Vorlesung Mathematik II.1 Prof. Dr. Zoltán Sasvári Institut für Mathematische Stochastik Technische Universität Dresden Wintersemester 2016 1 Inhaltsverzeichnis Mathematik II.1 Komplexe Zahlen Stetige Funktionen Differenzierbarkeit Potenzreihen Elementare Funktionen 3 6 11 19 28 37 Kurvenintegrale 53 Die Cauchyschen Integralformeln 77 Potenzreihenentwicklung 86 Isolierte Singularitäten, Laurent-Entwicklung 97 Residuensatz und Anwendungen 111 Konforme Abbildungen 123 2 Mathematik II.1 Verschiedenes I Kursassistentin: Frau Dr. Kuhlisch www.math.tu-dresden.de/∼kuhlisch/ I Die Übungsaufgaben stehen auf der Internetseite von Frau Dr. Kuhlisch. I Zugelassene Hilfsmittel bei der Prüfung: Literatur, handschriftliche Unterlagen, elektronische Geräte sind nicht zugelassen I Handout zu der Vorlesung zum Herunterladen unter: www.math.tu-dresden.de/∼sasvari/ I Die in der Vorlesung vorgerechneten Aufgaben sind in der Regel nicht im Handout enthalten. 3 Mathematik II.1 Literatur K. Burg, H. Haf, F. Wille Funktionentheorie Teubner Verlag, Stuttgart, Leipzig, Wiesbaden, 2004. Engeln, Müllges, G., Schäfer, W., Trippler G., Kompaktkurs Ingenieurmathematik Hanser, München/Wien 1999. Hoffmann, A., Marx, B., Vogt, W., Mathematik für Ingenieure, Band 2 Pearson Studium, München, 2005. 4 Mathematik II.1 Formelsammlung Merziger G., Mühlbach, G. Wille, D., Wirth, T., Formel + Hilfen, Höhere Mathematik Binomi Verlag, Barsinghausen, 2010 5 Komplexe Zahlen Wiederholung Bezeichnungen C: Menge der komplexen Zahlen i: imaginäre Einheit, i2 = −1 Real- und Imaginärteil Ist z = x + iy , x, y ∈ R eine komplexe Zahl (algebraische Darstellung), so nennt man x den Realteil und y den Imaginärteil von z. In Zeichen: x = Re z, y = Im z 6 Komplexe Zahlen Wiederholung Real- und Imaginärteil: Fortsetzung Es gilt: Re(z + w ) = Re z + Re w , Im(z + w ) = Im z + Im w sowie Re(az) = a Re z, Im(az) = a Im z, a ∈ R. Geometrische Veranschaulichung von C Komplexe Zahlenebene oder Gaußsche Zahlenebene; der Punkt (x, y ) entspricht der komplexen Zahl z. 7 Komplexe Zahlen Wiederholung Inverse Ist z = x + iy 6= 0, so ist 1 x y = 2 − i z x + y2 x2 + y2 Konjugierte Die Zahl z = x − iy heißt die zu z konjugierte Zahl. Es gelten folgende Beziehungen: z + w = z + w, zw = z · w (z) = z, zz = x 2 + y 2 1 1 Re z = (z + z), Im z = (z − z) 2 2i 8 Komplexe Zahlen Wiederholung Betrag Die nichtnegative reelle Zahl p √ |z| = x 2 + y 2 = zz heißt der Betrag von z (Abstand des Punktes z vom Nullpunkt). Eigenschaften vom Betrag: I −|z| ≤ Re z ≤ |z|, I −|z| ≤ Im z ≤ |z|, I |zw | = |z| · |w |, I |z + w | ≤ |z| + |w | (Dreiecksungleichung), I |z + w | ≥ |z| − |w | 9 Komplexe Zahlen Wiederholung Polarkoordinaten Trigonometrische Darstellung für z ∈ C \ {0}: z = r · (cos ϕ + i sin ϕ) wobei r und ϕ die Polarkoordinaten des Punktes (x, y ) sind: r = |z|, ϕ = arg z, 0 ≤ ϕ < 2π Bei der Multiplikation zweier komplexer Zahlen multiplizieren sich die Beträge, die Argumente addieren sich (mod 2π). Deshalb ist bei festem w 6= 0 die Abbildung z 7→ w · z der komplexen Ebene auf sich eine Drehung um arg w , verbunden mit einer Streckung um den Faktor |w |; kurz eine Drehstreckung. Zum Beispiel: Die Multiplikation mit i ist eine Drehung um 90◦ . 10 Stetige Funktionen Definition, Eigenschaften Bezeichnungen In diesem Kapitel untersuchen wir hauptsächlich Funktionen f : Df → C wobei Df ⊂ C. Sowohl Wertebereich als auch Definitionsbereich sind also komplex. Mit g (z) = Re f (z) und h(z) = Im f (z) gilt: f (z) = g (z) + ih(z) wobei g und h reellwertige Funktionen auf Df sind. Schreibt man z in der algebraischen Form z = x + iy , so kann man g und h auch als reellwertige Funktionen von zwei reellen Variablen x und y betrachten. 11 Stetige Funktionen Definition, Eigenschaften Beispiele 1 1. Konstante Funktion: f (z) = c für alle z ∈ C mit einem c ∈ C. 2. f (z) = z: Spiegelung an der reellen Achse. 3. f (z) = az, a 6= 0: Drehstreckung. 4. Re z, Im z, |z| : alle drei reellwertige Funktionen. 5. P(z) = an z n + · · · + a1 z + a0 , ai ∈ C, an 6= 0: Polynom n-ten Grades. P(z) 6. R(z) = Q(z) , wobei P und Q Polynome sind und Q nicht identisch 0 ist: rationale Funktion 12 Stetige Funktionen Definition, Eigenschaften Bemerkung 2 Der Graph einer Funktion f ist die Menge {(z, f (z)) : z ∈ Df } die als Teilmenge von R4 betrachtet werden kann; er entzieht sich damit der Anschauung. Eine Möglichkeit der Darstellung von f ist die Zeichnung der Niveaulinien von Re f , Im f und |f |. Beispiel: f (z) = z 2 = (x 2 − y 2 ) + i(2xy ) 13 Stetige Funktionen Definition, Eigenschaften Grundbegriffe Da wir C auch als Ebene betrachten können, übernehmen wir die folgenden Begriffe aus R2 : offene Menge (häufig Bereich genannt), abgeschlossene Menge, Rand einer Menge, Konvergenz einer Folge von komplexen Zahlen. ∞ Eine Folge {zn }∞ 1 = {xn + iyn }1 komplexer Zahlen konvergiert gegen z = x + iy , wenn lim |zn − z| = 0. n→∞ Obige Beziehung gilt genau dann, wenn lim xn = x n→∞ und lim yn = y . n→∞ 14 Stetige Funktionen Definition, Eigenschaften Definition 3 Eine Funktion f heißt stetig im Punkt z ∈ Df , wenn aus lim zn = z, n→∞ zn ∈ Df folgt, dass lim f (zn ) = f (z). n→∞ Ist f stetig in jedem Punkt einer Menge U, so sagen wir, dass f auf U stetig ist. Bemerkung 4 Eine Funktion f ist genau dann stetig auf einer Menge, wenn dort Re f und Im f stetig sind. Die Funktionen im obigen Beispiel sind alle stetig auf ihrem Definitionsbereich. 15 Stetige Funktionen Definition, Eigenschaften Satz 5 Ist die Funktion f auf der beschränkten, abgeschlossenen Menge K stetig, so nehmen die Funktionen Re f , Im f und |f | auf K ihr Minimum und Maximum an. Insbesondere sind all diese Funktionen beschränkt auf K . 16 Stetige Funktionen Wege Kurven in der komplexen Zahlenebene werden häufig Wege genannt. Definition 6 Es sei M ⊂ C. Ein Weg in M ist eine stetige Abbildung γ eines Intervalls [a, b] ⊂ R in M. γ(a) heißt Anfangspunkt, γ(b) Endpunkt von γ. Man sagt auch, γ verbindet γ(a) und γ(b). Zwei Punkte in M heißen verbindbar, wenn es einen Weg in M gibt, der sie verbindet. Die Menge M heißt (wegweise) zusammenhängend, wenn je zwei Punkte von M miteinander verbindbar sind. Eine zusammenhängende, offene Menge wird auch Gebiet genannt. 17 Stetige Funktionen Wege Beispiele 7 (Wege) 1. γ(t) = (1 − t) · z1 + t · z2 , t ∈ [0, 1]. Linearer Weg von z1 nach z2 . 2. γ(t) = z0 + r · (cos t + i sin t) = z0 + r · eit , t ∈ [0, 2π], r ≥ 0. Kreislinie um z0 mit Radius r . Beispiele 8 (Gebiete) 1. {z ∈ C : |z − z0 | < r }: Kreisscheibe (ohne Rand) vom Radius r um z0 . 