Wissenschaftsverbund Um-Welt Universität Rostock

Werbung
Wissenschaftsverbund Um-Welt
zentrale wissenschaftliche Einrichtung
der
Universität Rostock
Klimawandel - Klimafolgen – Naturkatastrophen
und deren Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft
Wissenschaftliche Tagung am 20.10.2006
an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät
2
WVU Wissenschaftsverbund Um-Welt
Klimawandel - Klimafolgen – Naturkatastrophen
und deren Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft
20.10.2006
Universität Rostock
Wissenschaftsverbund Um-Welt
2006
3
Herausgeber:
Universität Rostock
Wissenschaftsverbund Um-Welt
Redaktionelle Bearbeitung
und Herstellung der Druckvorlage:
Dr. Stefanie Sixel
Dipl.-Ing. Karin Naumann
Kurztitel:
Wissenschaftsverbund Um-Welt: Tagungsbericht
2006. Rostock: Univ., 2006. – 73 S.
ISSN
© Universität Rostock, Wissenschaftsverbund Um-Welt
Bezugsmöglichkeiten:
Universität Rostock
Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät
c/o Institut für Management ländlicher Räume
Wissenschaftsverbund Um-Welt
Lehrstuhl für Landschaftsplanung und
Landschaftsgestaltung
Justus-von-Liebig-Weg 6
18059 Rostock
Tel.:0381/498-5645, Fax: 0381/498-3242
Herstellung:
Universitätsdruckerei
4
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ……….. ............................................................................................................6
Grußwort des Umweltministers Prof. Dr. Wolfgang Methling.........................................7
Die langfristigen Wirkungen von Witterungsextremen auf Umwelt und Gesellschaft
Prof. Dr. Hans-Rudolf Bork, Stefan Dreibrodt und Andreas Mieth ...............................11
Leben mit der Katastrophe – Möglichkeiten und Grenzen eines reflektierten
nachhaltigen Lebensstils angesichts des Klimawandels
Prof. Dr. Wolfgang Nieke ........................................................................................23
Biodiversität und Landschaftswandel in den Tropen
Prof. Dr. Stefan Porembski .....................................................................................36
Klimafolgen in der Tierwelt
Prof. Dr. Ragnar K. Kinzelbach (em.) .......................................................................42
Globale Erwärmung: Wegbereiter für tropische Infektionskrankheiten auch in
Deutschland?
Prof. Dr. Emil C. Reisinger, Dr. med. Christoph J. Hemmer........................................51
Klimafolgen und deren Auswirkungen auf Mecklenburg-Vorpommern
Prof. Dr. Wolfgang Riedel .......................................................................................56
Auswirkungen von Klimaänderungen
Odereinzugsgebietes
auf
die
Küstenzone
am
Beispiel des
Holger Janßen, Nardine Löser, Dr. Gerald Schernewski ............................................66
5
Vorwort
Witterungsextreme treten auch in Deutschland immer häufiger auf. Extreme Hitzewellen und längere Trockenperioden, Jahrhunderthochwässer im Jahresabstand, heftigere Starkniederschläge und zerstörerische Stürme sind nur einige Anzeichen für einen
stetigen Wandel unseres Klimas. Dabei ist es ein Irrtum zu glauben, dieser Wandel
und seine Folgen werden erst in einer fernen Zukunft zu dauerhaften und ernst zu
nehmenden Konsequenzen für das gesamte Leben führen – Der Klimawandel findet
bereits statt - hier, heute, jetzt.
Daraus ergeben sich eine Vielzahl von Risiken und Gefahren aber auch Chancen und Möglichkeiten für alle Bereiche des Lebens, wie beispielsweise für Naturhaushalt und Landschaftsbild, die Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, den Tourismus,
die menschliche Gesundheit und das gesellschaftliche sowie wirtschaftliche Leben.
Das Ziel der Veranstaltung ist es daher, das breite Spektrum möglicher Auswirkungen
des Klimawandels auf die verschiedenen Bereich des Lebens darzustellen, die Risiken und Folgen zu verdeutlichen aber auch die sich ergebenden Chancen für ein Umdenken und Umlenken hervorzuheben.
Vertreter aus der Wissenschaft und Forschung, Studierende aller Fachrichtungen, Mitarbeiter aus Verwaltungen und öffentlichem Dienst sowie jeder an der Thematik Interessierte waren herzlich eingeladen an der Veranstaltung
Klimawandel – Klimafolgen – Naturkatastrophen
und deren Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft
teilzunehmen. Neben einer Vielzahl von interessanten Fachvorträgen war auch Raum
für Diskussion und weiterführende Gespräche geboten.
Der große Zuspruch und die zahlreichen Anregungen der über 100 Gäste regten uns
zur Publikation dieses Tagungsbandes an, mit dem wir die interessante und anregende Veranstaltung reflektieren und nachhaltig verlautbaren möchten.
Wissenschaftsverbund Um-Welt
Rostock, Dezember 2006
6
Grußwort des Umweltministers Prof. Dr. Wolfgang Methling
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich gebe zu, dass ich es viel lieber sehen würde, wenn die heutige Veranstaltung nicht
stattfinden müsste. Der Klimawandel ist meiner Ansicht nach eine der größten Bedrohungen für die Menschheit. Die Klimaänderung ist inzwischen schon so weit fortgeschritten, dass sie in allen Bereichen nicht mehr zu übersehen ist. Und auch der allgemeinen Meinung „So etwas hat es früher immer schon gegeben“ kann man die eindeutige Statistik entgegenhalten: So etwas hat es im letzten Jahrhundert bestimmt
nicht gegeben.
Haben Sie sich auch an der Suche für Anzeichen des Klimawandels in unserem Land
beteiligt? Sie werden diese Anzeichen überall finden:
•
Die deutliche Verschiebung der Vegetationsperioden
•
Die Insekten, Tiere und Pflanzen, die hier doch eigentlich gar nicht überleben
können,
•
Krankheiten, die hier nichts zu suchen haben,
•
Heiße Sommer, in denen auch die Nächte nicht für die nötige Abkühlung sorgen,
•
Trockenperioden, die sich insbesondere im Sommer häufen und die landwirtschaftlichen Erträge bedrohen.
Der Klimawandel darf uns aber nicht unvorbereitet treffen und deshalb begrüße ich
natürlich den heutigen Kongress und freue mich über die Einladung. Gleichzeitig
möchte ich die Gelegenheit nutzen und Herrn Prof. Riedel für sein Engagement auf
dem Gebiet des Klimawandels danken. Veranstaltungen wie die heutige sind ein wichtiger Beitrag, um Informationen weiterzugeben und aufzuklären.
Welche Informationen liegen nun für unsere Region vor?
Das Umweltbundesamt hat regionale Klimaprognosen für Deutschland erstellen lassen. Bislang lagen gesicherte Erkenntnisse nicht in der notwendigen Auflösung vorein Raster von 100x100 km ist nicht geeignet, regionale Strukturen richtig darzustellen.
Nunmehr liegen aber Daten mit einer Auflösung von ca. 10x10 km vor. Sie können die
verschiedenen Klimavariablen in unterschiedlicher zeitlicher Auflösung abrufen.
Es ist davon auszugehen, dass es bis zum Ende des Jahrhunderts in unserer
Region ca. 2,0 -2,9 Kelvin wärmer wird. Dabei ist es natürlich kein Trost, dass andere
Regionen wie z.B. die Alpen, mit bis zu 5 Kelvin noch deutlich stärker betroffen sein
werden.
7
Die Erwärmung wird bei uns jahreszeitlich unterschiedlich ausfallen. Besonders
hoch wird sie jedoch im Winter sein. Die Sommer werden ebenfalls deutlich wärmer
werden, einhergehend mit einer Abnahme des Niederschlages. Dementsprechend
wird in einigen Gebieten die Verdunstung so ansteigen, dass die Grundwasserneubildung abnehmen wird. Dies hat Konsequenzen für alle Bereiche. Und auch das offensichtlich Positive, z.B. warmes, sonniges Wetter für Urlauber, kann bei sinkender Badewasserqualität oder Wassermangel dem gutem Image unserer Region schaden.
Die Auswirkungen im landwirtschaftlichen Bereich muss ich an Ihrer Fakultät nicht
erläutern- Wassermangel wird alle möglichen positiven Effekte negieren.
Es gilt also, diese Klimaprognosen auszuwerten. Vor allem müssen aber Schlussfolgerungen gezogen werden. Begonnen hat diese Arbeit mit einer ad-hoc Arbeitsgruppe
des Wissenschaftlichen Beirats Umwelt, die die betroffenen Bereiche im Land ermittelt
und bewertet hat:
•
Wasserwirtschaft
•
Land- und Forstwirtschaft
•
Ostsee und Küstenschutz
•
Biodiversität und Naturschutz
•
Raumordnung und Tourismus
•
Energie und Verkehr
•
Gesundheit.
Schon hier hat sich herausgestellt, dass auch Mecklenburg-Vorpommern in sehr vielen Bereichen erheblich betroffen ist und dass sich die Bereiche unterschiedlich stark
gegenseitig beeinflussen. Den Mitarbeitern des Wissenschaftlichen Beirates danke ich
an dieser Stelle nochmals ganz herzlich für ihre Mithilfe und ihr Engagement, mit dem
sie dieses Thema untersucht haben.
Um dem interdisziplinären Thema Klimawandel gerecht zu werden, wurde in
meinem Hause ein Interessenbekundungsverfahren durchgeführt. Dieses dient der
optimalen Nutzung der Potenziale an den wissenschaftlichen Einrichtungen unseres
Landes.
Zu den vorhin genannten Bereichen haben sich inzwischen Facharbeitsgremien
gebildet, die die regionalen Klimaprognosen auswerten. Ziel dieser Arbeiten ist es,
Empfehlungen für die Landesregierung zu entwickeln. Diese Empfehlungen sollen
darstellen, welche Schritte zur Vorbereitung und möglichen Anpassung an die Klimaänderung notwendig und sinnvoll sind.
Parallel zur Auswertung der Klimaprognosen habe ich eine Delphi-Studie in
Auftrag gegeben, um die Situation im Land systematisch zu erfassen und Lösungsmöglichkeiten eruieren zu können. Ihre Beteiligung an dieser Studie sichert damit eine
8
objektive Einschätzung dieses neuen Fachgebietes und sensibilisiert die Verantwortlichen. Ich bin gespannt auf die Ergebnisse der Arbeiten.
Gleichzeitig möchte ich aber auch darauf hinweisen, dass durch den Klimawandel Chancen für unser Land entwickelt werden können, die es zu nutzen gilt. Die
Auswertung der Klimaprognosen soll nicht dazu dienen Panik zu verbreiten, sondern
soll zur Sensibilisierung aller Betroffenen beitragen.
Ebenso muss ich an dieser Stelle auch vor der einseitigen Nutzung der Daten
warnen: Es handelt sich immer um Klimaprognosen – nicht um Wettervorhersagen.
Und auch die regionale Auflösung sollte nicht dazu dienen, Städte oder Gemeinden
aufgrund der Klimaänderung gegeneinander auszuspielen. Nach wie vor kann das
Wetter im Jahre 2020 nicht vorausgesagt werden- daran wird sich auch nichts ändern.
An dieser Stelle ist es mir besonders wichtig darauf hinzuweisen, dass die Maßnahmen zur Verringerung der Freisetzung von Treibhausgasen keinesfalls vernachlässigt
werden dürfen. Die Klimaprognosen gehen davon aus, dass die CO2-Emissionen nicht
weiterhin ungebremst steigen. Ich möchte mir nicht ausmalen, wie sich unsere Erde
verändern wird, wenn es nicht gelingt, die Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren.
Deshalb appelliere ich an alle hier Anwesenden, bei aller Notwendigkeit der
Auseinandersetzung mit der Klimaänderung, den dringend erforderlichen Klimaschutz
nicht außer Betracht zu lassen. Es ist notwendig, beide Bereiche aktiv zu unterstützen.
Die Anpassung darf auf gar keinen Fall zu dem Schluss führen, dass die Vorbeugung
dann nicht mehr notwendig ist.
Lassen Sie mich an einem Beispiel die Verknüpfung beider Bereiche verdeutlichen:
Wir sind eine touristisch geprägte Region. Wenn nun die Sommer wärmer werden,
wird das Interesse an der Kühlung von Gebäuden steigen. Dabei denke ich an die
Hotels und Ferienanlagen, aber genauso an die Bürogebäude und Krankenhäuser. Es
wäre nun natürlich nicht zielführend, all diese Gebäude mit Klimaanlagen auszurüsten.
Viel sinnvoller ist es doch, bereits bei der Planung schon die Klimaänderung mit zu
berücksichtigen. Die Gestaltung der Gebäude und Außenanlagen, die Auswahl der
Baumaterialien, der Einsatz von Verschattungselementen, die Einbeziehung von Beund Entlüftungsanlagen – all dies kann dazu beitragen, das Raumklima zu optimieren
und gleichzeitig Energie zu sparen. Wenn die erneuerbaren Energien dann noch einen weiter wachsenden Beitrag zur Energieversorgung weltweit leisten, dann kann
der Klimawandel hoffentlich begrenzt werden. Eine Umkehrung des in Gang gesetzten
Prozesse ist aufgrund der Trägheit des Klimasystems jedoch nicht mehr möglich.
9
Klimaschutz ist in allen gesellschaftlichen Bereichen notwendig:
•
Die Nutzung der regenerativen Energien spielt eine wesentliche Rolle.
•
Aber auch die Energieeinsparung ist ein Bereich, in dem jeder Einzelne, jedes Unternehmen, jede öffentliche Einrichtung viel bewirken kann. Gleichzeitig kommt es auch zu einer Minimierung der Energiekosten. Und auch in diesem Bereich kann ich vorhersagen: Ein Absinken der Energiepreise wird es
nicht geben. Auch hier spielt der Klimawandel eine Rolle, denn alle herkömmlichen Kraftwerke sind auf Kühlwasser angewiesen. Wo soll dieses Kühlwasser aber in einem trockenen, heißen Sommer hergezaubert werden?
•
Wie ich ja schon oft erwähnt habe, liegt mir die Sonnenergienutzung ganz
besonders am Herzen. Hier sollten alle Haus- und Gebäudetechniker die
Chancen der Klimaänderung verstehen und nutzen: Solarthermische Anlagen
z.B. schonen die Ressourcen und senken die Betriebskosten.
Dies waren nur einige Beispiele. Meine Mitarbeiter sind gern bereit, Sie über andere
Möglichkeiten zu informieren.
Wir werden heute viele interessante Informationen über den Klimawandel erhalten. Ich
wünsche uns bei der Realisierung von Klimaschutzmaßnahmen und bei der Erforschung und Begrenzung des Klimawandels weiterhin viel Erfolg!
Prof. Dr. Wolfgang Methling,
Umweltminister des Landes
Mecklenburg-Vorpommern
10
Die langfristigen Wirkungen von Witterungsextremen auf Umwelt und
Gesellschaft
Prof. Dr. Hans-Rudolf Bork, Stefan Dreibrodt und Andreas Mieth
Ökologie-Zentrum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Olshausenstr. 75, D-24098 Kiel
[email protected]
Zusammenfassung
Die langfristigen quantitativen Wirkungen des Klimas und der Landnutzung auf die
Entwicklung und die Zerstörung von Böden sind weitgehend unbekannt. Dargestellt
werden hier von den Verfassern untersuchte und quantifizierte Interaktionen zwischen
dem Klima, der Landnutzung, der Landschaftsstruktur, der Bodenentwicklung und der
Bodenzerstörung in China, auf der Osterinsel (Chile), auf der Robinson Crusoe Insel
(Chile), im Pazifischen Nordwesten der USA, in Deutschland und im nordwestlichen
Sibirien (Russland). Vor dem Beginn von Landnutzung trat während des Holozäns in
den untersuchten Räumen selbst während extremer Niederschläge keine Bodenerosion auf, da dichte Vegetation die Böden schützte.
Erst die Zerstörung der Vegetation durch unterschiedliche Formen der Landnutzung ermöglichte Bodenerosion. Extreme Witterungsereignisse rissen tiefe
Schluchtensysteme an genutzten Standorten ein. Das Schluchtenreißen führte in vielen Gebieten zum Wüstfallen.
Werden die außerordentlich wirksamen, jedoch sehr seltenen Extremereignisse
ausgeschlossen, so zeigt sich in allen landwirtschaftlich genutzten Untersuchungsgebieten ein dramatischer Anstieg der Bodenerosionsraten während des 20. Jahrhunderts infolge der veränderten Landschaftsstruktur, der Einführung neuer Feldfrüchte
und neuer Fruchtfolgen, neuer Boden verdichtender Agrartechnik und politischer Entscheidungen. Vergleichbare Veränderungen wurden im Norden des westsibirischen
Tieflandes als indirekte Folge der Förderung von Erdöl und Erdgas nachgewiesen.
Die Bodenerosion der vergangenen Jahrhunderte und Jahrtausende reduzierte
die Bodenfruchtbarkeit an vielen Standorten drastisch. Die heutige Heterogenität der
Bodendecke ist ein Resultat der Landnutzung, der Landschaftsstruktur und von seltenen extremen Witterungsereignissen.
1. Einführung
Mit der ersten Veränderung der Vegetation durch Menschen, insbesondere mit der
Etablierung von Acker- und Gartenbau, Grünlandwirtschaft, Waldnutzung und schließlich der Forstwirtschaft wurden die Energie-, Wasser- und Stoffhaushalte sowie zumindest das lokale Klima und damit die Prozesse der Bodenbildung und Bodenzerstö11
rung wesentlich modifiziert. Vor der Einführung der Mineraldüngung führte die Entnahme von Stoffen mit der Ernte zu einer Abnahme der Gehalte an organischer Substanz, der Gehalte an Mineralstoffen und somit zu einer auf die Landnutzung rückwirkenden Verarmung der Böden sowie häufig zu einer Beschleunigung der Versauerung. Nur wenigen der von den Verfassern in Mitteleuropa, Nord-, Ost- und Vorderasien, Nordost- und Südafrika, Nord- und Südamerika sowie auf ostpazifischen Inseln
untersuchten Kulturen gelang vor dem 19. Jahrhundert eine dauerhaft ausreichende
Kompensation der erntebedingten Stoffverluste durch die Zufuhr organischen Materials sowie von Mineralstoffen und damit eine nachhaltige acker- oder gartenbauliche
Landnutzung.
2. Beispiele für nachhaltige Bodennutzung
2.1 Nachhaltiger Gartenbau der Rapa Nui im Palmwald der Osterinsel (Chile)
Polynesische Siedler entwickelten auf der heute chilenischen Osterinsel vor mehr als
einem Jahrtausend ein Gartenbausystem, das sie in einem dichten Palmenwald praktizierten (MIETH & BORK 2004). Taro, Yams, Zuckerrohr, Bananen und andere Kulturpflanzen wurden von den Polynesiern erfolgreich zwischen den zahlreichen, vor Bodenerosion und Austrocknung schützenden Palmen angebaut. Für die Bodenbearbeitung wurden Pflanzstöcke eingesetzt; eine Beschädigung der Wurzeln der Palmen
wurde so verhindert. Pflanzenreste wurden als organischer Dünger in den Boden eingearbeitet. Ein hoher Humusgehalt resultierte in der mehrere Dezimeter tiefen Pflanzschicht, wie Merkmale der Füllungen von Pflanzlöchern eindrucksvoll belegen. Witterungsextreme blieben unter dem Schutz des Palmenwaldes wirkungslos. Jahrhunderte später beendeten Brandrodungen des Palmenwaldes die nachhaltige Nutzung.
Verbrannte Palmstümpfe und durch den Brand fixierte Palmwurzelröhren bezeugen
den über mehrere Jahrhunderte praktizierten Rodungsprozess. Witterungsextreme
vermochten nunmehr die Bodenfruchtbarkeit zu verändern.
2.2 Früher nachhaltiger Gartenbau im zentralen Lößplateau Nordchinas
Im tief zerschnittenen nordchinesischen Lößplateau rodeten die ersten Gartenbauern
vor mehr als sieben Tausend Jahren die Vegetation auf den Hängen und auf den Plateauresten. Eine lange Phase intensiven, permanenten Gartenbaus folgte. Die bis zu
1,5 m mächtigen rotbraunen Böden (Cambisole) wurden auf den steilen Hängen flächenhaft abgetragen. Tiefe Schluchten rissen, ausgehend von den schmalen Trockentälern, Hang aufwärts ein. Gartenland ging hier in erheblichem Umfang dauerhaft verloren.
Vor etwa 4750 Jahren gelang Bauern nördlich von Yan’an die erfolgreiche Etablierung eines Boden schützenden, nachhaltigen Gartenbausystems. Untersucht
wurde der Riedel Zhongzuimao, auf dem am unteren Rand verkleinerter Felder, von
etwa 2750 v. Chr. bis zum Jahr 1958 n. Chr. allmählich eine Ackerterrasse aufwuchs.
Oberhalb erodiertes Substrat sedimentierte hier. Als die Terrasse eine Höhe von 1,8
12
m und eine Breite von 27 m erreicht hatte, wurde sie von einem Starkniederschlag
zerrissen. Die entstandene, 1,5 m tiefe und 2 m breite Schlucht wurde von Bauern
rasch mit Material – hauptsächlich kalkhaltigem Löß – aus der näheren Umgebung
verfüllt. Bald darauf zerschnitten zwei weitere kleine Schluchten die Ackerterrasse.
Beide wurden neuerlich schnell von den Bauern verfüllt. In den folgenden viereinhalb
Jahrtausenden verhinderten die Flurstruktur und die Boden schonende Bewirtschaftung linienhafte Bodenerosion auf dem Zhongzuimao vollkommen – ein außergewöhnlich lang anhaltender Erfolg! Schwache flächenhafte Bodenerosion am kurzen Oberhang ließ die Gartenterrasse auf einer Breite von mehr als 80 m maximal 7 m hoch
aufwachsen. Selbst seltene extreme Witterungsereignisse wie hundert- oder tausendjährige Niederschläge riefen keine signifikanten Veränderungen der Böden hervor.
Erst eine politisch erzwungene Veränderung der Feldfrüchte, der Fruchtfolgen
und der Organisationsstrukturen im Rahmen der Kampagne des „Großen Sprungs
nach Vorne“ beendete im Jahr 1958 n. Chr. den nachhaltigen Gartenbau. Um mehr
als das Dreißigfache stiegen dadurch die Bodenerosionsraten am Zhongzuimao – ohne eine Erhöhung der Frequenzen und Intensitäten extremer Witterungsereignisse
(BORK & LI 2002).
3. Beispiele für nicht nachhaltige Landnutzung und ihre Wirkungen auf die Böden
3.1 Wirkungen von Weidewirtschaft, Garten- und Ackerbau sowie Holzwirtschaft
Erosionssensitive, nicht nachhaltig genutzte Standorte erfuhren besonders starke
Veränderungen durch die Etablierung nicht angepasster Landnutzungssysteme.
3.1.1 Die Altmoränenlandschaften im Westen Schleswig-Holsteins
Aufschlüsse in der Dithmarscher Geest im Westen Schleswig-Holsteins belegen häufige und gravierende, auf Nährstoffmangel zurückzuführende Veränderungen der
Landnutzung. Der erste Ackerbau endete südlich von Albersdorf im Neolithikum rasch.
Einige Starkniederschläge erodierten und transportierten den nährstoffreichen, humosen Pflughorizont auf die Unterhänge und in die kleinen Talauen. Durch die Entfernung der Feldfrüchte bedingte Stoffverluste, die aufgrund fehlender Kenntnis zum
Nährstoffkreislauf nicht kompensiert werden konnten, trugen ebenfalls zur Aufgabe
des Ackerbaus bei. Auf den Ackerbau folgte eine Phase intensiver Beweidung. Die
tonarmen und sandreichen Substrate versauerten in der niederschlagsreichen Region
im Verlauf nur wenige Jahrhunderte währender intensiver Beweidung derart stark,
dass ein Podsol unter Heidevegetation entstand. Dieser Nutzungswandel und die resultierende Bodendegradierung wiederholten sich jeweils während Bronze- und Eisenzeit (REIß & BORK 2005, Bork 2006).
