ENGLISCH - DIE ZEIT Shop

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ENGLISCH
Eine Sprache –
viele Kulturen
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Vorwort
E
Impressum
Herausgeber dieses Sonderbandes für die ZEIT Edition
»Langenscheidt – Handbibliothek Englisch« 2014
Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Hamburg
© Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Hamburg 2014
Layout und Umschlaggestaltung: Ingrid Wernitz
Satz: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Hamburg
Druck und Bindung: Stürtz GmbH, Würzburg
nglisch ist heute die Muttersprache von über 340
Millionen Menschen; als Amtsprache ist es in 54 Ländern auf der ganzen Welt präsent und verbindet damit
so unterschiedliche Staaten wie Großbritannien, Indien
oder die Fidschi-Inseln mit Ländern wie Guyana oder
Nigeria. Einen großen Anteil an dieser Verbreitung hatte
das Britische Empire, dessen Weltreich 1918 eine solch
große Ausdehnung erreicht hatte, dass in ihm »die Sonne niemals unterging«. Die meisten seiner Kolonien und
Mandatsgebiete sind längst wieder unabhängig, doch
bleibt die gemeinsame Sprache als Zeugnis der Geschichte bestehen.
Welche kulturelle Vielfalt die verschiedenen Länder trotz
der gemeinsamen Sprache bieten, das wollen wir Ihnen
in diesem Bändchen beispielhaft zeigen. Wir haben fünf
ZEIT-Artikel ausgewählt, die Aspekte des Lebens in Großbritannien, den USA, Indien und Neuseeland beleuchten.
Natürlich darf ein Artikel über die Queen nicht fehlen,
die immer noch das Oberhaupt dieser Länder ist. Testen
Sie außerdem Ihr Englisch in einem kleinen Quiz von
ZEIT ONLINE. Falls Sie Unterstützung benötigen, helfen
Ihnen die vier ersten Bände unserer »ZEIT Langenscheidt
Handbibliothek Englisch« dabei sicher weiter.
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Inhalt
Vorwort
Der amerikanische Raum
Studium Generale:
Einführung in die Anglistik
Pioniergeist und Gemeinschaftssinn bei einer
warmen Mahlzeit – diese Ideale verkörpern
die American Diners. In Neuengland findet
man sie bis heute
Als Student immer mal mit einem Fachwechsel
geliebäugelt? In der Quiz-Serie von ZEIT ONLINE
finden Sie heraus, ob Sie die Einführungsvorlesung
überstehen würden
Am Saum der Welt
von Gustav Beyer VON Bernadette Conrad
11
Auf Shakespeares glücklicher Insel
Die englische Sprache ist einfach zu erlernen,
doch je näher man ihr kommt, desto vielseitiger,
bildreicher und musikalischer wird sie
Von Reiner Luyken
Mit Pomp feiert Großbritannien seine Königin.
Diamantenes Jubiläum – Elizabeth II regiert
seit 60 Jahren! Und wird geliebt wie nie zuvor,
und nicht nur von Engländern. Ein Bekenntnis
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Bücher. Abermillionen
Kalkutta ist reich. Rings um die College Street
liegen 10 000 Buchläden. Der Besucher wird von
einem Händler zum anderen gereicht – und
landet mit etwas Glück beim singenden Verleger
Elisabeth R
VON SUSANNE MAYER
Neuseeland war 2012 der Ehrengast der
Frankfurter Buchmesse. Eine Reise auf die
andere Seite der Erde, wo man in der
unermesslichen Weite des Landes an jeder
zweiten Ecke auf Schriftsteller trifft
VON ELSEMARIE MALETZKE
15
34
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Von Dorothee Wenner
55
Quellen
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other place. In diesem »anderen Ort« geht es so robust
wie eh und je zu. Das altlinke Urgestein Dennis
Skinner, Unterhausabgeordneter seit 1970, tritt in
einer Debatte vor den in Eton und Oxford erzogenen
posh boy David Cameron und spuckt förmlich aus,
»Was für ein Tölpel«. Wohlgemerkt in der dritten Person, sonst würde der Vorsitzende intervenieren. Der
Premier lacht verdattert. Und revanchiert sich mit der
Bemerkung, im Unterhaus sei man in der glücklichen
Lage, nicht in das Naturgeschichtemuseum gehen zu
müssen, um einen Dinosaurier zu bewundern. Das
Wort posh bedeutet übrigens »fein«. Manchmal klingt
es anerkennend und manchmal höhnisch, je nach
Seelenverfassung des Sprechers. Ursprünglich, das
zumindest glauben fast alle Briten, sei es ein Kürzel
für die teuersten Tickets einer Passage nach Indien
gewesen. Backbord hin, Steuerbord zurück, immer in
einer Kabine auf der schattig-kühlen Seite des Schiffs.
