Symmetrie als fundamentale Idee

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Symmetrie als fundamentale Idee
Bezeichnungen (in dieser Vorlesung):
•
•
•
•
N := {1, 2, 3, . . .} (natürliche Zahlen ohne Null)
N0 := {0, 1, 2, 3, . . .} (natürliche Zahlen mit Null)
Z := {. . . , −2, −1, 0, 1, 2, 3, . . .} (ganze Zahlen)
Q := { ab | a, b ∈ Z} (rationale Zahlen (Brüche, abbrechende oder periodische Dezimalzahlen))
• R (reelle Zahlen (nicht abbrechende, unperiodische Dezimalzahlen))
• ∅ = { } (leere Menge)
Einführung
Zunächst ein kleiner Überblick über das bevorstehende Programm“:
”
• Gruppentheorie, Anwendungen, Gruppenaktionen, Beispiele für Gruppen als Symmetriegruppen
• Lineare Algebra, Körper, Vektorräume, affine und lineare Abbildungen, Determinante,
Gruppen assoziiert mit linearen Abbildungen: Allgemeine Lineare Gruppe, Spezielle Lineare Gruppe, Orthogonale Gruppe, Spezielle Orthogonale Gruppe
• Eulers Polyederformel und ebene Graphen, Symmetrien der Ebene, orthogonale Abbildungen der Ebene, ebene Gitter, Friese, die platonischen Körper
1. Grundlagen der Gruppentheorie
Wozu braucht man Gruppen?
• grundlegende Struktur in der Algebra, auf der (fast) alles andere“ aufbaut
”
• Beschreibung von Phänomenen mit Hilfe zugeordneter Gruppen, z.B. bei der Fragestellung, warum es keine allgemeine Lösungsformel für polynomielle Gleichungen vom Grad
n mit n ≥ 5 gibt, oder bei Symmetrien, die in verschiedensten Gebieten der Mathematik
auftreten
1.1. Definitionen und Beispiele: Halbgruppen, Monoide, Gruppen.
Bemerkung 1.1. Grundlegend für eine Gruppe ist eine Menge G, auf der eine Verknüpfung
∗ : G × G → G gegeben ist, die gewisse Eigenschaften erfüllen muss.
Hierbei bezeichnet G × G := {(g1 , g2 ) | g1 , g2 ∈ G} das kartesische Produkt von G mit sich selbst,
also die Menge aller Paare mit Einträgen aus G.
Der Einfachheit halber schreiben wir für das Bild von (g1 , g2 ) unter ∗ statt ∗((g1 , g2 )) oft g1 ∗ g2 .
Beispiel 1.2.
• Die Addition ganzer Zahlen ist eine Verknüpfung: Gibt man sich zwei ganze
Zahlen z1 und z2 vor, so ist z1 + z2 wieder eine ganze Zahl.
Die Addition + in Z liefert also eine Abbildung + : Z × Z → Z, und statt +((z1 , z2 ))
schreiben wir oft einfach nur z1 + z2 . (Ebenso sind Subtraktion und Multiplikation Verknüpfungen auf den ganzen Zahlen.)
• Hat man gewisse Verknüpfungen gegeben, kann man aus ihnen neue basteln, z.B. ∗ :
1 7
a1 − 23a1 a2 + 37, a1 , a2 ∈ Q.
Q × Q → Q mit ∗(a1 , a2 ) := 34
• Keine Verknüpfung ist aber z.B. die Division in der Menge aller rationalen Zahlen, da
a ÷ b für b = 0 nicht definiert ist. Schränken wir uns dagegen auf Q\{0} ein, so erhalten
wir eine Verknüpfung ÷ : Q\{0} × Q\{0} → Q\{0}.
Definition 1.3. Sei G eine Menge mit einer Verknüpfung ∗ : G × G → G. Die Verknüpfung heißt
1
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Lutz Hille und Angela Holtmann
• assoziativ, falls (g1 ∗ g2 ) ∗ g3 = g1 ∗ (g2 ∗ g3 ) für alle g1 , g2 , g3 ∈ G gilt, und
• kommutativ, falls g1 ∗ g2 = g2 ∗ g1 für alle g1 , g2 ∈ G gilt.
Beispiel 1.4.
• Die Addition und die Multiplikation reeller Zahlen sind sowohl assoziativ
als auch kommutativ.
• Die Subtraktion reeller Zahlen ist nicht assoziativ und nicht kommutativ.
• Die Hintereinanderschaltung von Abbildungen f : X → X und g : X → X ist i.a. nicht
kommutativ, jedoch assoziativ.
Definition 1.5. Eine nicht-leere Menge H mit einer assoziativen Verknüpfung ∗ nennt man
Halbgruppe. Eine Halbgruppe ist also nichts anderes als ein Paar (H, ∗) mit
(H1) H 6= ∅
(H2) ∗ : H × H → H assoziative Verknüpfung
Manchmal schreiben wir auch einfach nur H anstelle von (H, ∗), wenn klar ist, welche Verknüpfung
auf H wir betrachten.
Definition 1.6. Sei H = (H, ∗) eine Halbgruppe. Ein Element e ∈ H heißt neutrales Element
(für H (bzgl. ∗)), wenn für alle h ∈ H die Gleichung
e∗h=h=h∗e
gilt.
Ein neutrales Element ändert also die Elemente der Halbgruppe nicht.
Definition 1.7. Ein Monoid ist eine Halbgruppe (H, ∗), in der ein neutrales Element existiert.
Es müssen also folgende Bedingungen erfüllt sein:
(M1) H 6= ∅
(M2) ∗ : H × H → H ist eine assoziative Verknüpfung.
(M3) Es gibt ein Element e ∈ H, so daß für alle h ∈ H gilt: e ∗ h = h = h ∗ e.
Beispiel 1.8.
• Die ganzen Zahlen mit der Addition bilden ein Monoid mit der Null als
neutralem Element:
(M1) Z 6= ∅, da z.B. 27 ∈ Z.
(M2) Die Addition ist assoziativ: (z1 + z2 ) + z3 = z1 + (z2 + z3 ) für alle z1 , z2 , z3 ∈ Z.
(M3) Es gilt: 0 + z = z = z + 0 für alle z ∈ Z.
• Die natürlichen Zahlen einschließlich der Null N0 := {0, 1, 2, 3, . . .} bilden zusammen mit
der Addition und der Null als neutralem Element ein Monoid (gleiche Rechnung wie oben).
• Die natürlichen Zahlen (ohne die Null) N := {1, 2, 3, . . .} bilden zusammen mit der Addition kein Monoid, da es kein neutrales Element gibt, jedoch eine Halbgruppe. (Die ersten
beiden Regeln gelten immer noch.)
• Da die Subtraktion innerhalb der ganzen Zahlen nicht assoziativ ist, bilden die ganzen
Zahlen mit der Subtraktion weder ein Monoid noch eine Halbgruppe.
Frage: Ist ein neutrales Element, wenn es denn existiert, eindeutig, oder kann es mehrere neutrale
Elemente geben?
Lemma 1.9. Ist (H, ∗) ein Monoid, so gibt es nur ein neutrales Element.
Beweis. Seien e und e′ beides neutrale Elemente, so gilt:
e = e ∗ e′ = e′ .
Also sind sie gleich.
Nehmen wir nun noch eine weitere Eigenschaft zu den bisherigen dazu:
Symmetrie als fundamentale Idee (GHR-Vorlesung) – WS 2007/08
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Definition 1.10. Ein Monoid (G, ∗) mit neutralem Element e heißt Gruppe, falls es zu jedem
Element g ∈ G ein Element g ′ ∈ G gibt mit g ∗ g ′ = e = g ′ ∗ g. (Wir nennen dann g ′ das zu g
inverse Element.) Es muß also gelten:
(G1)
(G2)
(G3)
(G4)
G 6= ∅
∗ : G × G → G ist eine assoziative Verknüpfung.
Es gibt ein Element e ∈ G, so daß für alle g ∈ G gilt: e ∗ g = g = g ∗ e.
Zu jedem g ∈ G existiert ein g ′ ∈ G mit g ∗ g ′ = e = g ′ ∗ g.
Frage: Ist ein inverses Element zu einem Element g ∈ G eindeutig?
Lemma 1.11. Sei G = (G, ∗) eine Gruppe mit neutralem Element e. Zu jedem g ∈ G gibt es
genau ein inverses Element.
Beweis. Seien g ′ und g ′′ beides inverse Elemente zu g ∈ G. Dann gilt:
g ′ = g ′ ∗ e = g ′ ∗ (g ∗ g ′′ ) = (g ′ ∗ g) ∗ g ′′ = e ∗ g ′′ = g ′′ .
Also sind sie gleich.
Das inverse Element zu g ∈ G bezeichnen wir meist mit g −1 oder, falls wir die Gruppe additiv
schreiben (als (G, +)), mit −g.
Beispiel 1.12.
• Die natürlichen Zahlen einschließlich der Null bilden mit der Addition und
der Null als neutralem Element eine Halbgruppe, sogar ein Monoid, aber keine Gruppe.
Das inverse Element zu a ∈ N0 wäre nämlich −a, aber das liegt, außer wenn a = 0 ist,
nicht in N0 .
• Die ganzen Zahlen mit der Addition bilden mit der Null als neutralem Element dagegen
eine Gruppe (gleiche Rechnung wie oben, und hier ist für a ∈ Z auch −a ∈ Z).
ACHTUNG! Folgendes Lemma (1.13) ist zunächst nur anschaulich, gibt aber einen ersten
Hinweis darauf, wozu man Gruppen benutzen kann.
Wir betrachten nun eine Ebene“, in der ein Punkt fest vorgegeben ist, zusammen mit den Dre”
”
hungen“ der Ebene um diesen Punkt.
Lemma 1.13. Sei ein Ebene mit einem fixierten Punkt vorgegeben. Die Drehungen der Ebene um
diesen Punkt bilden zusammen mit ihrer Hintereinanderschaltung eine Gruppe.
Beweis.
(G1) Die Menge der Drehungen ist nicht leer: Z.B. können wir die Ebene um den Punkt
mit jedem Winkel α drehen.
(G2) Die Hintereinanderschaltung von zwei Drehungen mit Winkel α und dann mit Winkel β ist
wieder eine Drehung, und zwar um den Winkel β + α. Wir schreiben Dα für die Drehung
um den Winkel α. Dann gilt: Dγ ◦ (Dβ ◦ Dα ) = Dγ ◦ Dβ+α = Dγ+β+α = Dγ+β ◦ Dα =
(Dγ ◦ Dβ ) ◦ Dα .
(G3) Das neutrale Element bildet die Drehung um den Winkel 0◦ : D0 ◦ Dα = Dα = Dα ◦ D0
(G4) Zu jeder Drehung ist die inverse Drehung das Zurückdrehen“ um denselben Winkel:
”
D−α ◦ Dα = D(−α)+α = D0 = Dα+(−α) = Dα ◦ D−α .
1.2. Die symmetrische Gruppe – eine Einführung. Sei M eine Menge. Mit S(M ) bezeichnen
wir die Menge der bijektiven Abbildungen von M auf sich, mit ◦ die Komposition von Abbildungen.
Lemma 1.14. (S(M ), ◦) bildet eine Gruppe mit neutralem Element idM , der Identität auf M .
Beweis.
(G1) Die Identität auf M ist sicherlich bijektiv, also ist S(M ) nicht leer.
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Lutz Hille und Angela Holtmann
(G2) Die Hintereinanderschaltung zweier bijektiver Abbildungen ist natürlich wieder bijektiv.
Seien f, g, h : M → M bijektive Abbildungen. Nach dem Assoziativitätsgesetz für Abbildungen (h ◦ (g ◦ f )(m) = (h ◦ g) ◦ f (m) für alle m ∈ M ) bildet die Komposition ◦ eine
assoziative Verknüpfung auf M .
(G3) Die Identität ist neutrales Element, denn es gilt:
idM ◦f (m) = f (m) = f ◦ idM (m)
für alle m ∈ M .
(G4) Da jedes f ∈ S(M ) bijektiv ist, gibt es eine Umkehrabbildung zu f : M → M . Wir nennen
sie f −1 . f −1 : M → M ist wiederum bijektiv, und es gilt:
für alle m ∈ M .
f −1 ◦ f (m) = idM (m) = m = f ◦ f −1 (m)
Definition 1.15. Mit Sn bezeichnen wir die Gruppe der bijektiven Abbildungen der Menge
{1, 2, . . . , n} in sich selbst und nennen dies die symmetrische Gruppe (bzw. die Gruppe der Permutationen) der Zahlen 1, 2, . . . , n.
Bemerkung 1.16. Eine Permutation π ∈ Sn kann man durch explizite Angabe ihrer Bilder
π(1), . . . , π(n) in der Form
1
...
n
π(1) . . . π(n)
beschreiben.
Die Gruppe Sn hat n! Elemente.
Bemerkung 1.17. Jede Permutation läßt sich als Hintereinanderschaltung von Transpositionen
schreiben, d. h. von Permutationen, die genau zwei Elemente vertauschen.
Beispiel 1.18. Wir betrachten die Gruppe S3 . Darin gilt:
1 2 3
1 2 3
1 2
◦
=
3 1 2
1 3 2
3 2
3
1
1.3. Untergruppen. Natürlich ist nicht jede beliebige Teilmenge einer Gruppe wieder eine Gruppe, wie wir bereits an den natürlichen Zahlen als Teilmenge der ganzen Zahlen mit der Addition
gesehen haben. Man interessiert sich aber für solche Teilmengen einer Gruppe, die wiederum eine
Gruppe bilden. Anstatt nun alle Axiome für die Gruppen durchgehen zu müssen, ist es nützlich,
vermeintlich schwächere Bedingungen anzugeben, damit eine Teilmenge einer Gruppe wieder eine
Gruppe ist.
Definition 1.19. Sei G = (G, ∗) eine Gruppe mit neutralem Element e. Eine Teilmenge H ⊆ G
heißt Untergruppe von G, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
(UG1) e ∈ H
(UG2) Falls g1 , g2 ∈ H, so ist auch g1 ∗ g2 ∈ H. (Abgeschlossenheit unter der Verknüpfung)
(UG3) Falls g ∈ H, so ist auch g −1 ∈ H. (Abgeschlossenheit unter Inversen)
Bemerkung 1.20. Ist H eine Untergruppe von G, so ist H selbst wieder eine Gruppe, denn:
(G1)
(G2)
(G3)
(G4)
H 6= ∅, da e ∈ H
Die Verknüpfung lässt sich nach (UG2) auf H × H einschränken und bleibt assoziativ.
Das neutrale Element e liegt nach (UG1) in H und bleibt neutral.
Zu jedem Element aus H liegt nach (UG3) auch sein Inverses in H.
Andererseits ist H ⊂ G, wenn G eine Gruppe ist, mit Sicherheit keine Gruppe, wenn eine der drei
Bedingungen (UG1) – (UG3) nicht erfüllt ist.
Symmetrie als fundamentale Idee (GHR-Vorlesung) – WS 2007/08
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1.4. Gruppenhomomorphismen. Sind zwei Gruppen gegeben, so kann man sich fragen, ob es
Abbildungen zwischen die Gruppen gibt, die die Struktur erhalten“.
”
Definition 1.21. Seien (G, ∗) und (G′ , ⋄) zwei Gruppen mit neutralen Elementen e und e′ . Eine
Abbildung f : G → G′ heißt Gruppenhomomorphismus, wenn für alle g1 , g2 ∈ G gilt:
f (g1 ∗ g2 ) = f (g1 ) ⋄ f (g2 ).
Bemerkung 1.22. Insbesondere gilt für einen Gruppenhomomorphismus f : G → G′ zwischen
zwei Gruppen (G, ∗) und (G′ , ⋄) mit neutralen Elementen e und e′ die Gleichung: f (e) = e′ . (Denn:
f (e) = f (e ∗ e) = f (e)⋄ f (e).) Ebenso kann man zeigen, daß für alle g ∈ G gilt: f (g −1 ) = (f (g))−1 .
(Denn: f (g) ⋄ f (g −1 ) = f (g ∗ g −1 ) = f (e) = e′ = f (g −1 ∗ g) = f (g −1 ) ⋄ f (g).)
Definition 1.23. Ein Gruppenhomomorphismus f : G → G′ heißt
•
•
•
•
•
Monomorphismus, wenn er injektiv ist,
Epimorphismus, wenn er surjektiv ist,
Isomorphismus, wenn er bijektiv ist,
Endomorphismus, wenn er als Start- und Zielraum G hat, und
Automorphismus, wenn er als Start- und Zielraum G hat und bijektiv ist.
Bemerkung 1.24. Sind f : G → G′ und g : G′ → G′′ Gruppenhomomorphismen, so ist auch die
Komposition g ◦ f ein Gruppenhomomorphismus.
