29. Juli 1998 - Nr. 56 EWU-Monitor Das Wachstumspotential von Unternehmensanleihen in Euroland • Mit dem Beginn der Europäischen Währungsunion wird der Euroland-Bondmarkt zum zweitgrößten der Welt nach den USA. Allerdings unterscheidet er sich in der Struktur von dem US-amerikanischen. Insbesondere ist der Markt für Unternehmensanleihen noch relativ klein. • Innerhalb von Euroland ist der französische Markt für Unternehmensanleihen am weitesten entwickelt. Neben Anleihen von öffentlichen Unternehmen, die einen wichtigen Teil einnehmen, ist dort das ausstehende Volumen von Bonds privater Emittenten relative groß. • Aufgrund der traditionell engen Bindung zwischen Unternehmen und ihrer Hausbank dominieren in Europa Bankkredite. Die historisch bedingte Bindung zwischen den Banken und der Industrie ermöglichte den Unternehmen oftmals sehr günstige Kredite. • Syndizierte Kredite stellen ein flexibles Finanzierungsinstrument dar. Obwohl sie ein Substitut für eine Anleiheemission sind, können sie auch als der erste Schritt hin zu einer Emission betrachtet werden. • Wir sehen ein bedeutendes Wachstumspotential für Unternehmensanleihen in Euroland. Mit der EWU und der voranschreitenden Globalisierung verstärkt sich der Wettbewerb. Um sich in diesem Umfeld zu behaupten, werden Unternehmen nach günstigen Finanzierungsmöglichkeiten suchen. Der EurolandBondmarkt bietet neue Chancen. Da mit der EWU das Währungsrisiko verschwindet, werden sich Investoren zunehmend auf Duration und Bonität konzentrieren, um höhere Renditen zu erzielen. Unternehmensanleihen stellen eine attraktive Anlagealternative dar, und werden daher auf eine wachsende Nachfrage treffen. Anja Heilenkötter (069) 910-34453 Thomas Jost (069) 910-37159 2 Mit der Währungsunion wird der Rentenmarkt im Währungsraum „Euroland” nach den USA zum zweitgrößten der Welt. Allerdings unterscheidet er sich in der Struktur vom US-amerikanischen Anleihemarkt. Der Anteil von Anleihen nicht-öffentlicher Emittenten und insbesondere auch der Markt für Industrieanleihen sind deutlich kleiner als in den USA. Europäische Unternehmen refinanzieren sich in erster Linie durch Bankkredite statt durch die Emission von Anleihen1). Lediglich französische Unternehmen nutzen den Bondmarkt vermehrt zur Fremdfinanzierung. Im folgenden bezeichnen wir solche Anleihen als Unternehmensanleihen, die von Unternehmen außerhalb des Finanzsektor emittiert worden sind. Diese unterteilen wir in Industrieund Versorgungsunternehmen. Unternehmen, die zu mindestens 50% der öffentlichen Hand gehören, gelten als öffentliche Unternehmen. Anteil von Unternehmensanleihen am europäischen Bondmarkt noch relativ klein Da wir davon ausgehen, daß sich trotz vieler Unterschiede der europäische Markt für Unternehmensanleihen dem US-amerikanischen annähern wird, geben wir zuerst einen kurzen Überblick über den USMarkt. Unternehmensanleihen US-amerikanischer Emittenten Der US-amerikanische Markt für Unternehmensanleihen ist weltweit der größte und am weitesten entwickelte. Hintergrund hierfür ist, daß in den USA langfristiges Kapital für Unternehmen von Pensionsfonds und Versicherern, hier insbesondere von Lebensversicherungen zur Verfügung gestellt wird. Dies erfolgt zumeist in verbriefter Form, d.h. in Form von öffentlichen Anleihen oder Privatplazierungen, erfolgt. Im Gegensatz hierzu wird langfristiges Fremdkapital im europäischen Markt hauptsächlich von Banken in Form von Krediten bereitgestellt. Zum Vergleich: Während bei US-amerikanischen Unternehmen 63% der Fremdmittel in Form von Anleihen aufgenommen werden, ist die Relation bei deutschen Unternehmen umgekehrt, 91% der Fremdmittel sind Bankdarlehen, nur 2% sind verbriefte Schuldverschreibungen. Das übrige Fremdkapital besteht größtenteils aus Pensionsrückstellungen. Pensionsfonds und Versicherer stellen Langfristkapital zur Verfügung Bis auf wenige Ausnahmen sind alle am US-Markt befindlichen Anleihen mit einem expliziten Rating