene reelle Zahl.
• Eine solche Folge nennt man bestimmt divergent.
76
Definition (Bestimmte Divergenz): Eine Folge {an }n∈N heißt
bestimmt divergent gegen ∞, wenn es zu jeder reellen Zahl M
eine Zahl NM
∈ N gibt, so dass
an > M für alle n ≥ NM .
Sie heißt bestimmt divergent gegen −∞, wenn es zu jeder reellen
Zahl M eine Zahl NM gibt, so dass
an < M für alle n ≥ NM .
Ist {an }n∈N bestimmt divergent gegen ∞, so schreibt man
n→∞
limn→∞ an = ∞ , lim an = ∞ , an −−−→ ∞ oder auch einfach
nur an → ∞ . Entsprechende Schreibweisen verwendet man für
Folgen, welche bestimmt gegen −∞ divergieren.
77
• Diese Schreibweise soll nicht darüber hinweg täuschen, dass
solche Folgen nicht konvergieren!
• Insofern kann ∞ bzw. −∞ nicht als Grenzwert einer bestimmt
divergenten Folge angesehen werden.
• Da Folgen nichts anderes als Funktionen von N nach R sind,
kann man die Begriffe Beschränktheit und Monotonie
unmittelbar auf Folgen übertragen.
• Eine Folge {an }n∈N ist also beschränkt, wenn es eine reelle Zahl
M gibt, so dass |an | ≤ M für alle n ∈ N.
• Eine Folge {an }n∈N heißt monoton steigend, wenn an ≤ an+1
für alle n ∈ N gilt.
78
• Entsprechend sind monoton fallende Folgen definiert.
• Eine Folge heißt monoton, wenn sie monoton steigt oder monoton
fällt.
Satz 1 (Konvergenz und Beschränktheit I) Jede konvergente Folge
reeller Zahlen ist beschränkt.
• Der Umkehrschluss gilt nicht, d.h. nicht jede beschränkte Folge
reeller Zahlen ist konvergent!
• Man betrachte z.B. die Folge {(−1)n } = −1, 1, −1, 1, . . . .
• Diese Folge springt zwischen den Punkten −1 und +1 hin und
her. Es handelt sich um eine sogenannte alternierende Folge.
79
• Wenn eine beschränkte Folge monoton steigt, so werden die
Folgenglieder immer größer (oder zumindest nicht kleiner).
• Nach oben hin ist dann nicht mehr genug Platz, so dass sich die
Folgenglieder schließlich bei einem Wert a ≤ M häufen müssen.
Satz 2 (Konvergenz und Beschränktheit II) Jede beschränkte und
monotone Folge reeller Zahlen ist also konvergent.
80
an
M
a
n
1
2
3
4
5
6
7
8
9 10 11 12
−M
Eine beschränkte, monoton steigende Folge, die gegen a konvergiert.
81
Beispiel: Man betrachte die geometrische Folge {q n }.
< 1): In diesem Fall ist die Folge {q n } konvergent und es
gilt limn→∞ q n = 0 .
Fall 1 (|q|
Fall 2 (q
= 1): Dann ist q n = 1 für alle n ∈ N. Die Folge ist also
konvergent mit Grenzwert Eins.
= −1): Die Folge ist divergent und nimmt abwechselnd die
Werte 1 und −1 an.
Fall 3 (q
Fall 4 (q
> 1): Die Folge ist bestimmt divergent gegen ∞ .
Fall 5 (q
< −1): Die Folge ist unbestimmt divergent. Sie ist
unbeschränkt mit alternierendem Vorzeichen.
82
(0.5)n
1
0.5
0
1500
1000
500
0
0
0
5
5
n
10
10
(−1)n
1
0
-1
2000
1000
0
0
0
-1000
(−2)n
83
5
n
5
10
10
Die vier nicht-trivialen Fälle einer geometrischen Folge.
2n
Satz 3 (Einschließungskriterium) Seien {an }, {bn } und {cn }
Folgen in R, so dass limn→∞ an
eine Zahl N0 , so dass
= limn→∞ cn = x ∈ R. Existiert
an ≤ bn ≤ cn
so gilt auch limn→∞ bn
für alle n
≥ N0 ,
= x.
• Man sagt, die Folge {bn } wird von den Folgen {an } und {cn }
eingeschlossen.
• Mit diesem Einschließungskriterium kann man die Konvergenz
von Folgen nachweisen und deren Grenzwert bestimmen.
84
Beispiel: Man betrachte die Folge {bn } mit bn
= 2−n . Zu zeigen ist,
dass {bn } eine Nullfolge ist. Zu diesem Zweck werden zwei Folgen
{an } und {cn } gesucht, von denen man bereits weiß, dass
1. diese gegen Null konvergieren und
2.
an ≤ bn ≤ cn für alle hinreichend großen n ∈ N gilt.
Man mache sich klar, dass
1
1
für alle n ∈ N .
0≤ n ≤
2
n
D.h. mit an
= 0 und cn = n−1 folgt limn→∞ 2−n = 0 .
85
Satz 4 (Grenzwert einer arithmetischen Operation I) Seien {an }
und {bn } zwei konvergente Folgen mit
lim an = a
n→∞
und
lim bn = b .
n→∞
Dann gilt
(i)
limn→∞ (an + bn ) = a + b ,
(ii)
limn→∞ (an − bn ) = a − b ,
(iii)
limn→∞ (an · bn ) = a · b und
(iv)
limn→∞ (an /bn ) = a/b , sofern b 6= 0 .
86
Satz 5 (Grenzwert einer arithmetischen Operation II) Seien {an }
und {bn } zwei Folgen mit
lim an = ∞
n→∞
und
lim bn = b .
n→∞
Dann gilt
(i)
limn→∞ (an + bn ) = ∞ ,
(ii)
limn→∞ (an − bn ) = ∞ ,
(iii)
limn→∞ (an · bn ) = sign(b) ∞ für b 6= 0 und
(iv)
limn→∞ (an /bn ) = sign(b) ∞ für b 6= 0 .
87
Satz 6 (Grenzwert einer arithmetischen Operation III) Seien {an }
und {bn } zwei Folgen mit
lim an = a
n→∞
und
lim bn = ∞ .
n→∞
Dann gilt
(i)
limn→∞ (an + bn ) = ∞ ,
(ii)
limn→∞ (an − bn ) = −∞ ,
(iii)
limn→∞ (an · bn ) = sign(a) ∞ für a 6= 0 und
(iv)
limn→∞ (an /bn ) = 0 für b 6= 0 .
88
Beispiel: Zu bestimmen sei der Grenzwert der Folge {an } mit
5
7
1 1
1
an =
− 10 + √
= 5 · · n − 10 − 7 · √ .
n
n2
n 2
n
n
Wegen
1
lim = 0 ,
n→∞ n
1
lim n = 0 und
n→∞ 2
1
lim √ = 0
n→∞
n
erhält man
lim an = 5 · 0 · 0 − 10 − 7 · 0 = −10 .
n→∞
89
Beispiel: Gesucht ist nun der Grenzwert der Folge {an } mit
6n5 − 3n
6 − 3n−4
.
an = √
= −9/2
−5
5
n
+n −2
n + 1 − 2n
Jetzt befinden sich im Zähler und Nenner konvergente Folgen und
man erhält
6−0
lim an =
= −3 .
n→∞
0+0−2
Achtung: Die Sätze über die Konvergenz arithmetischer Operationen
setzen voraus, dass {an } oder {bn } konvergieren! Falls {an } und
{bn } divergieren, kann keine allgemeine Aussage getroffen werden.
90
Beispiele
• Gegeben seien {an } und {bn } mit an = 2n und bn = n . Es gilt
offenbar an → ∞ und bn → ∞ . Man erhält jedoch nicht etwa
„ ∞ − ∞ = 0 “ als Grenzwert, sondern
an − bn = 2n − n = n → ∞ .
• Nun seien {an } und {bn } gegeben durch an = (−1)n und
bn = (−1)n−1 . Beide Folgen divergieren, jedoch gilt nun
an + bn = (−1)n + (−1)n−1 = (1 + (−1)−1 )(−1)n
= (1 − 1)(−1)n = 0
d.h. {an
− bn } ist tatsächlich eine Nullfolge.
91
Proposition 1 Seien {an } und {bn } zwei Folgen. Ist {an } eine
Nullfolge und {bn } beschränkt, so ist auch {an bn } eine Nullfolge.
• Wenn {an } eine Nullfolge, jedoch {bn } nicht beschränkt ist, kann
man über die Konvergenz der Folge {an bn } keine allgemeine
Aussage treffen.
• Ob die Folge {an bn } konvergiert oder nicht, hängt davon ab, ob
„{an } schneller gegen Null, als {bn } gegen unendlich geht“.
• Sei z.B. an = 1/n2 und damit {an } eine Nullfolge. Ferner sei
bn = n , {bn } also unbeschränkt. Dann gilt an bn = 1/n → 0 .
• Für alle bn = nk mit k > 2 erhält man hingegen an bn → ∞ .
92
Definition (Asymptotische Äquivalenz): Zwei Folgen {an } und
{bn } sind asymptotisch äquivalent (kurz: an ∼ bn ), falls
an
= 1.
lim
n→∞ bn
√
Beispiel: Man betrachte −2n + n − 2 ∼ −2n2 und
1/n − n2 ∼ −n2 . Daraus folgt
√
√
2
2
2
−2n (−2n + n − 2)/(−2n2 )
−2n + n − 2
=
→ 2.
2
2
2
2
1/n − n
−n
(1/n − n )/(−n )
|
{z
}
2
→1
Die Terme mit der höchsten Potenz bestimmen also das
