Strategien zur Behandlung parodontaler Erkrankungen des Hundes

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© Schattauer 2011
Strategien zur Behandlung parodontaler
Erkrankungen des Hundes
G. Staudacher
Tierklinik Aachen
Einleitung
Mit dem Begriff Parodontalapparat wird die anatomische Einheit
bzw. das Zusammenspiel der anatomischen Strukturen bezeichnet, das den Zahn im Kiefer verankert: Alveolarknochen, Zahnhalteapparat (Parodontalfasern), Wurzelzement und Zahnfleisch
(8, 12). Im deutschen Sprachraum wird der Begriff der „Parodontalligament“ ausschließlich für die Bindegewebsformation benutzt, die den Raum zwischen Alveolarwand und Zahnwurzel ausfüllt (47). Dagegen werden im englischsprachigen Schrifttum unter „periodontal examination“ oder „periodontal disease“ durchaus auch Untersuchungen und Prozesse verstanden, die sich auf
den gesamten Parodontalapparat erstrecken (14, 42).
Parodontale Erkrankungen finden sich bei 80% aller Hunde im
Alter von über 3 Jahren (13) und gehören somit zu den häufigsten
Erkrankungen in der Kleintierpraxis (14). Obgleich sie auch für
den Besitzer offensichtlich sind (Halitosis, Verfärbungen, Auflagerungen auf den Zähnen, Zahnfleischreizungen), wird ihre Behandlung nicht selten erst sehr spät eingeleitet. Dabei besteht zwischen
Halitosis und Parodontalerkrankungen eine signifikante Korrelation (25). In über 90% der Fälle gehen beim Hund Zähne aufgrund
von Schädigungen des Zahnhalteapparats verloren. Nicht zuletzt
können Parodontalerkrankungen zu oronasalen Fisteln oder pathologischen Kieferfrakturen führen (8). Damit ist dieses Problem
erheblich wichtiger als Karies oder Zahnfrakturen. Darüber hinaus
haben Parodontalerkrankungen einen erheblichen Einfluss auf
den Gesundheitszustand des Patienten insgesamt: Die Konzentration systemischer Parameter (CRP, Protein-Kreatinin-Verhältnis
im Urin [UPC], Mikroalbuminurie, Blutdruck) korreliert mit dem
Schweregrad der parodontalen Entzündung. Nach erfolgreicher
Parodontalbehandlung sinken die Werte dieser Parameter (37).
Zahlreiche Organschäden können auf Parodontalerkrankungen
beruhen (5). Darüber hinaus stehen Parodontalerkrankungen in
Verdacht, eine systemische Immunsuppression auszulösen (30).
Aus den genannten Gründen ist eine gute Überwachung und PfleStrategies for treating canine periodontal disease
Tierärztl Prax 2011; 39 (K): 121–133
Eingegangen: 9. Dezember 2010
Akzeptiert nach Revision: 2. März 2011
Korrespondenzadresse
Dr. Gerhard Staudacher
Fachtierarzt für Kleintiere, Tierzahnheilkunde, Augenheilkunde
Tierklinik Aachen
Trierer Straße 652–658
52078 Aachen
www.tierklinik-aachen.de
E-Mail: [email protected]
ge des Gebisses („dental care“) für die Gesunderhaltung und Lebensqualität der Haustiere äußerst wichtig (20).
Parodontalerkrankungen manifestieren sich in ausgesprochen
vielfältiger Form. Die Klassifikation von 1989 wurde 1999 auf dem
International Workshop for a Classification of Periodontal Diseases and Conditions (22) verbessert und gilt inzwischen als allgemein akzeptiert (46). Daran kann sich die Behandlung orientieren (8, 12, 21). Ein gutes Konzept für Diagnostik und Therapie parodontaler Erkrankungen hat größte praktische Bedeutung (8, 22).