versehen, zumeist von einer der bekanntesten Rating-Agenturen Standard & Poor’s (”S&P”) oder Moody’s. Die Ratingeinschätzungen (S&P) reichen von ”AAA” bis ”D”. Ratings zwischen ”AAA” bis ”BBB” werden als ”Investment Grade” bezeichnet, die darunter liegenden Ratingeinschätzungen als ”Subinvestment Grade”. Die meisten Anleihen werden weiterhin mit einem Rating der National Association of Insurance Commisioners (”NAIC”) versehen. Die Ra tinge inschä tzunge n von S&P, Moody's und NAIC S&P Moody’s AAA AA (+/flat/-) A (+/flat/-) BBB (+/flat/-) BB (+/flat/-) B (+/flat/-) CCC Aaa Aa (1/2/3) A (1/2/3) Baa (1/2/3) Ba (1/2/3) B (1/2/3) Caa NAIC 1 2 3 4 5 1) Für detailliertere Angaben s. “The Euro Capital Market“, Deutsche Bank Research, Mai 1998 3 Während amerikanische Pensionsfonds und Versicherungen in Anleihen des gesamten ”Investment Grade” Spektrums investieren, konzentieren sich europäische und insbesondere deutsche Versicherungen auf Anleihen von Emittenten hervorragender Bonität, d.h. solche, die mit einem Rating von ”AAA/Aaa” oder ”AA/Aa” versehen sind. Unternehmensanleihen in den USA Aaa-Aa3 (9 %) A1-A3 (27 %) Im 4. Quartal 1997 betrug das Volumen aller inländischen mit einem Rating ausgestatteten Unternehmensanleihen USD 790 Mrd. Es übertraf somit deutlich das Volumen der Anleihen inländischer Finanzinstitute. B1-B3 (24 %) 63% der in den USA ausstehenden Unternehmensanleihen sind mit einem Rating von ”Aaa” bis ”Baa”, d.h. mit einem InvestmentgradeStatus versehen. Allerdings nahm das Volumen der hochverzinslichen, auch ”High Yield Bonds” oder ”Junk Bonds” genannten Anleihen zuletzt deutlich zu. Das Volumen der Neuemissionen dieser Kategorie (below investment grade) verdoppelte sich 1997 gegenüber 1996. Ein Grund für das starke Wachstum dieses Segmentes ist sicherlich das derzeitig sehr niedrige Zinsumfeld, welches Anleihen mit einem hohen unternehmensspezifischen Renditeaufschlag zu einer attraktiven Anlagealternative macht. Baa1-Baa3 (27 %) Ba1-Ba3 (13 %) Quelle: Moody’s Der europäischer Markt für Unternehmensanleihen Wir konzentrieren uns zunächst auf Anleihen, die von in Euroland ansässigen Unternehmen in einer Euroland-Währung emittiert wurden. Dieser Markt ist mit einem ausstehende Volumen von USD 136 Mrd. im Vergleich zum US-Markt recht klein. Die Hälfte des Volumens nehmen Anleihen nicht-öffentlicher Industrieunternehmen ein. Die zweitwichtigste Position haben Anleihen öffentlicher Versorger inne. Innerhalb Europas variiert die Größe und Struktur des Marktes für Unternehmensanleihen stark zwischen den einzelnen Staaten. Der am weitesten entwickelte Markt ist der französische. Ende Juni 1998 belief sich das Volumen der ausstehenden Anleihen auf USD 80 Mrd. und nahm damit weit über die Hälfte aller Unternehmensanleihen in Euroland ein. Charakteristisch für den französischen Markt ist die starke Präsenz von Versorgungsunternehmen. Das Volumen der von ihnen begebenen Anleihen beträgt derzeit USD 39 Mrd. und ist damit sogar größer als das der privaten Unternehmen. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist der Anteil von Anleihen öffentlicher Unternehmen relativ hoch. Dies geht z.T. auf die französische Wirtschaftsstruktur zurück, Französischer Markt für Unternehmensanleihen in Euroland am weitesten entwickelt Anleih en von U nterneh m en m it S itz in Euro land in Euro landw ährun gen (in U S D M io.) S taat In dus trieun tern ehm en nic ht-öffentlic h öffentlic h Vers o rger nic ht-öffentlic h Fra nk reic h 28.129 13.011 Deuts c hla nd 15.191 308 0 3.291 18.790 Niederla nde 12.535 225 84 1.049 13.893 7.247 2.142 0 9.614 19.003 S pa nien 413 112 1,87 1.016 3.411 Ö s terreic h 381 57 0 496 934 63.896 15.855 7.987 48.334 136.072 Ita lien Ges a m t Q uelle: B o ndware, eigene B erec hnungen 4 6.033 G es am t öffentlic h 32.868 80.041 die lange Zeit durch einen hohen Anteil an staatlichen und teilstaatlichen Unternehmen gekennzeichnet war. Besonders für diese Unternehmen ist eine