Konvergenzverhalten der Quotientenfolge.
93
Satz 7 (Cauchy-Kriterium) Eine Folge {an } konvergiert genau
dann, wenn es für jedes ε
> 0 eine natürliche Zahl Nε gibt, so dass
|am − an | < ε
für alle m, n
≥ Nε .
• Das Cauchy-Kriterium ist eine notwendige und hinreichende
Bedingung für die Konvergenz einer Folge.
• D.h. dieses Kriterium muss zwangsläufig erfüllt sein, damit eine
Folge {an } konvergiert.
• Umgekehrt garantiert dieses Kriterium die Konvergenz von {an } .
• Mit Hilfe des Cauchy-Kriteriums kann man die Konvergenz einer
Folge nachweisen, ohne ihren Grenzwert zu kennen.
94
• Nun betrachten wir wieder das Spinnweb-Modell.
• Zur Erinnerung: Der Güterpreis in Periode n ∈ N beträgt
!
n
α X i
pn =
β − 1 + β n p0 .
β i=0
• Bei {β n p0 } handelt es sich um eine geometrische Folge. Diese
konvergiert gegen Null, falls |β| < 1 .
• In diesem Fall hängt der Grenzwert von {β n p0 } also nicht vom
Startpreis p0 ab.
• Zu klären ist nun noch die Frage, gegen welchen Wert
Pn
i
gegebenenfalls {α/β
β
− 1} konvergiert.
i=0
95
2.2 Reihen
Definition (Reihe): Sei {an } eine Folge reeller Zahlen. Die Größe
sn = a1 + a2 + . . . + an =
n
X
ai .
i=1
heißt n-te Partialsumme der Folge {an }. Die Folge {sn } der
Partialsummen heißt Reihe. Konvergiert diese Reihe gegen eine
reelle Zahl s , so schreibt man
s = lim
n→∞
n
X
i=1
ai =
∞
X
ai
i=1
für den Grenzwert.
96
• Wenn die untere Summationsgrenze einer Reihe nicht gleich Eins
ist (d.h. i 6= 1), so lässt sich eine Partialsumme stets in eine
äquivalente Darstellung mit i = 1 überführen.
• Beispiel:
n
n
X
X
1
1
1
=
− .
i
i
2
2
2
i=1
i=2
• Aus diesem Grund spricht man unabhängig von der gewählten
Summationsgrenze immer von einer Reihe.
Pn i
• Ein typisches Beispiel ist die geometrische Reihe { i=0 q }
mit q ∈ R .
97
2.2.1
Die geometrische Reihe
• Um das Konvergenzverhalten der geometrischen Reihe zu
bestimmen, untersuchen wir zunächst die Partialsummen
n
X
qi = 1 + q + q2 + . . . + qn .
i=0
• Es gilt
(1 − q)
n
X
q i = 1 + q + q 2 + . . . + q n−1 + q n
i=0
− q − q 2 − . . . − q n−1 − q n − q n+1
= 1 − q n+1 .
98
• Daraus folgt
n
X
i=0
1 − q n+1
,
=
1−q
q 6= 1 .
• Man bezeichnet diese Gleichung als Summenformel für die
geometrische Reihe.
• Mit Hilfe der Summenformel lässt sich das Konvergenzverhalten
der geometrischen Reihe untersuchen.
• Ist |q| < 1, so erhält man mit den bekannten Rechenregeln für
Grenzwerte
lim
n→∞
n
X
i=0
1 − q n+1
1 − lim q n+1
1
q = lim
=
=
.
n→∞ 1 − q
1−q
1−q
i
99
• Das vorhergehende Resultat ist nur für |q| < 1 gültig!
• Für |q| ≥ 1 divergiert die geometrische Reihe.
• Das folgt aus den bereits bekannten Eigenschaften für
geometrische Folgen.
• Gelegentlich ist die untere Summationsgrenze der geometrischen
Reihe nicht Null, sondern Eins.
• Man erhält dann die alternativen Formeln
n
X
i=1
falls |q|
n+1
q
−
q
qi =
1−q
und
∞
X
i=1
< 1.
100
q
q =
1−q
i
• Das lässt sich wie folgt zeigen:
n
X
qi =
i=1
und weiterhin
n
X
i=0
n+1
n+1
1
−
q
q
−
q
qi − 1 =
−1=
1−q
1−q
1 − qn
1
q
q − q n+1
=q·
−→ q ·
=
.
1−q
1−q
1−q
1−q
• Zur Erinnerung: Der Güterpreis in Periode n ∈ N beträgt
!
n
α X i
pn =
β − 1 + β n p0 .
β i=0
• Die geometrische Folge {β n p0 } konvergiert im Fall |β| < 1
gegen Null.
101
Pn
• Offenbar ist { i=0 β i } eine geometrische Reihe und besitzt den
Grenzwert
lim
n→∞
n
X
i=0
1
β =
.
1−β
i
• Das bedeutet, der Güterpreis pn strebt mit fortschreitender Zeit
gegen den Wert
n
X
!
α
p = lim
β i − 1 + β n p0
n→∞ β
i=0
α
1
α
=
−1 =
.
β 1−β
1−β
• Wenn wir vorher gewusst hätten, dass {pn } konvergiert, hätten
wir den Grenzwert einfacher ausrechnen können.
102
• Man erinnere sich, dass
pn = α + βpn−1 .
• Da sich pn und pn−1 für große n ∈ N nicht mehr wesentlich vom
Grenzwert p unterscheiden, folgt daraus
α
p = α + βp
=⇒
p=
.
1−β
• Ergo:
1. Der Preis pn strebt gegen einen Gleichgewichtspreis p genau
dann, wenn |β|
< 1.
2. Der Gleichgewichtspreis beträgt p
= α/(1 − β).
3. Ferner hängt dieser nicht vom Startpreis p0 ab.
103
2.2.2
Finanzmathematik
• Ein Konto habe ein Anfangsguthaben von K0 ∈ R .
• Das Konto wird über n Perioden verzinst.
• Dabei kann eine solche Periode ein Jahr, ein Quartal, ein Monat
oder auch nur ein Tag sein.
• Innerhalb einer Periode erfolgen keine Ein- oder Auszahlungen,
sondern lediglich am Ende einer Periode.
• Dann bezeichne Zi die Höhe der Ein- oder Auszahlung am Ende
der i-ten Periode.
• Das Guthaben am Ende der i-ten Periode inklusive der Ein- oder
Auszahlungen und etwaiger Zinszahlungen sei Ki .
104
• Der Zinssatz pro Periode sei p , d.h. ein Zinssatz von p = 0.08
entspricht einer Verzinsung von 8%.
• Der Zinssatz bleibe in allen Perioden gleich.
• Insgesamt verwenden wir also die folgenden Bezeichnungen:
K0
Anfangsguthaben,
n
Anzahl der Perioden,
Zi
Ein- bzw. Auszahlung am Ende der i-ten Periode,
Ki
Guthaben am Ende der i-ten Periode,
p
Zinssatz.
• Bei der nachschüssigen Verzinsung werden dem Konto am
Ende jeder Periode Zinsen gutgeschrieben.
105
• Die Zinszahlung erfolgt hierbei anhand des zu Beginn der Periode
vorhandenen Guthabens.
• Die Zinsen werden in den folgenden Perioden mit dem Konto
verzinst (Zinseszinsen).
• Neben der nachschüssigen Verzinsung gibt es auch die – in der
Praxis sehr selten angewandte – vorschüssige Verzinsung.
• Hierbei werden die Zinsen auf das vorhandene Guthaben bereits
zu Beginn einer Periode gutgeschrieben.
106
• Bei nachschüssiger Verzinsung setzt sich somit das Guthaben am
Ende der ersten Periode aus dem Anfangsguthaben K0 , der
Zinszahlung pK0 und der Einzahlung Z1 zusammen:
K1 = K0 + pK0 + Z1 = (1 + p)K0 + Z1 .
• Entsprechend gilt für die i-ten Periode:
Ki = (1 + p)Ki−1 + Zi .
• Die allgemeine Zinseszinsformel lautet nun
n
X
Kn = (1 + p)n K0 +
(1 + p)n−i Zi .
i=1
• Der Faktor 1 + p heißt Aufzinsungsfaktor.
107
• Gegeben sei eine Menge von Zahlungen Z1 , . . . , Zn .
• Nach Ablauf von n Perioden soll eine Schuld W durch diese
Zahlungen vollständig getilgt sein, d.h. Kn = 0 gelten.
• Gesucht ist nun der Wert der Anfangsschuld W , die durch die
Zahlungen vollständig getilgt wird.
• Setzt man K0 = −W und Kn = 0 in die Zinseszinsformel ein,
so erhält man
n
X
0 = −(1 + p)n W +
(1 + p)n−i Zi .
i=1
108
• Auflösen dieser Gleichung nach W ergibt dann
n
n
X
X
W = (1 + p)−n
(1 + p)n−i Zi =
(1 + p)−i Zi .
i=1
i=1
• Man erhält also die Barwertformel
n
X
Zi
.
W =
i
(1 + p)
i=1
• Der Faktor 1/(1 + p) heißt Abzinsungsfaktor oder
Diskontierungsfaktor und der Wert W wird als Barwert der
Zahlungsreihe Z1 , . . . , Zn bezeichnet.
• Der Barwert einer Zahlungsreihe kann je nach Sichtweise
unterschiedlich interpretiert werden.
109