2. {z ∈ C : Im z > 0}: obere Halbebene 3. {z ∈ C : Re z > 0}: rechte Halbebene 18 Differenzierbarkeit Definition und Beispiele Definition 9 Es sei f eine auf der offenen Menge U ⊂ C definierte komplexwertige Funktion und z0 ∈ U. Die Funktion f heißt in z0 (komplex) differenzierbar, wenn der Grenzwert f (z) − f (z0 ) lim z→z0 z − z0 existiert. Dieser Grenzwert heißt Ableitung von f an der Stelle z0 . Schreibweise: f 0 (z0 ). Die Funktion f 0 : Df 0 −→ C heißt die (erste) Ableitungsfunktion von f oder kurz die Ableitung von f , wobei Df 0 = {z ∈ C : z ∈ Df und f 0 (z) existiert}. Ist f in jedem Punkt von U differenzierbar, so heißt f holomorph auf U. 19 Differenzierbarkeit Definition und Beispiele Bemerkung 10 Mit h anstelle von z − z0 in der obigen Definition erhalten wir: f (z0 + h) − f (z0 ) h→0 h f 0 (z0 ) = lim Beispiel 11 Wir zeigen, dass die Funktion f (z) = z 3 holomorph auf C ist. f (z0 + h) − f (z0 ) (z0 + h)3 − z03 3z02 h + 3z0 h2 + h3 = = h h h 2 2 = 3z0 + 3z0 h + h Wir bilden nun den Grenzwert h → 0 und erhalten: f 0 (z0 ) = 3z02 , z0 ∈ C. 20 Differenzierbarkeit Definition und Beispiele Beispiel 12 Die Funktion f (z) = z ist in keinem Punkt z0 ∈ C differenzierbar: f (z0 + h) − f (z0 ) z0 + h − z0 h = = . h h h Der Grenzwert limh→0 hh existiert aber nicht: liegt h auf der reellen Achse, so ist hh = 1; liegt h auf der imaginären Achse, so ist h h = −1. Bemerkung 13 Für die Funktion f (z) = z sind g (x, y ) = Re f (x + iy ) = x und h(x, y ) = Im f (x + iy ) = −y beliebig oft nach x und y partiell differenzierbar, f ist trotzdem nicht differenzierbar im komplexen Sinne. 21 Differenzierbarkeit Eigenschaften Satz 14 Eine in einem Punkt differenzierbare Funktion ist dort stetig. Sind f und g auf der offenen Menge U differenzierbar, so gilt: 1. (cf )0 = cf 0 , c ∈C 2. (f + g )0 = f 0 + g 0 3. (fg )0 = f 0 g + fg 0 (Produktregel) 0 0 0 4. gf = f gg−fg , wo g nicht verschwindet. 2 5. Ist f 0 = 0, so ist f konstant. 22 Differenzierbarkeit Eigenschaften Satz 15 (Kettenregel) Es seien f : U → V , g : V → C differenzierbare Funktionen auf den offenen Mengen U und V . Dann ist die zusammengesetzte Funktion F = g (f ) auf U differenzierbar, und es gilt: F 0 (z) = f 0 (z)g 0 (f (z)). 23 Differenzierbarkeit Eigenschaften Satz 16 (Ableitung der Umkehrfunktion) Es sei f eine holomorphe Funktion auf der offenen Menge U. Ist z0 ∈ U und f 0 (z0 ) 6= 0, so gibt es eine Umgebung U0 ⊂ U von z0 mit der folgenden Eigenschaft: Auf U0 ist die Funktion f invertierbar, die Umkehrfunktion f −1 ist holomorph auf f (U0 ) (der Wertebereich von f auf U0 ) und es gilt: 0 f −1 (z) = 1 f 0 (f −1 (z)) . Der nächste Satz gilt nicht für reelle Funktionen. Satz 17 Ist eine Funktion auf einer offenen Menge differenzierbar, so ist sie dort beliebig oft differenzierbar. 24 Differenzierbarkeit Eigenschaften Satz 18 (Die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen) Eine Funktion f (z) = f (x + iy ) = g (x, y ) + ih(x, y ) auf einer offenen Menge U ist genau dann differenzierbar, wenn g und h auf U stetig partiell differenzierbar sind und gx = hy , gy = −hx . Ist f differenzierbar, so gilt f 0 (z) = gx + ihx = hy − igy . 25 Differenzierbarkeit Eigenschaften Beispiel 19 Für die Funktion f (z) = z 2 = (x + iy )2 = (x 2 − y 2 ) + i · (2xy ) ist gx = hy = 2x, gy = −2y , hx = 2y . Bemerkung 20 Aus den vorhergehenden zwei Sätzen folgt, dass g und h beliebig oft partiell differenzierbar sind, wenn f holomorph ist. Wir leiten die erste Cauchy-Riemannsche Differentialgleichung nach x, die zweite nach y ab: gxx = hyx , gyy = −hxy =⇒ gxx + gyy = 0. 26 Differenzierbarkeit Eigenschaften Bemerkung 20 (Fortsetzung) Analog sieht man, dass hxx + hyy = 0. Der Realteil und der Imaginärteil einer holomorphen Funktion erfüllen also die sog. Laplace-Gleichung ∂2u ∂2u + = 0. ∂x 2 ∂y 2 Funktionen, die diese Gleichung erfüllen, heißen harmonisch. Beispiele 21 I x 2 − y 2 und ex · cos y sind harmonische Funktionen. I Für f (z) = z gilt g (x, y ) = x, h(x, y ) = −y und gx = 1 6= hy = −1 =⇒ f ist in keinem Punkt differenzierbar. 27 Potenzreihen Definition Definition 22 Gegeben sei eine Folge {an }, an ∈ C. Bezeichnen wir die Summe der ersten n Glieder dieser Folge mit sn , also n X sn = a1 + a2 + · · · + an = ak k=1 so erhalten wir eine neue Folge {sn }, die Folge der Partialsummen von {an }. Diese Folge heißt die zu der Folge {an } gehörende unendliche Reihe. Konvergiert die Folge {sn } gegen eine komplexe Zahl s ∈ C, so sagen wir, die unendliche Reihe sei konvergent und besitze die Summe s. Schreibweise: ∞ n X X s= ak = lim ak = a1 + a2 + · · · . k=1 n→∞ k=1 Existiert der Grenzwert nicht, so heißt die Reihe divergent. 28 Potenzreihen Definition Satz 23 Ist die Reihe P∞ k=1 ak konvergent, so ist {ak } eine Nullfolge: lim ak = 0. k→∞ Definition 24 P P∞ Eine Reihe ∞ a heißt absolut konvergent, wenn die Reihe k k=1 k=1 |ak | konvergiert. Bemerkungen 25 1. Absolute Konvergenz zieht Konvergenz nach sich. P 2. Da ∞ k=1 |ak | eine Reihe reeller Zahlen ist, hat man als Tests für absolute Konvergenz die üblichen Tests für reelle Reihen: Quotientenkriterium, Wurzelkriterium, Majoranten- und Minorantenkriterium. 29 Potenzreihen Definition Beispiel 26 P n Die geometrische Reihe ∞ n=0 z ist für |z| < 1 absolut konvergent. Für |z| ≥ 1 ist {z k } keine Nullfolge, die geometrische Reihe divergiert dann. Es gilt: n X 1 − z n+1 k z = 1−z k=0 Für |z| < 1 ist limn→∞ z n+1 = 0, also ∞ X k=0 zk = 1 , 1−z |z| < 1. 30 Potenzreihen Definition Definition 27 (Potenzreihe) Eine Potenzreihe ist eine unendliche Reihe der Form ∞ X ak · (z − z0 )k k=0 wobei ak , z0 , z ∈ C. Der Punkt z0 heißt Entwicklungspunkt. Beispiel 28 Die Konvergenzmenge der geometrischen Reihe ist die offene Kreisscheibe {z ∈ C : |z| < 1}. Die Summe 1 1−z ist dort eine holomorphe Funktion. Die allgemeine Situation ist nicht wesentlich komplizierter: 31 Potenzreihen Definition Satz 29 Für jede Potenzreihe f (z) = ∞ X ak · (z − z0 )k k=0 gibt es ein r mit 0 ≤ r ≤ ∞, so dass die Potenzreihe für |z − z0 | < r absolut konvergent und für |z − z0 | > r divergent ist. Ist r > 0, so ist f auf Dr (z0 ) = {z ∈ C : |z − z0 | < r } holomorph, ihre Ableitung berechnet sich durch gliedweise Differentiation: f 0 (z) = ∞ X k · ak · (z − z0 )k−1 . k=1 32 Potenzreihen Definition Definition 30 Die Zahl r heißt Konvergenzradius, die Menge Dr (z0 ) der Konvergenzkreis der Reihe. Bemerkung 31 Über die Konvergenz oder Divergenz auf dem Rande des Konvergenzkreises lassen sich keine allgemeinen Aussagen machen. Der Konvergenzradius r lässt sich wie im reellen Fall bestimmen: an r = lim n→∞ an+1 und r= 1 p limn→∞ n |an | falls die Grenzwerte oben existieren. 33 Potenzreihen Beispiele Beispiel 32 Der Konvergenzradius der Potenzreihen ∞ X n=0 ist gleich 1. Für n z , ∞ X n·z n−1 , n=1 ∞ X ∞ X 1 n=1 n · zn nn · z n n=0 ist r = 0, für ∞ X 1 · zn n n n=0 ist r = ∞. 34 Potenzreihen Beispiele Beispiel 33 Wir berechnen die Summe der Reihe ∞ X n · z n−1 = n=1 ∞ X P∞ n=1 n !0 zn = n=0 · z n−1 : 1 1−z 0 = 1 . (z − 1)2 Die Reihe ist absolut konvergent für |z| < 1. 35 Potenzreihen Beispiele Beispiel 34 Sei f (z) = ∞ X 1 n=1 n · z n. Dann gilt für |z| < 1: 0 f (z) = ∞ X n=1 z n−1 = ∞ X n=0 zn = 1 . 