Panel: Ausbildungsziele von Islamischen Studien an deutschen Hochschulen: „Welches akademisch gebildete Personal benötigen die muslimischen Gemeinden in Deutschland?“ Jamal Malik - Erfurt Die Rede ist von der Schaffung eines akademisch gebildeten Personals für die Bedürfnisse muslimischer Gemeinden in Deutschland. Die Notwendigkeit der Akademisierung und Professionalisierung einer solchen islamischen Bildung steht ausser Frage. Sie ist sinnvoll für die rechtliche Anerkennung des Islam in Deutschland und notwendig für die Muslime, um sich hierzulande heimisch zu fühlen. Ein Konzept für eine solche institutionell verdichtete, theologisch geschulte und gleichzeitig für Integration und Anerkennung arbeitende Funktionselite allerdings noch nicht vor. Dieses Panel soll ein erstes Diskussionsforum dafür bieten. Ich stelle Ihnen 4 Punkte vor: 1) Auf dem Hintergrund des Grundgesetzes (Art 5 Abs. 3 d) fordert der WR ein beeindruckendes Rationalitätsparadigma, das den Theologien Wissenschaftsfreiheit nicht nur ermöglicht sondern geradezu oktroyiert.1 Es gilt, die Spannungen aus den normativen Anforderungen der Religionsgemeinschaften und dem ergebnisoffenem Erkenntnisstreben fruchtbar zu machen - wie arm wären die Religionen ohne ihre Häretiker? Und weil Theologien ihren Methodenkanon aus den Geistes-, Kultur-, und Sozialwissenschaften schöpfen, setzen sie sich im akademischen Diskurs auch methodisch fundierter Kritik aus (WR 53). Auch wenn der Wissenschaftsrat Teile der Kirche wegen Traditions- und Statussicherung kritisiert, so postuliert er doch: „Kennzeichnend für die gegenwärtige theologische Selbstreflexion des okzidentalen Christentums ist es, die überlieferten Glaubensinhalte und –symbole zunächst in ihre historischen Entstehungs- und Deutungskontexte rückzuübersetzen, um sie gegebenenfalls kritisieren und sich in einem weiteren Schritt neu aneignen zu können.“ (WR 53) Übertragen auf den Islam bedeutet dies die Schaffung einer theologisch geschulten Funktionselite, die die überlieferten religiösen Gehalte vernünftig (nach innen gegenüber der Glaubensgemeinschaft) zu übersetzen und (nach aussen gegenüber ande1 ren Glaubensgemeinschaften sowie gegenüber dem Staat) zu kommunizieren versteht und so in der Lage ist, Leitideen herauszustellen, Handlungskontexte zu spezifizieren und ihnen auch Geltungskraft zu verleihen. Diese Übersetzungs- und Kommunikationsfähigkeit ist auch in muslimischen Mehrheitsregionen zu verzeichnen, wo sich ein Trend abzeichnet, „normativ orientierte Disziplinen … in einen Zusammenhang mit historisch-hermeneutischen Disziplinen zu bringen.“ (WR 56f) Diese Entwicklung hat die Freiheit der Wissenschaft zu ihrer notwendigen Bedingung. 2) Die islamischen Traditionen haben über die Zeit hindurch zumindest einige Bedingungen dieser Möglichkeit bereitgestellt, denn • islamische Bildungsinstitutionen zielten zuvorderst auf die Ausbildung von Funktionseliten ab, besonders, aber nicht nur Juristen. • auch wenn sich islamische Bildung einteilen lässt in überlieferte und rationale Wissenschaften, so unterscheidet beide Wissenstraditionen lediglich ihre Bezugsquelle: göttlich bzw. menschlich inspiriertes Wissen. Das Ziel war in beiden Zweigen das gleiche: Juristische Hermeneutik und die Prinzipien der Rechtswissenschaft (usul al-fiqh) zu ergründen. • analog dazu entwickelte sich eine Wissenschaft der Disputation (‘ilm al-khilaf) als konstitutiver Teil der muslimischen juristischen Ausbildung (mura‘ah al-khilaf)2 – gegenwärtig leider ersetzt durch Widerlegungs- oder radd-Literatur. • neben den zum Kanon geronnenen Texten bekannter Traditionarier wurden Kommentare, Metakommentare und Glossen studiert, die von Zeit zu Zeit und von Ort zu Ort durch spätere Tradenten beigefügt wurden und welche daher spezifische zeit- und ortsgebundene Fragestellungen reflektierten. Die systematisierende Kommunikation der Lehren durch Präsentation und Interpretation (Scholastisierung)3 bot folglich genügend Raum, religiöse