-1- ANALYSIS I Wir werden uns in dieser Vorlesung an das Buch Konrad Königsberger: Analysis 1, 6.Auflage. J.Springer, Berlin 2003 halten. Nur das, was nicht in diesem Buch steht, erhalten Sie als Skript, z.B. den Anfang von §1 Grundbegriffe 1.0 Einiges über Aussagen und Mengen Mengenlehre und Logik sind für uns nicht Selbstzweck, sondern man braucht sie, um mathematische Sachverhalte kurz und unmissverständlich zu formulieren. Wir werden uns auf das Notwendigste beschränken. Definition 1.0.1 : Unter einer Aussage A verstehen wir ein sprachliches oder schriftliches Gebilde, das entweder wahr ( w ) ist oder falsch ( f ) . Man sagt auch, die Aussage A hat den Wahrheitswert w oder f . Beispiel 1.0.2 Aussage Wahrheitswert Es gibt keinen Studierenden in diesem Hörsaal f 1·2=2 w 1 · 2 = 2 und 3 · 4 = 4 f w 1 · 2 = 2 oder 3 · 4 = 4 Wenn Ptolemäus Recht hat , dann ist die w Erde eine Scheibe Wichtig ist für uns die Verknüpfung von Aussagen : Mathematische Sätze sind logisch verknüpfte Aussagen. Man definiert so eine Verknüpfung, indem man den Wahrheitswert der verknüpften Aussage in Abhängigkeit von den Wahrheitswerten der gegebenen Aussage festlegt: Definition 1.0.3 : Seien A und B zwei gegebene Aussagen. Dann definieren wir die Wahrheitswerte von a) A und B , in Zeichen: A ∧ B , durch folgende Tabelle: A B A∧B w w w w f f f w f f f f A ∧ B ist also genau dann wahr, wenn sowohl A als auch B wahr sind. b) A oder B , in Zeichen: A ∨ B , durch folgende Tabelle: A B A∨B w w w w w f f w w f f f - 2 - A ∨ B ist also auch dann wahr, wenn beide Aussagen wahr sind. Man sieht hier, wie sinnvoll es ist, solche Verabredungen am Anfang zu treffen, um Missverständnisse oder sprachlich unschöne Formulierungen wie “und/oder”, die man in juristischen Texten häufig findet, zu vermeiden. c)Aus A folgt B , in Zeichen: A =⇒ B , man sagt auch: A impliziert B oder : Wenn A gilt, dann gilt B , durch folgenden Tabelle: A B A =⇒ B w w w f w f f w w w f f Man beachte: A =⇒ B ist stets wahr, wenn A falsch ist. Das mag manchen erstaunen, ist aber eine sinnvolle Definition, die sich sogar mit dem umgangssprachlichen Gebrauch deckt, wie das Beispiel “Wenn Ptolemäus Recht hat, dann ist die Erde eine Scheibe” zeigt, das wahr ist , obwohl beide Teilaussagen falsch sind. d) A gleichbedeutend mit B , in Zeichen : A ⇐⇒ B , man sagt auch: A gilt genau dann, wenn B gilt , durch folgende Tabelle: A w w f f B w f w f A ⇐⇒ w f f w B e) nicht A , in Zeichen : ¬A , auch non A , durch die Tabelle A w f ¬A f w Solche Tabellen mit Wahrheitswerten wie diese fünf hier nennt man auch Wahrheitstafeln. Wahrheitstafeln verwendet man auch, um die Wahrheitswerte von weiteren verknüpften Aussagen wie A ∧ (B ∧ C) (¬A) ∨ B ¬(A ∨ B) auszurechnen. Dabei muss man sämtliche möglichen Wahrheitswerte von A, B und C berücksichtigen, z.B. für (¬A) ∨ B : A w w f f B w f w f ¬A f f w w (¬A) ∨ B w f w w - 3 - Wir sehen an diesem Beispiel, dass (¬A) ∨ B dieselbe Wahrheitstafel hat wie A =⇒ B . Man wird die Aussagen “A =⇒ B ” und “(¬A) ∨ B” deshalb “logisch gleichwertig” nennen: Definition 1.0.4 : Gegeben seien mehrere Aussagen A, B, C, . . . und zwei Aussagen X und Y , die beide durch Verknüpfung dieser Aussagen A, B, C, . . . entstanden sind. Wenn die Aussage X ⇐⇒ Y für alle möglichen Wahrheitswerte der Aussagen A, B, C, . . . den Wahrheitswert w annimmt, so sagt man: X und Y sind (logisch) gleichwertig . Die Aussage “X ⇐⇒ Y ” bezeichnet man dann als eine Tautologie . Satz 1.0.5 : Wenn A, B, C Aussagen