• Aus der Sicht eines Gläubigers ist W derjenige Kredit, der durch
die Zahlungen Z1 , . . . , Zn abgetragen wird.
• Aus der Sicht eines Investors ist W der Wert einer Investition,
welche die Einzahlungen Z1 , . . . , Zn erwirtschaftet.
• Aus Sicht eines Rentenbeziehers wird W als Barwert der
künftigen Rentenzahlungen Z1 , . . . , Zn interpretiert.
• Der Barwert einer Einzahlung Zn , welche erst in Zeitpunkt n
erfolgt, beträgt
Zn
W =
.
n
(1 + p)
110
• Beispiel: Der Barwert von 10000 E in fünf Jahren, bei einem
Zinssatz von 6%, beträgt
10000 E
= 7472.58 E .
W =
5
1.06
• Eine Rente besteht aus gleich bleibenden Einzahlungen der Höhe
R am Ende der Perioden 1, . . . , n .
• Der Barwert einer solchen Rente beträgt
i
n X
1
W =
R=
1+p
i=1
1
1+p
−
1−
1
1+p
n+1
1
1+p
·R.
• Das folgt aus der Summenformel für die geometrische Reihe,
indem man q = 1/(1 + p) setzt.
111
• Durch eine Erweiterung mit 1 + p erhält man die etwas
kompaktere Formel
n R
1
W =
1−
.
p
1+p
• Der Ausdruck in der Klammer ist kleiner als Eins, d.h. W < R/p .
112
Beispiel
• Gegeben sei eine monatliche Rente in Höhe von 1000 E.
• Die Laufzeit betrage sechs Jahre bei einem jährlichen Zinssatz
von 6%.
• D.h. R = 1000, p = 0.06/12 = 0.005 und n = 6 · 12 = 72 .
• Daraus ergibt sich als Barwert
1000 E
1
W =
1−
= 60339.51 E .
72
0.005
1.005
113
• Nun soll eine Schuld W innerhalb von n Perioden vollständig
durch eine gleich bleibende Zahlung der Höhe A am Ende jeder
Periode getilgt werden.
• Der Betrag A wird Annuität genannt und man bezeichnet den
entsprechenden Kredit als Annuitätendarlehen.
• Um zu bestimmen, wie hoch die Annuität sein muss, setzt man in
die Barwertformel alle Zahlungen Z1 = . . . = Zn gleich A.
• Daraus ergibt sich der Rentenbarwert
n A
1
1−
W =
.
p
1+p
114
• Stellt man diese nach A um, so ergibt sich
pW
A=
n .
1 − (1/(1 + p))
• Beispiel: Es soll eine Schuld in Höhe von 100000 E bei einem
Zinssatz von 7% in 25 Jahren getilgt werden. Die Annuität beträgt
dann
0.07 · 100000 E
A=
25 = 8581.05 E .
1 − (1/1.07)
• Sind die Schuld W , der Zinssatz p und die Annuität A gegeben,
so lässt sich die (Rest-)Laufzeit des Annuitätendarlehens
berechnen.
• Dazu löst man die Barwertformel nach n auf.
115
• Zunächst erhält man
1
1+p
n
pW
=1−
.
A
• Logarithmieren liefert nun
1
pW
n ln
= ln 1 −
1+p
A
und schließlich
ln (1 − pW/A)
n=
.
ln (1/(1 + p))
116
Beispiel
Jahr
Restschuld
Zinsen
Tilgung
Annuität
1
100000
7000
1581.05
8581.05
2
98418.95
6889.33
1691.72
8581.05
3
..
.
96727.23
..
.
6770.91
..
.
1810.14
..
.
8581.05
..
.
25
8019.67
561.38
8019.67
8581.05
Tilgungsplan
117
2.2.3
Konvergenzkriterien für Reihen
• In den meisten Fällen lassen sich für Reihen keine geschlossenen
Ausdrücke finden, wie etwa im Beispiel der geometrischen Reihe.
• Im Folgenden werden Kriterien vorgestellt, anhand derer man
gegebenenfalls überprüfen kann, ob eine Reihe konvergiert.
Satz 8 (Notwendige Bedingung für die Konvergenz einer Reihe)
Pn
Wenn { i=1 ai } konvergent ist, dann ist {an } eine Nullfolge.
Pn
• D.h. { i=1 ai } kann nicht konvergieren, wenn an 9 0 .
• Mit Satz 8 kann lediglich gezeigt werden, dass eine gegebene
Reihe nicht konvergiert.
118
• Beispiel: Gegeben sei die Folge {an } mit an = 1 + 1/n → 1 .
Pn
Die Reihe { i=1 (1 + 1/i)} kann also nicht konvergieren.
• Achtung: Der Umkehrschluss ist nicht erlaubt!
• Beispiel: Aus 1/n → 0 folgt nicht etwa, dass die sogenannte
Pn
harmonische Reihe { i=1 1/i} konvergiert.
Pn
• Aus dem Cauchy-Kriterium folgt unmittelbar, dass { i=1 ai }
genau dann konvergiert, wenn für jedes ε > 0 ,
m
m
n
X
X X ai < ε
ai −
ai = i=1
für alle m
i=1
i=n+1
> n ≥ Nε ab einem hinreichend großen Nε .
119
Pn
Beispiel: Man betrachte die harmonische Reihe, d.h. { i=1 1/i}
und beachte, dass
2
X
1
i=2
i
4
X
1
i=3
i
8
X
1
i=5
i
16
X
1
i=9
i
1
=
,
2
1 1
1
=
+ ≥ ,
3 4
2
1 1 1 1
1
=
+ + + ≥ ,
5 6 7 8
2
1
1
1
1
1
1
1
1
1
=
+
+
+
+
+
+
+
≥ .
9 10 11 12 13 14 15 16
2
120
D.h. für jedes n
Zahl m
≥ N ∈ N lässt sich ein Index i ≥ n + 1 und eine
≥ i finden, so dass
m
X
1
1
≥ .
i
2
i≥n+1
Damit ist das Cauchy-Kriterium für die harmonische Reihe verletzt.
Pn
Satz 9 (Absolute Konvergenz) Sei { i=1 ai } eine absolut
konvergente Reihe, d.h.
(
n
X
i=1
)
|ai |
Pn
besitzt einen Grenzwert. Dann ist auch { i=1 ai } konvergent.
121
Pn
Satz 10 (Majorantenkriterium) Sei { i=1 bi } eine konvergente
Reihe mit bi ≥ 0 für alle i ∈ N. Existiert eine Zahl N ∈ N, so dass
|am | ≤ bm
Pn
Pn
für alle m ≥ N , so ist { i=1 |ai |} und damit auch { i=1 ai }
konvergent.
6 0 für alle i ∈ N. Existiert
=
eine Zahl N ∈ N und eine reelle Zahl q mit 0 < q < 1, so dass
ai+1 ≤ q für alle i ≥ N ,
ai Pn
so ist die Reihe { i=1 ai } konvergent.
Satz 11 (Quotientenkriterium) Sei ai
122
Beispiel: Man betrachte die Reihe
n
X
xi
i=0
für ein gegebenes x
i!
∈ R . Hierbei ist also ai = xi /i! . Für die
Quotienten ai+1 /ai erhält man
i+1
i+1
ai+1 x /(i + 1)! x · i! =
ai = xi /i!
xi · (i + 1)! |x|
1
=
<
für alle i > 2|x| − 1 .
i+1
2
P∞ i
Folglich konvergiert
i=0 x /i! gegen einen bestimmten Grenzwert.
Es handelt sich um ex mit der Eulerschen Zahl e = 2.71828 .
123
Spezielle Reihen und deren Grenzwerte
∞
X
1
1.
=e
i!
i=0
∞
X
1
i1
2.
(−1) =
i!
e
i=0
∞
X
i−1 1
3.
(−1)
= ln (2) (alternierende harmonische Reihe)
i
i=1
∞
X
1
1
4.
=
2
(geometrische
Reihe,
q
=
)
2
i
2
i=0
124
∞
X
2
i 1
5.
(−1) i = (geometrische Reihe, q = − 12 )
2
3
i=0
∞
X
6.
(−1)i−1
i=1
7.
∞
X
i=1
8.
∞
X
i=1
9.
∞
X
i=2
1
π
=
2i − 1
4
1
=1
i(i + 1)
1
1
=
(2i − 1)(2i + 1)
2
1
3
=
(i − 1)(i + 1)
4
125
∞
X
1
π2
=
10.
2
i
6
i=1
∞
2
X
1
π
11.
(−1)i 2 =
i
12
i=1
126
2.3 Stetigkeit von Funktionen
• Einer stetige Funktion ist eine, deren Graph man „ohne
abzusetzen“ zeichnen kann.
• Eine stetige Funktion darf also insbesondere keine „Sprünge“
haben.
• Problem: Es gibt neben Sprüngen weitere Typen sogenannter
Unstetigkeitsstellen.
• Umgekehrt sind auch manche Funktionen, die man intuitiv als
unstetig bezeichnen würde, im mathematischen Sinne stetig.
127
Definition (Grenzwert einer Funktion): Gegeben sei ein
⊂ R und eine Funktion f : D → R . Ferner sei
a ∈ R und {xn } eine Folge in D \ {a}, so dass xn → a . Gilt für
alle dementsprechenden Folgen f (xn ) → c ∈ R , so schreiben wir
Definitionsbereich D
lim f (x) = c .
x→a
Für a sind auch +∞ und −∞ zugelassen.
• Man beachte, dass bei der vorliegenden Definition die Folgen
{xn } niemals den Wert a annehmen dürfen.
• Damit ist z.B. die konstante Folge mit xn = a ausgeschlossen.
• Insbesondere muss der Grenzwert c nicht dem Funktionswert
f (a) entsprechen!
128
Beispiel: Gegeben sei die abschnittsweise definierte Funktion
siehe Abbildung 3.4.

