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Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
JÖRG STADELBAUER
Das oberrheinische Tiefland
Originalbeitrag erschienen in:
Richter, Gert [Red.]: Deutschland - Porträt einer Nation. Gütersloh: Bertelsmann-Lexikothek-Verlag.
Bd. 8: Bayern, Baden-Württemberg, Saarland. - 3. Aufl. (1991), S. 212 - 217; 220 - 221
JÖRG STADELBAUER
Das Oberrheinische Tiefland
U
nter den Landschaftsräumen Süddeutschlands nimmt das Oberrheinische Tiefland eine Sonderstellung
ein: In 300 km Nord-Süd-Erstreckung kanalisiert es wichtige Verkehrslinien, die
klimatische Gunst ließ schon früh Sonderkulturen im agrarischen Anbauspektrum
hervortreten, und die Industrialisierung
des 19. und 20. Jh. förderte die bauliche
und bevölkerungsmäßige Verdichtung. Im
vertikalen Landschaftsaufbau BadenWürttembergs ist der Rheinlauf das tiefste
Stockwerk. Da in der elsässischen Ebene
und im südlichen rheinpfälzischen Tiefland analoge Landschaftsräume liegen, die
nur durch den Rhein von der badischen
Oberrheinebene geschieden sind, haben
sich vielfältige Verflechtungen über den
Grenzstrom hinweg entwickelt, aber auch
unterschiedliche Nutzungsmuster ausgebildet. Der Name »Oberrheinisches Tiefland« gilt für den gesamten Senkenbereich, der sich von den Baselbieter Ausläufern des Schweizer Jura bis zu den Randhöhen des Taunus erstreckt; er umfaßt sowohl die überwiegend aus eiszeitlichen
Schottern aufgebaute Ebene als auch die
randlichen Vorberge.
Entstehung und Relief
Seiner Entstehung nach gehört das Oberrheinische Tiefland in die Kette geologisch-tektonischer Senken, die sich von
der Nordsee über die Niederrheinische
Bucht, das Mittelrheinische Becken, aber
auch von Nordeuropa durch den Leinegraben und die Hessische Senke bis in unseren Raum und weiter nach Süden über
die Burgundische Pforte bis in die SaöneRhöne-Furche zum Mittelmeer zieht. Der
Oberrheingraben wird als das Ergebnis
von Dehnungs- und Zerrungsvorgängen
gedeutet, durch welche die Erdkruste zerbrochen und zum Auseinanderdriften gezwungen wurde. Einer tektonischen Aufwölbung des Grundgebirges und des darauf lagernden Gesteinsmantels in der ausgehenden Jura- und in der Kreidezeit
folgte seit dem mittleren Tertiär eine zunächst geringfügige, dann rasch zunehmende Einsenkung zwischen den beiden
Flügeln, die als Gebirgszüge herausgeho212
ben wurden. An Bruchlinien zerriß der Gesteinszusammenhalt. Die Versteilung der
Ränder ließ auf dem herauswachsenden
Gebirge die Abtragung zunehmen, während das langgestreckte Becken das Sedimentationsmaterial zu sammeln hatte. Insgesamt 19 000 km' Abtragungsmaterial haben die tektonische Senke des Oberrheingrabens seither aufgefüllt.
Zeitweilig drang von Süden her ein Meeresarm in die Senke. Unter trockenen Klimabedingungen bildete sich Salz, das in
den Kalilagern von Buggingen bis 1973 abgebaut wurde und heute noch auf elsässischer Seite nördlich Mülhausen gewonnen
wird. Tiefbohrungen lassen erkennen, daß
die Einsenkung keineswegs in allen Teilen
der heutigen Ebene gleichzeitig und mit
gleicher Intensität erfolgte. Der Bereich
stärkster Einsenkung wanderte allmählich
von Westen nach Osten und von Süden
nach Norden. So lag noch bis zum späten
Tertiär die Wasserscheide zwischen einem
Nordsee-Rhein und einem dem Rhöne-System zugeordneten südlichen Abfluß vermutlich beim Kaiserstuhl. Erst nach der
Wende vom Tertiär zum Quartär entstand
der heutige Rheinabfluß nach Norden, im
Eiszeitalter gewann der Rhein das Einzugsgebiet des Alpen-Rheins hinzu. Absenkung und Aufschotterung lassen sich
bis in die Gegenwart nachweisen : Jährlich
senkt sich das Oberrheinische Tiefland um
0,1 bis 1 mm; Erdbeben mit Epizentren an
den Bruchlinien sind ein spürbarer Ausdruck solcher Bewegungen, mit denen
Spannungen in der Erdkruste ausgeglichen werden.
Die obersten Sedimentschichten der
Oberrheinischen Tiefebene bestehen aus
Schottern, d. h. während der Eiszeiten abgelagerten Geröllen der Schmelzwasserflüsse aus den Alpen, dem Schwarzwald
und den Vogesen. Nach der zeitlichen Zuordnung zur letzten Eiszeit bezeichnet
man sie als Niederterrasse. Die gewaltige
Geröllfracht, die der Rhein mitbringt, verhindert, daß die Schwarzwaldbäche vom
Austritt aus dem Gebirge unmittelbar auf
ihren Vorfluter Rhein zufließen können;
vielfach werden sie kilometerweit nach
Norden verschleppt, ehe sie den Rhein erreichen. Schwemmfächer vermitteln zwischen den Gebirgstälern und den Schotterflächen. Einen besonders mächtigen
Schwemmfächer hat der Neckar geschaffen; er ist durch seine Lößlehmauflagen
ein Bereich hoher agrarischer Gunst und
intensiver Nutzung, doch konkurrieren
hier die verschiedensten Flächenansprüche eines Ballungsraumes miteinander.
In die Niederterrasse hat sich der Rhein
nacheiszeitlich eingeschnitten und dabei
eine im Süden und Norden sehr deutliche,
im mittleren Abschnitt schwach ausgeprägte Erosionskante, das Hochgestade,
gebildet. Dort lag lange Zeit die Begrenzung zwischen trockenen Ackerbaustandorten auf der Niederterrasse und der überschwemmungsgefährdeten, nur im Norden
teilweise ackerbaulich kultivierten Aue;
das Hochgestade entwickelte sich daher zu
einer Leitlinie der Besiedlung. Daß der
Fluß sich innerhalb der Aue heute auf ein
festgelegtes Bett beschränkt und nicht
mehr in zahlreichen Armen verwildert (im
Süden) oder in weiten Mäandern schwingt
(im Norden), ist kulturtechnischen Eingriffen seit dem 19. Jh. zuzuschreiben ( -+ »Die
Auen am Oberrhein«, S. 212). Im mittleren
Teil hat sich der Rhein nur wenig in
den Niederterrassenkörper eingeschnitten,
vielmehr hat er in einer breiten Aue zur
Seite erodiert und zahlreiche Flußschlingen gebildet. Daher löst sich nördlich von
Weisweil die Niederterrasse in zahlreiche
Inseln (»Hurste« als Ansatzpunkte für Besiedlung und ackerbauliche Nutzung) auf.
Nach Norden hin macht sich noch ein anderer Effekt bemerkbar: Je weiter vom Ursprungsort des Sedimentationsmaterials
die Ablagerung entfernt ist, desto kleiner
wird die Korngröße. So finden wir im Umkreis von Karlsruhe und Schwetzingen bereits sandiges Material, das vor der Ausbreitung einer dichten Vegetationsdecke in
Dünen aufgeweht wurde und heute unfruchtbare, meist von ausgedehnten Kiefernforsten bestandene Flächen bildet.