sind, dann gelten folgende Tautologien: a) ¬(¬A) ⇐⇒ A b) A ∧ B ⇐⇒ B ∧ A c) (A ∧ B) ∧ C ⇐⇒ A ∧ (B ∧ C) d) A ∨ B ⇐⇒ B ∨ A e) (A ∨ B) ∨ C ⇐⇒ A ∨ (B ∨ C) f) A ∧ (B ∨ C) ⇐⇒ (A ∧ B) ∨ (A ∧ C) g) A ∨ (B ∧ C) ⇐⇒ (A ∨ B) ∧ (A ∨ C) h) ¬(A ∧ B) ⇐⇒ (¬A) ∨ (¬B) i) ¬(A ∨ B) ⇐⇒ (¬A) ∧ (¬B) j) (A =⇒ B) ⇐⇒ ((¬B) =⇒ (¬A)) Man beweist diesen Satz durch Wahrheitstafeln, z.B. für h) : A w w f f B w f w f A∧B w f f f ¬(A ∧ B) ¬A f f w f w w w w ¬B f w f w (¬A) ∨ (¬B) h) f w w w w w w w Zur Schreibweise : Bei den Formeln in Satz 1.0.5 haben wir Klammern weggelassen: Statt d) hätten wir genauer (A ∨ B) ⇐⇒ (B ∨ A) schreiben müssen. Man kann die Klammern weglassen, wenn man vereinbart: Die Verknüpfungen sind in der Reihenfolge erst ¬ , dann ∧ , dann ∨ , dann =⇒ und dann ⇐⇒ auszuführen, soweit Klammern nichts Anderes festlegen. Neben Aussagen hat man es in der Mathematik zu tun mit Zahlen oder Buchstaben, die man zusammenfassen möchte zu einer Menge. Es bereitet nun erhebliche Schwierigkeiten, exakt zu definieren, was eine Menge ist. Da wir uns hier nicht mit Grundlagen der Mathematik beschäftigen wollen, reicht für uns die folgende - 4 - Definition 1.0.6 : Unter einer Menge M verstehen wir eine Zusammenfassung von bestimmten, wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens, welche die Elemente der Menge M genannt werden, zu einem Ganzen. Ist x ein Element von M , so schreiben wir x∈M ; ist diese Aussage falsch, so schreiben wir x∈ /M . Definition 1.0.7 (Schreibweise von Mengen) : Man kann eine Menge auf zwei Arten angeben: Entweder, man schreibt in geschweiften Klammern alle Elemente der Menge hin, etwa {1, 2, 5, x} , das soll bedeuten, dass die Menge aus den Elementen 1, 2, 5 und x besteht, oder man schreibt in den geschweiften Klammern ein Symbol für die Elemente, einen senkrechten Strich und dann die Eigenschaft, die die Elemente haben sollen. Z.B. ist { x | x ist ganze Zahl und 2 teilt x } die Menge der geraden ganzen Zahlen. Definition und Beispiel 1.0.8 : Mengen, die bei uns immer wieder vorkommen, sind N0 = {0, 1, 2, . . .} (Pünktchen setzt man, wenn man nicht alle Elemente hinschreiben will oder kann, aber sich denken kann, wie es weitergeht), die Menge der natürlichen Zahlen mit Null , N∗ = {1, 2, 3, . . .} die Menge der natürlichen Zahlen ohne die Null. Nicht verwenden möchte ich das Symbol N , da es bei Königsberger für die natürlichen Zahlen ohne die 0 , also für N∗ , und in der Linearen Algebra für N0 verwendet wird. Weiter nennen wir Z = {0, 1, −1, 2, −2, 3, −3, . . .} die Menge der ganzen Zahlen , nr o Q = r ∈ Z ∧ s ∈ Z ∧ s 6= 0 s die Menge der rationalen Zahlen , schließlich die Mengen R der reellen - 5 - und C der komplexen Zahlen , die wir noch genauer einführen werden. Wir wollen noch vereinbaren, dass es eine Menge gibt, die gar kein Element enthält, die leere Menge ∅ . Definition 1.0.9 (Gleichheit zweier Mengen) : Zwei Mengen M und N heißen gleich , man schreibt M = N , wenn jedes Element von M auch Element von N , und jedes Element von N auch Element von M ist. Wir wollen diese Definition etwas formaler aufschreiben und dabei auch gleich zwei neue Symbole kennenlernen : M = N :⇐⇒ ∀ x : (x ∈ M ⇐⇒ x ∈ N) , das Zeichen :⇐⇒ bedeutet, dass die linke Aussage durch die rechte definiert wird, man liest es : “nach Definition gleichbedeutend”. Das Zeichen ∀ heißt: “für alle” . Definition 1.0.10 (Teilmenge): Seien M und N Mengen. Man sagt, M ist Teilmenge von N , wenn jedes Element von M auch Element von N ist. Formal : M ⊂ N :⇐⇒ ∀ x : (x ∈ M =⇒ x ∈ N ). Beispiel 1.0.11 : a) Es gilt N0 ⊂ Z und Z ⊂ Q . b) Es gilt für jede Menge M : ∅ ⊂ M . Beweis: Es gilt ∀ x : (x ∈ ∅ =⇒ x ∈ M ) , denn die Aussage “x ∈ ∅ ” ist für alle x falsch, nach Definition der leeren Menge. 