Grundlagen der Entwicklungsökonomie Stefan Ederer Karin Schönpflug Karen Imhof Karin Küblböck Vorlesung Entwicklungsökonomie PS Entwicklungsökonomie 1.EH 10.10.06 Karin Schönpflug Theoriegeschichte 1 1.EH 11.10.06 Stefan Ederer Allgemeine Einführung, Themenvergabe 2.EH 17.10.06 Stefan Ederer Theoriegeschichte 2 2.EH 18.10.06 Karin Schönpflug Theoriegeschichte 3.EH 24.10.06 Johannes Jäger Methoden der Ökonomie 3.EH 25.10.06 Karin Schönpflug Methoden der Ökonomie ENTFÄLLT g. Angleichung VO und PS 31.10.06 4. EH 7.11.06 Karin Schönpflug Grundbegriffe 1 4. EH 8.11.06 Karin Schönpflug Grundbegriffe 1 5. EH 14.11.06 Stefan Ederer Grundbegriffe 2 5. EH 15.11.06 Stefan Ederer Grundbegriffe 2 6. EH 21.11.06 Karen Imhof Handel 1 (ältere Handelstheorien, ToT, Importsubstition,..) 6. EH 22.11.06 Karen Imhof Handel 1 7.EH 28.11.06 Karen Imhof Handel 2 (neuere Handelstheorien, Global Value Chains), 7.EH 29.11.06 Karen Imhof Handel 2 8.EH 5.12.06 Karin Schönpflug Feministische Entwicklungsökonomie 8.EH 6.12.06 Karin Schönpflug Feministische Entwicklungsök. 9. EH 12.12.06 Karin Küblböck Finanzflüsse 1: Arten, Einflussfaktoren, Entwicklung, Auswirkungen.. 9. EH 13.12.06 Karin Küblböck Finanzflüsse 1 Weihnachtsferien 18.12.20067.1.2007 10. EH 9.1.07 Karin Küblböck Finanzflüsse 2: FDIs 10. EH 10.1.07 Karin Küblböck Finanzflüsse 2 11. EH 16.1.07 Gerald Franz Nachhaltigkeit 11. EH 17.1.07 Stefan Ederer Nachhaltigkeit 12. EH 23.1.07 Özlem Onaran Armut und Verteilung 12. EH 24.1.07 Stefan Ederer Armut und Verteilung 13. EH 30.1.07 Prüfung Theoriegeschichte 1 Karin Schönpflug Was ist Ökonomie? Ökonomie (altgriech. oikonomia; aus oikos = das Haus + nomos = das Gesetz) bezeichnete im antiken Griechenland und Rom die Verwaltung des Haushaltes. Haushalte & Volkswirtschaften Marilyn Waring: Who is counting 1988 „...economics is a tool of exploitation of the people in power, used to manipulate society to emphasize purely monetary goals and ignore unmeasureable goods.“ Ökonomische Hauptschulen • Adam Smith -- Politische Ökonomie • Karl Marx -- Kritik der Politischen Ökonomie • Marginalistische Revolution -- Neoklassik • John Maynard Keynes -- Keynesianismus • Neoliberalismus • Politökonomische Debatte / Heterodoxe Ökonomie http://www.wu-wien.ac.at/inst/vw3/telematik/ --> Politische Ökonomie Anfänge der Ökonomie • • • • • • Mittelalter Merkantilismus Physiokraten Klassik Marxismus Neoklassik • • • • • • Caritas... Nationalstaaten „laissez-faire“ Wealth of Nations Klassenkampf optimale Allokation knapper Ressourcen Mittelalter 400 - 1500 • Zünfte, Städte • Scholastik (mittelalterliches Denken): – – – – – – Befassung mit Knappheit Philosophen & Theologen Thomas von Aquin (1225-74) Quelle: Bibel Ökonomie: Sehr stark normativ; Glaube = Quelle der Erkenntnis caritas (Wohltätigkeit) Gerechter Preis: Arbeitseinsatz und Ausgaben für Vorleistungen? oder Kapazität, Bedürfnisse zu befriedigen? oder standesgemäße Position des Produzenten? Marktpreis? Zinsverbot: Geld ist unproduktiv Aristoteles‘ Prinzip des gerechten Tausches Übergangsphase Niccolo Machiavelli (1469 - 1527) - Regieren vs. Moral - Der Fürst muss seine Aufgabe zum Wohle des Gemeinwesens um jeden Preis erfüllen. (Staatsräson) - Da er von Menschen umgeben ist, die unmoralisch und schlecht sind darf er sich nicht durch moralische Aspekte einschränken lassen. - Der Gebrauch von Gewalt ist gerechtfertigt, solange er dem Aufbau des Gemeinwesens dient. - Wenn der Fürst die Wahl