Vorlesungsskript Mathematik II - Fakultät Informatik/Mathematik

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Vorlesung Mathematik II
Studiengang Produktionstechnik
D. Oestreich
1
4
Differential- und Integralrechnung für
Funktionen von mehreren Variablen
4.1
4.1.1
Partielle Differentiation
Funktionen von mehreren Variablen
Funktion von zwei unabhängigen Variablen: Vorschrift, die jedem geordneten Zahlenpaar (x, y) ∈ D genau ein Element z ∈ W zuordnet.
Schreibweise: z = f (x, y).
x, y:
unabhängige Variable
z:
abhängige Variable oder Funktionswert
D ⊂ IR2 : Definitionsbereich der Funktion f
W ⊂ IR: Wertebereich der Funktion f
Analog werden Funktionen von mehr als zwei unabhängigen Variablen
definiert. Eine Funktion von n unabhängigen Variablen kann auch als
Vektorfunktion aufgefaßt werden:
z = f (x1 , x2 , . . . xn ) = f (~x), ~x = (x1 , x2 , . . . , xn ).
Höhenliniendiagramm
Höhenlinien (Niveaulinien) einer Funktion zweier Variabler:
Bilden für z = f (x, y) Schnittkurven mit Ebenen parallel zur x, y-Ebene
(Schnittebenen z = c = const):
f (x, y) = c = const
mit Parameter c ∈ W.
Die Projektionen dieser Linien gleicher Höhe in die x, y-Ebene heißen
Höhenlinien (Niveaulinien).
Oft zweckmäßig: Wahl von c in gleichem Abstand =⇒ je steiler Fläche,
desto gedrängter Höhenlinien.
Anmerkung: Analog können Niveaulinien für Schnitte parallel zur
y, z-Ebene (x = c) bzw. parallel zur x, z-Ebene (y = c) erzeugt werden.
Räumliche Koordinatensysteme
a) Kartesische Koordinaten (x, y, z): bekannt
b) Zylinderkoordinaten (ρ, ϕ, z) eines Punktes P ∈ IR3 mit Projektion P 0 = (ρ, ϕ, 0) in x, y-Ebene:
2
4
DIFFERENTIAL- UND INTEGRALRECHNUNG (II)
Abstand von P 0 zum Ursprung
Winkel von positiver x-Achse zum Ortsvektor zu P 0
(0 ≤ ρ < ∞, −π < ϕ ≤ π)
Umrechnung:
p


 x = ρ cos ϕ
 ρ = x2 + y 2
ϕ = ± arccos xρ
y = ρ sin ϕ


z=z
z=z
ρ:
ϕ:
(1)
Oberes (unteres) Vorzeichen für y ≥ 0 (y < 0).
c) Kugelkoordinaten (r, ϑ, ϕ) eines Punktes P ∈ IR3 mit Projektion
P 0 in x, y-Ebene:
r: Abstand von P zum Ursprung
−→
ϑ:
Winkel von positiver z-Achse zu Ortsvektor OP
−→
Winkel von positiver x-Achse zu Ortsvektor OP 0
(0 ≤ r < ∞, 0 ≤ ϑ ≤ π, 0 ≤ ϕ < 2π)
Umrechnung:

p

r = x2 +y 2 + z 2


 x = r sin ϑ cos ϕ

y = r sin ϑ sin ϕ
ϑ = arccos √ 2 z 2 2
x +y +z



z = r cos ϑ

tan ϕ = xy
ϕ:
4.1.2
(2)
Grenzwert und Stetigkeit
Man sagt, die Folge (xn , yn ) → (x0 , y0 ) für n → ∞, wenn
(xn − x0 )2 + (yn − y0 )2 → 0
für n → ∞.
Die Zahl g heißt Grenzwert der Funktion z = f (x, y) im Punkt (x0 , y0 ),
wenn f (xn , yn ) → g für jede Folge (xn , yn ) → (x0 , y0 ) für n → ∞.
Schreibweise:
lim
f (x, y) = g.
(x,y)→(x0 ,y0 )
Die Funktion z = f (x, y) heißt stetig im Punkt (x0 , y0 ), wenn
lim
(x,y)→(x0 ,y0 )
f (x, y) = f (x0 , y0 ).
Die Funktion f ist auf D stetig, wenn f in allen Punkten (x, y) ∈ D
stetig ist.
4.1
Partielle Differentiation
3
Analog werden Grenzwert und Stetigkeit für Funktionen von mehr als
zwei unabhängigen Variablen definiert.
Beachte: Aus Stetigkeit einer Funktion von mehreren Variablen folgt
Stetigkeit dieser Funktion bezüglich jeder einzelnen Variablen (bei festgehaltenen übrigen Variablen). Die Umkehrung gilt allgemein nicht!
4.1.3
Partielle Ableitungen
Partielle Ableitung 1. Ordnung nach xk (k = 1, . . . , n) der Funktion z = f (x1 , . . . , xk , . . . , xn ) an der Stelle (x1 , . . . , xk , . . . , xn ) heißt der
Grenzwert (wenn er existiert):
f (x1 , . . . , xk + ∆xk , . . . , xn ) − f (x1 , . . . , xk , . . . , xn )
.
∆xk →0
∆xk
fxk := lim
Übliche Bezeichnungen:
zxk (x1 , . . . , xn ) = fxk (x1 , . . . , xn ) =
∂f
(x1 , . . . , xn )
∂xk
(auch ohne Argumente)
Speziell z = f (x, y):
zx =
∂f
f (x + ∆x, y) − f (x, y)
= fx (x, y) := lim
∆x→0
∂x
∆x
zy =
f (x, y + ∆y) − f (x, y)
∂f
= fy (x, y) := lim
.
∆y→0
∂y
∆y
Die praktische Berechnung der partiellen Ableitungen geschieht durch
gewöhnliche Differentiation der gegebenen Funktion als Funktion einer
Variablen mit n − 1 festen Parametern. Dabei gelten alle bekannten
Ableitungsregeln!
Partielle Ableitungen (n+1)-ter Ordnung erhält man, wenn man partielle Ableitungen n-ter Ordnung partiell differenziert (n ≥ 1).
Die Ordnung entspricht der Anzahl der Indizes. Schreibweise auch in
Form partieller Differentialquotienten möglich.
4
4
DIFFERENTIAL- UND INTEGRALRECHNUNG (II)
Speziell z = f (x, y):
∂
∂x
fxx =
∂
∂x
fyx =
∂f
∂x
∂f
∂y
=:
∂2f
,
∂x2
=:
∂2f
,
∂y∂x
fxy =
∂
∂y
fyy =
∂
∂y
∂f
∂x
∂f
∂y
=:
∂2f
,
∂x∂y
=:
∂2f
∂y 2
bzw.
fxxx =
∂
∂x
∂2f
∂x2
=:
∂3f
∂x3
usw.
Satz von Schwarz: Falls die Funktion z = f (x, y), (x, y) ∈ D, eine
stetige partielle Ableitung fxy (x, y) hat, so besitzt sie auch die Ableitung
fyx (x, y) und es gilt fyx (x, y) = fxy (x, y), (x, y) ∈ D.
Anmerkung: Der Satz gilt sinngemäß auch für mehr als zwei Variable
und/oder höhere partielle Ableitungen.
4.1.4
Das vollständige Differential einer Funktion
Annahme: Die Funktion z = f (x, y) besitze stetige partielle Ableitungen
fx (x, y) und fy (x, y).
Gleichung der Tangentialebene an die Fläche z = f (x, y) im Punkt
P0 = (x0 , y0 , z0 ) mit z0 = f (x0 , y0 ):
z = z0 + fx (x0 , y0 )(x − x0 ) + fy (x0 , y0 )(y − y0 )
(3)
Anmerkung: (3) stellt die Linearisierung der Funktion z = f (x, y) in
der Umgebung von (x0 , y0 ) dar.
Unter dem vollständigen Differential einer Funktion z = f (x, y) versteht man den linearen Differentialausdruck
dz = fx (x, y) dx + fy (x, y) dy =
∂f
∂f
dx +
dy.
∂x
∂y
(4)
Analog: Vollständiges Differential der Funktion z = f (x1 , x2 , . . . , xn ):
dz = fx1 dx1 + fx2 dx2 + . . . + fxn dxn .
4.1
Partielle Differentiation
5
Der Term
P (x, y) dx + Q(x, y) dy
(+)
wird Differentialform genannt.
Falls P, Q stetige partielle Ableitungen 2. Ordnung auf D besitzen, gilt:
∂P
∂Q
(+) vollständiges Differential einer Funktion f ⇐⇒
=
auf D.
∂y
∂x
(Integrabilitätsbedingung).
Die Funktion f nennt man Potential.
Anmerkung: Falls (+) kein vollständiges Differential darstellt, kann
durch Multiplikation mit einer geeigneten Funktion (”integrierender Faktor”) unter Umständen (+) in ein vollständiges Differential einer Funktion überführt werden.
4.1.5
Kettenregel für Funktionen mehrerer Variabler
I) z = f (x(t), y(t)), wobei x = x(t), y = y(t) differenzierbar:
∂f dx ∂f dy
d
f (x(t), y(t)) =
+
dt
∂x dt
∂y dt
(5)
(Analog für mehr als zwei Variable.)
Speziell:
Ableitung einer impliziten Funktion F (x, y) = 0:
y 0 (x) = −
Fx (x, y)
.
Fy (x, y)
II) z = f (x(u, v), y(u, v)), wobei x = x(u, v), y = y(u, v) partielle
Ableitungen nach u und v besitzen:
∂f
∂f ∂x ∂f ∂y
=
+
,
∂u
∂x ∂u ∂y ∂u
∂f
∂f ∂x ∂f ∂y
=
+
.
∂v
∂x ∂v
∂y ∂v
Allgemein für z = f (x1 (t1 , . . . , tm ), . . . , xn (t1 , . . . , tm )):
n
X ∂z ∂xi
∂z
=
,
∂tk
∂xi ∂tk
i=1
k = 1, . . . , m.
(6)
6
4
DIFFERENTIAL- UND INTEGRALRECHNUNG (II)
Speziell:
Ableitung einer Funktion in Polarkoordinaten f = f (r, ϕ)
fx =
∂f
∂f 1
cos ϕ −
· sin ϕ,
∂r
∂ϕ r
fy =
∂f
∂f 1
sin ϕ +
· cos ϕ.
∂r
∂ϕ r
4.2
Anwendungen der partiellen Differentiation
4.2.1
Das Fehlerfortpflanzungsgesetz
Gegeben Meßwerte x ± ∆xmax mit
x:
Mittelwert
∆xmax : (geschätzter) absoluter Maximalfehler
Weiterhin
∆xmax
:
relativer Maximalfehler
|x|
∆xmax
· 100%: prozentualer Maximalfehler
|x|
Es seien die Größen x, y, z, . . . derart gemessen: x ± ∆xmax , y ±
∆ymax , z ± ∆zmax , . . .
Fehlerfortpflanzungsgesetz [Gauß]: Sei u = f (x, y, z, . . .). Dann ist
∂f ∂f ∂f (1)
∆umax = ∆xmax + ∆ymax + ∆zmax + . . .
∂x
∂y
∂z
und
∆umax
ist der relative Maximalfehler von u.
|u|
Spezialfälle
1) Absoluter Maximalfehler einer Summe oder Differenz =
Summe der absoluten Maximalfehler der Eingangsgrößen
2) Relativer Maximalfehler eines Produkts oder Quotienten =
Summe der relativen Maximalfehler der Eingangsgrößen
3) Ist u = u(v)
und
so gilt nach derKettenregel:
v = v(x, y, . . .),
du ∂v ∂v ∆umax = ∆xmax + ∆ymax + . . .
dv
∂x
∂y
4.2
Anwendungen der partiellen Differentiation
4.2.2
7
Grundlagen der Vektoranalysis
Skalares Feld: Zuordnung (x1 , . . . , xn ) 7→ z = f (x1 , . . . , xn ) ∈ IR
|
{z
}
n
∈IR
(Funktion von n unabhängigen Variablen)
Vektorfeld: Zuordnung (x1 , . . . , xn ) 7→ f~(x1 , . . . , xn ) ∈ IRm
|
{z
}
n
∈IR
mit f~(x1 , . . . , xn ) := (f1 (x1 , . . . , xn ), . . . , fm (x1 , . . . , xn ))T
Sei u = f (x, y, z) ein skalares Feld.
Der Gradient von f im Punkt (x, y, z) ist das folgende Vektorfeld:


