Gesprächsanleitung für Einrichtungen zur Plakatserie

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Stadt Karlsruhe
Sozial- und Jugendbehörde | AllerleiRauh
ANREGUNGEN FÜR GESPRÄCHE MIT JUGENDLICHEN
ÜBER DIE PLAKATSERIE VON ALLERLEIRAUH
PLAKAT 1
„NETTE JUNGS ? – BLICKE. BLÖDE SPRÜCHE. DAS VERLETZT!“
Auf dem Plakat sehen wir ein unsicher und bedrückt wirkendes Mädchen im
Vordergrund, das den Blick zu Boden gerichtet hat. Im Hintergrund feixen zwei
Jungen. Die Frage „Nette Jungs?“ verdeutlicht die Unsicherheit des Mädchen, wie sie
die Jungen und ihr Verhalten einschätzen soll. Der Hinweis „Blicke. Blöde Sprüche.
Das verletzt!“ liefert die Erklärung für ihre Bedrückung und den zu Boden
gerichteten Blick. Der Plakattext verdeutlicht das Spannungsfeld, in dem sich das
Mädchen befindet zwischen vielleicht erwünschtem Kontakt zu den beiden Jungen
einerseits und ihrer Verletzung oder Verunsicherung durch die Blicke und blöden
Sprüche der Jungen.
Das Plakat will Mädchen und Jungen zu Auseinandersetzung ermutigen über den
Unterschied zwischen gewünschter und positiv empfundener Annäherung einerseits
und sexueller Belästigung andererseits.
Einerseits wünschen sich Jugendliche Aufmerksamkeit und Zuwendung, weil diese
das in der Pubertät oft schwankende Selbstwertgefühl stärken. Andererseits kann
diese Aufmerksamkeit plötzlich beschämend und stigmatisierend werden, wenn sie
die Sexualität Jugendlicher entwertet, indem es sie zum Beispiel in die Nähe von Huren
rückt.
Die Zunahme sexualisierter Umgangsformen unter Jugendlichen wird allgemein
konstatiert. Gerade in der Pubertät machen die tief greifenden seelischen und
körperlichen Veränderungen Jugendliche besonders verletzbar. Das rasche
Wachstum führt oft genug zur Ablehnung des eigenen Körpers, was durch
Abwertungen von außen noch verstärkt wird. Die ständige Konfrontation mit zotiger,
herabsetzender Sprache und obszönen Gesten kann sich zu einer latenten
Dauerbelastung für das Körper- und Selbstwertgefühl vor allem von Mädchen,
aber auch von Jungen auswachsen.
Das Gespräch über das Plakat kann dazu beitragen, Mädchen und Jungen für die
Wahrnehmung ihrer eigenen Gefühle zu sensibilisieren, wenn sie sich mit
sexualisierter Anmache auseinandersetzen.
Fragen für Mädchen
 Was könnten die Jungen gesagt haben, wie könnten sie geschaut haben,
dass das Mädchen sich vielleicht verletzt fühlt?
 Was kennst du für Ausdrücke und Gesten, mit denen Jungen Mädchen anmachen,
wenn sie Mädchen gut finden oder ihre Aufmerksamkeit erregen wollen?
 Welche gefallen dir, welche gefallen dir nicht?
 Hat schon mal jemand Hure, „cunt“, Fotze oder ähnliches zu dir gesagt?
Wie hast du dich da gefühlt? Immer gleich?
Oder gibt es Unterschiede, je nachdem wer das wie sagt?
 Wann findest du es gut, angeschaut oder angestarrt zu werden,
wann gefällt es dir nicht?
 Was ist für dich eine gewünschte Anmache, was ist sexuelle Belästigung?
 Welche Tipps würdest du einer Freundin geben, wie sie sich vor Belästigungen und
dummen Sprüchen schützen kann?
Fragen für Jungen
 Was könnten die Jungen gesagt haben, wie könnten sie geschaut haben,
dass das Mädchen sich vielleicht verletzt fühlt?
 Mit welchen Ausdrücken, Sprüchen, Gesten, Blicken können Jungen
Mädchen verletzen?
 Welche Motive haben Jungen, solche Sprüche zu klopfen?
 Welche Ausdrücke, Gesten, Blicke findest du verletzend,
wenn sie ein Junge oder ein Mädchen dir gegenüber benutzt?
 Bist du schon mal als Schwuler, Wichser oder ähnliches beschimpft worden?
 Wie hast du dich da gefühlt? Immer gleich? Gibt es Unterschiede,
je nachdem wer das wie sagt?