hat von seinem Volk geliebt oder gefürchtet zu werden, ist die Furcht vorzuziehen. Merkantilismus 16./18.Jh • Absolutismus • Ludwig XIV "L'État c'est moi" – Nationalstaaten – Kolonien – Gold und Silber – Kriege: Finanzierung von Heeren, Flotten England: Merkantilismus Deutsche Staaten: Kameralismus Frankreich: Colbertismus Merkantilismus 16./18.Jh Geld = Reichtum der Händler = Reichtum des Staates = Macht – Schutzzölle vor Importen u. Förderung von Exporten (Handelsbilanzdoktrin) – Außenhandel = Nullsummenspiel – Manufakturen, niedrige Löhne (Wettbewerb), kein exzessiver Konsum Jean Baptiste Colbert – Preisrevolution: Inflation durch Josiah Child: „Foreign Münzverschlechterung vs. trade produces riches, Edelmetallfunde riches power, power Jean Bodin: Erste Geldtheorie: preserves our trade and Zusammenhang Geldmenge und religion.“ Preise Wende im merkantilistischen Denken • William Petty (1623 – 1687) – Nur 1-3% des nationalen Vermögens sind Geld – Wichtiger ist: Grundbesitz, Gebäude, Schiffe, etc... – Political Arithmetick: Beschreibung der sozialen und wirtschaftlichen Realität in Zahlen • David Hume (1711 – 1776) – Außenhandel und Gold reagieren wie Wasser in verbundenen Gefäßen aufeinander – Geld = neutral (ohne reale Effekte) = nur Tauschmittel – Handel nützt allen – Zinsen abhängig von Investitionen u. Sparen. – hohe Preise sind Wettbewerbproblem Die Physiokraten • Physiokratie = Herrschaft der Natur • Francois Quesnay (1694 – 1774) – 3 ökonomische Klassen (Bauern, Händler, Grundbesitzer) – produktiv ist nur das Land, einzige Steuer auf Böden – Laissez-faire um die natürliche Wirtschaftsordnung entstehen zu lassen: – Freihandel, keine Restriktionen, z.B. auch Migration Kreislaufdiagramm („Tableau Économique“) Analogie des menschlichen Körpers und der Ökonomie (Arzt von Madame Pompadour) FALSCH! Die Zick-Zack Bewegung ist der Geldfluss in einem dynamischen System. Links ist die produktive Klasse (Bauern), rechts die sterile Klasse der Händler. In der Mitte oben steht der Grundbesitzer. Er beginnet die Fließbewegung durch den Kauf von Gütern von Händlern und Bauern. Bei der Zahlung der Rente (= der Mehrwert der Bauern) geht der Kreislauf von vorne los. Liberale Nationalökonomie - Klassik Adam Smith „An inquiry into the Nature & Cause of the Wealth of Nations“ Ökonomie reguliert sich selbst keine staatlichen Interventionen, außer Garantie des freien Wettbewerbs, Justiz, Verteidigung, öffentliche Anstalten keine Zölle Wohlstand beruht auf Arbeit: Arbeitsteilung • (1776) • • • • • (1723 – 1790) Arbeitsteilung „Der eine Arbeiter zieht den Draht, der Andere streckt ihn, ein Dritter schneidet ihn, ein Vierter spitzt ihn zu, ein Fünfter schleift das obere Ende, damit der Kopf aufgesetzt werden kann ... Um eine Stecknadel anzufertigen, sind somit etwa 18 verschiedene Arbeitsgänge notwendig, ... Ich selbst habe eine kleine Manufaktur gesehen, in der nur 10 Leute beschäftigt waren, sodass einige von ihnen zwei oder drei solcher Arbeiten übernehmen mussten. ... so waren die 10 Arbeiter imstande, täglich etwa 48 000 Nadeln herzustellen, jeder also ungefähr 4 800 Stück. Hätten sie indes alle einzeln und unabhängig voneinander gearbeitet, noch dazu ohne besondere Ausbildung, so hätte der Einzelne gewiss nicht einmal 20, vielleicht sogar keine einzige Nadel am Tag zustande gebracht. Mit anderen Worten, sie hätten mit Sicherheit nicht den zweihundertvierzigsten, vielleicht nicht einmal den vierhundertachtzigsten