Anhang Wissenschaftliche Schlussfolgerungen und Begründung der Europäischen Arzneimittel-Agentur für die Versagung Wissenschaftliche Schlussfolgerungen und Begründung der Europäischen ArzneimittelAgentur für die Versagung Komplette Zusammenfassung der wissenschaftlichen Beurteilung von Raxone • Qualität Zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens gab es keine offenen Fragen hinsichtlich der Qualität des Wirkstoffs oder des Arzneimittels. Die Qualität des Arzneimittels wird als annehmbar erachtet. Die für die einheitliche klinische Leistungsfähigkeit des Arzneimittels relevanten physikalisch-chemischen und biologischen Aspekte wurden untersucht und werden in zufriedenstellender Weise überwacht. • Nicht-klinische Aspekte Idebenon ist ein synthetisches Elektronenüberträger in der Analogon von mitochondrialen Ubichinon (Coenzym Q10) Elektronentransportkette. und Es wirkt hemmt als die Lipidperoxidation und schützt die Zellmembranen und die Mitochondrien vor oxidativen Schäden. Der vorgeschlagene Wirkmechanismus beruht darauf, dass Idebenon von Komplex I zu 2HIdebenon reduziert wird, welches Elektronen zum Komplex III zurückführen kann und dadurch die ATP-Produktion fördert. Der Wirkmechanismus von Idebenon im Hinblick auf LHON (LeberSyndrom oder Lebersche hereditäre Optikusneuropathie) ist nicht vollständig geklärt. Deshalb muss die Wirksamkeit im beantragten Anwendungsgebiet auf der Grundlage klinischer Ergebnisdaten nachgewiesen werden, da die präklinischen Daten in diesem Zusammenhang nicht beweiskräftig sind. Basierend auf den konventionellen Studien zur Sicherheitspharmakologie, Toxizität bei wiederholter Gabe, Reproduktions- und Entwicklungstoxizität, Genotoxizität und zum kanzerogenen Potenzial werfen die präklinischen Daten keine Sicherheitsbedenken für den Menschen auf. • Wirksamkeitsaspekte Die RHODOS-Studie, eine placebokontrollierte Studie an LHON-Patienten, ist die einzige vom Antragsteller vorgelegte zulassungsrelevante Studie und bildet die wesentliche Grundlage für den Nachweis der Wirksamkeit und der Sicherheit von Idebenon in der Behandlung von LHONPatienten. Sie war ursprünglich als exploratorische Studie konzipiert, die anschließend in einer größer angelegten Bestätigungsstudie validiert werden sollte. Aufgrund der Schwierigkeit, Patienten mit diesem Leiden zu rekrutieren, wurde die Studie nach Beratung mit der Arbeitsgruppe Wissenschaftliche Beratung (Scientific Advice Working Party, SAWP) und nationalen Behörden abgeändert, um als eine „zulassungsrelevante“ Studie zur Unterstützung der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels verwendet werden zu können. Unter Berücksichtigung dieser relevanten Besonderheiten ist hervorzuheben, dass eine placebokontrollierte Studie ein ungewöhnliches Design für ein so seltenes Leiden darstellt, und der Studie zusätzlichen wissenschaftlichen Wert verleiht. Die in der Studie untersuchten Patienten trugen eine von drei pathogenen mtDNA-Mutationen (G11778A, G3460A und T14484C), die von der großen Mehrheit der LHON-Patienten in Europa getragen wird. 85 Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip unterschiedlichen Behandlungsgruppen zugeordnet. Dabei wurden über einen Zeitraum von 24 Wochen insgesamt 53 Patienten mit Idebenon 900 mg/Tag und 29 Patienten mit Placebo behandelt. Beim primären Endpunkt, der besten Heilung, wurde keine statistische Signifikanz erreicht (p=0,291) und der Unterschied in der Sehschärfe (V.) war zwischen den Behandlungsarmen nicht klinisch relevant (3 Buchstaben zugunsten von Idebenon). Der sekundäre Hauptendpunkt, die beste Sehschärfe, wird als von höherer klinischer Relevanz erachtet. Die bei diesem Endpunkt aufgezeigte Wirkung war eine statistisch nicht signifikante und klinisch nicht relevante Wirkung (logMAR -0,120, 6 Buchstaben Unterschied; der p-Wert betrug 0,078). Weitere Nachweise für den Wirksamkeitsanspruch basierten auf Literaturdaten. Die Ergebnisse der Studien von Mashima und Carelli zeigen im Hinblick auf die Wirkung von Idebenon bei LHON-Patienten eine ähnliche positive Tendenz auf. Allerdings muss man eingestehen, dass die Verwendung von Daten aus der Literatur mit Einschränkungen infolge des Publikationsbias einhergeht. Im Rahmen des Verfahrens wurde vom Antragsteller eine abgeänderte Zielpopulation festgelegt, die den Patienten entsprach, welche sich unabhängig vom Mutationstyp innerhalb eines Jahres nach dem Eintreten der Symptome zur Behandlung vorstellten. Bei der abgeänderten Zielpopulation handelte es sich um eine vordefinierte Subgruppenanalyse aus dem RHODOSProtokoll, die eine kleine Subgruppe von 28 Patienten (19 mit Idebenon behandelte Patienten) repräsentiert. Es wurde eine klinisch relevante Wirkung von 17 Buchstaben beim Endpunkt der besten Sehschärfe (sekundärer Hauptendpunkt) beobachtet. Dieses Ergebnis war von statistischer Bedeutung und deshalb war man der