Ziel der tierärztlichen Gebisssanierung ist – anders als bei den
meisten Laienbehandlern – nicht die rein optische Verbesserung
des Gebisses durch Reinigung der Kronenoberflächen. Es geht vielmehr um den Gebissstatus, die Diagnose und Therapie von Erkrankungen von Gingiva, Zahnhalteapparat, Zähnen und Kiefer.
Im Fokus der Behandlung steht dabei der dentogingivale Rand (8).
In vielen Praxen wird die Behandlung schon vor der Politur abgeschlossen. Dieser Artikel soll aufzeigen, dass die sich die Qualität
von Diagnostik und Therapie mit einfachen Mitteln deutlich verbessern lässt. Abschließend muss der Tierhalter informiert und
motiviert werden, die Behandlung seines Tieres fortzusetzen. Bei
der Prävention und Therapie parodontaler Erkrankungen spielt
der Tierbesitzer nämlich eine große Rolle (8).
Das intakte Parodont
Das gesunde Parodont verankert den Zahn in der Alveole und schafft
am dentogingivalen Rand einen physiologischen Abschluss (8, 14).
Die Gingiva stellt dabei in Höhe des Kronensaums mittels des Verbindungsepithels ein dichtes Attachment zum Schmelz her. Das Sulkusepithel ist die Übergangszone in das verhornte Gingivaepithel
(씰Abb. 1). Die Adhäsion der Gingiva am Zahn wird mit dem Begriff
epitheliales Attachment beschrieben. Dies ist die schwächste Stelle in
der Zahnverankerung, der bei der Entstehung von Erkrankungen
des Parodontalapparats und ihrer Behandlung besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss (8). Vom Alveolarknochen gehen
die Parodontalfasern aus. Sie strahlen in eine Matrix aus mineralischer Substanz (Wurzelzement) ein, die am Dentin verankert ist.
Diese Strukturen stellen das desmodontale Attachment dar.
Die Parodontalerkrankung
Ätiologie und Pathogenese
Verliert ein Hund einen Zahn, beruht dies fast immer auf einer vorausgegangenen Parodontalerkrankung (13). Entzündungen des
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Abb. 1 Das gesunde Parodont (S = Schmelz; Z = Zement; Saumepithel:
VE = Verbindungsepithel, DGR = dentogingivaler Rand, SE = Sulkusepithel;
GE = Gingivaepithel, MGV = mukogingivale Verbindung; A = Alveolarknochen; P = Parodontalfasern)
Fig. 1 Healthy periodontal structures (S = enamel; Z = cementum; free
gingiva: VE = junctional epithelium, DGR = gingival margin, SE = crevicular
epithelium; GE = gingival epithelium, MGV = mucogingival junction; A = alveolar bone; P = periodontal ligament)
Zahnhalteapparats entwickeln sich als Folge einer Zunahme des
Zahnbelags, der Plaque (27). Gramnegative Plaquebakterien nehmen zu. Bei manchen Tieren lassen sich spezifische Plaquebakterien isolieren (unspezifische und spezifische Plaquetheorie). In
Immunsuppression,
immunologische Dysfunktion
●
●
●
●
●
●
●
Autoimmunerkrankungen
●
●
●
●
Hypersensibilitäten
●
●
Verschiedene Erkrankungen
●
●
●
subgingivalen Taschen entsteht eine Nische für Anaerobier (15). In
der Folge wird das epitheliale Attachment gelöst und das desmodontale Attachment angegriffen und zunehmend zerstört (8, 23).
Für diesen Prozess können einige systemische Erkrankungen
begünstigend wirken (씰Tab. 1). Neben genetischen Prädispositionen (32) und degenerativen Prozessen außerhalb des Zahnhalteapparats sind weitere Faktoren von großer Bedeutung: Rasseprädispositionen (z. B. gehäufte Parodontalerkrankungen bei Zwergrassen, Gingivahyperplasie des Boxers), Zahnfehlstellungen (z. B.