∂f
(x, y, z)
 ∂x

 ∂f



grad f (x, y, z) = 
(x, y, z)  .
 ∂y

 ∂f

(x, y, z)
∂z
Führen ein den Nabla-Operator:


∂
 ∂x 
 ∂ 

~ := 
∇

.
 ∂y 
 ∂ 
∂z
~ = gradf , d.h. der Nabla-Operator ordnet der Funktion
Dann gilt: ∇f
f das Vektorfeld gradf zu.
Eigenschaften
(i) Der Gradient zeigt in Richtung des stärksten Anstiegs von f .
Dieser strkste Anstieg beträgt |gradf |
(bezogen auf den Einheitsvektor d~r = (dx, dy, dz)T ).
(ii) Der Gradient steht senkrecht auf den Niveauflächen
f (x, y, z) = c.
8
4
DIFFERENTIAL- UND INTEGRALRECHNUNG (II)
Sei ~a = ~a(x, y, z) = (a1 (x, y, z), a2 (x, y, z), a3 (x, y, z))T Vektorfeld.
Die Rotation eines Vektorfeldes ~a ist das folgende Vektorfeld:
~e1 ~e2 ~e3 ∂
∂
∂ ~ × ~a = rot ~a = ∇
∂x ∂y ∂z .
a1 a2 a3 Die Divergenz eines Vektorfeldes ~a ist ein skalares Feld, das definiert
ist durch
~ · ~a = ∂a1 + ∂a2 + ∂a3 .
div ~a = ∇
∂x
∂y
∂z
Interpretation
1) Das Vektorfeld ~a wird oft als Fluß durch einen Körper interpretiert
und durch Feldlinien veranschaulicht (z.B. elektrische Felder von Ladungen oder Geschwindigkeitsfelder bei strömenden Flüssigkeiten).
2) Die Divergenz beschreibt den Zufluß und Abfluß in einem Volumenelement und wird auch Quelldichte genannt. Insbesondere gilt
div ~a > 0: Der abfließende Anteil überwiegt:
im Volumenelement befindet sich eine ”Quelle”.
div ~a < 0: Der zufließende Anteil überwiegt:
im Volumenelement befindet sich eine ”Senke”.
Vektorfeld ~a heißt in einem Bereich quellenfrei, wenn dort div ~a = 0
gilt.
3) Die Rotation beschreibt die ”Verwirbelung” eines Flußes.
Wenn rot ~a = ~0 ist, heißt das Vektorfeld wirbelfrei.
4) Das Vektorfeld ~a wird konservativ genannt, wenn es Gradient eines
skalaren Feldes f (x, y, z) ist, d.h. ~a = grad f . Man nennt dann f (x, y, z)
das Potential dieses Vektorfeldes. Es gilt:
~a konservativ ⇔ rot ~a = ~0.
Allgemeine Beziehungen
rot gradf = ~0 Ein Gradientenfeld ist wirbelfrei.
div rot ~a = 0
Ein Rotorfeld ist quellenfrei.
Weiterhin
2
2
2
~ · ∇f
~ = ∂ f + ∂ f + ∂ f =: ∆f
div gradf = ∇
∂x2
∂y 2
∂z 2
(∆: Laplace-Operator)
4.3
Extremwertaufgaben
4.2.3
9
Die Taylorsche Formel
Sei f (~x) = f (x1 , x2 , . . . , xn ) und ~x0 = (x01 , x02 , . . . , x0n )T ∈ IRn ein Punkt
in der Nähe von ~x = (x1 , x2 , . . . , xn )T .
Bezeichnen ∆xi := xi − x0i , i = 1, 2, . . . , n. Dann gilt:
= f (~x) − f (~x0 ) =
∆f :
+
n
X
∂f 0
(~x ) ∆xi +
∂xi
i=1
n
1 X ∂2f
(~x0 ) ∆xi ∆xj + R(~x).
2 i,j=1 ∂xi ∂xj
(2)
Anmerkung: Das Restglied R(~x) wird hier nicht weiter betrachtet. Es
ist klein, wenn ~x0 nahe ~x ist.
Insbesondere
n
X
∂f 0
∆f ≈
(~x ) ∆xi = df (1. Näherung),
∂x
i
i=1
∆f ≈
4.3
4.3.1
n
n
X
1 X ∂2f
∂f 0
(~x ) ∆xi +
(~x0 ) ∆xi ∆xj (2. Näherung).
∂x
2
∂x
∂x
i
i
j
i,j=1
i=1
Extremwertaufgaben
Relative Extremwerte (ohne Nebenbedingungen)
Eine Funktion z = f (x, y) besitzt im Punkt (x0 , y0 ) ein relatives Maximum (relatives Minimum), wenn für alle alle (x, y) aus einer Umgebung von (x0 , y0 ) gilt
f (x0 , y0 ) ≥ f (x, y)
(bzw. f (x0 , y0 ) ≤ f (x, y)).
(∗)
Anmerkungen: Gelten die Ungleichungen (∗) für alle (x, y) ∈ D(f ),
so spricht man von absolutem Maximum bzw. Minimum in (x0 , y0 ).
Maxima und Minima werden wieder als Extrema zusammengefaßt.
Notwendige Bedingung: In (x0 , y0 ) relatives Extremum =⇒
fx (x0 , y0 ) = 0 und fy (x0 , y0 ) = 0.
Hinreichende Bedingung: Die Funktion z = f (x, y) besitzt im Punkt
(x0 , y0 ) ein relatives Extremum, wenn
10
4
DIFFERENTIAL- UND INTEGRALRECHNUNG (II)
1) fx (x0 , y0 ) = fy (x0 , y0 ) = 0
fxx (x0 , y0 ) fxy (x0 , y0 ) > 0.
2) D := fxy (x0 , y0 ) fyy (x0 , y0 ) Ist dabei fxx (x0 , y0 ) < 0, so liegt ein relatives Maximum vor, für
fxx (x0 , y0 ) > 0 dagegen ein relatives Minimum.
Anmerkung: Für D < 0 liegt kein Extremum vor, sondern ein Sattelpunkt. Für D = 0 ist unmittelbar keine Aussage möglich.
4.3.2
Extremwertaufgaben mit Nebenbedingungen
Problemstellung:
z = f (x, y) = max!
(min!)
mit Nebenbedingungen
gj (x, y) = 0,
j = 1, . . . , m.
(++)
Anmerkung: Analog läßt sich die Aufgabe für mehr als zwei Variable
formulieren.
Lösungsmöglichkeiten:
I) Umstellen der Nebenbedingung(en) nach einer Variablen und einsetzen in z = f (x, y) =⇒ Extremwertaufgabe für eine Variable.
(Nicht immer möglich!)
II) Multiplikatorenregel von Lagrange: Betrachten
H(x, y; λ1 , . . . , λm ) := f (x, y) +
m
X
λj gj (x, y).
(1)
j=1
Notwendige Bedingung:
Wenn im Punkt (x∗ , y ∗ ) Extremum von z = f (x, y) unter der Bedingung
(++), so gilt