Beispiel 1.25. Wir betrachten die Abbildung λ2 := 2 · − : Z → Z, z 7→ 2 · z. Diese ist ein
Gruppenhomomorphismus von Z mit der gewöhnlichen Addition, denn es gilt: λ2 (a + b) = 2 · (a +
b) = 2 · a + 2 · b = λ2 (a) + λ2 (b). (Distributivgesetz der ganzen Zahlen)
Die Abbildung 2 · − ist kein Epimorphismus, denn die ungeraden Zahlen werden ja nicht getroffen,
aber ein Monomorphismus, denn es gilt:
2·a=2·b⇒a=b
(Wir können die 2 links wegkürzen.) Da Start- und Zielraum gleich sind, ist sie ein Endomorphismus.
Ebenso ist natürlich für jedes m ∈ Z die Links- oder Rechtsmultiplikation mit m ein Gruppenhomomorphismus.
Frage: Kann man irgendwie aus vorgegebenen Gruppen Untergruppen erzeugen, die schöne“
”
Eigenschaften haben?
Definition 1.26. Seien (G, ∗) und (H, ⋄) Gruppen mit neutralen Elementen e und e′ und f :
G → H ein Gruppenhomomorphismus. Dann definieren wir
Ker f := {g ∈ G | f (g) = e′ } ⊆ G,
den Kern von f (alle Elemente in G, die auf das neutrale Element von H abgebildet werden), und
Im f := {h ∈ H | ∃g ∈ G : f (g) = h} ⊆ H,
das Bild von f (alle Elemente von H, die unter f von Elementen aus G getroffen werden).
Lemma 1.27. Sei f : G → H ein Gruppenhomomorphismus, (G, ∗), (H, ⋄) Gruppen mit neutralen Elementen e und e′ . Der Kern von f ist eine Untergruppe von G und das Bild von f eine
Untergruppe von H.
Beweis. Zunächst betrachten wir den Kern von f .
(UG1) e ∈ Ker f , denn f (e) = e′ , da f ein Gruppenhomomorphismus ist.
(UG2) Seien g, g ′ ∈ G mit f (g) = e′ = f (g ′ ). Dann gilt auch:
f (g ∗ g ′ ) = f (g) ⋄ f (g ′ ) = e′ ⋄ e′ = e′ ,
da f ein Gruppenhomomorphismus ist. Also liegt auch g ∗ g ′ im Kern von f .
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Lutz Hille und Angela Holtmann
(UG3) Sei g ∈ G mit f (g) = e′ . Dann gilt:
f (g −1 ) = (f (g))−1 = (e′ )−1 = e′ ,
da f ein Gruppenhomomorphismus ist und e′ ⋄ e′ = e′ , also e′ selbstinvers ist. Also liegt
auch g −1 im Kern von f .
Nun zum Bild von f :
(UG1) e′ ∈ Im f , denn f (e) = e′ , da f ein Gruppenhomomorphismus ist.
(UG2) Seien h, h′ ∈ H, so daß es g, g ′ ∈ G gibt mit f (g) = h und f (g ′ ) = h′ . Dann gilt:
f (g ∗ g ′ ) = f (g) ⋄ f (g ′ ) = h ⋄ h′ ,
da f ein Gruppenhomomorphismus ist. Also liegt auch h ⋄ h′ im Bild von f .
(UG3) Sei h ∈ H, so daß es ein g ∈ G gibt mit f (g) = h. Dann gilt:
f (g −1 ) = (f (g))−1 = h−1 ,
da f ein Gruppenhomomorphismus ist. Also liegt auch h−1 im Bild von f .
Folgendes Lemma ist sehr nützlich, um die Injektivität eines Gruppenhomomorphismus nachzurechnen.
Lemma 1.28. Seien (G, ∗) und (H, ⋄) Gruppen mit neutralen Elementen e und e′ . Sei f : G → H
ein Gruppenhomomorphismus. Dann gilt:
f ist injektiv ⇔ Ker f = {e}.
Beweis. Zunächst zeigen wir: f injektiv ⇒ Ker f = {e}.
Da f ein Gruppenhomomorphismus ist, gilt: f (e) = e′ . Wäre nun ẽ ein weiteres Element im Kern,
also mit f (ẽ) = e′ , so wäre f nicht injektiv. (e′ hätte mindestens zwei Urbilder.)
Nun zeigen wir: Ker f = {e} ⇒ f injektiv.
Seien nun g, g ′ ∈ G mit f (g) = f (g ′ ). (Wir haben zu zeigen, daß dann schon g = g ′ gilt.) Dann
gilt aber auch: f (g) ⋄ (f (g ′ ))−1 = e′ , also f (g) ⋄ f ((g ′ )−1 ) = f (g ∗ (g ′ )−1 ) = e′ . Da der Kern von
f nur aus e besteht, gilt also: g ∗ (g ′ )−1 = e, und damit g = g ′ .
Bemerkung 1.29. Nun sieht man ganz einfach, daß die Linksmultiplikation mit 2 ein Monomorphismus von Z in sich selbst ist: Die Null ist das einzige Element, das auf Null abgebildet
wird.
1.5. Der Satz von Cayley. Weitere Beispiele für Gruppenhomomorphismen erhalten wir wie
folgt:
Lemma 1.30. Sei (G, ·) eine Gruppe und S(G) die Menge der bijektiven Abbildungen von G in
sich selbst. Für a ∈ G definieren wir folgende Abbildung:
λa : G → G, g 7→ a · g,
also die Linksmultiplikation mit a. Dann ist die Abbildung F : G → S(G), a 7→ λa ein Monomorphismus von Gruppen. (Achtung! Jedem Element aus G wird hier eine (bijektive) Abbildung von
G nach G zugeordnet.)
Beweis. Wir müssen zunächst zeigen, daß durch die Vorschrift ein Gruppenhomomorphismus gegeben ist.
Seien a, b ∈ G. (Wir müssen nun zeigen, daß die Abbildungen F(a · b) und F(a) ◦ F(b) auf G
übereinstimmen.) Es gilt: F(a · b)(g) = λa·b (g) = (a · b) · g = a · (b · g) = λa (λb (g)) = F(a) ◦ F(b)(g)
für alle g ∈ G.
Symmetrie als fundamentale Idee (GHR-Vorlesung) – WS 2007/08
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Noch zu zeigen ist, daß die Abbildung F injektiv ist bzw. daß ihr Kern nur aus e besteht. Das
neutrale Element in S(G) ist die Identität auf G, idG : G → G, g 7→ g. Denn schaltet man sie vor
oder hinter eine Selbstabbildung von G, so ändert sich die Abbildung nicht.
Es ist aber klar, dass e ∈ G das einzige Element ist, das unter F auf die Identität abgebildet wird,
da die nur Multiplikation mit dem neutralen Element alle anderen Elemente in G nicht ändert.
(Das neutrale Element ist ja eindeutig.)
Das vorstehende Resultat ist auch als Satz von Cayley“ bekannt:
”
Jede Gruppe ist Untergruppe einer symmetrischen Gruppe.
1.6. Gruppenoperationen. Gegeben sei eine Menge M . In diesem Kapitel wollen wir die Fragestellung betrachten, ob es in einigen Fällen Gruppen gibt, die die Menge M in sich überführen,
also in gewisser Weise Selbstabbildungen von M definieren.
Definition 1.31. Sei (G, ∗) eine Gruppe mit neutralem Element e und M eine Menge. Eine
Abbildung G × M → M , (g, m) 7→ g · m heißt Gruppenoperation (von G auf M ), wenn gilt:
(GO1) (h ∗ g) · m = h · (g · m) für alle g, h ∈ G und alle m ∈ M , und
(GO2) e · m = m für alle m ∈ M .
Man sagt auch: Die Gruppe G operiert auf der Menge M .“
”
Beispiel 1.32. Sei die zugrundeliegende Menge ein Kreis mit Mittelpunkt P . Die Drehungen des
Kreises um P bilden (analog zu 1.13) (mit der Hintereinanderschaltung als Verknüpfung) eine
Gruppe. Diese Gruppe bildet den Kreis mit seinem festgelegten Mittelpunkt auf sich selbst ab.
Wir setzen nun M := Kreis mit Mittelpunkt P , G := Gruppe der Drehungen von M (um P ) und
erhalten damit eine Abbildung G × M → M . Jeder Punkt m ∈ M in dem Kreis wird durch eine
Drehung Dα ∈ G (um den Winkel α) auf einen Punkt in dem Kreis abgebildet.
Es handelt sich sogar um eine Gruppenoperation, denn es gilt:
(GO1) Sind zwei Drehungen Dα , Dβ gegeben, so wird jeder Punkt nach einer Drehung um den
Winkel α und dann um den Winkel β auf denselben Punkt abgebildet, als wenn man gleich
um Dβ ◦ Dα = Dβ+α , also um den Winkel β + α, drehen würde:
(Dβ ◦ Dα ) · m = Dβ+α · m = Dβ · (Dα · m)
für alle m ∈ M .
(GO2) Dreht man den Kreis mit dem neutralen Element der Gruppe der Drehungen des Kreises,
also mit der Drehung D0 um den Winkel 0◦ , so bleibt jeder Punkt wo er ist:
für alle m ∈ M .
D0 · m = m
Beispiel 1.33. Sei M ein Quadrat und G die Gruppe der Drehungen des Quadrates um den
Mittelpunkt mit den Winkeln 0◦ , 90◦ , 180◦ und 270◦, wobei wir zwei Drehungen identifizieren,
wenn sie sich um 360◦ unterscheiden. (Es gilt also unter anderem: D90◦ = D450◦ = D−270◦ und
auch D0◦ = D360◦ etc.)
Wir erhalten auch dadurch eine Gruppenoperation G × M → M . (Aufgabe 3 auf Übungsblatt 2
liefert die Gruppenstruktur auf G, ansonsten gleiche Rechnungen wie in Beispiel 1.32.)
Beispiel 1.34. Sei M die Menge Z der ganzen Zahlen und G ebenfalls die Menge Z. Die Addition
in Z liefert eine Gruppenoperation von der Gruppe Z auf der Menge Z.
Klar ist, daß + : Z × Z → Z eine Abbildung liefert.
Es gilt:
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Lutz Hille und Angela Holtmann
(GO1) (x + y) + z = x + (y + z) für alle x, y, z ∈ Z (Assoziativgesetz in Z), und
(GO2) 0 + z = z für alle z ∈ Z.
1.7. Nebenklassen. Wie wir in Aufgabe 1 auf Übungsblatt 3 gesehen haben, operiert jede Gruppe (G, ∗) auf sich selbst (aufgefaßt als Menge) mit Hilfe ihrer Verknüpfung ∗ : G × G → G.
Haben wir nun eine Untergruppe H von G gegeben, so läßt sich die Operation von G im allgemeinen
nicht auf H als Menge einschränken. (Wir haben im allgemeinen keine Abbildung: ∗ : G×H → H.)
Jedoch können wir versuchen zu untersuchen, was jedes einzelne Element g ∈ G mit der Untergruppe H macht.
Definition 1.35. Sei (G, ∗) eine Gruppe, H eine Untergruppe von G. Eine Linksnebenklasse von
H in G ist eine Teilmenge der Form a ∗ H := {a ∗ h | h ∈ H} mit a ∈ G. Eine Rechtsnebenklasse
von H in G ist eine Teilmenge der Form H ∗ a := {h ∗ a | h ∈ H} mit a ∈ G.
Beispiel 1.36. Wie wir in Beispiel 1.34 gesehen haben, bildet die Addition auf Z eine Gruppenoperation + : Z × Z → Z von Z (mit Addition als Gruppe) auf Z (als Menge).
Betrachten wir nun die Untergruppe 2Z ⊆ Z, also die Menge der geraden Zahlen, mit der Addition.
Wir wählen uns ein festes Element a ∈ Z und bilden die Linksnebenklasse a + 2Z := {a + x | x ∈
2Z}.
Je nachdem, ob das gewählte Element a gerade oder ungerade war, erhalten wir dadurch die Menge
der geraden bzw. der ungeraden Zahlen, also 2Z oder 1 + 2Z.
Bemerkung 1.37. Wir sehen anhand von Beispiel 1.36, daß Nebenklassen im allgemeinen keine
Untergruppen sind. (Denn die Summe zweier ungerader Zahlen ist nicht ungerade.)
Gleichzeitig zeigt das Beispiel eine grundsätzliche Eigenschaft von Nebenklassen: Nimmt man alle
möglichen Nebenklassen zusammen, so kann man jedes Element in der zugrundeliegenden Menge
in genau einer der Nebenklassen wiederfinden. In Beispiel 1.36 gibt es genau zwei Nebenklassen:
die Menge der geraden und die Menge der ungeraden Zahlen. Jede ganze Zahl ist entweder gerade
oder ungerade, aber nicht beides.
Diese Eigenschaft kann man auch ganz allgemein zeigen.
Lemma 1.38. Sei (G, ∗) eine Gruppe, H eine Untergruppe von G und a, b ∈ G. Für je zwei
Nebenklassen a ∗ H und b ∗ H gilt entweder a ∗ H = b ∗ H oder a ∗ H ∩ b ∗ H = ∅.
Beweis. Sei a ∗ H ∩ b ∗ H 6= ∅. Dann gibt es ein Element x, das sowohl zu a ∗ H als auch zu b ∗ H
gehört, also (nach Definition) die Form x = a ∗ h = b ∗ h′ mit h, h′ ∈ H hat.
Multiplizieren wir die Gleichung von links mit b−1 und von rechts mit h−1 , so erhalten wir b−1 ∗a =
(b−1 ∗ a) ∗ (h ∗ h−1) = b−1 ∗ (a ∗ h) ∗ h−1 = b−1 ∗ (b ∗ h′) ∗ h−1 = (b−1 ∗ b) ∗ (h′ ∗ h−1 ) = h′ ∗ h−1 ∈ H.
Setzen wir nun u := h′ ∗ h−1 , so folgt: a = (b ∗ b−1 ) ∗ a = b ∗ (b−1 ∗ a) = b ∗ h′ ∗ h−1 = b ∗ u. Es
gibt also ein u ∈ H mit a = b ∗ u.
Also gilt: a ∗ H = b ∗ u ∗ H = b ∗ H, da u ∈ H.
Bemerkung 1.39. Sei (G, ∗) eine Gruppe mit einer Untergruppe H, und seien a, b ∈ G. Gilt
b−1 ∗ a ∈ H, so stimmen die beiden Nebenklassen a ∗ H und b ∗ H überein, denn b ∗ H = b ∗ (b−1 ∗
a) ∗ H = (b ∗ b−1 ) ∗ a ∗ H = a ∗ H.
Beispiel 1.40. Wir betrachten ein Quadrat mit den vier Drehungen D0◦ , D90◦ , D180◦ und D270◦
mit den Drehwinkeln 0◦ , 90◦ , 180◦ und 270◦ um den Mittelpunkt des Quadrates, (wobei wir wieder
Drehungen identifizieren, die sich um 360◦ unterscheiden).
Symmetrie als fundamentale Idee (GHR-Vorlesung) – WS 2007/08
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Diese bilden mit ihren Hintereinanderschaltungen eine Gruppe, nennen wir sie G. Die Gruppe G
enthält als Untergruppe H die beiden Drehungen um 0◦ und um 180◦ (mit ihren Hintereinanderschaltungen).
Die beiden Drehungen um 90◦ und um 270◦ gehören nicht zu H.
Durch die vier Drehungen des Quadrates erhalten wir zwei Linksnebenklassen von H: D90◦ ◦ H =
D270◦ ◦ H und H = D0◦ ◦ H = D180◦ ◦ H.
Beweis. Wir überprüfen, welche Hintereinanderschaltungen der Drehungen wieder in der Untergruppe H liegen.
Es gilt: (D270◦ )
D180◦ ∈ H.
−1
◦ D90◦ = D90◦ ◦ D90◦ = D180◦ ∈ H sowie (D180◦ )
−1
Daraus folgt: D90◦ ◦ H = D270◦ ◦ H sowie D0◦ ◦ H = D180◦ ◦ H.
◦ D0◦ = D180◦ ◦ D0◦ =
−1
Andererseits sind die beiden Nebenklassen verschieden, denn es gilt: (D90◦ )
H.
/
◦ D0◦ = D270◦ ∈
1.8. Bahnen und Stabilisatoren und Fundamentallemma (für endliche Gruppen). Durch
die Bildung von Nebenklassen haben wir eine Einteilung von Gruppenelementen bzgl. einer fest
vorgegebenen Untergruppe vorgenommen.
Wenn wir eine Gruppenoperation ∗ : G × M → M einer Gruppe (G, ·) auf einer Menge M gegeben
haben, können wir auch versuchen, die Elemente der Menge M besser zu beschreiben. Wir zerlegen
die Menge M in sogenannte Bahnen“ von G.