Plazierung am Rentenmarkt relativ leicht. Mit der fortschreitenden Privatisierung staatlicher Unternehmen verschwindet dieser Vorteil. Alleine das Volumen der Anleihen französischer, nicht-öffentlicher Industrieunternehmen ist doppelt so groß wie das deutscher Emittenten. Bemerkenswert ist auch, daß von den 36 Nicht-Banken, die im französischen Aktienindex CAC vertreten sind, 17 bereits am Anleihemarkt etabliert sind. Das heißt, daß sich fast jedes zweite französische Topunternehmen teilweise am Rentenmarkt refinanziert. Unternehmensanleihen deutscher Emittenten nehmen mit einem Volumen von beinahe USD 19 Mrd den zweiten Platz im europäischen Vergleich ein. Zum Vergleich: der französische Markt ist mehr als viermal so groß. Im Gegensatz zu Frankreich dominieren innerhalb des deutschen Marktes Anleihen nicht-öffentlicher Unternehmen. Versorgungsunternehmen bestreiten lediglich ein Viertel, während öffentliche Unternehmen kaum vertreten sind. Betrachtet man die Art der Emittenten, so fällt auf, daß nicht einmal jedes dritte Unternehmen, das im DAX vertreten ist, bisher eine Anleihe emittiert hat. Deutsche Emittenten belegen Platz 2 in Euroland Der niederländische Markt für Industrieanleihen ist dem deutschen in Größe und Struktur sehr ähnlich. Mit Ausnahme von Italien sind die anderen Märkte noch vernachlässigbar klein. Bisher unterscheidet man bei Anleihen zwischen Inlands- und Eurobonds. Die Abgrenzung variiert z.T. zwischen den Ländern. Zu unseren Zwecken definieren wir eine inländische Anleihe als eine Anleihe, die von einem inländischen Emittenten in der inländischen Währung begeben wird und vornehmlich bei inländischen Investoren plaziert wird. Eine Euroanleihe ist hingegen eine Anleihe, die von einem ausländischen Emittenten über ein internationales Konsortium emittiert wird. Bei der Wahl der Anleiheart stehen für den Emittenten vor allem steuerliche Kriterien im Vordergrund. Für Investoren gibt es hingegen kaum Unterschiede. Im europäischen Vergleich fällt auf, daß sich deutsche Unternehmen primär des Euromarktes bedienen. Euroanleihen mit einem Volumen von USD 17,1 Mrd. stehen Inlandsanleihen in Höhe von nur USD 1,6 Mrd. gegenüber. In den Niederlanden ist das Verhältnis sehr ähnlich. Französische Emittenten nutzen hingegen gleichermaßen den Inlands- und den Euromarkt. Eu ro anleihen vo n Ind us trieun tern ehm en Au fteilun g nac h W äh ru ng en (in U S D M io.) E uroland W ährun gen USD S on s tige G es am t Fra nk reic h Deuts c hla nd Niederla nde Ita lien Spa nien Ö s terreic h 13.370 13.919 10.936 5.894 0 0 8.797 9.254 5.247 2.757 1.200 0 3.162 1.761 470 688 484 307 25.329 24.934 16.653 9.339 1.684 307 Ges a m t 44.119 27.255 6.872 78.246 S taat Q uelle: B o ndware, eigene B erec hnungen 5 Der DEM-Inlandsmarkt wird zumeist von Emittenten in Anspruch genommen, die die Mittel über einen inländischen Emittenten aufnehmen wollen. Bisher ist kaum ein Unternehmen, welches eine Inlandsanleihe emittiert hat, mit einem Rating ausgestattet. Der Bekanntheitsgrad am heimischen Markt reichte lange Zeit aus, um eine Anleihe bei inländischen Investoren zu plazieren. Viele ausländische Investoren, insbesondere institutionelle Investoren, richten ihre Anlageentscheidung jedoch stark am Vorhandensein eines Ratings aus. Hintergrund hierfür ist, daß ausländische Investoren mit dem Emittenten zumeist weniger vertraut sind. Ein Rating, welches eine Bonitätseinschätzung einer unabhängigen Einrichtung darstellt, schafft oftmals das für eine Investition notwendige Vertrauen. Aus diesem Grund ist ein größerer Anteil der Emittenten von in Fremdwährungen denominierten Euroanleihen mit einem Rating ausgestattet. Derzeit haben etwa ein Viertel aller deutschen Schuldner ein Rating. Die Einführung des Euros wird zu steigenden Wettbewerb um Investoren sowie einer stärker werdenden geographischen Diversifizierung auf Investorenseite führen. Ratings werden somit auch für inländische Investoren in der