Grenzen oder religiös legitimierte Grenzen neu auszuhandeln. • bis in die frühe Neuzeit war der Bildungskanon daher funktional pragmatisch ausgerichtet und reflektierte durchaus einen rationalen Umgang mit dem Traditionsbestand. Dass er heute einen eher archaischen Eindruck hinterlässt, mag auf die neuzeitliche Trennung von “religiös” und “weltlich”, d.h. von öffentlicher, weltlicher und privater, religiöser Sphäre, zurückgehen, in deren Gefolge islamische Bil2 dungsstätten marginalisiert und in das Private zurückgedrängt wurden. Die sogenannte Ent-Privatisierung von Religion fordert nun eine grundständige Revision dieser Trennung, nicht nur im islamischen Kontext. Ohne einem orientalistischen Romantizismus anhängen zu wollen: macht es Sinn, an prä-koloniale islamische Traditionen fruchtbar anzuknüpfen, um Möglichkeiten einer modernen oder gar post-modernen islamisch formulierten Theologie auszuhandeln freilich unter Berücksichtigung neuerer und neuester Theorien und Methoden aus Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften? Ich lasse diese Frage hier offen, stelle aber fest: Das vom WR beschworene Paradigma der Rationalität ist nur in enger Kooperation mit kultur- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen möglich; Interdisziplinarität, Ökumene und Austausch über und mit nicht-muslimischen Religionen sind die Eckpfeiler. Absolventen eines solchen theologischen Studiums sollen daher den theologischen Diskurs innerhalb einer werteplural verfassten Gesellschaft schärfen, dann auch gesellschaftlich integrative Funktion übernehmen. Eine solche Komplexe Wissenschaftliche Theologie erbringt plurale Qualifikationen; sie soll den Absolventen vielfältige Berufsfelder eröffnen und sie für Innovation in der Berufswelt anschlussfähig machen.4 3) Und damit bin ich beim Passungsverhältnis von Schulkultur und Schülerbiographie und der Frage, wie neue Wissensbestände auf eigene Wissensbestände bezogen werden können?5 Aber zunächst, wer sind eigentlich die Auszubildenden? Wir können drei Generationen unterscheiden – und ich generalisiere: Die sogenannte zweite Migrationsgeneration hat aufgrund tiefgreifender Differenzen gegenüber den Eltern einen ent-kulturalisierten, islamistischen Diskurs angefordert. Auf diese Weise konnte sie das fehlende kulturelle Kapital der Elterngeneration teilweise kompensieren.6 Die dritte Generation hingegen identifiziert sich mit ihrem Geburtsland, löst sich von der theologischen Nabelschnur des Herkunftslandes und verfolgt gewissermassen einen neo-territorialen Diskurs mit hoher Ambiguitätstoleranz.7 Nostalgisch-orientierter Disporadiskurs und soteriologische Semantik werden abgelehnt, einen Betroffenheitsdiskurs sucht man vergebens.8 Immerhin zeigen mehr als zwei Drittel der Muslime in Deutschland ein modernes, individualisiertes Leistungsethos,9 in dessen Vordergrund Lust am Konsum und Erfolg steht; horizontale Organisationsformen werden den hierarchisch vertikalen der 3 Islamisten vorgezogen. Nicht Islamizität ist zentral, sondern Konkurrenzfähigkeit und Kompetenz. Der Diskurs kreist nicht mehr um klassische islamistische Themen wie Katharsis und Besonderheitsidentität, sondern um sozio-ökonomische Ungleichheit und deren kreative Überwindung. Wirtschaftlicher Erfolg dient ihnen als Bestätigung ihrer Religiosität. Ungeachtet des niedrigen Bildungsniveaus, ist es doch diese junge Bevölkerungsgruppe mit relativ hohem Kinderanteil,10 die zuvörderst angesprochen werden soll, um Islamische Studien im Sinne einer „reflexiven Vergewisserung der Glaubensinhalte“ der pluralen islamischen Traditionen zu ermöglichen (WR 84). Diese angekommene Generation mag beispielsweise - durchaus in Anlehnung an den pakistanischen Islamdenker Fazlur Rahman (gest. 1988) - fragen, ob der Prophet tatsächlich islamisch-normatives Handeln in allen Einzelheiten festlegen wollte oder ob seine Sunna - tradiert in Form des Hadith als situationsspezifische Interpretation und verbalisierte Reflexion