7. Lagrange-Gleichungen erster und zweiter Art

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Übungen zur T1: Theoretische Mechanik, SoSe2014
Prof. Dr. Dieter Lüst
Theresienstr. 37, Zi. 425
Dr. Reinke Sven Isermann
[email protected]
7. Lagrange-Gleichungen erster und zweiter Art
Übung 7.1: Perle auf Stab
Eine Perle gleite reibungsfrei und ohne äußere Kräfte auf einem Stab, der sich in der x-y-Ebene
mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω um den Ursprung dreht.
a) Stellen Sie die Bewegungsgleichung mit Hilfe der Lagrange-Gleichungen erster Art auf.
Lösen Sie die Bewegungsgleichung. Führen Sie die Rechnungen in Zylinderkoordinaten
durch. Wie lautet die Zwangskraft? Welche Bedeutung hat sie? Ist die Energie erhalten?
b) Verwenden Sie nun die Lagrange-Gleichungen zweiter Art um die Bewegungsgleichungen
für diese Problem aufzustellen.
Lösung von Übung 7.1
a) Die Perle kann sich nur entlang des Stabes bewegen; sie besitzt also nur einen Freiheitsgrad.
Die beiden Zwangsbedingungen lauten
f1 = ϕ − ωt = 0 , f2 = z = 0
Hier ist ϕ der Polarwinkel in der x − y-Ebene. Es ist für das Endergebnis unerheblich, ob
die Rechnungen in Zylinder- oder kartesischen Koordinaten durchgeführt werden, Zylinderkoordinaten sind aber aufgrund der Rotationssymmetrie einfacher. Da die Bewegung
vollständig in einer Ebene stattfindet, kann das äquivalente zweidimensionale Problem behandelt werden. Es ist daher nur eine Zwangsbedingung mit einem Lagrange-Multiplikator
λ nötig:
mẍ = λ∇f ,
z=0.
Der Gradient in Zylinderkoordinaten lautet
∇f = êρ
∂f
1 ∂f
+ êϕ
.
∂ρ
ρ ∂ϕ
Der Ortsvektor liegt in der x − y-Ebene und zeigt in radiale Richtung. Daher kann er als
x = ρêρ
geschrieben werden. Die Beschleunigung in Zylinderkoordinaten ist (mit z = 0),
ẍ = (ρ̈ − ρϕ̇2 )êρ + (ρϕ̈ + 2ρ̇ϕ̇)êϕ .
Allerdings ist weiterhin ϕ̇ = ω konstant und damit
ẍ = (ρ̈ − ρϕ̇2 )êρ + 2ρ̇ϕ̇êϕ .
1
Die Koeffizienten der Basisvektoren êρ und êϕ müssen die Bewegungsgleichung erfüllen.
Dies führt auf das Zwischenergebnis
mρ̈ − mρϕ̇2 = λ
λ ∂f
∂f
, mρϕ̈ + 2mρ̇ϕ̇ =
.
∂ρ
ρ ∂ϕ
(1)
Offensichtlich ist ∂f /∂ρ = 0 und ∂f /∂ϕ = 1. Die zweite Zeitableitung der Zwangsbedingung lautet
f¨ = ϕ̈ = 0
und führt nach Einsetzen in (1) auf
λ = 2mρρ̇ϕ̇ .
Die resultierenden Bewegungsgleichungen sind also
mρ̈ − mρϕ̇2 = 0 , mρϕ̈ = 0 .
Hier sind wir einen kleinen Umweg gegangen, um das Schema zum allgemeinen Lösen der
Lagrange-Gleichungen erster Art einzuhalten. Wegen ϕ = ωt mit konstantem ω hätte man
aber auch direkt ϕ̈ = 0 hinschreiben können. Die Zeitableitung ϕ̇ = ω ist also konstant.
Dies liefert die endgültige Form der Bewegungsgleichung für ρ:
ρ̈ = ω 2 ρ .
Nehmen wir an, dass ρ 6= 0 erfüllt ist, so lautet die allgemeine Lösung
ρ(t) = ρ+ e+ωt + ρ− e−ωt .
Wie zu erwarten gibt es für die Bewegung von ρ zwei Integrationskonstanten, die durch
die Anfangsbedingungen gegeben sind. Die Perle wird sich langfristig immer nach aussen
bewegen, wenn nicht gerade ρ+ = 0 gilt.
Die Zwangskraft lautet
Z = λ∇f = 2mρ̇ωêϕ .
Dies ist die Kraft, welche die Perle auf dem Stab hält und entspricht nicht der Zentrifugalkraft. Da sich die Perle frei in radialer Richtung bewegen kann, wird die Zentrifugalkraft
durch keine Zwangskraft kompensiert.
Die Energiegleichung führt wegen V = 0 auf
∂f
dT
= −λ
= 2mρρ̇ϕ̇ω = 2mρρ̇ω 2 .
dt
∂t
Die Energie nimmt daher stark zu, wenn sich die Perle radial nach aussen bewegt.
b) Die Lagrange-Funktion lautet wegen V = 0 in Zylinderkoordinaten
L=T =
m 2
(ρ̇ + ρ2 ω 2 ) .