Zukunft eine bedeutendere Rolle spielen. Rating gewinnt an Bedeutung Im französischen Markt, der vor allem durch institutionelle Investoren geprägten ist, sind Ratings sowohl bei Euro- als auch bei Inlandsbonds viel weiter verbreitet. Will man einen genaueren Überblick über das Finanzierungsverhalten europäischer Unternehmen erhalten, so müssen auch die Euroanleihen berücksichtigt werden, die von in Euroland ansässigen Unternehmen begeben bzw. garantiert wurden, aber nicht auf Euroland-Währungen lauten. Bei deutschen und französischen Unternehmen entspricht das ausstehende Volumen dieser Anleihen in etwa dem Volumen der Euroanleihen in Euroland-Währungen. Daraus geht hervor, daß der USD bei der Finanzierung auch bei Unternehmen in Euroland eine wichtige, jedoch keine übergeordnete Rolle spielt. Zudem muß berücksichtigt werden, daß ein Teil der aufgenommenen Mittel zwar von der europäischen Muttergesellschaft garantiert, aber für Investitionen von Tochtergesellschaften außerhalb Europas eingesetzt wurde. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß europäische Unternehmen bisher nur vereinzelt den Kapitalmarkt zur Fremdfinanzierung nutzen. Während der gesamte Euroland-Anleihemarkt halb so groß wie der US-amerikanische Rentenmarkt ist, entspricht das Volumen der ausstehenden Unternehmensanleihen in Euroland-Währungen nur einem Zehntel des Volumens aller amerikanischen Inlandsanleihen die von einem mit einem Rating ausgestatteten Unternehmen emittiert wurden. Betrachtet man nur den DEM-Anleihemarkt, so ist die Diskrepanz noch größer. Während der USD-Markt fünfmal so groß wie der DEM-Markt ist, ist das ausstehende Volumen von Unternehmensanleihen hundertmal so groß. Der Grund für die geringe Verbreitung von Unternehmensanleihen in Europa liegt darin, daß Langfristkapital in Europa in erster Linie durch Banken in Form von Krediten bereitgestellt wird. Insbesondere in Deutschland bestehen traditionell enge Beziehungen zwischen Industrieunternehmen und Banken. Die meisten Unternehmen hatten früher eine ”Hausbank”, inzwischen meist eine Gruppe von ”Kernbanken”, die erster Ansprechpartner in Finanzfragen sind. 6 Langfristkapital wird in Europa in erster Linie durch Banken zur Verfügung gestellt Diese Banken konnten Unternehmen bisher Kredite zu Konditionen geben, die im Anleihemarkt nicht darstellbar waren. Im folgenden werden wir aufgrund dieser Konkurrenzsituation den europäischen Kreditmarkt näher beleuchten. Kreditfinanzierung in Europa Ein Blick in die Bundesbankstatistik verdeutlicht die Dominanz der Bankkredite bei der Unternehmensfinanzierung in Deutschland. Wie die Tabelle veranschaulicht, stellen Bankkredite mit 45% den größten Posten bei den Verpflichtungen und dem Aktienumlauf dar. Der Anteil der Verpflichtungen aus Rentenwerten beträgt lediglich 2,4% und ist von 1990 bis 1996 nicht gewachsen. Das Volumen der ausstehenden Bankkredite war Ende 1996 zwölfmal so groß wie die Verpflichtungen aus Rentenwerten. Dies steht im klaren Gegensatz zum US-Markt, wo ca. 2/3 des von Unternehmen aufgenommenen Fremdkapitals verbriefte Schuldtitel sind, während 1/3 Darlehen sind. Volumen ausstehender langfristiger Bankkredite in Deutschland zwölfmal größer als das von Rentenwerten Verbindlichkeiten und Aktienumlauf deutscher Produktionsunternehmen (in DEM Mrd.) 1990 in % 1996 in % Längerfristig Bankkredite Darlehen der Versicherungen Verbindlichkeiten aus R entenwerten Um lauf von Aktien Sonstige Verbindlichkeiten darunter: ggü. A rbeitnehm ern Kurzfristig Bankkredite Sonstige Verbindlichkeiten 1.936,5 713 86,4 64,1 597,5 475,5 197,3 682,2 472,1 210,1 73,9 27,2 3,3 2,4 22,8 18,2 7,5 26,1 18,0 8,0 3.067,6 1.206,4 110,1 95,7 1.136,7 518,7 266,3 895 590,3 304,7 77,4 30,4 2,8 2,4 28,7 13,1 6,7 22,6 14,9 7,7 Gesamt 2.618,7 100,0 3.962,6 100,0 Quelle: B undes bank Die starke Dominanz von Bankkrediten in Europa ist auf einige besondere Eigenschaften des europäischen und insbesondere des deutschen