Teil von dem produziert, was sie nunmehr infolge einer sinnvollen Teilung und Verknüpfung der einzelnen Arbeitsgänge zu erzeugen imstande waren." <SMITH 1776 : I.i.3> Adam Smith (1723 – 1790) – Einführung der allgemeinen Schulpflicht gegen Abstumpfung des Geistes – Eigennutzorientierte Wirtschaftssubjekte führen zu größtem Wohlstand – unsichtbare Hand – Preise beruhen auf Faktorkosten (L, K, Boden) – Einführung von Papiergeld zum Tausch (Fiat Money) – natürlicher Preis: deckt Produktionskosten – Marktpreis: temporäre Abweichung vs. Gleichgewicht – Lohn: bestimmt durch Subsistenzniveau: LS – Profit: Entschädigt Unternehmer für Risiko und Mühe Ricardo Adam Smith (1723 – 1790) • Every individual necessarily labours to render the annual revenue of the society as great as he can. He generally neither intends to promote the public interest, nor knows how much he is promoting it... He intends only his own gain, and he is in this, as in many other cases, led by an invisible hand to promote an end which was no part of his intention. Nor is it always the worse for society that it was no part of his intention. By pursuing his own interest he frequently promotes that of the society more effectually than when he really intends to promote it. I have never known much good done by those who affected to trade for the public good. <SMITH 1776 : IV.ii.9> Thomas Malthus (1766 - 1834) • Begründet die Theorie der natürlichen Selektion aufgrund von Bevölkerungswachstum und Nahrungsmittelknappheit • die „Liebesleidenschaft unter den Geschlechtern“ ist konstant; die Bevölkerung wächst geometrisch; der Bodenertrag arithmetisch • niedrige Löhne verhindern Bevölkerungsexplosion David Ricardo (1772 – 1823) – Internationale Arbeitsteilung und Freihandel hat Wohlfahrtssteigernde Wirkung – Wipol. Folgerungen: Corn Laws Disput: gegen Einfuhrbeschränkungen & Zölle auf importiertes, billiges Getreide (teures Getreide hohe Erträge hohe Landrenten stärkt die Mächtigen im Feudalismus) Industrielle Revolution: billige Nahrung niedrige Löhne hohe Gewinne Theorie der komparativen (relativen) Kostenvorteile Spezialisierung aufgrund der Opportunitätskosten Arbeitsstunden in England und Portugal vor und nach (*) Aufnahme des Handels: Wein Tuch Summe Wein* Tuch* Summe* England 120 100 220 - 200 200 Portugal 80 90 170 160 - 160 Summe 200 190 390 160 200 360 (Theorie der absoluten Kostenvorteile: Adam Smith) John Stuart Mill (1806 – 1873) – Zentraler Denker des Liberalismus – nicht pro Nachtwächterstaat: „moderne“ Einstellungen bzgl. Geschlechterverhältnis und Gewerkschaftsfrage – Mill-Limit: „… der einzige Zweck, um dessentwillen man Zwang gegen den Willen eines Mitglieds einer zivilisierten Gesellschaft rechtmäßig ausüben darf: die Schädigung anderer zu verhüten.“ Individuum ist der Gesellschaft für seine/ihre Handlungen nicht verantwortlich, außer andere werden negativ beeinträchtigt. John Stuart Mill (1806 – 1873) – Begründer des „Homo Oekonomicus“ – Für Besitzindividualismus aber Erbeinschränkung – Streben nach Wachstum = Sucht. gesellschaftliche, kulturelle und sittliche Fortschritte wären umso größer, würde der Mensch dieser Sucht entsagen – Fordert Frauenwahlrecht und Scheidungsrecht: (mit Harriet Taylor) "Alle selbstsüchtigen Neigungen, Selbstvergötterung und ungerechte Selbstbevorzugung, mit denen die Menschheit behaftet ist, haben ihren Ursprung in dem gegenwärtigen Verhältnis zwischen Mann und Frau". – Gewerkschaften: Die Lohnentwicklung bleibt hinter den Marktmöglichkeiten zurück, wenn sie nicht kollektiv erkämpft wird Karl Marx 1818 - 1883 "Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine 'ungeheure Warensammlung', die einzelne Ware als seine Elementarform." Marx 1867 : S.49 • Wissenschaftlicher Sozialismus – vs. utopischer Sozialismus • Dialektischer Materialismus – Basis und Überbau: vs. Hegel‘scher Idealismus – Dialektik: These Antithese Synthese • Historischer Materialismus – Geschichtstheorie von Marx und Engels – Der „Klassenkampf“ – Proletariat vs. Kapitalisten Der Mehrwert • Der Lohn des/der Arbeiters/in wird nicht bestimmt durch den Wert den er/sie erschafft, sondern durch seine/ihre Reproduktionskosten. Wird in der Arbeitszeit mehr Wert geschaffen als die Reproduktionskosten ausmachen, spricht man von Mehrwert. • Dieser Teil des neu produzierten Werts, fällt zur Gänze dem Kapitalisten als Einkommen zu. Der Mehrwert ist folglich unbezahlte Arbeit, legal angeeignet im Rahmen der vertraglichen Rechtsordnung. Ausbeutung • "Ausbeutung" ist bei Marx primär ein struktureller und weniger ein moralischer Begriff. Das Verhältnis zwischen Mehrarbeit und notwendiger Arbeit nennt man Mehrwertrate oder Ausbeutungsrate (Mehrwert/Lohn-Verhältnis), die gleichzeitig die Einkommensverteilung ausdrückt. Die Frage, wie hoch die Ausbeutung ist, lässt sich nicht allein aus dem Lebensstandard ablesen. z.B. Ein Arbeitstag dauert 8 Stunden: in den ersten 4 Stunden erarbeitet der/die ArbeiterIn einen Wert, der die Reproduktionskosten abdeckt – das ist die notwendige Arbeit. Die restlichen 4 Stunden sind Mehrarbeit. Natürlich kann das Verhältnis auch anders sein: 1-7, 3-5, 6-4,.... http://slp.at/index.php/artikel+M5aca73a391a/ Reservearmee • „Die Nachfrage nach Arbeit ist nicht identisch mit Wachstum des Kapitals, die Zufuhr der Arbeit nicht identisch mit dem Wachstum der Arbeiterklasse... Das Kapital agiert auf beiden Seiten zugleich. Wenn seine Akkumulation einerseits die Nachfrage nach Arbeit vermehrt, vermehrt sie andrerseits die Zufuhr von Arbeitern durch deren ‚Freisetzung‘, während zugleich der Druck der Unbeschäftigten die Beschäftigten zur Flüssigmachung von mehr Arbeit zwingt, also in gewissem Grad die Arbeitszufuhr von der Zufuhr von Arbeitern unabhängig macht.“ Marx, Kapital I.: 669. Lohnquote • Def.: Der Anteil der Bruttoentgelte für unselbstständige Arbeit am Volkseinkommen. Bereinigte LQ: beinhaltet nicht die Verschiebung der Beschäftigungsstruktur Neoklassik ab 1870 heutige Mainstream Ökonomie: beschäftigt sich methodisch mit Optimierungsfragen unter Nebenbedingungen Max. Nutzen gg. Einkommen Max. Gewinn gg. Produktionskosten Marginalbetrachtung (letzte Einheit zählt) Gleichgewichtsbetrachtung (individl. & Markt) Prinzip des methodologischen Individualismus „homo oeconomicus“ 3 parallele Entwicklungen: Neoklassik ab 1870 Carl Menger (1840 – 1921) • Österreichische Schule www.mises.org William Stanley Jevons (1853–1882) Cambridge Jevons Léon Walras (1834 – 1910) • Lausanner Schule Walras Vorläufer der Neoklassik 1. Hermann Heinrich Gossen: begründet 1854 die subjektive Wertlehre • 1. Gossen‘sches Gesetz: Gesetz des abnehmenden Grenznutzens • 2. Gossen‘sches Gesetz: Ausgewogene Güterbündel werden bevorzugt 2. Johann Heinrich von Thünen: z.B. w = MPL „Grenzproduktivitätstheorie der Faktorentlohnung“ 3. Augustin A. Cournot: in vollkommener Konkurrenz gilt: Gewinnmaximum: P = MC = MR Danke fürs Zuhören!