IntER-T Intelligentes Enhanced Realitybasiertes Trainingssystem fur die echokardiographische Diagnostik Sabine Trochim GMD Forschungszentrum Informationstechnik GmbH Institut fur Angewandte Informationstechnik [email protected] Zusammenfassung Das intelligente Trainingssystem, das in eine enhanced reality -basierte Simulationsumgebung eingebettet ist, soll den lernenden Arzt bei der selbstandigen (simulierten) Untersuchung anstelle eines erfahrenen Arztes "beobachten\ ("watch dog\). Aus dem Untersuchungskontext heraus, der neben den erhobenen Patientendaten auch durch unmittelbare Verhaltensauswertung gewonnene Anhaltspunkte u ber den Untersucher selbst enthalt, werden Problemsituationen abgeleitet, die die Grundlage fur die Auswahl adaquater Hilfethemen und fur adaptive Hilfemodule bilden. 1 Einleitung Im Krankenhausalltag ist ein systematisches praktisches Training an High-End-Geraten kaum realisierbar. Dies betrit auch die Echokardiographie (Ultraschalldiagnostik des Herzens), in der eine richtige Diagnose in hohem Masse von der Erfahrung des Untersuchers abhangt. Eine unzureichende praktische Ausbildung kann deshalb zu Fehldiagnosen fuhren. Das intelligente Trainingssystem kann im Rahmen eines interaktiven Internet-Echokardiographiekurses die Rolle des Beobachter und Lehrers fur eine simulierte Ultraschalluntersuchung ubernehmen. Ausgehend von einem semantischen Protokoll, das neben Messwerten und protokollierten Aktionsdaten auch abgeleitete Informationen uber die eingestellten Ultraschallebenen und das Verhalten des Benutzers enthalt, wird der momentane Unterstutzungsbedarf ermittelt. Verwendete Techniken hierfur sind Fuzzy-Regeln und Planerkennung. Das System setzt auf einer Enhanced-Reality-Umgebung fur die Echokardiographie auf (siehe Abschnitt 3), die es erlaubt anhand eines integrierten 3D- bzw. 4D-Ultraschalldatensatzes des Patienten eine simulierte Ultraschalluntersuchung durchzufuhren. Wahrend der Untersuchung soll dem lernenden Arzt ohne "Frage-Antwort-Spiel\ Hilfestellung 46 gegeben werden. Darin unterscheidet es sich z.B. von fallbasierten, wissensbasierten medizinischen Tutorsystemen, die nicht auf die eigentliche Handlung, sondern hauptsachlich auf die Wissensuberprufung ausgelegt sind. Der Unterstutzungsbedarf wird allein durch direkte Ableitung aus protokollierten Daten uber sein Verhalten, wie z.B. Positionsangaben des Schallkopfes oder der eingestellte Schallmodus, und den von ihm erhobenen medizinischen Parametern, ermittelt. Analogien bestehen z.B. zu dem Expert Surgical Assistant ([Ba95]), der eine virtuelle Umgebung fur die minimalinvasive Chirurgie mit Gestikerkennung und einem regelbasierten Expertensystem koppelt. Weiterhin sind interaktive Simulationssysteme fur andere Aufgabenbereiche zu betrachten, z.B. die wissensbasierte virtuelle Konstruktionssimulation CODY ([JLW98], [HJK98]), die eine direkte Manipulation der virtuellen Bauteile zulasst und den Konstrukteur durch wissensbasierte Interpretation der Bauteilpositionen und -kombinationen unterstutzt. 