∂H
 ∂H
=
= 0 in (x∗ , y ∗ )
(2)
∂x
∂y
 g (x∗ , y ∗ ) = 0, j = 1, . . . , m
j
4.3
Extremwertaufgaben
4.3.3
11
Methode der kleinsten Quadrate
Aufgabe: Eine Größe y hänge von einer Größe x in noch unbekannter
Weise ab. Meßpunkte: (x1 , y1 ), (x2 , y2 ), . . . , (xn , yn )
Gesucht: Funktion y = f (x) (Approximationsfunktion)
Einfachster Fall: Meßpunkte (ohne Fehler) liegen auf einer Geraden
Gesucht: Ausgleichsgerade (Regressiongerade):
y = A(x) = a + bx.
Lösungsansatz:
n
X
[A(xi ) − yi ]2 =
i=1
n
X
(a + bxi − yi )2 =: F (a, b) → min .
i=1
Lösung:
n
b
=
a =
n
P
i=1
xi yi −
n
P
xi
i=1
n
P
n
P
yi
i=1
,
n
P
x2i − ( xi )2
n
i=1
i=1
" n
! #
n
X
X
1
yi −
xi b .
n i=1
i=1
(3)
Mitunter legt die Folge der Meßpunkte einen anderen Typ von Ausgleichskurve nahe. Zum Beispiel:
Lösungsansatz
y = A(x)
Parameter
Quadratische Funktion y = a + bx + cx2
a, b, c
a, b
Potenzfunktion
y = axb
Exponentalfunktion
y = aebx
a, b
Die unbekannten Parameter lassen sich analog mit Hilfe der Methode
der kleinsten Quadrate (vgl. obigen Lösungsansatz!) ermitteln.
Speziell kann man näherungsweise Exponential- und Potenzfunktionen
auch im halb- bzw. doppellogarithmischen Maßstab durch Geraden darstellen.
Für periodische Vorgänge empfiehlt sich die Verwendung periodischer
Funktionen:
12
4
DIFFERENTIAL- UND INTEGRALRECHNUNG (II)
2p
Gegeben: Meßpunkte: ”Stützstellen” xi = i · 2n
und
”Stützwerte” yi für i = 1, 2, . . . , 2n
Gesucht: y = f (x) periodische Funktion mit Periode 2p
Ansatz:
m a0 X
kπx
kπx
Pm (x) =
+
+ bk sin
,
ak cos
2
p
p
m<n
k=1
(trigonometrisches Polynom)
bzw. durch alle Meßpunkte
Pn (x) = Pn−1 (x) +
nπx
an
cos
.
2
p
mit Parametern: a0 , a1 , . . . , am , b1 , . . . , bm .
Lösung:
2n
1X
a0 =
yi ;
n i=1
2n
1X
kπ
ak =
yi cos
xi ,
n i=1
p
k = 1, . . . , n
2n
bk =
4.4
kπ
1X
yi sin
xi ,
n i=1
p
k = 1, . . . , m.
Integration für Funktionen mehrerer Variabler
4.4.1
Doppelintegrale
Sei z = f (x, y) eine Funktion, definiert auf dem Bereich (A) ⊂ IR2 .
Zerlegen (A) in n Teilbereiche (∆Ak ) mit den Flächeninhalten ∆Ak und
wählen Punkte Pk = (xk , yk ) ∈ (∆Ak ), k = 1, . . . , n.
Der Grenzwert
lim
n→∞
n
X
k=1
f (xk , yk ) ∆Ak
4.4
Integration (2)
13
heißt, falls er existiert und zwar bei max1≤k≤n ∆Ak → 0 und beliebiger
Wahl von (xk , yk ) ∈ (∆Ak ), k = 1, . . . , n, Doppelintegral (oder zweifaches Integral) und wird bezeichnet durch das Symbol
ZZ
f (x, y) dA.
(A)
Dabei
x, y:
Integrationsvariable
f (x, y): Integrand
dA:
Flächendifferential oder - element
(A):
Integrationsbereich
Anmerkung: Der Grenzwert existiert, wenn der Integrand f (x, y) im
abgeschlossenen Integrationsbereich (A) (d.h. einschließlich dessen Randes) stetig ist.
Berechnung:
Betrachten ”normalen” Integrationsbereich (A):
fu (x) ≤ y ≤ fo (x),
a ≤ x ≤ b,
wobei y = fu (x) untere Randkurve und y = fo (x) obere Randkurve =⇒
ZZ
f (x, y) dA =
(A)
Zb
ZZ
=
f (x, y) dydx =
(A)

fZ
o (x)


x=a


f (x, y) dy  dx
(1)
y=fu (x)
Anmerkungen:
1) Bei Vertauschung der Integrationsreihenfolge müssen die Integrationsgrenzen neu bestimmt werden, d.h. explizite Vorgaben x = g1 (y) und
x = g2 (y) sind erforderlich.
14
4
DIFFERENTIAL- UND INTEGRALRECHNUNG (II)
2) Für f (x, y) = 1 =⇒


fZ
o (x)
Zb
ZZ


dy  dx.
dA =

x=a
(A)
y=fu (x)
Zahlenmäßig beschreibt dieser Wert den Flächeninhalt von (A).
Berechnung in Polarkoordinaten:
Wegen x = r cos ϕ, y = r sin ϕ =⇒
z = f (x, y) = f (r cos ϕ, r sin ϕ) =: F (r, ϕ).
Sei Integrationsbereich (A):
ri (ϕ) ≤ r ≤ ra (ϕ),
ϕ 1 ≤ ϕ ≤ ϕ2 ,
wobei r = ri (ϕ) innere Randkurve und r = ra (ϕ) äußere Randkurve =⇒


rZ
a (ϕ)
Zϕ2
ZZ


(2)
f (r cos ϕ, r sin ϕ) r dr dϕ
f (x, y) dA =

ϕ=ϕ1
(A)
4.4.2
r=ri (ϕ)
Dreifachintegrale
Sei u = f (x, y, z) eine Funktion, definiert auf dem Bereich (V ) ⊂ IR3 .
Zerlegen (V ) in n Teilbereiche (∆Vk ) mit den Volumina ∆Vk und wählen
Punkte Pk = (xk , yk , zk ) ∈ (∆Vk ), k = 1, . . . , n.
Der Grenzwert
lim
n→∞
n
X
f (xk , yk , zk ) ∆Vk
k=1
heißt, falls er existiert und zwar bei max1≤k≤n ∆Vk → 0 und beliebiger
Wahl von (xk , yk , zk ) ∈ (∆Vk ), k = 1, . . . , n, Dreifachintegral und
wird bezeichnet durch das Symbol
ZZZ
f (x, y, z) dV.
(V )
4.4
Integration (2)
Dabei
x, y, z:
f (x, y, z):
dV :
(V ):
15
Integrationsvariable
Integrand
Volumenelement
Integrationsbereich
Berechnung:
Betrachten ”normalen” Integrationsbereich (V ):
zu (x, y) ≤ z ≤ zo (x, y),
fu (x) ≤ y ≤ fo (x),
a≤x≤b
mit z = zu (x, y) ”Bodenfläche”, z = zo (x, y, z) ”Deckelfläche” bzw. im
Projektionsbereich (A) in der x, y-Ebene y = fu (x) untere Randkurve
und y = fo (x) obere Randkurve =⇒
ZZZ
f (x, y, z)dV =
(V )


Zb 
 fZo (x)




x=a
y=fu (x)

zoZ(x,y)

f (x, y, z)dz  dy
z=zu (x,y)



dx.
(3)


Insbesondere Volumen V des Körpers (V ):
ZZZ
V =
dV.
(V )
Berechnung in Zylinderkoordinaten:
Wegen x = r cos ϕ, y = r sin ϕ, z = z =⇒
z = f (x, y, z) = f (r cos ϕ, r sin ϕ, z) =: F (r, ϕ, z):
ZZZ
f (x, y, z) dV =
(V )


 rZa (ϕ)
Zϕ2 




ϕ=ϕ1
r=ri (ϕ)
zoZ(x,y)
z=zu (x,y)