2
Dies entspricht bereits
ρ̈ = ω 2 ρ
2
aus dem ersten Aufgabenteil. Die Lösung der Bewegungsgleichung muss selbstverständlich
nicht wiederholt werden.
Wie sieht es aber mit der Energieerhaltung im Formalismus der Lagrange-Gleichungen
zweiter Art aus? Hier soll an (5.102) (im Skript) erinnert werden. Da die Zwangsbedingung
f = ϕ − ωt = 0 nicht skleronom ist,
∂f
= −ω 6= 0 ,
∂t
entspricht die Hamilton-Funktion nicht der Energie. Dennoch ist die Hamilton-Funktion
(5.102) eine Erhaltungsgrösse, da die Lagrange-Funktion nicht explizit von der Zeit t
abhängt. Wir haben im ersten Aufgabenteil schon gesehen, dass die Energie nicht erhalten
wird, da die Zwangskraft Arbeit am System leistet.
Übung 7.2: Pendel mit variabler Fadenlänge
Stellen Sie sich zunächst eine sphärisches Pendel vor (diese Art von Pendel wird im Skript
http://www.physik.uni-muenchen.de/lehre/vorlesungen/sose 13/T1/mechanikskript.pdf
Variationsrechnung
ausführlich vorgestellt.
erden noch eine wichtige Rolle
�3
e
äche
ugeloberfläche mit Radius R
oordinaten einer Punktmasse
O
R
in ϑsin ϕ,
x3 = Rcos ϑ.
(6.9)
, ϕ), und die beiden unabhänF G = −mg�
e3
1 = ϑ ∈ [0, π) und q2 = ϕ ∈
Offensichtlich werden q1 und
ngung beeinflusst. Sie eignen
Abbildung
6.2 Das
sphärische
Pendel
sich als einevorstellen,
PunktDas sphärische
Pendel
kann
man sich
alskann
eineman
Punktmasse
die zu
oordinaten für das Problem.
masse vorstellen, die zu einem Aufhängepunkt (Ursprung O) den koneinem
(Ursprung O) den konstanten Abstand R besitzt. Das
� Aufhängepunkt
stanten Abstand R besitzt. Das Pendel kann unter dem Einfluss der
Pendel kann
unter dem
Einfluss der Schwerkraft schwingen.
Schwerkraft
schwingen.
n verallgemeinerten
Nun seiKoordinadie Fadenlänge nicht mehr konstant (wie in der Abbildung dargestellt), sondern sie ist
e Koordinaten
beschränkt
sein Da
Zwangsbedingungen
allen Zeiten
gelten, erfüllen die
durch
die Funktion
R die
= R(t)
vorgegeben undzusomit
zeitabhängig.
q j beispielsweise
um
Winkel
Anfangsbedingungen
a) Bestimmen Sie die Lagrange-Funktion in Kugelkoordinaten.
die generalisierten Koordinaten
b) Geben Sie die Bewegungsgleichungen
der Bewegungsgleichunx20 − R2an.
= 0,Wasx0ist
· v0beim
= 0, Aufstellen (6.12)
menfassen. Es wird stattdessen
gen zu beachten (denken Sie dabei an die Anzahl der Freiheitsgrade)?
ierten Koordinaten als skalare
wobei v = ẋ die Geschwindigkeit ist. Wir wissen, dass die Bewegung einer freien Punktmasse durch drei DifferenzialgleichunLösung von Übung
7.2 Ordnung beschrieben wird, deren vollständige Integen zweiter
gration sechs Parameter (z. B. in Form von Anfangsbedingungen) benötigt.
Wegen (6.12) bleiben
davon allerdings nur
vier
Es kann zunächst direkt
die Lagrange-Funktion
in Kugelkoordinaten
aufgeschrieben
werden:
unabhängige übrig.
m
L = T − V = [ṙ2 + r2 (θ̇2 + ϕ̇2 sin2 θ)] − mgr cos θ .
2
lässt sich die Problematik der
? zu beachten, dass nur θ und ϕ Freiheitsgrade
kräfte sowie eines
LösungsverBei der
Aufstellung der Bewegungsgleichung ist
Sie sich anhand von (6.12),
dassder
dieRadius
Anfangsgeeim sphärischen
Pendel
handelt
sind.
Es gibt
daherÜberlegen
nur zwei Lagrange-Gleichungen.
Obwohl
und seine Zeitableitung
schwindigkeit
v
tangential
zur
Kugeloberfläche
verläuft.
0
die sich unter dem Einfluss der
auf der Oberfläche einer Kugel
3
ldung 6.2). Man kann sich beiOffensichtlich steht die Zwangsbedingung (6.10) im WiderPunktmasse an einem masselospruch zur Lösung der Newton’schen Bewegungsgleichung einer
ist. Der Ursprung O liege im
Punktmasse im Schwerefeld,
in der Lagrange-Funktion auftritt, handelt es sich dabei um eine vorgegebene Funktion ohne
Freiheit. Die Bewegungsgleichungen lauten
mr2 θ̈ + 2mrṙθ̇ = mr2 ϕ̇2 sin θ cos θ + mgr sin θ
und
mr2 ϕ̈ sin2 θ + 2mr2 ϕ̇θ̇ sin θ cos θ + 2mrṙϕ̇ sin2 θ = 0 .
4
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