des prophetischen Aktes - nicht doch eher eine allgemeine Richtung vorgeben sollte, eine Richtung, die kontextuell und konsensuell verantwortlich zu interpretieren ist? Ersteres schränkt die Ausgestaltung muslimischen Lebens in der Gegenwart – zumal in Europa - erheblich ein. Letzteres könnte als die kollektive Interpretationsleistung des prophetischen Beispiels durch die muslimische Gemeinde selbst begriffen werden. Eine so verstandene Theologie der Sunna unterscheidet zwischen Sunna des Glaubens und dem Hadith der Geschichte und kann einer kritischen historischen Hermeneutik standhalten.11 Bei dem empfohlenen Prozess der Differenzierung und Professionalisierung islamischer Theologie geht es ja nicht ernsthaft um Traditionsbestandserhaltung; hier liegt die Chance zur Weiterund Neuformulierung islamischer Tradition. 4) Ein Interesse an einem rationalen Umgang mit Traditionsbestand und aufgeklärter Religion verlangt, dass sowohl die vielfältigen religiösen Dienste (Imam/in, Seelsorger/in) als auch das Lehramt für Religionsunterricht ein universitäres Studium durchlaufen.12 Nun wird die Umsetzung der Empfehlungen des Wissenschaftsrates im Einzelfall zwischen den verschiedenen Akteuren – Universitäten, Lehrpersonal und Beiräte - ausgehandelt werden müssen. Wichtig scheint hierbei, spezifische Schwerpunktbildungen an den verschiedenen – sagen wir drei - Standorten unter Berücksichtigung von zwei oder drei islamischen Theologien (sunnitisch (74,1%) / schiitisch (7,1%) und alevitisch (12,7%)) zu begründen. Die Modularisierung lässt eine Diversi4 fizierung des theologischen Studiums problemlos zu, da inhaltliche Festlegungen fehlen können. Auf diese Weise sind auch Spezialisierungen auf islamische Theologien mit verschiedenen Disziplinen an verschiedenen Standorten möglich. Durch unterschiedliche Schwerpunktbildungen wird auch einer Überfrachtung der BA und MA Studiengänge vorgebeugt, es wird eine internationale Anschlussfähigkeit ermöglicht (WR 72), und der Praxis-Theorie-Transfer sowie die Profilbildung können sinnvoll gestaltet werden. Diese Schwerpunktbildung scheint auch im Hinblick auf die Bedeutung der Entwicklung eigenständiger theologischer Urteilskraft der Imame/Imaminnen und ReligionslehrerInnen angebracht zu ein. Soweit meine 4 programmatischen Punkte. Pragmatisch gesehen müssen die konfessorischen Professuren zunächst das zentrale Fächerensemble – etwa angelehnt an das katholische Modell – lehren. Ich orientiere mich an Vorschläge, die in die Empfehlungen des WR eingeflossen sind (WR 85): • Exegese des Koran, einschließlich der Sunna • Systematische Theologie (Fundamentaltheologie, Dogmatik, auch Dogmatik in ihrem Verhältnis zur Mystik, Moral / Ethik, islamische Ökumene) • Historische Theologie (incl. Sunna, kalam, Mystik, Philosophie etc.) • Islamisches Recht und Rechtsmethodik • Praktische Theologie (Glaubenspraxis, auch und besonders mit Blick auf Islam in Minderheitenregionen) • Religionspädagogik (Fachdidaktik, Bildungsmethoden und –lehren) • Islamsprachen Personelle Engpässe13 fordern pragmatische Lösungen. Die Positionen muslimisch besetzter Islamwissenschaft oder islamaffiner Fächer und die Positionen der islamischen Theologie sind daher reziprok zu denken. Etwa die Hälfte der Inhalte islamisch-theologischer Lehrstühle können durch muslimisch-islamwissenschaftliche Seiteneinsteiger vermitteln werden – dazu zählen Hadith, Koranwissenschaften, Historie, Sprache, Biographie, Recht, Soziologie, Religionspädagogik. Zeitlich befristete Gastprofessoren sind unabdingbar wichtig; dies gilt besonders für die Systematische 5 Theologie (WR 86). Mit Blick auf den europäischen Kontext muss aber hauptamtlich gelehrt werden. Die enge Zusammenarbeit mit Bezugswissenschaften (Islam- und Religionswissenschaft, Pädagogik, christliche Theologie, interkulturelle Pädagogik, Schulpädagogik) kann den Weg bereiten für die notwendige Interdisziplinarität und Weiterentwicklung, denn Ziel der Forschung in islamischer