Die Vorbergzone wird aus mesozoischem und tertiärem Gesteinsmaterial aufgebaut und ist häufig von einem Lößmantel überzogen. Sie setzt sich aus zahlreichen Schollen zusammen, die bei der
relativen Heraushebung des Gebirgskörpers die Vertikalbewegung nur teilweise
mitmachten, als der gesamte Gesteinszusammenhang zerbrach. Besonders deutlich ist die Vorbergzone im südlichen
Teil des Oberrheinischen Tieflandes (Istei-
Klima, Gewässer, Vegetation
ner Klotz, Markgräfler Hügelland, Badenweiler-Staufener Vorberge, SchönbergÖlberg-Massiv, Lahr-Emmendinger Vorberge) ausgebildet. Nördlich der Kinzig reduziert sie sich auf einen schmalen, meist
lößüberdeckten Saum, der mit Obst- und
Weinbaunutzung markant sowohl gegen
die Rheinebene wie gegen den Schwarzwald abgesetzt ist.' Nördlich von Karlsruhe
trennt die äußere Randverwerfung des
Oberrheingrabens die in der KraichgauMulde abgesenkten Deckschichten des
Erdmittelalters von der Rheinebene.
Westlich von Freiburg erhebt sich – bedingt durch die Kreuzung verschiedener
tektonischer Störungslinien – der Kaiserstuhl, ein im westlichen Teil aus vulkanischen Gesteinen gebildetes, im östlichen
Teil analog zu den Vorbergen aufgebautes
Bergland von hoher agrarischer Gunst.
Diese Gunst beruht auf dem Substrat, eiszeitlichen Lößanwehungen sowie den klimatischen Bedingungen. Beide Faktoren
erlauben eine intensive Bodennutzung und
sind die natürlichen Voraussetzungen für
frühe Besiedlung, für Wein- und Obstbau.
Die Lößbildung geht auf kaltzeitliche Auswehungen aus den Rheinschottern zurück,
zwischen denen sich mit der jahreszeitlichen Schwankung des Abschmelzvorganges das feinste Sediment abgesetzt hatte.
Dieses kalkreiche Feinmaterial wurde vom
Wind hochgewirbelt und an natürlichen
Hindernissen abgelagert. Ein Teil der Lößhülle von Vorbergen und Kaiserstuhl
wurde zwar nacheiszeitlich umgelagert
oder durch Bodenbildungsprozesse verändert, ein großer Teil erhielt sich jedoch als
standfestes, poröses, leicht bearbeitbares
Material.
Klima, Gewässer und
Vegetation
Klimatisch gehört das Oberrheinische
Tiefland zu den begünstigten Räumen des
Landes. Der Frühling beginnt am Kaiser-
stuhl früher als anderswo in Deutschland,
und auch die Bergstraße tritt mit früher
Mandelblüte hervor. Die Sommer werden
heiß mit Julimittelwerten von 18 bis 20°C;
die Winter bleiben mild mit Januarmittelwerten von meist über 0°C. In der Ebene
variieren die Klimamittelwerte nur wenig
im Süd-Nord-Verlauf; markanter ist der
West-Ost-Gegensatz, da das Land unmittelbar am Rhein noch im Regen- und
Windschatten von Vogesen, Pfälzerwald
und Haardt liegt, während sich mit Annäherung an den Schwarzwaldrand Steigungseffekte in höheren Jahresniederschlagssummen bemerkbar machen. Im
Norden der Oberrheinischen Tiefebene
wirkt sich die Trockeninsel der Rheinpfalz
ähnlich wie die Colmarer Trockeninsel im
Süden auch auf rechtsrheinischer Seite
aus. Stellt sich in der kalten Jahreszeit bei
Lufthochdruck eine Inversion in der
Schichtung der Luft ein, liegt die Ebene
unter einer bisweilen mehrere Wochen
kaum von der Sonne durchdrungenen
Hochnebeldecke, während die Temperaturen auf den sonnigen Schwarzwaldhöhen
über den Gefrierpunkt ansteigen.
Der Rhein ist die Hauptwasserader des
Landes und der Vorfluter für alle Gewässer des Oberrheinischen Tieflandes. Da
sich bei ihm verschiedene Arten der Wasserspeisung (Niederschlag, Gletscher- und
Schneeschmelze, Zuflüsse aus Einzugsgebieten unterschiedlicher Höhenlage) vereinigen, weist er vergleichsweise geringe
Abflußschwankungen auf. Oberhalb des
Die Oberrheinebene im »Überblick«: von
Merdingen am Tuniberg im Osten, über
Breisach bis zu den Vogesen im Westen.
Zuflusses der Wiese (bei Basel) beträgt die
mittlere Wasserführung 1010 m3 /s, unterhalb der Neckarmündung steigt sie auf
1380 m3 /s. Durch Korrektion und Wasserableitung hat der Rhein seinen natürlichen
Charakter weitgehend verloren.
Die Vegetation konnte nur relikthaft
ihre natürliche Zusammensetzung bewahren, zeigt dann aber eine große Vielfalt
von Trockenrasenvorkommen an Isteiner
Klotz und Kaiserstuhl bis zu feuchten
Auenwäldern und artenarmen Nadelgehölzen. Innerhalb der für die Vorbergzone
typischen Eichen-Buchen-Stufe entscheiden die Bodenwasserverhältnisse über die
Reste natürlicher Vegetation, aber auch
weitgehend über die Kulturvegetation. Gerade die Buchen-Eichen-Mischwälder wa213
Das Oberrheinische Tiefland
ren das Hauptziel von Besiedlung und akkerbaulicher Bewirtschaftung und sind daher weitgehend verschwunden, ebenso verschiedene Buchenwaldtypen des Markgräfler Hügellandes. Ausgedehnte Wälder
finden sich nur auf Kies- und Sandböden
der nördlichen Oberrheinebene. Diese
»Hardte«, wie der Lußhardt, wurden wohl
im ausgehenden Mittelalter, nachdem die
grundherrschaftliche Verfügungsgewalt
zurückgegangen war, in die Weidenutzung
einbezogen, aber seit dem 16. Jh. wieder
mit dem natürlichen Bestand entsprechenden Forchen (Waldkiefern) aufgeforstet.
An sonnenexponierten, trockenen Hängen
haben sich - meist über Kalkgestein Flaumeichenwälder als Relikte der nacheiszeitlichen Wärmezeit erhalten. EichenHainbuchen-Wälder würden in weiten Teilen der Ebene dominieren, wären sie nicht
vom Ackerbau verdrängt worden. Denn
der größte Teil der Ebene und der Vorbergzone ist heute in Kultur genommen;
auch bei diesem Vorgang entstanden über die angebauten Pflanzen hinaus, auf
die hier nicht einzugehen ist - besondere
Vergesellschaftungen von Vegetation und
Kleintieren. Besonders bedroht wurden
diese Biozönosen (Lebensgemeinschaften)
in den Weinbergen, wo die in Jahrhunderten entstandenen Lößhohlwege der modernen Flurbereinigung zum Opfer fielen.
Dieser naturgeographische Überblick
zeigt, daß selbst die anscheinend so eintönige Ebene eine natürliche Vielfalt aufweist; sie wird von der wechselnden Nutzungsintensität durch Landwirtschaft, Industrie und Siedlungstätigkeit überlagert.