Zahnengstände, Missverhältnis zwischen Zahn- und Kieferbogenlänge, enudierte Zahnwurzeln bei Querstand), Kauverhalten und
Fütterungseinflüsse (z. B. Kalzium- und Vitamindefizite, Proteinunterversorgung, ausschließliche Gabe von Weichfutter) (8, 23).
Auf den Bukkalflächen der Oberkieferseitenzähne bildet sich am
schnellsten Zahnbelag. Zum einen sind dort orale Selbstreinigungsmechanismen (Zunge, Abrieb) am schwächsten ausgeprägt,
zum anderen münden hier die Ausführungsgänge der großen
Speicheldrüsen mit Abgabe großer Mengen alkalischen Speichels
in das Vestibulum, der die Zahnsteinbildung begünstigt (8).
Die Entzündung beginnt an der Gingiva mit Rötung und
Schwellung und kann schließlich bis zu einer Osteomyelitis des
Alveolarknochens führen. Den bakteriellen Enzymen und Toxinen
wirken die Abwehrsysteme des Patienten entgegen, die den Parodontalapparat jedoch zusätzlich schädigen können. Hierbei spielen exogene (Hyaluronidase, Kollagenase, Leukotoxine, organische
Säuren u. a.) sowie endogene (Entzündungsmediatoren, Zytokine,
Metalloproteinasen u. a.) Stoffwechselprodukte eine große Rolle
(14, 16, 24). So korreliert eine erhöhte Konzentration an Prostaglandin E2 in der Sulkusflüssigkeit gut mit dem klinisch feststellbaren Ausmaß der Parodontitis (33). Durch Entzündung und Immunantwort entwickelt sich die Parodontalerkrankung zur Spirale
(„periodontal spiral“ [14]). Einen Überblick über die Entwicklung
der Erkrankung und verschiedene Möglichkeiten der therapeutischen Intervention gibt 씰Abbildung 2.
nekrotisierende ulzerierende Gingivostomatitis
Mykosen (v. a. Candida spp.)
Dysfunktion neutrophiler Granulozyten
Nebenwirkungen/Immunsuppression durch Arzneimittel
Kanines Leukozyten-Adhäsions-Defizit-Syndrom
(CLAD, Typ 1–3, betroffen v. a. Irische Setter)
Chediak-Higashi-Syndrom
andere angeborene Immundefekte
Tab. 1
Zu Parodontalveränderungen prädisponierende systemische Erkrankungen
Table 1 Systemic diseases predisposing for periodontal disease
Lupus erythematodes (systemisch, diskoid)
Pemphigus vulgaris
Pemphigoid, vesikobullöse Hauterkrankungen
Sjörgren-ähnliches Syndrom
Insektenstiche
Arzneimittelnebenwirkungen, -unverträglichkeiten
Diabetes mellitus
Nephropathie, chronisches Nierenversagen
eosinophiles Granulom
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Abb. 2
Ätiologie und Pathogenese von Parodontalerkrankungen und Möglichkeiten therapeutischen Eingreifens
Fig. 2
Etiology and pathogenesis of periodontal
disease, and potential treatment
Parodontologischer Untersuchungsgang
Klinische Untersuchung und Einschätzung
씰Abbildung 3 stellt den parodontologischen Untersuchungsgang
dar. Zunächst ist zu klären, wie der Besitzer zu seinem Tier steht,
welchen Grad der Aufmerksamkeit er der Erkrankung seines Hundes schenkt, welchen Grad der häuslichen Zahnpflege er sicherstellen kann und will und welche Maßnahmen des Besitzers das Tier
duldet. Gerade bei der Behandlung und Prophylaxe von Parodontalerkrankungen ist das Verhältnis zwischen Tierhalter und Tier
langfristig von entscheidender Bedeutung.