f (r cos ϕ, r sin ϕ, z) dz  r dr





dϕ.
(4)
16
4
4.4.3
DIFFERENTIAL- UND INTEGRALRECHNUNG (II)
Linienintegrale
I) Betrachten ebene Kurve (K) = AB. Auf der Kurve sei eine (stetige)
Funktion f (x, y) definiert.
Wählen Punkte auf (K): A0 = A, A1 , . . . , An−1 , An = B
und bezeichnen ∆sk = Länge des Kurvenstücks Ak−1 Ak , k = 1, . . . , n.
Der Grenzwert
lim
n→∞
n
X
f (xk , yk ) ∆sk
k=1
heißt, falls er existiert und zwar bei max1≤k≤n ∆sk → 0 und beliebiger
Wahl von Ak , k = 1, . . . , n − 1, Linienintegral (Kurvenintegral) erster
Art und wird symbolisiert durch
Z
f (x, y) ds.
(K)
(ds – Bogenelement)
Berechnung:
Die ebene Kurve (K) habe die Parameterdarstellung:
x = x(t), y = y(t), t0 ≤ t ≤ t1 =⇒
Zt1
Z
f (x, y) ds =
f (x(t), y(t))
p
[ẋ(t)]2 + [ẏ(t)]2 dt
(5)
t=t0
(K)
Insbesondere Bogenlänge von (K):
Z
s=
ds.
(K)
II) Betrachten f (x, y) auf (K) wie in I) und wählen zusätzlich Punkte
Pk = (ξk , ηk ) ∈ Ak−1 Ak und bezeichnen mit ∆xk = xk − xk−1 die
Projektion von Ak−1 Ak (k = 1, . . . , n) auf die x-Achse.
4.4
Integration (2)
17
Der Grenzwert
n
X
lim
f (ξk , ηk ) ∆xk
n→∞
k=1
heißt, falls er existiert und zwar bei max1≤k≤n ∆xk → 0 und beliebiger
Wahl von Pk ∈ Ak−1 Ak , (k = 1, . . . , n − 1), Linienintegral (Kurvenintegral) zweiter Art und wird symbolisiert durch
Z
f (x, y) dx.
(K)
Erläuterungen
1) Analog wird das Linienintegral
Z
f (x, y) dy
(K)
definiert.
2) Das Integral
Z
F1 (x, y) dx + F2 (x, y) dy
W =
(6)
(K)
beschreibt die Arbeit, die eine ebene Kraft F~ = (F1 (x, y), F2 (x, y))T
bei der Bewegung einer punktförmigen Masse längs der Kurve (K) verrichtet.
3) Das Linienintegral (17) (= Arbeit W ) zwischen zwei festen Punkten
A = (xa , ya ) und B = (xb , yb ) hängt im Allgemeinen vom Weg (K) = AB
zwischen A und B ab.
Falls der Integrand in (17) ein vollständiges Differential einer Funktion
V = V (x, y) darstellt, d.h. es gilt
dV =
∂V
∂V
dx +
dy = F1 dx + F2 dy,
∂x
∂y
so heiát das Linienintegral (die Arbeit) wegunabhängig und es gilt:
ZB
W =
A
dV = V (x, y) B
A = V (xb , yb ) − V (xa , ya ).
(7)
18
4
DIFFERENTIAL- UND INTEGRALRECHNUNG (II)
Die Funktion V heißt Potentialfunktion.
∂F1
∂F2
Integral (17) (= W ) wegunabhängig ⇐⇒
=
.
∂y
∂x
Ein derartiges Kraftfeld F~ = (F1 , F2 )T wird konservativ genannt.
4.4.4
Oberflächenintegrale
Sei (S) (Ober-)Fläche, die durch die Gleichung z = ϕ(x, y), (x, y) ∈ D ⊂
IR2 gegeben ist. Auf (S) sei eine Funktion f (x, y, z) definiert.
Zerlegen (S) in n Oberflächenelemente (∆Sk ) mit den Flächeninhalten
∆Sk und wählen Punkte Pk = (xk , yk , zk ) ∈ (∆Sk ), k = 1, . . . , n.
Der Grenzwert
lim
n→∞
n
X
f (xk , yk , zk ) ∆Sk
k=1
heißt, falls er existiert und zwar bei max1≤k≤n ∆Sk → 0 und beliebiger
Wahl von Pk ∈ (∆Sk ), k = 1, . . . , n, Oberflächenintegral 1. Art und
wird bezeichnet durch
ZZ
f (x, y, z) dS.
(S)
(dS – Oberflächenelement)
Berechnung:
Bezeichnen mit (B) die Projektion der Fläche (S) in die x, y-Ebene.
Dann gilt
ZZ
ZZ
q
(8)
f (x, y, z) dS =
f (x, y, ϕ(x, y)) 1 + ϕ2x + ϕ2y dB.
(S)
(B)
Insbesondere Inhalt S (Oberfläche) von (S):
ZZ
S=
dS.
(S)
19
5
Spezielle Kapitel
5.1
Unendliche Reihen
5.1.1
Zahlenreihen
Sei (an ) unendliche Zahlenfolge. Bilden sogenannte Partialsummen:
s1 = a1
s2 = a1 + a2
s3 = a1 + a2 + a3
...
sm = a1 + a2 + . . . + am
..
.
Die Folge (sm ) der Partialsummen einer Folge (an ) heißt unendliche
Reihe. Symbolische Schreibweise:
∞
X
an = a1 + a2 + . . . + am + . . .
n=1
Anmerkung: Die Summation kann auch mit jeder anderen natürlichen
Zahl sowie 0 beginnen.
Eine unendliche Reihe
Partialsummen sm =
∞
P
an heißt konvergent, wenn die Folge ihrer
n=1
m
P
an einen Grenzwert besitzt, d.h.
n=1
lim sm = lim
m→∞
m→∞
m
X
an = s.
n=1
Die Zahl s heißt Summe der unendlichen Reihe. Man schreibt
s=
∞
X
an = a1 + a2 + . . . + am + . . .
n=1
Besitzt die Folge (sm ) keinen Grenzwert, so heißt die unendliche Reihe
divergent.
20
5
Anmerkung: Die unendliche Reihe
wenn die Reihe
∞
P
∞
P
SPEZIELLE KAPITEL
an heißt absolut konvergent,
n=1
|an | konvergiert. Aus der absoluten Konvergenz folgt
n=1
stets die Konvergenz einer Reihe. Die Umkehrung gilt nicht!
Notwendige Konvergenzbedingung:
∞
P
an konvergent =⇒
lim an = 0.
n→∞
n=1
Majoranten- und Minorantenkriterium: Gegeben ist Reihe
a) Majorantenkriterium: Gibt es eine konvergente Reihe
|an | ≤ bn , ∀n ≥ n0 , dann ist
∞
P
∞
P
∞
P
an .
n=1
bn , so daß
n=1
an (absolut) konvergent.
n=1
b) Minorantenkriterium: Gibt es eine gegen +∞ bestimmt divergente
∞
∞
P
P
Reihe
cn , so daß an ≥ cn , ∀n ≥ n0 , dann ist
an bestimmt divern=1
gent gegen +∞.
n=1
Quotientenkriterium: Erfüllen die Glieder einer unendlichen Reihe
∞
P
an die Bedingung
n=1 an+1 = q < 1,
lim
n→∞ an so ist die Reihe konvergent. Ist q > 1, so ist die Reihe divergent.
Anmerkung: Für q = 1 versagt das Quotientenkriterium.
Leibnizsches Kriterium für alternierende Reihen: Eine alternieren∞
P
de Reihe
(−1)n+1 an = a1 − a2 + a3 − . . . mit an > 0 ist konvergent,
n=1
wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
1) (an ) streng monoton fallend, d.h. an > an+1 , ∀n(≥ n0 )
2) lim an = 0.
n→∞
5.1
Unendliche Reihen
5.1.2
21
Potenzreihen
Unter einer Potenzreihe P (x) versteht man eine unendliche Reihe der
Art
P (x) =
∞
X
an xn = a0 + a1 x + a2 x2 + . . .
(1)
n=0
mit ai ∈ IR, (i = 0, 1, 2, . . .) – Koeffizienten der Potenzreihe.
Anmerkung: Allgemeiner ist möglich
P (x) =
∞
X
an (x − x0 )n
(2)
n=0
mit der Stelle x0 als ”Entwicklungspunkt”. Durch die Substitution
z = x − x0 ist (2) stets auf (1) zurückführbar.
Die Menge aller x-Werte für die eine Potenzreihe konvergiert, heißt Konvergenzbereich K der Potenzreihe.
Offenbar konvergiert jede Potenzreihe (1) für x = 0.
Weiterhin konvergiert (1) in einem bestimmten, zum Nullpunkt symmetrischen Intervall |x| < r und divergiert für |x| > r. (Für |x| = r ist
im Allgemeinen keine Aussage möglich.) Die Zahl r heißt Konvergenzradius. Konvergiert eine Potenzreihe (1) nur für x = 0, setzt man r = 0
und konvergiert (1) für alle x ∈ IR, setzt man r = ∞.
Es gilt:
an .
r = lim n→∞ an+1 Anmerkung: Für Potenzreihen (2) ergibt sich der Konvergenzbereich
K = (x0 − r, x0 + r).
Eine Potenzreihe (1) (bzw. analog (2)) kann im Innern des Konvergenzbereiches als Funktion aufgefaßt werden, d.h. jedem x ∈ (−r, r) ist
genau ein Funktionswert zugeordnet.
Eigenschaften
1) Eine Potenzreihe darf innerhalb ihres Konvergenzbereiches gliedweise
differenziert und integriert werden. Die neuen Potenzreihen besitzen
dabei denselben Konvergenzradius wie die ursprüngliche Reihe.
22
5
SPEZIELLE KAPITEL
2) Zwei Potenzreihen dürfen im gemeinsamen Konvergenzbereich der
Reihen gliedweise addiert und multipliziert werden. Die neuen Potenzreihen konvergieren mindestens im gemeinsamen Konvergenzbereich der
Ausgangsreihen.
Wichtigste Potenzreihen: Taylor-Reihen – aus der Taylor-Entwicklung
einer Funktion y = f (x) für n → ∞, d.h.
f (x) =
∞
X
f (n) (x0 )
(x − x0 )n .
n!
n=0
(3)
Dabei Funktionswert = Summe der Reihe für x ∈ K.
Anwendung: Z.B.
Integration durch Potenzreihenentwicklung des Integranden
Z
f (x) dx =?
1) Integrand f (x) wird in Taylor-Reihe entwickelt
2) Gliedweise Integration (im Konvergenzbereich)
5.1.3
Fourier-Reihen
Sei y = f (x) periodische Funktion mit der Periode T > 0, wobei f (x)
stückweise stetig auf [0, T ].
2π
Bezeichnen ω =
(Kreisfrequenz der Grundschwingung).
T
Dann läßt sich f (x) in folgende trigonometrische Reihe entwickeln:
∞
a0 X
f (x) ∼ Sf (x) =
+
[an cos(nωx) + bn sin(nωx)]
2
n=1
(4)
Die Darstellung (4) heißt Fourier-Reihe von f (x). Die Konstanten
a0 , a1 , a2 , . . . , b1 , b2 . . . sind die Fourier-Koeffizienten. Dabei gilt:
2
an =
T
ZT
f (x) cos(nωx) dx,
0
n = 0, 1, 2, . . .
(5a)
5.1
Unendliche Reihen
2
bn =
T
23
ZT
f (x) sin(nωx) dx,
n = 1, 2, . . .
(5b)
0
Darstellungssatz: Ist die T -periodische Funktion y = f (x) auf [0, T ]
stückweise stetig differenzierbar, so gilt:
1
Sf (x0 ) =
lim f (x) + lim f (x) , ∀x0 ∈ IR,
x&x0
2 x%x0
d.h. insbesondere Sf (x0 ) = f (x0 ) in allen Stetigkeitsstellen x0 von f (x).
Erläuterungen:
A) Das Integrationsintervall [0, T ] in (5) kann durch jedes beliebige Intervall [T0 , T0 + T ] ersetzt werden, insbesondere durch [−T /2, T /2].
B) Ist f (x) eine gerade Funktion, so sind die Koeffizienten