Aus den konkurrierenden gesellschaftlichen Ansprüchen ergeben sich mögliche
und auch tatsächliche Beeinträchtigungen
der natürlichen Ökosysteme. Die Verkehrsgunst des Durchgangsraumes bündelte verschiedene Verkehrsarten auf einem schmalen Nord-Süd gerichteten
Band; auch hiervon ist - neben den städtischen Agglomerationen - der Norden der
Ebene besonders betroffen. Die durch Regenfälle aus der Luft ausgewaschenen
Schadstoffe können oft nur qualitativ bestimmt werden, doch wirft die Konzentration der Chemischen Industrie bei Basel,
Chalampe und Mannheim-Ludwigshafen
in dieser Beziehung besonders große Probleme auf. Gegenmaßnahmen wurden in
Angriff genommen, reichen aber noch
nicht aus. Auch der Fischbestand im
Rhein ist dezimiert und hat nur geringe
Chancen, sich zu regenerieren.
Siedlungsentwicklung und
Bevölkerungsverteilung
Die Besiedlung zeichnet in groben Zügen
die Verteilung von Gunsträumen nach.
Nach dem derzeitigen Kenntnisstand lassen sich einerseits am Rand der südlichen
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Vorberge von der Lahr-Emmerdinger Vorbergzone bis zum Isteiner Klotz und am
Kaiserstuhl, andererseits im Bereich des
Neckarschwemmfächers zwei Schwerpunkträume jungsteinzeitlicher Besiedlung ausmachen. In den günstigsten und
vor allem wärmsten Teilregionen reicht
eine kontinuierliche Besiedlung bis in
die Keltenzeit. Die Verkehrserschließung
während der Römerherrschaft erfaßte
zwar überwiegend linksrheinisches Gebiet,
doch knüpfen Hilfslager bei Sasbach, Riegel oder Ladenburg vermutlich an den vorrömischen Siedlungsraum an. Römische
Zivilsiedlungen sind im Umkreis der Freiburger Bucht und bei Ladenburg nachzuweisen, Baden-Baden und Badenweiler gehen auf römische Bäder zurück.
Entscheidend für die weitere Siedlungsentwicklung wurde die Einwanderung der
Alemannen während der Völkerwanderung. Mit dem Vorrücken der Franken im
5. Jh. bildete sich die Stammesgrenze aus,
die beim Oostal das Oberrheinland quert.
Zwar kann man einzelne Ortsnamen nicht
in allen Fällen bestimmten Stammesgruppen zuordnen, doch dürfte eine Vielzahl
von auf -ingen auslautenden Personennamen den alemannischen Siedlungsraum
nachzeichnen, während die Häufung der
-heim-Orte teils dem frühen Siedlungsausbau durch Alemannen, teils dem Vorrükken der Franken, teils wohl auch der späteren fränkischen Staatskolonisation zuzuschreiben ist. Die Mehrzahl der Wohnplätze entwickelte sich über Konzentrationsphasen und Wüstungsperioden hinweg vornehmlich zu Haufendörfern mit einer kleinparzellierten Gewannflur. Als
Leitlinien der ländlichen Siedlungen waren zunächst die Übergangssäume von der
Niederterrassenfläche zu den Vorbergen
bevorzugt, später der Niederterrassenrand, in der Ausbauzeit Nestlagen in der
Vorbergzone sowie Freiräume auf den
Niederterrassenplatten.
Dieses Grundmuster des ländlichen
Siedlungsraumes wird durch die Städte ergänzt, die größtenteils als hoch- und spätmittelalterliche Gründungen entstanden
sind, vor allem an der Landschaftsgrenze
zu Odenwald, Kraichgau und Schwarzwald. Die eigentliche Oberrheinebene ist
dagegen arm an alten Städten. Mannheim
und Karlsruhe entstanden als absolutistische Residenzen, Rastatt und Kehl als
Festungsstädte. Die Industrialisierung
brachte mit Weil, Walldorf und Hockenheim eine weitere Städtegeneration ; die
administrative Aufgabenzuweisung zu Beginn des 19. Jh. förderte einige Siedlungen
am Schwarzwaldrand. Für das ausgehende
19. und für das 20. Jh. ist eine deutliche Polarisierung der Stadtentwicklung charakteristisch: Die früh in das moderne Verkehrsnetz integrierten und industrialisierten Städte weisen ausgedehnte Stadterweiterungen auf, während die randlichen Erweiterungen von Klein- und Mittelstädten
oft erst ein Ergebnis der Nachkriegsentwicklung sind.
Dieser baulichen Ausweitung der Städte
entsprechen zeitparallele Veränderungen
im ländlichen Siedlungsraum. Soziale Einflüsse wie Konfessionswechsel oder Realteilung, der Anbau von Spezialkulturen
und schließlich Industrialisierung und
Verstädterung prägten das Ortsbild um ; so
entstanden in einzelnen Dörfern mehrere
Kirchen, in anderen Tabakscheuern und
Winzerhäuser mit gemauertem Keller, das
ursprünglich weit verbreitete Dreiseitgehöft verkümmerte zu Winkel- und Streckhöfen, randliche Erweiterungen der jüngsten Zeit nahmen bisweilen eine größere
Fläche in Anspruch als der alte Ortskern
ausmachte. Insgesamt erweiterte sich die
Siedlungsfläche im Oberrheinischen Tiefland allein in den Jahren zwischen 1965
und 1978 um 34 Prozent von 53 263 auf
71 501 Hektar.
Die traditionelle kleinparzellierte Gewannflur unterlag seit dem 16. Jh. Feldbereinigungen, doch der Ausbau von Verkehrswegen, vor allem der Bau der NordSüd-Autobahn, beschleunigte die agrarstrukturelle Anpassung. Seither wird das
Bild der ländlichen Kulturlandschaft in
den weiten Flächen der Oberrheinebene
von zwar immer noch parzellierten, aber
regelmäßigen Flurmustern mit einem dichten Netz asphaltierter Wirtschaftswege geprägt, in den Vorbergen und im Kaiserstuhl vom Nebeneinander älterer, kleinerer Terrassensysteme und moderner Großterrassen. In der nördlichen Oberrheinebene, vor allem im Raum Karlsruhe/Rastatt kennzeichnet ein hoher Anteil von Sozialbrachflächen den Übergang von der
agrarwirtschaftlichen zur stadt- und industriewirtschaftlichen Bodennutzung. Um
die verdichteten Ortskerne zu entlasten,
wurden Aussiedlerhöfe mit arrondiertem
Besitz angelegt. Viele Dörfer entwickelten
sich zu Arbeiter-Bauern-Gemeinden und
schließlich zu Wohngemeinden, nur in entlegenen Gebieten erhielt sich eine dominante landwirtschaftliche Prägung. Eingemeindungen im Rahmen der Kommunalreformen der 70er Jahre haben den Verstädterungsprozeß auf dem Land noch gefördert, weil in den eingemeindeten Dörfern städtische Neubaugebiete ausgewiesen werden konnten. So ist das heutige
Siedlungsbild im gesamten Oberrheinischen Tiefland durch eine überaus deutliche, von städtischen Kernräumen aus gesteuerte Verdichtung gekennzeichnet.