”
Definition 1.41. Sei eine Gruppenoperation ∗ : G × M → M einer Gruppe (G, ·) auf einer Menge
M gegeben und m ∈ M fest.
Dann nennen wir G ∗ m := {g ∗ m | g ∈ G} ⊆ M die Bahn von m unter G. (Das sind also alle
Elemente in M , die wir aus dem vorgegebenen m mit Hilfe der Gruppe G erzeugen“ können.)
”
Weiterhin definieren wir Gm := {g ∈ G | g ∗ m = m} ⊆ G, den Stabilisator von m (bzgl.
∗ : G × M → M ). (Das sind also alle Elemente aus G, die ein gegebenes m ∈ M festlassen.)
Bemerkung 1.42. Der Stabilisator Gm ist eine Untergruppe von G (s. Aufgabe 1 auf Übungsblatt 4).
Beispiel 1.43. Wir betrachten die Gruppe G der Drehungen eines Kreises M mit Radius 1 um
seinen Mittelpunkt.
Sei m ∈ M fest vorgegeben. Der Punkt m habe einen Abstand von r zum Mittelpunkt des Kreises.
Dann ist die Bahn des Punktes m genau die Kreislinie in dem vorgegebenen Kreis, die den Radius
r hat.
G ∗ m = {p ∈ M | p hat Abstand r zum Mittelpunkt von M }
Die einzige Drehung, die den Punkt m festläßt, ist die Identität, falls m nicht gerade der Mittelpunkt des Kreises M ist. Den Mittelpunkt lassen alle Drehungen fest.
Gm =
idM ,
G,
falls m nicht Mittelpunkt von M
falls m Mittelpunkt von M
Beispiel 1.44. Sei G := 5Z die Menge der ganzen Zahlen, die durch 5 teilbar sind (= alle
Vielfachen von 5), und M := Z die Menge der ganzen Zahlen. Dann liefert + : G × M → M ,
(g, m) 7→ g + m eine Gruppenoperation auf M . (s. Aufgabe 2 auf Übungsblatt 4)
10
Lutz Hille und Angela Holtmann
Wir haben z. B. 2 ∈ M . Die Bahn von 2 unter der Operation + sind alle Zahlen in Z, die einen
Rest“ von 2 haben, wenn wir sie durch 5 teilen.
”
G + 2 = {5 · z + 2 | z ∈ Z}
Der Stabilisator von 2 ist G2 = {a ∈ 5Z | a + 2 = 2} = {0}, da a + 2 6= 2 für alle a ∈ 5Z mit
Ausnahme von a = 0.
Definition 1.45. Ist M eine endliche Menge, so bezeichnen wir mit |M | die Anzahl der Elemente
von M . (Ist G eine Gruppe, so nennen wir die Anzahl |G| auch Ordnung von G.)
Satz 1.46 (Fundamentallemma). Sei G eine endliche Gruppe und ∗ : G × M → M eine Gruppenoperation von G auf einer Menge M und m ∈ M . Dann gilt:
|G| = |Gm | · |G ∗ m|.
Mit anderen Worten: Die Gruppenordnung läßt sich berechnen als die Stabilisatorordnung mal
der Bahnenlänge“ (= Anzahl der Elemente in der Bahn).
”
Bevor wir das Fundamentallemma beweisen, zunächst noch ein paar Eigenschaften von Stabilisatoren und Bahnen:
Satz 1.47. Sei ∗ : G × M → M eine Gruppenoperation einer Gruppe (G, ·) auf einer Menge M .
• Ist g ∈ G und m ∈ M , so gilt:
Gg∗m = {g · h · g −1 | h ∈ Gm }.
• Sind m, m′ ∈ M , so gilt entweder G ∗ m = G ∗ m′ oder G ∗ m ∩ G ∗ m′ = ∅.
• Sei h ∈ Gm . Dann gilt:
Beweis.
(g · h · g −1 ) ∗ (g ∗ m) = (g · h · g −1 · g) ∗ m) = (g · h) ∗ m = g ∗ (h ∗ m) = g ∗ m.
Also ist g · h · g −1 ∈ Gg∗m , und damit erhalten wir:
Gg∗m ⊇ {g · h · g −1 | h ∈ Gm }.
Sei nun h′ ∈ Gg∗m . Dann gilt:
(g −1 · h′ · g) ∗ m = g −1 ∗ (h′ ∗ (g ∗ m)) = g −1 ∗ (g ∗ m) = (g −1 · g) ∗ m = m.
Also ist g −1 · h′ · g ∈ Gm , und wir erhalten:
Gm ⊇ {g −1 · h′ · g | h′ ∈ Gg∗m }.
Zu jedem h′ ∈ Gg∗m gibt es also ein h ∈ Gm mit
g −1 · h′ · g = h
bzw.
Also gilt auch
h′ = g · h · g −1 .
Gg∗m ⊆ {g · h · g −1 | h ∈ Gm },
und die beiden Mengen sind gleich.
• Seien m, m′ ∈ M mit G ∗ m ∩ G ∗ m′ 6= ∅. Dann gibt es ein x ∈ G ∗ m ∩ G ∗ m′ , das die
Form x = g ∗ m = g ′ ∗ m′ mit g, g ′ ∈ G hat.
Wir setzen h := g −1 · g ′ . Dann gilt:
h ∗ m′ = (g −1 · g ′ ) ∗ m′ = g −1 ∗ (g ′ ∗ m′ ) = g −1 ∗ (g ∗ m) = m.
Sei y ∈ G ∗ m. Dann gibt es ein ĝ ∈ G mit y = ĝ ∗ m. Dann ist aber auch y = ĝ ∗ m =
ĝ ∗ (h ∗ m′ ) = (ĝ · h) ∗ m′ ∈ G ∗ m′ .
Die umgekehrte Richtung zeigt man analog.
Symmetrie als fundamentale Idee (GHR-Vorlesung) – WS 2007/08
11
Nun zum Beweis des Fundamentallemmas:
Beweis von Satz 1.46 (Fundamentallemma). Wir betrachten die Abbildung Φ : G → G ∗ m, g 7→
g ∗ m. Natürlich ist Φ nach Konstruktion surjektiv. (Jedes Element der Form g ∗ m ∈ G ∗ m wird
von dem g ∈ G getroffen.)
Nach Definition ist das Urbild Φ−1 (m) := {g ∈ G | g ∗ m = m} = Gm und hat also |Gm | Elemente.
Ṡ
Da G = m′ ∈G∗m Φ−1 (m′ ) ist, folgt:
X
|G| =
|Φ−1 (m′ )|.
m′ ∈G∗m
Wir zeigen, daß die Anzahl der Elemente in dem Urbild Φ−1 (m′ ) unabhängig von dem gewählten
m′ ∈ G ∗ m ist, daß also auch |Φ−1 (m′ )| = |Gm | ist. (Dann folgt sofort: |G| = |G ∗ m| · |Gm |.)
Sei nun m′ = g ∗ m ∈ G ∗ m. Dann ist Ψ : Gm → Φ−1 (m′ ), h 7→ g · h eine Bijektion.
Als erstes müssen wir zeigen, daß g · h überhaupt in Φ−1 (m′ ) liegt.
Sei also h ∈ Gm . Dann gilt:
also g · h ∈ Φ−1 (m′ ).
Φ(g · h) = (g · h) ∗ m = g ∗ (h ∗ m) = g ∗ m = m′ ,
Die Abbildung Ψ ist injektiv, denn seien h, h′ ∈ G mit Ψ(h) = g · h = g · h′ = Ψ(h′ ), so gilt auch
h = (g −1 · g) ∗ h = g −1 ∗ (g ∗ h) = g −1 ∗ (g ∗ h′ ) = (g −1 · g) ∗ h′ = h′ .
Außerdem ist Ψ surjektiv. Sei g ′ ∈ Φ−1 (m′ ). Dann gilt: g ′ ∗ m = m′ = g ∗ m, also (g −1 · g ′ ) ∗ m =
g −1 ∗ (g ′ ∗ m) = (g −1 · g ′ ) ∗ m = m. Damit ist h := g −1 ∗ g ′ ∈ Gm , und wir haben g ′ = g · h, also
ein h ∈ Gm mit Ψ(h) = g · h = g ′ .
Es gilt also insbesondere:
|Φ−1 (m′ )| = |Gm | für alle m′ ∈ G ∗ m.
Also gilt:
|G| =
X
m′ ∈G∗m
|Φ−1 (m′ )| = |G ∗ m| · |Gm |.
Beispiel 1.48. Gegeben sei ein Würfel. Wir betrachten die Drehungen des Würfels, die ihn auf
sich selbst abbilden, zusammen mit ihren Hintereinanderschaltungen. Diese bilden eine Gruppe
(G, ◦).
• Als zugrundeliegende Menge M für eine Gruppenoperation wählen wir die Ecken des
Würfels.
G operiert auf M durch ∗ : G × M → M , (g, m) = g(m), und jede Drehung ist dadurch
festgelegt, daß wir angeben, wohin die Ecken des Würfels abgebildet werden.
Zunächst berechnen wir die Länge einer Bahn.
Da wir durch Drehungen jede Ecke auf jede Ecke abbilden können, ist für jede Ecke
m ∈ M folgende Gleichung erfüllt:
G ∗ m = M.
Also gilt: |G ∗ m| = |M | = 8 für alle m ∈ M .
Als nächstes müssen wir die Ordnung des Stabilisators für eine Ecke m berechnen. Da
die Ecke festgehalten werden muß, gibt es nur drei Möglichkeiten:
Wir drehen gar nicht, oder wir drehen den Würfel um die Raumdiagonale durch m. Für
letzteres haben wir genau zwei Möglichkeiten. Also ist |Gm | = 3 für alle m ∈ M .
12
Lutz Hille und Angela Holtmann
Damit erhalten wir als Anzahl der möglichen Drehungen, die einen Würfel in sich selbst
überführen: |G| = |Gm | · |G ∗ m| = 3 · 8 = 24.
• Alternativ können wir auch als zugrundeliegende Menge K für eine Gruppenoperation
⋄ : G × K → K, (g, k) 7→ g(k) die Menge der Kanten des Würfels wählen. Jede Drehung
ist auch dadurch festgelegt, dass wir wissen, wohin die Kanten des Würfels abgebildet
werden.
Wieder berechnen wir die Länge einer Bahn.
Da wir durch Drehungen jede Kante auf jede Kante abbilden können, ist für jede Kante
k ∈ K folgende Gleichung erfüllt:
G ⋄ k = K.
Also gilt: |G ⋄ k| = |K| = 12 für alle k ∈ K.
Als nächstes müssen wir die Ordnung des Stabilisators für eine Kante k berechnen.
Da die Kante festgehalten werden muß, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder drehen
wir gar nicht, oder wir drehen den Würfel in der Art und Weise, daß er wieder auf sich
abgebildet wird und wir dabei die beiden Ecken der Kante vertauschen. Also ist |Gk | = 2
für alle k ∈ K.
Damit erhalten wir als Anzahl der möglichen Drehungen, die einen Würfel in sich selbst
überführen: |G| = |Gk | · |G ⋄ k| = 2 · 12 = 24.
• Eine weitere Möglichkeit besteht darin, als zugrundeliegende Menge F für eine Gruppenoperation • : G × F → F , (g, f ) 7→ g(f ) die Menge der Flächen des Würfels zu wählen.
Jede Drehung ist auch dadurch festgelegt, dass wir wissen, wohin die Flächen des Würfels
abgebildet werden.
Wieder berechnen wir die Länge einer Bahn.
Da wir durch Drehungen jede Fläche auf jede Fläche abbilden können, ist für jede Fläche
f ∈ F folgende Gleichung erfüllt:
G • f = F.
Also gilt: |G • f | = |F | = 6 für alle f ∈ F .
Als nächstes müssen wir die Ordnung des Stabilisators für eine Fläche f berechnen.
Da die Fläche festgehalten werden muß, gibt es genau vier Möglichkeiten: Wir drehen den
Würfel um die Achse, die durch den Mittelpunkt der gegebenen Fläche und den Mittelpunkt
der gegenüberliegenden Fläche geht. Wie können um 0◦ , 90◦ , 180◦ oder 270◦ drehen. Also
ist |Gf | = 4 für alle f ∈ F .
Damit erhalten wir als Anzahl der möglichen Drehungen, die einen Würfel in sich selbst
überführen: |G| = |Gf | · |G • f | = 4 · 6 = 24.
Bemerkung 1.49. All diese Überlegungen können auch auf andere geometrische Figuren übertragen werden. Je nachdem, welche Figur wir betrachten, kann es sinnvoll sein, unterschiedliche
Mengen für eine Gruppenoperation zu wählen, da die Stabilisatoren für Elemente aus verschiedenen
Mengen leichter oder weniger leicht beschrieben werden können. (Wie wir bereits gesehen haben,
sind beim Würfel die Stabilisatoren von Eckpunkten oder von Flächen leicht zu beschreiben, die
Stabilisatoren von Kanten dagegen nicht so leicht.)
1.9. Weitere Beispiele von Gruppen, Schreibweisen. Im folgenden betrachten wir ein regelmäßiges n-Eck, n ∈ N.
Wir numerieren die Ecken des n-Ecks mit {1, 2, 3, . . . , n} durch.
◦
Bemerkung 1.50. Die Drehungen des n-Ecks um seinen Mittelpunkt mit den Winkeln k·360
n ,
k = 0, . . . , n − 1, bilden mit ihrer Hintereinanderschaltung eine Gruppe, wenn wir jeweils die
Drehungen identifizieren, die sich um 360◦ unterscheiden.1
1Der Beweis verläuft analog zu dem Beweis aus Aufgabe 3 von Übungsblatt 2.
Symmetrie als fundamentale Idee (GHR-Vorlesung) – WS 2007/08
13
Bemerkung 1.51. Wenn wir zusätzlich zu den Drehungen aus Bemerkung 1.50 noch Spiegelungen zulassen, die das n-Eck in sich überführen, erhalten wir ebenfalls eine Gruppe.2
Definition 1.52. Die Gruppe der Drehungen und Spiegelungen eines regelmäßigen n-Ecks nennen
wir Diedergruppe.
Bemerkung 1.53. Alle Drehungen und Spiegelungen eines n-Ecks können wir mit Permutationen in der symmetrischen Gruppe Sn identifizieren, da die Drehungen und Spiegelungen dadurch
festgelegt sind, daß wir beschreiben, wohin die n Eckpunkte des n-Ecks abgebildet werden.
Bemerkung 1.54. Warnung! Im allgemeinen beschreibt jedoch nicht jede Permutation in Sn eine
Drehung oder Spiegelung eines regelmäßigen n-Ecks.
Ist z.B. ein Quadrat gegeben, dessen Ecken wir mit der Menge {1, 2, 3, 4} durchnumerieren, so
daß es Kanten zwischen 1 und 2, 2 und 3, 3 und 4, 4 und 1 gibt, so kann die Permutation
f : {1, 2, 3, 4} → {1, 2, 3, 4}, f (1) = 1, f (2) = 3, f (3) = 2 und f (4) = 4 , keine Drehung oder
Spiegelung beschreiben, da im Bild von f die Eckpunkte 1 und 3 benachbart sind, im ursprünglichen
Quadrat jedoch nicht. (Spiegelungen und Drehungen ändern nichts am Nachbarschaftsverhältnis“
”
der Ecken.)
Bemerkung 1.55. Die Diedergruppe ist für n ≥ 3 nicht kommutativ.3 Durch eine andere Beschreibung der Diedergruppe können wir aber ganz allgemein zeigen, daß sie nicht kommutativ
ist.
Beispiel 1.56. Zunächst betrachten wir die Gruppe der Drehungen und Spiegelungen, die ein
Quadrat in sich überführen.
Wir numerieren die Ecken eines Quadrates mit {1, 2, 3, 4} durch, so daß 1 und 2, 2 und 3, 3 und
4, 4 und 1 benachbart sind. Wir haben drei echte Drehungen des Quadrates um seinen Mittelpunkt:
D1 um 90◦ , D2 um 180◦ , D3 um 270◦ . Weiterhin können haben wir die Identität des Quadrates,
nennen wir sie E. Außerdem haben wir vier Spiegelungen: die Spiegelung A1 an der Achse, die
die Mittelpunkte der beiden Kanten 1 − 2 und 3 − 4 verbindet, die Spiegelung A2 an der Achse,
die die Mittelpunkte der beiden Kanten 2 − 3 und 1 − 4 verbindet, die Spiegelung A3 an der Achse
durch 1 und 3 und die Spiegelung A4 an der Achse durch 2 und 4.
Identifizieren wir die Drehungen und Spiegelungen und die Identität des Quadrates mit Permutationen in S4 , indem wir festlegen, wohin die vier Ecken abgebildet werden, so haben wir:
1 2 3 4
1 2 3 4
1 2 3 4
1 2 3 4
E=
, D1 =
, D2 =
, D3 =
,
1 2 3 4
2 3 4 1
3 4 1 2
4 1 2 3
1 2 3 4
1 2 3 4
1 2 3 4
1 2 3 4
A1 =
, A2 =
, A3 =
, A4 =
.