13
3.1.2 Die Lößlandschaft des Palouse im Pazifischen Nordwesten der USA
Europäischstämmige Einwanderer rodeten – in Unkenntnis der Witterungsextreme
(insbesondere der Winterkälte, der Häufigkeit, Intensität und Wirksamkeit von Starkniederschlägen sowie der Wirkungen von Schneeschmelzen) – im Verlauf der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Lößlandschaft des Palouse im Südosten des Staates Washington erstmals Langgrassteppen und Wälder. Trotz der Anspannung zahlreicher Zugtiere vor Pflüge und Erntemaschinen blieb die ackerbauliche Nutzung auf
die Auen und die schwach geneigten Unterhänge der fruchtbaren, hügeligen Lößlandschaft beschränkt. Geringe Bodenerosionsraten resultierten auf den Äckern. Die Einführung von Zugmaschinen ermöglichte dann in den 1930-er Jahren die ackerbauliche
Nutzung auch sehr steiler Hänge. In einer zweijährigen Fruchtfolge wird seitdem im
Wechsel mit einjähriger Schwarzbrache hauptsächlich Sommerweizen angebaut.
Reißt ein sommerlicher Starkniederschlag auf den Hängen Erosionsrillen ein, ist der
Farmer gezwungen, baldmöglichst zu pflügen oder zu grubbern, um das Einschneiden
tiefer Schluchten in den kleinen Rillen während des nächsten Starkniederschlages zu
verhindern. So werden nicht nur durch Starkniederschläge Bodenpartikel fortgeführt
(auf manchen Hängen werden durch Oberflächenabfluss mehr als 100 Tonnen Boden
pro Hektar und Jahr erodiert), auch die Bodenbearbeitung transportiert in erheblichem
Umfang Bodenpartikel Hang abwärts. In sieben Jahrzehnten wurden manche Standorte viele Hundert Mal gepflügt. Auf den Kuppen wurden die fruchtbaren degradierten
Schwarzerden dadurch nicht selten vollständig fortgepflügt (GELDMACHER 2002, BORK
2006). Kalkhaltiger Löß steht dann dort an. Wassererosion entfernte auf den steilen
Mittelhängen den Boden teilweise; auf den Unterhängen liegen Kolluvien. Sieben
Jahrzehnte intensiven Ackerbaus haben damit eine homogene fruchtbare Bodendecke in einen heterogenen Flickenteppich aus kalkhaltigem Löß mit geringem Wasserhaltevermögen, aus unterschiedlich mächtigen Relikten degradierter Schwarzerde und
aus Kolluvien verwandelt. Der Ackerbau ist erschwert, die Erträge sind reduziert. Einige Standorte haben im Palouse seit den 1930-er Jahren die dort geringmächtige Lößdecke aufgrund der Bodenerosion durch sommerliche Gewitterniederschläge und
Schneeschmelzabfluss vollkommen verloren. Basalte stehen jetzt an diesen wüst gefallenen Standorten an.
3.1.3 Im Süden Sichuans (Südwestchina)
Das Volk der Yi nutzte Bergwälder im Süden von Sichuan – von wenigen, durch Konflikte mit den Han ausgelöste Ausnahmen im späten 19. Jahrhundert abgesehen – bis
in das Jahr 1958 n. Chr. nachhaltig. Starkniederschläge blieben wirkungslos. Im Jahr
1958 bewirkte der Energiebedarf durch den „Großen Sprung nach Vorne“ ausgedehnte Rodungen. Aufforstungsversuche durch das Abwerfen von Kiefernsamen aus Flugzeugen schlugen noch 1958 fehl. Im Untersuchungsgebiet Xixi im Südwesten Sichuans wurden die Rodungsflächen zunächst als Weide- und ab 1965 als Ackerland genutzt. Die Yi legten ohne die notwendigen technischen Kenntnisse Ackerterrassen an.
Dadurch wurden Starkniederschläge wirksam und linienhafte Bodenerosion entschei14
dend gefördert. Bodenerosionsraten von mehr als 300 Tonnen pro Hektar und Jahr
traten auf. Das Ackerterrassensystem wurde zerschluchtet. Im Jahr 1985 wurde das
Gebiet mit Kiefern aufgeforstet. Seitdem ist die Bodenerosion unbedeutend (Bork
2006).
3.1.4 Der Archipel Juan Fernández (Chile)
Auf der im östlichen Pazifik im Archipel Juan Fernández gelegenen, heute chilenischen Robinson Crusoe Insel setzten aus Spanien stammende Siedler im Jahr 1591
Ziegen aus, die sich im 16. und 17. Jahrhundert massenhaft vermehrten. Die Entnahme wertvoller Hölzer (z. B. des Sandelholzes Santalum fernandezianum) veränderte
die Vegetation der kaum 50 km² kleinen Insel vor
allem im 18. und 19. Jahrhundert weiter.
Anlässlich der Eröffnung des Nationalparks im
Jahr 1936 ausgesetzte Kaninchen vermehrten
sich drastisch. Die unkontrollierte Holzentnahme,
Brände, die Ziegen- und Kaninchenplagen
vernichteten die küstennahen Wälder vollständig.
Witterungsextreme begannen zu wirken, Bodenerosion setzte ein. Hauptsächlich im 20. Jahrhundert wurden die Böden flächenhaft auf den Abb.1: Untersuchungsraum Isla
Unterhängen erodiert und in den Pazifik gespült. Robinson Crusoe, Chile
Eine Wiederbesiedlung der Erosionsflächen mit
Vegetation ist aufgrund der geringen Infiltrationskapazität der exponierten Gesteine
und der häufigen, Oberflächenabfluss erzeugenden Starkniederschläge nicht absehbar.
3.2 Wirkungen von Erschließungsmaßnahmen
3.2.1 Erdöl- und Erdgasförderregion Ugra im Nordwesten Sibiriens (Russland)
Die kleinen Völker der Khanten, Mansen, Yamalen und Nensen nutzten den Norden
der Westsibirischen Tiefebene bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts als Jäger, Sammler,
Fischer und Rentierhalter nachhaltig. Gelegentliche Brände veränderten die Vegetation der Tundra und der Taiga. Jedoch entstand nur sehr selten und nur an wenigen
Standorten Feststoff verlagernder Oberflächenabfluss durch Starkniederschläge.
In den 1950-er Jahren wurden Erdöl und Erdgas in Nordwest-Sibirien entdeckt.
Die Zahl der Förderstandorte und die Länge von Bahnstrecken und Straßen nehmen
seitdem beständig zu. Straßen und Bahnlinien werden über mehrere Meter hohe
Sanddämme geführt; Siedlungen und Förderstandorte erhalten mächtige Fundamente
aus Sand – um die Bodenbewegungen durch Tau- und Gefrierprozesse zu mindern.
Die Gewinnung der riesigen benötigten Sandmengen hat inzwischen begonnen, Tundra und Taiga nachhaltig zu verändern.
15
Östlich Khanty-Mansiysk wird der Sand im Sommer mit Schwimmbaggern am
Rand kleiner Flüsse durch Abpumpen gewonnen. Das Fließverhalten der Flüsse ändert sich an den Sandentnahmestandorten und unterhalb; Seiten- und Sohlenerosion
wird verstärkt. Der auf verdichteten, betonierten oder asphaltierten Oberflächen während der Schneeschmelzen oder der sommerlichen Starkniederschläge auftretende
Oberflächenabfluss spült Sand von den Straßenböschungen in die Auen auf die dortigen Niedermoore. Im Verlauf der erst ein halbes Jahrhundert währenden Phase der
Erdölförderung entstanden in den Auen bis zu 5 m hohe Flussterrassen – ein Prozess,
der hier an kleinen Flüssen erstmals im Holozän auftritt.
In der Tundra mit dem nur wenige Dezimeter auftauenden Dauerfrostboden
werden in Straßennähe anstehende Sande durch flaches Abschieben entnommen –
gelegentlich auf einzelnen Flächen, die mehrere Quadratkilometer einnehmen. Die
Vegetation der Tundra mit ihrer dichten, den Boden (außer an den wenigen stärker
geneigten Hangstandorten mit Solifluktion) vor Verlagerung vorzüglich schützenden
Decke aus Flechten, Moosen, Kräutern, niedrigen Sträuchern und Bäumen wird zerstört. Starke Winde transportieren im Sommer Sandkörner von den Entnahmeflächen
in die Umgebung. Eine Sandschicht überzieht flächenhaft die dortigen Nieder- und
Hochmoore. Dünen entstehen und wandern über Tundra und durch die nördliche Taiga.
Zwar haben die Förderung von Erdöl und Erdgas sowie der resultierende Bau
von Straßen, Bahntrassen und Siedlungen erst einen geringen Teil des Nordens der
Westsibirischen Tieflandes direkt verändert. Jedoch wurden erstmals im Holozän Prozesse initiiert, die in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten aktiv und sichtbar bleiben und ausgedehnte Gebiete indirekt über den Transport von Partikeln erfassen werden. Tundra und Taiga erfahren hier eine von den Gas- und Ölverbrauchern in
Europa kaum wahrgenommene dramatische Veränderung.
3.2.2 Späte Landnahme auf Floreana (Galápagos, Ekuador)
Auf der kleinen Insel Floreana verhinderten geringe Hangneigungen, ein hohes Wasseraufnahmevermögen der Substrate und eine dichte Vegetation bis zur Mitte des 20.
Jahrhunderts gravierende Oberflächenabflussbildung und Bodenerosion, obwohl im
drei- bis zehnjährigem Rhythmus mit den El Nino-Ereignissen immer wieder extreme
Starkniederschläge auftraten. Diese vermochten jedoch auf den durchlässigen Substraten in den vergangenen Jahrhunderten stets vollkommen zu versickern. Auch die
Nutzung eines kleinen Areals im Hochland der Insel durch eine 1932 eingewanderte
deutsche Familie änderte an dieser Situation zunächst nichts. Erst der Umzug der
Siedler vom Hochland an die Westküste in den frühen 1950-er Jahren bewirkte die
schneisenartige Zerstörung der Vegetation durch Anlage eines Verbindungsweges
und die flächenhafte Zerstörung der Vegetation durch Hausbau und Brände in Küstennähe. Seitdem wirkt der in Gefällsrichtung vom Hochland zur Westküste führende
Weg als Abflussbahn. Der Abfluss verlässt den verdichteten Weg und reißt tiefe Rillen
in die lockere Tephra. Thor Heyerdahl beobachtete hier im El Niño-Jahr 1953 die lokal
16
starke linienhafte Bodenerosion. Im El Nino-Sommer 1982/3 schnitten sich erneut Rillen ein. Die unsachgemäße Anlage von Weg und Siedlung beendete die jungholozäne
geomorphodynamische Stabilitätsphase. (BORK & MIETH 2005)
4. Kombinationswirkungen intensiver Landnutzung und seltener extremer Witterungsereignisse
4.1 Der Norden Zentraloregons im Pazifischen Nordwesten der USA
In der Umgebung von Monument, im Norden Zentraloregons, begannen Ackerbau und
intensive Beweidung durch europäischstämmige Siedler in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts. Die nachhaltige Nutzung der erosionssensitiven Region durch indigene
amerikanische Völker endete abrupt.
Bis in das frühe 20. Jahrhundert wurden auf einigen ackerbaulich genutzten
Hängen die geringmächtigen fruchtbaren, wasserdurchlässigen Böden nahezu vollständig flächenhaft erodiert und als Kolluvien auf den Unterhängen sowie als Auensedimente in kleinen Auen abgelagert. Gesteine mit geringer Wasserdurchlässigkeit gelangten auf den Hängen an die Oberfläche. Seitdem tragen diese Standorte bereits
während mäßig starker Niederschläge zur Abflussbildung bei. Häufigkeit und Intensität
der Hochwasser in den größeren Vorflutern wuchsen.
Wenige Starkniederschläge sorgten in den 1920-er Jahren im Einzugsgebiet
des East Fork Cottonwood Creek bei Monument für extrem hohen Oberflächenabfluss
auf den vegetations- und bodenfreien Standorten und für das Einreißen bis zu 15 m
tiefer Schluchtsysteme zuerst an den Tiefenlinien und bald darauf auf den Unterhängen (GELDMACHER 2002). Gleichzeitig wurden an weiteren Standorten landwirtschaftlich nutzbare und genutzte Böden flächenhaft erodiert. Der Ackerbau endete in dieser
kurzen und verheerenden Starkniederschlags- und Bodenerosionsphase. Die Intensität der Beweidung wurde reduziert.
Da die häufige Abflussbildung auf den nunmehr exponierten, wenig durchlässigen Substraten bis heute anhält, werden eine Wiederbesieldung durch Pflanzen und
die Bildung wieder landwirtschaftlich nutzbarer Böden in den kommenden Jahrhunderten oder Jahrtausenden verhindert.
4.2. Deutschland
Das Zusammentreffen von intensiver Landnutzung auf ganzen Hängen und außergewöhnlich extremen Starkniederschlägen hatte auch auf die Böden Deutschlands verheerende Wirkungen. So verursachte der 1000-jährige Niederschlag im Juli des Jahres 1342 vom Rhein bis zur Oder, von der Donau bis zur Eider die bei weitem stärkste Bodenerosion, die ein einzelnes Ereignis während des Holozäns in Mitteleuropa
außerhalb der Alpen auslöste. Etwa ein Drittel der kumulierten Bodenerosion der vergangenen eineinhalb Jahrtausende wurde hauptsächlich durch dieses sowie ein weiteres, vorausgegangenes Extremereignis in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts
verursacht (BORK ET AL. 1998). Zwar sind in Deutschland nur wenige hügelige, mit
17
lehmig-sandigen Substraten bedeckte Landschaften wie der Kraichgau, das
Untereichsfeld oder die Hallertau stark erosionsgefährdet. Dennoch wurden im Juli
1342 auch andere, intensiv landwirtschaftlich genutzte Räume verheert. Ausgedehnte
Gebiete fielen für Jahrhunderte (z. B. in den Jungmoränenlandschaften NordostDeutschlands) oder gar dauerhaft wüst. So verschwanden in den Mittelgebirgen an
vielen Hängen die geringmächtigen fruchtbaren Böden vollständig. Seitdem sind dort
wieder verbreitet nur langsam verwitternde Festgesteine exponiert.
Träfe das Tausendjährige Ereignis auf intensiv und einheitlich ackerbaulich oder als Grünland genutzte große Schläge mit starken Hangneigungen in erosionssensitiven Räumen, wie dem nordchinesischen Lößplateau oder dem Palouse im Nordwesten der USA, wären für die Bewohner kaum vorstellbar verheerende Schäden die
Folge. Innerhalb weniger Stunden würden tiefe Schluchten einreißen. Flächenhaft
würde die fruchtbare Krume viele Zentimeter bis mehrere Dezimeter tief erodiert.
Mächtige Kolluvien und Schwemmfächer würden sich auf den Unterhängen entwickeln. In kleinen Auen würde ein mächtiges Schluff reiches Auensediment aufwachsen und die dortigen humosen Böden tief verschütten. Die Boden- und die Reliefheterogenität würden weiter zunehmen, der Gehalt der Substrate an organischer Substanz
in Oberflächennähe stark abnehmen. Ausgedehnte Flächen würden dauerhaft aus der
agrarischen Landnutzung fallen. Das Extremereignis würde kleine Reservoire vollständig verfüllen und nicht nur deren Nutzphase als Hochwasserrückhaltebecken oder
Bewässerungsbecken schlagartig beenden, sondern damit auch neue Gefährdungen
durch nachfolgende schwächere Ereignisse für die Unterlieger schaffen. Flüsse würden ihren oftmals von Dämmen übermäßig stark eingeengten Überflutungsraum verlassen und neue Wege suchen, nicht selten auch in Siedlungen und Industriegebieten.
Die volkswirtschaftlichen Schäden würden in Anbetracht der in Auen kumulierten,
scheinbar geschützten Werte unvorstellbare Ausmaße erreichen.
5. Schlussfolgerungen
Die erste gravierende Veränderung der Boden schützenden Vegetation durch Menschen begann in den untersuchten Räumen zu sehr verschiedenen Zeitpunkten (Bork
2006):
•
im tief zerschnittenen nordchinesischen Lößplateau durch Beweidung, Gartenoder Ackerbau vor mehr als 7000 Jahren,
•
in Mitteleuropa ebenfalls durch Beweidung, Garten- oder Ackerbau bereits während des Neolithikums (in Süddeutschland in einigen Regionen mit fruchtbaren
Böden bereits vor mehr als 7000 Jahren, in Norddeutschland vor über 5500 Jahren),
•
auf der Osterinsel (Chile) durch Gartenbau vor etwa 1300 Jahren,
•
auf der Robinson Crusoe Insel im Jahr 1591 durch die Einführung und spätere
Massenvermehrung von Ziegen, im 19. Jahrhundert durch Holzentnahme und im
20. Jahrhundert durch die Einführung von Kaninchen,
18
•
im Pazifischen Nordwesten der USA durch Ackerbau in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts,
•
im Süden von Sichuan (China) durch Weidewirtschaft im Jahr 1958 und Ackerbau
von 1965 bis 1985,
•
auf der Insel Floreana (Galápagos-Archipel) in den 1950-er Jahren durch Vegetationszerstörung aufgrund von Siedlungstätigkeit und der Anlage von Verbindungswegen zwischen dem Hochland und der Westküste und
•
im nordwestsibirischen Tiefland (Russland) in den 1980-er Jahren durch die Entnahme und Aufschüttung von Sand im Zusammenhang mit der Rohstoffgewinnung
und der dazu erforderlichen Landerschließung.
Lediglich auf der Osterinsel führten bereits die ersten polynesischen Gartenbauern vor
etwa 1300 Jahren sofort ein Boden schonendes, nachhaltiges Landnutzungssystem
ein. An den übrigen Untersuchungsstandorten bedingte die erste Landnutzung durch
Tierhalter, Garten- oder Ackerbauern andersartige Bodenbildungsprozesse; Bodenerosion durch Wind oder Oberflächenabfluss war die Folge. Vor den ersten gravierenden Veränderungen von Vegetation und Böden waren einige der untersuchten Standorte über viele Jahrhunderte oder Jahrtausende extensiv und nachhaltig von Jägern,
Sammlern, Fischern oder Tierhaltern genutzt worden (Pazifischer Nordwesten der
USA, Nordwesten Sibiriens, südliches Sichuan im Südwesten Chinas, Mitteleuropa),
andere waren davor unbesiedelt (Isla Robinson Crusoe).
Mit dem Beginn der dauerhaften Besiedlung von Landschaften veränderten
Menschen direkt und indirekt an den von Landnutzung betroffenen Standorten
•
das lokale Klima,
•
den Energiekreislauf,
•
den Wasserkreislauf,
•
die Stoffkreisläufe,
•
die Prozesse der Bodenbildung,
•
Bodeneigenschaften wie die Aggregatstabilität sowie
•
die Prozesse der Bodenerosion.
Witterungsextreme wurden wirksam. Insbesondere die Böden und das Relief entwickelten und entwickeln sich unter dem Einfluss der Landnutzung völlig andersartig als
unter von Menschen nicht oder kaum beeinflussten Bedingungen. In einigen Regionen
Chinas, Nordamerikas sowie Mittel- und Westeuropas existieren heute keine Standorte mehr, deren Entwicklung ohne bedeutsame anthropogene Einflüsse und Eingriffe
ablief. Kulturböden haben natürliche Böden ersetzt, Kulturlandschaften sind an die
Stelle von Naturlandschaften getreten. Außerhalb höherer Gebirgslagen ist in
Deutschland kein Hangstandort bekannt, der nicht im Verlauf von Urgeschichte, Mittelalter oder Neuzeit genutzt worden wäre.
19
Zahlreiche Standorte besitzen eine hohe Sensitivität für eine landnutzungsbedingte Veränderung der Boden bildenden Prozesse und für eine Initiierung von Boden
zerstörenden Prozessen.
Besonders erosionssensitiv sind steile, lange, breite und leicht konkave Hangabschnitte mit geringem Wasserspeichervermögen auf der Geländeoberfläche, mit
Abfluss konzentrierenden Strukturen und einem geringen Wasseraufnahmevermögen
an der Geländeoberfläche und einer geringen Stabilität der oberflächennahen Bodenaggregate.
In einem derartigen, stark sensitiven Landschaftsausschnitt können bereits geringfügige Veränderungen der Vegetation und der Bodeneigenschaften durch den
wirtschaftenden Menschen zu starken Modifikationen der Boden bildenden Prozesse
und zur Bodenzerstörung führen.
In wenig sensitiven Landschaftsausschnitten führen erst gravierende Veränderungen der Vegetation und der Bodeneigenschaften durch den wirtschaftenden Menschen zu signifikanten Modifikationen der Boden bildenden Prozesse und zur Bodenzerstörung. Extrem seltene, z. B. 500-jährige oder 1000-jährige Starkniederschläge
vermögen auch auf wenig sensitiven Standorten verheerend zu wirken – wenn ein
ausreichender Schutz der Oberfläche durch Vegetation nicht gegeben ist.
Die Prozesse der Wasser- und Winderosion wurden auf vegetationsarmen oder
–freien Oberflächen immer durch natürliche Ereignisse ausgelöst: durch Oberflächenabfluss während starker Niederschläge oder plötzlich abschmelzende wasserreiche
Schneedecken oder durch hohe Windgeschwindigkeiten. Das Ausmaß der Bodenerosion variierte in den untersuchten, genutzten Gebieten zeitlich und räumlich sehr stark.
In den früh besiedelten Regionen Chinas, z. B. am Zhongzuimao im Lößplateau,
wurden die Böden bereits in den ersten Jahrhunderten oder ein bis zwei Jahrtausenden des Garten- und Ackerbaus fast vollständig flächenhaft abgetragen und die Unterhänge zerschluchtet. Erst seitdem prägt kalkhaltiger Löß (wieder) die Oberfläche
der Landschaften. Der Gartenbau konnte außerhalb der zerrunsten Unterhänge fortgesetzt werden.
Auch einige mitteleuropäische Standorte verloren schon im Verlauf von Neolithikum, Bronze- oder Eisenzeit vollständig ihre damals oft humusreichen, fruchtbaren
Böden (BORK 1983). Zumeist vorübergehende Extensivierungen oder Nutzungsaufgaben waren die Folge. In den Mittelgebirgen wurden geringmächtige Böden im Verlauf
von Mittelalter und Neuzeit, zu einem erheblichen Teil im 14. Jahrhundert, auf den
Ober- und Mittelhängen häufig vollständig erodiert. Im Norden und im Nordosten
Deutschlands erodierten zumindest die Oberböden auf den Mittelhängen. In Löß verkleideten Becken wurden die holozänen Böden vollständig auf vielen steilen Mittelund Oberhängen abgetragen. Das Schluchtenreißen verheerte Lößlandschaften in
Mitteleuropa ebenfalls besonders im 14. und im 18. Jahrhundert. Seltene extreme Witterungsereignisse bedingten den weit überwiegenden Teil dieses Bodenverlustes. Die
durch Nutzung ermöglichte holozäne Bodenerosion führte an den meisten untersuch20
ten Standorten zu einer Jahrhunderte oder Jahrtausende währenden Minderung der
Bodenfruchtbarkeit.