Nach dieser Einschätzung verschafft man sich einen Überblick
über die Verhältnisse in der Maulhöhle: Schädeltyp (brachy-, meso-,
dolichocephal), Gebisstyp, Verzahnung (orthodont?), Zahnzahl
und -stellung (überzählige/fehlende Zähne), Zahnfehlbildungen,
Schmelzdefekte, systemische Erkrankungen (→ Selbstreinigungsverhalten, patientenspezifische Risiken). Pathologische Prozesse an den
Zähnen (kariöse Defekte, Kronenfraktur, Fissur oder Pulpitis bis zur
Pulpanekrose), an der Schleimhaut (Zahnfleischzubildungen, benigne oder maligne Tumore) oder am Kiefer werden auf diese Weise
aufgedeckt und können einer Behandlung zugeführt werden. Die
Therapie solcher Veränderungen ist nicht Gegenstand dieser Arbeit.
Zur Therapiekontrolle oder zwecks Demonstration hochgradigen Befalls kann Plaque mit einem Farbstoff gut sichtbar gemacht
werden (38, 39).
Staging der Parodontalerkrankung
Nach Beurteilung der Narkosefähigkeit wird der Patient anästhesiert und Zahn für Zahn eine klinische Untersuchung vorge-
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nommen (씰Abb. 3). Das parodontale Staging dient der Gesamtbeurteilung des Zahnhalteapparats. Entsprechend dem Untersuchungsbefund lassen sich für jeden einzelnen Zahn verschiedene
Stadien der Parodontalerkrankung festlegen (씰Tab. 2). Besteht
lediglich eine Gingivitis, ist die Erkrankung noch reversibel (22).
Bei Schädigung der Parodontalfasern oder des Alveolarknochens
liegen dagegen irreversible Veränderungen vor (씰Abb. 4). Die
Parodontitis kann in jedem Stadium zum Stillstand kommen. Sie
muss nicht langsam progredient verlaufen. Vielmehr zeigt sich
vielfach ein zyklischer Verlauf mit einerseits reizarmen, andererseits aber auch hoch schmerzhaften, akuten Phasen mit großen
Plaquemengen und starker bakterieller Besiedlung (8).
An mehrwurzeligen Zähnen wird die Beteiligung der Furkation berücksichtigt: Bei Vorliegen von Grad 1 lässt sich die Furkation ertasten. Die Sonde kann bis zu einem Drittel unter die Krone
eindringen: Bei Grad 2 dringt sie mehr als ein Drittel der Wurzelbreite ein, bei Grad 3 gelangt sie unter der Krone bis auf die andere Seite des Zahnes (10). Ferner erfolgt eine Beurteilung, in welchem Umfang der Zahn von Plaque (0 = frei, 1 = dünner Film am
Zahnsaum mit der Sonde feststellbar, 2 = mäßige Plaqueschicht
am Sulkus als Linie sichtbar, 3 = hochgradige Schicht auf dem
Zahn) oder Zahnstein (0 = frei, 1 = geringgradiger supragingivaler
Zahnstein, 2 = mittelgradiger supra- oder subgingivaler Zahnstein,
3 = hochgradiger Zahnsteinbelag) befallen ist. Mit dem Gingivitis-
Abb. 3
Parodontologischer Untersuchungsgang
Fig. 3
Examination scheme for periodontal disease
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Tab. 2 Staging von Paradontalerkrankungen
Table 2 Staging of periodontal disease
Klinischer
Schweregrad
Grad
Zustand des Parodonts
Plaque/ Zahnstein
Radiologischer Befund
Prognose
Zahnfleisch gesund
0
Gingiva gesund, Randsaum anliegend,
Zähne nicht beweglich, keine Blutung beim
Sondieren
sehr wenig
kein Attachmentverlust,
Lamina dura o. b. B.,
Alveolarränder o. b. B.