Das heutige Siedlungssystem läßt mehrere Räume charakteristischer Siedlungsstruktur erkennen. Der Nordteil der Oberrheinischen Tiefebene nördlich der Murg
weist eine starke Verdichtung der Wohnbevölkerung auf. Nur in den Kernstädten
der Ballungsräume Rhein-Neckar und
Karlsruhe ist die Bevölkerungsentwicklung rückläufig; alle anderen Gemeinden
erlebten in der Nachkriegszeit eine nach-
Besiedlung und Bevölkerung
haltige Bevölkerungszunahme, die sich
aus der Überlagerung von Flüchtlingswanderung, Zustrom in die Verdichtungsräume und Wanderungen innerhalb dieser
Gebiete erklärt. Ein ähnlicher Effekt ist
auch für das Dreiländereck im Süden des
Oberrheinischen Tieflandes charakteristisch. Mittelbaden, der Breisgau und der
größte Teil des Markgräflerlandes zeigen
demgegenüber eine vergleichsweise geringere Verdichtung der Bevölkerung, die
sich vor allem auf die zentralen Orte oder
zumindest deren unmittelbare Umlandgemeinden konzentriert.
Nach der derzeitigen Bevölkerungsverteilung hebt sich das Oberrheinische Tiefland markant gegen den östlich anschließenden Schwarzwald und auch im Nordosten gegen den Odenwald ab, die wesentlich geringere Dichtewerte (z. T. unter
80 Ew./km2) erreichen, während in den
Stadtgemeinden der Ebene 1000 Ew./km2
überschritten werden. Die Gemeinden, die
nur an der Rheinaue und Niederterrasse
Flächenanteile haben, weisen niedrigere
Dichten als die Gemeinden auf, deren
Gemarkungsfläche sich von der Niederterrasse in die Vorbergzone zieht. Nördlich
von Rastatt beginnt ein Bereich, in dem
kaum eine Gemeinde Dichtewerte von
400 Ew./km2 unterschreitet. Dieses Verteilungsmuster beruht einerseits auf der bis in
unser Jahrhundert geübten Realteilungspraxis, die alle Erben im ländlichen Bereich gleichermaßen berücksichtigte und
dadurch eine Abwanderung verhinderte,
andererseits aber auch auf kleinräumigen
Verschiebungen in den beiden vergangenen Jahrzehnten, die sich mit den Schlagworten »Verstädterung« und »Randwanderung« beschreiben lassen : Von den städtischen und industriellen Zentren ausgehend (und daher im nördlichen Teil des
Oberrheinischen Tieflandes ausgeprägter),
setzte eine Verstädterung des ländlichen
Raumes ein, deren Auswirkungen sich im
Wandel des Gemeindetypus (von der
[meist klein-] bäuerlichen Gemeinde zur
Arbeiter-Bauern-Gemeinde und schließlich zur Wohngemeinde mit starkem Auspendlerüberschuß) und in Strukturwandlungen der Flächennutzung (Sozialbrache)
äußern. In dieser mit dem Wirtschaftsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg zu
parallelisierenden Entwicklung waren die
städtischen Zentren ebenfalls noch vorrangige Wanderungsziele vielfach für Flüchtlinge und Vertriebene gewesen. Seit den
sechziger Jahren zeichnete sich eine relative Abnahme der Bevölkerung in den
Kernstädten zugunsten der Randgemeinden ab, wo Baugrund im größeren Umfang
und zu wesentlich niedrigeren Preisen angeboten wurde.
Während die Verdichtung der Wohnbevölkerung in der nördlichen Oberrheinebene noch mit der Industrialisierung zu
erklären ist, muß für die jüngere Ausweitung von Wohnsiedlungen auch der Frei-
zeitwert des Raumes berücksichtigt werden. Dies gilt in besonderem Maß für den
Breisgau und das Markgräflerland, wo in
verkehrsgünstiger Lage, unweit der Oberzentren Freiburg und Basel, in der reizvollen Umgebung von Tiefebene, Vorbergzone und Schwarzwaldrand und in der
Nachbarschaft mehrerer bedeutender
Heilbäder (Badenweiler, Bad Bellingen,
Bad Krozingen) ein bevorzugtes Zielgebiet
für die Altenwanderung entstand. Flächenhafte Siedlungsausweitungen, die im
Einzelfall manche alte Dörfer auf mehr als
das Doppelte ihrer ursprünglichen Grundfläche wachsen ließen, und ein Nebeneinander einheimischer und zugewanderter
Bevölkerung prägen die Orte dieses Raumes. In wenigen Landesteilen sind die prozentualen Anteile von Rentnern und Pensionären an der Bevölkerung so hoch wie
hier.
Die hauptsächlichen Zielgebiete von
Pendlerwanderungen sind weitgehend mit
den Schwerpunkten der Bevölkerungsverdichtung und der industriellen Großunternehmen identisch. Im nördlichen Teil des
Tieflandes greifen die Einzugsgebiete von
Karlsruhe, Bruchsal, Heidelberg, Mannheim und Weinheim ineinander, und auch
das Einzugsgebiet von Ludwigshafen
reicht weit auf die badische Seite und erfaßt große Teile des Rhein-Neckar-Raumes. Im südlichen Teil bewirkt die räumliche Trennung der Hauptzielorte Offenburg, Lahr, Freiburg und Weil/Lörrach
auch eine klare Gliederung der Einzugsgebiete. In allen Fällen werden aber auch die
östlich anschließenden Räume miterfaßt ;
die Verlagerung einzelner Industriebetriebe aus dem Schwarzwald an den westlichen Schwarzwaldrand hat diese Tendenz
noch unterstützt, da der Wohnort heute
nicht mehr aufgegeben wird. Besonders
weite Pendlerwege sind in meridionaler
Richtung möglich, d. h. der hauptsächlichen Verkehrsspannung und dem Ausbau
von Fernverkehrswegen entsprechend. So
umfaßt das Einzugsgebiet von Karlsruhe
für Tagespendler einen Raum, der von
Südhessen bis Freiburg reicht, wenn auch
die Intensität der Pendlerverflechtungen
jenseits des 20-km-Radius sprunghaft abnimmt.
Eine Sonderstellung unter den Pendlern
nehmen die Grenzgänger ein, ein Pendlertypus, der sich am wirtschaftlichen Entwicklungsgefälle zwischen benachbarten
Staaten ausbildet. So beschäftigen Unternehmen am Oberrhein (Karlsruher Region, Bezirk der IHK Südlicher Oberrhein,
Landkreis Lörrach) rund 18 000 elsässische Grenzgänger, während aus dem
Hochrheingebiet etwa 38 000 Beschäftigte
einen Arbeitsplatz in der Schweiz haben
(Stand Ende 1990). Die jeweils gegenläufigen Pendlerbeziehungen sind ganz
schwach ausgebildet ( --› »Grenzüberschreitende Verflechtungen an Hoch- und
Oberrhein«, S. 236).
Landwirtschaft,
Produzierendes Gewerbe
und tertiärer Sektor
Wirtschaftlich durchdringen sich im Oberrheinischen Tiefland die Merkmale intensiver agrarischer Nutzung, früher Industrialisierung und hochrangiger städtischer
Aufgaben im tertiären Sektor.
