Jahrbuch 2006/2007 | Rosner, Helge; Schnelle, W alter; Schmitt, Miriam; Janson, Oleg (St. Petersburg State University, Russland); Gerlach, Sylvia; Schmidt, Marcus; Huang, Ya-Xi; Liu, W ei; Gippius, Andrei (Moscow State University, Russland); Johannes, Michelle Daw n (NRL W ashington, USA); Drechsler, Stefan-Ludw ig (IFW Dresden); Richter; Johannes (Universität Magdeburg); Kniep, Rüdiger | Cu(II)-Verbindungen im Zusammenspiel von Kristallchemie und Magnetismus Cu(II)-Verbindungen im Zusammenspiel von Kristallchemie und Magnetismus Cu(II)-Materials – Crystal chemistry meets Magnetism Rosner, Helge; Schnelle, Walter; Schmitt, Miriam; Janson, Oleg (St. Petersburg State University, Russland); Gerlach, Sylvia; Schmidt, Marcus; Huang, Ya-Xi; Liu, Wei; Gippius, Andrei (Moscow State University, Russland); Johannes, Michelle Daw n (NRL Washington, USA); Drechsler, Stefan-Ludw ig (IFW Dresden); Richter; Johannes (Universität Magdeburg); Kniep, Rüdiger Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe, Dresden Korrespondierender Autor E-Mail: [email protected] Zusammenfassung Niedrigdimensionale Cupratverbindungen zeigen eine Vielzahl faszinierender magnetischer Eigenschaften. Es w ird demonstriert, w ie die Kombination von Elektronenstruktur- und Modellrechnungen, experimentellen Ergebnissen und kristallchemischen Aspekten ein grundlegendes Verständnis dieser Substanzklasse auf mikroskopischer Grundlage liefern kann. Summary Low -dimensional cuprate compounds show a variety of intriguing magnetic properties. We demonstrate that a combination of electronic structure and model calculations together w ith experimental results and crystalchemical considerations can provide a deep understanding of this compound family on microscopic grounds. Seit den Anfängen der Quantenmechanik und der Entw icklung von magnetischen Wechselw irkungsmodellen im Festkörper gibt es großes Interesse an realen niedrigdimensionalen magnetischen Systemen. Trotz ihrer scheinbaren Einfachheit haben selbst einfache Modelle w ie das Ising- oder das Heisenbergmodell keine exakten Lösungen für den Grundzustand, außer in ein-(1D) oder zw ei-(2D) dimensionalen Systemen. Die Suche nach realen Materialien mit im Wesentlichen 1D oder 2D magnetischen Wechselw irkungen hat deshalb große Bedeutung für die Bestätigung oder Korrektur theoretischer Vorhersagen von exotischen Grundzuständen, die mit starken Quantenfluktuationen einhergehen. Hinzu kommt ein w eiterer, praktischer Aspekt durch eine mögliche Schlüsselrolle solcher Quanten-Spinfluktuationen für die unkonventionelle Paarbildung in einigen Supraleitern, insbesondere den Cuprat-Hochtemperatursupraleitern. Solche niedrigdimensionalen magnetische Materialien finden sich unter anderem in Kupfer(II)-SauerstoffVerbindungen, in denen quadratisch-planare CuO 4 -Einheiten Valenzelektronenkonfiguration von Cu 2+ entspricht 3d9 4s 0 , das strukturbildende die von O 2– 2p6 . Element In einer sind. Die einfachen Molekularfeldnäherung ist das höchste besetzte Orbital daher ein antibindender, halbgefüllter pd-σ Zustand. Aufgrund starker intraatomarer Korrelationen in den lokalisierten Cu 3d- Orbitalen ist eine solche einfache © 2007 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 1/6 Jahrbuch 2006/2007 | Rosner, Helge; Schnelle, W alter; Schmitt, Miriam; Janson, Oleg (St. Petersburg State University, Russland); Gerlach, Sylvia; Schmidt, Marcus; Huang, Ya-Xi; Liu, W ei; Gippius, Andrei (Moscow State University, Russland); Johannes, Michelle Daw n (NRL W ashington, USA); Drechsler, Stefan-Ludw ig (IFW Dresden); Richter; Johannes (Universität Magdeburg); Kniep, Rüdiger | Cu(II)-Verbindungen im Zusammenspiel von Kristallchemie und Magnetismus