2 Wir definieren drei Operationen zwischen Mengen: Definition 1.0.12 : Seien M und N Mengen. a) Den Durchschnitt der Mengen M und N definieren wir als M ∩N { x | x ∈ M ∧ x ∈ N }. := Dabei bedeutet das Zeichen “ := ”, dass die linke Menge durch die rechte Menge definiert wird. Man liest es: “nach Definition gleich”. b) Als Vereinigung der Mengen M und N definieren wir M ∪N { x | x ∈ M ∨ x ∈ N }. := c) Als Differenz von M und N definieren wir M \N { x | x∈M ∧x∈ / N }. := Bemerkung 1.0.13 : Wir haben inzwischen einige Zeichen kennengelernt: ∧ , ∨ , ¬ , =⇒ , ⇐⇒ , :⇐⇒ stehen zwischen zwei Aussagen . Die Zeichen ∩ , ∪ , \ , ⊂ , = , := stehen zwischen zwei Mengen . Das ist klar, wird aber von Anfängern häufig - 6 - falsch gemacht. - In der Mathematik geht man davon aus , dass die Elemente von Mengen selbst wieder Mengen sind. Deshalb können die Zeichen = , := auch zwischen Elementen einer Menge stehen. Falls N ⊂ M ist, hat man für M \ N eine besondere Bezeichnung: Definition 1.0.14 : Seien M und N Mengen, N ⊂ M . Dann heißt {N := M \N das Komplement von N (bezüglich M , genauer kann man auch {M N schreiben). Aus Satz 1.0.5 folgen einige Rechenregeln für ∩, ∪, { : Satz 1.0.15 : Seien R, S, T Mengen, dann gilt a) R ∩ S = S ∩ R b) (R ∩ S) ∩ T = R ∩ (S ∩ T ) c) R ∪ S = S ∪ R d) (R ∪ S) ∪ T = R ∪ (S ∪ T ) e) R ∩ (S ∪ T ) = (R ∩ S) ∪ (R ∩ T ) f) R ∪ (S ∩ T ) = (R ∪ S) ∩ (R ∪ T ) Sind S und T Teilmengen einer Menge M , so gilt für das Komplement bezüglich M : g) {({S) = S h) {(S ∪ T ) = {S ∩ {T i) {(S ∩ T ) = {S ∪ {T Beweis mit den Regeln aus Satz 1.0.5 ; wir wollen das an einem Beispiel vorführen, etwa: e) Nach Definition 1.0.9 muss man zeigen, dass jedes Element von R ∩(S ∪T ) auch Element von (R ∩ S) ∪ (R ∩ T ) ist, und umgekehrt: Nun gilt für jedes Element x : 1.0.12 x ∈ R ∩ (S ∪ T ) ⇐⇒ 1.0.12 x ∈ R ∧ x ∈ S ∪ T ⇐⇒ 1.0.5 x ∈ R ∧ (x ∈ S ∨ x ∈ T ) ⇐⇒ 1.0.12 (x ∈ R ∧ x ∈ S) ∨ (x ∈ R ∧ x ∈ T ) ⇐⇒ 1.0.12 x ∈ R ∩ S ∨ x ∈ R ∩ T ⇐⇒ x ∈ (R ∩ S) ∪ (R ∩ T ) . 2 1.1 Vollständige Induktion, Funktionen Definition 1.1.1 : Die Menge Z der ganzen Zahlen kann man anordnen, indem man für a, b ∈ Z definiert: a ≤ b : ⇐⇒ Statt a ≤ b schreibt man auch b ≥ a . b − a ∈ N0 . - 7 - Definition 1.1.6 : Sei M eine Menge, in der eine Addition + definiert ist. Seien m, n ∈ Z , m ≤ n . Für jede Zahl k in Z mit m ≤ k ≤ n sei ak ∈ M gegeben. Dann setzen wir m P ak := am , (I) für n = m : (II) für n ≥ m : k=m n+1 P ak := k=m n P ak + an+1 , k=m wenn auch an+1 ∈ M ist. Wenn M ein Element 0 mit der Eigenschaft ∀a ∈ M : a + 0 = a besitzt, definiert man noch die leere Summe n X ak := 0 für n < m . k=m Definition 1.1.8 : Seien M und N Mengen, dann heißt eine Vorschrift f , die jedem Element x ∈ M genau ein Element aus N zuordnet, das man mit f (x) bezeichnet, eine Funktion (Abbildung) von M in (nach, nicht: auf) N . Man schreibt zur Abkürzung f : M −→ N , x 7−→ f (x) . Die Menge M heißt der Definitionsbereich von f , die Menge N der Wertebereich von f , das Element f (x) der Funktionswert von x . Für die Menge aller Funktionen von M nach N schreiben wir : F(M, N ) . Definition 1.1.9 : Seien M1 , M2 , N1 , N2 Mengen. Zwei Funktionen f : M1 −→ N1 und g : M2 −→ N2 heißen gleich, wenn gilt M1 = M2 ∧ N1 = N2 ∧ ∀ x ∈ M1 : f (x) = g(x) , also