Grundlegende Veränderungen der Landnutzungssysteme und –intensitäten durch
Landnahme, Kolonisierung, Expansion, Technisierung und politische Umbrüche führten im 20. Jahrhundert zu einer Vervielfachung der Bodenerosionsraten (Bork 2006):
•
auf der Poike Halbinsel im Osten der
Osterinsel in den 1930-er Jahren durch eine
außergewöhnlich hohe Schafdichte (bis zu
10.000 Schafe auf einer Fläche von nur 900 ha)
und jährliche Brände,
•
im Einzugsgebiet von Dwight’s Creek im
Palouse (Washington, USA) im Jahr 1935 mit
dem Ersatz der Zugtiere durch Zugmaschinen,
die eine ackerbauliche Nutzung auch steilster
Lößhänge ermöglichte,
Abb.2: Rapa Nui (Osterinsel), Chile
•
im Einzugsgebiet des East Fork Cottonwood
Creek (Oregon, USA) im frühen 20. Jahrhundert durch die ackerbauliche Nutzung und
die intensive Beweidung erosionssensitiver
Standorte mit geringmächtigen Böden,
•
auf dem Zhongzuimao (Provinz Shaanxi, China)
im Jahr 1958 durch veränderte Feldfrüchte,
Fruchtfolgen und Eigentumsverhältnisse,
•
im Westen von Floreana durch unsachgemäßen Wegebau und Brände in den frühen
1950-er Jahren,
•
bei Xixi (Provinz Sichuan, China) im Jahr 1958 imao, Shaanxi, VR China)
durch Waldrodung und im Jahr 1965 durch die
unsachgemäße Anlage von Ackerterrassen und den nachfolgenden Ackerbau,
•
in Deutschland in den 1950-er, 1960-er, and 1970-er Jahren durch Flurbereinigung
bzw. Kollektivierung sowie
•
im Nordwesten Sibiriens in Sandabbau- und Sandverwendungsgebieten vor allem
seit den 1980-er Jahren.
Abb.3: Pflugexperiment (Zhongzu-
Der explosionsartige Anstieg der Bodenerosionsraten in den vergangenen Jahrzehnten in verschiedenen Regionen der Erde hat seine Ursache bislang nicht in häufigeren
oder intensiveren Starkniederschlägen, Stürmen oder Schneeschmelzen. Alleine von
Menschen geschaffene ungünstige Vegetations- und Landschaftsstrukturen, die unsachgemäße Anlage von Infrastruktur, die Intensivierung der Landwirtschaft, technische Entwicklungen, Modifikationen der politischen und sozialen Gegebenheiten sowie das andersartige Verhalten der Bevölkerung im ländlichen Raum bedingten die
Veränderungen der Böden.
21
6. Literatur
BORK, H.-R. (1983): Die holozäne Relief- und Bodenentwicklung in Lößgebieten -Beispiele
aus dem südöstlichen Niedersachsen. In: H.-R. Bork & W. Ricken, Bodenerosion, holozäne
und pleistozäne Bodenentwicklung, Catena Suppl. 3: 1-93; Braunschweig.
BORK, H.-R. (2006): Landschaften der Erde unter dem Einfluss des Menschen. 207 S. Darmstadt.
BORK, H.-R., H. BORK, C. DALCHOW , B. FAUST, H.-P. PIORR & T. SCHATZ (1998): Landschaftsentwicklung in Mitteleuropa. Klett-Perthes, Gotha.
BORK, H.-R. & Y. LI (2002): 3200 Reliefentwicklung im Lössplateau Nordchinas – Das Fallbeispiel Zhongzuimao. Peterm. Geogr. Mitt. 146 (2): 80-85.
BORK, H.-R. & A. MIETH (2005): Catastrophe on an enchanted island: Floreana, Galápagos,
Ecuador. Rapa Nui Journal 19/1: 25-29. Los Osos (Easter Island Foundation).
GELDMACHER, K. (2002): Landschaftsentwicklung und Landnutzungswandel im Pazifischen
Nordwesten der USA seit 1850. Dissertation. Mathem.-Naturwiss. Fakultät der Universität
Potsdam. 139 S. Potsdam (unveröffentlicht).
MIETH, A. & H.-R. BORK (2004): Easter Island - Rapa Nui. Scientific Pathways to Secrets of the
Past. Man and Environment 1. 111 S. Kiel (CAU).
REIß, S. & H.-R. BORK (2005): Landnutzung, Bodenerosion, Boden- und Reliefentwicklung –
Ein Beitrag zur Landschaftsgeschichte in der Umgebung von Albersdorf (Dithmarscher Geest).
In: R. Kelm (Hrsg.), Frühe Kulturlandschaften in Europa. Albersdorfer Forschungen zur Archäologie und Umweltgeschichte 3: 68-85. Heide (Boyens).
22
Leben mit der Katastrophe – Möglichkeiten und Grenzen eines reflektierten nachhaltigen Lebensstils angesichts des Klimawandels
Prof. Dr. Wolfgang Nieke
Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik
Institut für Allgemeine Pädagogik und Sozialpädagogik
Philosophische Fakultät
Universität Rostock
1. Klimawandel als Katastrophe
Die gegenwärtig konstatierte Erwärmung des Erdklimas wird von den meisten Autoren
auf den anthropogenen Kohlendioxideintrag in die Atmosphäre zurückgeführt, verursacht durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Erdöl, Kohle und Erdgas
sowie durch andauernde Kohlenflözbrände (in Indien und China) und Waldbrände, die
von Menschen verursacht worden sind. Diese Erwärmung wird für bedrohlich gehalten,
weil sie katastrophale Auswirkungen auf die Lebensbedingungen und die Lebensräume auf der Erde haben könnte. Da sie menschengemacht ist, muss es also grundsätzlich möglich sein, sie durch entschiedenes, koordiniertes menschliches Handeln
anzuhalten oder sogar rückgängig zu machen, um die befürchtete Katastrophe zu
verhindern. Um das zu erreichen, wird der Klimawandel als Katastrophe dargestellt,
um die Bereitschaft zu erzeugen, durch entsprechendes Handeln, also eine schnelle
Verminderung des anthropogenen Kohlendioxideintrages in die Atmosphäre, das
Schlimme zu vermeiden.
Diese Argumentationskette soll im Folgenden auf ihre Triftigkeit untersucht
werden.
1.1 Einordnung der gegenwärtigen Erwärmung in die Erdgeschichte
Das gegenwärtige Klimageschehen befindet sich, eingeordnet in die bisher rekonstruierte Erdgeschichte, in einer kurzen Phase der Zwischeneiszeit, die seit 11 000
Jahren anhält. Das ist eine sehr kurze Zeit, und wenn man die Regelmäßigkeiten der
letzten Jahrhunderttausende betrachtet, dann ist zu erwarten, dass das Klima in nicht
all zu ferner Zeit wieder in den vorherigen Status der Eiszeit zurückkehren wird. Eine
Erhöhung der durchschnittlichen Temperatur um einige Grad, wie sie gegenwärtig als
Maßstab eines Klimawandels mit womöglich katastrophalen Folgen diskutiert wird, ist
also erdgeschichtlich minimal und unerheblich, da sie vermutlich in diesen längeren
Zeitdimensionen betrachtet schon bald von einem erheblichen Temperaturabschwung
abgelöst werden wird.
23
An diese langwelligen Temperaturunterschiede hat sich die Biosphäre jeweils
angepasst. Im Blick auf diesen Befund kann es kein sinnvolles Handlungsziel für die
Menschheit sein, einen Klimazustand in einem Mikrobereich stabil halten zu wollen,
weil die langwelligen Einflüsse viel stärker wirken und unvermeidlich sind. Außerdem
dürfte wohl nur ein Drittel der gemessenen Veränderungen auf menschliche Einflüsse
zurückkehren; die anderen zwei Drittel sind Effekte periodischer Schwankungen der
Intensität der Sonneneinstrahlung.
1.2 Welche Auswirkungen sind zuverlässig zu erwarten?
Allerdings werden in den Diskursen über den katastrophisch konnotierten Klimawandel derzeit konkrete Szenarien vorgestellt, was sich in den nächsten Jahrzehnten ändern und einstellen könnte. Grundthese dabei ist, dass durch die anthropogene induzierte Erwärmung des Erdklimas unabsehbare, irreversible Folgen für die Ökosphäre
entstehen können, wie die indirekt gewinnbaren Erkenntnisse über die Erdgeschichte
mit ihren starken Klimaschwankungen zeigen kann.
In einer kurzfristigen Perspektive von einigen Jahrzehnten oder auch Jahrhunderten werden Folgen der Erwärmung prognostiziert wie eine Überflutung einiger
Flachküsten und Inseln, ein Vorrücken von Tropenkrankheiten nach Norden, einer
verstärkten Bodenerosion. Gravierender wäre ein Versiegen des Golfstroms.
Vor allem eine Überflutung der Flachküsten durch ein schnelles Abschmelzen
des Polkappeneises und einen dadurch bedingten Anstieg der Meereshöhe um einen
Meter könnte den Lebensraum von einigen hundert Millionen Menschen vernichten,
die zu den Ärmsten auf dem Planeten gehören (Fair Future...). Dieses Szenario ist es
vor allem, das in den Warnungen als faktisch unausweichliche Konsequenz vor Augen
gestellt wird.
Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass dieses KatastrophenSzenario des Klimawandels spekulativ ist, wenn auch durchaus naturwissenschaftlich
begründet. Es kann aber nur abstrakte Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten des
Prognostizierten abgeben. Genau wie bei einer alltäglich gemachten Wettervorhersage auf Grund meteorologisch erhobenen und interpretierter Daten kann es durchaus
auch anders kommen, besser oder schlechter als das als das wahrscheinlichste angenommene und vorausgesagte Szenario.
Wegen der vielen unbekannten Zusammenhänge im globalen Klimageschehen
ist die Eintreffenswahrscheinlichkeit dieses Szenarios keineswegs so hoch wie eine
Wetterprognose, so dass die negativen Folgen einer restriktiven Politik des Kohlendioxideintrags in die Atmosphäre sehr genau mit dieser gar nicht so hohen Wahrscheinlichkeit abgewogen werden müssen.
Ein solches Denken in Wahrscheinlichkeiten und Risikoabschätzungen ist
durchaus weit entfernt vom Alltagsdenken, das gewohnt ist, in klaren, unilinearen
Kausalitäten die Welt aufzuordnen. Dementsprechend schwierig ist die publizistische
24
und politische Vermittlung einer solchen Denkungsart in den öffentlichen Diskurs über
eine solcherart angelegte globale Klimapolitik.
1.3
Katastrophenszenarien als
Die Grenzen des Wachstums
Bestandteil
der
Umweltkommunikation:
Katastrophenszenarien haben den Diskurs über den Schutz der endlichen Ressourcen und den Schutz der Menschheit vor globalen Gefahren von Anfang an bestimmt:
einmal über das Szenario des größten anzunehmenden Unfalls (GAU) in einem Atomkraftwerk mit erheblicher, lang andauernder radioaktiver Verstrahlung großer Areale, und zum anderen die Katastrophenwarnungen nach einer Übernutzung der
Ökosphäre bei ungehindertem Wachstum durch das MIT mit dem Bestseller über die
Grenzen des Wachstums (1979). Dieses Szenario gab konkrete Jahreszahlen für den
Eintritt negativer Auswirkungen von übermäßigen Schadstoffeinträgen in die Ökosphäre an, und da diese Wirkungen zu den vorausgesagten Jahren nicht eintraten,
geriet diese Form von Katastrophen-Szenario in Misskredit. Jede neuerliche Warnung
steht seitdem in der Gefahr, mit Verweis auf diese nicht eingetretene Prognose als
von vornherein falsch und unerheblich abgetan zu werden.
2. Das Leben im Angesicht einer kurz bevorstehenden Katastrophe als fester
Topos im kollektiven Menschheitsgedächtnis
Das kollektive Menschheitsgedächtnis – d .h. das Insgesamt der Kulturen – ist erprobt
in Warnungen vor Katastrophen und Ratschlägen für den Umgang damit: Kassandra
aus der griechischen Mythologie, Sodom und Gomorrha als Strafandrohung für unsittlichen Lebenswandel im Alten Testament, die Apokalypse des Johannes-Evangeliums
die Milleniums-Eschatologie des christlichen Mittelalters, später dann so etwas wie
Spenglers Untergang des Abendlandes. Entweder muss man sich danach in ein von
außen, den Göttern vorbestimmtes Schicksal in Würde fügen (Stoa), oder die Warner
verbinden ihre Warnung mit Hinweisen auf eine Umkehr im Lebensstil, meist spirituell
und religiös konnotiert. Dabei kann dann ein gottergebener Lebensstil diese Gottheit
besänftigen, so dass die Katastrophe, die als Strafe interpretiert wird, ausbleibt. Das
wirkt auch im Einzelfall: alle Unbelehrbaren gehen unter, der einzelne Umgekehrte
wird errettet, wie es die Geschichte von Noah und seiner Arche als Rettung in der
Sintflut erzählt.
3. Die Erderwärmung und ihre möglichen Folgen sind unvermeidlich
Im Folgenden möchte ich eine überraschende und auch unangenehme These vorstellen und begründen, die zwar weiterhin eine Katastrophe als möglich ansieht, nicht aber die des Klimawandels.
Die beschriebene, allgemein erwartete Klima-Katastrophe ist zwar menschengemacht, und die Menschheit insgesamt macht sich daran schuldig. Der Beitrag des
Einzelnen ist winzig, kaum messbar und isoliert betrachtet irrelevant. Das gilt auch für
25
vorbildliche Lebensstile, die veröffentlicht werden, um zum Nachahmen anzuregen
(etwa Leo Hickman: Fast Nackt. Berlin: Pendo 2006). Um das Übel abzuwenden,
müssten also alle gleichzeitig und koordiniert in eine bestimmte Richtung handeln.
Solche Koordinationen funktionieren in den Sozialverbänden der Gemeinde bis hin zu
den Nationalstaaten, wenn diese über eine Autorität und funktionierende Staatsmacht
verfügen, die es ermöglichen, Vorgaben auch gegen die Primärinteressen ihrer Bürger
im Sinne eines höherrangigen Gemeinwohls durchzusetzen. Das gelingt aber bisher
nicht oder nur rudimentär in überstaatlichen Verbänden wie der Europäischen Union
und den Vereinten Nationen, weil der Egoismus der nationalstaatlichen Führungen
eine Orientierung an einem Gemeinwohl immer dann verhindert, wenn dieses mit nationalstaatlichen Partikularinteressen kollidiert. Diese Konstellation dürfte sich nach
allem, was die Politikwissenschaft zu überstaatlichen Institutionen an gesichertem
Wissen zusammengetragen hat, in absehbarer Zeit nicht ändern und ändern lassen –
es sei denn in der Erfahrung einer weltumspannend wirkenden Katastrophe (Weizsäcker, Wege aus der Gefahr – kann die Menschheit nur aus Katastrophen lernen?).
Die Konsequenz dieser Überlegungen ist: Der Klimawandel und die daraus vielleicht resultierenden Katastrophen für die Ökosphäre sind unvermeidbar.
Wenn diese Überlegung zutreffend ist, muss das weitreichende Folgen für die
Umweltpolitik, für das Nachdenken über eine nachhaltige Entwicklung insgesamt haben.
4. Die vermutlich tatsächlich eintretende Katastrophe: Weltwirtschaftskrise nach
plötzlicher Preisexplosion für Erdöl und Erdgas
Aber all diese Klimafolgen, deren Eintretenswahrscheinlichkeit nur sehr ungenau abgeschätzt werden kann, werden vermutlich gar nicht eintreten, weil der anthropogene
Kohlendioxideintrag bereits in zehn bis dreißig Jahren weitgehend zum Erliegen gekommen sein wird; denn bis dahin werden die Reserven an Öl und Gas aufgebraucht
sein.
Alle bisher diskutierten Prognosen müssen derzeit stark reduziert korrigiert
werden, da China und Indien in ihrer schnell und stark nachholenden Entwicklung einen großen Teil dieser Reserven verbraucht haben werden, und dies wurde in den
bisherigen Prognosen noch nicht berücksichtigt.
Das eigentliche Problem ist also nicht die anthropogen verursachte Erderwärmung
und damit kein ökologisches, sondern ein ökonomisches: Die plötzlich ansteigende
Knappheit von Erdöl und Erdgas – noch nicht sofort der Kohle – wird einen schnell
sehr stark ansteigenden Preis erzeugen, der keine Steuerungswirkung für einen nur
langfristig möglichen Umstieg in eine andere Energietechnologie entfalten kann, so
dass ein jäher Absturz der Weltwirtschaft entsprechend katastrophale Folgen für den
Wohlstand der Weltbevölkerung haben wird, vor allem für die Armen.
Die politische und bildungspolitische Aufgabe besteht also darin, auf diese Situation vorzubereiten und einen sofortigen und entschiedenen Umstieg in eine alterna26
tive Energietechnologie vorzubereiten, auch ohne dass die Preise für die fossilen Energieträger schon alarmierend angestiegen sein müssen; weil dann nicht mehr genug Zeit verbleiben wird. Die Alternative besteht in einer direkten Nutzung der Solarenergie zur Wärmeerzeugung und zur Erzeugung von Elektrizität. Das bisher ungelöste Problem besteht in der Speicherung dieser Energie, vermutlich auf dem Weg der
chemischen Energie, aber dafür sind noch keine robusten und handhabbaren Großtechnologien in Sicht: Wasserstoff, Synthesegas, Silikatöl. Die Sonneneinstrahlung ist
ungleich über die Tageszeit, die Jahreszeit und die Breitengrade verteilt, so dass die
Energieumwandlung nicht dann und dort im erforderlichen Maße möglich ist, wo und
wann die Energie jeweils benötigt wird. Eine Zwischenspeicherung ist also unerlässlich.
Die Speicherung ist besonders auch für den Energiebedarf von Fahrzeugen erforderlich, da sie nicht direkt mit Sonnenenergie betrieben werden können. Möglicherweise werden Technologie dafür überhaupt nicht in den absehbaren Zeit der
nächsten Jahrzehnte zur Verfügung stehen, dann wäre eine sofortige Rationierung
von Erdöl für Flugzeuge und Schiffe erforderlich, vielleicht auch für die Petrochemie,
weil diese nicht ohne Schwierigkeiten auf Kohle als Prozessrohstoff umgestellt werden
kann.
Manchmal wird erwogen, als Ersatz für Benzin und Dieselöl Äthanol aus Biomasse einzusetzen. Allerdings dürfte schon jetzt die Anbaufläche für regenerierbare
Biomasse weltweit nicht ausreichen, den gegenwärtigen Energieverbrauch aus fossilen Energieträgern zu substituieren. Die Biomasseerzeugung kommt nur in Frage zur
Herstellung von Biokraftstoff für Flugzeuge und Schiffe, da diese nicht, wie Landfahrzeuge, elektrisch betrieben werden können, wenn ein dichtes Netz von Aufladestationen installiert wird, auch nicht mit der Wasserstofftechnologie der Brennstoffzellen
wegen des zu hohen Volumens für die Wasserstoffspeicherung.
Diese Alternative in kurzer Zeit umzusetzen, erfordert weltweit koordinierte Anstrengungen einer Umsteuerung. Dass dies nicht aussichtslos ist, zeigt die Geschichte
der Luftreinhaltungsbemühungen in der Vergangenheit, von denen die Einführung des
Katalysators für Benzinmotoren gegen den erbitterten, aber dann doch erfolglosen
Widerstand der Automobilindustrie –gerade auch der deutschen, die für sich stets in
Anspruch nimmt, an der Spitze der technologischen Entwicklung zu stehen - dem Alltagsbewusstsein noch gegenwärtig ist.
5. Die Antwort: Sustainability: nachhaltige Entwicklung
Das Thema des anthropogenen Kohlendioxideintrags und der daraus möglicherweise
entstehenden Klimaveränderung steht im Zusammenhang mit dem Thema des nachhaltigen Ressourcengebrauchs. Das Konzept der starken Nachhaltigkeit bezeichnet
eine Ressourcenentnahme, die nicht größer ist als die natürliche Regeneration. Das
impliziert, dass alle Ressourcen, die sich nicht regenerieren, z. B. Metalle, nur noch in
ganz geschlossenen Stoffkreisläufen verwertet werden dürfen.
27
Ausgangspunkt des Konzepts war die Verantwortung für die nachwachsenden
Generationen, denen ein angemessener Anteil der nicht-regenerierbaren Ressourcen
überlassen bleiben soll.
Auf der UN-Konferenz von Rio 1992 wurde dieses Konzept flankiert durch zwei
zusätzliche Maximen, die eine weltweite Akzeptanz vor allem in den Entwicklungsländern und in den Ländern mit aufholender Entwicklung sichern sollten: der angestrebte
Ressourcenschutz für die nachfolgenden Generationen soll nicht das aktuelle Wirtschaftswachstum behindern und global sozial gerecht gestaltet werden. Denn anderenfalls hätte die Gefahr bestanden, dass die Länder mit aufholender Entwicklung überproportional belastet worden wären.
5.1 Rio 1992 und die falsche Interpretation des Dreiecks
In den Industrieländern wurde dieser Grundgedankengang der Konferenz von Rio verkürzt auf ein eingängiges, aber falsches Bild eines gleichschenkligen Dreiecks aus
Ökologie, Ökonomie und Sozialem. Das suggerierte eine Gleichwertigkeit dreier konfligierender Zielbereiche, die es in einem Mediationsverfahren, dem dann so genannten Agenda-21-Prozess, auszugleichen gelte. Die Abhängigkeit und der Bezug der
Ziele von Wirtschaftswachstum und sozialem Ausgleich zwischen Nord und Süd auf
die Länder mit aufholender Entwicklung gerieten ganz aus dem Blick. In der Folge
dieses Fehlansatzes erlahmten die Anstrengungen zur Orientierung der gesamten
Politik auf eine sich selbst tragende Entwicklung – so die wortnähere Übersetzung von
sustainability – in den Industrieländern, und unter Agenda-21 konnte damit alles subsumiert werden, was mit Wirtschaftswachstum und Verringerung sozialer Ungleichheit
jedweder Art zu tun hat. Das ursprüngliche Ziel geriet aus den Augen und kommt nur
wieder in den Blick, wenn Katastrophenszenarios wie die Folgen der Erderwärmung in
die Medienöffentlichkeit getragen werden.
Erforderlich ist also eine Neubesinnung auf das Grundanliegen der Konvention
von Rio 1992 sowie eine inhaltsbezogene Formulierung des Anliegens, denn „Agenda
21“ ist ein technischer Begriff aus der Plansprache internationaler Organisationen, die
sich in Englisch verständigen. Darunter kann sich niemand etwas vorstellen und es
leicht mit Agenda 2000 oder Agenda 2010 verwechseln, beides nationale Programme
in der Agrar- und Arbeitsmarktpolitik, die überwiegend negativ besetzt sind bei denjenigen, die überhaupt etwas damit anfangen können.
5.2 Um welche Ressourcen geht es?
Zunächst ist es erforderlich, sich zu vergegenwärtigen, um welche Ressourcen es
geht. Dabei können folgende sieben Gruppen von Ressourcen unterschieden werden:
1. fossile Energieträger: Erdöl, Erdgas, Kohle
2. Biodiversität: das Insgesamt der Arten auf der Erde
3. Metalle
4. Trinkwasser
28
5. Nutzboden, der von Erosion bedroht ist
6. Atmosphäre: Ozonloch, Schadstoffeinträge
7. „Natur“ als Wohlstandsressource: Kultur, Gesundheit
In vielen Diskursen über Nachhaltigkeit oder Umweltschutz wird jeweils nur auf
eine einzige dieser Ressourcengruppen oder auf einige wenige von ihnen geschaut;
selten findet sich eine Gesamtschau auf alle Gruppen.
5. 3 Vom Dreieck zum Viereck
In der Folge von Rio wurde ein Dreieck aus Ökologie, Ökonomie und Sozialem konstruiert, mit dem die Spannung dreier divergenter Interessenrichtungen und die Notwendigkeit einer Balance beschrieben werden sollte. Damit werden aber unzutreffende Akzente gesetzt. Deshalb soll im Blick auf die sieben Ressourcengruppen mit folgendem Viereck die Konfliktkonstellation genauer beschrieben werden:
(1) An erster Stelle steht der Ressourcenschutz (also das, was bisher Ökologie
genannt worden ist), und dabei geht es um die Einführung geschlossener
Kreisläufe bei nicht-nachwachsenden Rohstoffen, um den sofortigen Ausstieg
aus dem Verbrauch von nicht-regenerierbaren Stoffen wie den fossilen Energieträgern, um den Schutz und die Erhaltung der Biodiversität und damit faktisch um eine intergenerative Gerechtigkeit.