2 Systemaufbau Das Trainingssystems besteht aus den in Abb. 1 dargestellten Komponenten. Fur das Erstellen eines semantischen Protokolles aus den Rohdaten, das u.a. abgeleitete Schallebenen, Mewerte, Aktionen und Verhaltensdaten (wie z.B. \Facheln", \Stillstand" des Schallkopfes) enthalt, sind der Parser und ein Modul fur die Positionserkennung zustandig. Zu den eingestellten Schallebenen soll ausserdem ein Kondenzgrad abgeleitet werden, der die Gute der Schallebene fur Messungen angibt. Die vorverarbeiteten Rohdaten werden dann interpretiert, indem mit Hilfe von Fuzzy-Regeln Fehl- bzw. Hilfskonzepte abgeleitet werden und mittels Planerkennung die verfolgte Diagnose bestimmt und auf Richtigkeit uberpruft wird. Hierfur ist die Inferenzkomponente zustandig. Die abgeleiteten Konzepte und Diagnosen bestimmen den Unterstutzungsbedarf, der die Auswahl der kontextsensitiven Hilfen steuert. Das Hilfemodul soll ausgewahlte Hilfethemen und Demonstrationen der richtigen Vorgehensweisen anhand von adaptiven Simulationen Abbildung 1: Aufbau des Trainingssystems anbieten. Das Hilfemodul besteht aus einer Kritik- und einer Hilfekomponente. Die Kritikkomponente ist zustandig fur das Generieren von Alerts bei Fehldiagnosen oder ausgelassenen Untersuchungsschritten. Die Hilfekomponente bietet ausgewahlte Hilfethemen an, sowie Demonstrationen fur richtiges Vorgehen bei Messungen oder der Einstellung von Schallebenen. Die Ausgangsbasis fur die Auswahl bilden die Ergebnisse der Inferenzkomponente. 47 Auerdem werden Datenspeicher fur das Regelwissen (Fuzzy-Regeln und Diagnoseschemata), die Statische Wissensbasis, sowie fur das semantische Protokoll und die Zwischenergebnisse, Dynamische Wissensbasis, und die Sammlung der Hilfethemen und Konzepte/Fehlkonzepte, Hypermedia-Hilfen, benotigt. 3 Enhanced-Reality-Umgebung Das Trainingssystem setzt auf einer Simulationsumgebung fur die Echokardiographie auf, fur die in den letzten Jahren bereits einige Programme an der GMD entwickelt wurden: EchoExplorer ([Red98]), ein CD-Rom-basiertes Trainingssystem, EchoSim(ulator) und EchoCom. Eine umfassende Beschreibung dieser Systeme ist in [Ber99] zu nden. Die Untersuchungsumgebung wird auf EchoCom2 aufbauen, das zur Zeit in Java reimplementiert wird. EchoCom ([Ber96], [Ber99]) ist eine Telekonsultationsanwendung, die auf einer EnhancedReality-Prasentation eines 4D-Ultraschalldatensatzes basiert. Ein simulierter Ultraschallkopf mit Positionssensor und eine Puppe liefern die Untersuchungsumgebung, in der beliebige Ebenen aus einem Ultraschalldatensatz in Realzeit berechnet werden konnen (EchoSim [Qua97]). In Relation zur eingestellten Schallebene, die auf der linken Bildschirmseite zu sehen ist, wird der Anschnitt eines animierten 3D-Herzmodells gezeigt, das in unterschiedlichen Visualisierungsmodi verschiedene Eindrucke der ausseren und inneren Struktur des Herzens, der Dynamik und des Blutusses vermittelt. Zusatzlich konnen die Leitstrukturen der Schallebene als Schnitt des Herzmodells angezeigt werden und die Modellkonturen dem \realen" Ultraschallbild uberlagert werden. Dieses \Anreichern" der Ultraschalldaten durch das virtuelle Herzmodell (augmented reality) ermoglicht ein besseres raumliches Verstandnis des Herzens (mentales Modell), und steigert damit die Qualitat der echokardiographischen Untersuchung (enhanced reality, [Ber99]). Abbildung 2: Enhanced Reality-Umgebung 48 4 Adaptive Hilfen 4.1 Ermitteln des Unterstutzungsbedarfes Fur die Bestimmung des Unterstutzungsbedarfes werden drei Abstraktionsebenen unterschieden: Auf der untersten Stufe der Positionserkennung und der Datenvorverarbeitung werden aus einer Folge von Positionsangaben des Schallkopfes kardiologische Standardpositionen