1−z Wie man f hieraus bestimmen kann, sehen wir im nächsten Abschnitt (Logarithmus). 36 Elementare Funktionen Exponentialfunktion, Sinus und Kosinus Wir kennen bereits die Taylor-Entwicklung der Funktion ex auf der reellen Achse: ∞ X 1 x e = · x n, x ∈ R n! n=0 Deshalb definieren wir: Definition 35 (komplexe Exponentialfunktion) Die Funktion ∞ X 1 1 e = · zn = 1 + z + · z2 + · · · , n! 2 z z ∈C n=0 heißt (komplexe) Exponentialfunktion. Der Konvergenzradius der obigen Potenzreihe ist gleich ∞. Analog erweitern wir die trigonometrischen Funktionen auf C: 37 Elementare Funktionen Exponentialfunktion, Sinus und Kosinus Definition 36 (trigonometrische Funktionen) Für z ∈ C sei cos z = sin z = ∞ X (−1)n n=0 ∞ X n=0 (2n)! · z 2n = 1 − 1 2 1 ·z + · z4 − · · · 2 24 (−1)n 1 1 · z 2n+1 = z − · z 3 + · z5 − · · · . (2n + 1)! 6 120 Bemerkungen 37 I Aus der Definition folgt: cos(−z) = cos z, I sin(−z) = − sin z Nach einem Satz im Abschnitt Potenzreihen sind ez , sin(z), cos(z) holomorphe Funktionen auf C. 38 Elementare Funktionen Exponentialfunktion, Sinus und Kosinus Bemerkungen 37 (Fortsetzung) I Durch gliedweise Differentiation erhalten wir: z 0 (e ) = ∞ X n=1 ∞ X 1 1 n−1 = · z n = ez . ·z n! (n − 1)! n=0 I Analog sehen wir, dass (cos z)0 = − sin z und (sin z)0 = cos z. I Unmittelbar aus der Definition folgen die Euler’schen Gleichungen: eiz = cos z + i sin z, 1 cos z = · (eiz + e−iz ), 2 e−iz = cos z − i sin z 1 sin z = · (eiz − e−iz ) 2i 39 Elementare Funktionen Exponentialfunktion, Sinus und Kosinus Satz 38 Es gilt: ew +z = ew · ez , w , z ∈ C. Beweis. Für festes w ∈ C sei f (z) = ez · ew −z . Nach der Produktregel gilt: f 0 (z) = ez · ew −z − ez · ew −z = 0. Folglich ist f konstant: f (z) = ez · ew −z = f (0) = ew . Nun schreiben wir w + z anstelle von w . 40 Elementare Funktionen Exponentialfunktion, Sinus und Kosinus Aus dem vorhergehenden Satz und aus den Euler’schen Gleichungen folgt: Satz 39 Für alle z, w ∈ C gilt: sin(z + w ) = sin z · cos w + cos z · sin w cos(z + w ) = cos z · cos w − sin z · sin w . Weitere Eigenschaften Die erste Gleichung im obigen Satz mit w = π2 ergibt: π sin z + = cos z. 2 Die zweite Gleichung mit w = −z: cos2 z + sin2 z = 1. 41 Elementare Funktionen Exponentialfunktion, Sinus und Kosinus Weitere Eigenschaften (Fortsetzung) Aus der ersten Eulerschen Gleichung erhalten wir die Polarkoordinatendarstellung von ez : ez = ex+iy = ex · (cos y + i sin y ) = r · (cos ϕ + i sin ϕ). Daraus folgen die Beziehungen r = |ez | = ex , y = ϕ + 2`π mit einer ganzen Zahl `, und e2kπi = 1, ez+2kπi = ez , k ∈ Z. 42 Elementare Funktionen Exponentialfunktion, Sinus und Kosinus Satz 40 Die ganzzahligen Vielfachen von 2πi sind Perioden der komplexen Exponentialfunktion, andere Perioden gibt es nicht. Beweis. Die erste Aussage haben wir bereits bewiesen. Nehmen wir an, dass ez1 = ez2 , wobei z1 = x1 + iy1 , z2 = x2 + iy2 . Dann gilt |ez1 | = |ez2 | =⇒ ex1 = ex2 =⇒ x1 = x2 und arg z1 = arg z2 =⇒ y1 = y2 + 2kπ mit einer ganzen Zahl k. 43 Elementare Funktionen Exponentialfunktion, Sinus und Kosinus Satz 41 Die Funktion ez hat keine Nullstellen, die Funktionen cos z und sin z haben nur reelle Nullstellen. Beweis. Die erste Aussage folgt aus ez · e−z = e0 = 1 die zweite aus cos z = 0 =⇒ eiz + e−iz = 0 =⇒ e2iz + 1 = 0 =⇒ e2iz = −1 = eπi =⇒ 2iz = πi + 2kπi =⇒ z = π + kπ, k ∈ Z 2 Analog für sin z. 44 Elementare Funktionen Exponentialfunktion, Sinus und Kosinus Satz 42 Die Funktionen cos z und sin z haben die Periode 2kπ, andere Perioden gibt es nicht. 45 Elementare Funktionen Tangens, Cotangens und Hyperbelfunktionen Die reellen Funktionen Tangens und Cotangens lassen sich in natürlicher Weise zu holomorphen Funktionen fortsetzen: Definition 43 (Tangens, Cotangens) Wir definieren: sin z tan z = , cos z cot z = cos z , sin z 1 z= 6 k+ ·π 2 z 6= kπ. 46 Elementare Funktionen Tangens, Cotangens und Hyperbelfunktionen Bemerkung 44 Mit Hilfe der Euler’schen Gleichungen cos z = 1 · (eiz + e−iz ), 2 sin z = 1 · (eiz − e−iz ) 2i erhalten wir: 1 e2iz − 1 , tan z = · 2iz i e +1 e2iz + 1 cot z = i · 2iz e −1 47 Elementare Funktionen Tangens, Cotangens und Hyperbelfunktionen Auch die Hyperbelfunktionen lassen sich in natürlicher Weise zu holomorphen Funktionen fortsetzen: Definition 45 (Hyperbelfunktionen) Für alle z ∈ C sei 1 · (ez − e−z ), 2 1 cosh z = · (ez + e−z ). 2 sinh z = 48 Elementare Funktionen Tangens, Cotangens und Hyperbelfunktionen Bemerkung 46 Aus den Euler’schen Gleichungen folgen die Beziehungen 1 · sin iz, cosh z = cos iz i 1 sin z = · sinh iz, cos z = cosh iz i sinh z = Im Komplexen besteht also kein wesentlicher Unterschied zwischen trigonometrischen und hyperbolischen Funktionen. 49 Elementare Funktionen Logarithmusfunktion Auf der reellen Achse ist die Exponentialfunktion streng monoton wachsend und deshalb invertierbar. Die Inverse haben wir mit ln oder log bezeichnet (der Logarithmus zur Basis e). Im komplexen Bereich ist die Situation anders. Satz 47 Die Funktion ez bildet C auf C \ {0} ab, jede komplexe Zahl w 6= 0 wird dabei an unendlich vielen Stellen als Wert angenommen. Beweis. Sei w = r · eiϕ , r 6= 0, ϕ = arg w , 0 ≤ ϕ < 2π die exponentielle Darstellung von w . Für k ∈ Z sei zk = ln r + i · (ϕ + 2kπ). Dann gilt: ezk = eln r +i·(ϕ+2kπ) = eln r · ei·(ϕ+2kπ) = r · ei·ϕ = w 50 Elementare Funktionen Logarithmusfunktion Von den unendlich vielen Zahlen zk liegt genau eine in dem Streifen D = {z = x + iy : −∞ < x < ∞, −π ≤ y < π} nämlich ln r + i · ϕ wenn 0≤ϕ< π ln r + i · (ϕ − 2π) wenn π ≤ ϕ < 2π Definition 48 Die Einschränkung von ez auf D ist eine ein-eindeutige Abbildung von D auf C \ {0}. Die inverse Funktion nennen wir Logarithmus (auch Hauptzweig des Logarithmus genannt) und bezeichnen sie mit Log oder ln. 51 Elementare Funktionen Logarithmusfunktion Mit R− = (−∞, 0] bezeichnen wir die Menge der nichtpositiven reellen Zahlen. Im nächsten Satz betrachten wir sie als Teilmenge von C. Satz 49 I Log z ist differenzierbar auf C \ R− und (Log z)0 = z1 . I In den Punkten von R− \ {0} = (−∞, 0) ist Log z nicht stetig. I Für z ∈ C mit |1 − z| < 1 gilt Log z = ∞ X n=1 (−1)n+1 · 1 · (z − 1)n . n 52 Kurvenintegrale Wege Ziel: Definition von Kurvenintegralen für komplexwertige Funktionen auf Kurven in der komplexen Ebene. Wege: Wiederholung Ein Weg in einer offenen Menge U ⊂ C ist eine stetige Abbildung γ eines Intervals [a, b] ⊂ R in U. Ein Weg γ läßt sich schreiben als γ(t) = x(t) + iy (t) wobei x und y stetige reelle Funktionen sind. Sind sie stückweise stetig differenzierbar, so heißt auch γ stückweise stetig differenzierbar, oder etwas kürzer, ein Integrationsweg. Ist γ(a) = γ(b) so heißt die Kurve geschlossen. Ist γ geschlossen und γ(t1 ) 6= γ(t2 ) für a ≤ t1 < t2 < b, so heißt γ einfach geschlossen. 