(2) Diesem Primärziel stehen zwei gegenläufige Ziele entgegen: der Freihandel
(bisher unscharf als Ökonomie bezeichnet und unzutreffend als Wirtschaftswachstum konkretisiert). Freihandel ist das effektivste Verfahren einer optimalen Versorgung aller mit zu knappen Gütern, erzeugt allerdings spezifische Benachteiligungen, die durch Rahmenregelungen verhindert werden müssen: das
wird gemeinhin als soziale Marktwirtschaft bezeichnet, weil die Marktbenachteiligten zumeist sozial deklassiert sind. Der Hauptkonflikt zwischen dem ersten
und diesem zweiten Ziel besteht darin, dass viele Produktionsprozesse, die
marktwirtschaftlich orientiert sind, noch von kostenfreien Entnahmen und Einträgen von Stoffen in eine als unendlich gedachte Biosphäre ausgehen. Wenn
dies grundsätzlich durch Kosten für Gemeinschaftsgüter in die Wirtschaftssphäre einbezogen wird, kann dieser Konflikt dauerhaft stillgestellt werden (Fair future 2005). Eine mögliche Alternative zu dieser Form der Güterversorgung
durch Freihandel wäre eine staatliche Reglementierung der Versorgung, konkretisiert etwa in Bezugsscheinen für bestimmte Mengen von bestimmten Gütern. Allerdings hat bisher jede zu starke staatliche Reglementierung der Versorgung erfahrungsgemäß zu unerwarteten Fehlfunktionen geführt, so dass
konzediert werden muss, dass ein maximales Maß an Freiheit vermutlich die
beste Versorgung garantiert.
(3) Beiden Zielen entgegen stehen die Menschenrechte, deren Kernziel die Vermeidung von Ungleichheit ist. Der Freihandel führt unvermeidlich zu großer
Ungleichheit, die nur akzeptabel ist, wenn sie leistungsadäquat und damit funk29
tional ist. Ein konsequent für alle gleich eingeführter Ressourcenschutz würde
zu einer Fixierung der globalen Ungleichheit führen. Wenn das vermieden werden soll, sind allerdings komplizierte Überlegungen einer die jahrhundelangen
Folgen von Kolonialisierung kompensierenden Ungleichheit im Zugang zu den
weltweit zur Verfügung stehenden Ressourcen erforderlich, die zu nicht überzeugenden Resultaten führen (zuletzt zusammenfassend Fair Future 2005)
(4) In der Konvention von Rio 1992 ist das Existenzrecht der Kulturen im Zusammenhang mit einer gerechten Weltentwicklung angesprochen, bisher in der Rezeption aber so gut wie nicht berücksichtigt worden. Dieser Gedanke kann dahingehend verallgemeinert werden, dass als eigenständiger Bereich Kultur als
Oberbegriff für
- Lebensqualität,
- Glück und
- Wohlstand
eingeführt werden muss.
Das ist im Verständnis der US-amerikanischen Verfassung mit unter Menschenrechten gefasst, weil dort – anders als in den europäischen Verfassungen
- ein Glücksrecht impliziert ist, während das europäische Verständnis vor allem
Abwehrrechte gegen staatliche Übergriffe in die individuelle Freiheit akzentuiert.
Hier muss vor allem das Glück der Gegenwärtigen mit dem der Kommenden im
Blick auf endliche Ressourcen abgewogen werden.
Ressourcenschutz
Freihandel
Menschenrechte
Kulturen
•
•
•
Lebensqualität
Glück
Wohlstand
30
Der Grundgedanke des Programms Agenda 21 besteht in der Verpflichtung, bei allen
Entscheidungen diese drei – oder nun, wie dargelegt: vier – konfligierenden Interessenlagen der gesamten Menschheit einschließlich der noch nicht Geborenen zu berücksichtigen. Das erfordert zum einen ein Umdenken bei der Interessenwahrnehmung, weil diese üblicherweise auf das Wohl des Einzelnen oder seiner zentralen Bezugsgruppe – meist Familie und Verwandtschaft – oder seiner Nation orientiert ist,
nicht jedoch auf die Gruppe aller Menschen und schon gar nicht die noch nicht Geborenen einbezieht. Zum anderen ist eine solche Denkungsart kognitiv anspruchsvoll,
weil sie viele miteinander verflochtene Interdependenzen berücksichtigen muss und
dabei mit Wahrscheinlichkeiten kalkulieren muss. Diese Denkform ist von anderer Art
als das Alltagsdenken, das – geprägt von seiner engen Bindung an die Sprache, die
Ereignisse und Themen nur hintereinander thematisieren kann – das Weltgeschehen
unilinear in einfachen Ursache-Wirkungs-Ketten aufordnet. Schon früh hat ein Autor
wie Vester (der Erfinder des Lehrspiels Ökopoly) die Einübung eines von ihm so genannten „vernetzten Denkens“ gefordert. Das ist dann von dem Psychologen Dörner
aufgegriffen worden.
5.4 Umlenken oder Umdenken? - in Demokratien ist nur eine Änderung des Lebensstils wirksam
Wenn als Bezugspunkt für ethisch begründete Überlegungen die Menschenrechte der
entsprechenden UN-Konvention genommen werden, dann muss von gleichen Rechten aller Menschen – einschließlich der noch Ungeborenen – gegeneinander ausgegangen werden. Danach haben alle Menschen das gleiche Recht auf Zugang zu den
endlichen Ressourcen und auf Wohlstand. Da dieser Zugang gegenwärtig zwischen
Nord und Süd stark ungleichgewichtig ist, hat das zur Folge, dass die Menschen in
den Ländern des Nordens wesentlich weniger verbrauchen dürfen, um den Menschen
in den Ländern des Südens den gleichen Anteil zu ermöglichen (so etwa die Argumentation in Fair Future 2005).
Dabei ist dann das Interesse der Ungeborenen noch gar nicht einbezogen. Dies
würde zu noch radikaleren Konsequenzen führen; denn dann dürfte ab sofort gar
nichts mehr von den nicht-regenerierbaren Ressourcen verbraucht werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, werden zwei Strategien erörtert: Umlenken oder
Umdenken. Die Befürworter der Strategie des Umlenkens gehen davon aus, dass zur
Erreichung der zuvor beschriebenen Ziele ein koordiniertes Handeln Aller erforderlich
ist, und das sei nur durch staatliche Lenkung möglich. Dagegen wird eingewandt,
dass in Demokratien die Regierungen ihren Bevölkerungen keine Restriktionen gegen
deren Überzeugung oktroyieren können; denn dann werden sie abgewählt.
Darin drückt sich ein Politikverständnis aus, das von grundlegendem Misstrauen der Wähler gegenüber den Politikern geprägt ist, die dementsprechend ein sehr
geringes Prestige haben – so wie es derzeit in Deutschland der Fall ist. Bei Unzufriedenheit wird die alternativ zur Verfügung stehende Führungselite in der Hoffnung gewählt, dass sie es besser richten werde. Das drückt sich in dem Phänomen einer stark
31
zunehmenden Wechselwählerschaft aus. Die Alternative zu diesem Politikverständnis
besteht in etwas, das autoritatives Politikverständnis genannt werden könnte. Sie bestünde in einem Verhältnis des Vertrauens der Wähler zu den von ihnen Gewählten,
wie es idealerweise bestehen sollte und in der Geschichte der Demokratien anfangs
wohl auch bestanden hat. Das Prinzip der repräsentativen Demokratie, im Gegensatz
zur direkten, basiert auf der Einsicht, dass die Wähler grundsätzlich nicht in der Lage
sind und sein können, in allen zu treffenden Entscheidungen sich hinreichend sachkundig zu machen. Sie müssen diese Entscheidungskompetenz also auf Personen
ihres Vertrauens delegieren. Das Vertrauen erfordert von den Gewählten dann Fachkompetenz und Korruptionsfreiheit. Wenn der Glaube an das eine oder das andere
erschüttert wird, dann verschwindet ein solches Vertrauen, ein solches autoritatives
Politikverständnis und macht dem Misstrauensprinzip Platz. Aber die Gewählten sind
nur bereit, den vertrauenswürdigen Politikern auch in Entscheidungen zu folgen, die
sich nicht nachvollziehen können und die für ihren Eigennutz Nachteile bedeuten, wie
es immer unvermeidlich ist, wenn Entscheidungen für das Gemeinwohl getroffen werden. Gäbe es ein solches autoritatives Politikverständnis, das Vertrauen in kompetente und nicht-korrupte Politiker, dann wären diese in der Lage, ihren Wählern auch Beschränkungen ihres Konsumniveaus wirksam zuzumuten.
Da dies, aus Gründen, die hier nicht erörtert werden können, derzeit nicht der
Fall ist, besteht die einzige wirksame Strategie zur Durchsetzung des Gedankens der
nachhaltigen Entwicklung in der Förderung eines freiwilligen Umdenkens durch Öffentlichkeitsarbeit – derzeit als Umweltkommunikation thematisiert – und durch eine
entsprechende Allgemeinbildung.
5.5 Die Botschaft erreicht die Menschen nicht - warum?
Umweltkommunikation und Umweltbildung werden seit 1992 im Sinne der Konvention
von Rio mit Akzentuierung auf eine nachhaltige Entwicklung praktiziert, aber die feststellbare Wirkung ist bemerkenswert schwach.
Wie kommt es, dass die meisten Menschen in Europa zwar über die Zusammenhänge des Klimawandels informiert sind, trotzdem nicht bereit sind, ihren Beitrag
zu einem nachhaltigen Lebensstil zu leisten? Aus Befragungen lassen sich drei Antwortmuster herausfinden: Die einen sind technikgläubig, erwarten fest, dass er der
Technik in den nächsten Jahrzehnten gelingen wird, das Problem so zu lösen, dass
dazu eine Änderung des ressourcenintensiven Konsumstils nicht erforderlich ist.
Die anderen sind zwar grundsätzlich bereit, ressourcenschonender als bisher
zu konsumieren, aber nur dann, wenn es alle anderen gleichzeitig auch tun. Das entspringt einem Gedanken der Gleichheit und Gerechtigkeit im Verzicht; denn ohne einen solchen ist ein ressourcenschonenderer Konsumstil kaum zu realisieren.
Eine dritte Gruppe verleugnet die Problematik, weil die Konsequenzen unangenehm sind – ganz ähnlich den Rauchern, die um die Gesundheitsschädigung sehr
wohl alle wissen, aber dennoch zu keiner Verhaltensänderung bereit sind. Denn die
Konsequenzen einer Kohlendioxidreduktion würden vor allem die Bereiche Mobilität
32
und Wohnkomfort (Heizung) betreffen, die in der Wertehierarchie so weit oben stehen,
dass abstrakte Risiken, die ungewiss sind und vielleicht sogar gar nicht eintreffen
werden, sie nicht in Frage stellen können.
6. Die Weltformel zum besseren Verständnis der drei Parameter zum Erreichen
einer nachhaltigen Entwicklung
Die Aufgabe der Ressourcenschonung kann besser verstanden werden, wenn die
wesentlichen Parameter in ihren Relationen zueinander betrachtet werden, welche
den Ressourcenverbrauch bedingen. Der gesamte Ressourcenverbrauch auf dem
Planeten kann mit folgender Formel beschrieben werden:
R=PxW
W = ER x K
R = P x (ER x K)
R: Ressourcenverbrauch
P: Bevölkerung (Personen)
W: Wohlstand
ER: Ressourceneffizienz, messbar etwas mit dem ökologischen Fußabdruck in ha, relational zur
gesamten festen Erdoberfläche
K: Konsum, messbar in einer Währungseinheit für das Marktgeschehen, also etwa in Dollar
Hierbei ist zu beachten, dass auch der Ressourcenverbrauch aus der Subsistenzwirtschaft einbezogen werden muss, der sich in keinem Marktgeschehen abzeichnet.
Auch Subsistenzwirtschaft hat einen ökologischen Fußabdruck, bei Raubbau etwa
sogar einen besonders großen.
Die Produktformel bildet ab, dass der Ressourcenverbrauch bis auf Null reduziert werden könnte, wenn es keine Menschen auf dem Planeten gäbe oder diese
Menschen nichts konsumieren würden.
Die erweiterte Formel zeigt drei Parameter, mit denen der Ressourcenverbrauch wirksam beeinflusst werden kann:
1. die Bevölkerungszahl;
2. der Konsum pro Kopf;
3. die Ressourceneffizienz des Konsumierten.
Bisher wird fast ausschließlich über den dritten Parameter diskutiert, aber es ist leicht
zu sehen, dass diese Strategie ihre engen Grenzen hat. Der zweite Parameter wird
inzwischen kaum mehr angesprochen, weil das auf Verzicht hinauslaufen müsste, und
das ist von geringer Akzeptanz. Der dritte Parameter ist tabuisiert, weil sich vor allem
die Entwicklungsländer verbeten haben, dass ihnen die Industrieländer in diesem Bereich Vorschläge oder gar Vorschriften machen. Dennoch ist ganz unübersehbar,
33
dass dieser Parameter bei einer wirksamen Strategie in Richtung auf einen nachhaltigen Ressourcenverbrauch nicht ausgeklammert werden darf: Eine nachhaltige Tragekapazität des Planeten dürfte bei etwa 2 Milliarden liegen und keineswegs bei den
gegenwärtigen sechs.
In dieser Perspektive ist der Bevölkerungsschwund in den Industriestaaten
nicht etwa ein Problem, sondern die einzig richtige Entwicklung.
7. Sparen hilft nicht
Jedenfalls hilft Sparen überhaupt nicht, weil es den Eintritt der ökonomischen Krise
nur um wenige Jahre verzögern könnte.
8. Entschiedener Umstieg in der Energietechnologie als vorrangige Aufgabe
s. o.
9. Die Aufgaben von Umweltkommunikation und Umweltbildung
Die für Allgemeinbildung wichtigen Einsichten sind: eine nachhaltige Entwicklung kann
nur erreicht werden, wenn
- entweder die Bevölkerungszahl auf dem Planeten sinkt
oder
- ein sehr asketischer Lebensstil für alle verpflichtend gemacht wird
oder
- eine Mischung aus beidem praktiziert wird.
Ein Vertrauen und Hoffen auf eine Ressourceneffizienz zur Lösung der Probleme
(Technikgläubigkeit) ist falsch, weil diese Strategie die Expansion der beiden Parameter Bevölkerung und Konsum nicht dauerhaft kompensieren kann.
Die hier diskutierte Strategie der Askese meint nicht einfachen Verzicht, sondern eine
Umorientierung auf einen akonsumalen Wohlstand, also eine Lebensqualität, die
sich ohne Ressourcenverbrauch erreichen lässt.
Dabei ist aber zu bedenken, dass der oft als Alternative zu einem ressourcenintensiven Konsum, nämlich der sensative Konsum, selbst auch Ressourcen verbraucht, vor allem solche zur Mobilität.
Welche Konsequenzen hat das für die Anstrengungen der Kundigen, die Öffentlichkeit
zu informieren und zu warnen?
Eine mögliche Reaktion wäre die stoische Resignation: Da es nicht zu ändern
ist, kann das Unvermeidliche nur abgewartet werden.
Eine andere wäre eine verzweifelte Verstärkung der Anstrengung in der winzigen Hoffnung, dass sich vielleicht doch noch etwas ändern lässt, wenn etwa leitende
34
Industriestaaten umzusteuern begännen und ihnen dann – allein schon aus ökonomischen Gründen – andere zu folgen gezwungen wären.
Ein dritter Weg könnte in so etwas wie einem reflektierten Lebensstil der
Nachhaltigkeit bestehen, der zwar weiß, dass durch die Entscheidung des Einzelnen
objektiv nicht viel bewirkt wird, dass aber diese Entscheidung eine Vorbildwirkung auf
andere haben kann. Zudem ist es relevant, sich selbst gegenüber Rechenschaft darüber ablegen zu können, richtig zu handeln – woher auch immer die Maßstäbe für die
Richtigkeit individuell jeweils bezogen werden.
35
Biodiversität und Landschaftswandel in den Tropen
Prof. Dr. Stefan Porembski
Allgemeine und Spezielle Botanik
Institut für Biowissenschaften
Universität Rostock
1. Einführung
Mit dynamischen Prozessen verbundene Veränderungen der Biosphäre sind kennzeichnend für das Leben auf der Erde seit seiner Entstehung. Im Verlauf der Erdgeschichte ist es dabei wiederholt zu massiven Aussterbeereignissen über ein weites
Spektrum von Organismengruppen hinweg gekommen, z. B. an der Wende zwischen
Kreide und Tertiär, bekannt durch das Aussterben der Dinosaurier. Folgend auf diese
Massenaussterbeereignisse erreichten die globalen Artenzahlen nach offenbar relativ
ungestörter Entwicklung nicht nur das zuvor erreichte, sondern bemerkenswerterweise ein höheres Niveau als zuvor. Die historisch belegten Massenaussterbeereignisse
erstreckten sich über jeweils Tausende von Jahren und waren natürlichen Ursprungs.
Es ist inzwischen unstrittig, dass menschlicher Einfluss in den letzten Jahrhunderten
zu einem Anstieg der generellen Extinktionsraten geführt hat. Dabei handelt es sich
nicht um singuläre Ereignisse sondern um ein durchgehend zu konstatierendes Problem, dass in seiner Dimension keine Parallele in der Erdgeschichte kennt.
Die mit dem Stichwort „globaler Wandel“ verbundenen und gegenwärtig bereits
deutlich zu beobachtenden Veränderungen zählen zu den massivsten Gefährdungen
der zukünftigen ökonomischen Entwicklung des Menschen sowie der Erhaltung der
Vielfalt des Lebendigen („Biodiversität“) auf allen betroffenen Ebenen. Es besteht kein
Zweifel mehr daran, dass der aktuell zu konstatierende globale Wandel anthropogenen Ursprungs ist. Beispielhaft sei auf den Anstieg der atmosphärischen Konzentration der Treibhausgase (u.a. CO2) seit dem Beginn der industriellen Revolution verwiesen, der in engem Zusammenhang mit der Erderwärmung steht. Das Spektrum der
vom globalen Wandel betroffenen Aspekte ist breit und wird vielfach mit einem Fokus
auf klimatische Veränderungen („Erderwärmung“) betrachtet. Von vergleichbarer Bedeutung dürften menschliche Eingriffe in Struktur und Dynamik natürlicher Lebensräume sein. Diese haben u.a. bedingt durch veränderte Landnutzungsregime und die
Zerschneidung und Fragmentierung ursprünglich zusammenhängender Lebensräume
negative Konsequenzen für die Existenz zahlreicher Organismen. So sind bei vielen
vom Landschaftswandel betroffenen Arten erhöhte Extinktionsraten zu erwarten, die
ihre Ursache in verringerten Populationsgrößen und in einem eingeschränkten genetischen Austausch zwischen räumlich isolierten Populationen haben. Während unterschiedliche Aspekte des Landschaftswandels in den gemäßigten Breiten vielfach do36
kumentiert und modellhaft analysiert wurden, bestehen im Hinblick auf unsere Kenntnisse aus tropischen Regionen massive Defizite. Vorliegender Beitrag versucht den
bisherigen Stand der Kenntnisse zu den Auswirkungen des globalen Wandels auf die
Biodiversität in den Tropen in knapper Form darzustellen, wobei insbesondere auf die
Zusammenhänge zwischen Klima- und Landnutzungswandel eingegangen wird.
2. Räumliche Muster der Biodiversität
Biodiversität ist nicht gleichmäßig auf der Erde verteilt. Bereits im 18. Jahrhundert berichteten zahlreiche Forschungsreisende darüber, dass die Tropen einen deutlich höheren Artenreichtum als die gemäßigten Breiten aufweisen. Die „hot spots“ der Biodiversität liegen insbesondere in den Regenwaldgebieten Mittel- und Südamerikas sowie in Südostasien. Das tropische Afrika weist eine im Vergleich dazu geringere Biodiversität auf, wobei jedoch einzelne Regionen (z. B. der Mt. Cameroon) ebenfalls
durch hohe Artenzahlen charakterisiert sind. Unser Wissen über die räumliche Verteilung des Artenreichtums kann inzwischen als gut bezeichnet werden, da verschiedene
Kartierungsprojekte vor allem auf der Ebene der Phytodiversität (vgl. BARTHLOTT ET AL.
2005) erhebliche Kenntnislücken schließen konnten.
Ein spezielles Augenmerk im Hinblick auf die räumlichen Muster der Biodiversität gilt denjenigen Arten, deren Vorkommen geographisch eng begrenzt ist. Diese als
Endemiten bezeichneten Arten treten oftmals mit nur wenigen, kleinen Populationen
auf, die bedingt durch ihre geringe Größe ein hohes Gefährdungspotential aufweisen.
Insbesondere verschiedene tropische Regionen (u.a. Madagaskar, der atlantische
Regenwald Brasiliens) sind durch hohe Endemitenzahlen gekennzeichnet. Es ist zu
befürchten, dass anthropogene Störungen bedingt durch starkes Bevölkerungswachstum gerade in den extrem arten- und endemitenreichen Tropenregionen zu hohen
Aussterberaten führen werden.
Das inzwischen umfassend zur Verfügung stehende Wissen über die räumliche
Verbreitung der Biodiversität im Hinblick auf Arten- und Endemitenzahlen erlaubt es
modellhafte Szenarien zu erstellen, die Aussagen über die Auswirkungen zukünftiger
globaler Veränderungen gestatten. Die bisher zu diesem Aspekt vorliegenden Studien
können wiederum eine Basis für mögliche Schutzkonzepte bilden. Da jedoch beispielsweise der Klimawandel zu einer nicht an politische Grenzen gebundenen Verschiebung von Vegetationszonen und Artarealen führen wird dürften bei der Umsetzung von Schutzkonzepten große politische Hindernisse zu überwinden sein.
3. Exemplarische Beispiele für Landnutzungsänderungen in den Tropen
Verbunden mit einer weiter verstärkten Hinwendung zu einer exportorientierten agroforstlichen Produktion wurden in jüngerer Zeit zahlreiche Beispiele für unnachhaltige
Landnutzungsänderungen in den Regenwäldern der Tropen auch in der Tagespresse
zu einem Thema (u.a. Sojaanbau in der brasilianischen Amazonasregion, Ausweitung
der Ölpalmenplantagen in Südostasien). Im Folgenden wird anhand eigener For37
schungsarbeiten auf die Folgen veränderter Landnutzungspraktiken, die mit einer Zunahme der lokalen Bevölkerung verbunden sind am Beispiel Westafrikas eingegangen.
Im Rahmen des BMBF-Programms BIOTA (Biodiversity Monitoring Transect
Analysis in Africa) werden grundlegende Fragen der Biodiversitätsforschung, vor allem aber angewandte Themen, die mit dem langfristigen Erhalt und der Nutzung der
natürlichen Ressourcen zusammenhängen, in einem interdisziplinären Ansatz in ausgewählten Regionen Afrikas bearbeitet. Der Norden des westafrikanischen Landes
Elfenbeinküste liegt in einer Übergangszone zwischen einer feuchten (GuineaSavanne) und einer trockenen (Sudan-Savanne). Die Vegetation dieser Region besteht aus einem Mosaik aus verschiedenen Wald- und Savannentypen, die dem Einfluss jährlich wiederkehrender, anthropogen bedingter Feuer unterliegen. Seit fast vier
Jahrzehnten nehmen die jährlichen Niederschläge in dieser Region, wie auch in anderen Teilen Westafrikas signifikant ab (PAETH & HENSE 2004). Ein Teilaspekt der eigenen Arbeiten befasste sich mit der Dynamik des in der Region vorliegenden WaldSavanne-Mosaiks unter dem Einfluss des Klima- und Landnutzungswandels. Hierbei
zeigte sich deutlich, dass das in Teilen unter Schutz stehende Wald-Savanne-Mosaik
(z.B. im Comoé Nationalpark im Nordosten der Elfenbeinküste) sensibel auf anthropogene Störungen reagiert. Unter Verwendung von Fernerkundungsdaten (Luft- und
Satellitenbilder) konnte gezeigt werden, dass das Wald-Savanne-Mosaik in seiner
räumlichen Struktur in vor starken menschlichen Einflüssen geschützten Bereichen
trotz einer signifikanten Abnahme der Niederschläge über einen Zeitraum von ca. 40
Jahren nahezu unverändert blieb. Im Gegensatz dazu traten in nicht geschützten Regionen stärkere Veränderungen des Landschaftsbildes auf, die in erster Linie die
Waldbereiche betrafen (GOETZE ET AL. 2006). Neben der Zunahme der Bevölkerung in
den nicht geschützten Bereichen des betrachteten Untersuchungsgebiets kommt dem
verstärkten Anbau von „cash crops“ (in diesem Fall Cashew Anacardium occidentale)
eine große Bedeutung für die Veränderung der Landnutzungspraxis zu.