Etymologisch stimmt das vermutlich nicht. Aber das
macht nichts. Es ist ein hübsches Beispiel für den
nie versiegenden Spaß mit englischen Wörtern. Und
dafür, wie Shakespeares Volk sich sein Weltbild aus
Metaphern und Symbolen zusammenfügt.
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Elizabeth R
Mit Pomp feiert Großbritannien seine Königin.
Diamantenes Jubiläum – Elizabeth II regiert seit
60 Jahren! Und wird geliebt wie nie zuvor, und
nicht nur von Engländern. Ein Bekenntnis
VON SUSANNE MAYER
Einmal ist sie an mir vorbeigefahren. Sie saß in einer
schwarz glänzenden Limousine und trug – Hellblau,
was sonst, im Fenster der Limousine bewegte sich ein
Satinhandschuh, es waren kleinste Bewegungen, vor
und zurück, ihr klares Profil drehte sich zur Seite, und
für eine Schrecksekunde schien es, als sähe die Königin
mich an. Herzklopfen und Schwindel! Schon war sie
vorbei. Ich war auf dem Weg zum Zahnspangencheck,
die Königin war auf dem Weg zum Bonner Rathaus,
es muss im Mai 1965 gewesen sein, »visiting President
Lübke«, notiert die Chronik von Buckingham Palace,
es war der erste Staatsbesuch eines britischen Oberhauptes im Land des Feindes, in Nachkriegsdeutschland, und, glaube ich, am Bertha-von-Suttner-Platz,
dieser verbauten Stadtlandschaft, wo sich unsere Wege
kreuzten, dort habe ich sie gesehen, Elizabeth R.
R für Regina. Sie war schon Königin, als ich geboren wurde. Sie bewohnt Buckingham Palace in London und Balmoral im Sommer und zu Weihnachten
Sandringham in Norfolk und am Wochenende ihr
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Windsor Castle, aber immer auch ein kleines Zimmer
in meinem Herzen. Hätte ich sagen können, was ich
an der Königin von England so wahnsinnig fand? Ja:
Hunde und Pferde! Corgis und Dorkis, diese Gurkenwesen, die einen Nachkommen von Susan, die ein
Geschenk zu Lilibets 18. Geburtstag war, von Papa,
der Englands König ­George VI war, sowie der Mama,
Elizabeth, geboren auf Glamis Castle in Schottland,
auf dem schon Shakespeare die durchsetzungsfähige
Lady Macbeth angesiedelt hatte. Dorkis sind übrigens
Folgen eines Corgi-Seitensprungs mit Pipkin, dem
Dackel ihrer kleinen Schwester Margret, die Dorkis
hörten (oder nicht) auf die Namen Tinker, Pickles,
Chipper, Piper, Harris, Brandy, Berry, Cider, Candy
and Vulcan.
Niemand wusste mehr über die Queen als ich,
keiner in unserem Dorf verfolgte Royal-News in den
abgegriffenen Illustrierten so gierig. Man sah dort die
Queen mit Pferden, in Gummistiefeln unter scharf gebügelten Schottenröcken. Die Kopftücher! Über einer
Brille! Meine Herzaufwallungen hätte mir niemand
geglaubt. Frauen über 20 trugen sowieso Kopftücher,
zumal bei der Arbeit. Vor dem Haus blubberten Gäule
ihre Pferdeäpfel, ständiges Ärgernis für den Kinderstraßenkehrdienst. Natürlich fragte mich sowieso
keiner nach der Queen, es war nicht die Zeit, in der
man Kinder nach ihren Gefühlen befragte (auch nicht
im Buckingham Palace, hört man), und was hätte man
schon herausgefunden, außer dass ich, auf kindliche
Weise, in der Queen verehrte, was sie in königlicher
Form präsentierte, vielleicht sogar für sich selber,
etwas, das in den fünfziger Jahren nach dem katastrophalen Beginn des 20. Jahrhunderts so sicher, so verlässlich wirkte. Meine Liebe zur Queen kam zeitlich
vor meiner Begeisterung für Mick Jagger und hat sie
überlebt, und so, wie es aussieht, könnte die Queen
auch Mick Jagger überleben, so faltenfrei, so strahlend
wirkt sie mit ihren 86 Jahren neben dieser Rockruine.