2 1 4 3
4 3 2 1
1 4 3 2
3 2 1 4
Die entstehende Gruppe Q besteht also als Menge aus {E, D1 , D2 , D3 , A1 , A2 , A3 , A4 }.
Durch Nachrechnen erhalten wir folgende Beziehungen:
D2 = D1 ◦ D1 , D3 = D1 ◦ D1 ◦ D1 ,
A2 = A1 ◦ D1 ◦ D1 , A3 = A1 ◦ D1 , A4 = A1 ◦ D1 ◦ D1 ◦ D1 ,
so daß Q als Menge auch durch {E, D1 , D12 , D13 , A1 , A1 D1 , A1 D12 , A1 D13 } beschrieben werden kann.
Nach Definition gilt D14 = E – die Drehung um 360◦ ist mit der Identität identifiziert – und
A21 = E – zweimal Spiegeln an der Achse durch die Mittelpunkte der Kanten 1 − 2 und 3 − 4 ist
ebenfalls die Identität. (Das kann man auch mit Hilfe der oben angegebenen Darstellungen von D1
und A1 als Permutationen in S4 nachrechnen.)
Wie man weiterhin leicht nachrechnen kann, gilt außerdem D1 A1 = A1 D13 .
2Nachzurechnen wären hier jeweils wieder die Gruppenaxiome.
3Ein Beispiel (für n = 3) ist in Aufgabe 3 auf Übungsblatt 5 zu finden.
14
Lutz Hille und Angela Holtmann
Damit sind alle möglichen (ggf. auch mehrfachen) Hintereinanderschaltungen der Drehung D1 und
der Spiegelung A1 in allen möglichen Reihenfolgen bekannt.
Die Gruppe Q wird also erzeugt durch beliebige Hintereinanderschaltungen von zwei Elementen D1
und A1 , wobei in der Gruppe die folgenden drei Gleichungen erfüllt sind – alle anderen Beziehungen
folgen allein daraus –:
D14 = E, A21 = E, D1 A1 = A1 D13 .
Bemerkung 1.57. Insbesondere sehen wir für den Spezialfall n = 4, da D1 6= D13 ist, daß
die Diedergruppe (des Quadrates) nicht kommutativ ist.
1.10. Erzeugendensysteme für Gruppen.
Definition 1.58. Sei (G, ·) eine Gruppe und M ⊆ G eine Teilmenge. Die von M erzeugte Untergruppe von G ist die kleinste Untergruppe von G, die die Menge M enthält.
(Wir schreiben zur Abkürzung hM i für die die von der Menge M erzeugte Untergruppe von G.)
Bemerkung 1.59. hM i enthält also mindestens das neutrale Element von G (wegen (UG1))
sowie beliebige (endliche) Verknüpfungen von Elementen aus M (wegen (UG2)) und die Elemente,
die zu den Elementen aus M invers sind (wegen (UG3)). Es folgt, daß sich jedes Element aus
hM i als endliche Verknüpfung von Elementen aus M und M −1 := {m−1 | m ∈ M } schreiben
läßt. Weiterhin kann man zeigen, daß alle diese Elemente eine Gruppe bilden (s. Aufgabe 1,
Übungsblatt 6).
Beispiel 1.60.
• Wir betrachten die ganzen Zahlen mit der Addition. Die von 2 ∈ Z erzeugte Untergruppe h2i von (Z, +) ist die Gruppe der geraden Zahlen mit der Addition,
also (2Z, +).
• Wir betrachten die von 2 ∈ Z bzw. 3 ∈ Z erzeugte Untergruppen von (Z, +). Wie oben gilt:
h2i = 2Z bzw. h3i = 3Z. Bilden wir jedoch die Untergruppe, die von 2 und 3 erzeugt wird,
so erhalten wir h2, 3i = Z, denn es gilt 3 ∈ h2, 3i und 2 ∈ h2, 3i, also auch −2 ∈ h2, 3i.
Damit ist aber auch 1 = 3 + (−2) ∈ h2, 3i, und 1 erzeugt die ganze Gruppe Z.
• Sei G die Gruppe der Drehungen eines Quadrates um seinen Mittelpunkt, die das Quadrat
in sich überführen, wobei wir Drehungen identifizieren, die sich um 360◦ unterscheiden.
◦
um
Wir haben also als Menge G = {di | i ∈ {0, 1, 2, 3}}, wobei di die Drehung um i·360
4
den Mittelpunkt bezeichnet.
– Die Drehung d0 erzeugt die Gruppe, die nur aus dem neutralen Element d0 besteht,
also hd0 i = {d0 }.
– Die Drehung d2 erzeugt die Untergruppe von G, die aus d0 und d2 besteht, also hd2 i =
{d0 , d2 }.
– Die Drehung d1 erzeugt die gesamte Gruppe G, also hd1 i = G. Ebenso gilt: hd3 i = G.
Definition 1.61. Sei G eine Gruppe. Für g ∈ G nennen wir |hgi| die Ordnung des Elementes g.
(Die Ordnung eines Gruppenelementes ist also die Ordnung der von ihm erzeugten Untergruppe.)
Definition 1.62. Wir nennen eine Gruppe G zyklisch, wenn sie von einem Element erzeugt wird,
wenn es also (mindestens) ein g ∈ G gibt mit hgi = G.
Beispiel 1.63. Wir betrachten die Drehgruppe eine regelmäßigen n-Ecks. Diese ist zyklisch, denn
◦
die Drehung des n-Ecks um seinen Mittelpunkt mit einen Winkel von 360
n Grad erzeugt die Gruppe.
Achtung! Wie wir bereits in Beispiel 1.60 gesehen haben, erzeugt jedoch nicht jedes Element in
der Drehgruppe die gesamte Drehgruppe.
Symmetrie als fundamentale Idee (GHR-Vorlesung) – WS 2007/08
15
1.11. Drehgruppen regelmäßiger n-Ecke und Diedergruppen – Fortsetzung. Wir konstruieren nun für jedes n ∈ N ganz allgemein eine Gruppe Dn = (Dn , ·) mit neutralem Element e,
die von zwei Elementen d und s erzeugt wird. Weiterhin soll gelten: dn = e, s2 = e und sd = d−1 s.
Außerdem konstruieren wir eine Gruppe Cn = (Cn , ·) mit neutralem Element e, die von einem
Element d erzeugt wird. Weiterhin soll gelten: dn = e.
Wir werden nun zeigen, daß Dn nichts anderes ist als die Diedergruppe eines regelmäßigen n-Ecks
und Cn nichts anderes als die Drehgruppe eines regelmäßigen n-Ecks.
Zunächst aber eine Vorbemerkung zum Rechnen mit Resten“:
”
Bemerkung 1.64. Sei n ∈ N fest vorgegeben.
Für jede ganze Zahl c ∈ Z gibt es eine eindeutige Darstellung c = q · n + r mit q, r ∈ Z und
0 ≤ r < n. Wir setzen c := r.
Haben wir zwei Zahlen i, j ∈ {0, 1, . . . , n − 1} gegeben, erhalten wir also
i + j,
falls 0 ≤ i + j < n
i+j =
.
i + j − n, falls n ≤ i + j < 2n
Lemma 1.65. Dn ist isomorph zur Diedergruppe eines regelmäßigen n-Ecks, und Cn ist isomorph
zur Drehgruppe eines regelmäßigen n-Ecks.
Beweis. Die Eckpunkte des regelmäßigen n-Ecks numerieren wir mit den Zahlen 1, . . . , n gegen
den Uhrzeigersinn durch.
Wir beginnen mit der Drehgruppe und der Gruppe Cn .
Die Drehgruppe eines regelmäßigen n-Ecks besteht aus n Drehungen di gegen den Uhrzeigersinn
◦
um seinen Mittelpunkt mit den Winkeln i·360
n , i = 0, . . . , n − 1.
Die Gruppe Cn wird von einem Element d erzeugt und hat aufgrund der Relation dn = e nur die
Elemente {e, d, d2 , . . . , dn−1 }.
Wir benötigen nun einen Gruppenisomorphismus von der Drehgruppe nach Cn , also eine bijektive
Abbildung, die die Verknüpfung erhält.
Wir definieren f : Drehgruppe eines regelmäßigen n-Ecks → Cn , indem wir f (di ) := di , i =
0, . . . , n − 1, setzen. Das liefert uns eine bijektive Abbildung f . Weiterhin gilt aber für alle i, j ∈
{0, . . . , n − 1} auch f (di ◦ dj ) = f (di+j ) = di+j = di · dj = f (di ) · f (dj ).
[In Langform“ kann man es auch so schreiben:
”
f (di ◦ dj ) = f (di+j ) = di+j = di · dj = f (di ) · f (dj ),
falls 0 ≤ i + j < n, und
f (di ◦ dj ) = f (di+j ) = f (di+j−n ) = di+j−n = di+j = di · dj = f (di ) · f (dj ),
falls n ≤ i + j < 2n − 1.]
Also sind die Drehgruppe eines regelmäßigen n-Ecks und Cn isomorph.
Nun zur Diedergruppe und zur Gruppe Dn .
Die Diedergruppe eines regelmäßigen n-Ecks besteht aus n Drehungen di gegen den Uhrzeigersinn
◦
um seinen Mittelpunkt mit den Winkeln i·360
n , i = 0, . . . , n − 1, und n Spiegelungen.
Ist n ungerade, so haben wir n Spiegelungen an Achsen durch die Eckpunkte des n-Ecks und die
Mittelpunkte der jeweils gegenüberliegenden Seite, die wir mit ai , i = 1, . . . , n, bezeichnen, wenn
die Spiegelungsachse durch den Punkt i verläuft.
16
Lutz Hille und Angela Holtmann
Ist n gerade, so haben wir n2 Spiegelungen an Achsen durch die Mittelpunkte gegenüberliegender
Seiten i ! (i + 1) und ( n2 + i) ! ( n2 + i + 1), die wir mit a2i−1 , i = 1, . . . , n2 , bezeichnen, wenn die
Spiegelungsachse durch den Mittelpunkt der Seite i ! (i + 1) verläuft, und n2 an Achsen durch
die Eckpunkte i und n2 + i, die wir mit a2i , i = 1, . . . , n2 , bezeichnen, wenn die Spiegelungsachse
durch den Eckpunkt i verläuft.
Die Gruppe Dn wird von zwei Elementen d und s erzeugt und hat aufgrund der Relationen dn = e,
s2 = e und sd = d−1 s nur die Elemente {e, d, d2 , . . . , dn−1 , s, sd, . . . , sdn }.
Wir benötigen nun einen Gruppenisomorphismus von der Diedergruppe nach Dn , also eine bijektive Abbildung, die die Verknüpfung erhält.
Wir definieren g : Diedergruppe eines regelmäßigen n-Ecks → Dn , indem wir g(di ) := di und
g(ai ) := sdi−1 , i = 0, . . . , n − 1, setzen. Das liefert uns eine bijektive Abbildung g. Auch hier kann
man nachrechnen, daß die Abbildung die Gruppenstrukturen respektiert4.
Beispiel 1.66. Die Diedergruppe D4 des Quadrates wird also erzeugt von einer Drehung d und
einer Spiegelung s, wobei gilt: d4 = e, s2 = e und sd = d−1 s, besteht also als Menge aus
{e, d, d2 , d3 , s, sd, sd2 , sd3 } (s. a. Beispiel 1.56).
Bemerkung 1.67. Die Gruppe D4 hat, wie man leicht nachrechnen kann, zwei (verschiedene)
Untergruppen der Ordnung 4, nämlich {e, d2 , s, sd2 } und {e, d2 , sd, sd3 }.
Die beiden Untergruppen sind als abstrakte Gruppen isomorph.5
Betrachten wir jedoch die Realisierung als Diedergruppe eines Quadrates, dessen Ecken mit 1, 2, 3
und 4 gegen den Uhrzeigersinn durchnumeriert sind, so erhalten wir zwei verschiedene Wirkungsweisen.
Wählen wir als Spiegelung s die Spiegelung an einer Achse, die durch die Mittelpunkte von zwei
Seiten des Quadrates geht, so besteht die erste Gruppe aus den drei möglichen Vertauschungen
von zwei Eckpaaren und der Identität.6 Die zweite Gruppe läßt sich auffassen als Symmetriegruppe
eines Quadrates, dessen gegenüberliegende Ecken gleich eingefärbt sind.
1.12. Der Satz von Lagrange. Wie wir bereits in Kapitel 1.6 gesehen haben, kann man die
Ordnung einer endlichen Gruppe aus der Stabilisatorordnung und der Bahnenlänge berechnen.
Eine weitere Anwendung des Fundamentallemmas für endliche Gruppen (Satz 1.46) ist folgendes:
Lemma 1.68. Sei (G, ∗) eine endliche Gruppe und H eine Untergruppe von G. Dann ist die
Ordnung |H| ein Teiler der Ordnung |G|.
Beweis. Wir betrachten die Linksnebenklassen a∗H von H in G mit a ∈ G. Die Gruppe G operiert
auf der Menge G/H der Linksnebenklassen wie folgt:
G × G/H → G/H, (g, a ∗ H) 7→ (g ∗ a) ∗ H.
Nach dem Fundamentallemma für endliche Gruppen folgt also |G| = |Ga∗H | · |G ∗ (a ∗ H)| für alle
a ∗ H ∈ G/H, also auch für alle a ∈ G.
Insbesondere gilt dies für das neutrale Element e ∈ G.
Wir berechnen nun die Bahn G ∗ (e ∗ H) = G ∗ H. Das sind aber alle möglichen Linksnebenklassen,
also |G ∗ (e ∗ H)| = |G ∗ H| = |G/H|.
Gesucht ist nun noch der Stabilisator Ge∗H = GH = {g ∈ G | g ∗ H = H}. Da H eine Untergruppe
ist, gilt aber g ∗ h ∈ H für alle g ∈ H und alle h ∈ H. Andererseits gilt g ∗ h ∈
/ H für alle g ∈
/H
und alle h ∈ H. Es ist also Ge∗H = H und damit |Ge∗H | = |H|.
4z. B., indem man die Drehungen und Spiegelungen in der symmetrischen Gruppe S realisiert
n
5s. a. Übungsblatt 7, Aufgabe 1
6Man beachte, daß das eine Realisierung der Kleinschen Vierergruppe (s. Übungsblatt 3, Aufgabe 3) ergibt.
Symmetrie als fundamentale Idee (GHR-Vorlesung) – WS 2007/08
17
Daraus folgt nun: |G| = |H|·|G/H|, und die Ordnung von H ist ein Teiler der Ordnung von G. Beispiel 1.69.
• Die Drehgruppe eines regelmäßigen n-Ecks ist eine (echte) Untergruppe
der Diedergruppe desselben.
Sei nun n eine Primzahl. Wie wir gesehen haben, ist die Gruppenordnung der Diedergruppe 2n. Da die Drehgruppe eine Untergruppe ist, kommen als Ordnung der Drehgruppe
nur 1, n oder 2n infrage, da das die einzigen (positiven) Teiler von 2n sind. Da die
Drehgruppe aber weder nur aus dem neutralen Element der Diedergruppe besteht noch die
gesamte Diedergruppe ist, muß die Ordnung der Drehgruppe n sein.
• Die Drehgruppe eines Quadrates kann nicht Untergruppe der Drehgruppe eines regelmäßigen Fünfecks sein, denn 4 ist kein Teiler von 5.
1.13. Kurze Bemerkungen zu den platonischen Körpern.
Definition 1.70. Ein platonischer Körper ist ein konvexer Polyeder, der von gleichgroßen, regelmäßigen n-Ecken begrenzt wird, wobei an jeder Ecke gleich viele Kanten (bzw. Flächen) zusammentreffen.
Definition 1.71. Ein Körper heißt konvex, wenn mit je zwei Punkten des Körpers auch alle
Punkte auf der Verbindungsgeraden“ zum Polyeder gehören.7
”
Satz 1.72 (Hauptsatz über platonische Körper). Es gibt genau fünf platonische Körper gibt,
nämlich den Tetraeder, den Würfel, den Oktaeder, den Dodekaeder und den Ikosaeder.
Beweis, daß höchstens die genannten Fälle vorkommen können. Wir gehen nun die einzelnen Fälle
durch.
An den Ecken eines platonischen Körpers müssen mindestens drei Flächen zusammentreffen. Offensichtlich benötigen wir auch n-Ecke mit n ≥ 3.
Die Innenwinkel der regelmäßigen n-Ecke betragen nach dem Winkelsummensatz
(n−2)·180◦
.
n
Insgesamt muß die Summe der Eckwinkel der n-Ecke, die an einer Ecke zusammentreffen, kleiner
als 360◦ sein, damit überhaupt ein räumliches Gebilde entstehen kann.