 0
f (x) =
 1
für x
≤ a,
für x
> a.
f (x)
1
a
x
Die Funktion f besitzt im Punkt a keinen Grenzwert.
129
• Man kann nun auch einseitige Grenzwerte einer Funktion
definieren.
• Wir schreiben
lim f (x) = c ,
xրa
wenn für jede Folge {xn } mit xn
∈ D, xn < a und xn → a gilt:
lim f (xn ) = c .
n→∞
• Der Grenzwert limxրa f (x) = c heißt linksseitiger Grenzwert
von f an der Stelle a.
• Statt limxրa f (x) = c schreibt man auch kürzer f (a−) = c .
130
• Entsprechend schreiben wir
lim f (x) = c ,
xցa
wenn für jede Folge {xn } mit xn
∈ D, xn > a und xn → a gilt:
lim f (xn ) = c .
n→∞
• In diesem Fall heißt der Grenzwert rechtsseitiger Grenzwert von
f an der Stelle a, und man schreibt kürzer f (a+) = c .
• Hierbei ist für a− der Wert +∞ und für a+ der Wert −∞
zugelassen.
131
⊂ R eine Teilmenge der reellen
Zahlen, f : D → R eine reelle Funktion und a ∈ D . Die Funktion f
heißt stetig in a, wenn gilt:
Definition (Stetigkeit): Sei D
lim f (x) = f (a) .
x→a
Die Funktion f heißt stetig, wenn f in jedem Punkt des
Definitionsbereichs stetig ist.
⊂ R ein
Intervall und a ∈ D kein Randpunkt von D . Die Funktion f : D → R
ist genau dann stetig in a, wenn
Satz 12 (Stetigkeit einer reellen Funktion) Es sei D
f (a−) = f (a) = f (a+) .
132
Satz 13 (Erhaltungseigenschaft stetiger Funktionen) Seien
f, g : D → R Funktionen, die in a ∈ D stetig sind und sei λ ∈ R.
Dann sind auch die Funktionen
• f ± g,
• λf ,
• f g,
• max{f, g} und
• min{f, g}
stetig in a. Die Funktion f /g ist stetig in a, sofern g(a)
133
6= 0 ist.
⊂ R und
f : A → B sowie g : B → R. Ist f stetig im Punkt a ∈ A und ist g
stetig im Punkt f (a), so ist auch die Funktion
Satz 14 (Stetigkeit einer Verkettung) Seien A, B
g◦f:A→R
stetig im Punkt a.
Mit Hilfe der Sätze 13 und 14 kann man nun für viele Funktionen die
Stetigkeit nachweisen.
= xr für alle r ∈ N stetig ist, ist auch jedes
Polynom p(x) = αr xr + αr−1 xr−1 + . . . + α1 x + α0 stetig.
Beispiel: Da f (x)
= x2 und g(y) = 1/y sind stetig.
Damit ist auch die Verkettung g ◦ f (x) = 1/x2 stetig.
Beispiel: Die Funktionen f (x)
134
Schwieriger ist es, die Stetigkeit der folgenden Funktionen zu zeigen:
• Die trigonometrischen Funktionen sin x, cos x, tan x, cot x .
• Die Umkehrfunktionen der trigonometrischen Funktionen
arcsin x, arccos x, arctan x, arccot x .
• Die Exponentialfunktion exp(x) = ex .
• Der natürliche Logarithmus ln (x) .
135
D → R eine
Funktion und a ∈ D . Die Funktion f ist genau dann stetig in a, wenn
es zu jedem ǫ > 0 ein δ > 0 gibt, so dass
Satz 15 (Stetigkeit anhand von ǫ und δ ) Sei f :
|f (x) − f (a)| < ǫ für alle x ∈ D mit |x − a| < δ .
6
6
..........
..........
↑|
ε
|
f (a) ↓↑
|
ε
↓|
. . . . . . . . . ..
.
↑|
..
..
.
.
.
.....
ε
................
......
.
.
...
|
.....
....q.......
.
.
.
.
.
.
f (a) ↓↑
.
..
.....
|
.....
...........
.
.
.
.
.
.
.....
ε
....
...
.
...
↓|
. . . . . . . . . ..
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
←− δ −→←− δ −→
a
......
... ...
.. ....
..
...
.
..
.
............. ....
.
.
......
..
..
..
..
q
a
-
.
..........
.
.....
.
. ...............................
.......
.
.
.
.
.
.
.
←− δ −→←− δ −→
a
Äquivalente ε-δ -Bedingung für Stetigkeit.
136
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
-
3 Matrixalgebra
3.1 Elementare Matrixoperationen
• Eine Matrix ist ein rechteckiges Schema reeller Zahlen, z.B.