In der Landwirtschaft überwiegen in der
Vorbergzone und im Kaiserstuhl die Dauerkulturbetriebe, auf den Niederterrassenflächen des gesamten Tieflandes Marktfruchtbetriebe mit einem sehr unterschiedlichen Produktionsprofil. Zentren des Akkerbaus sind Teile des Neckarschwemmfächers, der Westen der mittelbadischen
Niederterrasse und die südbadischen Niederterrassenplatten. Der Getreideanbau
dominiert, doch gab es bedeutende Veränderungen bei den Kulturarten. Vor allem
entspricht dem Vorrücken des Maisanbaus
in der Nachkriegszeit eine betriebliche
Spezialisierung. Unter den Sonderkulturen kommt dem Weinbau (Kaiserstuhl,
Vorbergzone) und Obstbau (Markgräflerland, Mittelbaden ; Erdbeeranbau in der
Ortenau und bei Karlsruhe) eine führende
Rolle zu. Ausgeweitet wurde in den letzten
Jahren der Feingemüseanbau in der
Rheinaue, während der Neckarschwemmfächer ebenso ein traditionelles Gemüseanbaugebiet ist wie die flächigen Sandböden bei Schwetzingen (Spargel). Der Tabakanbau in der Ortenau und im Mannheimer Gebiet steht unter zunehmendem
Verdrängungsdruck. Diese Gebiete mit
Sonderkulturen weisen seit alters besonders eng überbaute Dorfkerne auf und
sind im Verdichtungsprozeß der Nachkriegszeit weiter gewachsen. Heute handelt es sich vielfach um Auspendlergemeinden, die auf die benachbarten Verdichtungsräume orientiert sind. Wenigstens die Ortskerne zeigen auch in der Bauweise den engen Bezug zu den jeweiligen
Sonderkulturen, sei es bei den dicht überbauten Winzerdörfern mit den über dem
gemauerten Kellersockel sich erhebenden
Gebäuden, sei es bei den mächtigen
Scheunen mit Trocknungsspeicher, welche
die Tabakorte im nördlichen Tiefland prägen.
In weiten Teilen herrscht die Nebenerwerbswirtschaft vor. Besonders ausgeprägt
ist sie im südwestlichen Markgräflerland,
am Kaiserstuhl, im nördlichen Breisgau, in
Mittelbaden zwischen Kinzig und Murg
sowie in der Übergangszone zwischen den
Verdichtungsräumen Rhein-Neckar und
Karlsruhe. In den Auspendlergemeinden
selbst scheint die Nebenerwerbslandwirtschaft heute weitgehend durch eine flächenintensive, hochspezialisierte Agrarwirtschaft mit einer geringen Zahl an Vollerwerbsbetrieben abgelöst zu sein; die Nebenerwerbslandwirtschaft ist damit ebenfalls eine Übergangserscheinung im Indu215
Das Oberrheinische Tiefland
strialisierungsprozeß. Sie beruht auf langandauernder Realteilung, in deren Folge
den Bauern kein ausreichendes Einkommen mehr gewährleistet war, da die Betriebsflächen zu klein wurden.
Zwischen 1960 und 1978 verringerte sich
die landwirtschaftlich genutzte Fläche im
Oberrheinischen Tiefland von 212 400 auf
179 800 ha, d. h. um 15 Prozent. Am bedeutendsten war der Rückgang in der nördlichen Rheinebene zwischen Rastatt und
der Landesgrenze, wo der Verlust 24 Prozent erreichte. Hier nahm zwischen 1965
und 1978 zugleich die Siedlungsfläche um
38 Prozent auf 30 100 ha zu, während im
gesamten Tiefland eine Zunahme um 34
Prozent (auf insgesamt 53 300 ha) zu errechnen ist. Der Verlust an landwirtschaftlich genutzter Fläche ging vor allem zu Lasten des Dauergrünlandes ; wo es die edaphischen (bodenabhängigen) Gegebenheiten erlaubten, wurde bisheriges Grünland
umgebrochen. So nahm im Markgräflerland zwischen 1960 und 1978 das Ackerland sogar um knapp 10 Prozent von
13 600 auf 14 900 ha zu, während das Dauergrünland um 43 Prozent von 9400 auf
5400 ha reduziert wurde. Die Siedlungs(und Verkehrs-)fläche wuchs hier zwischen 1965 und 1978 um 19 Prozent von
6400 auf 7600 ha und hat damit das Grünland bereits weit übertroffen.
Die Industrialisierung orientierte sich in
erster Linie an den Verkehrswegen. So
wurde Mannheim als zeitweiliger Endpunkt der Rheinschiffahrt der erste bedeutende Standort in der Mitte des 19. Jh., gefolgt von den Hauptstationen der neugebauten Eisenbahnstrecken. Selbst moderne Zweige wie Erdölraffinerien (Karlsruhe, Mannheim) folgen noch diesem
Standortfaktor, wenn auch betriebliche
Verflechtungen (etwa zur Schwerchemie in
Ludwigshafen) eine zunehmende Rolle
spielen. Nach der Zahl der Arbeitsplätze
dominiert die elektrotechnische Industrie,
die außerhalb der industriellen Ballung im,
Norden des Tieflandes auch den untergeordneten Standort bestimmt. Maschinenbau und Chemische Industrie folgen.
Weite Verbreitung haben darüber hinaus
Betriebe der Agroindustrie, die mit zunehmender vertikaler Integration in der Nahrungsgüterwirtschaft entstanden sind. Nur
der Norden des Oberrheinischen Tieflandes kann als stark industrialisiert gelten —
hier erfaßt die Entwicklung auch viele
Dörfer; Karlsruhe und Rastatt sind Zentren eines zweiten, deutlich kleineren Industriebereiches, während im mittleren
und südlichen Abschnitt Einzelstandorte,
vorzugsweise in den Städten am Rand der
Vorbergzone, überwiegen.
In Zusammenhang mit dem hohen industriellen Bedarf, aber auch der Siedlungsverdichtung ist die Bedeutung des Oberrheinischen Tieflandes für die Energieversorgung zu sehen. Durch den mehrfachen
Aufstau des Rheines bzw. des Rheinseiten216
Kanals sind Laufkraftwerke möglich geworden, deren Energie im südlichen Teil
weitgehend Frankreich zugute kommt. Im
Norden speisen Wärmekraftwerke und
das Kernkraftwerk von Philippsburg das
Netz. Höchst umstritten ist der Bau eines
weiteren Kernkraftwerkes (Wyhl). Verbundnetze über die Staatsgrenzen hinweg
bestehen sowohl bei der Strom- als auch
bei der Erdgasversorgung.
Der tertiäre Sektor hat zum Teil jahrhundertealte Traditionen — wie die Universitätsstädte Heidelberg und Freiburg zeigen —, entwickelte sich teilweise mit Verwaltungsneugliederungen, beruht aber
auch wesentlich auf der Industrialisierung
seit dem 19. Jh. So wurde Mannheim früh
zum Zentrum von Handel und Bankwesen.
Auch Freiburg profitiert als Standort für
Banken und Versicherungen bis heute von
der grenznahen Lage. Die Entwicklung
des tertiären Sektors bestimmt das Zentralitätsgefüge des Raumes. Als Durchgangsraum mit deutlicher Bevölkerungsverdichtung, Siedlungswachstum und rascher
Wirtschaftsentwicklung bei ausgeprägter
Bündelung der Verkehrswege zeigt die
Oberrheinische Tiefebene einen hohen Besatz mit zentralen Orten höherer Stufe.
Oberzentren sind Mannheim, Heidelberg,
Karlsruhe und Freiburg, Mittelzentren mit
Teilfunktionen von Oberzentren Offenburg und Lörrach. Dabei wird das Zentralitätsgefüge im Rhein-Neckar-Raum durch
die Nachbarschaft von Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg mit einer Reihe
von Mittel- und Kleinstädten geprägt, die
ebenfalls jeweils Teilfunktionen übernehmen, während im äußersten Süden der
Einfluß von Basel über die Grenze reicht.
Zwischen Karlsruhe und Lahr konnten außer Offenburg eine Reihe von Klein- und
Mittelstädten aus ihrer Lage an der Landschaftsgrenze zwischen Oberrheingebiet
und Schwarzwald Nutzen ziehen. Aus der
Aneinanderreihung dieser Zentren und
aus der Bündelung verschiedener Verkehrswege ergibt sich der Verlauf einer
großräumigen Entwicklungsachse, die im
Oberrheinischen Tiefland meist der
Grenze zwischen Ebene und Vorbergzone
folgt. Das Oberrheinische Tiefland wurde
insgesamt zu einem Kernraum Mitteleuropas, das Dreiländereck zu einer »Drehscheibe« des westlichen Europas.