und Schallebenen, sowie Verhaltensmuster abgeleitet, die z.B. die raumliche Orientierung des Untersuchers beschreiben. Verwendet wird eine Fuzzy-Klassikation, wobei die Toleranzbereiche, die die Kondenz der eingestellten Positionen festlegen, von der Lage der Aufsetzpunkte und den Lagebeziehungen der Schallebenen untereinander abhangen. Die Schallebenen mit ihren \Kondenzwerten", die abgeleiteten Verhaltensmuster, die Aktionsdaten und Messwerte iessen in das semantische Protokoll ein. Die zweite Stufe dient der Planerkennung von Untersuchungssschritten und der verfolgten Diagnose mit Hilfe von kardiologischen Diagnoseschemata. Die Untersuchungsschritte konnen (soweit vorgegeben) auf Reihenfolge und Vollstandigkeit, sowie Kondenz der erhobenen Befunde uberpruft werden. Abgeleitete Konzepte werden an die Hilfekomponente weitergegeben, um dort Alerts zu erzeugen oder passende Hilfethemen anzubieten. Schliesslich werden Fehlkonzepte ermittelt, die Verstandnisprobleme des Arztes darstellen konnen, die z.B. zu Messfehlern fuhren. Dazu werden die protokollierten Verhaltensdaten aus dem semantischen Protokoll mit Hilfe von Fuzzy-Regeln bewertet und interpretiert. Abhangig vom abgeleiteten Kondenzwert der einzelnen Konzepte werden dann adaquate Hilfethemen und adaptive Simulationen angeboten. 4.2 Adaptive Simulationen Die adaptiven Simulationen sollen bei raumlichen Orientierungsschwierigkeiten das korrekte Einstellen von Schallebenen bzw. Schallkopfpositionen demonstrieren oder die richtige Vorgehensweise zur Durchfuhrung bestimmter Messungen zeigen. Im ersten Fall bedeutet dies z.B., dass ausgehend vom raumlichen Herzmodell der Bewegungsablauf des Schallkopfes demonstriert wird, wahrend gleichzeitig die relevanten Strukturen der Schallebene so gehighlightet werden, bis die Leitstrukturen der gewunschten Ebene vollstandig zu sehen sind. 5 Ausblick Bisher abgeschlossen sind die Problemanalyse, die Wissensakquisition und die Konzeption der Wissensreprasentation, sowie der konzeptuelle Aufbau des Trainingssystems. Im Moment benden sich die Positionserkennung und die Inferenzkomponente in der Entwicklungsphase. Die adaptive Hilfegenerierung wird demnachst folgen. Geplant ist die spatere Einbindung des intelligenten Trainingssystems in einen interaktiven Internet-Echokardiographiekurs. 49 Literatur [Ba95] M. Billinghurst and al. The expert surgical assistant: An intelligent virtual environment with multimodal input. In Proceedings of Medicine Meets Virtual Reality IV, pages 590{607, 1995. [Ber96] T. Berlage. Design of a teleconsultation service for echocardiography. In Proceedings of Interface to Real & Virtual Worlds, pages 127{137, 1996. [Ber99] T. Berlage. Enhanced Reality Systems. GMD, 1999. [HJK98] M. Hohenke, B. Jung, and S. Kopp. Der CODY Virtuelle Konstrukteur - Manual Version 2.0. Technical Report 98/8, SFB 360 Projekt C1, Universita1998. [JLW98] B. Jung, M. Latoschik, and I. Wachsmuth. Knowledge-based assembly simulation for virtual prototype modeling. In IECON'98. Proc. 24th Annual Conference of the IEEE Industrial Electronics Society, volume 4, pages 2152{2157, 1998. [Qua97] K. Quast. Computerbasiertes Lernen in 3D-graphischen Szenen. Entwurf, Realisierung und Evaluation einer Anwendung fuUltraschalldiagnostik. Oldenbourg, 1997. [Red98] F. Redel, D.A. und Homann. EchoExplorer. Urban & Schwarzenberg, 1998. 50