53 Kurvenintegrale Wege Wege/Fortsetzung Die Ableitung γ 0 von γ ist definiert durch γ 0 (t) = x 0 (t) + iy 0 (t) für alle t, wo x und y differenzierbar sind. Für die endlich vielen Werte von t, wo x oder y nicht differenzierbar sind, setzen wir γ 0 (t) = 0 (nur damit γ 0 überall definiert ist; der Wert von γ 0 in diesen Punkten hat im Weiteren keine Bedeutung). 54 Kurvenintegrale Wege Beispiel 50 Seien z0 = x0 + iy0 ∈ C, r > 0, und γ(t) = z0 + r · eit , t ∈ [0, 2π]. Dann ist γ einfach geschlossen und stetig differenzierbar: d d [z0 + r (cos t + i sin t)] = [x0 + r cos t + i(y0 + r sin t)] dt dt = −r sin t + ir cos t = ir · (cos t + i sin t) = ir · eit γ 0 (t) = 55 Kurvenintegrale Wege Beispiel 51 Für z0 , z1 ∈ C ist γ(t) = z0 + t · (z1 − z0 ), t ∈ [0, 1] die Verbindungsstrecke von z0 nach z1 . Der Weg γ ist stetig differenzierbar und γ 0 (t) = z1 − z0 . Beispiel 52 Allgemeiner: Für z0 , z1 , . . . , zn ∈ C definieren wir γ : [0, n] → C durch γ(t) = zk + (t − k) · (zk+1 − zk ), t ∈ [k, k + 1] den Streckenzug von z0 nach zn . Der Weg γ ist stückweise stetig differenzierbar, geschlossen wenn z0 = zn und γ 0 (t) = zk+1 − zk , t ∈ [k, k + 1]. 56 Kurvenintegrale Wege Definition 53 (Zusammensetzen von Wegen) Hat man zwei Wege γ1 : [a, b] → C und γ2 : [c, d] → C derart, dass der Endpunkt γ1 (b) von γ1 mit dem Anfangspunkt γ2 (c) von γ2 übereinstimmt, so definiert man den aus γ1 und γ2 zusammengesetzten Weg γ1 γ2 durch γ1 γ2 : [a, b + (d − c)] → C, ( γ1 (t) für t ∈ [a, b], γ1 γ2 (t) = γ2 (t + c − b) für t ∈ [b, b + d − c]. Weiter erklären wir zu jedem Weg γ : [a, b] → C den entgegengesetzten Weg γ −1 : [a, b] → C durch γ −1 (t) = γ(a + b − t), t ∈ [a, b]. (Anfangs und Endpunkte werden vertauscht.) 57 Kurvenintegrale Wege Beispiel 54 Im Falle von γ(t) = z0 + r · eit , t ∈ [0, 2π] ist γ −1 die im Uhrzeigersinn durchlaufene Kreislinie. Sie wird durch γ −1 (t) = z0 + r e−it gegeben. Bemerkung: Länge Die Länge L(γ) eines Integrationsweges γ(t) = x(t) + iy (t) ist durch Z L(γ) = b q x 0 (t)2 + y 0 (t)2 dt. a gegeben. Der Integrand ist |γ 0 (t)|, folglich gilt: Z b L(γ) = |γ 0 (t)| dt. a 58 Kurvenintegrale Integral komplexwertiger Funktionen Definition 55 Das Integral einer auf [a, b] ⊂ R stückweise stetigen komplexwertigen Funktion f ist definiert durch Z b Z b Z b f (t) dt = Re (f (t)) dt + i Im (f (t)) dt. a a a Eigenschaften Die entsprechenden Eigenschaften reeller Integrale bleiben gültig. Ist F : [a, b] → C eine differenzierbare Funktion mit F 0 = f , so gilt: Z b f (t) dt = F (b) − F (a) (Hauptsatz Differentialgleichung). a Diese Aussage läßt sich leicht durch getrennte Betrachtung von Real- und Imaginärteil beweisen. 59 Kurvenintegrale Integral komplexwertiger Funktionen Beispiel 56 Z π it Z e dt = 0 π Z cos t dt + i 0 π sin t dt = sin t|π0 + i · (− cos t)|π0 = 2i 0 Oder: Mit F (t) = 1i · eit gilt F 0 (t) = eit =⇒ Z π 1 eit dt = F (π) − F (0) = · [−1 − 1] = 2i. i 0 60 Kurvenintegrale Zwischensummen Definition 57 Es sei γ : [a, b] → C ein Integrationsweg und f eine stetige Funktion auf γ (d. h. auf dem Wertebereich von γ). Wir wählen eine Zerlegung Z = Z (t0 , t1 , . . . , tn ) von [a, b] in n Teilintervalle, wobei a = t0 < t1 < t2 < · · · < tn = b und setzen zi = γ(ti ). Auf dem Kurvenstück von zi−1 nach zi wählen wir einen beliebigen Punkt wi , i = 1, . . . , n, und bilden die Zwischensumme S(Z ) = n X f (wk ) · (zk − zk−1 ). k=1 Mit ∆(Z ) bezeichnen wir die maximale Länge der Teilkurven der Zerlegung Z . Diese Größe wird Feinheit der Zerlegung genannt. 61 Kurvenintegrale Definition des Integrals Mit den Bezeichnungen aus dem vorigen Abschnitt gilt: Satz 58 Für eine beliebige stetige Funktion f existiert der Grenzwert lim∆(Z )→0 S(Z ), den wir mit Z f (z) dz γ bezeichnen. Weiterhin gilt: Z Z f (z) dz = γ b f (γ(t)) · γ 0 (t) dt. a 62 Kurvenintegrale Definition des Integrals Beispiel 59 Es sei z0 , r > 0 γ(t) = z0 + r · eit , (positiv orientierte Kreislinie) und f (z) = Z 1 dz = z − z0 γ 2π Z 0 t ∈ [0, 2π] 1 z−z0 . Dann ist 1 · ir eit dt = it z0 + r · e − z0 Z 2π i dt = 2πi. 0 Bemerkung: Das Ergebnis ist unabhängig von r und z0 . Das obige Integral schreibt man auch in der Form Z 1 dz |z−z0 |=r z − z0 63 Kurvenintegrale Definition des Integrals Beispiel 60 Ist [a, b] ⊂ R und γ die Strecke von a nach b: γ(t) = a + t · (b − a), t ∈ [0, 1] so ist für eine beliebige stetige Funktion f Z Z Z f (a + t · (b − a)) · (b − a) dt = f (z) dz = γ 1 0 b f (x) dx a (Substitution x = a + t · (b − a)). Die Bezeichnung für komplexe Integrale ist also mit der Bezeichnung für reelle Integrale verträglich. 64 Kurvenintegrale Definition des Integrals Beispiel 61 f (z) = |z|, γ(t) = ei(π−t) , t ∈ [0, π] (der obere Halbkreis von -1 nach 1). Wegen f (z) = 1 auf γ gilt: Z Z π |z| dz = 1 · γ 0 (t) dt = γ(π) − γ(0) = 2. γ 0 Integration von f über die Strecke [−1, 1] (siehe vorhergehendes Beispiel) Z Z 1 |t| dt = 1. |z| dz = [−1,1] −1 65 Kurvenintegrale Definition des Integrals Beispiel 61 (Fortsetzung) Dieses Beispiel zeigt, dass Kurvenintegrale im Allgemeinen nicht nur von Anfangs- und Endpunkt des Integrationsweges abhängen. 66 Kurvenintegrale Eigenschaften des Integrals Im folgenden Satz sind alle vorkommenden Funktionen stetig auf den entsprechenden Integrationswegen γ bzw. γk . Satz 62 (Eigenschaften des Integrals) R R (c f (z) + c f (z)) dz = c f (z) dz + c 1 1 2 2 1 1 2 γ γ γ f2 (z) dz R R 2. γ −1 f (z) dz = − γ f (z) dz, wobei γ −1 den entgegengesetzten Weg bezeichnet. 1. R 3. Sind γ1 , . . . , γn Integrationswege, die sich zu einem Weg γ zusammensetzen, so gilt R R R f (z) dz + · · · + f (z) dz = γ γ1 γn f (z) dz 4. Bezeichnet L(γ) die Länge und Wγ den Wertebereich von γ, so gilt Z f (z) dz ≤ L(γ) · max |f (z)|. γ z∈Wγ 67 Kurvenintegrale Eigenschaften des Integrals Definition 63 Es sei f eine Funktion auf der offenen Menge U ⊂ C. Eine Funktion F : U → C heißt Stammfunktion von f , wenn F holomorph ist und f = F 0 . Bemerkung 64 Sind F und G Stammfunktionen von f , so ist F − G konstant. Das folgt aus (F − G )0 = F 0 − G 0 = 0 (siehe Abschnitt Differenzierbarkeit - Eigenschaften). 68 Kurvenintegrale Eigenschaften des Integrals Satz 65 Es sei f eine stetige Funktion auf der offenen Menge U. Dann sind die folgenden Aussagen gleichwertig: 1. f besitzt eine Stammfunktion. 2. Für einen beliebigen geschlossenen Weg γ in U gilt Z f (z) dz = 0. γ 3. Es gibt eine holomorphe Funktion F auf U mit Z f (z) dz = F (z1 ) − F (z0 ) γ für beliebige Punkte z0 , z1 ∈ U und für beliebige Integrationswege γ in U von z0 nach z1 . 69 Kurvenintegrale Eigenschaften des Integrals Folgerung 66 Besitzt f eine Stammfunktion F , so gilt Z z F (z) = f (z) dz + F (z0 ), z ∈U z0 wobei z0 ∈ U und U von z0 nach z. Rz z0 bezeichnet das Integral über einen beliebigen Weg in Beispiel 67 Die Funktion f (z) = z n hat für n 6= −1 die Stammfunktion 1 F (z) = n+1 z n+1 auf C. Also gilt für einen beliebigen Integrationsweg γ in C mit Anfangspunkt z0 und Endpunkt z1 Z 1 z n dz = (z1n+1 − z0n+1 ). n+1 γ 70 Kurvenintegrale Eigenschaften des Integrals Beispiel 68 In den Beispielen aus dem letzten Abschnitt haben wir gesehen, dass Z 1 dz = 2πi z |z|=r Wegen dem vorhergehenden Satz kann die auf C \ {0} definierte Funktion dort keine Stammfunktion haben. Die Funktion Log z ist jedoch eine Stammfunktion auf C \ (−∞, 0] ! 