 Wie können Jungen reagieren auf blöde Anmache?
 Wie würdest du reagieren?
Fragen für Mädchen und Jungen
 Welche anmachenden Gesten und Ausdrücke kennt ihr aus der Musikszene?
 Welche Art von Anmache findet ihr in eurer Clique okay?
2 bis 6
Sozial- und Jugendbehörde | AllerleiRauh, Hilfe und Beratung bei sexueller Gewalt | Otto-Sachs Straße 6, 76133 Karlsruhe
Telefon: 0721 133-5381,-5382 | Fax: 0721 133-5449 | E-Mail: [email protected]
PLAKAT 2
„BLÖDE ANMACHE? – MACHT ANGST! FREUNDE KÖNNEN HELFEN!“
Das Plakat zeigt im Vordergrund ein Mädchen, die sich gerade unangenehm berührt
zu einem Jungen umwendet, der sich ihr von hinten genähert und „Hand an sie
gelegt“ hat.
Im Hintergrund stehen drei andere Jugendliche, die die Situation mit fragendem,
skeptischem und neutralem Gesichtsausdruck beobachten.
Der Text des Plakats macht auf eine mögliche Gefühlsreaktion des Mädchens in
dieser Situation aufmerksam: sie hat Angst angesichts der unerwünschten und
vielleicht überfallartig erlebten Annäherung. Der letzte Satz „Freunde können helfen“
verweist auf Handlungsmöglichkeiten der umstehenden Jugendlichen. Sie könnten
sich einmischen, den Belästiger in seine Schranken weisen, das Mädchen zur
Abgrenzung ermutigen. Mit Unterstützung der Freunde könnte das Mädchen eine für
sie schwierige Situation vielleicht so bewältigen, dass sie gestärkt aus der Erfahrung
hervor geht.
Angesichts der schon in den Erläuterungen zu Plakat 1 beschriebenen
Dauerbombardierung mit sexuellen Reizen, kann in einer jugendlichen
Gleichaltrigengruppe eine hohe Toleranz für sexualisiertes Verhalten und
sexualisierte Sprache entstehen.
Es fällt Jugendlichen dann schwer, offen über erlebte sexuelle Belästigungen durch
andere Jugendliche und ihre Gefühle in dieser Situation zu sprechen. Gegenseitige
Unterstützung, wenn es darum geht unerwünschte Anmache zu kontern oder
abzuwehren, wird nicht eingeübt. Häufig reagieren Gleichaltrige dann überfordert
und unsensibel oder ignorant, wenn sie miterleben oder erfahren, dass jemand aus
ihrer Clique sexuell belästigt wird oder sexuelle Gewalt erlebt hat.
WAS WÜNSCHEN SICH JUGENDLICHE, DIE SEXUELLE GEWALT ERLEBEN
VON IHREN FREUNDEN?
Viele Mädchen, die die Fachberatungsstelle AllerleiRauh nach einer sexuellen
Gewalterfahrung aufsuchen, wünschen sich Anteilnahme, Unterstützung und
Solidarität ihres Freundeskreises.
Wenn sie von einem anderen Jugendlichen belästigt werden, wünschen sie sich
von ihren Freunden, dass die sich einmischen und deutlich Stellung beziehen gegen
den Belästiger.
Wenn sie sich nach einer sexuellen Gewalterfahrung einem Freund oder einer
Freundin anvertrauen, würde es ihnen helfen, wenn die ihnen zuhören, sich auf ihre
Seite stellen und das Anvertraute für sich behalten Anhand des Plakats kann diskutiert
werden, mit welchen Verhaltensweisen und Reaktionen sich Jugendliche in
Belästigungssituationen gegenseitig helfen können.
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Sozial- und Jugendbehörde | AllerleiRauh, Hilfe und Beratung bei sexueller Gewalt | Otto-Sachs Straße 6, 76133 Karlsruhe
Telefon: 0721 133-5381,-5382 | Fax: 0721 133-5449 | E-Mail: [email protected]
Fragen für Mädchen und Jungen
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Wie geht es dem Mädchen im Vordergrund?
Wie fühlen sich die Jugendlichen im Hintergrund?
Wie würdest du dich fühlen, wenn du daneben stehst?
Was könnte das Mädchen im Vordergrund sich von den anderen
Jugendlichen wünschen?
Wie könnten die Mädchen im Hintergrund das Mädchen unterstützen?