Falls n = 3 ist, beträgt der Innenwinkel eines regelmäßigen Dreiecks 60◦ . Es können demnach
also nur drei, vier oder fünf Dreiecke an einer Ecke des platonischen Körpers zusammentreffen, da
k · 60◦ ≥ 360◦ für alle k ≥ 6 gilt.
Falls n = 4 ist, beträgt der Innenwinkel eines regelmäßigen Vierecks 90◦ . Es können demnach also
nur drei Vierecke an einer Ecke des platonischen Körpers zusammentreffen, da k · 90◦ ≥ 360◦ für
alle k ≥ 4 gilt.
Falls n = 5 ist, beträgt der Innenwinkel eines regelmäßigen Vierecks 108◦. Es können demnach
also nur drei Fünfecke an einer Ecke des platonischen Körpers zusammentreffen, da k · 108◦ ≥ 360◦
für alle k ≥ 4 gilt.
Falls n ≥ 6 ist, beträgt der Innenwinkel eines regelmäßigen n-Ecks 120◦ oder mehr. Damit wäre
die Summe der k zusammentreffenden Winkel an einer Ecke des platonischen Körpers mindestens
k · 120◦ ≥ 360◦ , falls k ≥ 3 ist. Also kann man keinen platonischen Körper mit regelmäßigen
n-Ecken als Seitenflächen bilden für n ≥ 6.
Damit kann es also nur platonische Körper geben, an deren Ecken drei, vier oder fünf regelmäßige
Dreiecke bzw. drei regelmäßige Vierecke bzw. drei regelmäßige Fünfecke zusammenstoßen.
Weitere Eigenschaften der platonischen Körper erhalten wir aus dem Eulerschen Polyedersatz. 7Anschaulich heißt das, daß der Körper keine Dellen“ hat.
”
18
Lutz Hille und Angela Holtmann
Satz 1.73 (Eulerscher Polyedersatz). Für jedes Polytop mit E Ecken, K Kanten und F Flächen
gilt:
E + F = K + 2.
[Der Satz wird an dieser Stelle nicht bewiesen.]
Mit Hilfe des Eulerschen Polyedersatzes kann man zeigen, daß folgendes eine vollständige Liste
aller platonischen Körper ist:
k
3
3
4
3
5
n
3
4
3
5
3
E
4
8
6
20
12
K F
Körper
6 4
Tetraeder
12 6
Würfel
12 8
Oktaeder
30 12 Dodekaeder
30 20 Ikosaeder
Hier bezeichnet k die Anzahl der Kanten (bzw. der Flächen), die an einer Ecke zusammenstoßen, n
die Anzahl der Ecken einer Begrenzungsfläche, E die Gesamtanzahl der Ecken, K die Gesamtanzahl
der Kanten und F die Gesamtanzahl der Flächen des platonischen Körpers.
Mit diesen Informationen ist es leicht, die fünf platonischen Körper zu konstruieren.
Definition 1.74. Zwei platonische Körper K1 und K2 heißen dual zueinander, wenn man K2
aus K1 erhält, indem man die Mittelpunkte der nebeneinander liegenden Seitenflächen von K1
miteinander verbindet.
Bemerkung 1.75. Wie man sich leicht überzeugt, ist das Tetraeder zu sich selbst dual, der Würfel
dual zum Oktaeder (und umgekehrt) und der Dodekaeder dual zum Ikosaeder (und umgekehrt).
1.14. Bemerkungen zur Drehgruppe des Würfels. Wie wir bereits in Beispiel 1.48 gesehen
haben, besteht die Gruppe aller Bewegungen im dreidimensionalen Raum, die einen Würfel in sich
überführen, aus 24 Elementen. Wir haben aber auch 24 verschiedene Drehungen des Würfels, die
ihn in sich überführen, und Drehungen sind Bewegungen im dreidimensionalen Raum.
Hier eine Auflistung der möglichen Drehungen, die einen Würfel in sich überführen:
• je zwei Drehungen um die vier Raumdiagonalen des Würfels: insgesamt also 8 Stück
• je drei Drehungen um die Achse, die durch den Mittelpunkt einer Seite und der gegenüberliegenden Seite geht – drei Auswahlen von Seitenflächen sind möglich: insgesamt also 9
Stück
• je eine Drehung um die Achse, die durch den Mittelpunkt einer Kante und den Mittelpunkt
der gegenüberliegenden Kante geht – sechs Auswahlen von Kanten sind möglich: insgesamt
also 6 Stück
• die Identität
Interessant ist auch zu wissen, welche Drehung man durch Hintereinanderschaltung von zwei Drehungen an (möglicherweise) verschiedenen Achsen erhält. Da der Würfel eine gewisse Symmetrie
”
“ hat, man bei ihm z. B. durch Drehungen jede Ecke in jede Ecke überführen kann, muß man
jedoch nicht alle möglichen Hintereinanderschaltungen von Drehungen betrachten, sondern nur
solche, die grundsätzlich verschieden sind. Z.B. kennt man schon die Hintereinanderschaltung von
zwei Drehungen um jede (fest vorgegebene) Raumdiagonale, wenn man sie nur für eine der Raumdiagonalen kennt etc.8
8Das kann man bei Aufgabe 4 auf Übungsblatt 7 ausnutzen.
Symmetrie als fundamentale Idee (GHR-Vorlesung) – WS 2007/08
19
1.15. Der Zauberwürfel. Es handelt sich um einen Würfel, dessen Seitenquadrate in neun kleinere Quadrate unterteilt sind. Möglich sind Drehungen der einzelnen Schichten“ (vorne, hinten,
”
rechts, links, oben oder unten) des Würfels um jeweils 90◦ , 180◦ oder 270◦ . Er besteht aus 8 Ecksteinen, die jeweils an drei Flächen des Würfels angrenzen, 12 Kantensteinen, die jeweils an zwei
Flächen des Würfels angrenzen und 6 Mittelsteinen, die sich jeweils in der Mitte der Seitenflächen
befinden.
Die Drehungen des Würfels bilden eine Gruppe. Sie wird erzeugt von 6 Basisdrehungen“, der
”
Drehungen mit Drehwinkeln von 90◦ der vorderen (v), hinteren (h), rechten (r), linken (l), oberen
(o) und unteren (u) Schicht“. Die so entstehende Gruppe ist nicht kommutativ, denn es gilt z. B.:
”
r ◦ h 6= h ◦ r.
Weiterhin gibt es verschiedene Relationen in der so entstehenden Gruppe G, z.B. v 4 = h4 = r4 =
l4 = o4 = u4 = e, das neutrale Element der Gruppe.
Die Anzahl der möglichen Stellungen eines Zauberwürfels, die durch Drehungen erzeugt werden
können, ist
8! · 38 · 12! · 212
= 43.252.003.274.489.856.000.
S :=
3·2·2
(8 Stellen für die Eckwürfel, 3 Drehpositionen der Eckwürfel, 12 Stellen für die Kantenwürfel,
2 Drehpositionen der Kantenwürfel; ist eine Ecke verdreht, so ist jeweils noch eine weitere Ecke
verdreht, ist eine der Kanten verdreht, so ist jeweils noch eine weitere Kante verdreht, sind zwei
Eckwürfel vertauscht, so sind auch zwei Kanten vertauscht.)
1
aller möglichen Stellungen eines Würfels (auch mit verInsgesamt ist es also nur möglich, 12
”
drehten“ Eck- bzw. Kantensteinen) durch die erlaubten Drehungen zu erzeugen. Die Gruppe aller
Drehungen operiert auf den möglichen Stellungen eines Würfels und zerlegt diese in 12 Bahnen
der Länge jeweils |S|.
Die Aufgabe beim Lösen eines Würfels ist, eine (möglichst kurze) Folge von Drehungen in verschiedenen Richtungen zu finden, aus der die Permutation des Würfels hervorgeht. I.d.R. gibt es
verschiedene Möglichkeiten, einen Würfel zu lösen.
Mit Hilfe von Computerprogrammen konnte gezeigt werden, daß höchstens 26 Drehungen nötig
sind, um einen verdrehten Würfel in seine Ausgangsposition zurückzudrehen.9 Ob das jedoch die
optimale Anzahl zur Lösung aller Würfelstellungen ist, ist (zur Zeit noch) unklar. Klar ist jedoch,
daß es eine Stellung gibt, für die mindestens 20 Drehungen nötig sind, nämlich o · r2 · v · h · r · h2 ·
r · o2 · l · h2 · r · o−1 · u−1 · r2 · v · r−1 · l · h2 · o2 · v 2 .
9Stand: Juni 2007
20
Lutz Hille und Angela Holtmann
2. Lineare Abbildungen
2.1. Körper.
2.1.1. Definition.
Definition. Eine Menge K zusammen mit zwei binären Operationen:
Addition + : K × K −→ K, (x, y) 7→ x + y und
Multiplikation · : K × K −→ K, (x, y) 7→ x · y = xy
heißt Körper, wenn
1) (K, +) abelsche Gruppe ist,
2) (K \ {0}, ·) abelsche Gruppe ist und
3) (Distributivgesetz) x(y + z) = xy + xz für alle x, y, z aus K gilt.
Bemerkung. Das neutrale Element bzgl. der Addition ist 0, das neutrale Element bzgl. der Multiplikation ist 1. Das Inverse von x bezeichnet das multiplikativ Inverse x−1 . Das Negative −x von
x ist das Inverse bzgl. der Addition. Mit K∗ bezeichnen wir die invertierbaren Elemente K \ {0}
in K.
2.1.2. Beispiele.
Beispiel.
• Z (die ganzen Zahlen) bilden keinen Körper.
• Q (rationale Zahlen), R (reelle Zahlen) bilden beide einen Körper.
• C := {x + iy | x, y ∈ R} (die komplexen Zahlen) bilden einen Körper. Dabei gilt i2 = −1
und allgemein
(x + iy) + (u + iv) := (x + u) + i(y + v), (x + iy)(u + iv) := (xu − yv) + i(xv + yu).
(Beweis: ÜA)
• Die Faktorgruppen Z/p für eine Primzahl p bilden einen Körper. Dabei definieren wir
a·b√:= ab. (Beweis:
√ Für alle a, die nicht durch p teilbar sind, existieren x, y mit xp+ya = 1)
• Q[ 2] := {a + b 2 | a, b ∈ Q} ist ein Unterkörper der rellen Zahlen. (Beweis: Inverses
berechnen)
2.1.3. Der Körper der komplexen Zahlen. C := {x + iy | x, y ∈ R}, sei z = x + iy und w = u + iv
p
• Norm |z| := x2 + y 2 für z = x + iy
• Polarkoordinaten: z = r(cos(α) + i sin(α))
• konjugiert komplexe Zahl z := x − iy
• |z|2 = zz
• geometrische Deutung der Addition
• geometrische Deutung der Konjugation
• geometrische Deutung der Multiplikation (in Polarkoordinaten)
• geometrische Deutung des Inversen (Inversion am Kreis)
• geometrische Deutung der Norm und der Polarkoordinaten
2.2. Lineare Abbildungen. Im Folgenden sei K ein Körper (in allen Bildern ist K = R)
Definition einer m × n–Matrix und Beispiele
Zeilenvektor, Spaltenvektor
Definition. (Matrizenmultiplikation) Es sei A eine m × n–Matrix und B eine n × l–Matrix. Dann
ist A · B = AB die m × l–Matrix
n
X
ai,r br,j .
AB := (ci,j ) i=1,...,m, , ci,j :=
j=1,...,l
r=1
Symmetrie als fundamentale Idee (GHR-Vorlesung) – WS 2007/08
21
Die Einträge einer Matrix heißen auch Koeffizienten. Die Addition zweier Matrizen ist komponentenweise definiert. (Beide Matrizen müssen m × n–Matrizen sein.) Die Skalarmultiplikation wird
ebenfalls komponentenweise definiert. Es ist also:
A + B = (ai,j + bi,j ) i=1,...,m, ,
j=1,...,n
λA := (λai,j ) i=1,...,m, .
j=1,...,n
Das Einselement (oder neutrale Element oder

1
 0


En :=  0
 ..
 .
die identische Abbildung) ist definiert durch

0 0 ··· 0
1 0 ··· 0 

0 1 ··· 0 

.. 
..
. . 
0 0 0 ··· 1
Es gilt AEn = Em A = A für jede m × n-Matrix A.
Satz.
• Die Matrizenmultiplikation ist assoziativ A(BC) = (AB)C für alle m × n-, n × lund l × k-Matrizen A, B und C.
• Für Matrizen gelten die Distributivgesetze A(B+C) = AB+AC und (A+B)C = AC+BC.
• Die Matrizen bilden eine abelsche Gruppe unter +.
2.2.4. Die Spur einer Matrix und die Transponierte. Es sei A = (ai,j ) eine m × n–Matrix, dann ist
die transponierte Matrix At die n × m–Matrix mit an der Hauptdiagonale gespiegelten Einträgen:
(aj,i ) i=1,...,m, – hier ist i der erste Index und j der zweite, die Rollen von i und j werden also
j=1,...,n
vertauscht.
Lemma.
(A + B)t = At + B t ,
(AB)t = B t At
Definition. Die Spur einer quadratischen Matrix A (A ist also eine n × n–Matrix für ein n) ist
definiert durch
n
X
ai,i .
Tr A :=
i=1
Satz. Für zwei Matrizen A und B der Größe m × n und n × m gilt
Tr(AB) = Tr(BA).
(Beweis: direktes Nachrechnen)
2.2.5. Lineare Abbildungen.
Definition.
• Eine Abbildung φ : Kn −→ Km der Form x 7→ Ax für eine m × n–Matrix
A heißt lineare Abbildung. Hier ist A eine n × m–Matrix und x ist ein Spaltenvektor der
Länge n.
• Eine Abbildung φ : Kn −→ Km der Form x 7→ Ax + b für eine m × n–Matrix A und einen
Spaltenvektor b der Länge m heißt affine Abbildung (oder auch affin-lineare Abbildung).
Satz. Jede lineare Abbildung φ : Kn −→ Km ist
1) ein Gruppenhomomorphismus (von (Kn , +) nach (Km , +)), es gilt also φ(x + y) = φ(x) +
φ(y) für alle x, x ∈ Kn , und
2) mit der Skalarmultiplikation verträglich: φ(λx) = λφ(x) für alle λ ∈ K und alle x ∈ Kn .
Umgekehrt ist jede Abbildung ψ : Kn −→ Km , welche die Eigenschaften 1) und 2) erfüllt, eine
lineare Abbildung.
22
Lutz Hille und Angela Holtmann
Beweis. Direktes Nachrechnen von 1) und 2).
Umgekehrt konstruiert man die Matrix A zu ψ durch
X
ai,j ej , A = (ai,j )i,j ,
ψ(ei ) =
j
wobei ei den i-ten kanonischen Einheitsvektor bezeichnet (ei = (0, . . . , 0, 1, 0, . . . , 0)t , wobei die 1
an der i-ten Stelle steht).
Beispiel (Beispiele für lineare Abbildungen). n = 1: a 7→ λa
Diese Abbildung ist genau dann injektiv, wenn λ 6= 0, und genau dann, wenn diese Abbildung
surjektiv ist.
n = 2: Folgende Beispiele wurden diskutiert:
Fall
injektiv/
surjektiv
Flächeninhalt
det
a)
„
λ
0
0
µ
«
injektiv genau dann, wenn surjektiv
genau dann, wenn λ 6= 0 und µ 6= 0
Streckung bzw. Stauchung in
Richtung der Achsen
wird mit λµ
multipliziert
λµ
„
b)
1
0
a
1
«
c)
„
cos(α)
sin(α)
− sin(α)
cos(α)
«
d)
„
1
0
0
−1
«
bijektiv für alle a
bijektiv für alle α
bijektiv
Scherung
Drehung um 0
bleibt erhalten
bleibt erhalten
Spiegelung an der
x–Achse
bleibt erhalten
1
1
-1
2.2.6. Der Rang und die Determinante. Im Folgenden wollen wir Kriterien erhalten, wann eine
lineare Abbildung injektiv bzw. surjektiv ist. Dazu werden wir den Rang und die Determinante
definieren. Als Motivation betrachten wir wieder den Fall einer linearen Abbildung K2 −→ K2 .
n = 2: A : K2 −→ K2 ,
(x1 , x2 )t 7→ A(x1 , x2 )t = (a1,1 x1 + a1,2 x2 , a2,1 x1 + a2,2 x2 )t
Diese Abbildung ist genau dann injektiv, wenn aus A(x1 , x2 )t = 0 schon x1 = x2 = 0 folgt. Damit
haben wir ein lineares Gleichungssustem
a1,1 x1 + a1,2 x2 = 0,
a2,1 x1 + a2,2 x2 = 0
zu lösen. Wir erhalten als einzige Lösung (0, 0) genau dann, wenn a1,1 a2,2 − a1,2 a2,1 6= 0.
