Architekturführer: Richtig gute Häuser Ein Architekturführer entsteht: Der AIV arbeitet an einer Publikation über "Moderne Bauten 1900 bis 2010" - Namhafte Architekten wie Thodor Fischer, Paul Bonat und Fred Angerer haben in Schweinfurt gebaut Bauen mit Licht: Rathenau-Schulen von Fred Angerer Beispiel für nachhaltiges und ästhetisches Bauen: Das Landesamt für Statistik in der Gunnar-Wester-Straße Neu neben Alt: Das Rathaus von Fred Angerer Wie eine Skulptur: Bankfiliale, gestaltet von Gustl Kirchner Unter Denkmalschutz: Die Auferstehungskirche am Bergl von Olaf Andreas Gulbransson Nach Schweinfurt fahren, der Architektur wegen? Zugegeben, das ist doch eher ein Insider-Tipp. Zu stark klebt das Image der grauen Industriemaus noch immer an der Stadt. Und die Einheimischen freuen sich zwar über die sanierten Altstadtgebiete, den Bauten aus dem 20. Jahrhundert schenken aber nur wenige einen Blick – mit Ausnahme vielleicht den prominenten wie dem Ensemble Museum Georg Schäfer, Hauptzollamt und Ebracher Hof. Dabei gibt es in Schweinfurt gerade aus dem vergangenen Jahrhundert gute Architektur von namhaften Architekten wie Theodor Fischer, Paul Bonatz, Heinrich Zierl, Roderich Fick, Fred Angerer, Erich Schelling, Olaf Andreas Gulbransson und später von Volker Staab und dem Büro Bruno, Fioretti, Márquez. Ihnen und ihren beeindruckenden Gebäuden widmet der Architekten- und Ingenieurverein Schweinfurt (AIV) eine Publikation. Der Architekturführer Schweinfurt soll im Frühjahr 2014 erscheinen. Der Verein setzt hohe Erwartungen in das Heft. Es soll nicht nur ein Stadtführer für interessierte Bewohner und Besucher sein, die Architekten sehen es auch als Dokumentation eines wichtigen Abschnitts der Stadtentwicklung, als Beitrag zur Stadtgeschichte und sie hoffen, dass die vorgestellten Gebäude beispielhaft für künftige Planungen sein können. Weil der AIV die Kosten von etwa 19 000 Euro nicht alleine schultern kann, sucht er Sponsoren. „Die Stadt hat sich in den letzten 15 Jahren durch den Strukturwandel sehr verändert und steckt auch weiterhin in einem Wandlungsprozess, in dem die Architektur eine wesentliche Rolle spielt“, sagt Martin Matl, stellvertretender Diözesanbaumeister in Fulda und neben Ursula Sauer-Hauck, Reinhold Jäcklein und Werner Küntzel, einer der Organisatoren des Projekts. Die Anstrengungen um qualitätvolles Bauen hätten bereits mit der Industrialisierung begonnen, auch das werde die Publikation zeigen. Schweinfurt definiere sich als moderne Industrie- und Kulturstadt. Der Architekturführer soll dieses Profil schärfen und eine Diskussion über neue und bestehende Bauten anregen. Das Heft wird in einer Auflage von 4000 Stück im Taschenbuchformat erscheinen. Es konzentriert sich auf die Architektur zwischen 1900 und 2010. Über die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts wird die Architekturhistorikerin Suse Schmuck schreiben. In Schweinfurt ist ihr Name bekannt, weil sie leidenschaftlich, aber vergeblich für den Erhalt des Alten Krankenhauses gekämpft hat. Natürlich wird sie dieses hervorragende Beispiel für die Architektur der Neuen Sachlichkeit nicht unerwähnt lassen. Folgend einige Beispiele aus dieser Zeit, die erhalten sind: Von Theodor Fischer die Villa Wirsing, um 1908 erbaut. Von Paul Bonatz Friedenschule (1904 - 1908), Verwaltungsbau für Fichtel & Sachs in der Ernst-Sachs-Straße (1931-33) und – zusammen mit seinem Schwiegersohn Kurt Dübbers – das Willy-Sachs-Stadion (1934 - 36). Von Roderich Fick das Ernst-Sachs-Bad (1931-33) und ein Wohnhaus am Löhlein und von Heinrich Zierl das bereits erwähnte Alte Krankenhaus (1929-30). Im zweiten Teil werden 40 beispielhafte Gebäude vorgestellt, die zwischen 1950 und 2012 realisiert wurden. Autoren sind Martin Matl und Werner Küntzel, der ehemalige Chef des Schweinfurter Hochbauamtes. Darunter sind natürlich so repräsentative Gebäude wie das Theater, erbaut von Erich Schelling und das Museum Georg Schäfer von Volker Staab. Aber auch das Neue Rathaus, das der Architekt Fred Angerer ganz bewusst als schlichtes Statement gegen das Alte Renaissance-Rathaus gesetzt hat, gehört unbedingt dazu. Der Münchner Architekt Angerer hat auch die Schweinfurter Schullandschaft entscheidend geprägt mit drei Bauten, deren außergewöhnliche Licht-Konzeption bis heute beispielhaft ist: Olympia-Morata-Gymnasium, Walther-Rathenau-Schulen und Fachhochschule. Ein Beispiel für nachhaltige und gleichzeitig höchst ästhetische Architektur ist das Landesamt für Statistik von kunz + manz architekten aus Würzburg. Spannende Vergleiche lässt ein Blick auf die moderne Kirchenarchitektur zu. Vorgestellt werden unter anderem die Auferstehungskirche am Bergl, die Olaf Andreas Gulbransson 1959 geschaffen hat und die seit 2004 unter Denkmalschutz steht und St. Kilian von 1953 mit dem großen Fenster von Georg Meistermann. Auch auf „kleine Edelsteine“ will der Architekturführer den Blick richten. Dazu zählt die Sparkassenfiliale in der Carl-Orff-Straße, deren Fassade der Künstler Gustl Kirchner wie eine Skulptur gestaltet hat. Den Autoren geht es um Qualität und sie stellen sich auch der Frage, wie die zu messen sei. So befördert die Arbeit an der Publikation auch die Diskussion unter den Mitgliedern des AIV. Denn wie bei Mode, Musik oder Literatur verändert sich auch in der Architektur der Geschmack. Was lange als hässlich galt, wie beispielsweise das Alexander-vonHumboldt-Gymnasium, ist für einen Architekten wie Martin Matl ein spannendes Gebäude, das den Zeitgeist der 1970er Jahre widerspiegelt.