Vermutlich liebt auch Mick Jagger die Queen, so
wie Helen Mirren, die einmal im Film so sein durfte
wie sie, Beine festgeschraubt in flachen Pumps, oder
wie Michelle Obama, die neulich bei ihr eingeladen
war und sich (aus 180 cm Höhe) herunterbeugte
und, scharfes Inhalieren einer Nation, den Arm um
die Königin (5 Fuß, 4 Zoll, ca. 162 cm) legte, ein
Protokollschock erster Güte. Ungefähr so riesig wie
mein Schock, als ich begriff, dass meine geheime
Verehrung der Queen von Millionen geteilt wird,
in England, im Commonwealth, in angeschlossenen
Territorien und wer weiß wo sonst noch. Ob ich weiß,
wo sonst noch die Königin die Queen ist? Klar: in Antigua und Barbuda, in Australien, auf den Bahamas,
auf Barbados, in Belize und Grenada, in Kanada und
Jamaika, Neuseeland und Papua-Neuguinea. Auf
St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und den
Grenadines, auf den Salomon-Inseln und in Tuvalu
und, nicht zu vergessen, in Großbritannien. Sie ist
auch Queen über alle Schwäne in Großbritannien.
Sie heißen ­»mute swans«, weil sie nicht ordentlich
»Hello, Ma’am« sagen können.
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Der amerikanische
Raum
Im Haven Brothers Diner bekommt man in einer
halben Stunde mehr Tattoos zu sehen als sonst in
Wochen. Da ist zum Beispiel der robuste junge Mann,
der gerade die drei Stufen zu dem auf einen Truck geladenen Imbiss im Sprung nimmt, um an der Theke
seinen Murder Burger zu bestellen. Bei ihm gehen die
Drachen auf dem schwarzen T-Shirt in die Zeichnungen auf der Haut über. Starksein macht hungrig: Der
Murder Burger hat neben dem Fleisch drei Schichten
aus Zwiebeln, Gurken, Tomaten, Käse, dazwischen ist
noch ein Ei gequetscht. Wenn der vertilgt wird, schaut
man besser nicht zu.
Aber es hilft alles nichts. Dieses blitzende Stück
Chromstahl, in dem sich die Straßenlaternen spiegeln und das, umgeben von der wuchtigen City
Hall und den Hochhäusern der Geschäftsstadt Providence, so winzig aussieht: Es ist eine lebendige Erinnerung daran, dass genau hier ein zentrales Stück
amerikanischer Esskultur seinen Anfang nahm.
Rühmt sich das Haven Brothers doch, der »älteste
Diner der Welt auf Rädern« zu sein. Und eben die
Räder waren entscheidend fürs Entstehen der Institution American Diner.
Fast 140 Jahre ist es her, dass hier in Providence,
der am Atlantik gelegenen Hauptstadt von Rhode
Island, ein junger Mann namens Walter Scott die Idee
hatte, nicht mehr nur von einem Handkarren herunter
Sandwiches zu verkaufen. Er spannte sein Pferd vor
ein Wägelchen und zog abends vor die Fabriken,
um den Arbeitern der Nachtschicht für einen Nickel
warme Pies, Chicken Sandwiches oder gekochte Eier
anzubieten. Damit legte er den Grundstein für das,
was bis heute den American Diner auszeichnet: hausgemachtes Essen und ausgedehnte Öffnungszeiten.
Der Absatz war reißend, die Arena offen für Konkurrenten, die den mobilen Imbiss im Handumdrehen
weiterentwickelten.
Als die Haven Brothers ihr Unternehmen 1888 starteten, waren die lunch cars schon begehbar geworden; die
Kunden sollten nicht im Regen stehen müssen. Weitere
zehn Jahre später bedienten die Imbisswagen schon 275
amerikanische Städte. Sie hielten abends an zentralen
Punkten, um morgens ihren Platz wieder zu räumen.
Wie der Haven Brothers Diner heute noch. Im immergleichen Rhythmus seit 1949 rollt dieser Wagen um 17
Uhr auf seinen Platz, den er pünktlich um drei Uhr
morgens verlässt. Dann kann der Autoverkehr wieder
im Tempo des 21. Jahrhunderts durch die Straße rasen.
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Pioniergeist und Gemeinschaftssinn bei einer
warmen Mahlzeit – diese Ideale verkörpern
die American Diners. In Neuengland findet
man sie bis heute
VON BERNADETTE CONRAD
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Ein rollender Anachronismus also? Ein Bürgermeister von Providence hat das so empfunden. Im
Zuge einer Stadtverschönerung in den neunziger Jahren sollte der Fresszirkus weichen. Ein Proteststurm
verhinderte es. Denn der American Diner verkörpert
Pioniergeist, unternehmerischen Elan, Gemeinschaftssinn. An ihm hängt das amerikanische Herz.