Diese Abbildung ist surjektiv, wenn für jedes (y1 , y2 )t ∈ K2 das Gleichungssystem
a1,1 x1 + a1,2 x2 = y1 ,
a2,1 x1 + a2,2 x2 = y2
eine Lösung besitzt. Eine solche Lösung existiert für jedes (y1 , y2 )t genau dann, wenn wieder
a1,1 a2,2 − a1,2 a2,1 6= 0 gilt. Zusammengefasst erhalten wir:
Lemma. Die lineare Abbildung A : K2 −→ K2 (definiert durch die 2 × 2–Matrix A = (ai,j )) ist
genau dann surjektiv, wenn sie injektiv ist und das gilt genau dann, wenn a1,1 a2,2 − a1,2 a2,1 6= 0
gilt.
Das führt im Folgenden zur Definition der Determinante: Für eine 2×2-Matrix A =
a1,1
a2,1
a1,2
a2,2
ist die Determinante definiert durch det(A) := a1,1 a2,2 − a1,2 a2,1 .
Definition. Eine Familie von Vektoren {v1 , . . . , vr } heißt linear unabhängig, wenn aus jeder Gleichung der Form
λ1 v1 + λ2 v2 + . . . + λr vr = 0
mit λi ∈ K bereits λi = 0 für alle i = 1, . . . , r folgt.
Es sei V eine Teilmenge in Kn mit folgenden beiden Eigenschaften
1) V ⊆ Kn ist eine Untergruppe (bzgl. +) und
2) für alle v ∈ V und λ ∈ K folgt auch λv ∈ V .
Symmetrie als fundamentale Idee (GHR-Vorlesung) – WS 2007/08
23
Eine solche Teilmenge heißt auch Untervektorraum (oder linearer Unterraum oder Teilvektorraum)
von Kn .
Eine Familie von Vektoren {v1 , . . . , vr } mit vi ∈ V heißt Basis von V , wenn sie linear unabhängig
ist und jedes Element v ∈ V eine Linearkombination
v = λ1 v1 + λ2 v2 + . . . + λr vr
der Vektoren vi ist.
Schließlich definieren wir die Dimension von V als r (dim V = R), wenn V eine Basis aus r
Vektoren besitzt.
Beispiel. Alle Untervektorräume von K sind {0} und K selbst.
Lemma. Jeder Untervektorraum V von K2 ist von der folgenden Form:
1) V = {0} und dim V = 0,
2) V ist eine Gerade definiert durch V = {(λa, λb)t | λ ∈ K} für einen Vektor (a, b)t 6= (0, 0)t
und dim V = 1 oder
3) V = K2 und dim V = 2.
Beweis. Die Untervektorräume in 1) und 3) existieren offensichtlich. Nehmen wir an V 6= {0},
dann gibt es einen Vektor v = (a, b)t 6= (0, 0)t in V . Ist jetzt V = Kv, dann sind wir in Fall 2).
Gilt allerdings, dass Kv echt in V enthalten ist, dann existiert ein w 6= 0 in V \ Kv (also ein
weiterer Vektor w, der nicht auf der Gerade durch v liegt), und jeder Vektor u in V lässt sich als
Linearkombination von v und w darstellen, also sind wir in Fall 3).
Satz. Bild und Kern einer linearen Abbildung A : Kn −→ Km sind Untervektorräume von Km
bzw. von Kn .
Beweis. Übungsaufgabe, Blatt 11.
Definition. Für eine Matrix A definieren wir den Rang rk A als die Dimension des Bildes der
linearen Abbildung definiert durch A. (Dieser heißt auch oft Spaltenrang von A.)
Für ein Element der symmetrischen Gruppe σ ∈ Sn definieren wir das Signum sign σ durch
Y σ(i) − σ(j)
.
sign σ :=
i−j
1≤i<j≤n
Für eine n × n–Matrix A = (ai,j ) definieren wir die Determinante durch
det A =
X
σ∈Sn
sign(σ)
n
Y
i=1
ai,σ(i) =
X
sign(σ)a1,σ(1) . . . an,σ(n) .
σ∈Sn
Beispiel.
• Für das Signum: Ist τ eine Transposition (vertauscht also genau zwei Elemente
und lässt alle anderen fest), dann gilt sign(τ ) = −1. Für jedes Element gilt sign(σ) ∈
{−1, 1}.
Es sei n = 2, dann gilt:
1 2
sign
= −1, sign e = 1.
2 1
1 2
Hier ist
∈ S2 die Permutation die 1 und 2 vertauscht und e das neutrale Element
2 1
in S2 .
Es sei n = 3, dann haben die drei Transpositionen Signum −1, die drei anderen Elemente haben Signum 1. Die Menge der Permutationen mit Signum 1 ist also eine Untergruppe.
24
Lutz Hille und Angela Holtmann
• Für die Determinante: n = 2: Dann erhält man die Formel aus dem vorherigen Abschnitt:
n = 3: Dann gilt:
det A = a1,1 a2,2 − a1,2 a2,1 .
det A = a1,1 a2,2 a3,3 + a1,2 a2,3 a3,1 + a1,3 a2,1 a3,2 − a1,2 a2,1 a3,3 − a1,3 a2,2 a3,1 − a1,1 a2,3 a3,2 .
2.2.7. Das Signum. Wir hatten im vorherigen Abschnitt das Signum sign : Sn −→ {−1, 1} definiert. Damit ist das Signum eine Abbildung zwischen Gruppen mit sign(e) = 1.
Satz.
a) Für jede Transposition τ gilt sign(τ ) = −1.
b) Das Signum ist ein Gruppenhomomorphismus, welcher für n ≥ 2 surjektiv ist.
c) Der Kern von sign ist eine Untergruppe der Sn der Ordnung n!/2. Diese Gruppe heißt
auch alternierende Gruppe und wird mit An bezeichnet.
Beweis.
b)
sign(στ ) =
a) ist eine direkte Anwendung der Definition.
Y σ(τ (a)) − σ(τ (b))
Y σ(τ (a)) − σ(τ (b)) Y τ (a) − τ (b)
=
·
= sign(σ) sign(τ ).
a−b
τ (a) − τ (b)
a−b
a<b
a<b
a<b
c) Der Kern eines Gruppenhomomorphismus ist eine Untergruppe. Da die Abbildung sign
surjektiv ist, hat An den Index 2, folglich ist die Ordnung von An gleich n!/2 für n ≥ 2.
2.3. Das Volumen, die Determinante und die Allgemeine Lineare Gruppe.
2.3.1. Permutationsmatrizen. Für jede Permutation σ definieren wir die entsprechende Permutationsmatrix A(σ)
1 wenn i = σ(j)
A(σ)i,j =
0 andernfalls
Damit erhalten wir eine Abbildung von der symmetrischen Gruppe Sn in die n × n-Matrizen.
Lemma.
a) Es gilt A(στ ) = A(σ)A(τ ).
b) Es gilt det A(σ) = sign(σ).
Beweis. Direktes Nachrechnen:
a) aσ(τ (i)),τ (i) aτ (i),i = 1, und alle anderen Terme sind Null in der Matrizenmultiplikation.
b) Alle Produkte a1,τ (1) . . . an,τ (n) sind Null außer das Produkt mit τ = σ −1 .
2.3.2. Eigenschaften der Determinante. In diesem Abschnitt beweisen wir einige grundlegende
Eigenschaften der Determinante, die wir in den folgenden Abschnitten benötigen werden.
Lemma 2.1. Es sei A = (ai,j ) eine n × n–Matrix. Die Minoren Ai,j entstehen durch Streichen
der i-ten Zeile und der j-ten Spalte aus A. Die i-te Spalte von A bezeichnen wir mit vi .
1) det(A) = P
det(At ).
2) det(A) = ni=1 (−1)i+j ai,j det(Ai,j ) (Entwicklungsformel)
3) det(λ1 v1 , λ2 v2 , . . . , λn vn ) = λ1 . . . λn det(v1 , . . . , vn ) (Multiplikation von Spalten mit einem
Skalar)
4) det(v1 , . . . , vn ) = sign(τ ) det(vτ (1) , . . . , vτ (n) ) für jedes τ ∈ Sn (Permutation von Spalten)
5) det(v + w, v2 , . . . , vn ) = det(v, v2 , . . . , vn ) + det(w, v2 , . . . , vn ) (Distributivgesetz)
6) det(v, v, v3 , . . . , vn ) = 0 (Sind zwei Spalten gleich, ist die Determinante 0.)
Symmetrie als fundamentale Idee (GHR-Vorlesung) – WS 2007/08
25
7) A · ((−1)i+j det(Ai,j ))t = det(A)En (explizite Formel für die inverse Matrix; der Ausdruck ((−1)i+j det(Ai,j )) ist als eine Matrix zu verstehen, deren Einträge mit Vorzeichen
versehene Determinanten der Minoren von A sind)
Beweis. 1) und 2) folgen sofort aus der Definition. Bei 3) kann man den Term λ1 . . . λn einfach
ausklammern. Bei 4) kann man zuerst annehmen, dass τ eine Transposition ist. Dann ist sign(τ σ) =
− sign(σ) = sign(στ ) für alle σ ∈ Sn . Damit ist die Formel für Transpositionen richtig. Jede
Permutation ist aber Produkt von Transpositionen, per Induktion folgt die Behauptung.
Die Formel 5) ist das Distributivgesetz angewendet auf die Definition. Für Formel 6) wendet man
die Formel 4) auf die Transposition τ an, die 1 mit 2 vertauscht. Dann gilt det(v, v, v3 , . . . , vn ) =
− det(v, v, v3 , . . . , vn ), also ist diese Determinante 0.
Die Entwicklungsformel sagt gerade, dass die Matrix A((−1)i+j det(Ai,j ))t auf der Hauptdiagonale den Eintrag det(A) hat. Wegen Formel 6) und der Vertauschungsformel 4) sind die anderen
Einträge 0.
Beispiel. Wir berechnen die inverse Matrix einer 2 × 2–Matrix mit Hilfe von Formel 7). Sei dazu
1
a1,1 a1,2
a2,2 −a1,2
, dann gilt A−1 =
.
A=
a2,1 a2,2
−a2,1 a1,1
det(A)
(Es muss also det(A) 6= 0 gelten, explizites Nachrechnen bestätigt die Formel.)
Für eine 3 × 3–Matrix A gilt
A−1

det(A1,1 )
1 
− det(A1,2 )
=
det(A)
det(A1,3 )

− det(A2,1 ) det(A3,1 )
det(A2,2 ) − det(A3,2 )  .
− det(A2,3 ) det(A3,3 )
(Die Determinante muss also wieder ungleich 0 sein.) Für die Minoren gilt dann zum Beispiel
det(A1,1 )
= a2,2 a3,3 −a2,3 a3,2 und det(A2,1 ) = a1,2 a3,3 − a3,2 a1,3 .
1 0 1
Sei A =  2 1 0  . Für die Matrix der Determinante der Minoren (det(Ai,j )) erhalten wir
3 1 2


2
4 −1
dann  −1 −1 1  . Jetzt fügen wir die richtigen Vorzeichen (Schachbrettregel) ein und
−1 −2 1


2
1 −1
transponieren B :=  −4 −1 2  . Direktes Nachrechnen ergibt, dass B die zu A inverse
−1 −1 1
Matrix ist. Damit ist die Determinante von A gleich 1.
2.3.3. Das Volumen und die Determinante.
Satz. Es sei A : Rn −→ Rn eine lineare Abbildung und P ⊂ Rn ein Polyeder (eine Menge, die
von affinen Unterräumen begrenzt ist). Dann ist das Volumen vol(A(P )) des Bildes P gegeben
durch vol(A(P )) = | det(A)| vol(P ). Das Volumen (oder – für ebene Figuren – der Flächeninhalt)
transformiert sich also genau mit der Determinante der lineare Abbildung.
Bemerkung. Der Satz gilt für viel allgemeinere Gebiete P . Wir wollen ihn aber später nur auf
Polyeder anwenden. Ist P zum Beispiel ein Würfel im R3 (oder ein Quadrat im R2 ), dann ist das
Volumen des Bildes von P unter der linearen Abbildung A genau durch die Determinante von A
gegeben (siehe auch Übungsaufgabe 3, Blatt 9).
Beweis. Zuerst berechnen wir die Formel für ein Polyeder mit Ecken in
0, v1 , . . . , vr , v1 + v2 , . . . , vr−1 + vr , v1 + v2 + v3 , . . . , . . . , v1 + v2 + . . . + vr .
26
Lutz Hille und Angela Holtmann
(Solch ein Polyeder heißt auch durch die Vektoren v1 bis vr aufgespannter Spat oder Parallelepiped. Ist n = 1, dann ist P eine Strecke, ist n = 2, dann ist P ein Parallelogramm.) Gilt r < n,
dann sind vol(P ) und vol(A(P )) beide Null. Also können wir annehmen, dass die vi eine Basis
von Rn bilden. Das Volumen des Spats P , welcher durch Vielfache der Standardbasisvektoren
aufgespannt wird, ist dann gegeben durch det(v1 , . . . , vr ). Die Matrix (v1 , . . . , vr ) ist wegen n = r
quadratisch. Für die Determinante gilt jetzt det(v1 , . . . , vn ) = det(v1 , λ2 v1 + v2 , . . . , λn v1 + vn ),
und für das Volumen gilt ebenfalls eine analoge Formel: der Spat, welcher durch die Vektoren
v1 , . . . , vn aufgespannt wird, hat das gleiche Volumen, wie der Spat, welcher von den Vektoren
v1 , λ2 v1 + v2 , . . . , λn v1 + vn aufgespannt wird. Durch wiederholtes Anwenden dieser Formel und
Vertauschen der Vektoren können wir annehmen, dass jeder Vektor vi ein λi -faches des Standardbasisvektors (0, . . . , 0, 1, 0, . . . , 0) ist. Damit gilt also | det(v1 , . . . , vn )| = λ1 . . . λn = vol(P )
für jeden Spat aufgespannt durch die Vektoren v1 , . . . , vn . Ist P der Spat aufgespannt durch die
Standardbasisvektoren, dann gilt vol(AP ) = det(A), denn das Bild AP wird von den Spalten in
A aufgespannt. Damit gilt aber für jeden Spat P diese Formel.
Eine anloge Formel erhält man auch für Tetraeder (siehe nächster Satz). Zerlegt man schließlich
ein konvexes Polytop in endlich viele Tetraeder (Simplizes), so erhält man die Formel auch für
konvexe Polyeder.
Bemerkung. Verwendet man Grenzwerte, kann man eine solche Volumenformel für alle Gebiete
beweisen, die man durch Polyeder ausschöpfen und umfassen kann. Insbesondere gilt das für Kugeln, Ellipsoide und andere durch differenzierbare Funktionen begrenzte Gebiete.
Als Warnung sollte man bemerken, dass die Länge einer Kurve (in der Ebene oder im Raum)
nicht auf diese Weise berechnet werden kann. Als Beispiel kann man die lineare Abbildung a) in
2.2.5 für λ 6= µ betrachten.
Aus obigem Beweis folgt sofort folgender Satz. Dazu verwendet man, dass man einen Spat der
Dimension n in n! = 1 · 2 · . . . (n − 1) · n viele Tetraeder zerlegen kann, die alle das gleiche Volumen
haben. Für n = 2 entspricht das genau der Zerlegung eines Parallelogramms in zwei Dreiecke
(durch eine Diagonale).
Satz.
a) Es gilt vol P = det(v1 , . . . , vn ) für jeden Spat, der durch die Vektoren v1 , . . . , vn
aufgespannt wird.
P
Pn
1
b) Es gilt vol T = n!
det(v1 , . . . , vn ) für jedes Tetraeder T = { i=1 λi vi | λi ≥ 0,
i λi ≤ 1},
das durch die Vektoren v1 , . . . , vn aufgespannt wird.
Satz. Es gilt det(AB) = det(A) det(B).
Beweis. Aus der Volumenformel im obigen Satz folgt sofort | det(AB)| = | det(A)|| det(B)|. Jetzt
betrachtet man die Matrizen AA(τ ), beziehungsweise A(τ )B für eine Transposition τ , wenn
det A = −1 oder det B = −1 gilt. Aus der Eigenschaft der Determinante folgt dann det(AA(τ )) =
− det(A) und det(A(τ )B) = − det(B). Weiterhin gilt det(A) > 0 genau dann, wenn die Orientierung erhalten bleibt. Gilt also det(A) > 0 und det(B) > 0, dann auch det(AB) > 0. Analog sieht
man, dass aus det(A) = 0 schon det(AB) = 0 folgt.