bn = 0, n = 1, 2, . . ., d.h.
∞
f (x) =
a0 X
+
an cos(nωx).
2
n=1
Ist f (x) ungerade Funktion, so gilt an = 0, n = 0, 1, . . ., d.h.
f (x) =
∞
X
bn sin(nωx).
n=1
C) Ist eine Funktion f (x) in einem endlichen Intervall [a, b] gegeben, so
läßt sie sich periodisch fortsetzen, d.h. wir setzen
f˜(x + kT ) = f (x),
x ∈ [a, b],
k = 0, ±1, ±2, . . .
mit T = b − a (Intervallänge). Nun läßt sich f˜(x) in eine Fourier-Reihe
entwickeln, wobei f (x) = f˜(x) für x ∈ [a, b].
D) Durch Abbruch der Fourier-Reihe (4) nach endlich vielen Gliedern
erhält man eine Näherungsfunktion
N
SN (x) =
a0 X
+
[an cos(nωx) + bn sin(nωx)].
2
n=1
24
5
SPEZIELLE KAPITEL
Die Näherung SN (x) ist die beste im Sinne der Methode der kleinsten
Quadrate, d.h.
ZT
2
ZT
[f (x) − SN (x)] dx ≤
0
[f (x) − TN (x)]2 dx
0
mit einem beliebigen trigonometrischen Polynom TN (x).
Die Funktion fN (x) := SN (x) wird N -te Näherung (N = 1, 2, 3, . . .) von
f (x) genannt (vgl. Abb.1).
E) In jeder Sprungstelle von f (x) tritt das sogenannte Gibbs-Phänomen
auf, d.h. für hinreichend große N überschwingen alle Partialsummen
den Sprung von f (x) um ≈ 17, 89%.
5.2
Gewöhnliche Differentialgleichungen
5.2
5.2.1
25
Gewöhnliche Differentialgleichungen
Definition und Lösungsbegriff
Eine Gleichung, in der Ableitungen einer unbekannten Funktion y =
y(x1 , x2 , . . . , xn ) auftreten, nennt man Differentialgleichung.
Ist dabei y = y(x) eine Funktion einer Variablen, so spricht man von
einer gewöhnlichen Differentialgleichung.
(Falls y eine Funktion von mehreren Variablen darstellt, handelt es sich
um eine partielle Differentialgleichung.)
Ordnung der Differentialgleichung: Ordnung der höchsten vorkommenden Ableitung in der Differentialgleichung
Eine Funktion y = y(x) heißt Lösung der gewöhnlichen Differentialgleichung im Intervall I, wenn sie dort mit ihren Ableitungen die Differentialgleichung erfüllt.
Bei der Lösung einer gewöhnlichen Differentialgleichung n-ter Ordnung
unterscheidet man:
– allgemeine Lösung: mit n Parametern
+ zusätzliche Bedingungen =⇒
– spezielle Lösung:
Parameter haben feste Werte
– singuläre Lösung:
nicht in allgemeiner Lösung enthalten
Typische Aufgabenstellungen
1) Anfangswertaufgaben Differentialgleichung n-ter Ordnung +
Anfangsbedingungen für x0 ∈ I:
y(x0 ) = y0 , y 0 (x0 ) = y1 , . . . , y (n−1) = yn−1
(y0 , y1 , . . . , yn−1 ∈ IR vorgegeben)
2) Randwertaufgaben
Differentialgleichung n-ter Ordnung +
Zusatzbedingungen an wenigstens
2 Stellen x1 , x2 ∈ I (x1 6= x2 )
3) Eigenwertaufgaben
Differentialgleichung n-ter Ordnung +
Anfangsbedingungen: Parameter λ
so wählen, daß ∃ Lösung y(x) 6≡ 0
5.2.2
Differentialgleichungen 1. Ordnung
Wir betrachten
F (x, y, y 0 ) = 0.
(1)
26
5
SPEZIELLE KAPITEL
I. Geometrische Lösung: Setzen y 0 = k = const =⇒
F (x, y, k) = 0 : Kurvenschar (mit Parameter k):
Dabei besitzt Lösungskurve von (1) in jedem Punkt von F (x, y, k) = 0
den Anstieg k. Die Kurven F (x, y, k) = 0 werden daher Isoklinen der
Differentialgleichung (1) (für k) genannt.
Praktisch: Man zeichnet in mehreren Punkten verschiedener Isoklinen jeweils ein kleines Geradenstück mit dem Anstieg k. So ergibt sich
das Richtungsfeld der Differentialgleichung.
II. Analytische Lösung: Kein allgemeines Lösungsverfahren – Verfahren
abhängig vom Typ der Differentialgleichung.
Ausgewählte Typen
dy
= f (x)g(y)
dx
1) Trennung der Variablen
A) y 0 = f (x)g(y)
⇔
dy
= f (x) dx.
g(y)
2) Integration der beiden Seiten der Gleichung:
Z
Z
dy
= f (x) dx.
g(y)
3) Auflösung nach y (falls möglich).
Anmerkung: Trennung der Variablen ist nur für g(y) 6= 0 möglich. Falls
g(y) = 0, erhalten wir die (singuläre) Lösung y = a = const.
y
B) i) y 0 = f (ax + by + c)
ii) y 0 = f
x
1) Substitution:
Bei i) u = ax + by + c
Bei ii) u =
y
.
x
2) Integration der neuen Differentialgleichung 1. Ordnung für die Hilfsfunktion u durch Trennung der Variablen.
3) Rücksubstitution und Auflösung nach y.
5.2
Gewöhnliche Differentialgleichungen
27
C) Exakte Differentialgleichung
P (x, y) + Q(x, y)
dy
=0
dx
(2)
⇐⇒ P (x, y) dx + Q(x, y) dy = 0.
(2) heißt exakt, wenn die zugehörige Differentialform P dx + Q dy das
vollständige Differential einer Funktion V = V (x, y) darstellt, d.h. wenn
∂Q
∂P
=
.
∂y
∂x
V = V (x, y) = const ist dann die allgemeine Lösung von (2).
5.2.3
Lineare Differentialgleichungen 1. Ordnung
0
y + f (x)y = g(x).
(3)
1. Homogene Gleichung, d.h. für g(x) ≡ 0:
y 0 + f (x)y = 0.
(4)
Lösung:
Z
y0 = K exp − f (x) dx ,
(K ∈ IR).
(5)
2. Inhomogene Gleichung
Integration durch Variation der Konstanten:
Man ersetzt in der Lösung (5) der homogenen Gleichung (4) die Integrationskonstante K durch eine Funktion K(x), d.h. es wird der folgende
Produktansatz gemacht:
Z
y = K(x) exp − f (x) dx .
(6)
Man erhält dann für K(x) die Beziehung
Z
0
K (x) exp − f (x) dx = g(x).
Nach Integration und Einsetzen von K(x) in (6) erhält man die allgemeine Lösung der inhomogenen Gleichung (3).
28
5
5.2.4
SPEZIELLE KAPITEL
Lineare Differentialgleichungen 2.
stanten Koeffizienten
y 00 + ay 0 + by = g(x),
Ordnung mit kon-
a, b ∈ IR.
(7)
1. Homogene Gleichung, d.h. für g(x) ≡ 0:
y 00 + ay 0 + by = 0,
a, b ∈ IR.
(8)
Ansatz: y = eλx liefert charakteristische Gleichung:
λ2 + aλ + b = 0.
(9)
Lösungen:
λ1/2
a
=− ±
2
√
a2 − 4b
.
2
Art der Lösung abhängig von Diskriminante D = a2 − 4b:
1. Fall: D = a2 − 4b > 0: 2 reelle Lösungen λ1 6= λ2
=⇒ Allgemeine Lösung von (8):
y0 (x) = C1 eλ1 x + C2 eλ2 x ,
(C1 , C2 ∈ IR).
2. Fall: D = a2 − 4b = 0: 1 reelle Lösung λ1 = λ2
=⇒ Allgemeine Lösung von (8):
a
y0 (x) = (C1 x + C2 )e− 2 x ,
(C1 , C2 ∈ IR).
3. Fall: D = a2 −√
4b < 0: 2 komplexe Lösungen λ1 6= λ2
4b − a2
=⇒ Allgemeine Lösung von (8):
Bezeichnen ω :=
2
a
a
y0 (x) = C1 e− 2 x sin(ωx) + C2 e− 2 x cos(ωx),
(C1 , C2 ∈ IR).
2. Integration der inhomogenen Gleichung
Satz: Die allgemeine Lösung y(x) der inhomogenen Gleichung (7) ist die
Summe der allgemeinen Lösung y0 (x) der homogenen Gleichung (8) und
und einer speziellen (oder partikulären) Lösung ys (x) der inhomogenen
Gleichung (7), d.h.
y(x) = y0 (x) + ys (x).
5.3
Lineare Optimierung
29
Bestimmung einer speziellen Lösung von (7) in Abhängigkeit vom Störglied g(x):
g(x)
Lösungsansatz
Parameter
Qn (x) für b 6= 0
KoeffiPolynom
xQn (x) für a 6= 0, b = 0
zienten
Pn (x)
x2 Qn (x) für a = b = 0
von Qn (x)
Aecx ,
falls c keine Lösung
der charakterist. Gl. (9)
ecx
A
Axecx , c einfache Lösung von (9)
Ax2 ecx , c doppelte Lösung von (9)
A sin(βx) + B cos(βx),
falls sin(βx) keine Lösung
sin(βx)
der homogenen Gleichung (8);
(und/oder
A, B
x[A sin(βx) + B cos(βx)],
cos(βx))
falls sin(βx) Lösung
der homogenen Gleichung (8)
5.3
Einführung in die lineare Optimierung
Allgemeine Problemstellung:
Gegeben: (Lineare) Zielfunktion
z = f (~x) := a1 x1 + a2 x2 + . . . + an xn ,
und (lineare) Nebenbedingungen (Restriktionen)
gi (~x) := bi1 x1 + bi2 x2 + . . . + bin xn ≤ ci ,
i = 1, . . . , m,
mit bekannten Koeffizienten aj , bij ∈ R, i = 1, . . . , m, j = 1, . . . , n.
Gesucht ist der Vektor ~x = (x1 , x2 , . . . , xn ), der die Nebenbedingungen
gi (~x) ≤ ci , i = 1, . . . , m erfüllt, so daß die Zielfunktion f (~x) den maximalen (oder minimalen) Wert annimmt. Der Lösungsvektor wird auch
mit ~x∗ bezeichnet und optimale Lösung genannt.
Eine Menge M heißt konvex, wenn sie mit je 2 ihrer Punkte auch die
Verbindungsstrecke vollständig enthält.
Satz: Eine auf einem beschränkten, konvexen Polyeder definierte lineare
Funktion nimmt ihr Maximum oder Minimum in einem Eckpunkt des
Polyeders an.
30
5
5.4
SPEZIELLE KAPITEL
Kombinatorik
Die Kombinatorik befaßt sich mit der Anordnung und der Auswahl von
Elementen einer endlichen Menge (zum Beispiel Zahlen, Buchstaben,
Personen, Gegenstände).
Grundaufgaben
Lfd. Nr.
Operation
Formel
1)
Permutationen
Pn = n!
2)
Permutationen
P̄n
mit Wiederholung
wobei
(n1 ,...,nk )
k
P
=
n!
,
n1 !n2 ! . . . nk !
ni = n
i=1
3)
Variationen
Vnk =
n
k!
k
ohne Wiederholung
4)
Variationen
mit Wiederholung
V̄nk = nk
5)
Kombinationen
Cnk =
n
k
ohne Wiederholung
6)
Kombinationen
C̄nk =
mit Wiederholung
Anmerkung: Für n = k gilt: Vnk = Pn .
n+k−1
k
31
6
6.1
6.1.1
Stochastik
Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
Ereignisse und ihre Darstellung