Marktes zurückzuführen: Ein wichtiger Grund für die Dominanz der Bankkredite in Deutschland ist die traditionell enge Verknüpfung zwischen dem Industrie- und dem Bankensektor. Die Wurzeln dieser Beziehung gehen in die Industrialisierungsphase Deutschlands und den Aufbau des deutschen Bankensystems im letzten Jahrhundert zurück. Als die Industrie Ende des letzten und Anfang diesen Jahrhunderts expandierte, standen ihr deutsche Banken mit bedeutenden Krediten und sogar mit dem Erwerb von Anteilswerten zur Seite. Auf diese Weise wurde eine zumeist sehr enge Beziehung zwischen einem Unternehmen und seiner Bank – der sogenannten ”Hausbank” – geschaffen. Das starke Engagement deutscher Banken ermöglichte die Bildung starker Unternehmen. Während französische Unternehmen aufgrund von Kapitalmangel längere Zeit in Familienbesitz blieben, wurden in Deutschland bereits Ende des letzten Jahrhunderts große Aktiengesellschaften gegründet. Bankkredite dominieren aufgrund von enger Verknüpfung zwischen Industrie- und Bankensektor Das deutsche Bankensystem ist zudem durch eine hohe Dichte von Banken hervorragender Bonität und durch die Existenz von Universalbanken geprägt. Banken fungieren gleichzeitig als Geschäfts- und Investmentbanken. Obwohl Banken von jeher Emissionen von Anleihen 7 und Aktien für ihre Kunden durchführten, sahen sie die Kreditlinie als Basis ihrer Kundenbeziehung. Ein Spezifikum ist dabei die Verfügbarkeit von langfristigen Krediten für Investitionen auch zu festen Zinsen. Solche Kredite weisen gegenüber Anleihen den Vorteil auf, daß sie flexibler in Anspruch genommen werden können, und zwar sowohl im Hinblick auf den Betrag, als auch den bzw. die Auszahlungs- sowie die Rückzahlungstermine. Die Banken können solche Kredite auch deswegen vergeben, weil ihnen in der Regel ausreichende Sicherheiten zur Verfügung stehen. Alle diese Faktoren haben dazu beigetragen, daß Geschäftsbanken bisher bereit waren, ihren Kunden relativ hohe Kreditvolumina zu günstigen Konditionen einzuräumen. Der Wettbewerb der Banken um vertretbare Kreditrisiken sorgte für einen relativ starken Margendruck und eröffnete vor allem Großunternehmen im Vergleich zum Anleihemarkt kostengünstige und sehr flexible Finanzierungsmöglichkeiten. Syndizierte Kredite Bei Engagements ab ca. DEM 10 Mio. stellen syndizierte Kredite eine attraktive Finanzierungsform dar. Dabei handelt es sich um Kredite, die mindestens zwei Banken einem Unternehmen zur Verfügung stellen. Bei meist mittleren Laufzeiten sind die Zinssätze i.d.R. variabel. Die Vorteile dieser Finanzierungsform liegen in der hohen Flexibilität in der Ausgestaltung. So kann die Laufzeit zwischen wenigen Monaten und 25 Jahren betragen. Die Rückzahlungsmodalitäten können auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten werden, so daß der Kredit beispielsweise einer Linie ähneln kann. Das Volumen variiert zwischen DEM 10 Mio. und DEM 15 Mrd. Syndizierte Kredite sind in den vergangenen Jahren besonders in Deutschland trotz ihres relativ geringen Volumens gegenüber traditionellen Krediten auf eine wachsende Beliebtheit gestoßen. Das ausstehende Volumen inländischer DEMKredite betrug Mitte 1998 fast USD 30 Mrd. In Frankreich belief sich das der FRF-Kredite auf USD 28 Mrd. Stellt man es dem jeweiligen ausstehenden Volumen der Industrieanleihen gegenüber, so wird deutlich, daß syndizierte Kredite ein Substitut für Industrieanleihen sind. Während in Frankreich die Anleihen dominieren, liegen in Deutschland die syndizierten Kredite vorn. Werden die Schuldner betrachtet, so handelt es sich tendenziell um mittlere und größere Unternehmen. Von den 65 deutschen Schuldnern sind lediglich fünf im DAX vertreten. Auch in den Niederlanden, in Spanien und Italien sind syndizierte Kredite weit verbreitet. Syndizierte Kredite und Industrieanleihen in Eurolandwährungen Mrd. USD Syndizierte Kredite 60 50 Industrieanleihen 40 30 20 10 0 FRF DEM NLG ITL ESP Quelle: Bondware, Loanware; eigene