Satz. Eine lineare Abbildung A : Kn −→ Kn ist genau dann invertierbar, wenn det A 6= 0 gilt.
Die Menge
GLn := {A n × n–Matrix | det(A) 6= 0}
ist eine Gruppe ( Allgemeine lineare Gruppe) und
SLn := {A n × n–Matrix | det(A) = 1}
ist eine Untergruppe ( Spezielle lineare Gruppe).
Anwendungen.
• Rubiks Zauberwürfel: die Ordnung berechnen
• Schiebefix (zeigen, dass 14 und 15 nicht vertauschbar sind, wenn alle anderen Felder fest
bleiben)
• andere Puzzle
Symmetrie als fundamentale Idee (GHR-Vorlesung) – WS 2007/08
27
3. Symmetrien der Ebene und des Raumes, Polytope
3.1. Ebene Graphen und Eulers Polyederformel.
3.1.1. Graphen.
Definition. Ein Graph Γ besteht aus einer Menge Γ0 von Punkten (oder Ecken) und einer Menge
Γ1 von Kanten zusammen mit einer Abbildung h : Γ1 −→ {{i, j} | i, j ∈ Γ0 }, die jeder Kante zwei,
nicht notwendig verschiedene, Ecken zuordnet. Ein solcher Graph heißt zusammenhängend, wenn
es einen Weg von jeder Ecke zu jeder Ecke gibt. Ein solcher Graph heißt endlich, wenn Γ0 und Γ1
endliche Mengen sind.
Graphen veranschaulichen wir uns oft durch Bilder in der Ebene.
3.1.2. Ebene Graphen. Eine Realisierung eines Graphen Γ im Rn besteht aus injektiven Abbildungen
Γ0 −→ Rn und h(α) : [0, 1] −→ Rn ,
∀α ∈ Γ1
mit folgenden Eigenschaften:
Die Abbildung h(α) ist stetig, und die Bilder h(α)((0, 1)) und h(β)((0, 1)) der offenen Intervalle
(0, 1) sind für α 6= β disjunkt. Jeder endliche Graph besitzt eine Realisierung im R3 . Man wählt eine
endliche Menge von Punkten aus und verbindet diese (zum Beispiel durch die Verbindungsstrecke).
Danach deformiert man die Wege zwischen den Ecken so, dass keine Kreuzungen mehr existieren.
Definition. Ein Graph heißt ebener Graph, wenn er eine Realisierung im R2 besitzt.
Für einen ebenen Graphen Γ betrachten wir die Anzahl der Ecken e, die Anzahl der Kanten k und
die Anzahl der (inneren) Flächenstücke f .
3.1.3. Das 1-Skelett konvexer Polytope.
Definition. Eine Teilmenge K im Rn heißt konvex, wenn für je zwei Punkte P1 und P2 in K auch
die Verbindungsstrecke ganz in K liegt. Ein konvexes Polytop P ist die konvexe Hülle
r
r
X
X
λi = 1}
λi Pi |
P := {
i=1
i=1
endlich vieler Punkte P1 , . . . , Pr . Äquivalent ist ein Polytop auch ein endlicher Durchschnitt von
Halbräumen
H := {v ∈ Rn | bv ≥ a} ,
definiert durch einen Zeilenvektor b und eine Konstante a ∈ R. (Jede Seitenfläche definiert genau
einen solchen Halbraum.)
Für ein Polytop P definieren wir die Anzahl der Ecken e, die Anzahl der Kanten k und die Anzahl
der Seitenflächen f .
Das 1-Skelett eines Polytops ist der Graph bestehend aus den Ecken und Kanten des Polytops.
Theorem. Es sei P ein konvexes Polytop. Dann ist das 1-Skelett ein ebener Graph. Es gilt:
e(P ) = e(Γ), k(P ) = k(Γ), f (P ) = f (Γ) − 1.
Die Anzahl der Flächen stimmt nicht überein, da wir bei Graphen die Außenfläche nicht zählen.
Beweis. Der Beweis läuft in zwei Schritten ab.
1. Schritt: Wir projizieren das 1-Skelett auf die Kugeloberfläche einer Kugel, deren Mittelpunkt
im Inneren von P liegt und die P vollständig enthält. Damit erhalten wir eine Realisierung des
Graphen im R3 , die vollständig in der Kugeloberfläche enthalten ist.
28
Lutz Hille und Angela Holtmann
2. Schritt: Wir projizieren die Kugeloberfläche in die Ebene. Dazu wählen wir einen Punkt N
auf der Kugeloberfläche S 2 – den Nordpol, welcher nicht im Graphen enthalten sein sollte – und
betrachten die Ebene E, die die Kugeloberfläche im Südpol berührt. Dann betrachten wir die
Abbildung S 2 \ N −→ E, welche einen Punkt Q auf den Durchschnitt der Gerade durch N
und Q mit E abbildet. Das ist eine bijektive Abbildung, und diese realisiert den Graphen in der
Ebene.
Anschaulich erhält man eine Realisierung, indem man in das Polyeder durch eine Seitenfläche
hineinschaut und dabei nah genug am Polyeder ist. Damit sehen wir, dass jedes Polytop einen
ebenen Graphen definiert. Den folgenden Satz müssen wir also nur für ebene Graphen beweisen.
3.1.4. Eulers Polyedersatz.
Theorem (Eulers Polyedersatz).
a) Für jedes konvexe Polytop P gilt:
e + f − k = 2.
b) Für jeden zusammenhängenden ebenen Graphen Γ gilt:
e + f − k = 1.
Beispiele: platonische Körper, ebene Graphen; Formeln stimmen überein
Beweis. 1. Beweis: (Induktion über die Anzahl der Ecken im Graph) Jeder Graph mit n Ecken
entsteht durch Einfügen einer Ecke in einen Graphen mit n − 1 Ecken. Dabei kann man immer
annehmen, dass beide Graphen zusammenhängend sind.
Induktionsanfang: Man betrachte den Graphen mit einer Ecke und keiner Kante.
Betrachtet man jetzt einen Graphen mit einer Ecke mehr und r Kanten, die mit dieser Ecke
verbunden sind, erhält man, dass der Wert e + f − k konstant bleibt.
2. Beweis: Wir betrachten den Graphen Γ und darin einen aufspannenden Baum T . Für die Ecken
gilt: T0 = Γ0 . Außerdem ist T ein Baum (enthält keine Kreise) und zusammenhängend.
Lemma. Für jeden zusammenhängenden Baum T gilt e(T ) = k(T ) + 1.
Das Lemma folgt durch Induktion über die Anzahl der Punkte in einem Graph. Hat der Baum
nur einen Punkt, dann besitzt er keine Kante. Ist T ein Baum mit n Punkten, dann streichen wir
einen Punkt, welcher nur an eine Kante grenzt und erhalten einen Baum T ′ mit n − 1 Punkten
und einer Kante weniger. Also gilt nach Induktionsvoraussetzung e(T ′ ) = k(T ′ ) + 1 und somit (auf
beiden Seiten 1 addieren) e(T ) = k(T ) + 1.
Jetzt betrachten wir den dualen Graphen Γ∗ . Die Ecken von Γ∗ entsprechen den Flächen (einschließlich der Außenfläche), und die Kanten Γ∗1 von Γ∗ entsprechen den Kanten von Γ. Sei also
γ eine Kante in Gamma, die die zwei Flächen F1 und F2 trennt, dann ist γ ∗ die Kante, die die
entsprechenden Punkte in Γ∗ verbindet. Jetzt definieren wir in Γ∗ einen aufspannenden Baum
T ∗ . Seine Punkte entsprechen wieder den Flächen in Γ, und seine Kanten entsprechen genau den
Kanten von Γ, die nicht in T sind. Damit erhalten wir folgende Formeln
e(T ) = e(Γ) = f (Γ∗ ) + 1, e(T ∗ ) = e(Γ∗ ) = f (Γ) + 1,
k(T ) + k(T ∗ ) = k(Γ) = k(Γ∗ ), e(T ) = k(T ) + 1, e(T ∗ ) = k(T ∗ ) + 1,
und damit
e(Γ) + f (Γ) − k(Γ) = e(T ) + e(T ∗ ) − 1 + k(T ) + k(T ∗ ) = 1.
Beispiel. Die dualen Graphen der 1-Skelette der platonischen Körper entsprechen genau den 1Skeletten der dualen Körper.
Symmetrie als fundamentale Idee (GHR-Vorlesung) – WS 2007/08
29
3.2. Isometrien der Ebene. In diesem Abschnitt betrachten wir Isometrien der Ebene. Insbesondere interessieren wir uns für die Bewegungsgruppe von Parkettierungen und von Friesen. Wir
beginnen mit der Definition der relevanten Gruppen.
3.2.1. Die Gruppe der Isometrien.
Definition. Die Gruppe I besteht aus alle affinen Abbildungen der Ebene, die den Abstand zweier
Punkte fest lassen:
I = I2 := {f = (A, b) : x 7→ Ax + b | f erhält Abstände } .
Da jede Translation, definiert durch den Vektor b ∈ R2 , den Abstand erhält, erhalten wir nur eine
Bedingung an A. Die Gruppe aller linearen Abbildungen, die alle Abstände von zwei Punkten
erhält, heißt auch orthogonale Gruppe O2 . Sie besitzt eine Untergruppe vom Index 2, die spezielle
orthogonale Gruppe SO2 :
O = O2 := {A ∈ GL2 | |A(x)| = |x|} ,
SO = SO2 := {A ∈ O2 | det A = 1} .
Bemerkung. Eine lineare Abbildung, die alle Abstände erhält, erhält sowahl alle Winkel, als
auch alle Volumina (hier Flächeninhalte). Für alle Matrizen A in O2 gilt darum: | det A| = 1. Die
Abbildungen in SO erhalten zusätzlich noch die Orientierung. (Ein nach links drehender Winkel
bleibt nach links drehend.)
Im Weiteren werden wir die drei Gruppen I, O und SO etwas genauer untersuchen. Wir beginnen
mit der kleinsten Gruppe.
Lemma. Es gilt:
SO2 =
O2 =
a
b
a −b
| a, b ∈ R, a2 + b2 = 1 ,
b a
−eb
2
2
| a, b ∈ R, a + b = 1, e ∈ {1, −1}
ea
Beweis. Jede lineare Abbildung A besitzt den Fixpunkt (0, 0). Insbesondere bildet A den Vektor
(1, 0) auf einen Punkt (a, b) mit a2 + b2 = 1 ab. Außerdem muss A dann den Punkt (0, 1) auf
einen Punkt (c, d) mit c2 + d2 = 1 abbilden, welcher senkrecht auf dem Vektor (a, b) steht. Damit
gilt also ac + bd = 0. Erhält A die Orientierung, dann folgt (c, d) = (−a, b), wird die Orientierung
umgekehrt, gilt (c, d) = (a, −b).
Jetzt wollen wir die Abbildungen in SO und O noch genauer beschreiben.
Satz.
a) Jede Abbildung in SO2 ist eine Drehung
um den Nullpunkt um den Winkel α, sie
cos α − sin α
ist also von der Form
.
sin α cos α
b) Jede Abbildung in O2 \ SO2 ist eine Spiegelung an einer Geraden,die einen Winkel von
cos α
sin α
α
.
2 mit der ” x-Achse“ bildet, und von der Form:
sin α − cos α
Beweis. Eine Drehung um den Nullpunkt um den Winkel α bildet die Punkte (1, 0)t bzw. (0, 1)t
auf die Punkte (cos α, sin α)t , bzw. (− sin α, cos α)t ab. Damit erhält man die Matrix wie oben
angegeben.
Eine Spiegelung an der Geraden g := {(r cos α/2, r sin α/2)t | r ∈ R} fixiert jeden Punkt der
Gerade. Wir zeigen also, dass die oben angegebene Matrix genau diese Eigenschaft besitzt:
cos α
sin α
cos(α/2)
cos α cos(α/2) + sin α sin(α/2)
=
sin α − cos α
sin(α/2)
sin α cos(α/2) − cos α sin(α/2)
30
Lutz Hille und Angela Holtmann
=
(cos2 (α/2) − sin2 (α/2)) cos(α/2) + 2 sin(α/2) cos(α/2) sin(α/2)
2 sin(α/2) cos(α/2) cos(α/2) − (cos2 (α/2) − sin2 (α/2)) sin(α/2)
=
cos(α/2)
sin(α/2)
wegen sin2 (α/2) + cos2 (α/2) = 1. Weil die Abbildung auch die Winkel erhält, muss jeder Vektor,
der senkrecht auf g steht, wieder auf einen Vektor, der senkrecht auf g steht und die gleiche Länge
hat, abgebildet werden. Dann ist das Bild von v entweder v selbst – die Abbildung ist also dann
Identität (das ist nicht möglich) –, oder v wird auf −v abgebildet, und die Abbildung ist eine
Spiegelung (bildet also jeden Vektor u, der senkrecht auf g steht, auf −u ab).
Eine zweite Möglichkeit, den Satz zu beweisen, benutzt die Eigenschaft der Komposition von
Drehung und Spiegelung. Ist B hier die Spiegelung an der x-Achse und Aα die Drehung um den
Winkel α, dann ist Aα B genau die Spiegelung an der Geraden g.
Sei jetzt G eine Untergruppe von I. (Solche Gruppen werden wir in den folgenden Abschnitten
studieren.) Dann kann man zu G die folgenden Gruppen assoziieren:
1) Die Punktgruppe G0 := G ∩ O (Isometrien, die 0 fest lassen).
2) Die Gruppe der Translationen TG := {A ∈ G | A ist eine Translation }. Da jede Translation x 7→ x + b einem Element b ∈ R2 entspricht, kann man TG als Untergruppe von R2
(mit der Addition) auffassen.
3) Die Quotientengruppe G0 := G/TG besteht aus allen Nebenklassen von cTG in G. Diese
Menge ist wieder eine Gruppe und enthält G0 als eine Untergruppe, da G0 ∩ TG = {E2 }
gilt (der Durchschnitt enthält also nur die Identität).
3.2.2. Isometrien von Gittern. In diesem Abschnitt betrachten wir Teilmengen Γ ⊂ R2 mit folgenden Eigenschaften:
1) In jedem Parallelogramm P sind nur endlich viele Elemente von Γ enthalten,
2) die Gruppe aller Isometrien, die Γ auf sich überführen, enthält zwei linear unabhängige
Verschiebungen, und
3) Γ ist eine Untergruppe im R2 .
Eine solche Teilmenge Γ heißt auch (ebenes) Gitter.
Beispiel 3.1. Die Menge Γ = Z2 heißt auch Standardgitter. Weitere Gitter erhält man wie folgt:
1) Es seien u und v zwei linear unabhängige Vektoren im R2 . Wir können zum Beispiel
annehmen, dass u = (1, 0)t und v = (a, b)t gilt für ein a, b ∈ R und b 6= 0. Dann ist
Γ := Zu + Zv = {αu + βv | α, β ∈ Z} ein Gitter. Die Gruppe der Isometrien des Gitters
hängt dann von u und v ab.
2) Es sei Γ das Gitter aufgespannt durch u = (1, 0)t und v = (1/3, 1). Die Isometriegruppe
diese Gitters besteht aus allen Verschiebungen der Form x 7→ x + αu + βv und Kompositionen mit der Drehung um π.
3) Betrachten wir das Gitter aufgespannt durch u = (1, 0)t und durch v = (1/2, 1), so gibt es
neben den Verschiebungen weitere Isometrien.
Es sei jetzt Γ ein Gitter. Dann besitzt Γ ein Element u kürzester Länge und ein weiteres Element
v, welches nicht auf der Geraden durch u liegt und kürzeste Länge mit dieser Eigenschaft besitzt.
Ersetzt man, wenn |u − v| > |u + v| gilt, v durch −v, erhält man in jedem Gitter eine Basis mit
fogenden Eigenschaften:
1) |u| ≤ |v| ≤ |u − v| ≤ |u + v|, und
2) u und v bilden eine Gitterbasis. Es gilt also: Γ = {au + bv | a, b ∈ Z}
Symmetrie als fundamentale Idee (GHR-Vorlesung) – WS 2007/08
31
Für jedes Gitter Γ betrachten wir die Gruppe G aller Gitterisometrien
G := {f ∈ I | f (Γ) = Γ}.
Diese Gruppe besteht also aus allen Isometrien, die das Gitter wieder auf sich überführen. Damit
ist G wieder eine Gruppe. Damit haben wir dann für jedes Gitter Γ die Gruppen TG , G0 ⊆ G0
(siehe vorheriger Abschnitt).
