Pro & Contra KLIMAWANDEL - DIE NATÜRLICHSTE SACHE DER WELT ODER MARKTVERSAGEN? Sich dem Thema Klimawandel aus unterschiedlichen Perspektiven zu widmen, entspricht der mehr oder minder heftig geführten Diskussion in Wissenschaft und Politik. Klimaschutz-Experten streiten um die richtigen Strategien zur Reduzierung der Emission von Treibhausgasen und über wirksame Maßnahmen gegen die Erderwärmung. Ist die Erde in der Vergangenheit vor allem aufgrund natürlicher Schwankungen wärmer und auch wieder kälter geworden? Haben sich Kalt- und Warmzeiten abgelöst unabhängig davon, wie viel Kohlendioxid in der Atmosphäre war? Kontrovers ist die Debatte auch darüber, ob der CO2-Anstieg dem Temperaturanstieg vorausgeht oder nachfolgt. Einige Experten glauben, dass es weniger kostet, sich dem Klimawandel anzupassen, statt ihn aufhalten zu wollen. Kein Wunder, dass auch unter Ökonomen ganz unterschiedliche Akzente gesetzt werden. Lesen Sie dazu den Pro-Beitrag von bdvb-Mitglied Prof. Dr. Claudia Kemfert. Sie leitet seit April 2004 die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und hat den Lehrstuhl für Umweltökonomie an der Humboldt-Universität Berlin inne. Den Contra-Beitrag hat Dr. Manuel Frondel, Leiter des Kompetenzbereichs Umwelt und Ressourcen des RWI Essen und Vorsitzender der bdvb-Fachgruppe Energiepolitik, übernommen. PRO DER KLIMAWANDEL ALS GRÖSSTES BEISPIEL FÜR MARKTVERSAGEN von Prof. Dr. Claudia Kemfert, DIW Berlin Der menschlich verursachte Klimawandel nimmt immer größere Ausmaße an, in den kommenden 50 bis 100 Jahren werden wir mit einem drastischen Klimawandel zu rechnen haben. Die wesentlichen Auswirkungen des Klimawandels sind der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur und des Meeresspiegels sowie die Zunahme extremer Wetterereignisse und Naturkatastrophen, welche enorme volkswirtschaftliche Schäden verursachen. Der Stern-Bericht der britischen Regierung bestätigt, dass der Klimawandel vor allem eine ökonomische Komponente besitzt: Durch extreme Klimaereignisse entstehen Kosten für die Volkswirtschaft. Stern rechnet mit bis zu 20 % der globalen Volkswirtschaft. Auch auf Deutschland kommen, wenn auch weitaus geringere Kosten zu: Bis zu 800 Mrd. Euro muss die deutsche Volkswirtschaft für Klimaschäden, Anpassung an den Klimawandel und erhöhte Energiekosten aufwenden (Kemfert (2007a und 2007b). Der Klimawandel ist ein bedeutendes Beispiel für Marktversagen. Deshalb ist es um so wichtiger, dass die Politik die Zeichen der Zeit erkennt und die richten Maßnahmen für mehr Klimaschutz möglichst rasch einleitet. Daher ist es entscheidend, dass neben konkreten, verbindlichen Emissionsminderungszielen in Deutschland und anderen Industriestaaten auch Maßnahmen zur Anpassung ergriffen werden. 12 DER KLIMAWANDELDIE WISSENSCHAFTLICHEN FAKTEN Der Einfluss des Menschen auf das natürliche Klima ist niemals größer gewesen als heute. So sind bedeutende Umweltveränderungen durch menschliche Aktivitäten, wie die steigenden Emissionen von Treibhausgasen (THG), zu einem wesentlichen Bestandteil der heutigen Lebenswelt geworden. Die Emissionen von Treibhausgasen und damit Treibhausgaskonzentrationen sind in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) bestätigt, dass eine Veränderung der globalen Kohlendioxidkonzentrationen von über 450 ppm und damit einer Temperaturänderung von über 2°C im Jahre 2100 eine gefährliche Beeinflussung des Klimas durch den Menschen bedeuten wird. Die heutige Kohlendioxidkonzentration liegt bereits bei knapp 400 ppm (IPCC 2007). Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen sind Industriestaaten mit hohem Pro-Kopf-Energieverbrauch und Emissionen wie die USA, Europa, Japan. Inzwischen hat das energieintensive Wachstum Chinas dazu geführt, dass dieses Land schon heute Platz 2 der weltweiten CO2-Emissionen einnimmt. Es ist abzusehen, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel langfristige, irreversible Schäden verursachen wird, die die natürlichen Lebensgrundlagen gefährden. Als Konsequenz des Klimawandels nehmen die Anzahl und Stärke extremer Naturkatastrophen, wie durch extreme Regenfälle verursachte Überschwemmungen, Hitzewellen und Stürme mit steigenden Intensitäten, weiter zu. Es ist als gesicherte Erkenntnis anzusehen, dass nicht nur die Anzahl und Intensität extremer Naturereignisse, insbesondere die Zunahme extremer Regenfälle, weiter steigen wird. Manche Regionen in der Welt werden und sind schon heute stärker von dem Klimawandel betroffen als andere. In den Regionen Nordamerikas sind vermehrt Stürme und Tornados mit extremen Windintensitäten zu erwarten, wohingegen in Asien Überschwemmungen wahrscheinlicher sind. In Europa wiederum ist in Zukunft neben extremen Hitze-Ereignissen und Fluten auch mit starken Stürmen wie Tornados und Hurrikane zu rechnen. In Deutschland werden neben extremen Niederschlägen im Frühjahr und Herbst zunehmend extrem heiße Sommer auftreten. WEGE AUS DEM MARKTVERSAGEN Politische Entscheidungen für mehr Klimaschutz sind elementar. Europa hat sich in einem historisch einmaligen Schritt dazu entschlossen, die Treibhausgasemissionen um 20 % zu senken und zugleich den Anteil erneuerbarer Energien deutlich zu erhöhen. Ein breites Maßnahmenpaket für mehr Klimaschutz ist jedoch wichtig, um die bdvb-aktuell 97 Pro & Contra Prof. Dr. Claudia Kemfert, DIW Berlin Klimaschutzkosten möglichst gering zu halten. So müssen neben Energieeffizienzmaßnahmen – vor allem für Gebäude und Fahrzeuge – zunehmend marktwirtschaftliche Instrumente wirkungsvoll eingesetzt werden. Der Emissionsrechtehandel ist prinzipiell ein CONTRA gelungenes Instrument, allerdings müssten die Emissionsrechte versteigert, möglichst viele Sektoren und Länder einbezogen werden sowie deutlichere Emissionsobergrenzen vorgeben werden. Nur wenn der Emissionsrechtehandel richtig funktioniert, könnte er bewährte Steuer-Instrumente, wie die Ökosteuer, ablösen. Zudem müssten weitere Instrumente, gerade im Verkehrssektor eingeführt werden, wie beispielsweise die CO2 bezogene KFZ-Steuer. Zudem müssen die erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung weiterhin gefördert werden. Wie das Beispiel der Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland zeigt, kann der Klimaschutz durchaus positive wirtschaftliche Auswirkungen erbringen. Im Bereich erneuerbaren Energien arbeiten heute in Deutschland 125.000 Beschäftigte, die Tendenz ist stark ansteigend. Die deutsche Wirtschaft profitiert von dieser Entwicklung, da die innovative Energietechniken „made in Germany“ weltweit zum Absatzschlager werden können. Dies gilt im Übrigen auch für andere innovative CO2 freie Energietechniken, wie beispielsweise umweltfreundliche Kohletechniken. Nur wenn es Europa und Deutschland gelingt, zu zeigen, dass Klimaschutz zu vertretbaren volkswirtschaftlichen Kosten und mit eindeutigen komparativen Marktvorteilen erreichbar ist, werden andere Staaten dem Beispiel folgen. Dann werden auch Länder wie die USA und China einem internationalen Klimaabkommen beitreten können. LITERATUR Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC) (2007): Climate Change 2007, Forth Assessment Report, Synthesis Report, Cambridge University Press, Cambridge 2001 Kemfert, C. (2007a): Die Kosten des Klimawandels: Der Mensch heizt die Erde auf - was muss er dafür bezahlen? In: Internationale Politik, Februar, S. 38-45 Kemfert, C. (2007b): Klimawandel kostet die deutsche Volkswirtschaft Milliarden. In: Wochenbericht 74, 11, S. 165-169 KLIMAWANDEL: EINEN KÜHLEN KOPF BEWAHREN von Dr. Manuel Frondel, RWI Essen