Theologie ist ja deren Neu-Bewertung sowie Reflexion der Quellen mit Rücksicht auf die Lebenswelten in Europa. Nach Evaluierung der Aufbau- und Erprobungsphase, d.h. nach den ersten zwei bis drei Abschlussjahrgängen (WR 79) kann über die Entwicklung islamischer Deutungskompetenz auf Feldern nachgedacht werden, die sich zwar auf islamische Phänomene beziehen, aber in theologischen Kernfächern nicht abgedeckt werden (WR 64). Solche „Randprofessuren“ – etwa islamische Archäologie oder muslimische Zeitgeschichte - würden zu einer Profilierung beitragen. Nachwuchsgewinnung und -förderung – also einschlägig promovierte und habilitierte muslimische Theologen und Theologinnen - kann und sollte durch rasche Anbindung an Exzellenzinitiativen, Graduiertenschulen und Verbundforschung institutionalisiert werden. Die flächendeckende Einführung eines islamischen Religionsunterrichts hingegen fordert geschätzte 2.000 Fachlehrkräfte für alle Schulformen (Primarschule, Sekundarstufe I und II) – für schätzungsweise 700.000 muslimische Kinder. Realistisch scheinen jährlich 150 Religionspädagogen/lehrerInnen mit Masterabschluss im Fachstudium Islamische Theologie plus pädagogischem Begleitstudium sowie gegebenenfalls einem Zweitfach aus dem üblichen Kanon der Schulfächer. Eine flächendeckende Imam/Imaninnenversorgung für ca. 2.500 Moscheegemeinden verlangt die Ausbildung von etwa 2.000 Imame/innen. 90 (d.h. an drei Standorten je 30) Abschlüsse in BA oder Master im Fachbereich Islamstudien im Jahr scheint im Hinblick auf die Chancen von Absolventen realistisch, denn man kann mit einer längeren Übergangszeit als 7 Jahre rechnen, in der Diyanet weiterhin Imame entsendet.14 Sinnvoll scheint auch, ein System zu etablieren, das langfristig eine Balance von Immatrikulation und Chancen für Absolventen auf dem Arbeitsmarkt ermöglicht. 6 Zudem mag eine Gruppe von mehr als 40 Studierenden im Hinblick auf konkrete Lehrveranstaltungen weniger wünschenswert – bedenkt man die Religionspädagogen im Falle von Modulüberschneidungen. Diese Islamstudien müssen, wenn der Imam /die Imamin mit der wissenschaftlichen Ausbildung des Pfarrers standhalten will, neben liturgischer Arbeit auch die sachgemäße Auslegungskompetenz des Koran in der Khutbah (Voraussetzung dafür sind Kenntnisse des Arabischen auf hinreichend hoher Niveaustufe und Kenntnisse des Koran sowie von dessen Auslegungstraditionen) aber vor allem die seelsorgerischen Herausforderungen berücksichtigen. Es ist vielversprechend, Theologiestudium und praktische Ausbildungszeit auf lebenslange Weiterbildung auszurichten. Imam/inKollegs böten sich an, Erfahrungsoffenheit und Handlungsrelevanz zu üben. Auch Pluralismuskompetenz ist überlebenswichtig. Da aufgrund des Bildungsprofils der Muslime in Deutschland mit einer hohen Nachfrage nach „islamischer Sozialarbeit“ zu rechnen ist, sind auch hier ähnliche praktisch-theologische Qualifikationen zu vermitteln (Praxisphasen, Pluralismuskompetenz, Weiterbildungsfähigkeit).15 Die Frage, wer für die Gehälter der Imame/Imaminnen aufkommt, ist allerdings damit noch nicht geklärt. Bei all dem – durchaus lobenswerten - Aktivismus, den die Politik nach 50 Jahren fehlender Integrationspolitik an den Tag legt, und angesichts der drängenden Empfehlungen des WR darf freilich nicht der Fehler eines mis-matches zwischen Studienabschlüssen und Einstellungsvoraussetzungen gemacht und am tatsächlichen Bedarf vorbeiqualifiziert werden. Ein Heer gut ausgebildeter aber arbeitsloser Theologen/Innen kann, wie andernorts geschehen, verheerende Folgen haben. Sorgfältige Bildungs- und Arbeitsplatzplanung trägt dafür Sorge, die akademischen und kulturellen Brückenbauer sinnvoll in den Arbeitsmarkt zu integrieren. 