Peter Schwitzky Vortrag zur Prüfung in „Neue Technologien elektrischer Energiewandler und Aktuatoren“: Elektrische Raumfahrtantriebe: Prinzipien und Anwendung Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 1 Peter Schwitzky Inhalt: Definition und Überblick Funktionsprinzipien Vor- und Nachteile realisierte Antriebe Ausblick Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 2 Definition und Überblick Peter Schwitzky Definition von elektrischen Raumfahrtantrieben: • Triebwerk erzeugt Schub durch gerichtetes Ausstoßen eines Stützmediums mit hoher Geschwindigkeit unter Einsatz elektrischer Energie • Primärenergiequelle ist nicht unmittelbar an Vortriebserzeugung beteiligt, sondern liefert lediglich Betriebsenergie • Grundlegender Unterschied zu chemischen Triebwerken: Energie wird nicht im Triebwerk mitgetragen und durch Verbrennung freigesetzt Primärenergie - elektrisches Zwischenglied - kinetische Strahlenenergie Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 3 Peter Schwitzky Definition und Überblick Elektrothermischer Antrieb Resistojet [Lichtbogentriebwerk] Elektromagnetischer Antrieb [Plasmaantrieb, magnetogasdyn. ~] Elektrostatischer Antrieb [Ionenantrieb] Arcjet MPD-Eigenfeldtriebwerk MPD-Fremdfeldtriebwerk Bombardement Hall-Ionentriebwerk Radiofrequenz-Ionentriebwerk Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 4 Peter Schwitzky Funktionsprinzipien Elektrothermischer Antrieb: • Aufheizen des Treibstoffes (z.B. Wasserstoff) und Entspannen über Düse Ausführung Arcjet: • Erhitzen des Treibstoffs (Hydrazin) per Lichtbogen auf 10 000K • stabförmige Kathode in Brennkammer, Düsenhalseinsatz dient als Anode • einfacher Aufbau • Strahlgeschwindigkeit nur bis 10 000 m/s; Wirkungsgrad ca. 30% Abb 1. Arcjet Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 5 Peter Schwitzky Funktionsprinzipien Elektromagnetischer Antrieb: • Ionisierung des Treibstoffes und Beschleunigung des Plasmas durch Lorentzkräfte statt mittels Düse Fremdfeldantrieb: • Ladungstrennung durch elektrisches Feld • senkrecht zum daraus resultierenden Strom liegt ein Magnetfeld an, so daß Lorentzkraft wirkt und Elektronen sowie Ionen in die gleiche Richtung beschleunigt • Wirkungsgrad ca. 20%; hohe Schubdichte Abb 2. Elektromagnetischer Antrieb Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 6 Funktionsprinzipien Peter Schwitzky Elektromagnetischer Antrieb: • Ionisierung des Treibstoffes und Beschleunigung des Plasmas durch Lorentzkräfte statt mittels Düse Fremdfeldantrieb: • Ladungstrennung durch elektrisches Feld • senkrecht zum daraus resultierenden Strom liegt ein Magnetfeld an, so daß Lorentzkraft wirkt und Elektronen sowie Ionen in die gleiche Richtung beschleunigt • Wirkungsgrad ca. 20%; hohe Schubdichte Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 7 Peter Schwitzky Funktionsprinzipien Elektromagnetischer Antrieb: MPD-Eigenfeldbeschleuniger: • Ionisierung und Erhitzung des Treibstoffs durch Lichtbogen, der auch Magnetfeld induziert • Lorentzkraft in (j x B)-Richtung hat axiale Komponente, die magnetoplasmadynamischen Schubanteil erzeugt • Wirkungsgrad ca. 50% Abb 3. MPD-Eigenfeldbeschleuniger Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 8 Peter Schwitzky Funktionsprinzipien Elektrostatischer Antrieb: • • • • • • • Ionisierung des Treibstoffs z.B. durch Gasentladung schwere Ionen werden extrahiert und beschleunigt (kein neutrales Plasma) nach Beschleunigung werden dem Ionenstrahl wieder Elektronen zugeführt Wirkungsgrad bis 90% Strahlgeschwindigkeiten bis 100 000 m/s Schub: F J 2 m U / q idealer Treibstoff: hohes Atomgewicht, leicht ionisier- und verdampfbar Kompromiß: Xenon (teuer, dafür keine Kontamination) Abb 4. Schema Ionenantrieb Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 9 Peter Schwitzky Funktionsprinzipien Haupttypen der elektrostatischen Triebwerke: Bombardment-Triebwerk: • • • • • • • Erzeugung des Plasmas durch Gleichstromentladung zwischen zentraler Hohlkathode und Anodenring Stoßwahrscheinlichkeit wird durch aufspiralisierte Elektronenbahnen (mittels Hilfsmagnete) erhöht 2 löchrige Hochspannungselektroden (Grids) beschleunigen erzeugte Ionen bis 200mN Schub hohe Wirkungsgrade störanfällig [USA, GB, Japan] Abb 5. Kaufman-Triebwerk Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 10 Peter Schwitzky Funktionsprinzipien Haupttypen der elektrostatischen Triebwerke: Radiofrequenz-Ionentriebwerk: • • • • • • Neutrales Xenongas strömt geregelt in Entladungskammer Kupferspule um Kammer koppelt Hochfrequenzfeld ein el. Wirbelfeld In Kammer zündet elektrodenlose HF-RingentladungTeilionisierung Ionen werden aus Entladungskammer extrahiert und gemäß regelbarer Potentialdifferenz zwischen G1 und G3 beschleunigt Neutralsisator führt eine dem Ionenstrom entsprechenden Elektronenstrom zu [Entwicklung