8 4 3 1 2


 2 2 0 1 1 .


4 3 4 1 1
137
• Allgemein schreibt man


A=

a11
a12
. . . a1n
..
.
..
.
am1 am2 . . . amn


.

• A ist eine sogenannte (m × n)-Matrix.
• Sie besitzt also m Zeilen und n Spalten.
• Rm×n symbolisiert die Menge aller (m × n)-Matrizen.
138
• Die transponierte Matrix A′ erhält man mittels


a11 . . . am1


 a

a
12
m2


A′ =  .
.
.
.. 
 ..


a1n . . . amn
• Es handelt sich hierbei um eine (n × m)-Matrix.
Beispiel: Die zu

1 4




A=
2
5


3 6
139
transponierte Matrix lautet
′

A =
1 2 3
4 5 6

.
• Man kann Matrizen miteinander addieren.
140
• Es gilt


A+B = 



= 

a11
. . . a1n
..
.
..
.
am1 . . . amn
a11 + b11
..
.
am1 + bm1


 
+
 
b11
..
.
. . . b1n
..
.
bm1 . . . bmn

. . . a1n + b1n

..
.
.

. . . amn + bmn
• Die Addition von Matrizen vollzieht sich also elementweise.
141




• Aus diesem Grund kann man nur Matrizen mit gleicher
Dimension addieren, d.h. zu einer Matrix A ∈ Rm×n kann nur
eine Matrix B ∈ Rm×n addiert werden.
• Eine Matrix A kann mit einer reellen Zahl α multipliziert werden.
• Es gilt


αA = 

αa11
. . . αa1n
..
.
..
.
αam1 . . . αamn
• Die Zahl α wird als Skalar bezeichnet.
142


.

Beispiel:
• Man betrachte die beiden Matrizen

A=
1 2 3
4 5 6


und

−1

B=
 3
0
2


−4 
.
1
• Die Summe A + B ist nicht definiert.
• Allerdings existiert A + B ′ und es gilt

 

1 + (−1)
2+3
3+0
0 5 3
′



.
A+B =
=
4+2
5 + (−4) 6 + 1
6 1 7
143
• Weiterhin erhält man für α = 2 das Produkt

 

2·1 2·2 2·3
2 4 6



.
2A =
=
2·4 2·5 2·6
8 10 12
• Matrizen können außerdem miteinander multipliziert werden.
• Seien A ∈ Rm×n und B ∈ Rn×k , d.h. die Anzahl der Spalten in
A entspricht der Anzahl der Zeilen in B .
144
• Dann ist das Produkt AB gegeben durch

a11 b11 + . . . + a1n bn1 . . . a11 b1k + . . . + a1n bnk

..
..

AB = 
.
.
am1 b11 + . . . + amn bn1 . . . am1 b1k + . . . + amn bnk
Beispiel:
• Gegeben seien die Matrizen




1 0


−1 2



.
A =  0 1  und B =
−3 0
2 1
• Die Matrix A besitzt 2 Spalten und die Matrix B hat 2 Zeilen.
145


.

• Damit können die beiden Matrizen wie folgt multipliziert werden:
146
• Achtung: Im Fall A ∈ Rm×n und B ∈ Rn×m sind zwar die
Produkte AB und BA definiert. Es gilt jedoch selbst für m = n
im Allgemeinen AB 6= BA .
• D.h. bei der Multiplikation von Matrizen sind die Faktoren im
Allgemeinen nicht vertauschbar.
Beispiel: Seien

A=
2 −3
1
0


 und B = 
147
4
5
−2 1

.
Auf der einen Seite gilt

 

2 · 4 + (−3)(−2) 2 · 5 + (−3) · 1
14 7




AB =
=
1 · 4 + 0 · (−2)
1·5+0·1
4 5
und auf der anderen Seite erhält man




4·2+5·1
4 · (−3) + 5 · 0
13 −12



.
BA =
=
−2 · 2 + 1 · 1 (−2)(−3) + 1 · 0
−3
6
148
3.2 Die Inverse
• Grundidee: Man hat ein lineares Gleichungssystem
Ax = y .
• Hierbei ist A eine (m × n)-Matrix und x, y sind zwei
(m × 1)-Matrizen.
Beispiel: Mit


 
 
1 3
x1
5






A=
, x=
, y=
−2 0
x2
−1
149
erhält man das lineare Gleichungssystem
1 · x1 + 3 · x2 = 5
−2 · x1 + 0 · x2 = −1 .
Hierbei stellen x1 und x2 unbekannte Parameter dar.
• Frage: Kann man A auf der linken Seite von Ax = y „auflösen“
und eine Lösung für das lineare Gleichungssystem finden?
150
Definition (Einheitsmatrix): Die (n × n)-Matrix

1
0
... 0


.. 
0 1

.


n×n
∈
R
I = .

.. 
..
 ..
.
.

0 ... ... 1
wird als (n-dimensionale) Einheitsmatrix bezeichnet.
• Exkurs: Die reelle Zahl „1“ wird als neutrales Element bezüglich
der Multiplikation bezeichnet, denn 1 · x = x für alle x ∈ R .
• Dementsprechend gilt für alle Matrizen A ∈ Rn×k :
IA = A .
151
• D.h. I ist das neutrale Element bezüglich der Multiplikation von
Matrizen und repräsentiert die „Eins“ bei Matrizen.
• Aus diesem Grund wird I als Einheitsmatrix bezeichnet.
• Es gilt außerdem IA = AI = A für alle Matrizen A ∈ Rn×n .
Definition (Inverse): Sei A eine (n × n)-Matrix. Existiert eine
(n × n)-Matrix B , so dass AB = I , dann wird diese Matrix als
Inverse von A bezeichnet und mit A−1 symbolisiert.
• Falls die Matrix A−1 existiert, so gilt auch A−1 A = I , d.h. die
Inverse von A−1 ist gerade A.
• Achtung: Die Inverse A−1 muss nicht zwangsläufig existieren!
152
• Man kann die Inverse auf verschiedene Weisen berechnen.
• Eine Möglichkeit ist das sogenannte Gaußsche
Eliminationsverfahren (wird später behandelt).
• Mit Hilfe der Inversen kann ein lineares Gleichungssystem wie
folgt umgeformt werden:
Ax = y
⇒
−1
−1
x
=
Ix
=
x
=
A
y.
A
A
| {z }
=I
• Man bezeichnet die Spaltenmatrix x als Lösung des linearen
Gleichungssystems.
153
• Eine Nullmatrix ist gegeben durch

0 0 ···
.
..
0=

0 0 ···

0
.. 
m×n
∈
R
.
.

0
• Exkurs: Die reelle Zahl „0“ wird als neutrales Element bezüglich
der Addition bezeichnet, denn x + 0 = x für alle x ∈ R .
• Dementsprechend gilt A + 0 = 0 + A = A , d.h. die Nullmatrix
ist das neutrale Element bezüglich der Addition von Matrizen.
154
Rechenregeln für Matrizen
∈ Rm×n .
(A + B) + C = A + (B + C)
A+B =B+A
A+0=0+A=A
A + (−A) = 0
I. Addition: Seien A, B, 0
(1)
(2)
(3)
(4)
(1. Assoziativgesetz)
(1. Kommutativgesetz)
(0 ist neutral für „+“)
(−A ist invers für „+“)
II. Multiplikation mit einem Skalar: Seien α, β
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
αA = Aα
(αβ)A = α (βA)
(α + β)A = αA + βA
α (A + B) = αA + αB
1·A=A
∈ R und A, B ∈ Rm×n .
(2. Kommutativgesetz)
(2. Assoziativgesetz)
(1. Distributivgesetz)
(2. Distributivgesetz)
(1 ist neutral für „·“)
155
Rechenregeln für Matrizen
III. Multiplikation von Matrizen: Seien A, B, C kompatible Matrizen und
α ∈ R . Ferner sei D ∈ Rn×n eine invertierbare Matrix.
(3. Assoziativgesetz)
(1) (AB)C = A(BC)
(2) (A + B)C = AC + BC
(3. Distributivgesetz)
(3) A(B + C) = AB + AC
(4. Distributivgesetz)
(4) IA = AI = A
(I ist neutral für „·“)
(5) DD −1 = D −1 D = I
(D −1 ist invers für „·“)
(6) α (AB) = A (αB) = (AB) α
(4. Assoziativgesetz)
(7) (AB)′ = B ′ A′
(„Socke-Schuh-Regel“)
Merke: Im Allgemeinen gilt AB
156
6= BA !
3.3 Die Determinante
• Jede quadratische Matrix A ∈ Rn×n besitzt eine Determinante
det A (oder |A| ).
• Für n = 1 ist die Determinante gerade der Absolutbetrag, d.h. es
gilt det A = |a11 | .
• Im Fall n = 2 kann die Determinante wie folgt berechnet werden:


a11 a12

 = a11 a22 − a21 a12 .
det A = det
a21 a22
• Für n = 3 kann die Determinante immer noch „per Hand“ mit
Hilfe der Regel von Sarrus berechnet werden.
157
Definition (Minor und Kofaktor): Gegeben sei eine Matrix
A ∈ Rn×n . Für alle 1 ≤ i, j ≤ n wird jene Matrix, die durch
Streichen der i-ten Zeile und j -ten Spalte entsteht, als Submatrix
bezeichnet und mit Aij symbolisiert. Ferner werden det Aij als
Minor und a∗ij = (−1)i+j det Aij als Kofaktor bezeichnet.
Satz 16 (Laplacescher Entwicklungssatz) Für jede Matrix
A ∈ Rn×n gilt
det A =
n
X
aij a∗ij =
i=1
n
X
j=1
158
aij a∗ij .
• Die Determinante einer Matrix A ∈ Rn×n kann also rekursiv
anhand der Determinanten von Submatrizen in R(n−1)×(n−1)
berechnet werden.
• Letztere werden wiederum anhand der vorhergehenden
Determinanten berechnet, bis man am Ende nur noch
Absolutbeträge berechnen muss.
• Dabei ist es gleichgültig, welche Zeile oder Spalte von A man für
die Entwicklung der Determinante verwendet.
159
Beispiel:
• Gegeben sei die folgende Matrix:

1 2

0 3

A=
1 1

3 2
4
0
2
3

0

0

.
1

0
• Die Determinante soll nun nach der 2. Zeile entwickelt werden.
160
• Die erste Submatrix beträgt also


2 4 0


1 2 1 .


2 3 0
• Deren Determinante kann mit Hilfe der Regel von Sarrus ermittelt
werden und beträgt 2.
• Auf die selbe Weise erhält man für die übrigen
(3 × 3)-Submatrizen die Determinanten 9, 4 und 1.
161
• Aus dem Entwicklungssatz folgt damit
det A = 0 · (−1)2+1 · 2 + 3 · (−1)2+2 · 9 +
0 · (−1)2+3 · 4 + 0 · (−1)2+4 · 1
= 27 .
Satz 17 (Rechenregeln für Determinanten) Seien A, B
und α
∈ R . Dann gilt
1.
det(AB) = det A · det B ,
2.
det(αA) = αn det A .
162
∈ Rn×n
• Die Determinante jeder Einheitsmatrix I beträgt 1.
• Gegeben sei eine invertierbare Matrix A ∈ Rn×n . Dann gilt
1 = det I = det(AA−1 ) = det A · det A−1
und somit
det A
−1
1
=
,
det A
det A 6= 0 .
∈ Rn×n eine Matrix.
Die Inverse von A existiert genau dann, wenn det A 6= 0 . Darüber
Satz 18 (Determinante und Inverse) Sei A
hinaus gilt dann
det A
−1
1
=
.
det A
163
∈ Rn×n eine Matrix und


a∗11 a∗12 . . . a∗1n


.
 a∗
∗ 
..
a

21
2n 
∗
A = .

.
.
 ..
..
.. 


a∗n1 . . . . . . a∗nn
Definition (Adjunkte): Sei A
die dazugehörige Matrix der Kofaktoren. Man bezeichnet die Matrix
adjA = (A∗ )′
als Adjunkte (oder Adjungierte) von A .
164
Satz 19 (Berechnung der Inversen über die Adjunkte) Sei
A ∈ Rn×n eine Matrix mit det A 6= 0 . Dann gilt
A
−1
adjA
.
=
det A
Beispiel:
• Man betrachte die Matrix


1 2 −1


.
A=
−3
5
0


0 3 0
165
• Eine Entwicklung nach der dritten Zeile liefert die Determinante
det A = 3 · (−1)3+2 · (−3) = 9 .
• Die Matrix der Kofaktoren lautet


0 0 −9


∗

A =
−3
0
−3


5 3 11
166
• Damit gilt also
A
−1

0
−3
5


0
− 13
 
1

0
=
= 0
0
0 3
 
9
−9 −3 11
−1 − 13

5
9

1 .
3 
11
9
Beispiel:
• Nun betrachte man noch einmal das lineare Gleichungssystem
Ax = y
167
mit


1 3

A=
−2 0
und
• Die Inverse von A lautet
A−1
y=
5

.
−1
′


0 2
0 −3
1
1
 = ·

=
·
2+1
−2 · (−1)
· 3 −3 1
6 2 1


0 − 21
.
= 
1
3


1
6
168
• Daraus ergibt sich die Lösung

  
1
0
−
5
2
−1
· 
x=A y = 
1
1
−1
3
6

  
1
0 · 5 + (− 12 )(−1)
 = 2 .
= 
1
1
3
·
5
+
·
(−1)
3
6
2
169
3.4 Vektoren
• Eine (m × 1)-Matrix wird als Spaltenvektor und eine
(1 × n)-Matrix als Zeilenvektor bezeichnet.
• Im Allgemeinen versteht man unter einen Vektor einen
Spaltenvektor.
• Eine Matrix A ∈ Rm×n kann als Ansammlung von n
Spaltenvekoren der Länge m angesehen werden.
170
2
x



|
{z
x1
}



Ein Vektor in R2 .
171
x2
1
3
2
1
-1
1
2
3
-1
Der Betrag der Determinanten einer Matrix A
∈ Rm×m entspricht
dem Volumen des durch die Spaltenvektoren erfassten Trapezoiden.
172
• Der Vektor
 
0
 
0
 
0 =  .  ∈ Rm
 .. 
 
0
wird als (m-dimensionaler) Nullvektor bezeichnet und entspricht
dem Koordinatenursprung in Rm .
Definition (Vektorraum): Die Menge Rm wird als m-dimensionaler
Euklidischer Vektorraum bezeichnet, wenn für die Elemente von
Rm die Rechenregeln I und II für Matrizen gelten.
173
• Man beachte, dass für die Menge Rm und deren Elemente (die
sogenannten m-Tupel) zunächst keine Addition oder
Multiplikation mit einem Skalar definiert sein muss.
• Erst durch diese Definitionen entsteht ein Vektorraum und die
dazugehörigen Elemente heißen dann sinngemäß Vektoren.
• Sei x = (x1 , x2 , . . . , xm ) ∈ Rm ein m-dimensionaler
Spaltenvektor. Dann wird xi (i = 1, . . . , m) als i-te
Komponente oder i-te Koordinate von x bezeichnet.
174
2
x+y
y
x
1
Addition von zwei Vektoren.
175
2
λx
x2
x
x1
1
−x
Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar.
176
Definition (Skalarprodukt und Norm): Seien x, y
bezeichnet das Produkt
∈ Rm . Man
x′ y ∈ R
als Skalarprodukt von x und y . Die Zahl
q
√
kxk = x′ x = x21 + . . . + x2m
wird ferner als (Euklidische) Norm von x bezeichnet.
• Die Norm eines Vektors x entspricht der Länge dieses Vektors im
m-dimensionalen Koordinatensystem.
• Das folgt aus dem Satz von Pythagoras.
177
2
x



|
{z
x1
}



Ein Vektor in R2 .
178
x2
1
Definition (Winkel zwischen zwei Vektoren): Der Winkel α(x, y)
zwischen zwei Vektoren x, y
über die Beziehung
∈ Rm mit kxk, kyk 6= 0 ist definiert
x′ y
cos α(x, y) =
.
kxk · kyk
• Hierbei hat cos die übliche Definition „Ankathete durch
Hypothenuse“ auf Basis eines rechtwinkligen Dreiecks.
• Der Kosinus kann nur Werte zwischen −1 und 1 annehmen.
179
• Wegen der sogenannten Cauchy-Schwarzschen Ungleichung
′ ′
xy
x
y
−1 ≤
=
≤1
kxk · kyk
kxk
kyk
ist die vorhergehende Definition „erlaubt“.
• Aus der Definition folgt unmittelbar
x′ y = cos α(x, y) · kxk · kyk .
• Liegen die beiden Vektoren x und y in einem rechten Winkel
zueinander, so gilt cos α(x, y) = 0 und folglich x′ y = 0 . Man
sagt dann, x ist orthogonal zu y und schreibt x ⊥ y .
180
Beispiel:
• Gegeben sei
 
