Wie junge Sterne überschüssigen Drehimpuls loswerden

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Wie junge Sterne
überschüssigen
Drehimpuls loswerden
Entdeckung eines rotierenden Ausflusses
von einem jungen Stern
Wenn eine große interstellare Molekülwoke zu kollabieren beginnt,
besitzt ihre Materie einen viel höheren Drehimpuls als die Materie
der neuen Sterne, die am Ende des Kollapses entstehen. Die Sterne
geben also vor Abschluss ihrer Entstehungsphase einen großen Teil
ihres Drehimpulses ab. Hier geht es um die ersten beobachteten
Hinweise auf einen solchen Prozess.

Die Vorstellung, dass Sterne aus dem Kollaps großer Wolken interstellarer Materie
entstehen und dabei eine Phase durchlaufen, in der sie von einer dichten äquatoria­
len Scheibe aus Gas und Staub umgeben
sind, wird von der Struktur und dem Bewegungszustand unseres Sonnensystems
nahegelegt und ist Jahrhunderte alt. Die
Stoßfront
ersten Beobachtungen dichter Molekülwolken im Radiobereich vor rund vierzig Jahren zeigten schnell, dass die Wolken bereits vor Einsetzen des Kollapses
rotieren. Ihre Materie enthält einen weit
Stoßfront
Mira AB
höheren Drehimpuls als die Materie der
fertigen Sterne. Demnach kann der Kollaps dieser Wolken nur dann zur Sternbildung führen, wenn gleichzeitig mit dem
Transport von Materie zum Zentrum der
Wolke hin der größte Teil des in der Wolke enthaltenen Drehimpulses nach außen
transportiert wird. Aber wie schafft das
die Natur?
Die Entdeckung der bipolaren molekularen Ausflüsse (RadialgeschwindigAbb. 1: Mira Ceti mit ihrem ul- keiten: einige zehn Kilometer pro Sekuntravioletten, etwa zwei Grad oder de) in den 1970er Jahren und bald danach
13 Lichtjahre langen Schweif. In der schnellen bipolaren Jets sehr junger
der Ausschnittsvergrößerung ist Sterne (mehrere hundert Kilometer pro
die Lage des Sterns und der Stoß- Sekunde) machte den Forschern erstmals
Hoffnung auf die Lösung dieses Rätsels.
fronten zu erkennen.
Während die molekularen Ausströauf ihrer dem Hauptstern Mira A zuge- mungen im Radiobereich, wo die Extinkwandten Seite einen heißen Fleck, des- tion durch den Staub in den Wolken praksen Wärmestrahlung die Forscher nach- tisch keine Rolle spielt, gut zu beobachten
weisen konnten. Sie spekulieren, dass sind, lassen sich die viel schnelleren aber
in dieser Scheibe die Bedingungen für nur wenig Masse transportierenden Jets,
die Entstehung neuer Planeten gegeben die aus hoch kollimierten Gasen bestesind. Wenn in etwa einer Million Jahren hen, nur in Ausnahmefällen beobachten.
sich die sterbende Mira A vom Roten In den schnellen Strömungen der Jets werRiesen zum Weißen Zwerg entwickelt den die Gase durch Stöße ionisiert und
haben wird, könnte in der Umgebung emittieren charakteristische Linien, aus
ihres Begleiters ein neues Planetensys- deren spektroskopischer Beobachtung
sich die Bewegungsverhältnisse erschlietem zum Leben erwachen.
JULIET DATSON ßen lassen. Aber die mit den Wolken as-
soziierte Extinktion macht die optischen
Beobachtungen sehr schwierig.
Die Forscher entwickelten aufgrund
dieser zunächst völlig überraschenden
Beobachtungen die Vorstellung, dass die
schnellen, massearmen Jets von der dicken zirkumstellaren Scheibe der entstehenden Sterne in Richtung zu den beiden
Polen des Systems ausgehen und ihrerseits die massereichen, viel langsameren
molekularen Ausflüsse weiter außen in
der Wolke antreiben. Theoretische Modelle zeigten die Möglichkeit auf, dass
auf diesem Wege auch der Drehimpuls
der zum Zentrum des Systems hin einfallenden Materie nach außen transportiert
wird. Das würde durch den Befund bestätigt, dass die bipolaren Ausströmungen
um die Polachse des Systems rotieren.
Erste Evidenz
Nun hat eine Gruppe von Astronomen
am Max-Planck-Institut für Astronomie
unter der Leitung von Ralf Launhardt
und in Zusammenarbeit mit Kollegen
aus Bordeaux, Grenoble und Jena erstmals die Rotation eines bipolaren Ausflusses nachgewiesen. Die Bok-Globule
CB 26 (Abb. 1) steht 450 Lichtjahre von
der Sonne entfernt. An ihrem südwestlichen Rand ist ein neuer Stern entstanden
– im Optischen ist von ihm noch nichts
zu sehen, aber es verrät ihn die Wärmestrahlung im Millimeterwellenbereich,
die von seiner zirkumstellaren Scheibe
und von dem kleinen mit ihm assoziierten bipolaren Infrarotnebel ausgeht. Wir
blicken auf die dichte zirkumstellare Gasund Staubscheibe nahezu von der Kante, der Zentralstern ist daher aus unserer
Richtung nicht direkt beobachtbar. Nur
das Licht, das er auf den weniger dichten
staubigen Nebel ober- und unterhalb der
zirkumstellaren Scheibe wirft, wird dort
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
100 AE
CB 26
0.7
100 AE
0.7
von den Staubteilchen in Richtung auf
den Beobachter hin gestreut.