Wobei, ganz ehrlich – ist das Haven Brothers ein
richtiger Diner? Müsste man ihn, der vom traditionell
hausgemachten, frischen Essen mörderisch weit entfernt ist, nicht eher zu den greasy spoons rechnen?
Eine Frage, die Richard Gutman, 62, ungern beantwortet. Ein hässliches Wort, findet er, das vom
»fettigen Löffel«, auch wenn er zugibt, dass man den
Haven Brothers Diner nicht wegen des Essens besuchen muss. Um Richard Gutman, den Diner-Experten
in Amerika, am Tag darauf zu treffen, kann man in
Providence bleiben. Das von ihm geleitete Culinary
Arts Museum gehört zu einer der hiesigen Universitäten. Gutman ist ein fröhlicher Mensch, dem man die
genussreiche Seite seines Berufs zwar nicht am Körperumfang, aber am Gesichtsausdruck ablesen kann. »Für
uns Amerikaner war der Diner um die Ecke immer
das Selbstverständlichste der Welt. Dass er etwas Besonderes ist, merkte ich erst, als mir ein englischer
Gastprofessor in den sechziger Jahren erstaunt sagte,
er habe so etwas noch nie gesehen.« Für Gutman
wurde das Staunen des Kollegen zum Startschuss einer
immer noch andauernden Diner-Recherche, die ihn
durch das ganze Land führte. »Ich begann, Vorträge
zu halten, und einer davon wurde im New Yorker groß
besprochen – was für ein Glück! Da war ich erst 23.«
Mittlerweile hat Gutman vier Bücher zum Thema geschrieben. Eine ganze Abteilung seines Culinary Arts
Museum hat er dem Diner gewidmet. Hier gibt es
Diner-Küchen zu bestaunen, ganze Diner-Wagen und
viele Dokumente zur Geschichte einer Institution, die
durchs ganze 20. Jahrhundert den amerikanischen
Alltag begleitet hat. Bis heute.
»Gehen wir frühstücken?«, fragt Richard Gutman.
Frühstück am Nachmittag? Er lacht. Breakfast all day
ist ein Angebot, das den Diner auszeichnet wie die
Serviettenbox auf dem Tisch und die Jukebox in der
Ecke. Der Modern Diner ist einer von Gutmans Favoriten. Stahlglänzend mit gerundeten Ecken steht der
sogenannte Streamliner von 1941 am Stadtrand von
Providence, wie das Relikt aus einem alten ScienceFiction-Film. Als erster Diner überhaupt wurde er
Ende der siebziger Jahre ins National Register of Historic Places eingetragen und damit auf alle Zeiten vor
dem Eingestampftwerden bewahrt. Gut so! Denn hier
wird klar, dass neben dem Charme einer eigenwilligen
Architektur auch gutes, günstiges Essen zur DinerKultur gehört.
Alle Tischnischen sind besetzt. Wortfetzen fliegen
hin und her, Gelächter. Nick Demou, der Besitzer, ist
von Tisch zu Tisch unterwegs, er scheint hier alle zu
kennen. »Wir kommen immer, wenn es was zu feiern
gibt. Und wenn nicht, erst recht«, ruft die umfängliche Dame vom Nebentisch herüber. Im Diner spricht
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700-millionsten verkauften Hamburger. Diners
machten zu, wurden demontiert. Nur ein paar Tausend haben bis heute überdauert. Hat man es also
mit Sammlerstücken zu tun, nostalgisch verklärten
Relikten einer alten Zeit?
»Ich erzähl Ihnen mal was«, sagt Andy Galanis
und spießt einen Kassenzettel auf. »Irgendwann
machte da drüben auf der anderen Straßenseite ein
McDonald’s auf.« Köpfe um ihn herum nicken. »Und
wissen Sie, was passiert ist? Nichts! Es hat unsere
Kunden nicht interessiert. Die wollen anscheinend
genau den Trubel, den wir hier haben.« Spricht’s,
lächelt seiner Tochter zu, die den Diner heute führt,
und schiebt unter lautem zustimmendem Gemurmel
die Registrierkasse zu.
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Am Saum der Welt
Neuseeland war 2012 der Ehrengast der
Frankfurter Buchmesse. Eine Reise auf die
andere Seite der Erde, wo man in der
unermesslichen Weite des Landes an jeder
zweiten Ecke auf Schriftsteller trifft
VON ELSEMARIE MALETZKE
Vor tausend Jahren lebten in Neuseeland nur Vögel.
Es muss ein sagenhaftes Gezwitscher gewesen sein.