sehr gut
Gingivitis
I
Rötung und Schwellung, leichte Ablösung der
Gingiva vom Zahn, Pseudotaschen möglich,
Blutung beim Sondieren
unterschiedlich
kein Attachmentverlust
reversibel
milde Parodontitis
II
Gingivakontur nicht mehr intakt, Freilegung
der Furkation (Grad 1), Rückzug der Gingiva,
Taschenbildung, Zähne beweglich, Blutung
beim Sondieren
unterschiedlich, in
der Regel deutlich
Abrundung der Alveolarränder,
Attachmentverlust bis 25%
irreversibel,
aber kontrollierbar
mittelgradige Parodontitis
III
stark
starke Blutungen beim Sondieren, Gingiva
zieht sich weiter zurück, Zahnhälse liegen frei,
Furkationsbefall Grad 2
horizontaler und/oder
vertikaler Knochenabbau,
Attachmentverlust 25–50%
irreversibel,
aber kontrollierbar
eitriger Ausfluss aus den Taschen, Abszesse,
spontane Gingivablutung, Furkationsbefall
Grad 3
horizontaler und vertikaler
Knochenabbau, Attachmentverlust > 50%
irreversibel, nur
mit Extraktion
kontrollierbar
schwere Parodontitis IV
Index (0 = frei, 1 = geringgradige Rötung, Ödematisierung, 2 =
mittelgradige Rötung und Ödematisierung, Blutung bei Sondierung, 3 = hochgradige Rötung und Ödematisierung, Spontanblutung) kann die Beteiligung des Zahnfleisches beschrieben werden (10). Entzündliche Veränderungen des Zahnfleisches und
Zahnhalteapparats müssen von Zubildungen anderer Genese abgegrenzt werden (benigne, semimaligne und maligne Tumore).
씰Abbildung 5 zeigt klinische Beispiele für verschiedene Stadien
der Parodontalerkrankung und ihre Therapie.
Für jeden Zahn ist der Sulkus zu sondieren (4, 8, 12, 14, 42). Dabei wird die Tiefe vorhandener Taschen festgestellt und nach Fisteln oder oronasalen Kommunikationen gesucht. In Taschen kann
es zur Bildung von Zahnbelägen am Zahnhals oder Wurzelabschnitten gekommen sein und dadurch bereits eine Zahnlockerung vorliegen. Bei 20% aller Hunde entsteht bereits im ersten Lebensjahr ein Attachmentverlust von mehr als 1 mm, ab einem
Alter von drei und mehr Lebensjahren sind 84% aller Hunde davon betroffen (26). Unterschieden werden muss zwischen echten
parodontalen Taschen und Pseudotaschen. Die Pseudotasche entsteht durch eine Schwellung der Gingiva (Entzündung, Ödem),
während eine echte Tasche Folge des Attachmentverlusts nach alveolärem Knochenabbau ist. Besondere Aufmerksamkeit ist den
Interdentalräumen (vor allem an Schneide- und hinteren Seitenzähnen) zu widmen. Abschließend ist die Qualität der Schleimhaut
einzuordnen.
Je nach Befund ergibt sich für jeden einzelnen Zahn eine unterschiedliche Prognose (8, 12, 14, 22). Auf der Grundlage des Staging
muss entschieden werden, welchen Erfolg eine konservative Behandlung des Zahns verspricht. Erstreckt sich das entzündliche
Geschehen auf den größten Teil mindestens einer Wurzel (Paro-
sehr stark, weit
in die Alveole
reichend
Abb. 4 Schädigung des Parodontalapparats durch fortschreitende Zahnsteinbildung. 1 = frühe Gingivitis: Schleimhautschwellung, -ödematisierung;
2 = Gingivitis mit Schleimhauthyperplasie, Pseudotaschenbildung ohne
Attachmentverlust; 3 = mittelgradige Parodontitis mit Taschenbildung in
die knöcherne Alveole hinein, vertikaler Knochenschwund, Faserzerstörung;
4 = schwere Parodontitis: erheblicher horizontaler Knochenverlust, Gingivaverlust
Fig. 4 Periodontal destruction through increasing dental plaques. 1 =
early gingivitis – gingival swelling, oedema; 2 = gingivitis with gingival
hyperplasia, development of pseudo-pockets without loss of attachment;
3 = moderate periodontitis, development of gingival pockets; vertical bone
loss, destruction of periodontal fibres; 4 = severe periodontitis: horizontal
loss of larger amounts of bone, gingival recession
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Abb. 5 Klinische Beispiele für verschiedene Stadien der Parodontalerkrankung, Differenzialdiagnosen und Therapien
Fig. 5 Clinical examples for different stages of periodontal disease, differential diagnoses and therapies
dontitis totalis, [8]), ist keine konservative Therapie mehr angezeigt. Nicht mehr erhaltungsfähige Zähne werden nach dem Staging und vor der Parodontalbehandlung extrahiert (8, 14).