1 z 71 Kurvenintegrale Der Cauchysche Integralsatz Zur Erinnerung: Eine offene Menge D ⊂ C heißt einfach zusammenhängend, wenn sich jeder Integrationsweg in D stetig innerhalb von D auf einen Punkt zusammenziehen läßt (keine Löcher in D). Satz 69 (Der Cauchysche Integralsatz) Ist f eine holomorphe Funktion in einem einfach zusammenhängenden Gebiet G , so gilt Z f (z) dz = 0 γ für jeden geschlossenen Integrationsweg γ in G . Folglich hat f eine Stammfunktion auf G . 72 Kurvenintegrale Der Cauchysche Integralsatz Definition 70 (nur anschaulich!) Sei γ eine stetige, geschlossene und doppelpunktfreie Kurve in C. Durch γ wird die komplexe Ebene in ein beschränktes Gebiet, das Innere von γ, und ein unbeschränktes Gebiet, das Äußere von γ, zerlegt. Ein Integrationsweg heißt positiv orientiert, wenn beim Durchlaufen des Weges das Innere des Weges stets auf der linken Seite liegt. Beispiel 71 Die Kurve γ(t) = eit , t ∈ [0, 2π] ist positiv orientiert. Vereinbarung: Bei Integralen der Form Orientierung gemeint. R |z−z0 |=r f (z) dz ist immer positive 73 Kurvenintegrale Der Cauchysche Integralsatz Satz 72 (Cauchyscher Integralsatz für mehrfach zusammenhängende Gebiete) Es seien γ, γ1 , . . . , γn , geschlossene, doppelpunktfreie, positiv orientierte Integrationswege in einem Gebiet D. Alle Wege γk sollen im Inneren des Weges γ liegen und jeder Weg γk im Äußeren jedes anderen Weges γj . Ferner liege das durch γ und alle γk gebildete Ringgebiet in D. Ist dann f eine holomorphe Funktion in D, so gilt Z f (z) dz = γ n Z X f (z) dz. k=1 γk Skizze eines mehrfach zusammenhängenden Gebietes 74 Kurvenintegrale Der Cauchysche Integralsatz Beispiel 73 Für 0 < r < 1 gilt: Z Z Z 1 1 1 I = dz = dz + dz 2 2 2 1 + z 1 + z 1 + z |z|=2 |z−i|=r |z+i|=r Partialbruchzerlegung: 1 1 = · 1 + z2 2i 1 1 − z −i z +i Wir setzen diesen Ausdruck in die Integrale ein: Z Z 1 1 1 1 I = dz − dz 2i |z−i|=r z − i 2i |z+i|=r z + i 75 Kurvenintegrale Der Cauchysche Integralsatz Beispiel 73 (Fortsetzung) denn, nach dem Cauchyschen Integralsatz, Z Z 1 1 dz = dz = 0. |z−i|=r z + i |z+i|=r z − i Mit Beispiel 3 vom Abschnitt Zwischensumme“ erhalten wir ” 1 1 I = · 2πi − · 2πi = 0. 2i 2i 76 Die Cauchyschen Integralformeln Cauchysche Integralformel Satz 74 (Cauchysche Integralformel) Sei f eine in einem einfach zusammenhängenden Gebiet D holomorphe Funktion. Ferner sei γ ein in D verlaufender geschlossener, doppelpunktfreier, positiv orientierter Integrationsweg. Dann gilt für jedes z aus dem Inneren von γ Z f (w ) 1 dw . f (z) = 2πi γ w − z Bemerkung 75 Aus der Cauchyschen Integralformel folgt: Die Funktionswerte von f im Inneren der Kurve γ sind eindeutig durch die Funktionswerte entlang der Kurve bestimmt. 77 Die Cauchyschen Integralformeln Cauchysche Integralformel Bemerkung 76 Die Integralformel läßt sich in der Form Z f (w ) dw = 2πi · f (z) w − z γ schreiben, die auch für die Berechnung von Integralen benutzt werden kann. Mit Hilfe der Cauchyschen Integralformel berechne man folgende Integrale: Beispiel 77 Z I = |w +1|=1 1 dw (w + 1)(w − 1)3 78 Die Cauchyschen Integralformeln Cauchysche Integralformel Beispiel 77 (Fortsetzung) 1 Lösung: Mit z = −1 und f (w ) = (w −1) 3 ist f holomorph in Df = C \ {1}, der Integrationsweg verläuft in Df und es gilt Z 1 πi f (w ) dw = 2πi · f (z) = 2πi · = . I = − 3 w − z (−1 − 1) 4 |w +1|=1 Bemerkung: Df ist zwar nicht einfach zusammenhängend, aber der Integrationsweg verläuft im zusammenhängenden Gebiet D = |w + 1| < 2, das in Df liegt. 79 Die Cauchyschen Integralformeln Cauchysche Integralformel Beispiel 78 Z |w |=2 sin w dw w +i Lösung: Mit z = −i und f (w ) = sin w ist f holomorph in C und es gilt Z f (w ) I = dw = 2πi · sin(−i) = 2πi · (−i) · sinh 1 = 2π sinh 1. |w |=2 w − z 80 Die Cauchyschen Integralformeln Cauchysche Integralformel für die n-te Ableitung Satz 79 (Cauchysche Integralformel für die n-te Ableitung) Seien die Voraussetzungen vom letzten Satz erfüllt. Dann gilt für jedes z aus dem Inneren von γ und für alle n = 1, 2, . . . Z n! f (w ) · dw . f (n) (z) = 2πi γ (w − z)n+1 Bemerkung 80 Diese Integralformel läßt sich in der Form Z f (w ) 2πi (n) dw = · f (z) n+1 (w − z) n! γ schreiben, die auch für die Berechnung von Integralen benutzt werden kann. 81 Die Cauchyschen Integralformeln Cauchysche Integralformel für die n-te Ableitung Beispiel 81 Z I = |w −1|=1 w w −1 3 dw Mit f (w ) = w 3 , z = 1, n = 2 ist f holomorph auf C, f (n) (w ) = 6w und es gilt 2πi (n) I = · f (z) = 6πi n! 82 Die Cauchyschen Integralformeln Cauchysche Integralformel für die n-te Ableitung Beispiel 82 Z I = |w |=r 1 dw (w − a)n · (w − b) wobei |a| < r < |b| und n ≥ 1. 1 , z = a, ist f holomorph auf C \ {b} und Mit f (w ) = w −b I = 2πi · f (n−1) (a) (n − 1)! 83 Die Cauchyschen Integralformeln Cauchysche Integralformel für die n-te Ableitung Beispiel 82 (Fortsetzung) f (w ) = (w − b)−1 f 0 (w ) = (−1) · (w − b)−2 f (2) (w ) = (−1) · (−2) · (w − b)−3 f (3) (w ) = (−1) · (−2) · (−3) · (w − b)−4 .. . f (k) (w ) = (−1) · (−2) · . . . · (−k) · (w − b)−(k+1) = (−1)k · k! · (w − b)−(k+1) 84 Die Cauchyschen Integralformeln Cauchysche Integralformel für die n-te Ableitung Beispiel 82 (Fortsetzung) f (n−1) (a) = (−1)(n−1) · (n − 1)! · (a − b)−n =⇒ 2πi I = 2πi · (−1)(n−1) · (a − b)−n = − . (b − a)n 85 Potenzreihenentwicklung Die Taylor-Reihe Satz 83 Sei f eine im Gebiet D holomorphe Funktion. Dann läßt sich f um jeden Punkt z0 ∈ D in eine Taylor-Reihe ∞ X f (k) (z0 ) f (z) = · (z − z0 )k k! k=0 entwickeln, die in jedem Kreisgebiet um z0 , das ganz in D liegt, konvergiert. Bemerkung 84 Diese Darstellung von f ist eindeutig im folgenden Sinne: Gilt ∞ ∞ X X k ak · (z − z0 ) = bk · (z − z0 )k k=0 k=0 in einem Kreisgebiet um z0 , so ist ak = bk für alle k. 86 Potenzreihenentwicklung Die Taylor-Reihe Beispiel 85 f (z) = ez , D = C, z0 = 0. Dann ist f (k) (0) = 1 für alle k und folglich ist ∞ X 1 e = · zk k! z k=0 die Taylor-Reihe von ez , die in C konvergiert. Beispiel 86 Geometrische Reihe (bereits bekannt): ∞ X zk = k=0 1 , 1−z |z| < 1 87 Potenzreihenentwicklung Die Taylor-Reihe Beispiel 86 (Fortsetzung) Folglich ist die Reihe links die Taylor-Reihe der Funktion Einheitskreis um 0. Allgemeiner: 1 1−z ∞ ∞ k=0 k=0 in dem offenen 1 1 1 1 X z k 1X 1 = = · = · zk f (z) = k a−z a 1 − z/a a a a a für |z| < |a|. Will man g (z) = 1 (z−a)2 um 0 entwickeln, so nutze man g (z) = f 0 (z), also ∞ X 1 1 g (z) = f 0 (z) = · zk k a a " k=0 #0 ∞ 1X k = · z k−1 . k a a k=1 88 Potenzreihenentwicklung Die Taylor-Reihe Beispiel 87 Rationale Funktionen zerlegt man in Partialbrüche, die wie im vorigen Beispiel behandelt werden. Sei zum Beispiel f (z) = −1 (z − 1)2 · (z − 2) Partialbruchzerlegung: f (z) = Folglich ist f (z) = − 1 1 1 + − z − 1 (z − 1)2 z − 2 ∞ X k z + k=0 ∞ X ∞ kz k−1 k=1 1X 1 + · zk k 2 2 k=0 89 Potenzreihenentwicklung Die Taylor-Reihe Beispiel 87 (Fortsetzung) Wegen ∞ X kz k−1 = k=1 erhalten wir ∞ X f (z) = k+ k=0 ∞ X (k + 1)z k k=0 1 2k+1 · zk, |z| < 1. 