Zufallsvorgang: Bei gegebener Ausgangssituation mehrere, sich gegenseitig ausschließende Folgesituationen (= Elementarereignisse), wobei
ungewiß ist, welche Folgesituation eintritt.
Die Gesamtheit der Elementarereignisse wird Ergebnismenge Ω genannt.
(Zufälliges) Ereignis: beliebige Teilmenge von Ω.
Ereignisse werden in der Regel mit großen lateinischen Buchstaben – mit
oder ohne Indizes – symbolisiert.
Bildung von Ereignissen
Sachverhalt
Bezeichnung
Mengensymbolik
A=Ω
A=∅
A⊂B
1) A tritt sicher ein
A sicheres Ereignis
2) A tritt sicher nicht ein
A unmögliches Ereignis
A Teilereignis von B
3) wenn A eintritt,
tritt B ein
4) A tritt ein genau
A, B äquivalente
A=B
dann, wenn B eintritt
Ereignisse
5) C tritt ein, wenn
C Vereinigung
C =A∪B
A oder B eintritt
von A und B
6) C tritt ein, wenn
C Durchschnitt
C =A∩B
A und B eintritt
von A und B
7) wenn A eintritt,
A und B disjunkte
A∩B =∅
tritt B nicht ein
Ereignisse
8) A tritt ein, genau dann A und B kompleB = Ā
wenn B nicht eintritt
mentäre Ereignisse
Anmerkung: 5) und 6) können auch auf mehrere Ereignisse verallgemeinert werden:
A1 ∪ A2 ∪ . . . bzw. A1 ∩ A2 ∩ . . .
Ereignisfeld: alle bei einem Zufallsvorgang in Betracht kommenden Ereignisse.
32
6.1.2
6
STOCHASTIK
Wahrscheinlichkeit von Ereignissen
Wahrscheinlichkeit: Chance für Eintreten eines Ereignisses A ⊂ Ω –
Maßzahl: P (A).
Axiome
A1. P (A) ≥ 0 für jedes Ereignis A
A2. P (Ω) = 1
A3. P (A1 ∪ A2 ∪ A3 ∪ . . .) = P (A1 ) + P (A2 ) + P (A3 ) + . . .
für paarweise disjunkte Ereignisse, d.h. Ai ∩ Aj = ∅, ∀i 6= j.
Rechenregeln: Seien A, B, C ⊂ Ω beliebige Ereignisse
R1. P (A) ≤ 1
R2. P (∅) = 0
R3. A ⊂ B =⇒ P (A) ≤ P (B)
R4. P (Ā) = 1 − P (A)
R5. P (A ∪ B) = P (A) + P (B) − P (A ∩ B)
(Additionsregel)
R6. Ai ⊂ Ω bilden Zerlegung von Ω ⇐⇒
Ai ∩ Aj = ∅, ∀i 6= j und A1 ∪ A2 ∪ . . . An = Ω:
n
P
P (B) =
P (B ∩ Ai )
i=1
Arten von Wahrscheinlichkeiten
A) Zufallsvorgang aus endlicher Zahl gleichwahrscheinlicher Elementarereignisse:
k
Klassische Wahrscheinlichkeit: P (A) = mit
n
n: Anzahl aller möglichen Fälle
k: Anzahl der für A günstigen Fälle.
Anmerkung: Die klassische Wahrscheinlichkeit läßt sich erweitern auf
Zufallsvorgänge mit unendlich vielen Ergebnissen in Zusammenhang mit
geometrischen Gebilden (Strecken, Winkel, Flächen). Dann spricht man
von geometrischer Wahrscheinlichkeit.
B) Zufallsvorgang beliebig oft wiederholbar:
Statistische Wahrscheinlichkeit: P (A) ≈ fn (A) :=
hn (A)
mit
n
6.1
Wahrscheinlichkeitsrechnung
n:
hn (A):
fn (A):
33
Anzahl der Durchführungen
absolute Häufigkeit des Ereignisses A,
d.h. Anzahl der Durchführungen, wo A eintritt
relative Häufigkeit von A
Es gilt: Die relative Häufigkeit fn (A) konvergiert für n → ∞ gegen die
Wahrscheinlichkeit P (A) von A. (Gesetz der großen Zahlen)
C) Für Zufallsvorgang gibt es ein subjektives Modell:
Subjektive Wahrscheinlichkeit
6.1.3
Bedingte Wahrscheinlichkeit
Bedingte Wahrscheinlichkeit P (B|A): Wahrscheinlichkeit des Ereignisses B, wenn Ereignis A bekannt ist (oder als solches angenommen
wird):
P (B|A) =
P (A ∩ B)
,
P (A)
P (A) > 0
(1)
(1) =⇒ Multiplikationsregel für Wahrscheinlichkeiten:
P (A ∩ B) = P (B|A) · P (A)
(2)
Anmerkung: Allgemeiner gilt
P (A1 ∩ A2 ∩ . . . ∩ An ) = P (A1 )P (A2 |A1 )P (A3 |A1 ∩ A2 ) · . . .
·P (An |A1 ∩ A2 ∩ . . . ∩ An−1 ),
P (Ai ) > 0, i = 1, . . . n − 1
Das Ereignis B ⊂ Ω heißt unabhängig von A ⊂ Ω, wenn gilt
P (B|A) = P (B).
Folgerung 1: Wenn B unabhängig von A ist, so ist auch A unabhängig
von B. Man sagt daher kurz, A und B sind unabhängig.
Folgerung 2: Wenn A und B unabhängig sind, dann sind auch Ā und
B̄ unabhängig.
Folgerung 3: Für unabhängige Ereignisse A und B gilt die Multipliationsregel
P (A ∩ B) = P (A) · P (B).
(3)
34
6
STOCHASTIK
Satz: Sei A1 , A2 , . . . , An eine Zerlegung von Ω, wobei P (Ai ) > 0,
i = 1, 2, . . . , n. Dann gelten die Formeln
P (B) =
n
X
P (B|Ai ) · P (Ai )
(4)
i=1
(Formel für totale Wahrscheinlichkeit)
P (B|Ak ) · P (Ak )
,
P (Ak |B) = P
n
P (B|Ai ) · P (Ai )
k = 1, 2, . . . n
(5)
i=1
(Bayessche Formel).
6.1.4
Zufallsgrößen
Die Ergebnisse ω ∈ Ω eines Zufallsvorgangs sind oft Zahlen oder ihnen
können Zahlen zugeordnet werden.
Eine reelle Variable, die je nach Ausgang eines Zufallsvorgangs verschiedene Werte annimmt, heißt Zufallsgröße (oder Zufallsvariable) X.
Aus Zufallsgrößen kann man weitere Zufallsgrößen erhalten, z.B. ist die
Summe oder das Produkt von Zufallsgrößen wieder eine Zufallsgröße.
Unter der Realisierung einer Zufallsgröße X versteht man den Wert
t, den die Zufallsgröße X bei der Durchführung des Zufallsvorgangs annimmt.
Die Menge aller Realisierungen von X wird Wertevorrat B von X genannt.
2 Fälle:
• B endlich (oder abzählbar): t1 , t2 , . . . , tN (, . . .)
: diskrete Zufallsgröße
• sonst: t ∈ (a, b), −∞ ≤ a < b ≤ ∞
: stetige Zufallsgröße (vgl. Anmerkung)
Anmerkung: Für stetige Zufallsgröße müssen weitere Forderungen
erfüllt sein (siehe unten).
Spezielle Ereignisse in Zusammenhang mit Zufallsgrößen:
{X ≤ t}: Zufallsgröße X ≤ Zahl t
{X = t}: Zufallsgröße X = Zahl t
{X > t}: Zufallsgröße X > Zahl t
6.1
Wahrscheinlichkeitsrechnung
35
Verallgemeinerungen
• Zufallsvektoren: Gesamtheit von n Zufallsgrößen X1 , . . . , Xn , d.h.
(X1 , . . . Xn )
• Zufallsprozesse (oder stochastische Prozesse): Realisierungen stellen
Funktionen dar, d.h.
{Xt : t ∈ [t0 , t1 ]}
• Zufallsfelder: Gesamtheit von Zufallsgrößen XP , die zu den Punkten
P eines Gebietes D der Ebene oder des Raums gehören, d.h.
{XP , P ∈ D}
6.1.5
Stichproben und künstlicher Zufall
Eine Grundgesamtheit G von Objekten hinsichtlich eines bestimmten
Merkmals X kann untersucht werden durch eine Vollerhebung oder eine
Stichprobe. Vollerhebungen sind bei diskreten Zufallsgrößen X oft
zu zeitaufwendig, teuer oder technisch unmöglich und bei stetigen Zufallsgrößen X prinzipiell unmöglich.
Zur Auswahl der Stichproben werden oft Zufallzahlen herangezogen.
Dabei genügt es, Zufallszahlen zwischen 0 und 1 zu betrachten. Sie lassen
sich auf dem Taschenrechner mit der Taste RAN (oder ähnlichem) und
auf dem PC [Turbo Pascal] mit Random aufrufen. Daneben werden
auch Tabellen zufälliger Zahlen benutzt.
Erzeugung von Zufallszahlen (Taschenrechner)
Es sei m = 234 = 279841. Wir bilden eine Zahlenfolge (xn ) und erhalten
die Zufallszahlen un gemäß
un+1 =
xn
,
m
n = 1, 2, . . .
Die xn werden rekursiv berechnet
xn+1 = (7200 · xn + 1)(mod 279841),
d.h. h = 7200 · xn + 1,
xn+1 = h − 279841 · int(h/279841).
Speziell: Mit x0 = 1 ergeben sich die Werte x1 , x2 , . . . :
7201, 76616, 68590, 208477, 247118, 20523, 9553, 220556, 185367, . . ..
Anmerkung: Bei diesem Algorithmus ist die Periode gleich m, d.h. bei
beliebigem Startwert x0 gilt xm = x0 und x0 6= xk für alle 0 < k < m.
36
6
6.2
STOCHASTIK
Verteilungsfunktionen
6.2.1
Definition und Eigenschaften von Verteilungsfunktionen
Eine Funktion F , die jeder Zahl t ∈ (−∞, ∞) die Wahrscheinlichkeit
F (t) = P (X ≤ t)
zuordnet, heißt Verteilungsfunktion der Zufallsgröße X.
Allgemeine Eigenschaften von Verteilungsfunktionen F (t)
0 = F (−∞) ≤ F (t) ≤ F (∞) = 1, ∀t ∈ IR
F (t) monoton wachsend, d.h.
F (t1 ) ≤ F (t2 ) für − ∞ ≤ t1 < t2 ≤ ∞
F (t) ist in jedem Punkt t von rechts stetig, d.h.
lim F (tn ) = F (t).
1)
2)
3)
tn &t
Berechnung von Wahrscheinlichkeiten:
P (X > t) = 1 − F (t),
P (a < X ≤ b) = F (b) − F (a).
• Diskrete Verteilungen sind Verteilungen diskreter Zufallsgrößen X:
Wertevorrat B = {x1 , x2 , . . .}.
Man erhält die folgende Wahrscheinlichkeitsdichte
P (X = xi ), falls t = xi
f (t) =
0,
sonst.
Daraus ergibt sich die Verteilungsfunktion:
X
F (t) = P (X ≤ t) =
P (X = xi ).
xi ≤t
Dabei gilt
X
P (X = xi ) = 1.
i
6.2
Verteilungsfunktionen
37
• Stetige Verteilungen: Eine Zufallsgröße X heißt stetig, wenn es eine
Funktion f (t) ≥ 0 gibt, so daß die Verteilungsfunktion von X die folgende Gestalt hat:
Zx
F (x) =
f (t) dt,
∀x ∈ IR.
(1)
−∞
Dabei f (t) – Dichtefunktion oder Wahrscheinlichkeitsdichte.
Offenbar F 0 (x) = f (x). Wegen F (∞) = 1 =⇒
Z∞
f (t) dt = 1.
−∞
Weiterhin:
Zb
P (a < X ≤ b) = F (b) − F (a) =
f (t) dt.
a
Speziell: P (x = c) = 0 für beliebige c ∈ IR =⇒
P (a ≤ X ≤ b) = F (b) − F (a).
6.2.2
Verteilungsparameter
I. Lageparameter
Erwartungswert einer Zufallsgröße X:
 P
falls X diskret