Wie könnte der Junge im Hintergrund das Mädchen unterstützen?
Wie könntest du erkennen, dass eine Freundin oder ein Freund gerade
belästigt wird?
Was würdest du dir von deinen Freunden wünschen, wenn die mitkriegen,
dass jemand versucht, dich zu belästigen?
Wie könntest du tun, wenn du mitkriegst, dass jemand aus deiner Clique ein
Mädchen belästigt?
Was könnte dich hindern, ein Mädchen oder Jungen in deiner Clique zu
unterstützen, der oder die von einem anderen sexuell belästigt wird?
Bei beiden Plakaten könnte es auch anregend sein, sie im Rollenspiel nachzustellen
die Plakate als Anregung zu nutzen, um Jugendliche zum Thema Anmache Sketche
oder kurze Geschichten schreiben zu lassen.
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PLAKAT 3
„AUCH JUNGS? – WERDEN SEXUELL MISSBRAUCHT!
SCHWEIGEN SCHÜTZT NUR DIE TÄTER UND TÄTERINNEN!“
Im Vordergrund des Plakats sitzt ein Jugendlicher zusammengesunken auf dem
Fußboden. Seine Haltung drückt Trauer und Hilflosigkeit, vielleicht Verzweiflung aus.
Auf der rechten Bildhälfte ragt der übergroße dunkle Schatten einer männlichen Figur
bedrohlich in die Höhe.
Die Frage „Auch Jungs“ begegnet den Mitarbeiterinnen und dem Mitarbeiter von
AllerleiRauh oft bei ihrer Arbeit. Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass circa ein Viertel
aller Opfer sexueller Gewalt Jungen sind. Mehr noch als Mädchen neigen Jungen dazu,
sexuelle Gewalterfahrungen für sich zu behalten. Dabei spielt Angst vor der Reaktion
ihres Umfelds eine große Rolle.
Aus diesen Gründen bleiben Jungen mit ihrer Opfererfahrung und deren psychischen
Folgen oft allein und die Täter und Täterinnen entgehen der Strafverfolgung und
erfahren auch sonst keine negativen Konsequenzen für ihr Tun.
Für Jungen ist die Auseinandersetzung mit dem Thema Sexuelle Gewalt und der
Betroffenheit von Jungen sehr schwierig. Das Thema wird gesellschaftlich wenig
diskutiert und ist im Bewusstsein von Jungen kaum präsent. Wenn das Plakat mit
einer Gruppe Jungen thematisiert wird, kann es deshalb durchaus sein, dass die
Jungen mit Unglauben reagieren.
Deshalb kann es hilfreich sein, Jungen erstmal über sexuelle Gewalt an Jungen
zu Informieren
Zwischen drei Prozent und zehn Prozent aller Jungen werden Opfer von sexuellem
Missbrauch.
2005 gab es in Deutschland 14.000 Fälle von sexueller Gewalt gegen Kinder.
Laut Kriminalstatistik der Bundesregierung sind
18,2 Prozent der Täter Verwandte
30,7 Prozent Bekannte
37,0 Prozent hatten keine vorherige Beziehung zum Opfer*
6,5 Prozent blieben ungeklärt
Etwa 25 Prozent der Opfer sind Jungs.
Das Durchschnittsalter liegt bei elf Jahren.
50 Prozent der männlichen Opfer erlebten einen einmaligen Missbrauch.
Amerikanische Untersuchungen schätzen, dass circa 13 bis 25 Prozent
der Täter Frauen sind.
*In der Kriminalstatistik findet sich ein besonders hoher Anteil von Fremdtätern, weil
die Aussagebereitschaft bei Opfern von Fremdtätern am stärksten ausgeprägt ist.
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Telefon: 0721 133-5381,-5382 | Fax: 0721 133-5449 | E-Mail: [email protected]
Fragen zum Plakat
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Hast du schon mal mitbekommen, dass es auch sexuelle Gewalt an Jungen gibt?
Was glaubst du, wer macht so etwas mit Jungen?
Wem könnte ein Junge das erzählen, wenn ihm so etwas passiert?
Wie könntest du deinem besten Kumpel helfen, wenn dem das passiert wäre?
Filmempfehlung zum Thema Sexuelle Gewalt an Jungen
Der Film „Herr der Gezeiten“, USA,1991 mit Barbara Streisand und Nick Nolte
zeigt sehr eindrücklich, wie ein erwachsener Mann sich mit den Folgen der sexuellen
Gewalt auseinandersetzt, die er als Junge erlebt hat.
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