Das Gas in der zirkumstellaren Scheibe liegt hauptsächlich in molekularer
Form vor, wichtige Komponenten sind
zum Beispiel CO und HCO+. Misst man
die Wellenlängen ihrer Emissionslinien,
etwa CO(2-1) or HCO+(3-2), so stellt man
fest: Das Gas in der Scheibe rotiert um
den Zentralstern entsprechend den Keplerschen Gesetzen.
Aus der Form der Rotationskurve
lässt sich die Masse des Zentralsterns
zu 0.5 Sonnenmassen bestimmen. Unter Berücksichtigung seiner im Infraroten gemessenen Leuchtkraft und theoretisch berechneter Entwicklungswege
junger Sterne dieser Masse lässt sich sein
Alter zu 0.5 bis einer Million Jahre abschätzen. Es handelt sich also um einen
sehr jungen, noch in der Entstehung begriffenen Stern.
Von diesem System geht ein bipolarer
molekularer Ausfluss aus. Dieser Ausfluss ist – wie erwartet – genau senkrecht
zur Äquatorebene der Akkretionsscheibe
ausgerichtet. Im Optischen oder im na­
hen Infrarot konnte hier ein Jet noch nicht
nachgewiesen werden. Aber die Forscher
haben etwa sechs Bogenminuten (entsprechend 0.8 Lichtjahren) entfernt ein
einzelnes Herbig-Haro-Objekt entdeckt,
das genau auf der Achse des Ausflusses
liegt. Herbig-Haro-Objekte sind kleine
28 Sterne und Weltraum Dezember 2007
Nebelfetzen, die von Gasteilchen hoher
Geschwindigkeit getroffen, dabei ionisiert und so zur Emission charakteristischer Linien angeregt werden. Damit ist
die Existenz eines schnellen, hochkollimierten Jets zumindest nahegelegt.
Das große Bild in Abb. 1 wurde aus
farbkodierten Einzelaufnahmen zusammengesetzt: Dabei wurde die Infrarotaufnahme rot dargestellt, grün die Emissionslinie [SII] des Schwefels und blau
die H-Alpha-Emission des rekombinierenden Wasserstoffs. Sie zeigt einen Himmelsausschnitt, etwa ein Viertel so groß
wie der Vollmond; die Globule steht links
der Bildmitte. Der oben beschriebene
kleine leuchtende Infrarotnebel steht im
Zentrum des weißen Quadrats.
Die obere der beiden Ausschnittsvergrößerungen zeigt eine höher aufgelöste
Darstellung in der Farbe J–H im Infraroten. Der bipolare Reflexionsnebel ist (wie
sein Name andeutet) durch einen scharf
begrenzten Extinktionsstreifen halbiert,
der durch die von der Kante gesehene
zirkumstellare Scheibe verursacht wird.
Die weißen Konturlinien zeigen die mit
einem Radiointerferometer auf Hawaii,
dem Submillimeter Array, beobachtete
thermische Emission der Scheibe im Millimeterwellenbereich.
Die untere Ausschnittsvergrößerung
zeigt den bipolaren molekularen Ausfluss nach Beobachtungen der 12CO(2-1)-
Abb. 1: Großes Bild – die Globule
CB 26 in ihrer Umgebung. Inset
oben rechts – der bipolare Reflexionsnebel im Infraroten; die
Konturen zeigen die thermische
Emission der zirkumstellaren
Scheibe. Unten rechts – das Geschwindigkeitsfeld des molekularen Ausflusses; die Radialgeschwindigkeiten sind wie üblich
kodiert.
Linienemission bei drei Millimeter Wellenlänge mit dem Iram-Interferometer
auf dem Plateau de Bure bei Grenoble.
Der auf diese Weise gemessene Bewegungszustand des molekularen Gases
ist durch die farbliche Kodierung dargestellt: In den blau gefärbten Bereichen
bewegt es sich auf den Beobachter zu, in
den rot gefärbten bewegt es sich von ihm
weg; Zwischenwerte sind grün kodiert.
Die weißen Konturen zeigen wieder die
Wärmestrahlung der zirkumstellaren
Scheibe.
Dieses am System CB 26 erstmals beobachtete Geschwindigkeitsfeld entspricht demjenigen eines rotierenden
molekularen Ausflusses. Allerdings lässt
sich die Frage nach der genauen Ursache
der Rotation noch nicht eindeutig beantworten. Die wahrscheinlichsten Erklärungen dafür sind:
 Ein einzelner rotierender bipolarer Jet
treibt den molekularen Ausfluss an und
trägt seinen Drehimpuls aus der inneren
Umgebung des Sterns in das weiter außen
liegende molekulare Gas. In diesem Fall
beobachten wir, wie der Rotationsdrehimpuls des auf die innere Akkretionsscheibe einfallenden Gases an das weiter
außen liegende Material abgegeben wird.
 Zwei parallele Jets gehen von einem im
Zentrum befindlichen Doppelsternsystem aus und treiben weiter außen das molekulare Gas an. In diesem Fall enthält das
Geschwindigkeitsfeld des molekularen
Ausflusses die Radialkomponenten der
Bahngeschwindigkeiten der beiden Sterne, und wir beobachten, wie der Bahndrehimpuls des Doppelsterns nach außen
getragen wird.
Zwar gibt es keine direkte Evidenz für das
Vorliegen eines Doppelsternsystems in
CB 26. Aber die im Licht der thermischen
Staubemission aufgenommenen Bilder
lassen die Möglichkeit zu, dass die Scheibe ein großes zentrales Loch besitzt. Ein
solches Loch ließe sich mit der Anwesenheit eines Doppelsterns im Zentrum des
Systems erklären. Gegenwärtig versuchen die an dieser Studie beteiligten Forscher, eine Entscheidung zwischen beiden
Möglichkeiten herbeizuführen.
JAKOB STAUDE
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