 i xi f (xi ),
µ = E(X) =
R∞

xf (x) dx, falls X stetig.

−∞
Schätzung: µ̂ = X̄ =
1
n
n
P
i=1
Xi
(2)
38
6
STOCHASTIK
Rechenregeln:
1) Dichtefunktion f von X symmetrisch bezüglich x = a =⇒
E(X) = a
2) E(a
bX)= a + bE(X), (a, b ∈ IR)
+
n
n
P
P
Xi =
E(Xi )
3) E
i=1
i=1
4)
X, Y unabhängige Zufallsgrößen =⇒
E(X · Y ) = E(X)E(Y ).
(Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht!)
Allgemeiner: Erwartungswert einer Funktion g(X):
 P
falls X diskret

 i g(xi )f (xi ),
E(g(X)) =
R∞

g(x)f (x) dx, falls X stetig.

−∞
II. Streuungsparameter
Varianz (Streuung) einer Zufallsgröße X:
σ2
Var(X) = E[(X − µ)2 ]
 P
2
falls X diskret

 i (xi − µ) f (xi ),
∞
=
R

(x − µ)2 f (x) dx, falls X stetig.

=
−∞
n
1 X
(Xi − X̄)2
n − 1 i=1
p
Standardabweichung: σ = Var(X)
σ
Variationskoeffzient: v = · 100%
µ
Rechenregeln:
1) Var(X) = E(X 2 ) − [E(X)]2
2) Var(a + bX) = b2 Var(X), (a, b ∈ IR)
3) X, Y unabhängige Zufallsgrößen =⇒
Var(aX + bY ) = a2 Var(X) + b2 Var(Y ), (a, b ∈ IR)
4) X Zufallsgröße mit E(X) = µ, Var(X) = σ 2 =⇒
X −µ
Z=
Zufallsgröße mit E(Z) = 0, Var(Z) = 1
σ
(Standardtransformation)
Schätzung: σ̂ 2 = S 2 =
(3)
6.2
Verteilungsfunktionen
39
III. Verallgemeinerungen
• k-tes Moment: αk = E(X k )
• k-tes zentrales Moment: βk = E[(X − µ)k ]
• Schiefe einer Verteilung: γ = E[(X − µ)3 ]/σ 3
• Charakteristische Funktion ϕX (t) der Wahrscheinlichkeitsverteilung
der Zufallsgröße X:
ϕX (t) = E(eitX ),
Dabei gilt: |eiz | = 1,
mit t ∈ IR, i :=
√
−1.
∀z ∈ IR.
Anmerkungen:
1) Es besteht eine eineindeutige Zuordnung: Wahrscheinlichkeitsverteilung einer Zufallsgröße ⇐⇒ charakteristische Funktion.
2) Existiert das k-te Moment αk = E(X k ) einer Verteilung, so gilt
αk =
6.2.3
1 (k)
ϕ (0).
ik X
Wichtige diskrete Verteilungen
I. Binomialverteilung
Modell: Wiederholbarer Zufallsvorgang mit n Versuchen
(Stichproben):
Ereignis A mit Wahrscheinlichkeit p = P (A)
(”Ziehen mit Zurücklegen”)
Eine Zufallsgröße X mit der Wahrscheinlichkeitsdichte
n t
f (t) = P (X = t) =
p (1 − p)n−t ,
t
t = 0, 1, . . . , n
heißt binomialverteilt oder genauer B(n; p)-verteilt.
Für eine binomialverteilte Zufallsgröße X erhält man:
E(X) = np,
Var(X) = np(1 − p).
(4)
40
6
STOCHASTIK
II. Poisson-Verteilung
Für die Binomalverteilung (4) ergibt sich für n → ∞, p → 0 bei E(X) =
np =: λ = const:
n t
λt
lim
p (1 − p)n−t = e−λ
n→∞ t
t!
(Poissonscher Grenzwertsatz).
Eine Zufallsgröße X mit der Wahrscheinlichkeitsdichte
P (X = t) =
λt −λ
e ,
t!
t = 0, 1, 2, . . . ,
λ>0
(5)
heißt Poisson-verteilt oder genauer P(λ)-verteilt.
Dabei
E(X) = λ,
Var(X) = λ.
Wegen p → 0 wird die Poisson-Verteilung auch ”Gesetz der seltenen
Ereignisse” genannt.
Ergänzung:
Ein Zufallsvorgang, bei dem zu zufälligen Zeitpunkten 0 ≤ t1 ≤ t2 ≤ . . .
Geschehnisse (”Signale”) stattfinden, wird Punktprozeß genannt. Ein
Punktprozeß heißt Poisson-Prozeß, wenn folgende 3 Bedingungen erfüllt
sind:
1) Anzahl der Geschehnisse in disjunkten Zeitintervallen ist
voneinander unabhängig.
2) Es gibt nie 2 oder mehr Geschehnisse zum gleichen Zeitpunkt.
.
3) Wahrscheinlichkeit, daß in Zeitintervall ∆t mindestens
1 Geschehnis: λ∆t + o(∆t).
o(∆t)
(Dabei bedeutet Symbol o: lim
= 0.)
∆t→0 ∆t
Die Wahrscheinlichkeit Pi (t), daß in einem Zeitintervall der Länge t
genau i Geschehnisse auftreten, beträgt dann
Pi (t) =
(λt)i −λt
e ,
i!
i = 1, 2,
(Für t = 1 – Poisson-Verteilung)
6.2
Verteilungsfunktionen
41
III. Hypergeometrische Verteilung
Modell: Urne – ”Ziehen ohne Zurücklegen”:
N – Gesamtanzahl der Objekte
davon: M – Anzahl der Objekte mit Eigenschaft A
n – Anzahl der Versuche
X – gezogene Objekte mit Eigenschaft A
Die Zufallsgröße X ist dann hypergeometrisch-verteilt oder genauer
der H(N;M;n)-verteilt mit
M
N −M
t
n−t
P (X = t) =
, t = tmin , . . . , tmax ,
(6)
N
n
wobei tmin = max[0, n − (N − M )], tmax = min(n, M ).
Anmerkung: Für N >> n läßt sich die H(N;M;n)-Verteilung durch
B(n;p)-Verteilung gut annähern. (Einfachere Berechnung!)
6.2.4
Ausgewählte stetige Verteilungen
I. Gleichverteilung
Dichtefunktion:
( 1
für a ≤ t ≤ b
f (t) =
b−a
0
sonst
Verteilungsfunktion:

falls x < a

 0,
x−a
, falls a ≤ x ≤ b
F (x) = P (X ≤ x) =

 b−a
1,
falls x > b
Dabei
E(X) =
b−a
,
2
Var =
(b − a)2
.
12
II. Exponentialverteilung
Dichtefunktion:
λe−λt für t > 0
f (t) =
0
sonst
(λ > 0)
42
6
STOCHASTIK
Verteilungsfunktion:
F (x) = P (X ≤ x) =
0,
falls x ≤ 0
1 − e−λx , falls x > 0
Dabei
E(X) =
1
,
λ
Var =
1
.
λ2
Zusammenhang mit Poisson-Prozeß: Die Wartezeit T bis zum nächsten
Geschehnis eines Poisson-Prozesses ist exponentialverteilt mit dem Parameter λ.
III. Gamma-Verteilung

 (λt)α−1 −λt
λ
e
f (t) =
Γ(α)

0
für t > 0
(λ, α > 0)
sonst
Dabei Γ(α) – Gamma-Funktion, die wie folgt definiert ist:
Z∞
Γ(α) =
e−t tα−1 dt.
0
Eigenschaften:
1) Γ(n) = (n − 1)!
(n ∈ IN)
Polstellen xP = 0, −1, −2, . . .
2) Γ(α) = (α − 1)Γ(α − 1), α > 2
, α < 1 (α 6= 0, −1, −2, . . .)
Γ(α) = Γ(α+1)
α
=⇒ [1,2]-Werte ausreichend (Tabelle, siehe z.B. Bronstein)
Es gilt
E(X) =
α
,
λ
Var =
α
.
λ2
Anmerkung: Für α = 1 erhält man die Exponentialverteilung, für
α = n, n ∈ IN die Erlang-Verteilung. Insbesondere genügt die Summe
aus n unabhängigen exponentialverteilten Zufallsgrößen mit dem Parameter λ der Erlang-Verteilung mit den Parametern λ und α = n.
6.2
Verteilungsfunktionen
6.2.5
43
Die Normalverteilung
Eine stetige Zufallsgröße X mit der Dichtefunktion
1
(t − µ)2
, t ∈ IR
f (t) = √
exp −
2σ 2
2πσ
mit den Parameter µ ∈ IR, σ > 0 heißt normalverteilt oder genauer
N(µ; σ 2 )-verteilt.
Speziell: µ = 0, σ = 1 – Standardnormalverteilung N(0; 1)
Verteilungsfunktion:
1
F (x) = P (X ≤ x) = √
2πσ
Zx
(t − µ)2
exp −
dt
2σ 2
−∞
Es gilt:
Var(X) = σ 2 .
E(X) = µ,
Berechnung:
F (x) = Φ
x−µ
σ
x≥0
,
(7)
mit
1
Φ(x) = √
2π
Zx
2
e−t
/2
dt =: erf(x).
−∞
2
Das heißt, wenn die Zufallsgröße X gemäß
N(µ; σ )-verteilt, so ist die
gemäß N(0; 1)-verteilt.
standardisierte Zufallsgröße Y = Φ X−µ
σ
Φ(x), x ≥ 0 ist tabelliert (z.B. Göhler).
Weiterhin
Φ(−x) = 1 − Φ(x),
x > 0.
(8)
44
6
STOCHASTIK
Anmerkung: Für jede N(µ; σ 2 )-verteilte Zufallsgröße X gilt:
P (µ − kσ ≤ X ≤ µ + kσ) = 2Φ(k) − 1 =

 0, 6827 für k = 1 : ≈ 32 Werte in [µ − σ, µ + σ]
0, 9545 für k = 2 : ≈ 95% Werte in [µ − 2σ, µ + 2σ]
=

0, 9973 für k = 3 : ≈ 99, 7% Werte in [µ − 3σ, µ + 3σ]
Logarithmische Normalverteilung
Eine Zufallsgröße X heißt logarithmisch normalverteilt, wenn Y = ln X
normalverteilt ist. Die zugehörige Dichtefunktion lautet