Ansicht, dass die Wirksamkeit beim sekundären Endpunkt an den Ergebnissen aufgezeigt wurde, die ungeachtet des mitochondrialen Mutationstyps bei Patienten beobachtet wurden, bei denen die Krankheit innerhalb eines Jahres ausgebrochen war (Zielpopulation). Bedenken wurden vom CHMP im Hinblick auf das tatsächliche Ausmaß der gemessenen Wirkung erhoben. Bei LHON-Patienten wird kein günstiger natürlicher Krankheitsverlauf erwartet. Allerdings wurde bei einigen mit Idebenon behandelten Patienten vor der Behandlung eine Besserung berichtet, obwohl dies insgesamt keinen Einfluss auf die in der RHODOS-Studie beobachtete Wirkung hatte. Der Antragsteller identifizierte Patient 23 (Mutation G 11778A), einen Patienten, der seine Sehschärfe vor Beginn der Studie spontan zurückerlangte. Aus medizinischen Gründen wurde Patient 23 von den abschließenden Analysen, die an der bezeichneten Zielpopulation durchgeführt wurden, ausgeschlossen. Obwohl der Ausschluss von Patient 23 aus den Wirksamkeitsanalysen als zulässig betrachtet werden kann, ist der starke Einfluss eines Ein- oder Ausschlusses von Patient 23 auf die Ergebnisse der Wirksamkeitsanalyse ein Hinweis für das Ausmaß, in dem ein solcher Störfaktor (z. B. Spontanregression) die in der Zielpopulation erhaltenen Ergebnisse beeinflusst. Die vorerwähnten Unsicherheiten wurden auch von einer auf Ersuchen des CHMP berufenen Expertengruppe zum Ausdruck gebracht. Die Expertengruppe konnte aufgrund unzureichender Daten nicht sagen, ob die in der LHON-Population insgesamt beobachtete Wirkung von Idebenon biologisch plausibel ist. Darüber hinaus betrachteten die Experten die beobachtete Wirkung aus klinischer Sicht zwar als funktionell relevant, konnten jedoch aufgrund der geringen Patientenzahl nicht ausschließen, dass die klinische Wirkung zumindest teilweise das Resultat einer Spontanregression der Krankheit war. Um diese Unsicherheiten bezüglich der Wirkung auszuräumen, wäre es das Beste, eine placebokontrollierte Bestätigungsstudie durchzuführen. Allerdings wird die Durchführbarkeit einer solchen Studie aufgrund der Seltenheit der für die Zielindikation ermittelten Patienten infrage gestellt. Vom Antragsteller wurde als spezielle Verpflichtung ein Arzneimittel-Expositionsregister vorgeschlagen, in dessen Rahmen mit Idebenon behandelte Patienten regelmäßig im Hinblick auf die Wirkung bewertet und mit historischen Kontrollen verglichen werden könnten. Allerdings wird das Nutzen-Risiko-Verhältnis in dem vorgeschlagenen Anwendungsgebiet als ungünstig betrachtet, und das Arzneimittelregister würde im Hinblick auf die klinische Wirksamkeit unter Umständen keine ausreichenden Nachweise liefern. • Sicherheitsaspekte Als einzige Gegenanzeige wurde Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile ermittelt. Diarrhö (sehr häufig) war die einzige sehr häufige Nebenwirkung, die im Zusammenhang mit der Exposition gegenüber Idebenon festgestellt wurde. Mit dieser Nebenwirkung können die unter Behandlung stehenden Patienten normalerweise einfach umgehen. Im Allgemeinen war die Gesamtinzidenz schwerwiegender Nebenwirkungen niedrig und es wurde für keine von diesen ein eindeutiger Zusammenhang mit der Exposition gegenüber Idebenon nachgewiesen. Darüber hinaus war man der Auffassung, dass Behandlungsabbrüche infolge von Nebenwirkungen im Allgemeinen selten vorkamen. Begründung für die Versagung In Erwägung nachstehender Gründe: • In der einzelnen zulassungsrelevanten Studie konnte in der gesamten rekrutierten Population mit Leberscher hereditärer Optikusneuropathie keine klinisch oder statistisch relevante therapeutische Wirkung von Idebenon nachgewiesen werden. Die Behauptung einer statistisch signifikanten Wirksamkeit basiert auf den Ergebnissen, die an einer kleinen Subgruppe von Patienten mit vor kurzem erfolgtem Krankheitsausbruch festgestellt wurden, und es liegen nur unzureichend Daten vor, um die biologische Plausibilität der Wirkung von Idebenon im gesamten Optikusneuropathie zu Populationsspektrum klären. Darüber hinaus der wird Patienten die mit Leberscher Zuverlässigkeit der Wirksamkeitsergebnisse von Idebenon in der vorgeschlagenen Zielpopulation (Patienten, die ungeachtet des mitochondrialen Mutationstyps innerhalb eines Jahres nach Ausbruch von Symptomen behandelt werden sollen) infrage gestellt. Angesichts der begrenzten Größe einer solchen Subgruppe können der Einfluss von Daten einzelner Patienten sowie die Möglichkeit, dass die beobachtete klinische Wirkung auf einer Spontanremission oder adaptiven Veränderung der Krankheit beruht, nicht ausgeschlossen werden ― ist der CHMP der Meinung, dass die Wirksamkeit des oben erwähnten Arzneimittels nicht geeignet bzw. ausreichend nachgewiesen ist. Daher empfahl der CHMP gemäß Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 die Versagung der Genehmigung für das Inverkehrbringen unter außergewöhnlichen Umständen für Raxone.