wenn die Definitions- und Wertebereiche und für alle x ∈ A die Funktionswerte übereinstimmen. Definition 1.1.10 : Sei f : M −→ N eine Abbildung. Sei A ⊂ M und B ⊂ N . Dann heißt f (A) := { y ∈ N | es gibt ein x ∈ A mit y = f (x) } das Bild von A unter f und −1 f (B) := das Urbild von B unter f . { x ∈ M | f (x) ∈ B } - 8 - Für “es gibt ein” führt man eine Abkürzung ein: Definition 1.1.11 : Statt “es existiert ein“ schreiben wir: “ ∃ ” . Sei also M eine Menge und A(x) eine Aussage, die für Elemente x der Menge M wahr oder falsch ist, dann ist die Aussage ∃ x ∈ M : A(x) sinnvoll. (1.1.12) Beachten Sie : a) “∃ x ∈ M : A(x) ” heißt, dass es mindestens ein Element x mit der Eigenschaft A(x) gibt, es kann auch mehrere solche Elemente geben ! Will man ausdrücken, dass es genau ein Element x in M mit der Eigenschaft A(x) gibt, so schreibt man ∃1 x ∈ M : A(x) . b) Es gibt logische Regeln für “∀” und “∃” : Seien M und N Mengen und A(x), B(x), C(x, y) Aussagen, deren Wahrheitswert davon abhängt, welche x ∈ M bzw. y ∈ N man einsetzt. Dann gilt: (1) ¬(∀ x ∈ M : A(x)) ⇐⇒ ∃ x ∈ M : (¬A(x)) (2) ¬(∃ x ∈ M : A(x)) ⇐⇒ ∀ x ∈ M : (¬A(x)) (3) ∀ x ∈ M : A(x) ∧ ∀ x ∈ M : B(x) ⇐⇒ ∀ x ∈ M : (A(x) ∧ B(x)) (4) ∀ x ∈ M : A(x) ∨ ∀ x ∈ M : B(x) =⇒ ∀ x ∈ M : (A(x) ∨ B(x)) (5) ∃ x ∈ M : (A(x) ∨ B(x)) ⇐⇒ ∃ x ∈ M : A(x) ∨ ∃ x ∈ M : B(x) (6) ∃ x ∈ M : (A(x) ∧ B(x)) =⇒ ∃ x ∈ M : A(x) ∧ ∃ x ∈ M : B(x) (7) ∀ x ∈ M ∀ y ∈ N : C(x, y) ⇐⇒ ∀ y ∈ N ∀ x ∈ M : C(x, y) (8) ∃ x ∈ M ∃ y ∈ N : C(x, y) ⇐⇒ ∃ y ∈ N ∃ x ∈ M : C(x, y) (9) ∃ x ∈ M ∀ y ∈ N : C(x, y) =⇒ ∀ y ∈ N ∃ x ∈ M : C(x, y) . Man mache sich an Beispielen klar, dass bei (4),(6) und (9) nicht “ ⇐⇒ ” gilt ! 2 Definition 1.1.13 : Sei f : M Dann heißt die durch f |A : A −→ N −→ N eine Abbildung und A ⊂ M . , f |A (x) := f (x) definierte Abbildung die Restriktion (Einschränkung) von f auf A . f |A hat also einen kleineren Definitionsbereich als f ; die Funktionswerte f |A (x) sind für x ∈ A aber die gleichen wie die Funktionswerte f (x) . 2 Zusätzliche Eigenschaften von Funktionen haben besondere Namen: Definition 1.1.14 : Sei f : M −→ N eine Abbildung. f heißt a) surjektiv (Abbildung von M auf N ) , wenn f (M ) = N ist, oder, was nach Definition 1.1.10 gleichbedeutend ist: ∀ y ∈ N ∃ x ∈ M : f (x) = y , b) injektiv ( eineindeutig ), wenn verschiedene Elemente von M verschiedene Funktionswerte haben, oder, was gleichbedeutend ist: ∀ x, x0 ∈ M : ( f (x) = f (x0 ) =⇒ c) bijektiv , wenn f surjektiv und injektiv ist. x = x0 ) , - 9 - Definition 1.1.15 : Sei f : M −→ N bijektiv. Sei y ∈ N , dann gibt es dazu, da f surjektiv ist, ein, und da f injektiv ist, genau ein Element aus M , dessen Funktionswert gleich y ist, wir nennen es f −1 (y) . Die Funktion f −1 : N −→ M , y 7−→ f −1 (y) heißt die Umkehrfunktion von f . (1.1.16) Beachten Sie : Sei f : M −→ N , dann ist für B ⊂ N das −1 Urbild f (B) definiert. Nur, wenn f bijektiv ist, ist die Umkehrfunktion f −1 definiert. Für B ⊂ N ist dann allerdings −1 f −1 (B) = f (B) , so dass es keine Missverständnisse gibt. (1.1.17) Beispiele : 1) Ist M eine Menge, so heißt idM : M −→ M x 7−→ x die identische Abbildung von M . Sie bildet jedes Element auf sich selbst ab und ist bijektiv. 