an Uni Gießen] Abb 6. Aufbau RIT Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 11 Funktionsprinzipien Peter Schwitzky Haupttypen der elektrostatischen Triebwerke: Weitere Typen: • • • Feldemissionstriebwerk (FEEP) Hall Ionen Triebwerk [Rußland, Frankreich] Kontaktionentriebwerke Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 12 Vor- und Nachteile Peter Schwitzky Nachteile: • • • • • keine kurzzeitige Bahn- oder Richtungsänderungen sind nicht möglich, elektrische Triebwerke arbeiten über sehr lange Zeiträume (Monate) da Treibstoff nur Stützmasse statt auch Energieträger ist, wird Energiequelle benötigt Leistungsbegrenzung elektrische Triebwerke arbeiten nur im Vakuum des Weltalls, keine Starts von der Erde möglich erhöhte Verweildauern im Strahlungsgürtel, bei Anheben auf höhere Bahn Vorteile: • • • kein Stufenprinzip notwendig, bei dem nur Bruchteile der Startmasse am Ziel ankommen (Apollo-Mission 0,16%) keine Umwege durch Swingby-Verfahren, wie bei chem. Raketen nötig rund 10 mal höhere Strahlgeschwindigkeiten als chemische Raketen (max. 4 800 m/s),bei denen der spezifische Heizwert beschränkt ist Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 13 Vor- und Nachteile Peter Schwitzky Vorteile: • • bei gleichem Treibstoffanteil ergibt sich 10-faches Antriebsvermögen Treibstoffgeschw.) gegenüber chem. Raketen alternativ Einsparung von Treibstoff zugunsten der Nutzlast (~ Konsequenzen: • • • • elektrische Triebwerke eignen sich nur für bestimmte Aufgaben bei langen Missionen im schwerefreien Weltraum sind die Nachteile irrelevant vorteilig kommt dagegen zum Tragen, daß sich hierbei die Nutzlast verdoppeln und die Flugzeit halbieren lassen zur Kompensation von Bahnstörungen (Einfluß von Sonne, Mond) sind elektrische Triebwerke geeignet: Korrekturimpuls = Treibstoffmasse mal Treibstoffgeschwindigkeit Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 14 Peter Schwitzky realisierte Antriebe Artemis: • • • • • Nachrichtensatellit (ESA), der mit vier Ionenantrieben zur Nord-SüdBahnkorrektur ausgestattet wurde (Start 2001) wegen Fehler in Ariane 5-Oberstufe in 31 000 km Höhe gestrandet RIT-10-Ionentriebwerk wurde genutzt, um Satellit auf 5000 km höhere Bahn zu bringen (die beiden anderen fielen aus) 20 kg Treibstoff reichten aus; wegen geringen Schub: 10 Monate Dauer trotz ungeplanten Treibstoffverbrauch: 5 Jahre Operationszeit sonst Abschreiben des 700 M€ teuren Satelliten (unversichert) RIT-10-Triebwerk: • • • • Gewicht: Treibstoff: Verbrauch: Schub: 1,2 kg Xenon 0,3 mg/s 10 mN • • • el. Leistung: massenspezifischer Impuls: Wirkungsgrad: Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 340W 31000 m/s 53 % 15 realisierte Antriebe Peter Schwitzky Deep Space 1 • • • erstmals mit Sonnenenergie gespeister Ionenantrieb Solarzellen mit 23,4 % Wirkungsgrad und maximal 2,3 kW Start am 24.10.98 Asteroid Braille (27.07.99) Komet Borrelly (22.09.01) • • • • Masse der Sonde: 486,3 kg Treibstoff: 81,5 kg Xenon: 8000h Brenndauer stufenlos drosselbares Kaufman-Triebwerk liefert 20-92mN Schub Sonde wurde in 300 Tagen auf 13 000km/ h beschleunigt 10 mal schneller als mit herkömmlichen Antrieb hoher Wirkungsgrad (Antriebsimpuls pro Gramm Treibstoff) Treibstoffbedarf deutlich geringer als bei chem. Antrieb (6-Tonnen-Triebwerk und 1000 kg Treibstoff) • • Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 16 Ausblick Peter Schwitzky Smart-1-Mission : • • • Mondsonde (350 kg) der ESA mit Ionenantrieb Hall-Ionen-Triebwerk PPS-1350 von SNECMA Schub von 70 mN; 1350 W Stromverbrauch Bepi-Colombo: • • • Merkur-Orbiter der ESA Start gegen Ende des Jahrzehnts Transport von Orbiter + Landegerät mittels Ionentriebwerke Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 17 Ausblick Peter Schwitzky Bisherige Anwendung elektrischer Antriebe: • bei der Lageregelung von Satelliten im geostationären Orbit bewährt • erste Sonden zu entfernteren Regionen im Sonnensystem mit Ionenantrieb • Plasmaquellen für die Simulation von Wiedereintrittsbedingungen (MPD) • elektrostatischer Antrieb hat den weitesten Entwicklungsstand erreicht: RIT-10-Aggregat von Prof. Löb: 20 000 h Volllast in Prüfstand Künftige Verwendungsmöglichkeiten: • Marschantrieb für Bahnübergänge im Erdfeld (nach Start mit chem. Rakete) • interplanetare Flüge mit langen Missionszeiten und hoher Endgeschwindigkeit • Arcjet Triebwerke im Leistungsbereich von 5 bis 100 kW als Primärantriebe für große Raumfahrtstrukturen (Universität Stuttgart) • regelmäßiger unbemannter Transport von Versorgungsgütern zum Mond Beschränkung auf Spezialaufgaben, wo feine Schubsteuerung oder hohe Endgeschwindigkeiten von Interesse, hohe Schubbeschleunigung verzichtbar Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 18 Peter Schwitzky Ende Prinzipien und Anwendung elektrischer Raumfahrtantriebe 19