Fakultät für Physik T1: Klassische Mechanik, SoSe 2017 Dozent: Ulrich Schollwöck Übungen: Nils-Oliver Linden, Dennis Schimmel, Andreas Swoboda https://www.physik.uni-muenchen.de/lehre/vorlesungen/sose_17/T1_theor_ mechanik/index.html Blatt 06.1: Lagrange-Formalismus – Zwangsbedingungen Ausgabe: Freitag, 26.05.17; Abgabe: Freitag, 02.06.17, 13:00 Hausaufgabe 1: Elastischer Stoß [2] Ein Körper der Masse m befindet sich zum Zeitpunkt t = 0 im Punkt A. Auf seinem Weg zum Punkt B stößt er genau einmal an einer harten Wand (siehe Skizze). Vor und nach dem Stoß bewegt sich der Körper geradlinig und gleichförmig mit Geschwindigkeit v0 . y (a) Finden Sie die Bahn des Körpers (bzw. den Punkt C) mit Hilfe von Erhaltungssätzen. In welcher Beziehung stehen die Winkel α und α0 ? (b) Finden Sie die Bahn des Körpers den Punkt C), ´ t (bzw. 0 für den die Wirkung S(t) = 0 dt Ekin minimal wird. Vergleichen Sie Ihre Lösung mit (a). B A α C α' x Hausaufgabe 2: Stabilisierung eines invertierten ebenen Pendels [11] Wir betrachten ein Problem aus der Regelungstechnik – die Stabilisierung eines invertierten ebenen Pendels: Die Gravitationskraft wirke in die negative zRichtung. Das Pendel bestehe aus einem in der xz-Ebene beweglichem masselosen Stab (Länge l) mit einem Massepunkt (Masse m) am oberen, freien Ende. Das untere Ende sei mittels eines reibungsfreien Scharniers [mit Koordinaten (xS , 0)] auf einem Wagen montiert, der auf einer Schiene in x-Richtung fährt. Die instantane Wagengeschwindigkeit v(t) = ẋS (t) sei über einen Motor beliebig regelbar. Ein Sensor messe fortlaufend den instantanen Pendelkippwinkel φ(t). ez m (x, z ) φ l (xS , 0) ex Die Problemstellung lautet: wie muss die instantane Wagengeschwindigkeit in Abhängigkeit des instantanen Kippwinkels angepasst werden, um zu gewährleisten, dass das Pendel nicht umkippt? Mit anderen Worten, für welche Regelfunktion v = v(φ) ist die Pendelposition φ = 0 stabil? (a) Wie lautet die Lagrange-Funktion des invertierten Pendels als Funktion des Kippwinkels? (b) Zeigen Sie, dass die Bewegungsgleichung für den Kippwinkel folgende Form hat: l2 φ̈ = gl sin φ + v∂φ v . (1) Hinweis: Die Regelfunktion für die Wagengeschwindigkeit, v(φ), ist eine Funktion nur von φ (nicht von φ̇). 1 Wir analysieren nun unter welchen Bedingungen ein senkrecht stehendes Pendel stabil ist, mittels einer Entwicklung für kleine φ. Die entsprechende Taylor-Entwicklung der Regelfunktion sei v(φ) = v0 + v1 φ + 21 v2 φ2 + O(φ3 ) . (2) (c) Entwickeln Sie die Bewegungsgleichung (1) bis zu erster Ordnung in φ. (d) Für welche Wahlen der Parameter v0 , v1 und v2 ist φ = 0 eine Lösung? (e) Unter welchen Bedingungen ist die Lösung φ = 0 stabil? Zeigen Sie, dass dies einen Mindestwert für das Produkt |v0 v2 | erfordert. Wie lautet dieser Mindestwert? Hinweis: Stabilität einer Lösung kann beispielsweise am effektiven Potential abgelesen werden. Hausaufgabe 3: Pendel mit frei beweglicher Aufhängung [9] Im Schwerefeld der Erde sei an einer Masse m1 , die sich reibungsfrei entlang der x-Achse bewegen kann, ein ebenes y mathematisches Pendel mit Länge l und Pendelmasse m2 befestigt. In Teilaufgaben (a)-(d) wird dieses Problem in kartesischen Koordinaten mittels Lagrange-Gleichungen 1. Art behandelt; das ist zwar umständlich, illustriert aber sehr explizit, wie die