90 Potenzreihenentwicklung Eigenschaften Satz 88 Die Funktionen f und g seien im Gebiet D holomorph. Ferner gelte in einem Punkt z0 ∈ D f (k) (z0 ) = g (k) (z0 ), k = 0, 1, 2, . . . Dann gilt f (z) = g (z), für alle z ∈ D. 91 Potenzreihenentwicklung Eigenschaften Definition 89 Die Funktion f sei holomorph in einer Umgebung U von z0 . Der Punkt z0 heißt Nullstelle der Ordnung m der Funktion f , falls eine in U holomorphe Funktion g existiert, sodass f (z) = (z − z0 )m · g (z) und g (z0 ) 6= 0. Satz 90 Die Funktion f sei holomorph in einer Umgebung U von z0 . Der Punkt z0 ist eine Nullstelle der Ordnung m von f genau dann, wenn f (z0 ) = f 0 (z0 ) = · · · = f (m−1) (z0 ) = 0 und f (m) (z0 ) 6= 0. 92 Potenzreihenentwicklung Eigenschaften Bemerkung 91 Aus diesem Satz folgt, dass die Taylor-Reihe der Funktion f um z0 folgende Form hat: ∞ ∞ X X f (k) (z0 ) f (k) (z0 ) k m · (z − z0 ) = (z − z0 ) · · (z − z0 )k−m f (z) = k! k! k=m k=m {z } | g (z) 93 Potenzreihenentwicklung Eigenschaften Beispiel 92 Sei f (z) = sin z und z0 = 0. Dann ist f (0) = 0 und f 0 (0) = cos(0) = 1, folglich ist 0 eine einfache Nullstelle von sin z. Weiterhin gilt: ∞ X (−1)n 1 1 sin z = · z 2n+1 = z − · z 3 + · z5 − · · · (2n + 1)! 6 120 n=0 1 2 1 =z · 1− ·z + · z4 − · · · 6 120 94 Potenzreihenentwicklung Eigenschaften Beispiel 93 Sei f (z) = 1 − cos z und z0 = 0. Dann ist f (0) = 0, f 0 (0) = sin(0) = 0 und f 00 (0) = cos(0) = −1, folglich ist 0 ist eine zweifache Nullstelle von f . Weiterhin gilt: 1 − cos z = 1 − ∞ X (−1)n n=0 (2n)! · z 2n 1 1 = 1 − 1 − · z2 + · z4 − · · · 2 24 1 1 = z2 · − · z2 + · · · 2 24 95 Potenzreihenentwicklung Eigenschaften Satz 94 Die Funktion f sei holomorph in einer Umgebung von z0 , nicht identisch Null, und sei f (z0 ) = 0. Dann gibt es eine natürliche Zahl m so, dass z0 Nullstelle der Ordnung m ist. Weiterhin besitzt z0 eine Umgebung, in der z0 die einzige Nullstelle von f ist (d. h., die Nullstelle z0 ist isoliert). 96 Isolierte Singularitäten, Laurent-Entwicklung Die Laurent-Reihe Satz 95 Die Funktion f sei im Ringgebiet D(r1 , r2 ) = {z ∈ C : r1 < |z − z0 | < r2 mit 0 ≤ r1 < r2 ≤ ∞} holomorph. Dann läßt sich f in D in eine Laurent-Reihe um z0 entwickeln: ∞ X f (z) = ak · (z − z0 )k k=−∞ Die Koeffizienten ak sind durch 1 ak = 2πi Z K f (w ) dw (w − z0 )k+1 gegeben, wobei K ein beliebiger positiv orientierter Kreis um z0 ist, der im Inneren von D liegt. 97 Isolierte Singularitäten, Laurent-Entwicklung Die Laurent-Reihe Bemerkung 96 Die Koeffizienten der Laurent-Reihe sind eindeutig im folgenden Sinne: Gilt f (z) = ∞ X k ak · (z − z0 ) = k=−∞ ∞ X bk · (z − z0 )k , z ∈D k=−∞ so ist bk = ak für jedes k. 98 Isolierte Singularitäten, Laurent-Entwicklung Die Laurent-Reihe Bemerkung 97 Man nennt g (z) = ∞ X ak · (z − z0 )k k=0 den regulären Teil, −1 X h(z) = k ak · (z − z0 ) = k=−∞ ∞ X k=1 a−k (z − z0 )k den Hauptteil der Laurententwicklung von f . Es gilt: f (z) = g (z) + h(z). 99 Isolierte Singularitäten, Laurent-Entwicklung Die Laurent-Reihe Beispiel 98 Für die Funktion f (z) = 1 1 1 = − (z − 2) · (z − 3) z −3 z −2 sollen Laurent-Entwicklungen für die Ringgebiete |z| < 2, 2 < |z| < 3 und |z| > 3 um den Punkt z0 = 0 angegeben werden. In diesem einfachen Fall brauchen wir keine Integrale zu berechnen. |z| < 2 : 1 1 1 = − · z −2 2 1− z 2 ∞ ∞ X 1 X z k 1 = − · = − · zk k+1 2 2 2 k=0 k=0 100 Isolierte Singularitäten, Laurent-Entwicklung Die Laurent-Reihe Beispiel 98 (Fortsetzung) |z| > 2 : 1 1 1 = · z 1− z −2 2 z ∞ −1 ∞ X X 1 X 2 k 2k 1 = · zk = · = k+1 k+1 z z z 2 k=0 k=0 k=−∞ Analog: |z| < 3 : 1 1 1 = − · z −3 3 1− z 3 ∞ ∞ X 1 1 X z k k = − · · z = − 3 3 3k+1 k=0 k=0 101 Isolierte Singularitäten, Laurent-Entwicklung Die Laurent-Reihe Beispiel 98 (Fortsetzung) |z| > 3 : 1 1 1 = · z 1− z −3 3 z ∞ ∞ −1 X X 1 X 3 k 3k 1 k = · = = · z z z z k+1 3k+1 k=0 k=0 k=−∞ 102 Isolierte Singularitäten, Laurent-Entwicklung Die Laurent-Reihe Beispiel 98 (Fortsetzung) Damit ergibt sich ∞ X 1 1 − k+1 · z k , k+1 2 3 f (z) = |z| < 2 k=0 f (z) = − −1 X 1 k=−∞ f (z) = k 2k+1 ·z − ∞ X k=0 1 3k+1 · zk, 2 < |z| < 3 −1 X 1 1 − k+1 · z k , k+1 3 2 |z| > 3 k=−∞ 103 Isolierte Singularitäten, Laurent-Entwicklung Singularitäten Definition 99 Sei f holomorph in D(0, r ) = {z ∈ C : 0 < |z − z0 | < r } und sei h(z) = ∞ X k=1 a−k (z − z0 )k der Hauptteil der Laurent-Entwicklung von f in z0 . 104 Isolierte Singularitäten, Laurent-Entwicklung Singularitäten Definition 99 (Fortsetzung) Man nennt den Punkt z0 1. hebbare Singularität, falls a−k = 0 für alle k, d. h., h(z) = 0, z ∈ D. 2. Pol der Ordnung m , m = 1, 2, . . . , falls a−k = 0 für alle k > m, und a−m 6= 0. Dann ist h(z) = m X k=1 a−k , (z − z0 )k z ∈ D. 3. wesentliche Singularität, falls a−k 6= 0 für unendlich viele k. 105 Isolierte Singularitäten, Laurent-Entwicklung Singularitäten Beispiel 100 Die Funktion f (z) = in z0 = 0 lautet: sin z z ist holomorph in C \ {0}. Die Laurent-Entwicklung ∞ ∞ X (−1)k 1 X (−1)k 1 2k+1 ·z = · z 2k f (z) = · sin z = · z (2k + 1)! (2k + 1)! z k=0 k=0 =⇒ h(z) = 0. Daher ist 0 eine hebbare Singularität. Die Potenzreihe auf der rechten Seite ist eine holomorphe Funktion auf C und nimmt bei 0 den Wert 1 an. Deshalb läßt sich f zu einer in ganz C holomorphen Funktion f˜ erweitern, indem man setzt: f˜(z) = f (z) wenn z 6= 0 und f˜(0) = 1. 106 Isolierte Singularitäten, Laurent-Entwicklung Singularitäten Beispiel 101 Die Funktion z 2 − 2z + 7 7 f (z) = = + 2 + (z − 2) z −2 z −2 ist holomorph in C \ {2}. Der Punkt 2 ist eine Polstelle der Ordnung 1. 107 Isolierte Singularitäten, Laurent-Entwicklung Singularitäten Beispiel 102 Die Funktion f (z) = e1/z ist holomorph in C \ {0} und die Laurent-Entwicklung in 0 ist ∞ 0 X X 1 1 k 1 f (z) = = · zk k! z (−k)! k=0 k=−∞ d. h., unendlich viele Koeffizienten a−k sind von 0 verschieden. Der Punkt 0 ist also eine wesentliche Singularität. Satz 103 Die Funktion f sei auf der offenen Menge D holomorph. Dann hat f in z0 ∈ D eine Nullstelle der Ordnung m genau dann, wenn die Funktion 1/f in z0 eine Polstelle m-ter Ordnung besitzt. 108 Isolierte Singularitäten, Laurent-Entwicklung Singularitäten Beispiele 104 Mit Hilfe von diesem Satz zur Potenzreihenentwicklung und Satz 108 kann man häufig die Ordnung einer Polstelle einfach bestimmen. 1. Die Funktion sin z hat eine Nullstelle erster Ordnung in 0 (da cos 0 6= 0) folglich hat die Funktion sin1 z eine Polstelle erster Ordnung in 0. sin z 2. Die Funktion tan z = cos z hat eine Nullstelle erster Ordnung in 0 (da 1 z 6= 0), folglich hat die Funktion cot z = cos sin z eine Polstelle erster cos2 (0) Ordnung in 0. 