Die im Wald-Savanne-Mosaik liegenden Wälder sind an ihrer Peripherie durch
einen Gürtel aus in der Trockenzeit laubwerfenden Baumarten (vor allem Anogeissus
leiocarpus, Combretaceae) gekennzeichnet. Detaillierte ökologische Studien (vgl. u.a.
HENNENBERG ET AL. 2006) haben sich in dieser Region mit dem Übergangsbereich zwischen Wald und Savanne und den hier auftretenden strukturierenden Faktoren (u.a.
Mikroklima, Feuer) beschäftigt. Mit Hilfe verschiedener vegetationsökologischer
Methoden konnte gezeigt werden, dass Wald und Savanne in einem komplexen Beziehungsgefüge stehen, bei dem einzelnen Baumarten eine wichtige Rolle hinsichtlich
des dynamischen Antagonismus zwischen beiden Vegetationstypen zukommt. Mit
steigender Bevölkerungszahl ist es in weiten Teilen Westafrikas zu einer Ausweitung
der landwirtschaftlichen Nutzflächen gekommen, wodurch sich das Verhältnis zwischen Wald und Savanne zugunsten letzterer verschiebt. Die damit einhergehende
Veränderung in der Vegetationsbedeckung verläuft parallel mit der während der letzten Jahrzehnte zu beobachtenden Abnahme der Niederschläge in Westafrika. Inwieweit hierbei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem anthropogen bedingten
38
Landschaftswandel (vor allem Verlust an Waldfläche) und dem Rückgang der jährlichen Niederschlagsmenge besteht wird aktuell intensiv diskutiert.
Das oben für die Elfenbeinküste beschriebene Wald-Savanne-Mosaik war bis
vor relativ kurzer Zeit in weiten Teilen der Guinea- und Sudan-Savanne Westafrikas
noch relativ intakt ausgebildet. Innerhalb der letzten Jahrzehnte ist es verstärkt zu
Migrationsbewegungen verschiedener ethnischer Gruppen, insbesondere aus der
nördlich gelegenen Sahelzone gekommen, die zu einer Übernutzung der natürlichen
Ressourcen geführt haben. Eigene Studien im Rahmen des IMPETUS-Projektes (Integratives Management-Projekt für einen Effizienten und Tragfähigen Umgang mit
Süßwasser in Westafrika, gefördert durch das BMBF) beschäftigten sich mit den Auswirkungen ausgewählter menschlicher Eingriffe (u.a. Feuer, Beweidung, Holzentnahme) auf die Vegetation eines Wald-Savanne-Mosaiks in Benin. Von großer praktischer
Relevanz sind dabei die erhobenen Daten zur Abundanz wichtiger Nutzholz liefernder
Baumarten (z. B. Khaya senegalensis, Meliaceae). Hierbei zeigten demographische
Erhebungen, dass von den meisten Nutzholzarten nur noch wenige reproduktionsfähige Individuen vorhanden waren und somit ein lokales Verschwinden dieser Arten zu
befürchten ist, wenn die bisherige Nutzungsintensität nicht eingeschränkt wird. Um die
Zuwachsleistung der in Frage kommenden Baumarten zu quantifizieren, um daraus
nachhaltige Formen der forstlichen Nutzung abzuleiten, wurde der jährliche Zuwachs
anhand von Jahresringen bestimmt. Die somit gewonnenen Erkenntnisse wurden in
Wachstumsmodelle umgesetzt, die den Entscheidungsträgern vor Ort zur Verfügung
gestellt werden. Das Vorkommen von Jahresringen bei den untersuchten Baumarten
konnte auch für weitergehende dendrochronologische Analysen genutzt werden. Beispielsweise war es möglich eine Korrelation zwischen der Breite der Jahresringe und
klimatischen Daten (Niederschlagmenge) herzustellen. Die hier gefundenen
dendrochronologischen Daten erlauben Rückschlüsse auf die Niederschlagshöhe in
Teilen Westafrikas über einen Zeitraum von mehr als 200 Jahren (Schöngart et al.
2006). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Flächenanteile der verschiedenen Vegetationstypen offenbar trotz klimatischer Veränderungen relativ konstant blieben und sich erst unter dem verstärkten Einfluss des Menschen signifikante Veränderungen ergeben haben.
Im feuchteren Zentrum der Elfenbeinküste grenzt die Guinea-Savanne direkt an
die Zone der geschlossenen halb- und immergrünen Wälder. Hier durchgeführte Studien zum Einfluss des Anbaus ausgewählter „cash crops“ (z. B. Kakao) zeigen die
Differenzen zwischen verschiedenen Intensitätsstufen der agrarischen Nutzung im
Hinblick auf das Regenerationspotential charakteristischer Waldbäume deutlich auf. In
extensiv genutzten Plantagen ist das Regenerationspotential von Waldbäumen relativ
hoch, während es unter zunehmend intensiver betriebener Landnutzung deutlich zurückgeht (KOULIBALY ET AL. in press). Die hier ermittelten Ergebnisse dürften auf ähnliche Regionen weitgehend übertragbar sein. Als Konsequenz aus der sicher auch in
Zukunft zunehmend intensiveren Form der Landnutzung ergibt sich als Zukunftsperspektive eine dramatische Abnahme des Regenerationspotentials der natürlichen Ve39
getationseinheiten. Damit einhergehend ist zu erwarten, dass die Biodiversität in den
betroffenen Regionen stark abnehmen wird, was erhebliche Auswirkungen auf die
sozioökonomischen Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung haben wird, die hinsichtlich
verschiedener Aspekte (u.a. Medizinalpflanzen) auf die natürlichen Ressourcen angewiesen ist.
4. Mögliche Auswirkungen auf Mitteleuropa
Die Biosphäre bildet ein komplexes, vernetztes System, in dem zahlreiche Komponenten über Rückkoppelungsprozesse miteinander verbunden sind. Zwar sind wir noch
weit davon entfernt die Interaktionen zwischen einzelnen Steuergrößen zu verstehen,
jedoch besteht an der Abhängigkeit bestimmter Prozessgrößen (z. B. Pflanzenwachstum) von diversen Steuerfaktoren (u.a Niederschlagsmenge, Temperatur) kein Zweifel.
So kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass anthropogen bedingte Veränderungen der Landnutzung in den Tropen auch in den gemäßigten Breiten ihren Widerhall
finden werden. Großflächige, anthropogen bedingte Landnutzungsänderungen in den
Tropen wirken sich u.a. auf klimatische Prozesse aus, die auch das Klima in den gemäßigten Breiten beeinflussen dürften.
Die Folgen der Übernutzung und Zerstörung natürlicher Lebensräume in den
Tropen und der damit verbundene Rückgang der Biodiversität sind im Hinblick auf
zukünftige Folgen nur schwer prognostizierbar. Es kann jedoch davon ausgegangen
werden, der insbesondere der Verlust der tropischen Biodiversität neben ökologischen
auch schwerwiegende ökonomische (z. B. Verlust potentieller Nutzpflanzen) und soziokulturelle Folgen haben wird.
5. Danksagung
Mein Dank gilt dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das meine
Forschungsaktivitäten in Westafrika im Rahmen von BIOTA und IMPETUS unterstützt.
Darüber hinaus danke ich zahlreichen Mitarbeitern (vor allem Dethardt Goetze, Bettina Orthmann, Klaus Josef Hennenberg) und Kollegen für anregende Diskussionen
zum Thema Landschaftsdynamik.
40
6. Literatur
BARTHLOTT, W., MUTKE, J., RAFIQPOOR, M. D. & KREFT, H. (2005): Global centres of vascular
plant diversity. Nova Acta Leopoldina 92: 61-83.
GOETZE, D., HÖRSCH, B. & POREMBSKI, S. (2006): Dynamics of forest-savanna mosaics in
north-eastern Ivory Coast from 1954 to 2002. J. Biogeogr. 33: 653-664.
HENNENBERG, K. J., FISCHER, F., KOUADIO, K., GOETZE, D., ORTHMANN, B., LINSENMAIR, K. E.,
JELTSCH, F. & POREMBSKI, S. (2006): Phytomass and fire occurrence along forest-savanna
transects in the Comoé National Park, Ivory Coast. J. Trop. Ecol. 22: 303-311.
KOULIBALY, A., GOETZE, D., TRAORÉ, D. & POREMBSKI, S. (in press): Protected versus utilized
savanna: characteristics of Sudanian vegetation in Ivory Coast. Candollea.
PAETH, H. & HENSE, A. (2004): SST vs. climate change signals in West African rainfall: 20thcentury variations and future projections. Climate Change 69: 179-208.
SCHÖNGART, J., ORTHMANN, B., HENNENBERG, K. J., POREMBSKI, S. & W ORBES, M. (2006): Climate-growth relationsships of tropical tree species in West Africa and their potential for climate reconstruction. Global Change Biology 12: 1139-1150.
41
Klimafolgen in der Tierwelt
Prof. Dr. Ragnar K. Kinzelbach (em.)
c/o Allgemeine und Spezielle Zoologie
Institut für Biowissenschaften
Universität Rostock
1 Allgemeines und Wirksamkeit von „Klima“
1.1 Thesen
•
Das Ökosystem ist kein Zustand, sondern ein Vorgang.
•
Veränderungen in der Tierwelt sind selbstverständlich und finden anhaltend
statt.
•
Der Wunsch nach Stabilität des Ökosystems entspringt nur der Lebensangst.
•
Das Tier reagiert und agiert in Bezug auf klimatische Veränderungen.
•
Tierwelt ist heterogen. Hohe Artenzahl: 6.000 um Rostock, 60.000 in
Deutschland, zwei Millionen bisher beschrieben, 20 Millionen seriöse Maximalschätzung. Hohe ökologische Diversität und hohe biologische Komplexität
erschweren allgemeine Prognosen.
•
Tier & Klima: Geringer Forschungsstand, Datenmangel, besonders für die
Vergangenheit
1.2 Klima und Folgenkaskade
Klima ist die Gesamtheit der meteorologischen Erscheinungen, die den mittleren Zustand der Atmosphäre an irgendeiner Stelle der Erdoberfläche kennzeichnen. Differenzierung:
•
Wetter: Momentaner Zustand der Atmosphäre (Stunde, Tag).
•
Witterung: Charakter des Wetters über einige Tage oder eine Jahreszeit.
•
Klima: Mittlerer Zustand der Atmosphäre über ca. 30-40 Jahre.
•
Unterschiedlich sind Groß- bzw. Makroklima, Lokal- bzw. Mesoklima, Mikroklima.
Klima ist primär durch absolute und relative Temperaturen bestimmt. Hier bestehen
einfache physikalische und physiologische Beziehungen zum Tier.
Klima wird komplex durch die Folgenkaskade der Temperaturverteilung in Form
einzelner Klimakomponenten: Wind, Wasserströmung, Bedeckungsgrad, Verteilung,
Menge, Typ und Verteilung von Niederschlägen. Kombinationen gegen unendlich,
Ablauf chaotisch.
42
Klimaschwankungen haben natürliche Ursachen, z. B. Intensität, Richtung und
Rhythmus der Globalstrahlung; Unregelmäßigkeiten der Planetenbahn; Vulkanismus;
Meteoritenschlag; Aktivität lebender Systeme, z. B. Reflektion, Absorption, Speicherung, Aerosole, Stäube, Gase in biogeochemischen Zyklen.
Klimaschwankungen können anthropogen verursacht sein, anteilig seit der neolithischen Revolution (z. B. Brandrodungen, Trockenlegung von Mooren), Erwärmung
seit 1790 (Ende der Kleinen Eiszeit), erst lokal, dann global, deutlich seit 1980/85.
Verursachung durch Treibhausgase wird diskutiert.
1.3 Wirkung von Klima auf Organismen
Temperatur ist einer der ökologischen Grundfaktoren. Die ReaktionsgeschwindigkeitTemperatur-Regel (RGT) nach J. H. van t’Hoff besagt, dass ein Temperaturanstieg
um 10°C zu 2-3facher Reaktionsgeschwindigkeit bei P oikilo- (Ekto-)thermen führt; dagegen wird bei Homoio- (Endo-)thermen die Körpertemperatur stabil gehalten.
Grundfaktoren:
Licht, elektromagnetische Strahlung
Temperatur
Sauerstoff, Kohlendioxid
Nahrung (Chemo-/Photo-Autotrophie, Heterotrophie)
Dimensionen:
Raum (→ Zoogeographie)
Zeit (→ Biorhythmik)
Substrat, Milieu:
Wasser
Boden
Luft
+ alle Grenzschichten zwischen diesen
Spezielle Faktoren:
Schall, Ionen, Gifte, suspendierte Partikel im Milieu, Gerüche, elektrische und
magnetische Felder, Radioaktivität, Rauigkeit des Milieus usw.
Tab. 1: Ökologische Faktoren (SCHWERDTFEGER 1963)
Wirksame Formen von Temperatur sind Jahres-, Monats- Tagesdurchschnitt, TagNacht-Differenz, limitierende Extreme, Verschiebung der Jahreszeiten, Temperatursummen per Monat oder Jahreszeit. - Modifizierende Faktoren sind Wind, Luftfeuchte;
Niederschlag usw. Hinzu kommen die übrigen Komponenten von Klima.
Tiere zeigen hinsichtlich der Umgebungstemperatur eine erhöhte Vitalität im
sog. Präferenzbereich, diese nimmt ab bei steigenden oder verringerten Temperaturen bis zum Hitze- bzw. Kältetod.
43
Abb. 1: Honigbienen in der Temperaturorgel (verändert nach BRAUN 1959)
Das Präferendum („Ökologisches Optimum“) zeigt einen Vorzugsbereich für
Temperatur an, der durch Einwirken oder Veränderung weiterer, gleichzeitig wirksamer Faktoren (z. B. Luftfeuchtigkeit) verschoben werden kann.
1.4 Wirkung von Organismen auf Klima
•
Makroskalig (Biogeochemische Abläufe): Bildung der Sauerstoff-Atmosphäre,
Methan aus Fäulnis und Darmgasen, Freisetzung von CO2 aus Stoffwechsel.
•
Mesoskalig: Pufferung von Temperatur, Stabilisierung von Luftfeuchte in der
Vegetation, Veränderung der Albedo, Organogene Böden: Wärmeproduktion,
Wasserhaushalt.
•
Mikroskalig (Stoffwechsel, Physiologie): Wärmeabgabe aus Stoffwechsel (dazu Schlaf-, Stockgemeinschaften), Polyphyletische Entwicklung von Homoio(Endo-)thermie mit der Folge von Entwicklung von Strategien zur Bildung eines Eigenklimas, seiner Kontrolle (Emanzipation I) sowie von hochempfindlichen Thermosensoren.
Der Mensch geht darüber hinaus. Er nimmt Einfluss über Formen der Landnutzung,
die Freisetzung von fossilem C als CO2, die Freisetzung von Methan, durch hohe
Wärmeproduktion seiner und von ihm gezogener lebender Biomasse: Aufheizung in
Ställen, Kläranlagen, Stadtklima usw. Er ist in der Lage, Regulierung vorzunehmen
über Heizung und Kleidung. Er bildet und stabilisiert ein Eigenklima, das er potenziell
bis zum Mond exportieren kann (Emanzipation II).
44
2 Historische Klimaentwicklung und Tierwelt
2.1 Langfristige Entwicklung
Durchgehend bestimmend für alle Tiere Mitteleuropa ist die postglaziale (holozäne)
Wieder-Erwärmung. In ihrem Verlauf erfolgte eine Akkumulation der Aren bis zum
heutigen Zustand der Tierwelt. Von ihr hängen direkt oder indirekt ab:
•
Die Remigration bzw. Immigration von Flora und Fauna aus den mittelmeerischen Refugialgebieten.
•
Die agrarische Landnutzung seit dem Neolithicum mit erheblichen episodischen Veränderungen.
•
Das Bevölkerungswachstum.
Atlantikum I,
II
Abb. 2: Klima-Entwicklung im Holozän. Abweichungen von 15°C Mitteltemperatur.
2.2 Kurzfristige Klimaveränderungen und Folgen
Klimawandel kann kurzfristig erfolgen. Für zwei Dekaden deutlicher Veränderung seit
1980/85, sind wir Zeitzeugen. Die Tier-Arten und ihre Zustände sind Indikatoren für
den Klimawandel.
Für historische Zeit deutet z. B. Lauterborns Theorie Arealschwankungen von
Wärme liebenden Vogelarten als Folge der Kleinen Eiszeit (KINZELBACH 1995, KINZELBACH & HÖLZINGER 2000).
Ein Beispiel für sensibles Reagieren auf Sommerwärme ist der Girlitz (Serinus
serinus), der spät nach Mitteleuropa eingewandert ist (MAYR 1926, 1926a). Bei seiner
postglazialen Immigration stand er am Ende des mittelalterlichen Klimaoptimums in
Südfrankreich und Norditalien, hatte die Alpen im Westen über das Rhônetal bis zum
Schweizer Jura umgangen, im Osten gab es Vorkommen in Kärnten und im Wiener
Becken. Alle anderen Nennungen aus dem zentralen Frankreich oder aus dem Süden
und Westen Deutschlands im 15. und 16. Jahrhundert beziehen sich auf Käfigvögel,
45
die Objekte des Fernhandels waren. Erst um 1790, genau zum Ende der Kleinen Eiszeit, kam der Girlitz wieder in Bewegung und besiedelte innerhalb von 150 Jahren
ganz Mittel- und das südliche Nordeuropa (KINZELBACH 2004). Diesen „Kölner-DomEffekt“ (Baubeginn im Mittelalter, Unterbrechung, Wiederaufnahme im 19. Jahrhundert) gibt es auch bei anderen Arten (KINZELBACH 2007).
Bei Vögeln wird seit Mitte des 20. Jahrhunderts eine unidirektionale Verschiebung der Arealgrenze nach Norden beobachtet in Mitteleuropa (Tab. 2) Finnland, Karelien und Sibirien; für Insekten (z. B. Heuschrecken, Zikaden) in SW-Deutschland.
Ein extremer Wärmefolger ist z. B. die Feuerlibelle (Crocothemis erythraea), eine Wanderlibelle aus Nordafrika mit fluktuierendem Vorkommen im Mittelmeergebiet,
früher nur Vermehrungsgast in Mitteleuropa, jetzt etabliert in Süddeutschland.
Purpurreiher – Ardea purpurea Nordgrenze, Bestand und Grenze fluktuierend.
Nachtreiher – Nycticorax nycticorax Nordgrenze, fluktuierend.
Kolbenente – Netta rufina Nordgrenze, unregelmäßig, z. T. Parkflüchtling.
Schlangenadler – Circaetus gallicus Nordgrenze, Brut bis Anfang 20. Jh., Gast.
Rothuhn – Alectoris rufa Nordgrenze, in Mitteleuropa erloschen, auch Wiederbesatz ohne Erfolg.
Mittelmeersilbermöwe – Larus michahellis Nordgrenze.
Steinrötel – Monticola solitarius im 19. Jh. Wieder-Ausbreitung ins Rheinland, erloschen.
Schwarzstirnwürger – Lanius minor Nordgrenze fluktuierend, derzeit erloschen.
Rotkopfwürger – Lanius senator Nordgrenze, schwankend.
Orpheusspötter – Hippolais polyglotta von SW, seit 1986 Bruten in Mitteleuropa.
Seidensänger – Cettia cetti von SW, Gast.
Cistensänger – Cisticola juncidis von SW, Gast.
Bienenfresser – Merops apiaster von S, oszillierende Brutvorkommen.
Steinsperling – Petronia petronia von SW, wieder verschwunden.
Zaunammer – Emberiza cirlus Anfang bis Mitte 20. Jh. nach N bis Bonn, jetzt nur Pfalz.
Zippammer – Emberiza cia Nordgrenze, fast erloschen.
Ortolan – Emberiza hortulana stark rückläufig nach S.
Alpenbirkenzeisig – Carduelis flammea cabaret von W, Bruten, z. B. Westerwald.
Girlitz – Serinus serinus (A) seit 1790 von Südwest.
Tab. 2: Wärmefolger: Erst- oder Wiederausbreitung in Deutschland, z. B. Vögel von Süden nach
Norden (Auswahl).
Auch Arten der borealen Waldzone folgen der Westverschiebung des kontinentalen
Klimatyps mit heißen Sommern mit hohen Wärmesummen (Tab. 3).
46
Silberreiher – Casmerodius albus (O) Westgrenze, Gast.
Schwarzstorch – Ciconia nigra (O) Westgrenze, Wieder-Einwanderung seit 1986.
Reiherente – Aythya fuligula (A) Westgrenze.
Tafelente – Aythya ferina (A) Westgrenze, derzeit stagnierend.
Sturmmöwe – Larus canus (O) unregelmäßig Brut im Binnenland, an der Küste rückläufig.
Lachmöwe – Larus ridibundus (O) kurzfristig Ausbreitung, inzwischen Rückgang.
Steppenmöwe – Larus cachinnans (A) Westgrenze verschiebt sich.
Türkentaube – Streptopelia decaocto (A) seit Mitte 20. Jh. von Südosten, Massenvermehrung.
Zitronenstelze – Motacilla citreola (A) von Osten, einzelne Bruten.
Sperbergrasmücke – Sylvia nisoria (O) Westgrenze.
Grüner Laubsänger – Phylloscopus viridis (A) Westgrenze.
Beutelmeise – Remiz pendulinus (O) von E, Ausbreitung Bruten nach Westen.
Wacholderdrossel – Turdus pilaris (A) von E. inzwischen Grenze weit im W.
Karmingimpel – Carpodacus erythrinus (O) Westgrenze.
Weidenammer – Emberiza aureola (A) von E, vor der Tür.
Tab. 3: Wärmefolger: Erst- oder Wiederausbreitung in Deutschland, z.B. Vögel von Ost nach West.
Die Veränderungen am Arealrand folgen vielfach Oszillationen des Klimas, wie sie u.
a. für Bienenfresser, Beutelmeise, Karmingimpel, Sperbergrasmücke nachgewiesen
sind (KINZELBACH 1998, 1999, 2002). Weitere Darstellungen z. B. bei KALELA 1950,
NIETHAMMER 1951, BLONDEL (1991), BURTON (1995).
Oszillationen im 11-Jahres-Zyklus sind auch im früheren Auftreten der Pest
nachzuweisen, einem klimakorrelierten Biosystem aus dem Bakterium Yersinia pestis,
dem Floh Xenopsylla cheopis, der Hausratte Rattus rattus und dem Menschen (Homo
sapiens). Das gleiche, möglicherweise vom Rhythmus der Sonnenflecken beeinflusste
11-Jahres-Muster zeigen Störe am Rhein und am Kaspischen Meer (KINZELBACH
1987).
Noch aus den postglazialen Warmzeiten (Atlantikum I, II, Abb. 2) stammen
Reliktstandorte xerothermophiler Arten. Von ihnen breiten sich die jeweils
begünstigten Arten aus, ihre Areale können allerdings auch wieder schrumpfen. Dazu
zählen z. B. Spinnenassel, Wespenspinne, Dornfinger, Ameisenfischchen, KammFischchen, Gottesanbeterin, Fanghaft, Streifenwanze, Holzbiene, Oleanderschwärmer,
Wiener Nachtpfauenauge, Äskulapnatter, Würfelnatter, Aspisviper, die beiden
Smaragdeidechsen, Mauereidechse, Sumpfschildkröte. Im südwestlich angrenzenden
Bereich Zornnatter und Ginsterkatze.