Satz. (Klassifikation der Gitterisometrien) Jedes Gitter Γ erfüllt genau eine der folgenden Bedingungen. Dabei seien u und v Vektoren wie oben definiert:
1)
2)
3a)
3b)
4)
5)
|u| = |v| = |u − v| < |u + v|
|u| = |v| < |u − v| = |u + v|
|u| = |v| < |u − v| < |u + v|
|u| < |v| = |u − v| < |u + v|
|u| < |v| < |u − v| = |u + v|
|u| < |v| < |u − v| < |u + v|
(hexagonales Gitter),
(quadratisches Gitter),
(Rautengitter),
(Rautengitter),
(rechteckiges Gitter),
(schiefes Gitter).
Die Gitter 3a) und 3b) haben isomorphe Gruppen G, T und G0 ⊆ G0 .
Beweis. Zuerst bemerken wir, dass für jede Abbildung f ∈ O und für jede Streckung λE2 die Gitter
Γ und λf Γ isomorphe Isometriegruppen haben. Es gilt: G(λf Γ) = f G(Γ)f −1 . Damit können wir Γ
so strecken, dass |u| = 1, und dann so drehen, dass u = (1, 0)t . Wegen |u| ≤ |v| ≤ |u − v| ≤ |u + v|
können wir annehmen, dass v die folgenden Bedingungen erfüllt: −1/2 ≤ v1 ≤ 1/2 und |v| ≥ 1.
Ersetzen wir jetzt noch v durch sein Spiegelbild (−v1 , v2 ) bezüglich der y-Achse, können wir sogar
annehmen, dass 0 ≤ v1 ≤ 1/2 gilt.
Betrachten wir die Fälle im Einzelnen, dann ergibt sich:
√
1) v = (1/2, 3/2)t ,
2) v = (0, 1)t ,
3a) |v| = 1, aber v1√6= 0, 1/2,
3b) v1 = 1/2 v2 > 3/2,
4) v1 = 0, v2 > 1 und
5) v1 6= 0, v1 6= 1/2, |v| > 1.
Damit haben wir alle Fälle im einzelnen diskutiert. Die zugehörigen Gruppen berechnen wir im
nächsten Teil. Man sieht aber auch direkt, dass 3a) und 3b) beides Rautengitter sind.
Um die Gruppen besser zu verstehen, definieren wir ihre entsprechenden Fundamentalbereiche. Es
sei dazu G irgendeine Untergruppe der Isometriegruppe der Ebene. Ein Fundamentalbereich ist
dann eine Teilmenge F = F (G) des R2 mit folgenden Bedingungen:
F1) Die Menge F ist ein konvexes Polytop.
F2) Die Vereinigung aller Bilder gF füllt die ganze Ebene aus.
F3) Für jedes Gruppenelement g ∈ G ist der Durchschnitt von F und seinem Bild gF eine
Teilmenge des Randes von F .
Bemerkung. Einen Fundamentalbereich P kann man dann als minimal möglichen Pflasterstein
auffassen. Wendet man die Gruppenelemente einzeln auf den Pflasterstein an, parkettiert man die
ganze Ebene. Hat man zwei Gruppen G und H mit H ⊂ G, dann ist ein Fundamentalbereich PH
von H gegeben durch die Vereinigung aller Pflastersteine hPG , wobei h die Repräsentanten der
Nebenklassen von G/H durchläuft (für jede Nebenklasse wählt man also ein h aus). Dadurch kann
man sich die Nebenklassen sehr schön veranschaulichen.
1) Das hexagonale Gitter
Die Punktgruppe G0 ist dann die Diedergruppe D6 . Sie teilt den Fundamentalbereich
PT für T in zwölf Teile. Der Fundamentalbereich P für G ist dann ein Dreieck mit den
32
Lutz Hille und Angela Holtmann
2)
3)
4)
5)
drei Ecken: Mittelpunkt von PT , Mittelpunkt einer Kante von PT und ein benachbarter
Gitterpunkt. Die ganze Gruppe G kann dann von drei Elementen erzeugt werden, die den
drei affinen Spiegelungen am Rand von P entsprechen.
Das quadratische Gitter
Die Punktgruppe ist hier die Diedergruppe D4 . Sie teilt den Fundamentalbereich PT
für T in acht Teile. Der Fundamentalbereich P für G besteht dann aus einem Dreieck mit
den drei Ecken: der Mittelpunkt von PT , der Mittelpunkt einer Kante von PT und ein
benachbarter Gitterpunkt. Die ganze Gruppe G kann dann wieder von den drei affinen
Spiegelungen am Rand von P erzeugt werden.
Das Rautengitter
Die Punktgruppe ist in diesem Fall einfach die Kleinsche Vierergruppe Z2 ×Z2 . Sie wird
von zwei Spiegelungen erzeugt. Die Gruppe G kann beim Rautengitter von drei Elementen
erzeugt werden, dabei sind zwei Elemente Spiegelungen, die dritte ist eine Drehung um π.
Das rechteckige Gitter
Die Punktgruppe ist in diesem Fall wieder die Kleinsche Vierergruppe Z2 × Z2 . Sie wird
von zwei Spiegelungen erzeugt. Die Punktgruppe kann also zwischen dem Rautengitter
und dem rechteckigen Gitter nicht unterscheiden. Allerdings entspricht eine Randstrecke
im Rautengitter einer Drehung um π, wogegen beim rechteckigen Gitter alle Kanten Spiegelungen entsprechen. Die Gruppe G kann beim rechteckigen Gitter nur von vier Spiegelungen erzeugt werden.
Schiefes Gitter
Das schiefe Gitter hat eine Punktgruppe der Ordnung 2. Sie wird von einer Drehung
um π erzeugt.
Symmetrie als fundamentale Idee (GHR-Vorlesung) – WS 2007/08
G0 mit Fundamentalbereich Fundamentalbereich für T
Nr.
Gitter
1)
hexagonal
D6
2)
quadratisch
D4
3)
Rautengitter
Z2 × Z2
4)
rechteckig
Z2 × Z2
5)
schief
Z2
33
34
Lutz Hille und Angela Holtmann
3.2.3. Die Friesgruppen. Mit Hilfe der Gitter kann man sehr leicht auch die sieben Typen von
Friesgruppen klassifizieren. Dabei ist die Punktgruppe aber abhängig vom Basispunkt. Man muss
darum alle möglichen Punktgruppen betrachten. Analog bekommt man dann wieder Fundamentalbereiche, an denen man sich die einzelnen Gruppen sehr leicht veranschaulichen kann. Es sei
dazu F ein Fries. Für uns ist das seine Teilmenge im R2 , die folgende Eigenschaften besitzt:
1) Sie ist im Band R × [−1, 1] enthalten.
2) Sie ist invariant unter Verschiebung um 2 nach rechts.
3) Es gibt keine kürzere Verschiebung, die den Fries F auf sich abbildet.
Wie vorher interessieren wir uns für die entsprechenden Gruppen. Die Gruppe G besteht dann
aus allen affinen Abbildungen, die den Fries wieder auf sich selbst abbilden. Zwei Friese sehen wir
als äquivalent an, wenn sie die gleichen Friesgruppen G haben. Äquivalente Friese kann man sehr
unterschiedlich realisieren; wir werden stets versuchen, möglichst einfache Beispiele zu finden.
Wir betrachten dann die folgenden Gruppen und deren Fundamentalbereiche:
G sei die Friesgruppe (alle affinen Abbildungen des Frieses auf sich).
T ist wieder die Gruppe aller Translationen in G. Sie wird nach Definition von der Verschiebung
um 2 in x-Richtung erzeugt. Die Gruppe T besteht aus den Verschiebungen und den Schubspiegelungen.
Fixieren wir einen Punkt auf der x-Achse, dann könen wir die Punktgruppe G(x) zu x betrachten.
Wir werden dabei nur die Punkte x betrachten, für die G(x) nicht trivial ist.
Symmetrie als fundamentale Idee (GHR-Vorlesung) – WS 2007/08
Nr. Fries
G(x) und Punkte x
1)
F1
{1}
2)
F2
1), 2) Z2 Drehung
3)
F3
1), 2) Z2 Spiegelung an der y–Achse
5)
F4.1
1),2),3) Z2 Spiegelung an der x–Achse
5)
F4.2
1) {1}
6)
F5.1
1), 2) Z2 × Z2
7)
F5.2
1) Z2 Spiegelung an der y–Achse
2) Z2 Drehung um π
Fundamentalbereich für G
35
36
Lutz Hille und Angela Holtmann
Bemerkung. Der Höhepunkt bei der Klassifikation der diskreten Symmetriegruppen der Ebene,
sind die 17 kristallographischen Gruppen. Eine vollständige Klassifikation würde den Rahmen der
Vorlesung sprengen, darum verweisen wir nur auf die angegebene Literatur.
3.3. Isometrien im dreidimensionalen Raum.
3.3.1. Konvexe Polyeder. Wir betrachten jetzt (konvexe) Polyeder im R3 (wir verwenden die begriffe Polytop und Polyeder synonym). Dabei interessieren wir uns für diejenigen Polyeder mit
vielen Symmetrien. Um die entsprechenden Symmetriegruppen zu definieren, benötigen wir wieder die Orthogonale Gruppe und die Spezielle Orthogonale Gruppe:
O3 := {f : R3 −→ R3 | f ist linear und erhält alle Abstände },
SO3 := {f ∈ O3 | det(f ) = 1}.
Jedes Element in SO3 ist eine Drehung um eine Achse. Eine Drehung ist durch ihre Drehachse und
den Drehwinkel eindeutig bestimmt. Die Gruppe O3 enthält zusätzlich Spiegelungen und weitere
Abbildungen, die Kompositionen von Spiegelungen und Drehungen sind. Eine Spiegelung ist durch
ihre Spiegelebene eindeutig bestimmt.
Sei jetzt P ein konvexes Polytop, dann definieren wir zwei Symmetriegruppen
Aut(P ) := {f ∈ O3 | f (P ) = P },
G(P ) := {f ∈ SO3 | f (P ) = P }.
Die Gruppe Aut(P ) enthält also alle linearen Abbildungen, die alle Abstände erhält und gleichzeitig das Polytop in sich überführt. Insbesondere operiert sie auf dem Polytop, seinen Ecken,
Kanten und Seitenflächen. Umgekehrt ist jedes Element f in Aut(P ) bereits durch die Aktion
auf den Ecken (oder Kanten) bestimmt. Die Elemente in G(P ) erhalten zusätzlich die Orientierung, es sind also alles Drehungen. Darum heisst G(P ) auch Drehgruppe des Polytops und Aut(P )
Automorphismengruppe.
Für ein konvexes Polytop P können wir das duale Polytop P ◦ (oft auch Polarpolytop genannt)
definieren. Dazu betrachten wir die Mittelpunkte Qi der Seitenflächen von P . Das duale Polytop
ist dann das Polytop mit Ecken Qi . Man sieht sofort, dass die 1-Skelette ebenfalls dual sind:
Lemma. Es sei P ein Polytop, dann ist das 1–Skelett von P der duale Graph zum 1–Skelett vom
dualen Polytop P ◦ .
3.3.2. Die platonischen Körper.
Definition. Ein konvexes Polytop heißt platonischer Körper, wenn alle Seitenflächen reguläre
n–Ecke sind und alle Winkel zwischen benachbarten Seitenflächen gleich sind. Damit haben alle
Kanten gleiche Länge und in jeder Ecke stoßen gleichviele Kanten zusammen. Insbesondere enthält
Aut(P ) damit Abbildungen, die einen Eckpunkt auf einen beliebigen anderen abbildet, die jede
Kante auf eine belibiege andere abbildet und die jede Seitenfläche auf jede andere Seitenfläche
abbildet.
Theorem. Es gibt, bis auf Skalierung und Drehung, genau 5 verschiedene platonische Körper.
Dabei ist das Tetraeder selbstdual, der Würfel ist dual zum Oktaeder und das Ikosaeder ist dual
zum Dodekaeder. Für die Anzahl der Ecken e, Kanten k, Seitenflächen s, die Anzahl der Ecken n
in einer Seitenfläche und die Anzahl m der Kanten je Ecke findet man dann die folgenden Werte:
Polytop
Tetraeder
Würfel
Oktaeder
Dodekaeder
Ikosaeder
e
4
8
6
20
12
k
6
12
12
30
30
s
4
6
8
12
20
n m
3 3
4 3
3 4
5 3
3 5
Symmetrie als fundamentale Idee (GHR-Vorlesung) – WS 2007/08
37
Beweis. Jeder platonische Körper hat e Ecken, k Kanten und s Seitenflächen. Alle Seitenflächen
sind reguläre n–Ecke und in jeder Ecke stoßen m Kanten (und damit auch m Seitenflächen)
zusammen. Für n können nur die Werte n = 3, 4, 5 auftreten, für die Paare (n, m) damit nur die
Werte (3, 3), (3, 4), (3, 5), (4, 3), (5, 3). Aus Eulers Polyederformel und durch vergleichen der Anzahl
der Ecken, Kanten und Seitenflächen folgt dann:
2 = e + s − k, e = sn/m = 2k/m, k = sn/2, somit 2 = s(n/m + 1 − n/2) = s(2n + 2m − nm)/2m.
Einsetzen der fünf Tripel ergibt erst s und dann die volständige Tabelle.
Theorem. Die Drehgruppen der platonischen Körper sind isomorph zu:
Polytop P
Tetraeder
Würfel und Oktaeder
Ikosaeder und Dodekaeder
G(P )
A4
S4
A5
Die Automorphismengruppe des Tetraeders ist die S4 . Die Automorphismengruppe des Würfels
kann man als Untergruppe der S6 realisieren (als Permutationsgruppe der Seitenflächen.
Beweis. Am einfachsten ist die Automorphismengruppe des Tetraeders zu berechnen. Sie vertauscht einfach die vier Eckpunkte. Umgekehrt, kann man jede Permutation der Eckpunkte als
lineare Abbildung realisieren: drei Punkte kann man frei wählen, der vierte ist dann der eindeutige
letzte fehlende Punkt. Erhält die Abbildung die Orientierung, ist das Signum der entsprechenden
Permutation 1.
Beim Würfel benötigt man ein Trick, um die Isomorphie zur S4 zu sehen. Dazu betrachtet man
die vier Symmetrieachsen, die diagonal durch je zwei Ecken verlaufen. Ein Element in G(P ) permutiert diese vier Achsen. Da jedes Element in G(P ) eine Drehung ist, gibt es genau 24 Elemente,
die Drehungen um die Symmetrieachsen des Würfels. Schaut man sich alle Fälle einzeln an, erhält
man eine Bijektion zwischen den Permutationen der vier Diagonalen Symmetrieachsen und den
Drehungen. Die Automorphismengruppe des Würfels ist etwas schwieriger zu verstehen, Man kann
sie zum Beispiel als Untergruppe des S6 auffassen (als Permutation der Seitenflächen).
Beim Dodekaeder betrachtet man die fünf Würfel, die durch eine der fünf diagonalen Strecken
in einer Seitenfläche gegeben sind. Ein Element in G(P ) permutiert diese fünf Würfel, allerdings
immer mit einer geraden Permutation. Danach zählt man wieder alle m—’oglichen Drehungen,
es sind genau 60, einschließlich der Identität. Zuletzt zeigt man, für die drei möglichen Fälle von
Drehungen, dass die Abbildung G(P ) −→ A5 injektiv ist.
3.3.3. Die Konstruktion der platonischen Körper. Die Konstruktion des Würfels, des Oktaeders
und des Tetraeders ist relativ einfach. Man kann die Ecken mit ganzzahligen Einträgen realisieren.
Nur das Ikosaeder und das Dodekaeder sind etwas komplizierter. Wir realisieren zu erst den Würfel
und darauf aufbauend das Oktaeder und das Tetraeder.
Der Würfel mit Kantenlänge zwei ist das Polytop mit Ecken:
(1, 1, 1), (1, 1, −1), (1, −1, 1), (1, −1, −1), (−1, 1, 1), (−1, 1, −1), (−1, −1, 1), (−1, −1, −1).
Sein duales Polytop, das Oktaeder, hat die Ecken
(1, 0, 0), (−1, 0, 0), (0, 1, 0), (0, −1, 0), (0, 0, 1), (0, 0, −1).
Im Würfel können wir das Tetraeder als Polytop mit Ecken
(1, 1, 1), (1, −1, −1), (−1, 1, −1), (−1, −1, 1)
realisieren.
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Lutz Hille und Angela Holtmann
Die entsprechenden 1 Skelette (und damit auch deren duale Graphen) kann man dann wie folgt
realisieren.
√
Für die Konstruktion des Ikosaeders benötigt man den goldenen Schnitt ρ := 1+2 5 . Dann betrachtet man die 12 Punkte (±1, 0, ±ρ), (0, ±ρ, ±1), (±ρ, ±1, 0). Diese Punkte bilden die Ecken
eines Ikosaeders mit Kantenlänge 2.
Die fünf Würfel im Dodekaeder kann man sich jetzt im entsprechenden 1–Skelett veranschaulichen.
Zugehörige Unterlagen
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