2) Sei f : R −→ R , f (x) := x2 , so ist f nicht surjektiv, denn zu −1 gibt es kein x ∈ R mit f (x) = −1 . f ist auch nicht injektiv, denn f (2) = Setzt man aber R∗+ f (−2) := = 4 , aber 2 6= −2 . { x ∈ R | x > 0 } und betrachtet g : R∗+ −→ R∗+ , g(x) := x2 , so ist g bijektiv. Um das zu beweisen, muss man zeigen, dass es zu jedem y ∈ R∗+ genau ein x ∈ R∗+ mit y = x2 gibt, also dass man aus positiven reellen Zahlen Quadratwurzeln ziehen kann. Wir werden das in §2 lernen. Definition 1.1.18: Seien f : L −→ M und g : M −→ N Abbildungen, dann kann man die Hintereinanderausführung von f und g bilden : g ◦ f : L −→ N , x 7−→ g(f (x)) . Beachten Sie, dass man (g ◦ f )(x) erhält, indem man zuerst f auf x und dann g auf f (x) anwendet. 2 Bildet man die Hintereinanderausführung von drei oder mehr Funktionen, so kommt es nicht auf die Reihenfolge der Klammern an: - 10 - Satz 1.1.19 (Assoziativität der Hintereinanderausführung) : Seien f : K −→ L , g : L −→ M , h : M −→ N Abbildungen, dann gilt (h ◦ g) ◦ f = h ◦ (g ◦ f ) . Beweis : (h ◦ g) ◦ f und h ◦ (g ◦ f ) sind beides Abbildungen von K in N , und für alle x ∈ K gilt ((h ◦ g) ◦ f )(x) = (h ◦ g)(f (x)) = h(g(f (x))) , (h ◦ (g ◦ f ))(x) = h((g ◦ f )(x)) = h(g(f (x))) . Nach Definition 1.1.9 gilt h ◦ (g ◦ f ) = (h ◦ g) ◦ f 2 . Wir wollen noch ein Kriterium dafür beweisen, wann eine Funktion injektiv, surjektiv oder bijektiv ist: Satz 1.1.20 : Sei f : M −→ N eine Funktion und seien M, N 6= ∅ . Dann gilt: a) f ist injektiv genau dann, wenn es eine Abbildung g : N −→ M mit g ◦ f = idM gibt. b) f ist surjektiv genau dann, wenn es eine Abbildung g : N −→ M mit f ◦ g = idN gibt. c) f ist bijektiv genau dann, wenn es eine Abbildung g : N −→ M mit f ◦ g = idN und g ◦ f = idM gibt. In diesem Fall ist g = f −1 die Umkehrfunktion von f . Beweis : a) 1.) Sei f injektiv. Sei y ∈ N , dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ist y ∈ f (M ) , dann gibt es, da f injektiv ist, genau ein x mit y = f (x) . Wir setzen g(y) := x . Oder es ist y ∈ / f (M ) . Wegen M 6= ∅ gibt es ein Element x0 ∈ M . Wir setzen dann g(y) := x0 . Dann ist g◦f = idM , denn für alle x ∈ M gilt (g ◦ f )(x) = x . 2.) Es gebe ein g : N −→ M mit g ◦ f = idM . Seien x, x0 ∈ M , dann gilt f (x) = f (x0 ) =⇒ g(f (x)) = g(f (x0 )) =⇒ idM (x) = idM (x0 ) =⇒ x = x0 , also ist f injektiv. b) 1.) Sei f surjektiv. Sei y ∈ N , dann gibt es mindestens ein x ∈ M −1 mit y = f (x) , es ist f ({y}) 6= ∅ . - 11 - −1 (∗) Wir wählen ein x ∈ f ({y}) und setzen g(y) := x , dann gilt f ◦g = idN , denn für y ∈ N gilt g(y) = x , wobei f (x) = y ist, also f (g(y)) = y . 2.) Es gebe ein g : N −→ M mit f ◦ g = idN . Sei y ∈ N ,dann ist y = (f ◦ g)(y) = f (g(y)) , also gibt es ein x ∈ M mit y = f (x) , nämlich x := g(y) . Also ist f surjektiv. c) 1.) Wenn es ein g : N −→ M mit f ◦ g = idN und g ◦ f = idM gibt, folgt aus a) und b) , dass f bijektiv ist. 2.) Wenn f bijektiv ist, haben wir die Umkehrfunktion f −1 : N −→ M , die die beiden Gleichungen f ◦ f −1 = idN f −1 ◦ f = idM , erfüllt. 3.) Sei f bijektiv und es gebe g : N −→ M mit f ◦ g = idN , g ◦ f = idM , dann folgt f −1 = f −1 ◦ (f ◦ g) = (f −1 ◦ f ) ◦ g = idN ◦ g = g . 2 Bei (∗) haben wir gebraucht, dass man aus (möglicherweise unendlich vielen) Mengen je ein Element auswählen kann; das “Auswahlaxiom” der Mengenlehre besagt, dass das geht. Wir benutzen das Auswahlaxiom in der Analysis, ohne es ständig zu erwähnen. Definition 1.1.21 : Seien M und N Mengen, dann heißt M ×N := { (x, y) | x ∈ M ∧ y ∈ N } das cartesische Produkt der Mengen M und N . Die Elemente von M × N heißen geordnete Paare von Elementen von M und N . Wir wollen nicht definieren, was ein geordnetes Paar ist, man muss nur wissen, wann zwei geordnete Paare gleich sind: Seien (x1 , y1 ) , (x2 , y2 ) ∈ M × N , dann gilt (x1 , y1 ) = (x2 , y2 ) ⇐⇒ x1 = x2 ∧ y1 = y2 Es kommt also auf die Reihenfolge an : (2, 3) 6= (3, 2) ! . - 12 - Definition 1.1.22 : Sei f : M −→ N eine Funktion. Dann heißt Γf := { (x, y) ∈ M × N | y = f (x) } der Graph von f . Definition 1.1.23 : a) Für n ∈ N∗ setzen wir n := { m ∈ N∗ | m ≤ n } , also n = {1, 2, . . . , n} , und zusätzlich 0 := ∅ . b) Sei M eine Menge. M heißt endlich, wenn es ein n ∈ N0 und eine bijektive Abbildung f : n −→ M gibt. Man kann dann (mit Induktion) beweisen, dass das n eindeutig bestimmt ist. Es ist daher sinnvoll, #(M ) := n die Mächtigkeit von M zu nennen. c) Ist die Menge M nicht endlich, so heißt M eine unendliche Menge. 2 §2 Die reellen Zahlen 2.1 Die Körperaxiome Definition 2.1.2 Sei A eine nichtleere Menge und τ eine Verknüpfung auf A , d.h. eine Abbildung τ : A × A −→ A , (x, y) 7−→ xτ y . Wenn die Aussagen (AG1) ∀ x, y, z ∈ A : xτ (yτ z) = (xτ y)τ z (Assoziativgesetz) (AG2) ∀ x, y ∈ A : xτ y = yτ x (Kommutativgesetz) (AG3) ∀ a, b ∈ A ∃ x ∈ A : aτ x = b richtig sind, dann heißt A (genauer: das Paar (A, τ )) eine abelsche (kommutative) Gruppe . 2 Folgerung 2.1.3 : Sei (A, τ ) eine abelsche Gruppe. Dann gilt (1) ∃1 e ∈ A ∀ x ∈ A : xτ e = x . Dieses Element e heit das neutrale Element von (A, τ ) . (2) ∀ x ∈ A ∃1 x∗ ∈ A : xτ x∗ = e . Dieses x∗ heißt das Inverse von x . (3) e∗ = e . (4) ∀ a, b ∈ A ∃1 x ∈ A : aτ x = b . (5) ∀ x ∈ A : (x∗ )∗ = x . (6) ∀ x, y ∈ A : (xτ y)∗ = y ∗ τ x∗ . Beweis : (1) Wir wählen ein festes a ∈ A , das geht wegen A 6= ∅ . Wenn wir in (AG3) b := a setzen, folgt ∃ e ∈ A : aτ e = a , - 13 - dieses e könnte aber von a abhängen. Ist aber x ∈ A beliebig, so gibt es nach (AG3) ein y ∈ A mit aτ y = x , also (AG2) (AG1) = (yτ a)τ e = yτ (aτ e) = yτ a = x , xτ e also gilt : ∀ x ∈ A : xτ e = x . Sei auch f ∈ A mit ∀ x ∈ A : xτ f = x , dann gilt, wenn man e bzw. f für x einsetzt : e = eτ f (AG2) = fτe = f . (2) Nach (AG3) folgt zunächst ∀ x ∈ A ∃ x∗ ∈ A : xτ x∗ = e . Sei auch x0 ∈ A mit xτ x0 = e , dann folgt x0 (1) 0 (AG1) = x τ e = x0 τ (xτ x∗ ) = (x0 τ x)τ x∗ (AG2) (AG2) ∗ (1) = (xτ x0 )τ x∗ = eτ x∗ = x τ e = x∗ . Zu jedem Element x gibt es also ein eindeutig bestimmtes Inverses. Damit beweist man (3) , (5) und (6) : (3) eτ e = e nach (1) und eτ e∗ = e nach (2) . Nach (2) folgt e = e∗ . (AG2) (2) (2) = x∗ τ x , also ist (5) e = x∗ τ (x∗ )∗ und e = xτ x∗ nach (2) : x = (x∗ )∗ das Inverse von x∗ , (AG2) (6) (xτ y)τ (y ∗ τ x∗ ) = (xτ (yτ y ∗ ))τ x∗ (2) (1) (2) = (xτ e)τ x∗ = xτ x∗ = e , also ist y ∗ τ x∗ das - nach (2) eindeutig bestimmte - Inverse von xτ y , y ∗ τ x∗ = (4) Die Existenz eines x mit aτ x ∃1 a∗ ∈ A : aτ a∗ = e , also a∗ τ b = a∗ τ (aτ x) = eτ x (xτ y)∗ = . b folgt aus (AG3) . Aus (2) folgt: (AG1) (AG2) = (a∗ τ a)τ x = (aτ a∗ )τ x (AG2) (1) = xτ e = x . x ist also eindeutig bestimmt: x = a∗ τ b . Definition 2.1.4 : Sei K eine Menge. Es gebe zwei Verknüpfungen so dass gilt: + : K × K −→ K , (a, b) 7−→ a + b , · : K × K −→ K , (a, b) 7−→ a · b , 2 - 14 - (K1’) (K, +) ist eine abelsche Gruppe. Das neutrale Element von (K, +) bezeichnen wir mit 0K . Das Inverse eines Elements a in der abelschen Gruppe (K, +) nennen wir das Negative von a und schreiben dafür −a . Für b, a ∈ K setzen wir b − a := b + (−a) . (K2’) Sei K ∗ := K \ {0K } , dann ist (K ∗ , ·) eine abelsche Gruppe. Das neutrale Element von (K ∗ , ·) bezeichnen wir mit 1K . Das Inverse von x in (K ∗ , ·) bezeichnen wir mit x−1 . Für y ∈ K , x ∈ K ∗ setzen y := y · x−1 . wir x (K4’) Distributivgesetz : ∀ x, y, z ∈ K : ( x·(y +z) = x·y +x·z ∧ (x+y)·z = x·z +y ·z ) . Hier müsste man rechts genauer: (x · z) + (y · z) schreiben, man vereinbart aber wie üblich: “Punktrechnung geht vor Strichrechnung”, dann kann man die Klammern weglassen. Wenn K diese drei Axiome erfüllt, nennen wir K (genauer: (K, +, ·) ) einen Körper . (2.1.5) Folgerungen aus dem Distributivgesetz : Sei K ein Körper. Dann gilt für alle x, y, z ∈ K : (1) x · 0K = 0K (2) 0K · x = 0K (3) x · (y · z) = (x · y) · z (4) x · y = y · x (5) x · y = 0K ⇐⇒ x = 0K ∨ y = 0K (6) (−x) · y = −(x · y) (7) (−x) · (−y) = x · y (8) (−1K ) · x = −x . Beweis : (1) Aus 0K + 0K = 0K folgt (K4’) x · 0K = x · (0K + 0K ) = x · 0K + x · 0K , andererseits gilt auch x · 0K + 0K = x · 0K , also nach 2.1.3 (4): x · 0K = 0K . (2) zeigt man analog zu (1) mit (K4’). (3) und (4) sind für x, y, z ∈ K ∗ richtig nach den Axiomen der Multiplikation (Assoziativgesetz bzw. Kommutativgesetz). Ist x, y oder z gleich 0K , so folgt nach (1) bzw. (2) x · (y · z) = 0K und (x · y) · z = 0K , entsprechend bei (4) . - 15 - (5) “⇐= ” folgt aus (1) und (2). “=⇒” : Sei x · y = 0K . Ist x = 0K , so sind wir fertig. Ist x 6= 0K , so ist x ∈ K ∗ , und da (K ∗ , ·) eine abelsche Gruppe ist, haben wir x−1 ∈ K ∗ mit x−1 · x = x · x−1 = 1K , also (1) y = 1K · y = (x−1 · x) · y = x−1 · (x · y) = x−1 · 0K = 0K . (K4’) (2) (6) x · y + (−x) · y = (x + (−x)) · y = 0K · y = 0K , also ist (−x) · y das eindeutig bestimmte Negative von x · y , (−x) · y = −(x · y) . (6) (8) (−1K ) · x = −(1K · x) = −x . (6) (4) (6) (7) (−x) · (−y) = −(x · (−y)) = −((−y) · x) = −(−(y · x)) (4) (2.1.3)(5) = −(−(x·y)) = x·y . 2 Wir können also die Axiome für die Addition und Multiplikation reeller Zahlen zusammenfassen zu 2 (2.1.6) Axiom (K) : (R , + , · ) ist ein Körper. Durch dieses Axiom ist R aber noch nicht charakterisiert, es gibt auch andere Körper, z.B. den Körper Q der rationalen Zahlen und den Körper C der komplexen Zahlen, den wir bald kennen lernen werden. In beliebigen abelschen Gruppen kann man Potenzen definieren: Definition 2.1.7 : Sei (A, τ ) eine abelsche Gruppe, e das neutrale Element von (A, τ ) und x ∈ A . Dann definieren wir die Potenzen von x durch x0 := e , (∗) xn+1 := xn τ x für n ∈ N0 , (∗∗) x−n := (x−1 )n für n ∈ N∗ . Wenn man als bekannt voraussetzt, dass für m ∈ Z \ N0 gilt: −m ∈ N∗ , dann ist damit xn für alle n ∈ Z definiert. Folgerung 2.1.8 : Sei (A, τ ) eine abelsche Gruppe und seien x, y ∈ A , n, m ∈ Z . Dann gilt (1) xn τ xm = xn+m (2) (xn )m = xn·m (3) (xτ y)n = xn τ y n . Beweis : Sei e das neutrale Element von (A, τ ) . (1) a) Für m ∈ N0 gilt nach Definition (∗) : xm+1 = xm τ x . Ist nun m ∈ Z \ N0 , so ist −m ∈ N∗ , −m − 1 ∈ N0 , also nach (∗) für x−1 statt x : (x−1 )−m = (x−1 )−m−1 τ x−1 . Für −m − 1 ∈ N∗ gilt (x−1 )−m−1 = xm+1 nach Definition (∗∗) , für −m − 1 = 0 gilt (x−1 )−m−1 = e = xm+1 auch, also gilt nach (∗∗) : xm = xm+1 τ x−1 , und Multiplikation mit x ergibt xm τ x = xm+1 . Also gilt ∀ m ∈ Z : xm+1 = xm τ x . - 16 - b) Durch Induktion nach m zeigen wir : ∀ m ∈ N0 ∀ n ∈ Z : x n τ x m = xn+m . Beweis: (I) Für m = 0 ist xm = e , und xn τ xm = xn τ e = xn = xn+0 = xn+m ist richtig. (II) Sei m ∈ N0 , und xn τ xm = xn+m sei richtig. Dann folgt xn τ xm+1 (*) n m a) = x τ x τ x = xn+m τ x = xn+m+1 . c) Für n ∈ N0 gilt nach b) : x−n τ xn = x−n+n = x0 = e , also ist x−n das (eindeutig bestimmte) Inverse von xn , also x−n (xn )−1 = für n ∈ N0 . d) Sei m ∈ Z \ N0 und n ∈ Z , dann ist −m ∈ N∗ , also nach b): xn+m τ x−m xn+m = = x(n+m)−m xn τ (x−m )−1 = c) = xn , xn τ xm also . Also gilt xn+m = xn τ xm für alle n, m ∈ Z . (2) , (3) als Übungsaufgabe . 