Kaum ein Thema wird derzeit so heiß diskutiert wie der Klimawandel. Und tatsächlich mehren sich die Anzeichen dafür, dass es auf unserem Planeten wärmer wird. So gab es in den vergangenen zwei Dekaden eine verdächtig große Anzahl von Jahren mit überdurchschnittlich hohen Temperaturen. Dass sich das Weltklima ändert, ist indessen ebenso unbestreitbar wie unspektakulär: Das Klima hat sich auf der Erde seit eh und je immerzu verändert. Das Weltklima konservieren zu wollen, wäre somit ein irrtümliches Ansinnen. Damit würde man zudem ignorieren, dass mit der Änderung des Klimas in den vergangenen Jahrtausenden sowohl negative wie auch positive Auswirkungen einhergingen. Während die häufig als optimal bezeichneten klimatischen Bedingungen zu Beginn des zweiten nachchristlichen Jahrtausends zur Besiedelung Grönlands geführt haben, hatte die so genannte kleine Eiszeit im Mittelalter gravierende negative Konse- bdvb-aktuell 97 quenzen, die zu Hungersnöten und großen Wanderungsbewegungen geführt haben. URSACHEN UMSTRITTEN Heftig umstritten ist in der Wissenschaft, welche Ursachen die jüngsten Änderungen der klimatischen Bedingungen haben, welches Ausmaß diese in Zukunft annehmen werden und wie groß der Anteil des Menschen daran ist. So hält eine Reihe von Wissenschaftlern auch andere Faktoren wie etwa die Sonnenaktivitäten für das Klima für wesentlich. Zudem wird von Paläoklimatologen darauf verwiesen, dass es während der vergangenen zehntausend Jahre eine beträchtliche natürliche, nicht auf menschliche Einwirkungen zurückgehende Klimavariabilität gab, mit abrupten globalen Klimawechseln sowie Perioden, die ähnlich warm oder gar wärmer waren als die heutige. Gesicherte Erkenntnisse, so macht der jüngste Bericht des UN-Klimarates IPCC (2007:3) noch einmal deutlich, gibt es nicht: Die Aktivitäten des Menschen sind demnach bestenfalls mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit für den globalen Temperaturanstieg seit 1750 verantwortlich. (Während die in der Zusammenfassung für Politiker genannte Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 % als sehr hoher Vertrauensbeweis angesehen wird, würde das in wissenschaftlichen Disziplinen wie der Ökonometrie im Allgemeinen anders gesehen). Klar ist lediglich, dass der Mensch nicht der alleinige Verursacher des Klimawandels ist – auch wenn dies häufig anders dargestellt und oftmals der Eindruck vermittelt wird, dass jeder größere Sturm und jeder warme Winter eindeutiges und alleiniges Resultat menschlichen Handels ist. Noch weit weniger genaue Kenntnisse als über den Beitrag des Menschen am Klimawandel gibt es über die damit verbundenen Schäden und die daraus in ferner Zukunft erwachsenen Kosten. 13 Pro & Contra Dr. Manuel Frondel, RWI Essen wirtschaftliche Maßnahmen getroffen werden, die in erster Linie anderen Zielen wie der Reduzierung der Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten durch Effizienzverbesserungen dienen, und dabei gleichzeitig Klimaschutz ermöglichen, ist einem Laissez-faire ebenso vorzuziehen wie dem gegenwärtigen politischen Aktionismus. Dabei ist es – der hohen Aufmerksamkeit in den Medien zum Trotz – wichtig, nicht zu vergessen, dass es neben dem Klimawandel andere, weitaus drängendere Probleme zu lösen gibt, wie eine Milliarde Menschen ohne Trinkwasser und ein Mangel an Nahrungsmitteln in großen Teilen Afrikas verdeutlichen. Es wäre falsch, dem Klimawandel die ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen und zu dessen Bekämpfung unverhältnismäßig umfangreiche finanzielle Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die dann für andere Zwecke mit eventuell erheblich größerem Nutzen nicht mehr zur Verfügung stehen. Von den dazu kursierenden Schadenssummen sollte man sich somit schon allein deshalb nicht