2
 
.
x=
1
 
1
• Gesuch wird nun ein Vektor y ∈ R3 , so dass x ⊥ y .
• D.h. es muss gelten
x′ y = x1 y 1 + x2 y 2 + x3 y 3 = 2 y 1 + y 2 + y 3 = 0 .
• Es handelt sich um eine Gleichung mit drei Unbekannten.
181
• Damit sind zwei Unbekannte frei wählbar, z.B. y2 = α und
y3 = β .
• Daraus folgt
α+β
.
y1 = −
2
• D.h. für alle α, β ∈ R ist der Vektor


 
 
− 12
−(α + β)/2
− 12

 

 




 0 .
y=
=
α
+
β
α
1

 
 
β
0
1
182
Satz 20 (Dreiecksungleichung) Für alle x, y
∈ Rm gilt
kx + yk ≤ kxk + kyk .
2
6
x+y
kyk
r
xr
kxk
kx + yk
r
y
r
Dreiecksungleichung
183
-1
⊂ Rm heißt
Unterraum von Rm , wenn für alle x, y ∈ U und α ∈ R
Definition (Unterraum): Eine nichtleere Teilmenge U
1.
x + y ∈ U und
2.
αx ∈ U .
• M.a.W.: Sowohl Addition als auch Multiplikation produzieren
keinen Vektor, der jenseits des Unterraums liegt.
• Unterräume sind also abgeschlossen bezüglich der Addition und
Multiplikation und damit im geometrischen Sinne linear.
• Jeder Unterraum ist wiederum ein Vektorraum.
184
• Die Menge
x, y ∈ R : x + y = 1 ,
2
2
d.h. alle Punkte auf dem Einheitskreis bilden z.B. keinen
Unterraum.
• Ebenso ist
{x, y ∈ R : y ≤ 0} ,
d.h. die untere Halbebene im R2 kein Unterraum.
• Die Menge
{x, y ∈ R : y = 1 − x} ,
d.h. eine Gerade mit Achsenabschnitt 1 und Steigung −1 ist
ebenfalls kein Unterraum.
185
• Die Menge
{x, y ∈ R : y = −x}
ist allerdings ein Unterraum.
• Merke: Der Nullvektor 0 ∈ Rm muss stets Bestandteil des
Unterraums sein!
• Sei x ∈ Rm und x 6= 0 . Die Menge der Vektoren αx für alle
α ∈ R ist eine Gerade, die durch den Nullpunkt verläuft und
damit ein Unterraum.
• Das gleiche Konzept lässt sich nun auf beliebig viele Vektoren
x1 , x2 , . . . in Rm übertragen.
186
Definition (Linearkombination und Erzeugnis): Gegeben seien die
Vektoren x1 , . . . , xk
∈ Rm . Man sagt, die Vektoren x1 , . . . , xk
erzeugen oder spannen den Unterraum
U = {α1 x1 + . . . + αk xk : α1 , . . . , αk ∈ R}
auf. Ferner wird α1 x1
+ . . . + αk xk als Linearkombination von
x1 , . . . , xk bezeichnet.
• Es kann sein, dass sich ein Vektor xi (i = 1, . . . , k ) als
Linearkombination der anderen Vektoren darstellen lässt.
• In diesem Fall ist xi redundant, d.h. die restlichen Vektoren
spannen den gleichen Unterraum wie x1 , . . . , xk auf.
187
Definition (Lineare Unabhängigkeit): Man sagt die Vektoren
x1 , . . . , xk ∈ Rm sind linear unabhängig, wenn
α 1 x1 + . . . + α k xk = 0
lediglich mit α1 , . . . , αk
= 0 erfüllt ist.
• Sind x1 , . . . , xk linear abhängig, so lässt sich ein Vektor stets als
Linearkombination der restlichen Vektoren darstellen.
• Sei z.B. ohne Beschränkung der Allgemeinheit αk 6= 0 . Dann gilt
αk−1
α1
· xk−1
xk = − · x1 − . . . −
αk
αk
und damit ist xk redundant.
188
Beispiel:
• Gegeben seien die beiden Vektoren
 
 
1
1
 
 

1.
x1 = 
und
x
=
1
2
 
 
1
−1
• Bei linearer Abhängigkeit muss
 
  
  
0
α1 + α2
1
1
  
 
  
 + α2  1  = α1 + α2  = 0
α1 
1
  
 
  
α1 − α2
0
1
−1
mit α1
6= 0 oder α2 6= 0 gelten.
189
• Daraus folgt α1 = −α2 und α1 = α2 .
• Beide Gleichungen können jedoch nur für α1 = α2 = 0 erfüllt
sein. D.h. die Vektoren x1 und x2 sind linear unabhängig.
Definition (Basis und Dimension): Gegeben sei ein Unterraum
U ⊂ Rm . Eine Menge von Vektoren x1 , . . . , xk ∈ Rm heißt Basis
von U , wenn
1. die Vektoren x1 , . . . , xk
∈ Rm linear unabhängig sind und
2. den Unterraum U aufspannen.
Der Unterraum U besitzt dann k Dimensionen und man schreibt
dim U = k .
190
Satz 21 (Gleichmächtigkeit von Basen) Wenn {x1 , . . . , xk } und
{y1 , . . . , yl } zwei Basen von U sind, so gilt k = l .
• Eine Basis von R3 ist z.B. die Menge der Vektoren
 
 
 
0
0
1
 
 
 
0 .
0 ,
1 ,
 
 
 
1
0
0
• Nun betrachte man die Vektoren
 
 
0
1
 
 
1 ,
1 ,
 
 
1
0
191
 
1
 
2 .
 
1
Es gilt
     
1
0
1
     
1 + 1 = 2 .
     
0
1
1
Damit sind die betrachteten Vektoren nicht linear unabhängig und
können daher keine Basis bilden.
• Was passiert, wenn man statt dessen die Vektoren
 
 
 
1
0
0
 
 
 
1 ,
1
1 ,
 
 
 
1
0
0
nimmt?
192
• Die Relation
 
   
 
0
0
1
0
 
   
 
 = 0




α 1 + β 1 + γ 
1
   
0
0
1
0
kann lediglich für α
= 0 und β = 0 gelten. In diesem Fall muss
aber auch zwangsläufig γ = 0 gelten.
• Sei {a1 , . . . , am } eine Basis von Rm .
• Zu jedem Vektor y ∈ Rm existieren dann genau m Skalare
x1 , . . . , xm ∈ R, so dass
x1 a1 + . . . + xm am = y .
193
• Außerdem gibt es keine anderen Skalare, mit denen man
y ∈ Rm als Linearkombination von a1 , . . . , am darstellen
könnte.
• Die Skalare x1 , . . . , xm werden als Koordinaten von y
(bezüglich der Basis {a1 , . . . , am }) bezeichnet.
• Die kanonische (d.h. „natürliche“) Basis von Rm ist gegeben
durch
 
 
 
0
0
1
 
 
 
0
1
0
 
 
 
e1 =  .  , e2 =  .  , . . . , em =  .  .
 .. 
 .. 
 .. 
 
 
 
1
0
0
194
• Damit lässt sich jeder Vektor x = (x1 , . . . , xm ) ∈ Rm als
Linearkombination
x = x1 e 1 + x2 e 2 + . . . + xm e m
der Einheitsvektoren e1 , e2 , . . . , em darstellen.
• Hierbei sind x1 , x2 , . . . , xm gerade die Koordinaten von x
bezüglich der kanonischen Basis.
• Die kanonische Basis wird wiederum durch die Einheitsmatrix
I = [e1 e2 . . . em ] ∈ Rm repräsentiert.
• Die entsprechende Linearkombination mit den Einheitsvektoren
lässt sich dann einfach mittels Ix = x ausdrücken.
195
• Man betrachte nun eine Matrix A ∈ Rm×m mit linear
unabhängigen Spaltenvektoren a1 , a2 , . . . , am , sowie einen
beliebigen Vektor y ∈ Rm .
• Gesucht seien die Koordinaten x1 , x2 , . . . , xm von y , d.h.
x = (x1 , x2 , . . . , xm ) , so dass
Ax = y .
• Damit ist x die Lösung eines linearen Gleichungssystems!
Definition (Zeilen- und Spaltenrang): Die maximale Anzahl linear
unabhängiger Spaltenvektoren einer Matrix A
∈ Rm×n heißt
Spaltenrang von A. Die maximale Anzahl linear unabhängiger
Zeilenvektoren der Matrix A
∈ Rm×n heißt Zeilenrang von A.
196
∈ Rm×n
sind gleich. Man spricht daher einfach vom Rang rgA der Matrix A.
Satz 22 (Rang) Zeilen- und Spaltenrang einer Matrix A
Beispiel: Man betrachte die Matrix