Röntgenologische Untersuchung
Röntgenaufnahmen unterstützen die Differenzierung und erleichtern die Abschätzung des Attachmentverlusts. Standard der parodontalen Diagnostik ist die Kombination von Sondierung und intraoralem dentalem Röntgen (8).
Mithilfe der Röntgenuntersuchung lassen sich vertikaler und
horizontaler Knochenschwund erkennen (8, 12, 14, 19, 42). Hierfür sind vorzugsweise die Seiten- und Schneidezahnbereiche beider Kiefer jeweils separat unter Verwendung der Halbwinkeltechnik darzustellen. Die Röntgenuntersuchung muss mit feinzeichnenden Zahnfilmen erfolgen. In der Regel erfordert dies sieben
oder mehr Aufnahmen (씰Abb. 6). Röntgenaufnahmen verschaffen dem Untersucher entscheidende Informationen über den Status des Parodontiums (49). Supereruption (übermäßiges „Hochwachsen“ der Zähne), knöcherne Taschen, Resorptionen an Kno-
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Abb. 5 Fortsetzung
Fig. 5 Continued
chen und Zähnen, die Qualität der Lamina dura (Kortikalis des Alveolarknochens), vergrößerte parodontale Spalten und Prozesse
an den Wurzelspitzen wie z. B. Granulome sind ohne Röntgenaufnahme nicht abschließend zu beurteilen (31). Gelegentlich treten
auch an Hundezähnen resorptive Läsionen auf (8, 12, 40), bei Katzen sind sie sehr häufig (FORL). Vor allem an den Molaren von
Hunden können kariöse Defekte vorkommen, überwiegend an
den Kauflächen. Die röntgenologische Untersuchung dokumentiert Art und Umfang der Alveolenschädigung und trägt erheblich
zur Suche nach der Erkrankungsursache und zur Prognosestellung
bei (45). Bei 92% der Patienten ergeben sich durch die Röntgenuntersuchung neue Befunde, in über 26% zeigt sie, dass die Veränderungen durch die alleinige klinische Untersuchung unterschätzt worden wären (44).
Therapie
Die Therapie parodontaler Erkrankung ist deutlich vielfältiger, als
bislang in weiten Teilen der Praxis wahrgenommen (씰Abb. 2). Insbesondere steht dem Tierarzt eine ganze Reihe an Medikamenten
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Abb. 6 Röntgenuntersuchung eines Hundekiefers – feinzeichnende Zahnfilme. 1 = Horizontaler Knochenschwund, 2 = freiliegende Furkationen, 3 = vertikaler Knochenschwund, 4 = Wurzelspitzengranulome, 5 = Zubildungen
Fig. 6 Radiologic examination of canine jaws – intraoral radiographic films. 1 = horizontal bone loss, 2 = exposure of furcations, 3 = vertical bone loss,
4 = root granuloma, 5 = tumours.