Regionale Strukturen
Im Süden des Oberrheinischen Tieflandes
verzahnt sich der deutsche Gebietsanteil
mit dem Industrie- und Funktionalraum
von Basel, dessen Bedeutung als Oberzentrum weit nach Norden ausstrahlt. Weil
am Rhein ist baulich fast mit Basel zusammengewachsen und verdankt seine heutige
Bedeutung der Bündelung von Verkehrsanlagen an der Grenze. Zahlreiche interna-
tionale Speditionen verfügen über eigene
Lager. Schweizerischer Kapitaleinfluß förderte die Chemische Industrie.
Im nördlich anschließenden Markgräflerland spielt die Landwirtschaft eine größere Rolle. Auf den trockengefallenen
Standorten der ehemaligen Rheinaue breitete sich die stadtnahe Versorgungslandwirtschaft mit Gemüseanbau aus, während
auf den Niederterrassenflächen und zum
Teil auch im Hügelland der Getreideanbau dominiert. Zu den wichtigsten Neuerungen gehört die Einführung und Ausbreitung von Hybridmaissorten seit dem
Ende der 50er Jahre. Der Mais erweitert
die Futterbasis von zunehmend spezialisiert arbeitenden Tierhaltungsbetrieben.
Beim Obstbau hat der Intensivanbau in
den 60er und 70er Jahren den herkömmlichen Streuanbau teilweise verdrängt. Die
wichtigste Obstart ist die Süßkirsche, die
für die Brennkirschenproduktion angebaut wird. Der Weinbau wurde möglicherweise schon von römischen Ansiedlern
eingeführt, breitete sich aber vor allem im
Hochmittelalter aus. Nach den Flurschäden, die die Kriege des 17. Jh. gebracht
hatten, veranlaßte Markgraf Karl-Friedrich 1740 die Einführung der Gutedelrebe,
die seither das Rebsortiment des Markgräflerlandes bestimmt. Die Intensivierung der Landwirtschaft ist nicht unproblematisch. Flurbereinigungsfolgen sind
umstritten, wenn der Agrarraum auch Erholungsfunktionen erfüllen soll ; moderne
Obstanlagen erreichen nicht den landschaftlichen Reiz alter Streuobstwiesen ;
tatsächliche oder erwartete Bautätigkeit in
attraktiven suburbanen Orten oder in
Fremdenverkehrsorten ließ Sozialbrache
aufkommen; die beim Maisanbau notwendige Düngung trägt dazu bei, daß die Nitratanreicherung im Boden den Grundwasserchemismus und damit die Wasserversorgung bedroht. Es gibt aber auch Versuche, Reste der bäuerlichen Kulturlandschaft zu bewahren; so wurde der südwestliche Teil des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald ein Schwerpunktgebiet des
1975 angelaufenen Förderungsprogrammes »Dorfentwicklung«.
Das südliche Oberrheinische Tiefland
gehört nicht zu denjenigen Räumen in Baden-Württemberg, die sich durch einen
dichten Besatz mit bedeutenden Fremdenverkehrsorten auszeichnen: Dennoch bilden drei Heilbäder eine Grundlage für
Tourismus und Altenwanderung. Badenweiler, Bad Bellingen und Bad Krozingen
verdanken ihren Aufschwung der Tatsache, daß am tektonisch stark beanspruchten Westabfall des Schwarzwaldes und in
der Vorbergzone mineralisierte Thermalwässer erbohrt wurden. Badenweilers Badetradition reicht in die Römerzeit zurück,
wurde im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit wieder belebt und erfuhr seit der
Mitte des 19. Jh. einen neuen Aufschwung.
Die soziale Oberschicht und das gehobene
Regionen und Zentren
Oben: Pfaffenweiler im Markgräflerland;
neben dem Weinbau spielt der intensive
Obstanbau eine wichtige Rolle. - Unten:
Burg Ortenberg in der Ortenau, im 12. Jh.
von den Zähringern erbaut; an ihrem
Fuß gedeihen Traminerreben.
Bürgertum bestimmten die Entwicklung
zum »klassischen« Badekurort. In den
70er und beginnenden 80er Jahren wurden
die Kureinrichtungen grundlegend modernisiert. Der.aktuelle Rückgang der Gästezahlen ist weniger ausgeprägt als in anderen Bädern, weil der Sozialtourismus einen
vergleichsweise geringen Anteil hat, weil
eine behutsame Ortsplanung den störenden Durchgangsverkehr fernhält und die
Attraktivität des Kurortes steigern half
und weil die Bäder über ein großes Potential an Stammgästen verfügen. In Bad Bellingen wurde erst 1956 ein provisorischer
Badebetrieb aufgenommen, in der Folge-
zeit entstanden die Kureinrichtungen. Ein
völlig neuer, von Kurbad und Wohnfunktion geprägter Ortsteil liegt heute in der
Rheinaue unterhalb des alten Dorfkerns.
Bad Krozingen verdankt den steilen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg den
zunehmenden Sozialleistungen im Gesundheitswesen ; dadurch waren zwar eine
hohe Auslastung und ein Anstieg der
Übernachtungszahlen möglich, doch
konnte nur die Ansiedlung zusätzlicher
medizinischer Einrichtungen (v. a. zur Behandlung von Herzkrankheiten und zur
Rehabilitation) einen drohenden Bedeutungsverlust auffangen. Bad Krozingen
steht außerdem schon unter dem Einfluß
von Freiburg: Sein jüngster Bevölkerungsanstieg ist durch die Bedeutung als Auspendlergemeinde verursacht.
Freiburg ist einziges Oberzentrum im Süden des Oberrheinischen Tieflandes. Die
Stadt wurde vermutlich 1120 von den zähringischen Herzögen gegründet, die in ei-
nem vorher kaum besiedelten Raum einen
kleinen Handelsort für den regionalen
Markt anlegten. Nach einer wechselvollen
Geschichte, die durch die Zugehörigkeit
zu den Zähringern und zu den Grafen von
Freiburg, dann zum Haus Habsburg, abelauch durch mehrfache französische Eroberungen und Besetzungen geprägt war, erfolgte der Hauptausbau in der Gründerzeit
und nach dem Zweiten Weltkrieg. Der
nach Kriegszerstörungen erforderliche
Wiederaufbau bemühte sich, das erhaltene
bauliche Erbe und das überkommene
Grundrißmuster zu bewahren und dennoch den modernen Ansprüchen zu entsprechen. Eine erste wirtschaftliche Blüte
hatte Freiburg noch im Mittelalter aufgrund des Silberbergbaus am Schauinsland erlebt; eine frühe Gewerbeansiedlung
in der Oberstadt förderte die Edelsteinschleiferei. Heute liegt das Schwergewicht
auf der Elektrotechnischen und Chemischen Industrie (Kunstfaserherstellung
und Pharmazie). Die Textilindustrie, der
Stahl-, Maschinen- und Fahrzeugbau, Papierverarbeitung und Druckereiwesen sowie die Nahrungs- und Genußmittelindustrie ergänzen das Arbeitsplatzangebot im
Produzierenden Gewerbe. Seit der Jahrhundertwende entwickelte sich die Stadt
zu einem regionalen Zentrum des Versicherungs- und Bankenwesens, und auch
der Großhandel profitiert von der grenznahen Lage. Zahlreiche Institutionen bestimmen die zentralörtliche Stellung von
Freiburg: Seit 1457 besteht eine Universität von internationalem Ruf; weitere
Hochschulen, der Sitz eines Erzbischofs
(seit 1827), Behörden (Oberpostdirektion,
Landespolizeischule, Flurbereinigungsamt, Regionalverband Südlicher Oberrhein) und weiterführende Schulen ergänzen das Bild. Die damit verbundenen Arbeitsplätze lassen Freiburg zu dem wichtigsten Einpendlerzentrum in Südbaden
werden, dessen Verflechtungen über den
suburbanen Raum weit in das Oberrheinische Tiefland und in den Schwarzwald reichen.