1 0 0

1 1 0

A=
0 1 1

0 0 1
197

1

2

.
2

1
Da die letzte Spalte eine Summe der ersten drei Spalten ist, kann A
nicht regulär sein. Die ersten drei Spalten sind linear unabhängig und
damit rgA
= 3.
Definition (Elementare Zeilen- und Spaltenumformungen):
1. Das Vertauschen zweier Zeilen,
2. das Vertauschen zweier Spalten,
3. die Multiplikation einer Zeile oder Spalte mit λ
6= 0 ,
4. die Addition einer Zeile zu einer anderen Zeile und
5. die Addition einer Spalte zu einer anderen Spalte.
198
∈ Rm×n
werde durch elementare Umformungen in eine Matrix B ∈ Rm×n
transformiert. Dann gilt rgB = rgA .
Satz 23 (Elementare Umformungen I) Eine Matrix A
• Jede Matrix A ∈ Rm×n kann durch elementare Umformungen in
eine Matrix B = [bij ] ∈ Rm×n überführt werden, so dass
bij = 0 für alle i > j mit i = 1, . . . , m und j = 1, . . . , n .
• Aus der Gestalt von B lässt sich deren Rang einfach ablesen.
• Der Rang von B ist m minus der Anzahl der Nullzeilen.
• Zur Erinnerung: Der Rang von B entspricht dem Rang von A .
199
Beispiel: Gegeben sei die Matrix

0
0
2
6



0 0 1 3 


A=
.
9 13 3 18


5 13 4 7
Man bestimme den Rang von A mittels elementaren Umformungen.
∈ Rm×m
werde durch elementare Umformungen in eine Matrix B ∈ Rm×m
Satz 24 (Elementare Umformungen II) Eine Matrix A
transformiert.
200
Dann gilt
1.
det B = − det A im Falle einer Zeilen- oder
Spaltenvertauschung,
2.
det B = λ det A im Falle der Multiplikation einer Zeile oder
Spalte mit einem Skalar λ 6= 0 ,
3.
det B = det A falls zwei Zeilen oder Spalten addiert werden.
Definition (Dreiecksmatrix): Eine Matrix A
= [aij ] ∈ Rm×m mit
aij = 0 für alle i > j mit i, j = 1, . . . , m wird als Dreiecksmatrix
bezeichnet.
201
Satz 25 (Determinante einer Dreiecksmatrix) Sei A
Dreiecksmatrix. Dann gilt
det A =
m
Y
∈ Rm×m eine
aii .
i=1
Beispiel: Gegeben sei die Matrix


8
0 −4



A= 4
3
3
.
−2 −1 0
Man bestimme die Determinante von A mittels elementaren
Umformungen.
202
∈ Rm×m heißt regulär,
wenn rgA = m und singulär, wenn rgA < m .
Definition (Regularität): Eine Matrix A
Satz 26 (Regularität) Eine Matrix Am×m ist genau dann regulär,
wenn det A
6= 0 , d.h. genau dann, wenn die Inverse A−1 existiert.
3.5 Lineare Gleichungssysteme
Definition (Lineares Gleichungssystem): Sei A
y ∈ Rm . Dann ist
∈ Rm×n und
Ax = y
ein lineares Gleichungssystem (LGS) in x
∈ Rn . Im Falle y = 0
wird das LGS als homogen bezeichnet und sonst als inhomogen.
203
Die Menge
L(A, y) = {x ∈ Rn : Ax = y}
ist die Lösungsmenge des LGS und ein Element von L(A, y) ist
eine Lösung.
Beispiel: Man betrachte z.B. das LGS
4x1 +
6x2 + 16x3
=
4
x4 =
5
2x1 +
6x2 + 11x3 + 3x4 =
5
3x1 +
9x2 + 15x3 − 3x4 = 6 ,
4x1 + 12x2 + 17x3 +
204
d.h.


4 6 16 0


4 12 17 1 


A=

2 6 11 3 


3 9 15 −3
und
 
4
 
5
 
y =  .
5
 
6
• Die Lösung eines LGS kann ebenso mit Hilfe elementarer
Umformungen ermittelt werden (Gaußsche Elimination).
• Hierbei darf man allerdings nur Zeilenumformungen
durchführen. Spaltenumformungen führen lediglich zu einer
Vertauschung der Komponenten von x
205
= (x1 , . . . , xn ).
Beispiel: Zeigen Sie, dass das LGS mit

4
6
16
0



4 12 17 1 


A=

2 6 11 3 


3 9 15 −3
die Lösung x
= (−3, 0, 1, 0) besitzt.
und
 
4
 
5
 
y= 
5
 
6
• Eine Matrix A ∈ Rm×n kann höchstens Rang min{m, n}
haben.
• Im Falle rgA = min{m, n} sagt man A habe einen vollen
Rang.
206
• Angenommen x ist eine Lösung eines inhomogenen LGS
Ax = y .
• Ferner sei x0 eine Lösung des dazugehörigen homogenen LGS
Ax0 = 0 .
• Dann ist x + x0 ebenso eine Lösung des LGS Ax = y , denn
A (x + x0 ) = Ax + Ax0 = y .
|{z}
=0
• Sei nun L(A, 0) die Lösungsmenge des homogenen LGS
Ax = 0 und x eine Lösung des inhomogenen LGS Ax = y .
• Die Lösungsmenge L(A, y) ist dann gerade die Menge
L(A, y) = {x + x0 : x0 ∈ L(A, 0)} .
207
Satz 27 (Lösungsmenge eines homogenen LGS) Die
Lösungsmenge L(A, 0) eines homogenen LGS Ax
= 0 mit
A ∈ Rm×n und rgA = r ist ein Unterraum in Rn mit
dim L(A, 0) = n − rgA .
• Dementsprechend ist die Lösungsmenge L(A, y) ein linearer
Raum mit Dimension n − rgA .
• Allerdings handelt es sich nicht um einen Unterraum.
• Im Spezialfall rgA = n ist die Lösung des homogenen LGS
eindeutig.
• Ansonsten muss die Lösung nicht zwangsläufig existieren.
208
A ∈ Rm×n , Ax = y 6= 0 , ges.: x 6= 0
m>n
m=n
m<n
rgA = n :
x kann existieren, muss es aber nicht.
Falls x existiert, dann ist es eindeutig.
rgA < n :
x kann existieren, muss es aber nicht.
Falls x existiert, dann ist es mehrdeutig.
rgA = n :
x muss existieren und ist dabei eindeutig.
rgA < n :
x kann existieren, muss es aber nicht.
Falls x existiert, dann ist es mehrdeutig.
rgA = m :
x muss existieren und ist dabei mehrdeutig.
rgA < m :
x kann existieren, muss es aber nicht.
Falls x existiert, dann ist es mehrdeutig.
Mögliche Fälle eines LGS.
209
Beispiel: Gegeben sei das LGS Ax

3
6
12




A=
2
−3
−6


1 0
0
= y mit
und
 
1
 
.
y=
2
 
3
Man zeige, dass dieses LGS keine Lösung besitzt.
Beispiel: Man bestimme die Lösung des LGS Ax

4
5




A = 2 −1

1 0
und
210
= y mit
 
3
 
.
y=
5
 
2
• Falls die Lösungsmenge des LGS Ax = y mehrdimensional ist,
kann man diese mit dem Ansatz
Ax0 = AN α = 0
bestimmen, wobei N
• Die Menge
∈ Rn×(n−rgA) und α ∈ Rn−rgA .
n−rgA
L(A, 0) = N α : AN α = 0 mit α ∈ R
wird auch als Nullraum oder Kern von A bezeichnet.
• Die Lösungsmenge L(A, y) ist dann gerade die Menge aller
x + N α mit α ∈ Rn−rgA ,
wobei x eine beliebige Lösung von Ax
211
= y darstellt.
Beispiel: Man bestimme die Lösungsmenge des LGS Ax

3
6
12




A=
2
−3
−6


1 0
0
und
= y mit
 
9
 
.
y=
6
 
3
• Mittels elementarer Zeilen- und Spaltenumformungen lässt sich
die Inverse einer regulären Matrix A ∈ Rm×m bestimmen.
• Zu diesem Zweck schreibt man A und I nebeneinander und
formt beide Matrizen simultan um.
• Am Ende bleiben die Matrizen I und A−1 übrig.
212
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