zur Verfügung, um Plaque und Zahnsteinbildung zu verhindern
oder zu verzögern, die Keimbesiedlung zu reduzieren, die Entzündungsreaktion zu begrenzen und den Abbau des Stützgewebes zu
verzögern (7). In Abhängigkeit vom Grad der Veränderungen können Chelatbildner (z. B. Natriumhexametaphosphat), Chlorhexidin, Plaque-Aggregationshemmer (Reduktion der Biofilmbildung), Antibiotika, antibakterielle patientenspezifische Vakzinen,
nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID), Antikollagenase oder
Knochenersatzmaterialien eingesetzt werden. Bei der Antibiose
muss auf zunehmende Resistenzen geachtet werden (36). Doxycyclin entwickelt darüber hinaus Antikollagenase-Aktivität (14,
50, 51). Der Einsatz von Medikamenten ergänzt jedoch nur die erforderlichen tierzahnärztlichen Behandlungen: Reinigung, Zahnsteinentfernung, Polieren und chirurgische Maßnahmen an Zähnen, Zahnfleisch und Alveolen (4, 8, 12, 14, 34, 42).
Zahnsteinentfernung
Die Therapie beginnt mit der gründlichen Reinigung der Zähne
von Zahnbelag und Zahnstein (34). Die Entfernung dicker supragingivaler Zahnbeläge kann vorab mittels Zahnsteinentfernungszange erfolgen. Für Feinarbeiten ist vorzugsweise ein Ultraschallzahnsteinentferner zu benutzen. Die Wasserspülung dient nicht
nur der Kühlung des Geräts, sondern vor allem der Kühlung des
Zahns. An der Gerätespitze entstehen durch den Ultraschall im
Kühlwasser explosionsartig Gasblasen (Kavitation), die zur tiefen,
schonenden Reinigung der Zahnoberfläche führen (4, 5, 8, 14, 21).
Die Sondenspitze darf keine scharfen Grate und Kanten aufweisen
und soll während der Arbeit dem Zahn möglichst breit aufliegen.
Dadurch wird das Zahnhartgewebe möglichst wenig durch das Gerät traumatisiert, womit weniger Kratzer und Furchen entstehen.
Im Bereich von Zahnfleischtaschen sind tief liegende Zahnsteinbeläge für das Ultraschallgerät mit der Routinespitze häufig
nicht erreichbar. Für deren Entfernung werden subgingivale Aufsätze für das Ultraschallgerät (34) eingesetzt, die eine Führung des
Kühlwassers bis in die Tiefe der Tasche gewährleisten. Alternativ
erfolgt eine manuelle Entfernung mit speziellen scharfen Küretten (8, 34). Die subgingivale Kürette weist einen halbrunden Querschnitt und einen Anstellwinkel von ca. 15° auf. Universalküretten verfügen über zwei, Gracey-Küretten über eine scharfe Kante.
Größenvariabilität der Hunde und unterschiedliche Zahnformen
machen einen ganzen Satz unterschiedlicher Instrumente notwendig. Nach Behandlung von 10–15 Zähnen müssen Küretten
nachgeschliffen werden. Um die Anstellwinkel während des Nachschleifens exakt einhalten zu können, stehen zum Einspannen der
Kürette spezielle Halterungen zur Verfügung.
Wurzelglättung
Durch umfangreichen Knochenschwund können erhebliche Teile
der Wurzel freigelegt sein. Diese Flächen sind so weit wie möglich
zu glätten, um die Neubildung von Zahnbelag möglichst lange zu
verzögern (8, 12). Hierfür werden Handinstrumente oder spezielle, rotierende Wurzelfinierer verwendet, die Auflagerungen und
gegebenenfalls oberflächliche Zementschichten abtragen, bis ein
gleichmäßiges Niveau ohne oder mit möglichst wenig Vertiefungen entsteht (1). Abschließend werden Zähne und Zahnfleisch mit
0,1- bis 0,2%iger Chlorhexidinlösung gespült.