Es gibt eine Diskussion um die Einwanderung „thermophiler“ Fische und
anderer Wassertiere in Nord- und Ostsee, z. B. Meeräsche, Mondfisch, Schwertfisch
(OLENIN & LEPPÄKOSKI 1999, REISE 1999). Vereinzelters Vorkommen dieser Arten ist
allerdings schon seit über 100 Jahren belegt. Neues Auftreten von Arten (Kalmar,
Schwarzmundgrundel, Mittelmeergarnele) ist durch Verschleppung oder durch Salz-
47
wasser-Einbrüche in die Ostsee zu erklären. Hier ist jeweils eine Einzelfallprüfung erforderlich, die meist zugunsten vorschneller Aussagen unterbleibt.
Vom Klima beeinflusst sind Veränderungen in der Phänologie. Bei Zugvögeln
kommt es zu früherer Rückkehr aus dem Winterquartier oder zu späterem Abzug. bzw.
Überwinterungsversuchen, z. B. Mönchsgrasmücke, Zilpzalp, Hausrotschwanz,
Braunelle, Mauersegler, Kranich, Rotmilan, Fischadler. Verlagerung von Winterquartieren und verlängerte Zugstecken über die sich ausdehnende Sahara wurden beobachtet. Es kommt zum Verlust von Rastplätzen und Winterhabitaten, dies allerdings
meist unter Einfluss des Menschen. Früheres, vermehrtes und weiteres Wandern von
Wanderfaltern wird erwartet, doch hat sich nicht einmal beim Taubenschwänzchen
(Macroglossum stellatarum) eine eindeutige Korrelation mit Klimadaten ergeben.
In der Reproduktionsbiologie wird früherer Beginn der Fortpflanzung beobachtet, was bei Vögeln und Amphibien zu ungünstige Verschiebung der Zeitfenster hinsichtlich des Nahrungsangebots führen kann.
Neozoen sind, entgegen weit verbreiteter Meinung, überwiegend keine Wärmefolger (KINZELBACH 2001). Auch die „exotischen“ Papageien, Flamingos, Kängurus
usw. sind in ihren Herkunftsgebieten an kalte Winter angepasst. Es gibt jedoch Ausnahmen, z. B. die Malaiische Turmschnecke (Melanoides tuberculata), die im Warmwasser der Erft und in verschiedenen Stadtparks zu finden ist. Sie wird sich in den
nächsten Jahren wahrscheinlich, wie schon im südlichen Nordamerika, stark ausbreiten, begünstigt durch ihre parthenogenetische Vermehrung. Wärmefolger sind wohl
auch Bienenmilbe (Varroa destructor) und Kleiner Beutenkäfer (Aethina tumida), gefürchtete Feinde des Imkers.
3 Nicht-klimatische Einwirkungen
Es gibt entsprechend der vorstehend ausgeführten Bedeutung der Temperatur als
ökologischer Grundfaktor ein wetter-, witterungs- und klimaabhängiges Grundrauschen, aus dem einzelne Tier-Klima-Abhängigkeiten herausragen.
Bei sehr vielen eigentlich Wärme liebenden Arten ist keine Bestandsvermehrung oder Ausbreitung erfolgt. Störende andere Umweltfaktoren oder zu rascher
Wechsel der Selektionsrichtung behindern die Wahrnehmung der neuen Begünstigung, auffallend bei Smaragd- und Zauneidechse sowie den zugehörigen Prädatoren
Glattnatter oder Schlangenadler. Keine Wieder-Zunahme von Rotkopfwürger,
Schwarzstirnwürger, Ortolan, Zaunammer.
Auch die Abnahme z. B. der Tagschmetterlinge, der Hasen und Rebhühner hält
an durch Defizite bei den Futterpflanzen (Eutrophierung, Monokulturen), Pestizide,
Landschafts-Zerschneidung usw.). Die Habitatschäden überlagern die Klimakomponente.
48
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Verwilderte Haustiere: Karpfen, Stadttaube, Dingo, Pariahunde
In „Halb“-Domestikation entstandene Taxa: Parkschwan („immutabilis“), Damhirsch, Mufflon,
Hausmaus
Mit Haustieren vermischte Auswilderungen: Graugans, Stockente, Forelle
Künstliche Subspecies-Mischungen: Forelle, Jagdfasan, Kanadagans
Genetische Kanalisierung unter Extrembedingungen: Unio crassus, Ancylus fluviatilis im Rhein
unterscheiden sich von subfossilen und von solchen in Zuflüssen
Resistenzzucht: Stubenfliege, Blattläuse, Kaninchen
Akkulturation, Verstädterung: Fuchs, Wildschwein, Stockente, Haubentaucher, Teichhuhn, Blässhuhn, Amsel, Singdrossel, Kohlmeise, Storch > genetische und tradierte Anpassungen machen sie
im städtischen Milieu erfolgreich
Zuchtwahl durch „Trophäen“-Bewertung: Rothirsch, Damhirsch, Reh
Ausbringung genetisch „wertvoller“ Zuchttiere: Reh, Rothirsch
Unbewusste Zuchtwahl durch Landschafts- (Habitat-)veränderungen: Fast alle Arten > CoEvolution
Tab. 4: Gendrift unter dem Einfluss des Menschen
Zweifellos sind die Kern-Aussagen zur Klimaerwärmung und ihren Folgen richtig. In Teilen handelt es sich jedoch um ein als politisch korrekt erklärtes Medienprodukt. Jede positive oder negative Veränderung, nicht nur der Fauna wird unbedenklich
dem Klima zugeschrieben. Dies verstellt den Blick auf andere dringende Probleme
des Managements unseres Naturhaushalts. Die meisten der in Medien und Wissenschaft genannten Veränderungen in Fauna, Flora, Habitaten werden in Deutschland
derzeit durch andere, anthropogene Faktoren verursacht oder sind der Unkenntnis der
Fauna bzw. der Literatur zuzuschreiben.
Zur Erklärung der dramatischen Veränderungen in der Tierwelt in Deutschland
innerhalb der letzten 50 Jahre bedarf es keines Klimawandels in Anbetracht der Flächennutzung:
•
Siedlungs- und Verkehrsflächen 12%
•
Land- und Forstwirtschaft
•
Naturschutz (Ziel)
85%
3%
Das größte Problem nach dem allgemeinen Flächenverbrauch ist, dass auf 85% der
Fläche rücksichtslos gewirtschaftet wird, auch unter dem hoch subventionierten
Vorwand einer Verringerung der Klimaerwärmung, wobei neben Pestiziden vor allem
die Eutrophierung von Wasser, Boden und Luft das Ende vieler Pflanzen- und
Tierarten bedeutet. Mit der Vernichtung von Biodiversität schaden wir uns selbst und
vernichten eine Ressource, die gerade bei Veränderung der großklimatischen
Situation das Reservoir ist für Arten, die den neuen Bedingungen gewachsen sind und
helfen, Probleme zu lösen (TÜRKAY, BACHMANN, KINZELBACH, STACKEBRANDT 2001)
49
Literatur
BLONDEL, J. (1991): Invasions and range modifications of birds in the Mediterranean Basin. p.
311-326. In: Groves & Di Castri, 485 p., Pasris.
BRAUN, R. (1959): Tierbiologisches Experimentierbuch. Stuttgart.
BURTON, J. F. (1995): Birds and climate change. – 376 pp., London (A & C Black).
KALELA, O. (1950): Zur säkularen Rhythmik der Arealveränderungen europäischer Vögel und
Säugetiere, mit besonderer Berücksichtigung der Überwinterungsverhältnisse als Kausalfaktor.
- Orn. Fenn. 27: 1-30, Helsinki.
KINZELBACH, R. (1987): Das ehemalige Vorkommen des Störs, Acipenser sturio (Linnaeus,
1758), im Einzugsgebiet des Rheins (Chondrostei: Acipenseridae). - Z. Angew. Zool. 74 (2):
167-200, Berlin.
KINZELBACH, R. (1995): Vogelwelt und Klimaveränderung im 16. Jahrhundert. Neue Quellen
und Ergebnisse der Historischen Ornithologie. - Die Naturwissenschaften 82: 499-508, Heidelberg.
KINZELBACH, R. (1998): Biodiversität und Klima. - S. 298-302. - In: LOZÁN, J. L., H. GRAßL, P.
HUPFER (Hg.), Warnsignal Klima. Wissenschaftliche Fakten. 463 S., Hamburg (Wissenschaftliche Auswertungen). - - (2001): Interaction of Climate and Biodiversity. - p. 296-300. - In:
LOZÁN, J. L., H. GRAßL, P. HUPFER (Eds), Climate of the 21st Century: Changes and Risks. 448
p., Hamburg.
KINZELBACH, R. (1999): Historische Ornithologie – eine keineswegs verstaubte Wissenschaft:
Vogelwelt und Klima im 16. und 17. Jahrhundert. – Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin N.F. 38: 37-54, Berlin.
KINZELBACH, R. (2001): Das Jahr 1492: Zeitenwende für Flora und Fauna? - Rundgespräche
der Kommission für Ökologie, 22: 15-12, Gebietsfremde Arten, die Ökologie und der Naturschutz, München (Bayerische Akademie der Wissenschaften).
KINZELBACH, R. (2002): Areal und Ausbreitung der Beutelmeise Remiz pendulinus (L., 1758)
vor dem 19. Jahrhundert. - Ökol. Vögel (Ecol. Birds) 24: 65-95.
KINZELBACH, R. (2004): The distribution of the Serin Serinus serinus (L., 1766) in the 16th century. J. Orn. 145: 177-187.
KINZELBACH, R. (2007): Veränderungen der Tierwelt Mitteleuropas im letzten Jahrtausend. Rundgespräche der Kommission für Ökologie (in Druck) (Bayerische Akademie der Wissenschaften).
NIETHAMMER, G. (1951): Arealveränderungen und Bestandsschwankungen mitteleuropäischer
Vögel. – Bonner Zool. Beitr. 2: 17-54.
MAYR, E. (1926): Die Ausbreitung des Girlitz (Serinus canaria serinus L.). - J. Orn. 74: 571671, Berlin.
OLENIN, S. & E. LEPPÄKOSKI (1999). Non-native animals in the Baltic Sea: alteration of benthic
habitats in coastal inlets and lagoons. - Hydrobiologia 393: 233-243.
REISE, K. (1999): Exoten in der Nordsee. – Biologie in unserer Zeit 29: 286-290.
TÜRKAY, M., K. BACHMANN, R. KINZELBACH, E. STACKEBRANDT (2001): Erforschen, nutzen,
schützen: Biodiversität – die Vielfalt, in der wir leben. - S. 72-83, Buch zum Jahr der Lebenswissenschaften.
50
Globale Erwärmung: Wegbereiter für tropische Infektionskrankheiten
auch in Deutschland?
Prof. Dr. Emil C. Reisinger, Dr. med. Christoph J. Hemmer
Abteilung für Tropenmedizin und Infektionskrankheiten
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin
Universität Rostock
Seit etwa 200 bis 300 Jahren wird eine langsame Erwärmung auf der Erde beobachtet [1]. Während der letzten 100 Jahre betrug sie in Afrika etwa 0,39°C, und in Europa,
wo sie bisher überwiegend die Wintermonate betrifft, etwa 0,8°C. Sie wird auf den
Konzentrationsanstieg von Kohlendioxid und anderer Treibhausgase in der Atmosphäre aber auch auf menschenunabhängige klimatische Veränderungen zurückgeführt.
Da viele Infektionskrankheiten durch Insekten oder Zecken übertragen werden, deren
Entwicklung von der Außentemperatur abhängt, wirken sich Temperaturschwankungen auf die Übertragung dieser Infektionskrankheiten aus. Das gilt besonders für tropische Infektionskrankheiten, deren Überträger (Vektoren) eine bestimmte Mindesttemperatur für ihre Entwicklung benötigen.
Anhand von vier Beispielen wird erläutert, wie die globale Erderwärmung zur
Ausbreitungen von Krankheiten führen kann.
1. Malaria:
Die Malaria ist die wichtigste parasitäre Tropenerkrankung. Jährlich gibt es weltweit
zwischen 200 und 500 Millionen Neuerkrankungen und – vor allem in Afrika – mehrere
Millionen Todesfälle, meist Kinder unter fünf Jahren. In Deutschland erkranken jährlich
etwa 1000 Tropenrückkehrer an Malaria, zwischen 10 und 20 versterben an der Erkrankung.
Abb. 1: Plasmodium falciparum, Erreger der Malaria
tropica, in roten Blutköperchen
Die Malaria wird durch Anopheles-Mücken übertragen [2]. Diese entwickeln sich bei Temperaturen zwischen 16 und 33 °C und benötigen Brutstätten in stehenden oder langsam
fließenden Gewässern. Anopheles-Mücken
nehmen Malariaparasiten beim Stechen mit
einer Blutmahlzeit auf. Diese Parasiten müssen in der Mücke einen Vermehrungszyklus
durchlaufen, bevor sie bei der nächsten Blut51
mahlzeit auf das nächste Stichopfer übertragen werden können. Das Parasitenwachstum in der Mücke hängt davon ab, dass die o.g. Mindesttemperatur wenigstens zwei
bis drei Wochen lang eingehalten wird. Selbst eine geringe Temperaturerhöhung kann
das Parasitenwachstum in der Mücke deutlich begünstigen. Daher wirken sich Temperaturschwankungen besonders in Gegenden aus, wo Malaria bisher nur unregelmäßig oder selten übertragen wird.
Abb. 2: Anopheles-Mücke, Überträger
der Malaria
Wahrscheinlich steht der Anstieg
der Malaria-Fallzahlen in NordPakistan während der 80‘er Jahre
und im Hochland von Uganda Ende
der 90‘er Jahre des 20. Jahrhunderts mit Temperaturerhöhungen
der El-Niño-Klimaschwankung im
Zusammenhang [3]. Ein Faktor, der in den Tropen einen stärkeren Einfluss auf die
Malariaübertragung als die Temperatur ausübt, ist die sozioökonomische Entwicklung.
In Singapur beispielsweise, einem verhältnismäßig reichen Stadtstaat, wo klimatisierte
Räume vor Mückenstichen Schutz bieten und Mückeneradikationsprogramme finanziert werden können, wird die Malaria trotz der geographischen Lage in den Tropen
relativ selten übertragen.
Trotzdem hat es in den letzten Jahren in mehreren europäischen Ländern, darunter auch in Deutschland, vereinzelte Fälle von Malariaübertragung gegeben. Zwar
waren hierfür oft Mücken verantwortlich, die als „blinde Passagiere“ in Flugzeugen aus
tropischen Ländern nach Europa gelangt waren. Jedoch wurde in wenigstens zwei
Malariafällen des Jahres 2001 gezeigt, dass die Erkrankung in Deutschland durch
einheimische Anopheles-Mücken übertragen worden war [4]. Die Malaria war bis Ende des 2. Weltkrieges in einzelnen Herden in Deutschland endemisch. Das bedeutet,
dass die Übertragung von Malaria innerhalb von Deutschland auch heute prinzipiell
möglich ist.
2. Dengue-Fieber und Gelbfieber:
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation erkranken jährlich mindestens 50
Millionen Menschen an Dengue-Fieber. Etwa 500.000 erleiden schwere Komplikationen und mindestens 12000 versterben an der Erkrankung. Besonders betroffen sind
Kinder und Bewohner von Großstädten in Entwicklungsländern. Dengue-Fieber ist
eine Viruserkrankung, die in tropischen Gebieten durch Moskitos der Gattung Aedes
übertragen wird. Die Dengue-Viren, von denen es vier Typen gibt, gehören zur Gruppe der Flaviviren. Die Virusvermehrung im Überträger-Insekt ist stark von der Umgebungstemperatur abhängig. Nach Modellrechnungen führt der weltweite Temperaturanstieg der bis 2050 wahrscheinlich 1,6°C betragen wird, in zahlreichen Regionen zu
52
einem Anstieg der Dengue-Fallzahlen um 31 bis 47% [5]. Auch vorübergehende
Erhöhungen von Lufttemperatur und Niederschlagsmenge, wie sie oft im Rahmen des El-Niño-Phänomens
beobachtet werden, haben in den letzten Jahren zu
Dengue-Epidemien geführt [3].
Abb. 3: Aedes aegypti, Überträger von Dengue- und Gelbfieberviren
Aedes-Mücken übertragen nicht nur Dengue-Viren, sondern auch Gelbfieber-Viren,
die ebenfalls zu den Flavi-Viren gehören. Gelbfieber ist eine potentiell tödliche Erkrankung, für die es keine spezifische Therapie, sondern nur eine Impfung gibt. Bei einer
Außentemperatur von 18 Grad dauert es 18 Tage, bis die Aedes-Mücke GelbfieberViren beim Stechen weitergeben kann. Bei einer Außentemperatur von 37°C sind die
Aedes-Mücken bereits vier Tage nach Aufnahme des Virus infektiös. Daher ist es bei
einer klimatischen Erwärmung durchaus möglich, dass sich Gelbfieber, das bisher auf
tropische Regionen Südamerikas und Afrikas begrenzt ist, weiter ausbreitet.
3. West-Nil-Fieber:
West-Nil-Fieber ist eine Viruserkrankung, die meist milde verläuft, jedoch in einigen
Fällen eine schwere Hirnhautentzündung verursacht.
Hiervon sind vor allem Ältere betroffen. Das West-NilVirus kommt normalerweise in Afrika sowie im Nahen
und Mittleren Osten vor. Es wird durch Stechmücken
der Gattung Culex übertragen, die auch in Nordamerika
und Europa verbreitet sind.
Abb. 4: Culex pipiens, Überträger des West-Nil-Virus
Wie im Falle verschiedener anderer Viren, die durch Mücken übertragen werden,
konnte auch für das West-Nil-Virus gezeigt werden, dass die Virusvermehrung in den
Überträger-Mücken stark von der Umgebungstemperatur abhängt. Daher ist es nicht
überraschend, dass die Epidemie im Nordosten der USA im Jahre 1999 während eines heißen Sommers auftrat. Ein relativ warmer Winter hatte zuvor dafür gesorgt,
dass zahlreiche Culex-Mücken bis zum Frühjahr überlebt hatten. Bei dieser West-NilFieber-Epidemie gab es im Nordosten der USA über 2000 Erkrankte und über 100
Tote.
4. Durch Zecken übertragene Erkrankungen
Lyme-Borreliose wird durch den Stich von Zecken der Gattung Ixodes übertragen. Besonders häufig betroffen sind Waldarbeiter. In den USA wurden 1998 fast 16000 Fälle
von Lyme-Borreliose gemeldet [6]. In Deutschland, wo keine bundesweite Meldepflicht
existiert, wird ebenfalls eine fünfstellige Zahl von Infektionen jährlich vermutet.
53
Warme Winter begünstigen das Überleben und die
Vermehrung der Überträger-Zecken. Die globale Erwärmung betrifft in Europa besonders die Wintermonate. Es ist also zu vermuten, dass Klimaveränderungen auch zu einer Zunahme der durch Zecken
übertragenen Erkrankungen, wie Lyme-Borreliose
und Frühsommermeningoenzephalitis (FSME) führen
[7].
Abb. 5: Ixodes Ricinus (Schildzecke), Überträger der LymeBorreliose
Fazit:
Die genannten Beispiele zeigen, wie stark selbst verhältnismäßig kleine Klimaveränderungen die Übertragung von wichtigen Infektionskrankheiten beeinflussen. Dies gilt
nicht nur für die Tropen, sondern auch für Regionen mit gemäßigtem Klima, einschließlich Deutschland. Aufgrund der globalen Erwärmung ist konkret damit zu rechnen, dass Krankheitserreger in Gebiete vordringen können, in denen sie ausgerottet
waren oder bisher nicht vorgekommen sind.
Für potentiell betroffene Gesellschaften bedeutet dies, dass das Gesundheitswesen auf bisher ungewöhnliche Erkrankungen vorbereitet sein muss, und dass Ärzte
solide infektiologische Kenntnisse benötigen. Von besonderer Bedeutung ist ferner,
dass ausreichend Kapazitäten nicht nur für die Diagnostik und Therapie, sondern
auch für die Erforschung von Krankheitsmechanismen und Therapiemöglichkeiten für
Infektions- und Tropenkrankheiten geschaffen werden müssen.
54
Literatur
A.K. GITHEKO, S.W. LINDSAY, U.E. CONFALONIERI, J.A. PATZ: Climate change and vector-borne
diseases: a regional analysis. WHO Bulletin 2000, 78, 1136-1147
N.J. W HITE: Malaria. In: Manson’s Tropical Diseases, 21. Auflage, 2003, S. 1205-1295. Herausgeber: G.C. Cook und A. Zumla. Elsevier, London
R.S. KOVATS: El Niño and human health. WHO Bulletin 2000, 78, 1127-1135
A. KRÜGER, A. RECH, X.Z. SU, E. TANNICH: Two cases of autochthonous Plasmodium falciparum malaria in Germany with evidence for local transmission by indigenous Anopheles plumbeus. Trop Med Int Health. 2001, 6: 983-5.
J.A. PATZ, W.J. MARTENS, D.A. FOCKS, T.H. JETTEN: Dengue Fever epidemic potential as projected by general circulation models of global climate change. Environ Health Perspect 1998,
106: 147-153
D.J. GUBLER, P. REITER, K.L. EBI, W. YAP, R. NASCI, J.A. PATZ: Climate variability and change
in the United States. Potential impacts on vector- and rodent-borne diseases. Environ Health
Perspect 2001, 109 (suppl 2): 223-23
C.J. HEMMER, M. LITTMANN, M. LÖBERMANN, M. LAFRENZ, T. BÖTTCHER, E. C. REISINGER: Tickborne meningoencephalitis, first case after 19 years in northeastern Germany. Emerging Infectious Diseases 2005 Apr;11(4):633-4.
55
Klimafolgen und deren Auswirkungen auf Mecklenburg-Vorpommern
Prof. Dr. Wolfgang Riedel
Professur für Landschaftsplanung und –gestaltung
Institut für Management ländlicher Räume
Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät
Universität Rostock
Nach den inhaltsreichen Ausführungen des Vormittags, die aus den verschiedensten
Fachkulturen versuchten, das Thema „Klimawandel - Klimafolgen - Naturkatastrophen
und deren Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft“ darzustellen, erwartet niemand, dass mein Vortrag „Klimafolgen und deren Auswirkungen auf MecklenburgVorpommern“ in der Kürze der Zeit erschöpfend sein kann. Vieles ist bereits dargestellt, vieles ist überhaupt noch nicht darstellbar und Gegenstand von Szenarien und
Simulationen. Darstellen möchte ich - mit Mut zur Lücke - einige Aktivitäten in diesem
Bundesland, die zeigen, dass das Problem erkannt worden ist. Angesichts des weit
fortgeschrittenen Klimawandels natürlich viel zu spät, wird deutlich, dass die unterschiedlichen Bemühungen zwischen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit in Richtung Minderung, Vorsorge und Anpassung mit aller Konsequenz zu unterstützen sowie unverzichtbar sind. Der Umweltminister hat in seinem wegweisenden
Beitrag die Richtung gewiesen. Die bislang erreichten Standards dürfen bei allen politischen Veränderungen keinesfalls aufgegeben werden, die Arbeit muss konsequent
fortgesetzt werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein neuer Umweltminister auf
einen wissenschaftlichen Beirat verzichtet. Dieser vor allem aus Mitgliedern der Hochschulen unseres Landes zusammengesetzte große Beirat hat den Sachverstand multi- und interdisziplinär gebündelt und die Umweltpolitik des Landes MecklenburgVorpommern acht Jahre lang begleitet. Eine wichtige ad hoc-Arbeitsgruppe der letzten
zwei Jahre war die Arbeitsgemeinschaft Klimafolgen mit mehreren Wissenschaftlern
aus Mecklenburg-Vorpommern unter der Leitung von Herrn Prof. Moeck vom IBZ in
Hohen Luckow und der fachlichen Begleitung durch das LUNG. Auf einige Ergebnisse
dieser ad hoc-AG Klimafolgen des WBU werde ich zu einem späteren Zeitpunkt hinweisen, diese Arbeit muss konsequent fortgesetzt werden zum Wohle des Landes,
seiner Natur und seiner Bürgerinnen und Bürger.