Aufgrund starker intraatomarer Korrelationen in den lokalisierten Cu 3d- Orbitalen ist eine solche einfache Molekularfeldbeschreibung ungenügend für die elektronischen Eigenschaften. Der halbgefüllte antibindende Zustand spaltet in ein so genanntes oberes und ein unteres Hubbard-Niveau. Somit sind die starken Korrelationen für den isolierenden Charakter der undotierten Cuprate verantw ortlich. Die CuO 4 -Einheit besitzt ein magnetische Moment mit dem Spin 1/2 und ist damit ein ideales Objekt, um die oben erw ähnten Quanteneffekte zu studieren. Durch die unte rschie dliche Ve rk nüpfung qua dra tisch-pla na re r C uO 4- Einhe ite n (a ) e ntste he n ve rschie de ne nie drigdim e nsiona le C upra tk e tte n, z.B. e ck e nve rk nüpfte (b) und k a nte nve rk nüpfte Ke tte n (c) ode r Doppe lk e tte n (d). De r a ntibinde nde C u-O Zusta nd ist durch die e ntspre che nde n C u3d- und O -2p-O rbita le in de r Mitte bzw. a uf de n Eck e n de r C uO 4- Einhe ite n da rge ste llt. © Ma x -P la nck -Institut für C he m ische P hysik fe ste r Stoffe Die strukturelle und magnetische Vielfalt der Cupratverbindungen entsteht durch die Möglichkeit, die CuO 4 Basiseinheiten w ie Steine aus einem Baukasten auf verschiedene Arten zu verknüpfen [1]. Auf diese Weise erhält man immer komplexere Netzw erke mit einer verblüffenden Vielfalt magnetischer Grundzustände. Unverknüpfte CuO 4 -Einheiten (Abb. 1a) kann man in Verbindungen mit komplexen Anionen w ie Sulfat- oder Phosphatgruppen w ie zum Beispiel in den Kristallstrukturen von CuPbSO 4 (OH)2 und Sr2 Cu(PO 4 )2 (Abb. 2) finden. In anderen Verbindungen teilen sich die CuO 4 -Quadrate gemeinsame Sauerstoffatome und bilden verschiedene niederdimensionale Strukturelemente (Abb. 1b-d). In Abhängigkeit von der Anzahl der gemeinsamen Sauerstoffatome entstehen so eckenverknüpfte- (Abb. 1b), kantenverknüpfte- (Abb. 1c) oder Doppel-Ketten (Abb. 1d). Durch die Kombination dieser Kettentypen kann eine große Vielfalt von Strukturen, beispielsw eise ein-, zw ei- oder dreibeinige Spin-Leitern gebildet w erden. Auf diese Weise ist ein quasikontinuierlicher Übergang von 1D zu 2D Cu(II)-Verbindungen möglich. Um die w esentlichen elektronischen und magnetischen Eigenschaften realer Verbindungen mikroskopisch zu beschreiben, sind Dichtefunktionalrechnungen (DFT) ein w ertvolles Hilfsmittel. Aus der berechneten elektronischen Struktur können die w ichtigsten Wechselw irkungen und die beteiligten Orbitale mithilfe eines © 2007 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 2/6 Jahrbuch 2006/2007 | Rosner, Helge; Schnelle, W alter; Schmitt, Miriam; Janson, Oleg (St. Petersburg State University, Russland); Gerlach, Sylvia; Schmidt, Marcus; Huang, Ya-Xi; Liu, W ei; Gippius, Andrei (Moscow State University, Russland); Johannes, Michelle Daw n (NRL W ashington, USA); Drechsler, Stefan-Ludw ig (IFW Dresden); Richter; Johannes (Universität Magdeburg); Kniep, Rüdiger | Cu(II)-Verbindungen im Zusammenspiel von Kristallchemie und Magnetismus tight-binding (TB) Modells bestimmt w erden. Anschließend w ird ein solches TB-Modell stufenw eise auf ein Heisenberg-Modell abgebildet, um die starken elektronischen Korrelation an den Cu-Atomen möglichst realistisch zu berücksichtigen. Aus den Näherungslösungen solcher Modelle kannn man den magnetischen Grundzustand und seine Anregungen bestimmen. Dieses Verfahren w ird im Folgenden stellvertretend am Beispiel von Sr2 Cu(PO 4 )2 erläutert [2]. O be n: Krista llstruk tur von Sr2C u(P O 4) 2, die Ke tte n e ntla ng b we rde n von de n isolie rte n C uO 4-Einhe ite n ge bilde t. Unte n: Aufsicht a uf die Spin-Ke tte ne be ne m it he rvorge hobe ne n e le k tronische n W e chse lwirk unge n (sie he