konsequente Anwendung des Formalismus der Zwangsbedingungen zum Ziel führt. In Teilaufgaben (e)-(g) wird dasselbe Problem viel eleganter mittels verallgemeinerten Koordinaten und Lagrange-Gleichungen 2. Art gelöst. m1 x ~g ϕ l m2 (a) Geben Sie die Zwangsbedingungen für die beiden Massen an und stellen Sie die LagrangeGleichungen 1. Art in kartesischen Koordinaten auf. Dabei empfiehlt es sich, die Notation δx = x1 − x2 und δy = y1 − y2 (“Relativkoordinaten”) zu nutzen. (b) Eliminieren Sie die Lagrange-Multiplikatoren und zeigen Sie, dass die Relativkoordinaten folgende Differentialgleichungen erfüllen: 1 δx δ̈x = − p g − δ̈y , α l2 − δx2 δ̈y = − l2 δ̇ 2 l2 −δx2 x + δx δ̈x p , l2 − δx2 mit α = m1 . m1 + m2 (3) (c) Entwickeln Sie (3) für δ̈x in kleinen Auslenkungen des Pendels (δx l) in führender Ordnung und finden Sie dessen Frequenz. Bestimmen Sie zudem die Zwangskräfte bei kleinen Auslenkungen. Nutzen Sie diese um die Bewegung des oberen Massenpunktes m1 zu finden. (d) Nun zurück zum allgemeinen Fall: Schreiben Sie δx = l sin ϕ und δy = l cos ϕ, mit beliebigem Auslenkwinkel ϕ. Zeigen Sie aus (3), dass ϕ folgende Bewegungsgleichung erfüllt: [1 − (1 − α) cos2 ϕ]ϕ̈ + (1 − α) sin ϕ cos ϕϕ̇2 ) = −(g/l) sin ϕ . (4) (Gl. (4) wird in Teilaufgabe ((f)) nochmal hergeleitet, mittels Lagrange-Gleichungen 2. Art.) (e) Behandeln Sie das Problem nun alterativ mit den Lagrange-Gleichungen 2. Art. Wählen Sie zunächst x1 und ϕ als verallgemeinerte Koordinaten. Wie lautet die Lagrange-Funktion? 2 (f) Stellen Sie die Lagrange-Gleichungen 2. Art auf. Eliminieren Sie daraus ẍ1 , und reproduzieren Sie so Gl. (4) aus Teilaufgabe ((d)). (g) Betrachten Sie nun den Fall m1 m2 und diskutieren Sie die Bewegung des Pendels physikalisch. Hausaufgabe 4: Abrollendes Teilchen auf einer Halbkugel [6] Ein punktförmiges Teilchen mit Masse m befindet sich zum Zeitpunkt t = 0 auf dem Scheitel einer Halbkugel mit Radius R und Masse M . Die Halbkugel gleitet reibungsfrei auf dem Boden und wird durch das ebenfalls reibungsfrei die Halbkugel hinabgleitende Teilchen in Bewegung versetzt (siehe Skizze). y g x' m θ X x (a) Stellen Sie die Lagrangefunktion in Abhängigkeit von den Teilchenkoordinaten x und y und der Koordinate X des Mittelpunkts der Halbkugel auf! Geben Sie für die Zeit, bis sich das Teilchen von der Halbkugel löst, die Bewegungsgleichungen an. Benutzen Sie dafür eine geeignete Zwangsbedingung. (b) Finden und lösen Sie die Bewegungsgleichung des Schwerpunkts in x-Richtung! (Die SchwerX .) Interpretieren Sie Ihr Ergebnis! Gehen Sie im Folgenden zur punktskoordinate ist mx+M m+M 0 Relativkoordinate x = x − X über. (c) Eliminieren Sie den zur Zwangsbedingung aus (a) gehörigen Lagrange-Multiplikator aus den Gleichungen aus (b)! Stellen Sie die Bewegungsgleichung für die Variable θ (siehe Skizze) auf. Interpretieren Sie die Bewegungsgleichung für den Fall M −→ ∞ (für eine fixierte Halbkugel). (d) Zeigen Sie im Grenzfall M −→ ∞: θ̇(t)2 = 2g (C − cos θ) , R (5) wobei C von den Anfangsbedingungen abhängt. (e) Berechnen Sie für den Fall der fixierten Halbkugel den Winkel θ0 , bei dem sich das Teilchen von der Halbkugel löst für allgemeines C und für die Anfangsbedingung, dass die Anfangsgeschwindigkeit der Kugel im Scheitel infinitesimal klein ist. [Gesamtpunktzahl Hausaufgaben: 28] 3