3. Die Funktion 1 ez − 1 hat eine Polstelle erster Ordnung in 0. 109 Isolierte Singularitäten, Laurent-Entwicklung Singularitäten Satz 105 Seien D eine offene Menge, z0 ∈ D, und f auf D \ {z0 } holomorph. Sei weiterhin r > 0 so, dass Kr = {z ∈ C : 0 < |z − z0 | ≤ r } ⊂ D. Dann gilt: z0 ist genau dann eine 1. hebbare Singularität, wenn f auf Kr beschränkt ist; 2. Polstelle, wenn lim |f (z)| = ∞. z→z0 3. wesentliche Singularität, wenn f in jeder beliebig kleinen Umgebung von z0 jedem komplexen Wert beliebig nahe kommt. 110 Residuensatz und Anwendungen Definition eines Residuums Problemstellung 106 Berechnung von Integralen der Form Z f (z) dz γ wobei γ eine geschlossene Kurve ist und f im Inneren von γ endlich viele Singularitäten besitzt. Eine Methode kennen wir bereits: Der Cauchysche Integralsatz für mehrfach zusammenhängende Gebiete. 111 Residuensatz und Anwendungen Definition eines Residuums Definition 107 Es sei f eine im Kreisgebiet {z ∈ C : 0 < |z − z0 | < r } holomorphe Funktion. Der Koeffizient a−1 der Laurentreihe von f um z0 heißt Residuum von f an der Stelle z0 . Schreibweise: a−1 = Res(f , z0 ). Nach Satz 1 im Abschnitt Laurent-Reihe“ gilt: ” Z 1 Res(f , z0 ) = f (z) dz 2πi |z−z0 |=d wobei 0 < d < r beliebig ist. 112 Residuensatz und Anwendungen Definition eines Residuums Beispiel 108 Die Funktion z 2 − 2z + 7 7 f (z) = = + 2 + (z − 2) z −2 z −2 besitzt an der Stelle 2 das Residuum 7. Beispiel 109 Sei f (z) = e1/z und z0 = 0. Dann ist k ∞ X 1 1 · f (z) = k! z k=0 die Laurent-Entwicklung von f an der Stelle 0. Folglich gilt Res (f , 0) = 1. 113 Residuensatz und Anwendungen Definition eines Residuums Satz 110 1. Hat die Funktion f die Form f = gh , wobei g und h in einer Umgebung von z0 holomorph sind und g (z0 ) 6= 0, h(z0 ) = 0, h0 (z0 ) 6= 0 (d. h., z0 ist eine einfache Polstelle von f ), so gilt: Res(f , z0 ) = g (z0 ) . h0 (z0 ) g (z) 2. Hat f die Form f (z) = (z−z n wobei g in einer Umgebung von z0 0) holomorph ist und g (z0 ) 6= 0 (d. h., z0 ist eine n-fache Polstelle von f ), so gilt: 1 Res(f , z0 ) = · g (n−1) (z0 ). (n − 1)! 114 Residuensatz und Anwendungen Definition eines Residuums Beispiele 111 1. Die Funktion f (z) = 1 1 + z2 hat einfache Polstellen in i und −i. Mit g (z) = 1, h(z) = 1 + z 2 gilt h0 (z) = 2z und 1 1 = h0 (i) 2i Res(f , i) = Res(f , −i) = und 1 1 = − h0 (−i) 2i z 2. Die Funktion f (z) = ze 2 hat eine Polstelle zweiter Ordnung in 0. Mit g (z) = ez und n = 2 gilt g 0 (z) = ez und Res(f , 0) = 1 · g (n−1) (0) = 1. (n − 1)! 115 Residuensatz und Anwendungen Der Residuensatz Satz 112 (Residuensatz) Es sei γ ein positiv orientierter, doppelpunktfreier, geschlossener Weg in der offenen Menge D ⊂ C. Ferner sei die Funktion f holomorph in D mit Ausnahme von endlich vielen Punkten z1 , . . . , zn die im Inneren von γ liegen. Dann gilt: Z f (z) dz = 2πi · γ n X Res(f , zk ). k=1 Veranschaulichung 116 Residuensatz und Anwendungen Der Residuensatz Beispiel 113 Für die Funktion f (z) = 1/(1 + z 2 ) gilt Z 1 dz = 2πi · [Res(f , i) + Res(f , −i)] = 0 2 |z|=2 1 + z und Z |z−i|=1 /Beispiel zuvor/ 1 1 dz = 2πi · Res(f , i) = 2πi · = π. 1 + z2 2i Beispiel 114 Z |z|=r ez dz = 2πi · Res(f , 0) = 2πi z2 /Beispiel zuvor/. 117 Residuensatz und Anwendungen Der Residuensatz Anwendung: Berechnung von reellen uneigentlichen Integralen Sei f auf C mit Ausnahme von endlich vielen Singularitäten holomorph; die Singularitäten sollen außerhalb der reellen Achse liegen. Wir wollen das Integral Z ∞ f (x) dx −∞ berechnen. Grundidee: 1. Man wählt einen geeigneten geschlossenen Integrationsweg γ in C, der das Intervall [−R, R] enthält (Skizze). 2. Man berechnet mit Hilfe des Residuensatzes das Integral Z Z f (z) dz = γ Z R f (z) dz + γR f (x) dx. −R 118 Residuensatz und Anwendungen Der Residuensatz Fakt 114 (Fortsetzung) 4. Man bildet den Grenzwert R → ∞. In vielen Fällen konvergiert das Integral über γR gegen 0, so dass die linke Seite gleich dem gesuchten Integral ist. Beispiel 115 Wir berechnen das Integral Z ∞ −∞ 1 dx. 1 + x2 Wir betrachten die Funktion f (z) = 1 1+z 2 und den Weg γ aus Beispiel 113. 119 Residuensatz und Anwendungen Der Residuensatz Beispiel 115 (Fortsetzung) Dann gilt: Z π= γ Es gilt: 1 dz = 1 + z2 Z γR Z γR 1 dz + 1 + z2 Z R −R 1 dz, 1 + z2 R > 1. (1) 1 1 ≤ π · R · max . dz 1 + z2 |z|=R |1 + z 2 | Für beliebige komplexe Zahlen w und z gilt |z + w | ≥ |z| − |w | (Dreiecksungleichung) =⇒ |z 2 + 1| ≥ R 2 − 1 für |z| = R =⇒ Z 1 1 1 1 ≤π·R · ≤ =⇒ dz → 0, R → ∞. 1 + z2 R2 − 1 1 + z2 R2 − 1 γR 120 Residuensatz und Anwendungen Der Residuensatz Beispiel 115 (Fortsetzung) Aus (1) folgt: ∞ Z −∞ 1 dz = π. 1 + z2 Mit denselben Methoden wie im vorhergehenden Beispiel kann man folgenden Satz zeigen. Satz 116 Es sei R eine rationale Funktion, die auf R keine Polstellen hat; der Grad des Nenners von R sei um mindestens zwei größer als der Grad des Zählers. Dann ist Z ∞ X R(x) dx = 2πi Res(R, z). −∞ Im z>0 121 Residuensatz und Anwendungen Der Residuensatz Beispiel 117 Wir zeigen: Z ∞ I = −∞ π x2 √ dx = . 1 + x4 2 Die Polstellen des Integranden R sind z1 = eπi/4 , z2 = e3πi/4 , z3 = e5πi/4 , z4 = e7πi/4 (alle einfach), davon liegen z1 und z2 in der oberen Halbebene. Nach dem vorhergehenden Satz ist 2 z1 z22 π √ I = 2πi · [Res(R, z1 ) + Res(R, z2 )] = 2πi · + = . 4z13 4z23 2 122 Konforme Abbildungen Winkeltreue und Riemannscher Abbildungssatz Ziel: Untersuchung von geometrischen Eigenschaften von holomorphen Funktionen (Abbildungen). Winkeltreue Sei C: z(t) = x(t) + iy (t), a≤t≤b eine glatte, orientierte Kurve in der komplexen Ebene, t0 ∈ [a, b] und z0 = z(t0 ) ein Punkt auf der Kurve. Wegen der Glattheit besitzt die Kurve in jedem Punkt eine Tangente mit dem Richtungsvektor (x 0 (t), y 0 (t))T . Dieser Vektor ist eindeutig durch z 0 (t) = x 0 (t) + iy 0 (t) bestimmt, deshalb werden wir auch z 0 (t) als Richtungsvektor für die Tangente bezeichnen. 123 Konforme Abbildungen Winkeltreue und Riemannscher Abbildungssatz Winkeltreue (Fortsetzung) Sei weiterhin f eine, auf einem Gebiet D holomorphe Funktion, wobei D ⊃ C. Die Funktion f bildet C in die orientierte Kurve C∗ : w (t) = f (z(t)), a≤t≤b ab. Der Punkt z0 besitzt den Bildpunkt w (t0 ) = f (z0 ). Nach der Kettenregel gilt w 0 (t0 ) = f 0 (z(t0 )) · z 0 (t0 ) = f 0 (z0 ) · z 0 (t0 ) Ist f 0 (z0 ) 6= 0, so ist auch w 0 (t0 ) 6= 0 und folglich besitzt die Bildkurve C ∗ im Punkt f (z0 ) eine Tangente mit dem Richtungsvektor w 0 (t0 ). 