Te x t). © Ma x -P la nck -Institut für C he m ische P hysik fe ste r Stoffe Sr2 Cu(PO 4 )2 und die isotype Verbindung Ba 2 Cu(PO 4 )2 zeigen eine unter den bekannten quasi-1D- Kettenverbindungen einmalige Kristallstruktur (Abb. 2): ebene CuO 4 -Quadrate sind voneinander isoliert und durch PO 4 -Tetraeder zu unendlichen Ketten verknüpft. Nächste Nachbarquadrate (NN) liegen in einer Ebene, die Ketten verlaufen entlang b. CuO 4 -Quadrate benachbarter Ketten entlang a besetzen die Positionen zw ischen den Quadraten der Nachbarketten. Unter Berücksichtigung der strukturellen Details ist die Verbindung Sr 2 Cu(PO 4 )2 am besten als Phosphato-Cuprat(II) mit einer partiellen anionischen Struktur [Cu(PO 4 )2 ]4+ charakterisiert. DFT-Bandstrukturrechnungen unter Verw endung eines full-potential local-orbital (FPLO) Codes [3] finden in Übereinstimmung mit dem eingangs erläuterten Molekularfeldbild ein antibindendes, halbgefülltes Cu-O-Band an der Fermienergie und somit metallisches Verhalten. Nur das Hinzufügen der starken elektronischen © 2007 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 3/6 Jahrbuch 2006/2007 | Rosner, Helge; Schnelle, W alter; Schmitt, Miriam; Janson, Oleg (St. Petersburg State University, Russland); Gerlach, Sylvia; Schmidt, Marcus; Huang, Ya-Xi; Liu, W ei; Gippius, Andrei (Moscow State University, Russland); Johannes, Michelle Daw n (NRL W ashington, USA); Drechsler, Stefan-Ludw ig (IFW Dresden); Richter; Johannes (Universität Magdeburg); Kniep, Rüdiger | Cu(II)-Verbindungen im Zusammenspiel von Kristallchemie und Magnetismus Korrelationen führt zu dem isolierenden Zustand, der experimentell beobachtet w ird. Eine quantitative Analyse der berechneten Bandstruktur im Rahmen eines TB-Modells offenbart den nahezu idealen 1D-Charakter der Elektronenstruktur. Zunächst zeigt sich, dass bereits die Berücksichtigung w eniger, kurzreichw eitiger Kopplungen (Abb. 2) genügt, um eine perfekte Übereinstimmung zw ischen DFT-Bandstruktur und TB-Modell zu erzielen. Dabei findet die dominierende magnetische Kopplung zw ischen Nachbarquadraten entlang einer Kette statt, alle anderen Kopplungen erw eisen sich als um zw ei bis drei Größenordnungen kleiner. Damit avanciert Sr2 Cu(PO 4 )2 zur besten bisher bekannten 1D- Heisenberg-Spin-1/2-Kette. Trotz der beträchtlichen magnetischen Kopplung innerhalb der Kette w ird für ein solches System magnetische Ordnung – w enn überhaupt – nur bei tiefsten Temperaturen erw artet. Die berechneten magnetischen Wechselw irkungen stimmen exzellent mit den experimentellen Daten überein. Magnetische Ordnung w ird erst unterhalb 85 Millikelvin beobachtet. Diese Temperatur ist etw a 2000 mal kleiner als die W echselw irkung entlang der Ketten. Krista llstruk tur von C uP O 6(C H 2). Die C uO 4- Einhe ite n bilde n ve rze rrte Dim e re e ntla ng b. Sie sind durch O 3P C H 2P O 3Gruppe n (grün) in Ana logie zu P yrophospha tgruppe n P 2O 7 ve rne tzt. © Ma x -P la nck -Institut für C he m ische P hysik fe ste r Stoffe Im Wechselspiel mit thermodynamischen Messungen und theoretischen Modellrechnungen w urden so eine Reihe von Cupratkettenverbindungen mikroskopisch analysiert. Dabei w urden unter anderem neue exotische Grundzustände gefunden: (i) LiVOCuO 4 , LiCu 2 O 2 und NaCu 2 O 2 ordnen bei tiefen Temperaturen in Form magnetischer Quanten-Spiralen. Die treibende Kraft ist dabei eine Konkurrenz der Wechselw irkung von nächsten und übernächsten Nachbarn entlang der kantenvernetzten Cupratketten [4-8]. (ii) CuTe 2 O 5 besitzt auf Grund der Bildung magnetischer Dimere eine breite Lücke in den magnetischen Anregungen. Überraschenderw eise w erden dabei die magnetischen Dimere nicht von benachbarten Cu-Spins