Westlich der Stadtregion ist der Kaiserstuhl wegen der hohen Klimagunst eine
der markantesten Weinbaulandschaften in
Südwestdeutschland. Hier hatte nach der
Weinbaukrise des frühen 20. Jh. in den
20er Jahren die Genossenschaftsbewegung
Fuß gefaßt, die heute nicht nur die Vermarktung, sondern auch den Strukturwandel durch Flurbereinigungen mitbestimmt.
Waren die seit dem Mittelalter überkommenen Terrassen schmal und nur zu Fuß
zu erreichen, so änderte seit den 60er Jahren die Anlage von Großterrassen das
Landschaftsbild. Die neuen Terrassen sind
bis über 5 ha groß, tragen wenigstens 60 m
lange Rebzeilen mit einer Drahtrahmenerziehung, können mit Fahrzeugen erreicht
und mit Maschinen bestellt werden und
nehmen etwa die Hälfte des gesamten
Rebareals am Kaiserstuhl ein. Die Nut217
Das Oberrheinische Tiefland
Der Kaiserstuhl ist eine der bekanntesten
und markantesten Weinbauregionen Badens. Besonders mildes Klima und fruchtbarer Lößboden haben bereits im 2. Jh.
zu den Anfängen des Weinbaus geführt.
Ruländer, Silvaner, Traminer und Spätburgunder sind die Rebsorten des Gebiets. Die Umwandlung alter kleiner Terrassen zu maschinengerechten Großparzellen erfolgt seit den sechzigerJahren.
zungsparzellen sind mit einheitlichem
Pfropfrebengut bepflanzt, und die Besitzparzellen lassen sich nur noch anhand des
unterschiedlichen individuellen Bearbeitungsablaufs oder über die Katastereintragung erfassen. Gegen diese »Retortenlandschaft« wurde vielfacher Protest laut.
Geländeklimatologische Messungen ergaben, daß sich auf den leicht hangwärts geneigten Terrassenflächen Kaltluft sammeln kann, die die Spätfrostgefahr erhöht;
außerdem wirken sich kleinräumige Windströmungen über die Großterrassenränder
ungünstig aus. Schädigungen der Rebbestände lassen befürchten, daß Trauben220
und Fruchtzuckergehalt eine gewisse Qualitätseinbuße erfahren. Auf der anderen
Seite sind die Vorteile des Maschineneinsatzes nicht zu übersehen. Insgesamt wird
jedoch die Großterrassierung mit ihren
Folgen als ökologisch fragwürdig beurteilt, und die optimale Terrassengröße
liegt sicher unter dem Ausmaß der jetzigen
Großterrassen. Auch in der ästhetischen
Landschaftsbeurteilung, die für den Tourismus eine große Rolle spielt, sind die
Großterrassen umstritten, haben sie doch
das traditionelle Landschaftsbild mit Lößhohlwegen (und ihrer charakteristischen
Flora und Fauna) und von Obstbäumen
gesäumten Wegen beseitigt.
Zentralort des Kaiserstuhls ist Breisach.
An der Stelle eines vorrömischen Siedlungsplatzes und eines kleinen Römerkastells wurde 1180 eine Stadt gegründet, die
als staufisches Gegengewicht zu dem rasch
wachsenden zähringischen Freiburg gedacht war. Breisach wurde wegen seiner
Lage an der politischen Grenze mehrfach
zerstört, zuletzt im Zweiten Weltkrieg.
Nach dem Wiederaufbau haben sich jedoch enge Verflechtungen mit Frankreich
ergeben, die dem Städtchen ein internationales Image verleihen. Die Lage über der
Rheinniederung und das spätromanische
Stephansmünster machen die Stadt auch
für den Fremdenverkehr attraktiv. Mit der
Zentralkellerei badischer Winzergenossenschaften ist Breisach das Kellerei- und
Vermarktungszentrum des badischen und
speziell des Kaiserstühler Weinbaus.
Im nördlichen Breisgau und in der Ortenau ist der Westrand der Vorbergzone die
Leitlinie von Siedlung und Verkehr. Mehrere Klein- und Mittelstädte sind Industriestandorte oder kleine Amtsorte, deren
Geschichte teilweise ins Mittelalter zurückreicht, oft aber von der Industrieansiedlung im 19. Jh. bestimmt war. Im
Agrarraum bilden die weiten Ackerflächen
der Forchheimer Niederterrasse mit ihrem
Getreide- und Hybridmaisanbau einen
deutlichen Kontrast zum Wein- und Obstbau in der Vorbergzone. Der früher weit
verbreitete Tabakanbau ist auf kleine Flächen in der Tiefebene zurückgegangen,
und der Stadt Lahr droht der Funktionsverlust als Standort der südbadischen Tabakindustrie.
Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg
Dennoch sind gerade der Obstanbau
und der Weinbau in der schmalen Vorbergzone und am Schwarzwaldrand wichtige Ansätze für kleinere Standorte der
Agroindustrie oder für Vermarktungszentren geworden. Darüber hinaus profitierten die Städte am Schwarzwaldrand von
der Verlagerung des Produzierenden Gewerbes aus dem Gebirgsraum in das verkehrsgünstigere Vorland. Spektakuläre Betriebsansiedlungen in der Rheinebene (wie
etwa Willstätt mit einer Fabrik zur Tonträgerherstellung, Zweigwerk eines Großbetriebes der Chemischen Industrie) oder
verkehrsorientierte Industrialisierung in
Offenburg und Kehl bewirken, daß in der
Ortenau heute etwa drei Fünftel der Beschäftigten im Produzierenden Gewerbe
tätig sind. Der stark frequentierte Grenzübergang bei Kehl ordnet diese wirtschaftliche Aktivitäten in einen internationalen
Rahmen ein.
Der Norden des baden-württembergischen Anteils am Oberrheinischen Tiefland wird durch die beiden Verdichtungsräume Rhein-Neckar und Karlsruhe beherrscht. Der Karlsruher Raum weist eine
deutlich hierarchische Ordnung mit dem
dominanten Oberzentrum Karlsruhe und
einigen zugeordneten Mittelzentren
(Bruchsal, Bretten, Ettlingen, Baden-Baden, Rastatt) auf, deren Ausstrahlungsbereich nach Mittelbaden und in den Kraichgau, aber auch in den nordwestlichen
Schwarzwald reicht. Die Stadt Karlsruhe
selbst ist erst 1715 als markgräfliche Residenz mit dem charakteristischen Fächergrundriß im siedlungsarmen Hardtwald
angelegt worden, gewann aber nach dem
klassizistischen Ausbau durch den Baumeister Friedrich Weinbrenner (*1766,
1 1826) durch Rheinkorrektion und Eingemeindungen an Fläche und Bedeutung.