1
(ln t − µ)2

√
für t ≥ 0
exp −
f (t) =
2σ 2
 2πσ t
0
sonst
Dabei
E(X) = eµ+σ
2
/2
,
Var(X) = e2µ+σ
2
2
eσ − 1
mit µ = E(Y ), σ 2 = Var(Y ), Y = ln X.
6.2.6
Addition von Zufallsgrößen
• Seien Zufallsgrößen X1 ∼ N(µ1 ; σ12 )- bzw. X2 ∼ N(µ2 ; σ22 )-verteilt und
X1 , X2 unabhängig =⇒ X1 + X2 ∼ N(µ1 + µ2 ; σ12 + σ22 )-verteilt.
Analog: n Summanden.
• Die Summe aus n nicht normalverteilten Zufallsgrößen X1 , . . . , Xn mit
Erwartungswerten µ1 , . . . , µn und Varianzen σ12 , . . . , σ22 ist unter gewissen Voraussetzungen näherungsweise (”asymptotisch”) normalverteilt mit
dem Erwartungswert µ = µ1 +. . .+µn und der Varianz σ 2 = σ12 +. . .+σn2 ,
d.h. für
n
n
P
P
Xi −
µi
i=1
i=1
s
Zn :=
gilt : P (Zn ≤ x) → Φ(x) für n → ∞.
n
P
2
σi
i=1
(Zentraler Grenzwertsatz)
6.2
Verteilungsfunktionen
45
• Sei X ∼ B(n; p)-verteilt.
X − np
Dann gilt für Zn = p
np(1 − p)
P (Zn ≤ x) → Φ(x)
für n → ∞.
(Grenzwertsatz von Moivre-Laplace)
9
Folgerung: Für n >
kann die Binomialverteilung durch die
p(1 − p)
Normalverteilung angenähert werden (mit Stetigkeitskorrektur):
F (x) = P (X ≤ x) ≈ Φ
x + 0, 5 − np
p
np(1 − p)
!
bzw.
P (a ≤ X ≤ b) ≈ Φ
b + 0, 5 − np
p
np(1 − p)
!
−Φ
a − 0, 5 − np
p
np(1 − p)
!
.
Weiterhin gilt:
−(x − np)2
1
exp
P (X = x) = p
.
2np(1 − p)
2πp(1 − p)n
(Lokaler Grenzwertsatz von Moivre-Laplace)
• Beliebige Verteilung: Seien X1 , X2 unabhängige Zufallsgrößen mit
Dichtefunktionen f1 (x1 ) bzw. f2 (x2 ) =⇒ X = X1 + X2 hat Dichtefunktion
Z∞
f1 (x − z)f2 (z) dz.
f (x) =
−∞
(00 F altung 00 )
Anmerkung: Für spezielle Verteilungen gibt es ”Additionstheoreme”.
Z. B. für unabhängige P(λi )-verteilte, unabhängige Zufallsgrößen Xi (i =
1, 2) =⇒ X = X1 + X2 ∼ P(λ1 + λ2 )-verteilt.
46
6
STOCHASTIK
• Tschebyschewsche Ungleichung
Sei X Zufallsgröße mit E(X) = µ, Var(X) = σ 2 .
Für beliebige Verteilungen der Zufallsgröße X gilt:
P (|X − µ| ≥ t · σ) ≤
1
t2
(t > 0)
bzw. P (|X − µ| ≤ t · σ) ≥ 1 −
6.3
6.3.1
1
.
t2
Ausblick
Grundbegriffe der Zuverlässigkeitstheorie
• Sei X – ”Lebensdauer” eines Bauteils mit Verteilungsfunktion
F (t) = P (X ≤ t)
(”Ausfallwahrscheinlichkeit”).
Dabei Dichtefunktion f (t) = F 0 (t).
Offenbar F (t) = 0, t ≤ 0. Führen ein mittlere Lebenszeit:
Z∞
T0 = E(X) =
tf (t) dt.
0
• Bedingte Wahrscheinlichkeit für Ausfall eines Bauteils im Intervall
[t, t + ∆t], falls es bis t durchgehalten hat =
b Ausfallrate:
r(t) =
f (t)
.
1 − F (t)
(1)
Satz: r(t) bestimmt F (t) eindeutig und zwar gilt:


Zt
F (t) = 1 − exp − r(τ ) dτ  .
0
Wichtige Ausfallraten r(t)
I) Weibull-Verteilung:
r(t) = αβ tβ−1
t≥0
(α, β ≥ 0)
6.3
Ausblick
47
=⇒ Verteilungsfunktion (Ausfallwahrscheinlichkeit):
F (t) = 1 − exp −αtβ .
Es gilt:
E(X) = α−1/β Γ(1/β + 1),
Var(X) = α−2/β Γ(2/β + 1) − (Γ(1/β + 1))2 .
Anmerkung: Für 3 ≤ β ≤ 5 kann die Weibull-Verteilung durch die
Normalverteilung approximiert werden.
Spezialfälle
1) β = 1 r(t) = α – Exponentialverteilung
2) β = 2 r(t) = 2αt – Rayleigh-Verteilung
II) Hjorth-Verteilung:
γ
r(t) = αt +
1 + βt
=⇒ Verteilungsfunktion (Ausfallwahrscheinlichkeit):
αt2
F (t) = 1 − exp −
(1 + βt)−γ/β .
2
Spezialfälle
1) α = β = 0:
2) γ = 0:
6.3.2
Exponentialverteilung
Rayleigh-Verteilung
Simulation von Zufallsvorgängen
Die Verteilungsfunktion F (x) einer Zufallsgröße X sei bekannt.
Simulation: Zufallsvorgang theoretisch ”durchspielen”:
1) Erzeugung (uniformer) Zufallszahlen, d.h. u ∈ [0, 1] (vgl. 6.1.5)
2) Ermittlung des zu u gehörigen Wertes x von F (x).
a) Diskrete Zufallsgrößen X:
P (X = xi ) = pi ,
i = 1, . . . , n
Eine zu X gehörige Zufallszahl (Realisierung) erhält man folgendermaßen:
48
6
STOCHASTIK
x = x1 , wenn u < pi
x = xk , wenn p1 + . . . + pk−1 ≤ u < p1 + . . . + pk
b) Stetige Zufallsgrößen X:
F (x) = u
=⇒
x = F −1 (u).
(Inversionsmethode)
Insbesondere Normalverteilung:
Zentraler Grenzwertsatz: Addition von genügend vielen Zufallszahlen
(unter Berücksichtigung von µ, σ 2 ) ergibt normalverteilte Zufallszahlen.
Üblich 12-er Regel: Seien ui ∈ [0, 1] uniforme Zufallszahlen. Dann erhält
man als Realisierung einer N(0, 1)-verteilten Zufallsgröße folgende Zufallszahlen
z=
12
X
ui − 6.
i=1
=⇒ Zufallszahl x zur N (µ, σ 2 )-Verteilung:
x = zσ+µ
mit z aus (2).
(2)
49
A
Anhang
Gradient, Divergenz und Rotation eines Feldes sind unabhängig vom
gewählten Koordinatensystem. Mitunter ist deren Berechnung einfacher,
wenn man Zylinder- oder Kugelkoordinaten einführt.
I. Zylinderkoordinaten
Es werden die folgenden Einheitsvektoren als Basisvektoren verwendet
(vgl. 4.1.1)
~eρ :
Nach außen gerichteter, normierter Ortsvektor
des Projektionspunktes P 0
~eϕ : Normierter Tangentenvektor in P 0 des Kreises mit Radius ρ
~ez : Kartesischer Einheitsvektor ~e3
Ein Vektor ~a läßt sich in diesem Basissystem in folgender Form darstellen:
~a = aρ ~eρ + aϕ ~eϕ + az ~ez .
Dann ergeben sich für das skalare Feld in Zylinderkoordinaten
f = f (ρ, ϕ, z) bzw. das Vektorfeld
~a = ~a(ρ, ϕ, z) = aρ (ρ, ϕ, z) ~eρ + aϕ (ρ, ϕ, z) ~eϕ + az (ρ, ϕ, z) ~ez
die folgenden Beziehungen:
grad f =
div ~a =
1 ∂f
∂f
∂f
~eρ +
~eϕ +
~ez
∂ρ
ρ ∂ϕ
∂z
1 ∂
1 ∂aϕ
∂az
(ρ · aρ ) +
+
ρ ∂ρ
ρ ∂ϕ
∂z
∂aϕ
∂aρ
∂az
1 ∂az
·
−
~eρ +
−
~eϕ
ρ ∂ϕ
∂z
∂z
∂ρ
1 ∂
∂aρ
+
(ρ · aϕ ) −
~ez
ρ ∂ρ
∂ϕ
∂2f
1 ∂
∂f
1 ∂2f
+
.
∆f = ·
ρ·
+ 2
ρ ∂ρ
∂ρ
ρ ∂ϕ2
∂z 2
rot ~a =
50
A
ANHANG
II. Kugelkoordinaten
Es werden die folgenden Einheitsvektoren als Basisvektoren verwendet
(vgl. 4.1.1)
~er : Nach außen gerichteter, normierter Ortsvektor von P
~eϑ : Normierter Tangentenvektor an Längenkreis durch P
~eϕ : Normierter Tangentenvektor an Breitenkreis durch P
Ein Vektor ~a läßt sich in diesem Basissystem in folgender Form darstellen:
~a = ar ~er + aϑ ~eϑ + aϕ ~eϕ .
Dann ergeben sich für das skalare Feld in Kugelkoordinaten
f = f (r, ϑ, ϕ) bzw. das Vektorfeld
~a = ~a(r, ϑ, ϕ) = ar (r, ϑ, ϕ) ~er + aϑ (r, ϑ, ϕ) ~eϑ + aϕ (r, ϑ, ϕ) ~eϕ
die folgenden Beziehungen:
1 ∂f
1
∂f
∂f
~er +
~eϑ +
·
~eϕ
∂r
r ∂ϑ
r · sin ϑ ∂ϕ
1
∂
∂aϕ
1 ∂ 2
(sin ϑ · aϑ ) +
div ~a = 2 (r · ar ) +
r ∂r
r · sin ϑ ∂ϑ
∂ϕ
1
∂
∂aϕ
rot ~a =
(sin ϑ · aϕ ) −
~er
r · sin ϑ ∂ϑ
∂ϕ
∂ar
1 ∂
1 ∂
1 ∂ar
1
·
− ·
(r · aϕ ) ~eϑ +
(r · aϑ ) −
+
~eϕ
r · sin ϑ ∂ϕ
r ∂r
r ∂r
r ∂ϑ
∂
∂2f
1
∂
∂f
1
∂f
1
·
·
∆f = 2
r2 ·
+
sin ϑ ·
+
.
r
∂r
∂r
sin ϑ ∂ϑ
∂ϑ
sin2 ϑ ∂ϕ2
grad f =
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