gebildet. (iii) Cu 2 [PO 6 (CH2 )] zeigt gleichfalls ein Spingap. Obw ohl die Kristallstruktur (Abb. 3) isolierte (O 2 CuO 2 CuO 2 )- © 2007 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 4/6 Jahrbuch 2006/2007 | Rosner, Helge; Schnelle, W alter; Schmitt, Miriam; Janson, Oleg (St. Petersburg State University, Russland); Gerlach, Sylvia; Schmidt, Marcus; Huang, Ya-Xi; Liu, W ei; Gippius, Andrei (Moscow State University, Russland); Johannes, Michelle Daw n (NRL W ashington, USA); Drechsler, Stefan-Ludw ig (IFW Dresden); Richter; Johannes (Universität Magdeburg); Kniep, Rüdiger | Cu(II)-Verbindungen im Zusammenspiel von Kristallchemie und Magnetismus Dimere aufw eisst, die durch O 3 P(CH2 )PO 3 -Gruppen vernetzt w erden, w ird das Spingap hier nicht durch Dimerenbildung, sondern durch magnetische Frustration getrieben. Darunter versteht man die Konkurrenz von W echselw irkungen, die verschiedene magnetische Ordnungen bevorzugen. Diese Beispiele zeigen, dass die magnetischen Eigenschaften niedrigdimensionaler Cupratverbindungen stark von Details der Kristallstruktur abhängen. Die geplante Verw endung komplexer Oxo-Anionen von Nichtmetallen (z.B. B,C,P,S...) als abstands- und richtungskontrollierende Agentien im Kristallgitter für die Koordination der CuO 4 -Einheiten sollte eine große Vielfalt von Verbindungen mit faszinierenden magnetischen Eigenschaften ermöglichen. Es w ird erw artet, dass sich die Kombination theoretischer ElektronenstrukturRechnungen, thermodynamischer Messungen und spektroskopischer Untersuchungen zusammen mit zielgerichteten kristallchemischen Aspekten zu einem mächtigen Hilfsmittel für die künftige Erforschung eines Quanten-Phasendiagramms niedrigdimensionaler Materialien entw ickelt. Originalveröffentlichungen Nach Erw eiterungen suchenBilderw eiterungChanneltickerDateilisteHTML- Erw eiterungJobtickerKalendererw eiterungLinkerw eiterungMPG.PuRe-ReferenzMitarbeiter (Employee Editor)Personenerw eiterungPublikationserw eiterungTeaser mit BildTextblockerw eiterungVeranstaltungstickererw eiterungVideoerw eiterungVideolistenerw eiterungYouTubeErw eiterung [1] Müller-Buschbaum, H.: Oxometallate mit ebener Koordination. Angew andte Chemie 89, 704 (1977). [2] Johannes, M., J. Richter, S.-L. Drechsler and H. Rosner Sr2Cu(PO 4) 2: A real material realization of the one-dimensional nearest neighbor Heisenberg chain. Physical Review B 74, 174435 (2006). [3] Koepernik, K. and H. Eschrig Full-potential nonorthogonal local-orbital minimum-basis band-structure scheme. Physical Rev.iew B 59, 1743 (1999). [4] Masuda, T., A. Zheludev, A. Bush, M. Markina, and A. 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Physical Review Letters 94, 039705(2005). © 2007 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 5/6 Jahrbuch 2006/2007 | Rosner, Helge; Schnelle, W alter; Schmitt, Miriam; Janson, Oleg (St. Petersburg State University, Russland); Gerlach, Sylvia; Schmidt, Marcus; Huang, Ya-Xi; Liu, W ei; Gippius, Andrei (Moscow State University, Russland); Johannes, Michelle Daw n (NRL W ashington, USA); Drechsler, Stefan-Ludw ig (IFW Dresden); Richter; Johannes (Universität Magdeburg); Kniep, Rüdiger | Cu(II)-Verbindungen im Zusammenspiel von Kristallchemie und Magnetismus [7] Capogna, L., M. Mayr, P. Horsch, M. Raichle, R.K.Kremer, M. Sonin and B. Keimer Helicoidal magnetic order in the spin-chain compound NaCu2O 2. Physical Review B 71, 140402 (2005). [8] Drechsler, S.-L. , J. Richter, A.A. Gippius, A. Vasiliev, A., A.A. Bush, A. S. Moskvin, A. S., J. Málek, Y . Prots, W. Schnelle and H. Rosner Helical ground state and weak ferromagnetism in the edge-shared chain cuprate NaCu2O 2. 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