7 1 Es gibt Meinungen, nach denen dies der oftmals kargen und kompromisslosen Islamvorstellung der Islam-Verbände geschuldet sei. 2 Dies besonders unter der malikitischen Rechtsschule in Andalus; zum Komplex des ikhtilaf siehe Muhammad Khalid Masud: Shatibi´s Philosophy of Islamic Law, Islamabad: Islamic Research Institute 1995 (2), pp. 57-60, 72f, 240ff 3 In Anlehnung an Stewart-Sykes, A. (2001): From Prophecy to Preaching. A Search for the Origin of the Christian Homily. Leiden: S. 83ff. 4 So etwa auch die praktische Theologie der katholischen Fakultät der Universität Erfurt. 5 Vgl. dazu etwa Arnd-Michel Nohl: „Islam als religiöse Praxis der zweiten Migrationsgeneration. Eine <Medrese> von Anhängern Said Nursis“, in: Monika Wohlrab-Sahr und Levent Tezcan (Hrsg.): Konfliktfeld Islam in Europa, Baden-Baden: Nomos 2007,pp. 305-325 6 Siehe Marcia Hermansen, “How to Put the Genie back in the Bottle: ‘Identity Islam’ and Muslim Youth Cultures in North America” in: Omid Safi (ed.): Progressive Muslims, Oxford: One World 2003. Vgl. auch Werner Schiffauer: “Islamism in the diaspora. The fascination of political Islam among second generation German Turks”. Working Paper. Transnational Communities Programme. Oxford 1999 7 Vgl. etwa Naika Foroutan und Isabel Schäfer: „Hybride Identitäten – muslimische Migrantinnen und Migranten in Deutschland und Europa“, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr 5, 2009 8 Freilich gibt es auch eine beachtliche Zahl neo-muslimischer Diskurse, die in Jugendbewegungen zahlreiche, auch radikale Ausdrucksformen gefunden haben. 9 Vgl. die vielbeachtete Studie Muslimisches Leben in Deutschland, hrsg. BAMF 2009. 10 Vgl. Peter Hünseler: „Deutschlands Muslime. Eine religionssoziologische Bestandsaufnahme“, in: Herder Korrespondenz Spezial, 2 – 2009, p. 2 -6 8 11 Siehe Fazlur Rahman: Islamic Methodology in History, Karachi 1965. Ähnlich die Ankara Schule, die den Koran nicht als zeitlose Offenbarung versteht, sondern als aktuelle Rede Gottes an eine bestimmte Gruppe Menschen zu einer bestimmten Zeit. In radikaler Form etwa der Iraner Abdel Karim Soroush, der im Koran Mohammads Wort, bzw. den Ausdruck seiner Offenbarungserfahrung, sieht. Dies ist eine Islamische Reformtheologie, die auf einer neorationalistisch-hermeneutischen Perspektive basiert und weit über die herkömmlichen Versuche hinausgeht, Scharia oder Koran selektiv zu interpretieren. Vgl. zu hermeneutischen Neuansätzen im zeitgenössischen Islam etwa die zahlreichen Beiträge in Katajun Amirpur und Ludwig Ammann (Hgg.): Der Islam am Wendepunkt, Freiburg 2006. 12 Um nochmals den Wissenschaftsrat zu zitieren: „Die Integration der Theologien (in das Hochschulsystem) stellt sicher, dass die Gläubigen ihre faktisch gelebten Bekenntnisse im Bewußtsein artikulieren, von außen auch als historisch kontingent betrachtet zu werden. Sie konfrontiert die Religionsgemeinschaften mit der Aufgabe, ihren Glauben unter sich wandelnden Wissensbedingungen und –horizonten immer neu auslegen zu müssen. Dies kann am besten unter den an Universitäten geregelten Bedingungen wissenschaftlicher Kommunikation und Erkenntnisproduktion gelingen.“ (WR 58) 13 Eine islamische Intelligenz fehlt derweil in Deutschland – ungleich anderen europäischen Staaten. Gemeinsam ist der Arbeitsmigration nach Europa, dass sie vornehmlich in die unteren Gesellschaftsschichten stattfand. Singulär ist Deutschland hingegen darin, dass die hörbaren und gehörten muslimischen Stimmen zuvörderst aus den Reihen deutscher Konvertiten stammten. 14 In den türkischen DITIB-Moscheegemeinden sind 800 Imame als Vollzeitkräfte tätig. Sie sind Angestellte des türkischen Staates und werden nach einem Rotationsprinzip alle 4 bis 5 Jahre ausgetauscht. In allen anderen Dachverbänden (IGMG, VIKZ, Zentralrat und unabhängige Moscheegemeinden) sind die Imame Angestellte der Moscheegemeinden. 15 Ich folge hier einem von Christoph Bultmann – dem ich für kritische Bemerkungen herzlich danke - zur Verfügung gestellten, äußerst brauchbaren Beitrag von Christian Grethlein: „Theologie als Studiengang an der Fachhochschule. Erste 9 Überlegungen zu einem neuen Thema“, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche, Bd. 107 (2010), S. 215–238. 10