2 (2.1.9) Zur Schreibweise : Ist (K, +, ·) ein Körper, so muss man verschiedene Schreibweisen für die Potenzen verwenden : in der abelschen Gruppe (K, +) schreibt man für n ∈ Z und x∈K: nx für die n− te Potenz von x und spricht vom n−fachen von x . Die Regeln aus (2.1.8) schreiben sich dann etwas anders, z.B.: (2) ∀ n, m ∈ Z : m(nx) = (mn)x , in der abelschen Gruppe (K ∗ , ·) schreiben wir für n ∈ Z , x ∈ K ∗ : xn für die n−te Potenz. Zusätzlich definieren wir noch 0K 0 := 1K , 0K n := 0K für n ∈ N∗ . Folgerung 2.1.10 : Sei K ein Körper. Dann gilt für alle n, m ∈ N0 : (n1K ) · (m1K ) = (nm)1K Beweis durch Induktion nach m : Sei n ∈ N0 beliebig. (I) Für m = 0 haben wir m1K = 0K , also (n1K ) · (0 1K ) = (n1K ) · 0K (2.1.5)(1) = 0K = 0 · 1K = (n · 0)1K (II) Sei m ∈ N0 und (n1K ) · (m1K ) = (nm)1K sei richtig. Dann folgt (n1K ) · ((m + 1)1K ) (2.1.7) = (n1K ) · (m1k + 1K ) = . - 17 - (K4’) = (n1K ) · (m1K ) + (n1K ) · 1K (K2’) = (n1K ) · (m1K ) + n1K = (nm)1K + n1K (2.1.8)(1) = (nm + n)1K = (n(m + 1))1K . 2 2.2. Die Anordnung von R Bemerkung 2.2.4 : Die Frage ist, ob die natürlichen Zahlen eine Teilmenge von R bilden. Bei Königsberger wird das als selbstverständlich angesehen. Wenn man es genau nimmt, kann man das aber mit den bisherigen Axiomen weder beweisen noch widerlegen. Immerhin: R enthält eine Teilmenge, die dieselbe algebraische Struktur wie N0 hat, und deren Elemente wir dann mit denen aus N0 identifizieren können. Hilfssatz 2.2.5 : Für alle k ∈ N∗ gilt k 1R ∈ R∗+ . Beweis durch Induktion nach k : (I) Für k = 1 gilt 1 1R = 1R ∈ R∗+ nach (2.2.3) (5). (II) Sei k ∈ N∗ , und k 1R ∈ R∗+ sei richtig. Dann folgt (k+1)1R (2.1.7) = k1R +1R ∈ R∗+ nach (A2) . 2 Satz 2.2.6 : Die Abbildung ϕ : N0 −→ R , ϕ(n) := n 1R ist injektiv und “erhält die algebraische Struktur von N0 ”, d.h. für n, m ∈ N0 gilt (∗) ϕ(n + m) = ϕ(n) + ϕ(m) , (∗∗) ϕ(n · m) = ϕ(n) · ϕ(m) . Beweis : (∗) erhält man, indem man die Regel (1) aus 2.1.8 für das m−fache hinschreibt, mit x := 1R : (1) (n + m)1R = n 1R + m 1R , (∗∗) ist Folgerung 2.1.10 : (n m)1R = (n 1R ) · (m 1R ) . Nun zur Injektivität von ϕ : Seien n, m ∈ N0 , n 6= m , dann ist eine der beiden Zahlen die kleinere, ohne Einschränkung der Allgemeinheit (wir schreiben: Œ) ist n < m , also nach Definition 1.1.1 (!) : k := m − n ∈ N∗ . - 18 - Nach Hilfssatz 2.2.5 ist k1R ∈ R∗+ , also m1R = (n + (m − n))1R > n1R + 0R (2.1.8)(1) = n1R + (m − n)1R nach 2.2.3 (3b), also m1R > n1R und damit nach 2.2.3 (1) : m1R 6= n1R . 2 Folgerung 2.2.7 : Nach Satz 2.2.6 ist die Abbildung ι : N0 −→ { n1R | n ∈ N0 } , n 7−→ n1R bijektiv, und (∗) und (∗∗) sagen, dass sich an den Rechenergebnissen nichts ändert, wenn man erst in N0 addiert bzw. multipliziert und dann ι anwendet oder umgekehrt. Wir können daher die reelle Zahl n1R mit der natürlichen Zahl n identifizieren, d.h. einfach n statt der reellen Zahl n1R schreiben. Dann wird N0 ⊂ R , und es gilt 1 = 1 1R = 1R , 0 = 0 1R = 0R für die natürlichen Zahlen 1 und 0 , was uns das Schreiben etwas erleichtert. - Da R ein Körper ist, gilt für die n ∈ N∗ dann auch −n ∈ R , also Z⊂R , und für n, m ∈ Z , m 6= 0 , auch n = (n1R ) · (m1R )−1 ∈ R , m also Q ⊂ R . Erst jetzt, wo wir wissen, dass N0 ⊂ R gilt, wird das folgende Axiom verständlich: (2.2.8) Archimedisches Axiom: (A3) Zu jeder reellen Zahl a gibt es eine natürliche Zahl n ∈ N0 mit n − a ∈ R∗+ .