Damit waren die Grundlagen für eine Industrialisierung gelegt, die im wesentlichen von der frühen Eisenbahnerschließung gesteuert wurde.
Der Ausbau des Rheinhafens zu Beginn
des 20. Jh. bot die Grundlage für eine
großflächige Industrieansiedlung zwischen dem Rhein und der mittlerweile eingemeindeten Stadt Mühlburg. Metallverarbeitende Betriebe, zwei Erdölraffinerien, Standorte des Fahrzeug- und Maschinenbaus und die Elektrotechnik bestimmen das industrielle Profil der Stadt, die
mit einer Technischen Hochschule (inzwischen Universität) und einer Reihe von
Forschungseinrichtungen (darunter einem
bedeutenden Kernforschungszentrum) zu
einem Ausgangspunkt technischer Neuerungen wurde. Bundes- und Landesbehörden sowie Verwaltungen der mittleren
Ebene bestimmen die Beschäftigung im
tertiären Sektor.
Der Rhein-Neckar-Raum nimmt unter
den Ballungsgebieten der Bundesrepublik
nach der Einwohnerzahl den sechsten
Rang ein. Enge industriewirtschaftliche
Verflechtungen überschreiten die Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz und beziehen
Ludwigshafen ein ; Mannheim und Heidelberg haben sich auf badischer Seite zu
Oberzentren entwickelt. Allerdings ist die
Gewichtung der Aufgabenverteilung ungleich: Mannheim, aus einem kleinen Fischerdorf durch Anlage einer Festungsstadt (1606, Stadtrecht 1607) und durch
Verlegung der Residenz der Pfalzgrafen
(1720) erst spät mit dem schematischen
Schachbrettgrundriß der Innenstadt entstanden, hat sich aufgrund der Verkehrsgunst seit dem 19. Jh. zur führenden Industrie- und Verwaltungsstadt mit einer bedeutenden Konzentration des Großhandels und des Bankenwesens entwickelt.
Mehrere Großbetriebe wie ein Zellstoffwerk mit Papierfabrik, Getreidemühlen,
ein Kabelwerk sowie Betriebe der Elektrotechnik ergänzen die Chemische Industrie,
die ihren Schwerpunkt in Ludwigshafen
hat. Im städtischen Wachstum der vergangenen hundert Jahre läßt sich die wirtschaftliche Expansion nachvollziehen, die
immer neue Wohngebiete entstehen ließ,
zu Eingemeindungen führte und schließlich einen Suburbanisierungsprozeß einleitete, bei dem die Nahverflechtungsbereiche von Mannheim und Heidelberg zusammengewachsen sind. Mannheim verdankt den Aufschwung vor allem dem stetigen Verkehrsausbau : Waren zunächst die
Hafenanlagen am Rhein nach dessen Korrektion in die wirtschaftlichen Standortüberlegungen einbezogen worden, so
wurde es bald die Eisenbahn, in der Nachkriegszeit kam die Bündelung von Versorgungsleitungen hinzu. Heute ist Mannheim ein Knotenpunkt im Intercity-Netz
der Bundesbahn; der Güterverkehr verfügt
über einen modernen Rangierbahnhof und
einen Container-Terminal. Autobahnen
und die Nähe des Rhein-Main-Flughafens
bieten weitere Standortvorteile. Zusätzlichen Gewinn zieht die Stadt aus ihrer
Funktion als Kulturzentrum: Aus der früheren Technischen Hochschule ist eine
Universität geworden, eine Musikhochschule ergänzt den Hochschulsektor.
Heidelberg verfügt zwar über die ältere,
bereits 1386 gegründete und im internationalen Renomme bekanntere Universität,
steht aber industriewirtschaftlich ganz im
Schatten Mannheims. Nur wenig mehr als
ein Drittel der Beschäftigten hat einen Arbeitsplatz im Produzierenden Gewerbe.
Das Schwergewicht liegt bei Heidelberg
auf dem Fremdenverkehr. Die historische
Altstadt wurde von den Bombenangriffen
des Zweiten Weltkriegs verschont und zusätzlich durch Sanierungsmaßnahmen in
den vergangenen Jahren verschönert. Das
Schloß, die ehemalige Residenz der Pfalzgrafen, zieht alljährlich ein internationales
Besucherpublikum an. Der Hochschulsektor weiß dieses Potential zu nutzen : Fachkongresse in Heidelberg genießen besondere Beliebtheit, allerdings nicht wegen
der landschaftlichen Schönheit von Odenwald, Neckartal und Bergstraße, sondern
auch weil die Stadt es verstand, mehrere
große Forschungsinstitute anzusiedeln. So
gibt es zwischen den beiden Oberzentren
Mannheim und Heidelberg auch eine gewisse Arbeitsteilung.
Das Hauptproblem der Gegenwart besteht in der Entwicklung eines tragfähigen
Raumordnungskonzeptes. Die Beanspruchung der knappen Bodenreserven und
die Intensität der über Landesgrenzen hinweggreifenden Verflechtungen erlauben
keine planerische Beschränkung auf eine
einzelne Stadt, sondern erfordern für den
gesamten Ballungsraum Lösungen, die die
Konkurrenz bei der Flächennutzung sinnvoll entscheiden. Wichtige Konflikte bestehen zwischen den Flächenansprüchen
von Industrie, Landwirtschaft, Verkehrsanlagen und Wohnbebauung, ferner in der
Schadstoffbelastung von Luft und Wasser,
die durch immer neue Filteranlagen gemindert werden soll, in der weitgehenden
»Versiegelung« des Untergrundes durch
Gebäude und Verkehrsflächen, die eine
Versickerung von Niederschlagswasser
zur Grundwasseranreicherung verhindern,
während gleichzeitig der Brauch- und
Trinkwasserbedarf Spitzenwerte erreicht.
Es wird noch großer Anstrengungen bedürfen, bis die aus marktwirtschaftlichen
Entscheidungen entstandene Ballung soweit »entflochten« ist, daß der Rhein-Nekkar-Raum auch ein bevorzugter Lebensraum für große Bevölkerungszahlen bleibt.
Zu diesem Thema
In anderen Werken
Borcherdt, Christoph (Hg ) Geographische Landeskunde von Baden-Wurttemberg (= Schuften zur politischen Landeskunde Baden-Wurttembergs, Bd 8), 1983
Heidelberg und der Rhein-Neckar-Raum
Sammlung sozial- und stadtgeographischer
Studien Hg v Werner Fricke und Erdmann
Gormsen ( = Heidelberger Geographische Arbeiten, Bd 46), 1981
Mannheim und der Rhein-Neckar-Raum Festschrift zum 43 Deutschen Geographentag in
Mannheim 1981 Besorgt von Ingrid Dorrer (=
Mannheimer Geographische Arbeiten, Bd 10),
1981
Oberrheingraben Le couloir rhönan Planung
uber die Grenzen Analysen und Perspektiven
fur die Entwicklung einer europaeschen Landschaft Hg Konferenz Oberrheinischer Regionalplaner, 1979
Pflug, Reinhard Bau und Entwicklung des
Oberrheingrabens (= Ertrage der Forschung,
Bd 184), 1982
Regionalverband Sudlicher Oberrhein, hg Regionalplan 1980 ( = Schriftenreihe des Regionalverbandes Sudlicher Oberrhein, 8), 1979
Wilmanns, Otti/VVirnmenauer, Wolfhard/Fuchs,
Gerhard Der Kaiserstuhl Gesteine und Pflanzenwelt (= Die Natur- und Landschaftsschutzgebiete Baden-Wurttembergs, Bd 8), 2 Aufl
1977
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