Berechnungen Emittenten 8 80 70 Einerseits stellen syndizierte Kredite ein Konkurrenzprodukt zu Industrieanleihen dar und limitieren so ihr Wachstumspotential. Andererseits sind sie für viele Unternehmen auch eine Vorstufe für eine spätere Anleiheemission. Auf Unternehmensseite gewinnt ”Shareholder Value” immer stärker an Bedeutung. Um eine höhere Eigenkapitalrendite zu erzielen, sind Unternehmen – insbesondere angesichts der derzeit sehr niedrigen Zinsen – willens, eine höhere Fremdverschuldung einzugehen, um so bei höherem Leverage die selbstgesteckten Rentabilitätsziele erzielen zu können. Die erhöhte Fremdfinanzierung wird vermehrt über Bondemissionen erfolgen. Denn zum einen führt der wachsende Wettbewerb unter den Investmentbanken zu geringeren Emissionskosten. Zum anderen begrenzt der Faktor Eigenkapital die Bereitschaft vieler Banken mit zusätzlichen, sehr günstigen Krediten zur Verfügung zu stehen. 90 Shareholder-Value-Prinzip führt zu höherer Verschuldung Wir erwarten, daß die Zahl der Unternehmensfusionen und -übernahmen weiter zunehmen wird. Der durch eine Unternehmensübernahme entstehende oftmals sehr große Fremdkapitalbedarf wird zumeist nicht alleine durch Bankkredite abgedeckt, sondern auch durch die Emission von Anleihen. Aus strategischen Gründen erscheint es sinnvoll, sich frühzeitig am Kapitalmarkt bei möglichst vielen Investoren auch außerhalb des Bankensektors zu etablieren, um den im Fall einer Übernahme hohen Fremdkapitalbedarf auch in Form von Anleihen dekken zu können. Aufgrund der nun schon seit einigen Jahren anhaltenden Hausse an den Aktienmärkten stellen auch Eigenkapitalerhöhungen – so wie sie oft mit Akquisitionen einhergehen – eine sehr attraktive Finanzierungsform dar. Eine Erhöhung des Eigenkapitals wird, um gleichbleibendes Leverage zu erwirken, sehr günstig durch Fremdkapital ergänzt. Ein Beispiel hierfür ist die Mannesmann AG, die Anfang des Jahres im Zuge der Eigenkapitalerhöhung mit großem Erfolg DEM 900 Mio. in Form einer DEM-Anleihe mit einer Laufzeit von 7 Jahren aufgenommen hat. Unternehmensfusionen und -übernahmen steigern Fremdkapitalbedarf Investoren Auch auf Investorenseite lassen vor allem die Einführung des Euros und Veränderungen bei der Altersversorgung auf ein Wachstum des Marktes für Unternehmensanleihen schließen. Mit der EWU werden tiefgehende Veränderungen eingeläutet. Mit dem Wegfall des Währungsrisikos müssen Investoren nach neuen Möglichkeiten suchen, um überdurchschnittlich hohe Renditen zu erzielen. Dies gilt insbesondere im aktuellen Umfeld niedriger Renditen. Investoren werden sich in Zukunft auf die Faktoren Duration und Kreditrisiko konzentrieren. Dies gilt insbesondere für institutionelle Anleger wie bspw. Lebensversicherungen, die sich zu einer jährlichen Mindestrendite verpflichtet haben. Die Performance-Messung an einer internationalen Benchmark wird zahlreiche Anleger dazu veranlassen, in höher verzinsliche Anleihen zu investieren. Unternehmensanleihen stellen in diesem Zusammenhang eine attraktive Alternative dar. Überdurchschnittliche Renditen durch Duration und Bonitätsrisiko erzielbar Zusätzlich sehen wir derzeit eine Verschiebung hin zur privaten Altersversorgung. Während in Deutschland die Finanzierung der Altersrenten nach dem Umlageverfahren sowie über unternehmensinterne Rückstellungen bei der betrieblichen Altersversorgung erfolgt, wird in Ländern wie den USA oder Großbritannien ein weit größerer Teil der Altersvorsorge, insbesondere im betrieblichen Bereich, über Pensionsfonds abgewickelt, die ihre Mittel am Kapitalmarkt anlegen. Aufgrund der demographischen Entwicklung wird die Altersvorsorge über das Umlageprinzip mit der Zeit nicht mehr ausreichen, weswegen bereits ein Trend zu kapitaldeckenden Finanzierungsformen eingesetzt hat. Für Pensionsfonds besteht daher ein starkes Wachstumspotential. Eine Reihe von europäischen Ländern haben Pensionsfonds angelsächsischen Typs bereits eingeführt. Nicht