Mecklenburg-Vorpommern hat vergleichsweise früh umweltpolitisch gehandelt, ich
nenne nur die Klimaschutzpolitik, das Klimaschutzprogramm des Landes und die bisherigen drei Klimaschutzkongresse in Güstrow, deren Ergebnisse vorliegen und die
die entsprechende Beachtung erfahren haben. Am Dienstag fand in Berlin der 2. Nationale Workshop „Anpassung an Klimaänderungen in Deutschland - Regionale Szenarien und nationale Aufgaben“ statt, die Medien überschlugen sich in Presseinformationen der Herren Gabriel und Troge, grundsätzlich richtig und erfreulich, für manche
Menschen fiel das Problem scheinbar urplötzlich vom Himmel. Bei aller Ungewissheit
56
gesicherter Prognosen für die Zukunft kann die grundsätzliche Klimaerwärmung niemand mehr zurückweisen. Ich fühle mich dennoch manchmal bei abwiegelnden Haltungen zurückversetzt in die 80er Jahre, als ich erleben musste, wie gestandene bundesdeutsche Forstdirektoren im Staatsdienst das Phänomen des Waldsterbens
schlichtweg als ökologischen Blödsinn ablehnten. Diese Herren sind heute in Rente,
haben aber wichtige Entwicklungen damals verhindert.
Wie sehr das Thema in der Gesellschaft angekommen ist, möge ein weiteres
Beispiel verdeutlichen: Die Kirchen in Norddeutschland, und zwar die nordelbische
Kirche, die mecklenburgische Landeskirche, die pommersche und das Erzbistum
Hamburg haben sich zu einer „Ökumenischen Stiftung für Schöpfungsbewahrung und
Nachhaltigkeit“ zusammengetan und haben u.a. in einer Ratzeburger Sommeruniversität vor wenigen Wochen den Schutz der Ostsee und die Problematik der Klimafolgen
auf internationaler Ebene eindringlich behandelt. Der Beitrag des Landes M-V für die
weitere Arbeit besteht u.a. darin, dass Hochschullehrer aus Greifswald und Rostock
im Kuratorium und Vorstand der Stiftung sitzen. BezeichLand- und Forstwirtschaft
nend ist auch, dass der Geschäftsführer nicht nur Pastor,
Prof. Dr. Tack
sondern auch Klimaschutzbeauftragter ist. Dieses Beispiel
möge nur „pars pro toto“ stehen. Ich verweise auf viele PaEnergie/Verkehr
piere von Kirchenleitungen und Bischofskonferenzen, SyProf. Dr. Moeck
noden und Kirchentagen, soeben gibt es ein Papier zum
Klimawandel der deutschen Bischofskonferenz, das im InOstsee/Küste
ternet unter www.dbk.de nachzuschlagen ist.
Prof. Dr. v. Bodungen
Ich darf noch einmal als ein Beispiel der Aktivitäten
im Blick auf Klimafolgenforschung und Klimafolgenminderung die Arbeit der ad hoc-Arbeitsgruppe des Wissenschaftlichen Beirats des Umweltministers kurz beleuchten. Die ad
hoc-Arbeitsgruppe widmete sich verschiedenen Teilbereichen, welche größtenteils von Hochschullehrern vertreten
wurden.
Die Arbeitsgruppen lehnen sich teilweise an die in
der Studie des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung betrachteten klimasensitiven Bereiche an. Entsprechend der Spezifik von M-V wurden einige Ergänzungen
vorgenommen. Hilfreich für alle Arbeitsgruppen waren die
langjährigen Untersuchungen zur Klimaentwicklung z.B.
-
Umweltministerium M-V: CO2-Bericht 1997 - 2002
-
Wirtschaftsministerium M-V: Energiebilanz und energie-
Regionalentwicklung/
Tourismus
Prof. Dr. Riedel
Gesundheit
Biodiversität/ Naturschutz
Prof. Dr. Riedel
Wasserwirtschaft
Prof. Dr. Miegel
Abb. 1: Ansprechpartner in
den Teilbereichen der Adhoc-Arbeitsgruppe „Klimafolgen“ des Wissenschaftlichen Beirates
bedingte CO2-Bericht
-
Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei: Bilanzierung des
Treibhausgases CH4 in der Landwirtschaft
57
Die Auswirkungen der vom Klimawandel betroffenen Bereiche wurden unter der Leitung von Prof. Moeck vom IBZ Hohen Luckow in einer Studie „Auswirkungen der Klimaänderungen für das Land Mecklenburg-Vorpommern - systematische Betrachtungen der betroffenen Schwerpunkte“ zusammengefasst. Aus den vorliegenden Zuarbeiten wurden Vorschläge zur Struktur der einzelnen Module und ihrer Vernetzung mit
den anderen Teilbereichen entwickelt. Ich stelle davon nur einmal kurz die Auswirkungen des Klimawandels auf Mecklenburg-Vorpommern vor:
Wasserwirtschaft
Klimafolgen
Steigende Hochwassergefahr an
Flüssen und Küste
Einzelaussagen/ Beispiele
• höhere Wahrscheinlichkeit winterlicher Hochwasser
durch Zunahme der Winter- und Frühjahrsniederschläge
• zunehmende Häufigkeit von Starkniederschlagsereignissen (regional und lokal) und ungünstiger Wetterlagen
• Überlagerung mit nichtklimabedingten Einflüssen
(Flussbegradigungen, Verlust von Auen und Feuchtgebieten, Versiegelung)
• gegenläufige Tendenzen: temperaturbedingtes geringeres Zufrieren der Flüsse, dadurch verringerte Eisstauhochwasser (Elbe)
Steigende Gefahr von Niedrigwasser
• Verringerung der Sommerniederschläge
• Behinderung der Binnenschifffahrt
• Gefahr für Feuchtgebiete und aquatische Ökosysteme
Zunehmende
Extremsituation
(Hochwasser,
Niedrigwasser,
Dürren, Starkniederschläge)
• Zunahme Schäden der Infrastruktur, Gefährdung Menschenleben, Ernteausfälle, Waldbrandgefahr
• Qualitätsminderung des Erntegutes
• höhere Gesundheitsrisiken
• zunehmende Aufwendungen für Versicherung gegen
Schäden, Rücklagen und Schadenausgleichszahlungen
• erhöhte Erosionsgefahr
Sinkende
Wasserverfügbarkeit
durch geringeren Abfluss (Differenz Niederschlag – Verdunstung)
• In verschiedenen Regionen geringere Niederschläge im
Jahresmittel möglich, aber steigende Verdunstung
durch Temperaturerhöhung
• bei geringeren mittleren Niederschlägen Gefahr der verringerten Grundwasserneubildung (Abnahme Grundwasservorräte)
• bei Zunahme der Winterniederschläge auch Zunahme
der Grundwasserneubildung; gegenläufig: Zunahme abflussintensiver Starkniederschläge, weniger häufige und
niedrigere Schneedecke
58
Klimafolgen
Starke Schwankung des saisonalen Wasserdargebots (regionale
und saisonale Verteilung der Niederschläge)
Einzelaussagen/ Beispiele
• Verringerung der klimatischen Wasserbilanz (insbesondere im Sommer) durch erhöhte Verdunstung
• Verschiebung der Niederschläge in den Winter, dadurch
Gefahr der Zunahme trockener Perioden und Dürren
• Verschiebung der Bilanz zwischen Wasserverfügbarkeit
(Winter?, Sommer?) und Wasserbedarf (Sommer?),
damit steigende Anforderungen an Wassermanagement
(Verweildauer des Wassers in der Landschaft, Anpassung Versorgung über Wasserspeicher, -transport und
Sparmaßnahmen, Bewässerung)
• Änderung der Wasserstände und Wasserqualitäten in
Seen und Kanälen
• Artenverluste oder Änderungen der Lebensgemeinschaften
Veränderung des absoluten Wasserbedarfes
&
Verlängerung der Vegetationszeit
• Erhöhter Wasserbedarf im Tourismus
• Zunahme der Flussfrachten im Winter durch erhöhte
Abflüsse
• Zunahme der Nährstofffreisetzung aus Sedimenten (tiefe Seen und Küstengewässer) durch langanhaltend
warme und ruhige Wetterlagen im Sommer
Landwirtschaft
• im Zusammenhang mit der Erwärmung vermehrtes
Wachstum von Zoo- und Phytoplankton
Kulturen mit hohem Wärmebedarf
(höhere Ertragsleistungen wenn
andere Faktoren wie z.B. Niederschlag gesichert sind
• Maiserträge
• Elbe
Nordelbe
Brandenburg +8%UBA
+15%
+10 bis +30%
+14 %
Getreide: differenziert; generell
Qualität und Ertrag negativ
• Brandenburg
+8%
• Elbe
-10%
Biomassebereitstellung größer
• regionale Verteilung geändert
• Struktur verändert
Notwendigkeit von Gewässerschutz und Wasserregulierung
• höhere Investitionen
Aufwendungen für Konservierung
größer
• z.B. Trocknung mit höherem Energieaufwand
Schaderreger und Unkräuter
• u.U. Umschichtung (keine gesicherten Aussagen)
neue Kulturpflanzen
• noch keine gesicherten Aussagen
Änderung der Gehalte von Inhaltsstoffe
• Stärke, Zucker, Öl
Änderung der Erträge Ölfrüchte,
• offen
• höherer Energiebedarf
59
Klimafolgen
Einzelaussagen/ Beispiele
Forstwirtschaft
Kartoffeln, Zuckerrüben
Zunahme der CO2 – Konzentration
und mit steigender Temperatur
sinkt die Speicherfähigkeit von
CO2
• Reduzierung der CO2 – Senke
Veränderte Aufwendungen an
Gestaltung von Bauten, Ausrüstungen und Betrieb
• Klimatisierung von Ställen
Umschichtung der Bestände
• Fichte
Eiche
Buche
Linde
• Leichtbau, Nutzungsdauer
& andere
• Konzeption Alleen
• Ausgleichsflächen
• noch wenig gesichert
Änderung des Waldökosystems
Zunahme der
Küstenbereich
Region
• wissenschaftlich noch unklar
Belastung
im
Anforderungen an die Planungsinstrumente werden wachsen
• Klima existiert z.Z. nur als Schutzgut
• Notwendigkeit gesundheitlich nachhaltiger Planung
• Klimaszenarien müssen Eingang in Raumordnung finden
• Notwendigkeit ressortübergreifender Aktivitäten
• Einfluss auf das Alleenentwicklungsprogramm M-V
Tourismus
• Fakten von konkreten Umsetzungsstrategien;
z.Z. keine entspr. Wiss. Untersuch bekannt
Attraktivitätssteigerung für Touristen
• Temperaturzunahme Luft und Wasser
• größere Sonnenscheindauer
• geringeres Niederschlagsaufkommen im Sommer
• Verdrängung aus klassischen Urlaubsgebieten am
Mittelmeer (Hitzewellen)
• größere Wirtschaftskraft in Tourismusgebieten
zunehmende regionale Belastungen
• steigender Energie- und Wasserverbrauch
• u.U. Veränderung des Verkehraufkommens
• wachsender Druck auf Natur und Landschaft
• Wirkung der Erwärmung auf Arten und Biotope
(Artenverluste bei +1° bis 2° in Europa 15-40%)
• Zunahme von Krankheitserregern
• Wirkung auf das Besucherverhalten
Quelle: IBZ-Studie, Juli 2006
60
Nach dieser rein ehrenamtlichen Phase kommt es in der Folge zu einer Vergabe von
Forschungsaufträgen in der entsprechenden üblichen Form, die jeder Kritik standhält.
Nach den Interessenbekundungsverfahren wurden Facharbeitsgruppen ab September
2006 gebildet.
Abb. 2: Schematische
Darstellung der Facharbeitsgruppen (Quelle: UM M-V, 2006)
Ich freue mich,
dass einige Akteure hier vertreten
sind, darf aber
auch
anmerken,
dass die zur Verfügung stehenden
Mittel nicht die Dimension haben, die sich mancher so vorstellt (nehmen Sie eine Null
weg). Es ist leider immer noch nicht in dieser Gesellschaft konsensfähig, dass Klimavorsorge nicht nur eine freiwillige Aufgabe verantwortungsbewusster Wissenschaftler
und Bürger ist, sondern eine staatliche Aufgabe - eine Erkenntnis, die Rechnungshöfen noch nicht immer so recht klar ist.
Zeigleich zu dieser Vorgehensweise der Forschungspartner mit einem Koordinator läuft eine Delphi-Studie. Die Ergebnisse werden in einem Bericht im Juni 2007
insgesamt vorliegen, werden dann in der interministeriellen Arbeitsgemeinschaft Klimaschutz diskutiert und sollen einmünden in eine Kabinettvorlage im Rahmen des
Aktionsplans Klimaschutz im September 2007, so die Verantwortlichen wollen. Von
Seiten der Wissenschaft werden wir dieses bei der Politik einfordern.
Durch Datenbanken u.a. beim Umweltbundesamt und beim Max-Planck-Institut
für Klimaforschung in Hamburg gibt es eine, wenn auch z.Z. noch mit einigen Softwareproblemen behaftete Datenverfügbarkeit (WETTREG, REMO). Studierende der
Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät mit Diplomarbeiten auf diesem Sektor
können ein Lied davon singen, wie verfügbar die Daten im Letzten wirklich sind, beispielsweise von Niederschlag, Sonnenscheindauer, Luftdruck, Temperatur und Windgeschwindigkeit sowie die Datenverfügbarkeit regionaler Klimaprognosen bis zum
Jahr 2100. Basis sind die IPCC-Szenarien zur Entwicklung der Weltwirtschaft und der
Treibhausgase, die REMO-Daten arbeiten mit einem 10x10 km-Raster. Diese Daten
werden den Ländern grundsätzlich kostenlos zur Verfügung gestellt.
Die Abbildung 2 zeigt an einem einzigen Beispiel die Auswirkungen des Jahresniederschlages nach REMO mit der Änderung des Sommerniederschlags im Zeitraum 2071 bis 2100 im Verhältnis zum Zeitraum 1961 - 1990. Für MecklenburgVorpommern bedeutet dieses eine leichte Erhöhung, aber stärkere jahreszeitliche
61
Schwankungen, im Frühling einen Anstieg um 10 - 18 %, im Sommer eine Abnahme
um 10 - 20 %, was die bisherige Landwirtschaft vor große Probleme stellen dürfte.
Abb. 3: Relative Niederschlagsänderung im Sommer (%); A1B (2071-2100)
– CTRL (1951-1990)
Sie können verstehen, dass ich
gern zu den von mir vertretenen
Kompartimenten „Die Bedeutung
der Klimaänderung in Mecklenburg-Vorpommern - Erhalt, Entwicklung und Monitoring der biologischen Vielfalt auf Naturschutzflächen in MecklenburgVorpommern“ etwas sagen würde,
nicht zuletzt als Vorstandsmitglied
der Stiftung Umwelt und Natur
des Landes. Macht es in Zukunft
überhaupt noch Sinn, Flächen für
den Naturschutz zu kaufen, wenn wir die Biotope in der heutigen Qualität überhaupt
nicht mehr schützen und pflegen können, oder ist es geradezu notwendig auf dem
Hintergrund der bevorstehenden Veränderungen über Flächen verfügen zu können,
auf denen sich Natur dynamisch frei entfalten lässt bzw. auch gezielt pflegen lässt, um
manche Ökosysteme überhaupt zu erhalten. Hier gibt es sehr viel Forschungsbedarf
und angesichts der Unattraktivität solcher Themen, angesichts heutiger forschungspolitischer Setzungen fühlt man sich hier als Natur- und Planungswissenschaftler manches Mal allein gelassen.
Dabei geht es beim Naturschutz nicht nur um die ethische Frage und die ökologische Vielfalt, gerade in M-V ist Naturschutz in der Vergangenheit ein starker Motor
für wirtschaftliche Entwicklungen gewesen, wie man anschaulich an der auch ökonomischen Bedeutung der Natur- bzw. Nationalparke, oder am Landeskulturdenkmal der
tausenden Kilometer Alleen darstellen kann. Auf der einen Seite zeigen uns USStudien die ökonomische Bedeutung der globalen Ökosysteme auf, deren technischer
Ersatz nicht möglich ist, oder unbezahlbar, auf der anderen Seite geht es aber auch
um „Eigenart, Vielfalt und Schönheit“ der Natur, Dinge, die im nichtmonetären Bereich
liegen. Aus anderen Bundesländern liegen Einschätzungen zu möglichen und nachweisbaren Auswirkungen des globalen Klimawandels auf die Biodiversität vor, z.B. die
PAMPUS-Untersuchung für Hessen 2004. Ein ähnlicher Statusbericht ist für das Land
M-V noch zu erstellen, wobei es natürlich hervorragende Vorarbeiten der Universitäten oder des LUNG bereits gibt. Für Politikberatungen und Öffentlichkeitsarbeit im
Sinne der Nachhaltigkeitsstrategie muss deutlich herausgearbeitet werden, dass die
Bedrohung der Biodiversität als gesellschaftliches Problem verstanden werden muss,
62
ich verweise hier z.B. auf die Vilmer Thesen zur Biodiversität. Die Vorträge meiner
Vorredner haben auch gezeigt, dass die Sensibilisierung der Bevölkerung angesichts
von unmittelbar im Lebensumfeld erlebten Veränderungen steigt. Angesichts der
Entwicklungsszenarien sind die vielleicht
manchmal lästigen Standards europäischer
Richtlinien, z.B. FFH-Richtlinie, Vogelschutzrichtlinie, Wasserrahmenrichtlinie, entscheidende Schritte zur Erhaltung der biologischen Vielfalt Europa, in ihrem Standard zu erhalten und
auszubauen und in nationales Recht zu überführen. Der Landschaftsplanung kommt hier
eine sehr wichtige Schlüsselrolle zu und es ist
ein erfreuliches Zeichen, dass angesichts der
Spar- und Streichungsdiskussionen zumindest
diese Professur perspektivisch gesehen zur
Disposition steht. Welche Strategien gibt es z.B.
für die früher einmal 90.000, heute aber immer
noch etwa 30.000 - 50.000 Sölle im Lande, deren Bedeutung im Biotopverbund, in der Vernetzung der Lebensräume und als Trittsteinbiotope unbestritten ist. Sie spielen in der Naturschutzstrategie des Landes weiterhin eine große Rolle und zwar als ganzheitlich vernetztes System, denn mit „Restflächen“ ist kein wirkungsvoller Arten- und Biotopschutz möglich.
Ein weiteres Thema, was meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und mich herausfordert, ist die Bedeutung der Klimaänderungen in Mecklenburg-Vorpommern als
Herausforderung an Regionalentwicklung und Tourismus. Als Mediator eines Regionalentwicklungsprozesses, der ein bedeutendes Flusseinzugsgebiet umfasst, ist mir
die derzeitige schwierige Situation unserer ländlichen Räume unmittelbar und grundsätzlich vertraut. Ich nenne nur den demographischen Wandel, das Verschwinden von
Bevölkerung und das Verschwinden der Dörfer. Die katastrophalen Haushalte von
Kommunen, die sozialen Schieflagen und die sozialen schwierigen Umstände mancher Bevölkerungsschichten, die plötzlich die Republik auf der Basis eines Gutachtens
der Friedrich-Ebert-Stiftung erregen. Wenn diese bislang ungelösten Entwicklungsprobleme peripherer Räume, die wir, das sage ich nachdrücklich hier, nicht aufgeben
wollen, nicht gelöst werden, und es kommt dann noch die Konsequenz eines Klimawandels als Erschwernis für Regionalentwicklung und Tourismus dazu, dann werden
die Verhältnisse kaum noch steuerbar, auf Beispiele muss ich hier verzichten. Aber es
gibt europäische Hoffnungsschimmer:
Am 30.10.2005 konnte in Bukarest die Teilnahme an einem internationalen
INTERREG III b CADSES-Projekt (ACCRETe - Agriculture and Climate Changes: how
to Reduce human Effects and Threats) Leadpartner Provinz Parma, unterzeichnet
63
werden, welches sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf Landwirtschaft
und ländliche Räume befasst. Es fokussiert die Interdependenzen auch hinsichtlich zu
erwartender Klimafolgen, bemüht sich vor allem um ein höheres Bewusstsein im Blick
auf Bevölkerung und Operateure, Partner sind z.B. die Provinz Parma mit seinem
Landwirtschaftsdepartment, das Hydrologische Meteorologische Institut der Tschechischen Republik, zwei Kommunen in Griechenland, die Universität von Thessaloniki, Landwirtschaftsinstitute in Italien, die Nationale Meteorologische Verwaltung in Rumänien, das
Agriculture Institute in Slowenien und die
Universität Rostock.
Abb. 4: Partner des ACCRETe-Projektes
Ziele von ACCRETe:
Bewusstmachen der Kopplung von Landwirtschaft und Klimawandel; Sensibilisierung für das Thema, Diskussion unterschiedlicher Einschätzungen/ Haltungen zu
Folgen, zu Anbaumethoden, Konsumverhalten etc.
Sensibilisierung von öffentlichen und privaten Akteuren für die möglichen künftigen
Auswirkungen der Wechselbeziehung Landwirtschaft/ Klimawandel auf die Produktion (Qualität und Quantität)
Einrichtung von Vorhersage- und Vorsorgesystemen hinsichtlich „Naturrisiken“ für
die Landwirtschaft, dies in Verbindung mit der Bewusstseinsbildung bei Politikern,
Technikern, Landwirten, Bürgern überhaupt
Einrichtung wirksamer Monitoring-Instrumente
Erneuerbare Energien am Beispiel der Gemeinde Ivenack:
Sanierung und Wiedernutzbarmachung bestehender Gebäudesubstanz (z.T.
denkmalgeschützt)
Nutzung von Dachflächen für Photovoltaik
Bereitstellungslagers für Rohstoffe (Biomasse)
Fermentationsanlage (Gülle, nachw. Rohst.)
Heizzentrale auf Basis Strohbrennstoff und Biogas
(Nahwärmeerzeugung)
Nahwärmeversorgungsnetz
Kompetenzzentrum Alternative Energien
Einbeziehung des Gewerbes und der Landwirte vor Ort
Geplanter Ausbau des ehemaligen Speichers zu Sozialversorgungszentrum
64
Geplanter Ausbau des ehemaligen Gutshauses als Markthalle
Förderung des (Ausflugs-) Tourismus
Abschließend möchte ich in diesem Rahmen auf die wichtige Agenda 21-Arbeit
der Universität Rostock mit einer Koordinationsstelle und einer Arbeitsgruppe hinweisen, die auf der Unterzeichnung der COPERNICUS-Charta der europäischen Rektorenkonferenz am 01.10.1993 durch den damaligen Rektor beruht.
Die Universität Rostock hat sich damit verpflichtet, das Konzept der Nachhaltigkeit in den Bereichen Lehre, Forschung, Weiterbildung und Ressourcenmanagement
umzusetzen. Das Thema Klimaschutz spielt in all diesen Bereichen eine wichtige Rolle. Hinsichtlich Ressourcenmanagement ist u.a. das Bestreben der AG Agenda 21 zu
nennen, ein Umweltmanagement für die Universität zu erarbeiten bzw. einzuführen
und damit einen aktiven Beitrag auch zum Klimaschutz zu leisten.
65
Auswirkungen von Klimaänderungen auf die Küstenzone am Beispiel des
Odereinzugsgebietes
Holger Janßen, Nardine Löser, Dr. Gerald Schernewski
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW)
1. Einleitung
Klimawandel ist ein globales Phänomen, das Auswirkungen nicht nur, aber doch gerade auch auf Küstenzonen hat. Küstenzonen sind bedeutende Lebensräume für Vegetation und Biodiversität und reagieren als solche sensibel auf Veränderungen der
klimatischen Bedingungen. Dabei sind die Auswirkungen des Klimawandels in Küstenzonen nicht allein auf einen steigenden Meeresspiegel beschränkt, sondern können sehr viel zahlreicher sein, wie im Folgenden gezeigt werden soll.