Einige, wie der große Moa, waren so arglos, so dick
und bequem, dass sie zu Fuß den Wald durchschritten,
der die Nord- und Südinsel bedeckte. Dann kamen die
ersten Entdecker aus Polynesien, es waren geschickte
Navigatoren auf schnellen Katamaranen. »He ao tea
roa« – »Eine lange weiße Wolke!«, soll eine der Frauen
im Kanu gerufen haben, als sie Land sichteten. Der
Mensch war angekommen in Aotearoa, dem Land unter der langen weißen Wolke. Er hatte den Saum der
bewohnbaren Welt betreten. Weiter kann man nicht
vorstoßen, es sei denn, man sucht den Südpol.
1769 hat James Cook die Küsten der beiden Inseln
kartografiert. Er fand im Norden ein gesegnetes Klima vor, Kühlung vom Meer aus, fischreiche Gewässer,
mächtige Kauribäume für den Schiffsbau und gute
Gartenerde: Klein-England im Pazifik. Der Süden war
eher etwas für die Schotten, die auch ihre Ortsnamen
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mitbrachten – Dunedin, Bannockburn, Abbotsford –,
und für Schafe; Central Otago, eine unermessliche
Weite aus blauen Bergen und großem Wolkentheater. Das Licht ist so hell, als scheine es direkt aus der
Antarktis herüber, und die Luft ist so klar, dass man
glaubt, man könne daran wie an ein Weinglas schnippen, und es mache »ping«.
Neuseeland/Aotearoa, wo sich die Kulturen der
Europäer, der Maori und der pazifischen Völker begegnen, ist im Oktober Ehrengast auf der Frankfurter
Buchmesse. Sein Motto »Ich lebe am Rande des Universums, wie jeder andere auch« beschreibt eine Welt
ohne Zentrum, in der jeder zugleich im Mittelpunkt
und am Rand steht. Der Mensch ist ein Körnchen
Sternenstaub, global vernetzt und unermüdlich kommunizierend.
Das Motto ist eine Zeile aus dem Gedicht Milky
Way Bar von Bill Manhire. In der Bar zur Milchstraße
verkehren Irdische und Außerirdische. Der Kreis hat
sich also bemerkenswert erweitert, seit die Regisseurin
Jane Campion in den Achtzigern »die Freudlosigkeit
und Enge in Neuseeland« beklagte: »Jeder kennt jeden und weiß mehr über einen als man selbst.« Junge
Künstler erhielten keine Anerkennung. Kein Wunder,
dass sie alle wegliefen. Einige sind zurückgekommen –
aus London, Sydney, Berlin –, nicht mehr ganz so
jung, und noch immer kennt jeder jeden.
Wenn man in Neuseeland herumreist und Schriftsteller besucht, wird man gefragt: Was macht dieser?
Wie geht es jener? Andernorts muss man sieben Ecken
umrunden, um auf gemeinsame Bekannte zu stoßen, in
Neuseeland höchstens zwei. Oder gar keine. Bill Manhire wohnt in derselben umgebauten Schuhfabrik in
Wellington wie der Kollege Lloyd Jones, und er spricht
– im Scherz – davon, eine Webcam auf dessen Fenster
zu richten und die Bilder ins Internet zu stellen: »Was
Lloyd gerade so treibt.« Von Bill Manhire herausgegeben, liegt übrigens bei dtv ein Band neuseeländischer
Geschichten vor: Ein anderes Land. Der Rand der Welt
ist schmal, aber er hat sich zu einem eigenen Epizentrum entwickelt, zu einem Terrain für literarische Entdeckungen mit einer Vielstimmigkeit, die beinahe an
die Vogeldichte von vor tausend Jahren heranreicht.
Da ist Tusiata Avia, die in ihrer Soloperformance
Wild dogs under my skirt tanzt und singt, ihre Texte
auf Englisch und Samoanisch kräht und keift. Da ist
Brian Turner, der in Central Otago lebt und geschliffene Gedichte über das »zeitlose Land« schreibt; der
erwähnte Lloyd Jones, der mit seinem neuen Roman
Die Frau im blauen Mantel im Herbst in Deutschland auf Lesereise geht; Witi Ihimaera, der Autor
von Whale Rider, dessen Kino-Adaption die ZEIT
(Nr. 11/12) für ihre Kinderfilm-Edition auswählte;
Karlo Mila, die über die psychotherapeutischen Möglichkeiten der Poesie forscht; und da ist Joe Harawira,
der nicht schreibt, sondern erzählend und spielend
seine Zuhörer mit den Legenden und dem spirituellen
Erbe der Maori bekannt macht.
Doch trotz Anerkennung im eigenen Lande fremdelt die neuseeländische Literatur in Deutschland.
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