nur aufgrund des Ziels, ein gewisses Renditeniveau zu erreichen, sondern auch aufgrund des durch den Stabilitätspakt begrenzten Wachstums von Staatsanleihen wird eine zusätzliche Nachfrage nach Industrieanleihen entstehen. Auch das Verhalten der Privatanleger bedingte bisher eine geringe Präsenz von Unternehmensanleihen. Hier dominierten lange Zeit Bankeinlagen in Form von Sicht, Termin- und Spareinlagen. Direktanlagen der privaten Haushalte in Wertpapieren haben erst in den letzten Jahren an Gewicht gewonnen. Betrachtet man die Geldvermögensbildung in Deutschland, so waren 1996 die zusätzlichen Geldanlagen der Konsumenten doppelt so hoch wie der Erwerb von Wertpapieren (Renten, Geldmarktpapiere, Investmentzertifikate und Aktien). 9 Ausblick Mit dem Beginn der Währungsunion entsteht ein beachtliches Wachstumspotential für europäische Industrieanleihen. Nicht nur durch die Einführung der gemeinsamen Währung, sondern auch durch die zunehmende Globalisierung müssen sich Unternehmen einem wachsenden Wettbewerbsdruck stellen. Dabei wird eine günstige Finanzierung weiter an Bedeutung gewinnen. Zwar haben sich die Zinsmargen bei Bank- und syndizierten Kredite in den vergangenen Jahren verengt, doch stellen die Kredite im Vergleich zur direkten Verschuldung am Kapitalmarkt oftmals nicht die günstigste Finanzierungsart dar. Aufgrund des wachsenden Risikobewußtseins der Banken, das durch das Eigenkapital als limitierender Faktor noch verstärkt wird, wird die Bereitschaft der Banken, den Unternehmen günstige Kredite zu gewähren, tendenziell sinken. Der europäische Rentenmarkt, der durch die Währungsunion größer, liquider und transparenter wird, bietet hingegen neue Chancen für die Finanzierung. Daher ist zu erwarten, daß die direkte Finanzierung am Kapitalmarkt einen Teil der Bankkredite verdrängen wird. Der Wettbewerb unter den europäischen Brokerhäusern wird steigen und die Preise einer Syndizierung drücken. Um weitere Kosten zu sparen, wird der Trend hin zu Emissionen mit einem größeren Volumen gehen. Dies führt wiederum zu einer höheren Liquidität der Wertpapiere. Beachtliches Wachstumspotential für europäische Industrieanleihen Mit dem Wegfall des Währungsrisikos innerhalb von Euroland werden sich die Investoren auf Faktoren wie Duration und Bonität des Emittenten konzentrieren, um überdurchschnittliche Renditen zu erzielen. Unternehmensanleihen mit einer vergleichsweise hohen Rendite stellen eine attraktive Anlagealternative dar. Auch für Anleihen von Emittenten mit einer nicht zweifelsfreien Bonität (Junk Bonds) sehen wir gute Entwicklungsmöglichkeiten. Zum Vergleich: In den USA verbreiteten sich die Bonds von Unternehmen mit einer niedrigen Bonität so stark, daß ihre Marktkapitalisierung Ende 1995 bereits einem Drittel der Kredite entsprach, die Banken Unternehmen entsprechender Bonität gewährten. Zwar läßt sich gerade im Fall der Junk Bonds die Entwicklungen des US-amerikanischen Marktes nicht eins zu eins auf den europäischen übertragen. Denn zum einen wird das traditionelle Verhältnis zur Hausbank bzw. den Kernbanken mit dem Eintritt der EWU nicht aufgelöst, zumal die Zinsmargen in Deutschland deutlich geringer als in den USA sind und die syndizierten Kredite eine gute Alternative bieten. Zum anderen wird die Risikobereitschaft europäischer Anleger und damit die Nachfrage nach hochverzinslichen Industrieanleihen weiter zunehmen, jedoch kaum der hohen Risikobereitschaft amerikanischer Anleger gleichkommen. Aber dennoch bietet der US-amerikanische Markt einen guten Anhaltspunkt für die Entwicklungschancen in Europa. Mit einem ausstehenden Volumen von USD 790 Mio. ist der US-amerikanische Markt für Unternehmensanleihen zehnmal so groß wie der europäische, während der gesamte Rentenmarkt nur doppelt so groß ist. Wie die vermehrten Emissionen europäischer Unternehmen seit Jahresbeginn zeigen, hat der Wachstumstrend des Marktes für europäische Unternehmensanleihen bereits eingesetzt. Trotz