124 Konforme Abbildungen Winkeltreue und Riemannscher Abbildungssatz Winkeltreue (Fortsetzung) Wegen w 0 (t0 ) = f 0 (z0 ) · z 0 (t0 ) erhalten wir den Tangentenvektor von C ∗ im Punkt f (z0 ) dadurch, dass wir die Tangentenrichtung von C im Punkt z0 um den Winkel α = arg f 0 (z0 ) drehen (Multiplikation ist eine Drehstreckung). Dieser Winkel ist unabhängig von der Kurve C ! Folgerung Sind C1 und C2 zwei glatte Kurven, die durch z0 verlaufen, so vermittelt f eine Abbildung, bei der der Winkel zwischen den Tangentenpaaren in z0 nach Größe und Drehsinn erhalten bleibt. Abbildungen mit dieser Eigenschaft heißen winkeltreu im Punkt z0 . /Bild/ 125 Konforme Abbildungen Winkeltreue und Riemannscher Abbildungssatz Satz 118 (Satz von der Winkeltreue) Sei f eine in einer Umgebung von z0 holomorphe Funktion mit f 0 (z0 ) 6= 0. Dann ist f in z0 winkeltreu. Bemerkung 119 Auf die Forderung f 0 (z0 ) 6= 0 kann nicht verzichtet werden. Um das zu sehen betrachten wir die Funktion f (z) = z 2 im Punkt z0 = 0. Dann ist f holomorph in z0 und f 0 (z0 ) = 2z0 = 0. Durch f wird die positive reelle Achse in sich abgebildet, die positive imaginäre Achse wird wegen (iy )2 = −y 2 in die negative reelle Achse abgebildet. Folglich ist f nicht winkeltreu in z0 . 126 Konforme Abbildungen Winkeltreue und Riemannscher Abbildungssatz Definition 120 Eine Abbildung f heißt konform im Punkt z0 , wenn f in einer Umgebung von z0 holomorph ist und f 0 (z0 ) 6= 0. Man nennt f konform in einem Gebiet D, wenn f in jedem Punkt von D konform ist. Aufgabe bei Anwendungen (z. B. Strömungsproblem) Ein gegebenes Gebiet auf ein anderes, einfacheres Gebiet konform abzubilden. Die Möglichkeit solcher Abbildungen ist durch den folgenden Satz gesichert. Satz 121 (Riemannscher Abbildungssatz) Sind D und D ∗ einfach zusammenhängende echte Teilgebiete von C, so gibt es eine konforme Abbildung f , die D ein-eindeutig auf D ∗ abbildet. 127 Konforme Abbildungen Winkeltreue und Riemannscher Abbildungssatz Im Folgenden werden wir einige spezielle konforme Abbildungen betrachten. Definition 122 Abbildungen der Form f (z) = az + b , cz + d z ∈ C, cz + d 6= 0 wobei a, b, c, d ∈ C und c oder d von 0 verschieden sind, heißen gebrochen lineare Abbildungen. Solche Abbildungen treten z. B. bei elektrischen Schwingkreisen auf. /Bild/ 128 Konforme Abbildungen Winkeltreue und Riemannscher Abbildungssatz Beispiel 123 Komplexer Wiederstand Z als Funktion der Kapazität C : Z (C ) = a·C +b , c ·C +d C ∈ R, c · C + d 6= 0 wobei a = −ω 2 LR2 + iωR1 R2 b = R1 + iωL c = −ω 2 L + iω(R1 + R2 ) d =1 (ω bezeichnet die Frequenz; Bild). Der Graph von Z heißt Ortskurve der Schaltung. 129 Konforme Abbildungen Riemannsche Zahlenkugel Bevor wir die gebrochen linearen Abbildungen weiter untersuchen, führen wir die sog. Riemannsche Zahlenkugel ein. (Eine weitere geometrische Darstellung der komplexen Zahlen.) Riemannsche Zahlenkugel Wir betrachten in R3 ein x, y , z-Koordinatensystem. Die komplexen Zahlen w = x + iy fassen wir als Punkte der x, y -Ebene auf. Wir legen um den Punkt (0, 0, 12 ) eine Kugeloberfläche K mit dem Radius 21 . K wird durch die Gleichung 2 1 1 K : x2 + y2 + z − = 2 4 beschrieben. Der Punkt N(0, 0, 1) heißt Nordpol, der Punkt S(0, 0, 0) Südpol der Kugel. 130 Konforme Abbildungen Riemannsche Zahlenkugel Riemannsche Zahlenkugel (Fortsetzung) Sei nun w = x + iy eine beliebige komplexe Zahl und P(x, y , 0) der zugehörige Punkt in der (x, y )-Ebene. Wir verbinden die Punkte P und N durch eine Gerade. Diese besitzt genau einen Schnittpunkt Q mit K , die sog. stereographische Projektion von P auf K . Zwischen den Koordinaten (Qx , Qy , Qz ) von Q und den Koordinaten von P bestehen die Beziehungen Qx = x 1 + x2 + y2 , und x= y Qy = , 1 + x2 + y2 Qx , 1 − Qz y= x2 + y2 Qz = 1 + x2 + y2 Qy . 1 − Qz Jeder komplexen Zahl entspricht also ein eindeutig bestimmter Punkt auf K \ {N} und umgekehrt. (Veranschaulichung) 131 Konforme Abbildungen Riemannsche Zahlenkugel Riemannsche Zahlenkugel (Fortsetzung) Wir ordnen dem Nordpol N formal einen unendlich fernen Punkt z∞ zu (der auch mit ∞ bezeichnet wird). Durch Hinzunahme von z∞ schließen wir die komplexe Ebene ab: C = C ∪ {z∞ } C heißt die erweiterte komplexe Zahlenebene. Visualisierung der Riemannschen Zahlenkugel 132 Konforme Abbildungen Riemannsche Zahlenkugel Bemerkung 124 Addition und Multiplikation lassen sich nicht so auf C ausdehnen, dass die Grundeigenschaften erhalten bleiben. Es ist jedoch sinnvoll, folgende Rechenregeln für alle z ∈ C zu vereinbaren: z + z∞ = z∞ + z = z∞ z · z∞ = z∞ · z = z∞ , z =0 z∞ z = z∞ , z 6= 0. 0 z 6= 0 133 Konforme Abbildungen Möbiustransformation Definition 125 Wir betrachten wieder die gebrochen lineare Abbildung f (z) = az + b , cz + d z ∈ C. Man nennt f eine Möbius-Transformation, falls f nicht konstant ist. Bemerkung 126 Nicht schwer zu zeigen: f ist genau dann eine Möbius-Transformation, wenn a b = ad − bc = 6 0 c d 134 Konforme Abbildungen Möbiustransformation Fall c = 0 f (z) = b a ·z + =A·z +B d d wobei A = da und B = db , d 6= 0. Dann ist f eine lineare Abbildung und bewirkt folgendes: I eine Streckung (bzw. Stauchung) um den Faktor |A|, bezogen auf den Nullpunkt; I eine Drehung um den Nullpunkt mit Drehwinkel arg A; I eine Verschiebung um den komplexen Vektor B. 135 Konforme Abbildungen Möbiustransformation Fall c 6= 0 Durch Polynomdivision erhalten wir: a ad − bc 1 f (z) = − · c c cz + d Man kann leicht zeigen: Ist ad − bc 6= 0, so ist f eine ein-eindeutige Abbildung von C \ {− dc } auf C \ { ca }. Die inverse Abbildung ist gegeben durch −dw + b a z = f −1 (w ) = , w 6= cw − a c die Ableitung durch f 0 (z) = ad − bc , (cz + d)2 d z 6= − . c Folglich ist f eine konforme Abbildung. 136 Konforme Abbildungen Möbiustransformation Fortsetzung auf die abgeschlossene komplexe Zahlenebene C Ist ad − bc 6= 0 so setzen wir: d = ∞, f − c f (∞) = a c falls c 6= 0 und f (∞) = ∞ falls c = 0. Dann ist f eine ein-eindeutige Abbildung von C auf C. 137 Konforme Abbildungen Möbiustransformation Bemerkung 127 Die Abbildung az + b cz + d mit c 6= 0 ergibt sich durch Hintereinanderausführung von den folgenden drei Abbildungen: f (z) = I lineare Abbildung: z 7→ z1 = cz + d I Bildung der Inversen/des Reziproken: z1 7→ z2 = z11 I lineare Abbildung: z2 7→ w = − ad−bc · z2 + c a c 138 Konforme Abbildungen Möbiustransformation Bemerkung 128 Geometrische Deutung der Inversion: (z ∼ P(x, y ), Graphik) 1. Spiegelung des Punktes P am Einheitskreis: 1.a Von P aus zeichnen wir eine Tangente an den Kreis. 1.b Von dem gefundenen Berührungspunkt mit dem Kreis fällen wir das Lot auf die Strecke OP mit Lotfußpunkt Q (Berechnung von cos α von zwei verschiedenen Dreiecken.) 2. Nun spiegeln wir Q an der reellen Achse und erhalten z1 . 139 Konforme Abbildungen Möbiustransformation In den folgenden Aussagen betrachten wir auch Geraden als Kreise (mit unendlichem Radius; Kreis durch z∞ ). Satz 129 1. Jeder Kreis in C erfüllt eine Gleichung der Form Azz + Bz + Bz + C = 0 wobei A, C ∈ R, B ∈ C und AC < |B|2 . Umgekehrt beschreiben solche Gleichungen Kreise in C, für A = 0 liegen Geraden vor. 2. Jede Möbiustransformation führt Kreise in Kreise über. (Kreisverwandschaft, Kreistreue) 140