beeindrucken lassen, weil sie eine Präzision vorgeben, die es aufgrund der Unsicherheit, infolge des damit verbundenen langen Zeithorizonts von 50 und mehr Jahren, niemals geben kann. Eines ist jedoch auch hier gewiss: Während die Kosten für umgehend durchgeführte Klimaschutzprophylaxe bereits heute anfallen und klar zu beziffern sind, ist der Ertrag daraus nicht nur höchst unsicher, sondern – wenn überhaupt – erst Jahrzehnte später einzustreichen. VERNÜNFTIGE MAßNAHMEN Aktionismus wäre angesichts dieser Asymmetrie und des offenbar nicht epidemieartig, sondern stattdessen langsam voranschreitenden Klimawandels ebenso wenig angemessen wie dessen völliges Ignorieren und das sich daraus ergebende Nichtstun. Vielmehr gilt es, mit kühlem Herzen und klarem Verstand zu überlegen, welche Rolle Maßnahmen zur Anpassung an das sich verändernde Klima spielen können – wie etwa der Bau von Deichen, ohne die sich die Niederlande heute weitgehend unter Wasser befänden – und in welchem Ausmaß bzw. in welcher Art unverzügliche Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels getroffen werden sollen. Vernünftig wäre beispielsweise, die Subventionierung des Energieverbrauchs und des Abbaus von Energierohstoffen weltweit drastisch zu reduzieren. Eine pragmatische Vorgehensweise, bei der 14 UMFASSENDES KLIMASCHUTZABKOMMEN NOTWENDIG Schließlich ist vor allem aber zu bedenken, dass alle noch so großen Anstrengungen eines einzelnen Landes oder selbst einer Staatengemeinschaft wie der EU vergeblich wären, wenn die USA und China – mit einem Anteil von rund 40 % die weltweit größten Emittenten von Treibhausgasen – nicht ihrerseits Maßnahmen ergreifen, um den Ausstoß von Klimagasen erheblich zu senken. Bislang allerdings gibt es insbesondere in den USA nur wenige Anzeichen dafür. Im Gegenteil: Anstatt wie vorgesehen die Treibhausgase um 7 % gegenüber 1990 zu senken, entfernten sich die USA beinahe unaufhörlich von ihrem KyotoZiel. 2005 lag der Klimagasausstoß der USA etwa 20 % über dem Niveau von 1990. NEUE ZWEIFEL AM KLIMABERICHT Anders als im jüngsten Klimabericht des IPCC-Klimarats der Vereinten Nationen (UN) vorhergesagt, werden die Permafrostböden in Nordsibirien, Alaska und dem nördlichen Kanada bis zum Ende des Jahrhunderts nicht auftauen. Eine Untersuchung des deutschen Geophysikers Georg Delisle, jetzt publiziert in dem angesehenen US-Wissenschaftsmagazin „Geophysical Research Letters“, weist nach, dass die Annahme „auf einem fehlerhaften Modell“ beruht, so Delisle, der an der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover das Arbeitsgebiet „Klimaentwicklung“ leitet. Delisle zweifelt auch andere Thesen des Klimaberichts an. (Quelle: WirtschaftsWoche Nr. 21 vom 21.05.2007, S. 106) LÖSUNGEN DURCH „KLIMAZWEI“ Die Identifikation der Chancen und Risiken des Klimawandels sowie die Entwicklung von Strategien und Technologien ist ein zentrales Anliegen des BMBF-Förderschwerpunktes „klimazwei – Forschung für den Klimaschutz und Schutz vor Klimawirkungen“ (www.klimazwei.de). Die im Rahmen dieses Vorhabens beteiligten Unternehmen und Forschungseinrichtungen arbeiten an neuen Problemlösungen und an der Entwicklung innovativer Technologien und Verfahren zur Minderung der Risiken und zur Nutzung der Chancen des Klimawandels. Weitaus wichtiger als alle derzeit in Europa diskutierten Klimaschutzmaßnahmen wäre es demnach, Länder wie die USA mit Nachdruck zu einem Umdenken zu bewegen. Dazu bedarf es allerdings weltweit umfassenderer Klimaschutzabkommen als dem KyotoProtokoll, das nach Meinung vieler Experten bestenfalls symbolische Wirkung entfalten wird. Ohne Minderungsanstrengungen der USA, wie auch von Entwicklungs- und Schwellenländern wie China, werden die globalen Klimagasemissionen unabdingbar weiter steigen. bdvb-aktuell 97