traditioneller Unterschiede wird sich der europäische dem USamerikanischen Markt annähern 10 Bulletin Aktuelle Wirtschafts- und Währungsfragen Print: ISSN 0944-7296 / Internet: ISSN 1435-070X Das Bulletin beinhaltet fundamentale Analysen sowie ausführliche Meinungsbeiträge und Kommentare. Es werden über den Tag hinaus wirkende strukturprägende Ereignisse und Entwicklungen aufgegriffen. Dabei geht es vor allem um wirtschaftspolitische Fragestellungen, gesamtwirtschaftliche Trends (Arbeitsmarkt, Gütermarkt, Geldmarkt, Kapitalmarkt, EU, Altersversorgung) sowie Entwicklungen in einzelnen Branchen und auf einzelnen Märkten - insbesondere den Finanzmärkten. Zuletzt sind folgende Aufsätze erschienen: Thema F •• • • • • Deutschland braucht attraktive Pensionsfonds Pensionsfonds in Europa auf Erfolgskurs Anlagenotstand - ein weltweites Phänomen Die Asienkrise - zwölf Thesen zu Ursachen und Perspektiven Mindeststeuer: Sinnvolle Ergänzung des Steuersystems? Immobilienmärkte Osteuropas: Warschau, Budapest, Prag • Krise im japanischen Finanzsystem • Die Währungskrise in Asien: Wachstumsdelle oder Ende des Wirtschaftswunders? • EU-Erweiterungsfahrplan auch ohne Reformen beschlossen • Corporate governance in Deutschland: Vom Aufsichtsrat zum Kapitalmarkt • Auszug der Eliten • Privatisierung der Rentenversicherung - ein Weg aus dem Dilemma der Sozialpolitik • Immobilienmärkte europäischer Finanzmetropolen: London, Paris, Frankfurt am Main • Zentralisierung der Wirtschaftspolitik in Europa - Königsweg oder Sackgasse für die europäische Integration? • Finanzmärkte im Überschwang • Höhere Krisenanfälligkeit der Emerging Markets durch verstärkte regionale Integration? • Der Euro - eine Herausforderung für den Dollar? • Plädoyer für eine Hochschulreform in Deutschland • Die Mär von der neoliberalen Politik • Hongkong - der Countdown läuft • Chancen auf dem Weltmarkt der Wasserwirtschaft Bestelladresse siehe nächste Seite. Ausgabe 9. Juli 1998 24. März 1998 17. Dezember 1997 5. November 1997 9. Juli 1997 4. April 1997 Deutschland braucht attraktive Pensionsfonds Pensionsfonds in Europa auf Erfolgskurs Das komplexe System der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland weist erhebliche Schwachstellen auf. Die Folge ist, daß viele Unternehmen ihre betrieblichen Versorgungsleistungen einschränken oder sich ganz aus der Altersversorgung zurückziehen. Durch die Einführung von Pensionsfonds, die sich an internationalen Standards orientieren, könnte eine Trendwende herbeigeführt werden. Der Mangel an einer flexiblen, kostengünstigen und insbesondere auch für mittelständische Unternehmen attraktiven Alternative zu den bestehenden Durchführungsformen der betrieblichen Altersversorgung würde behoben. In Europa sind Pensionsfonds auf Erfolgskurs. In Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz tragen Betriebsrenten ganz erheblich zu den Alterseinkommen bei. In Italien und Spanien, wo die betriebliche Altersversorgung in der Vergangenheit relativ unbedeutend war, sind in den neunziger Jahren die gesetzlichen und steuerlichen Grundlagen für die Einführung von Pensionsfonds geschaffen worden. In Frankreich allerdings sind entsprechende Bemühungen zunächst einmal ins Stocken geraten. Einzelausgaben erhältlich bei: Für Abonnements der Reihe “Bulletin” wenden Sie sich bitte an: Deutsche Bank Research Frau Eva Lange 60272 Frankfurt am Main Deutsche Bank Research Marketing 60272 Frankfurt am Main Tel.: (069) 910-31885 Fax: (069) 910-31833 Fax: (069) 910-31877 Internet: http://www.deutsche-bank.de/dbr © 1998. Deutsche Bank AG, DB Research, D-60272 Frankfurt am Main, Bundesrepublik Deutschland (Selbstverlag). Alle Rechte vorbehalten. Bei Zitaten wird um Quellenangabe „Deutsche Bank Research“gebeten. Die in dieser Veröffentlichung enthaltenen Informationen beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen, die wir für zuverlässig halten. 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