2. Die Region
Mit einer Länge von 854 km und einem Einzugsgebiet von 118.000 km² ist die Oder
(polnisch: Odra) einer der bedeutendsten Flüsse im Ostseeraum. Ihr Einzugsgebiet
teilt sich zu annähernd 90% auf polnisches Gebiet und zu je etwa 5% auf deutsches
und tschechisches Gebiet auf. Damit kommt dem bergigen Ursprung, den die Oder im
mährischen Gebirge nimmt, nur ein sehr kleiner Teil zu. Vielmehr liegt das Einzugsgebiet der Oder in weitgehend flachem Gebiet. Innerhalb dieses Einzugsgebietes lebt
eine Bevölkerung von mehr als 15 Millionen Einwohnern. Das wirtschaftliche Leben in
dieser Region ist vor allem von einer intensiven Landwirtschaft, aber auch von vielfältiger Industrie geprägt, die entsprechende Schadstofffrachten in den Fluss einleiten.
Abbildung 1: Oder- (Odra-) Mündungsregion und Einzugsgebiet (www.ikzm-oder.de)
66
In der Odermündungsregion existieren zugleich vielfältige Naturlebensräume. Unter
anderem durch die Überschneidung von marinem und limnischem System hat sich
eine Vielzahl von artenreichen Habitaten herausgebildet. Nieder- und Hochmoore,
Heidelandschaften, Binnendünen, waldfreie Talhänge, steinreiche Kuppen, Feuchtwiesen, Salzgraslandschaften, eutrophe wasservogelreiche Flachwasserseen und
großflächige Waldgebiete sind einige Beispiele hierfür. Sie formen eine Landschaft in
der der Schutz von Arten und Lebensräumen von höchster Bedeutung ist. So ist die
Odermündungsregion beispielsweise zusammen mit den angrenzenden Boddengebieten die wichtigste Überwinterungsstätte für Wasservögel in der Ostseeregion
(LÖSER ET AL., 2005).
3. Wechselwirkungen Fluss-Küste
Im Fall der Oder und der Odermündungsregion bestehen zwischen Fluss und Küste
zahlreiche und intensive Wechselwirkungen. Diese Interdependenzen werden anhand
von unterschiedlichen Sektoren deutlich. So bezieht sich die eingangs erwähnte ökologische Qualität der Oder nicht nur auf die Odermündung, sondern auch auf den
Fluss selbst. Die Oder und ihr Ästuar formen zahlreiche wertvolle Ökosysteme, die
weitgehend unter Schutz stehen oder unter Schutz gestellt werden sollen. Nicht nur
das Stettiner Haff ist als Natura 2000-Gebiet ausgewiesen, auch entlang der Oder
sind von der Mündung der Neiße an flussabwärts 14 weitere Gebiete entsprechend
klassifiziert worden. Weitere 31 Gebiete sind entlang der Oder zur Ausweisung als
Natura 2000-Gebiet vorgeschlagen. Auf die ökologische Bedeutung der Oderregion
weist auch die Zahl von insgesamt 335 Naturschutzgebieten entlang der deutschpolnischen Grenzregion hin. Damit bildet die Oder nicht nur einen wertvollen Lebensraum, sondern auch eine zentrale Achse für die Wanderung von Arten sowie für ihre
Verbreitung. Das Wechselsystem Fluss-Küste hat damit sowohl für heimische Arten
wie auch für die Verbreitung von Neozonen, die infolge anthropogener Veränderungen
oder des Klimawandels in die Region wandern, eine große Bedeutung.
Für die Verbreitung von Neozonen sind auch die Schiffsverkehre auf der Oder
von Bedeutung. Während sie einerseits zur Einschleppung von Arten beitragen können, behindern zugleich die zahlreichen für die Schiffbarkeit der Oder eingerichteten,
Schleusen sowie weitere technische Bauwerke wie Dämme und Deiche die Artenwanderung. Anhand der Schiffsverkehre und der Güterumschläge in den Häfen entlang der Oder drückt sich auch die wirtschaftliche Verflechtung von Fluss und Küste
aus. Die Küstenzone ist das Tor für Handel, Transport und Tourismus insbesondere
mit Berlin und Polen. Der Umschlag küstennaher Häfen wie Swinoujscie und Szczecin
liegt bei aktuell 10 Millionen Tonnen pro Jahr. Zahlreiche kleinere Häfen entlang der
Oder und ihrer Zuflüsse weisen Jahrestonnagen von einigen hunderttausend Tonnen
auf, die zumeist über die Küstenzone eingeschifft werden.
Die Küstenzone wiederum wird durch den Abfluss der Oder in das Stettiner
Haff entscheidend geprägt. Mit einem Abfluss von 17 km³/a bzw. 530 m³/s trägt die
Oder zu 94% zum Wasserhaushalt des Haffs bei. Über das Haff strahlt sie auch in die
67
Pommersche Bucht aus und trägt mit 4% zum Gesamteinfluss in die Ostsee bei. Dies
ist insofern von entscheidender Bedeutung, als dass sich die hohen Nährstoff- und
Schadstofffrachten der Oder im Haff und in den Küstengewässern niederschlagen und
dort eine erhebliche Eutrophierung verursachen – mit weit reichenden ökonomischen
und ökologischen Konsequenzen.
4. Auswirkungen auf die Küstenzone
Die oben angesprochenen Nähr- und Schadstoffgehalte sind im Zusammenhang mit
Änderungen von Temperatur und Niederschlag aufgrund eines Klimawandels von
zentraler Bedeutung. Klimaänderungen können entscheidende Auswirkungen auf die
Folgen der Stoffeinträge in die Küstengewässer haben. So können sich die Schadstoffeinträge in das Oderhaff in nassen Jahren beispielsweise verdoppeln (Schernewski et al., 2001). Entscheidender aber ist, dass warme Sommer, wie sie als Folge
einer Klimaänderung angenommen werden, aufgrund ebenfalls warmer Haffgewässer
zu einer plötzlichen und intensiven Freisetzung von im Sediment gespeicherten Phosphoreinträgen führen („Interne Eutrophierung“).
Da die Primärproduktion in Küstengewässern häufig durch die Verfügbarkeit
von Phosphor limitiert ist, kann die plötzliche Freisetzung von Phosphor an warmen
und windstillen Tagen zu einem Anstieg dieser führen. Solche Freisetzungen erreichen Volumen von 400t Phosphor innerhalb kurzer Zeit. Mit einer Verzögerung von
wenigen Tagen erreichen diese Freisetzungen die Küstengewässer und tragen dort zu
einer Algenblüte bei. Gerade im Sommer wirken solche Algenblüten, auch wenn sie
nicht zwangsläufig von giftigen Blaualgen ausgehen müssen, nicht als Sinnbild ungetrübter Badefreuden und können daher Auswirkungen auf den Wirtschaftszweig Tourismus haben. Mit einem Klimawandel steigt die Wahrscheinlichkeit solcher Ereignisse
und schränkt zugleich die Bemühungen um eine gute Wasserqualität im Sinne der
Wasserrahmenrichtlinie massiv ein.
Das Stettiner Haff ist jedoch mehr als nur eine Quelle für Frachten, die von hier
aus in die Ostsee eingetragen werden. Vielmehr dient es als Transformator und Senke für Nähr- und Schadstofffrachten. Insbesondere durch Sedimentation und Ausbaggerungen, aber auch in Form von Abgaben an die Atmosphäre als Folge von Denitrifikation, werden 10 – 20 % der Stickstoff- und Phosphorfrachten, bzw. 15 % der Stickstofffrachten, ausgesondert. Das Auftreten dieser für die Wasserqualität positiven Effekte wird vor allem dadurch ermöglicht, dass das Wasser durch die Abschirmung der
Haffgewässer von der Ostsee durch die Inseln Usedom und Wollin mit durchschnittlich
35-75 Tagen eine vergleichsweise lange Aufenthaltszeit im Haff hat, während es in
der Pommerschen Bucht bereits nach 8 bis 10 Tagen ausgetauscht wird.
Die jährlichen Niederschläge im Odereinzugsgebiet sollen nach aktuellen Projektionen des Max-Plank-Institutes für Meteorologie (UBA, 2006) in etwa konstant
bleiben während sich ihre Verteilung hin zu mehr Niederschlägen im Winterquartal
verschiebt (+15 – 20 %). Mit einer Verschiebung der Niederschlagsverteilung könnte
sich auch der Eintrag von Nährstoffen verschieben. Für die Gewässerqualität im Haff
68
hätte dies jedoch nur einen sehr begrenzten Effekt, da es ohnehin hocheutroph und
aktuell zumeist lichtlimitiert ist. Zwar sind die Nährstoffeinträge durch die Oder derzeit
rückläufig, jedoch ist das Niveau weiterhin so hoch, dass eine Limitierung durch Stoffeinträge nicht in Sicht ist. In der Pommerschen Bucht ist die Primärproduktion jedoch
durch Phosphor und auch durch Stickstoff limitiert, weshalb hier verminderte Einträge
als Folge einer Niederschlagsverschiebung einen positiven Effekt auf die Gewässerqualität und damit auch auf den Badetourismus haben könnten.
Dem gegenüber steht jedoch ein Trend in der Entwicklung des Phytoplankton.
Die Vielfalt des Phytoplankton nimmt ab, während Diatomeen und Cyanobakterien
(Blaualgen) dominierende Anteile übernehmen. Cyanobakterien sind in der Lage
Stickstoff über die Atmosphäre aufzunehmen, weshalb sie möglicherweise einen
Rückgang der Stickstofffrachten kompensieren könnten. Hier sind jedoch noch weitere
Untersuchungen nötig um klare Aussagen treffen zu können.
Entwicklungen wie veränderte Abflüsse, verringerte Nährstoffeinträge oder interne Eutrophierungsprozesse haben Auswirkungen auf die Wechselwirkungen der
Kette Fluss – Haff – Bucht. Phosphoreinträge aufgrund interner Eutrophierung und
zugleich verringerte Nährstoffeinträge durch den Fluss
könnten die Limitierung des
Phytoplankton von Phosphor
zu
Stickstoff
umschlagen
lassen. Damit erhöht sich das
prinzipielle Risiko auf Blaualgen. Insbesondere Cyanobakterien könnten aufgrund
ihrer Fähigkeit Stickstoff aus
der Atmosphäre aufzunehmen
von diesem Trend profitieren.
Dabei können die in der Ostsee auftretenden Arten giftig
sein (Nodularia spumigena,
Aphanizomenon flos-aquae,
Anabaena sp.), müssen es
aber nicht zwangsläufig sein.
Vorkommen wie im Sommer
2001, als Teile der deutschen
Ostseeküsten wegen des
Auftretens von Cyanobakterien gesperrt wurden, könnten sich jedoch häufen.
Abbildung 2: Nährstofftransport im Fluss-Küste-System der
Oder (RÖDIGER, 2006; Quellen dort: BEHRENDT & DANNOWSKI, 2005, HUMBORG ET AL., 2000)
69
5. Konklusion
Klimawandel kann eine Vielzahl von Auswirkungen auf die Küstenzone haben. Nicht
nur direkte Einflüsse wie veränderte Niederschläge und steigende Temperaturen,
sondern auch indirekte Auswirkungen wie die Wanderung von Arten oder Veränderungen von Wechselwirkungen in Fluss-Ästuar-Küste-Systemen. Wasser unterliegen
dabei zahlreichen Auswirkungen des Klimawandels. So steigern höhere Temperaturen die Evatransporation mit weitreichenden Folgen für den Wasserhaushalt. Weitere
zentrale Auswirkungen des Klimawandels, ebenfalls mit Bezug zu Wasser, sind der
Anstieg des Meeresspiegels und Veränderungen des Niederschlags. Klimaänderungen haben jedoch auch Folgen für die Wasserqualität. Verringerte Niederschläge im
Sommer können zu verringerten Schadstoff- und Nährstofffrachten der Oder während
dieser Zeit führen, während zugleich interne Eutrophierungsprozesse (schlagartige
und intensive Phosphorfreisetzungen aus dem Sediment unter anoxischen Bedingungen) diesen Steigerungen der Wasserqualität im Settiner Haff und der Pommerschen
Bucht entgegenstehen können. Es scheint sich abzuzeichnen, dass sich mit fortschreitendem Klimawandel die für eine interne Eutrophierung notwendige Bedingung
warmer und windstiller Tage häuft, weshalb die Wahrscheinlichkeit solcher Prozesse
steigt. Mit einer Verzögerung von einigen Tagen werden die freigesetzten Frachten in
Küstengewässer eingetragen, wo sich die Limitierung der Primärproduktion von Phosphor auf Stickstoff ändern kann. Hierdurch kann es zu einem verstärkten Auftreten
von Phytoplankton, insbesondere von Diatomeen und Cyanobakterien, kommen. Da
Cyanobakterien giftig sein können, kann dies Auswirkungen insbesondere auf den
Badetourismus haben. Bereits im Sommer 2001 mussten in Deutschland Ostseestrände aufgrund von Cyanobakterien gesperrt werden.
Literatur
ALHEIT, J., HAGEN E. (2000): The effect of Climate Variation on Fish and Fisheries.
In: Jones P.D., Davies T.D., Ogilvie A.E.J., Briffa K.R. (eds): Climate and Climatic Impacts
through the Last 1000 Years, New York.
ARNELL N.W. (1999): A simple water balance model for the simulation of streamflow over a
large geographic domain. Journal of Hydrology, 217, 314-335.
ARNELL N.W. (2003): Effects of IPCC SRES emissions scenarios on river runoff: a global perspective. Hydrology and Earth System Sciences, 7, 619-641.
BANGEL H., SCHERNEWSKI G., BACHOR A., LANDSBERG-UCZCIWEK M. (2004): Spatial pattern
and long-term development of water quality in the Oder estuary, in: SCHERNEWSKI & DOLCH
(eds.): The Oder Lagoon – against the background of the European Water Framework Directive. Marine Science Reports 56 (2004).
BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT NATURSCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT (BMU) (2001): Umweltpolitik – Wasserwirtschaft in Deutschland, Berlin.
COLEMAN K., JENKINSON D., CROCKER G. ET AL. (1997): Simulating trends in soil organic carbon in long-term experiments using RothC-26.3. Geoderma, 81, 29-44.
70
EISENREICH S.J. (2005): Climate and the European water dimension. Joint Research Center European Commision, Ispra.
EUROPEAN COMMISSION (1999): Towards environmental pressure indicators for the EU, Luxembourg.
FICKE A., MYRICK C., HANSEN L. (2005): Potential Impacts of Global Climate Change on
Freshwater Fisheries – Study of the WWF – World Wide Fund for Nature, Gland.
GLAESER B. (2005): Küste, Ökologie und Mensch. Integriertes Küstenmanagement als Instrument nachhaltiger Entwicklung, München.
GLAESER B., SEKSCINSKA A. & N. LÖSER (EDS) (2005): Integrated Coastal Zone Management at
the Szczecin Lagoon: Exchange of experiences in the region, Coastline Report 6, Berlin and
Warnemünde.
HUGHES L. (2000): Biological consequences of global warming: is the signal already apparent?, Trends in Ecology & Evolution, 15; 56-61.
IMAGE TEAM (2001): The IMAGE 2.2 implementation of the SRES scenarios: A comprehensive analysis of emissions, climate change and impacts in the 21st century. National Institute
of Public Health and the Environment (RIVM), Bilthoven.
IPCC (1995): Climate Change 1995: The Science of Climate Change - Contribution of Working Group I to the Second Assessment of the Intergovernmental Panel on Climate Change.
Houghton J.T., Meira Filho L.G., Callender B.A. et al.(Eds), Cambridge.
IPCC (2001 a): Climate Change 2001: Impacts, Adaption, and Vulnerability. Contribution of
the Working Group II to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge and New York.
IPCC (2001 b): Climate Change 2001: The Scientific Basis - Contribution of Working Group I
to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC),
Houghton J. T., Ding Y., Griggs D.J. et al. (Eds.), Cambridge.
IPCC SRES (2000) Nakicenovic N. & Swart R.: Special Report on Emission Scenarios, Cambridge.
IPCC TAR (2001a): McCarthy J.J. et al.: Climate Change 2001: Impacts, Adaptation and Vulnerability, Cambridge.
IPCC TAR (2001b): Houghton J.T. et al.: Climate Change 2001: The scientific basis. Cambridge.
KARJALAINEN T., PUSSINEN A., LISKI J. ET AL. (2003): Scenario analysis of the impacts of forest
management and climate change on the European forest sector carbon budget. Forest Policy
and Economics, 5, 141-155.
KLEIN R., NICHOLLS R., RAGOONADEN S. ET AL. (2001): Technological Options for Adaptation to
Climate Change in Coastal Zones. Journal of Coastal Research, Vol. 17, No. 3, 531-543.
LM - MINISTERIUM FUER ERNAEHRUNG, LANDWIRTSCHAFT, FORSTEN UND FISCHEREI DES LANDES
MECKLENBURG-VORPOMMERN (2005): Waldzustandsbericht 2005, Schwerin.
LOESER N., SEKSCINSKA A. (2005): Integriertes Kueste-Flusseinzugsgebiets-Management an
der Oder/Odra: Hintergrundbericht. – IKZM-Oder Berichte, Nr. 14, Rostock.
LWF – BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR W ALD- UND FORSTWIRTSCHAFT (2003): LWFaktuell 37 - Klimawandel und Nachhaltigkeit aus forstlicher Sicht, München.
71
MCLEAN R.F., TSYBAN A. (2001): Costal Zones and Marines Ecosystems, Coastal Zones and
Marine Ecosystems. In: MCCARTHY JJ, CANZIANI OF, LEARY NA, DOKKEN DJ, W HITE KS (EDS):
Climage Change 2001. Impacts, Adaptation & Vulnerability. Contribution of Working Group II
to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Cambridge University Press, Cambridge, 343–379.
MENZEL A., FABIAN P. (1999): Growing season extended in Europe; Nature; P. 397, 659.
MENZEL A., ESTRELLA N., FABIAN P. (2001): Spatial and temporal variability of the phenological
seasons in Germany from 1951 to 1996; Global Change Biology 7; 657-666.
NEUMANN T., SCHERNEWSKI G. (2002): Will algal blooms in the Baltic Sea increase in future?
Model simulations with different eutrophication combat strategies. In: German National IHPOHP Committee (ed.): Low-lying Coastal Areas – Hydrology and Integrated Coastal Zone Management. UNESCO International Hydrological Programme (IHP) and WMO Operational
Hydrology Programme (OHP) – Reports, special issue 13, 139-145.
NEW M. & M. HULME (2000): Representing uncertainty in climate change scenarios: a MonteCarlo approach. Integrated Assessment 1: 203-213
OMSTEDT A. & HANSSON D. (2006): The Baltic Sea ocean climate system memory and response to changes in the water and heat balance components, in: Continental Shelf Research,
Vol. 26, January 2006, pp. 236-251
REUSCH T. B. H., EHLERS A. ET AL. (2005): Ecosystem recovery after climatic extremes enhanced by genotypic diversity, in: Proceedings of the National Academy of Sciences U.S.A.
102(8): 2826-2831.
ROESSIG J., W OODLEY C., CECH J., HANSEN L. (2005): Effects of Global Climate Change on
Marine and Estuarine Fishes and Fisheries – Study of the WWF – World Wide Fund for Nature; Gland.
RÖDER, A. (2006): Küste und Einzugsgebiet der Oder: Betrachtung von Einflüssen, Kooperationen und Perspektiven im grenzübergreifenden Raum, IKZM-Oder Berichte 29, Rostock.
SABATÉ S., GRACIA C.A., SÁNCHEZ A. (2002): Likely effects of climate change on growth of
Quercus ilex, Pinus halepensis, Pinus pinaster, Pinus sylvestris and Fagus sylvatica forests in
the Mediterranean region. Forest Ecology & Management, 162, 23-37.
SALA E., CHAPIN F.S., ARMESTO J.J. ET AL (2000): Global Biodiversity Scenarios for the Year
2100; Science 287; 1770-1774.
SCHERNEWSKI G., W IELGAT M. (2001): Eutrophication of the shallow Szczecin Lagoon (Baltic
Sea): modelling, management and the impact of weather; in: BREBIA, C.A. (Ed.) Coastal Engineering V – Computer Modelling of Seas and Coastal Regions; Southampton and Boston.
SCHNEIDER M. & TIEPOLT L. (2005): Hochwasserschutzkonzept Nordusedom, in: Glaeser B.,
Sekscinska A. & N. Löser (eds): Integrated Coastal Zone Management at the Szczecin Lagoon: Exchange of experiences in the region, Coastline Report 6, Berlin and Warnemünde.
SCHRAMEK J. (2002): Weiterentwicklung von nationalen Indikatoren fuer den Bodenschutz:
Konkretisierung der international vorgeschlagenen Indikator-Konzepte mit national verfuegbaren Parametern; Forschungsbericht 20071243 / Umweltbundesamt, Berlin.
SITCH S., SMITH B., PRENTICE I.C., ARNETH A., BONDEAU A., CRAMER W., KAPLAN J.O., LEVIS S.,
LUCHT W., SYKES M.T., THONICKE K., VENEVSKY S. (2003): Evaluation of ecosystem dynamics,
plant geography and terrestrial carbon cycling in the LPJ Dynamic Global Vegetation Model.
Global Change Biology, 9, 161-185.
72
STATISTISCHES AMT MECKLENBURG VORPOMMERN (2006): Statistisches Jahrbuch Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin.
STOCK M. (ED.) (2005): KLARA – Klimawandel – Auswirkungen, Risiken, Anpassung, PIKReport No. 99, Potsdam.
THE RAMSAR CONVENTION ON W ETLANDS (2002): Resolution VIII.4 on Integrated Coastal Zone
Management (ICZM), Valencia, Spain.
THONICKE K., VENEVSKY S., SITCH S., CRAMER W. (2001): The role of fire disturbance for global
vegetation dynamics: coupling fire into a Dynamic Global Vegetation Model. Global Ecology
and Biogeography, 10, 661-677.
THUILLER W. (2003): BIOMOD – optimizing predictions of species distributions and projecting
potential future shifts under global change. Global Change Biology, 9, 1353-1362.
THUILLER W. (2004): Patterns and uncertainties of species' range shifts under climate change.
Global Change Biology, 10, 2020-2027.
TURNER K.; PAAVOLA J.; COOPER P. ET AL (2002): Valuing nature: Lessons learned and future
research directions. CSERGE Working Paper, Centre for Social and Economic Research on
the Global Environment, University of East Anglia, Norwich. Report No. EDM 02-05, 1-30.
UMWELTBUNDESAMT, MAX PLANCK INSTITUTE FOR METEROLOGY (ED.) (2006): Künftige Klimaänderungen in Deutschland – Regionale Projektionen für das 21. Jahrhundert, 17 May 2006.
16. Juni 2006
UMWELTMINISTERIUM MECKLENBURG-VORPOMMERN
programm Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin.
(2003):
Gutachtliches
Landschafts-
VENEVSKY S., THONICKE K., SITCH S., CRAMER W. (2002): Simulating fire regimes in humandominated ecosystems: Iberian Peninsula case study. Global Change Biology, 8, 984-998.
VOLZ H.: Klimamodellierung – Unsicherheiten bei Prozessbeschreibung und Eingabedaten; in:
BAYERISCHE AKADEMIE DER W ISSENSCHAFTEN (ED.): Klimawandel im 20. und 21. Jahrhundert:
Welche Rolle spielen Kohlendioxid, Wasser und Treibhausgase wirklich?, München.
ZEBISCH M.; GROTHMANN T.; SCHROETER D. ET AL. (2005): Klimawandel in Deutschland Vulnerabilitaet und Anpassungsstrategien klimasensitiver Systeme, Dessau.
73
Herunterladen