Polieren
Der Politur kommt große Bedeutung zu, denn nur gründliches
Glätten der Oberfläche entzieht neu entstehendem Zahnbelag die
Anheftungsfläche (38). Zur Politur finden rotierende Bürsten und
Kelche in Verbindung mit einer Polierpaste Anwendung. In Abhängigkeit von der Korngröße ergibt sich eine hoher Abtrag (größere Körner von bis zu 200 μm) oder eine besonders glatte Oberfläche (Korngrößen von 20–40 μm). Insbesondere der Bereich des
Zahnhalses ist für eine rasche Plaqueneubildung prädestiniert. Daher sollte mit einem im Sulcus arbeitenden Polierkelch bei niedri-
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G. Staudacher: Strategien zur Behandlung parodontaler Erkrankungen des Hundes
ger Drehzahl gründlich geglättet werden. Der Patient soll so in die
Lage versetzt werden, ein dichtes, entzündungsfreies Attachment
zum dichten marginalen Verschluss mittels langem Saumepithel
zu erreichen.
Eine anschließende Fluoridierung kann zur Hemmung der Belagneubildung eingesetzt werden (8, 34). Mithilfe eines Antibiotikums lässt sich die Keimbesiedlung des Zahnfleisches reduzieren.
Antiphlogistika dienen der Schmerzbehandlung.
gen nicht die erste Wahl dar. Vielmehr ist als erster Schritt ein konservatives Vorgehen sinnvoll. Ein intensives Scaling, Glätten und
Polieren mit anschließender täglicher Pflege stellt die Methode der
Wahl dar. Nur bei Patienten, deren Besitzer bereits bewiesen haben, dass sie eine postoperative Dentalhygiene gewährleisten können, kann auch ein parodontalchirurgischer Eingriff erfolgreich
verlaufen (12).
Lappenoperation
Gingivektomie und Furkationsbehandlung
Das Zahnfleisch weist sehr häufig Pseudotaschen und Hyperplasien auf. Überschüssiges, hyperplastisches oder entzündetes Gewebe kann entfernt werden (externe Gingivektomie). Ziel ist die
Schaffung eines flachen Übergangs der Gingivakontur am Zahn,
um die natürliche anatomische Kontur der Gingiva wiederherzustellen (11, 49). Dies ermöglicht eine einfache und zuverlässige
Reinigung des Gebisses durch den Besitzer (8, 10, 12, 14, 21). Mithilfe der internen Gingivektomie lässt sich oft die Entstehung
großer Wunden vermeiden. Voraussetzung für eine Keilexzision
(Marginalschnitt) am Sulkusrand ist ein ausreichend dicker, noch
intakter Gingivaanteil, der an den Zahn adaptiert werden kann. Bei
infraalveolären Taschen ist die Gingivektomie kontraindiziert, weil
sie die Taschentiefe erhöht und die Gefahr einer Freilegung des
Alveolarknochens besteht (10).
Wird die Gingivakontur lediglich durch Entfernung überschüssigen Gewebes wiederhergestellt, spricht man von Gingivoplastik.
Für die Gingivoplastik wurden spezielle zahnmedizinische Techniken entwickelt: Bei der Schnittführung wird zwischen horizontalen, vertikalen und interdentalen Inzisionen unterschieden.
Im Furkationsbereich richtet sich die Behandlung nach dem
vorliegenden Befallsgrad (Einteilung siehe Abschnitt „Staging der
Parodontalerkrankung“): Bei Grad 1 erfolgt eine geschlossene Parodontalbehandlung (Zahnsteinentfernung, Scaling, Wurzelglättung, Kürettage entzündlich veränderten Gewebes). Bei Grad 2
muss eine offene Parodontalbehandlung vorgenommen werden
(Präparation eines Schleimhautlappens, Wurzelglättung und Reposition). Alternativ kann wie bei Grad 3 tunneliert werden (operative Erweiterung der freiliegenden Furkation, um eine bessere
Reinigung zu ermöglichen). Die offene, gelenkte Geweberegeneration (s. u.) ist denkbar, aber schwierig. Bei Grad 3 ist in den meisten Fällen die Extraktion angezeigt. Nur wenn der Besitzer den Bereich zuverlässig täglich säubern kann, wird eine Tunnelierung
vorgenommen (9, 16, 24).
Zur Abheilung von Zahnfleischentzündungen und Zahnfleischtaschen kann auf das Saumepithel Tetrazyklin aufgetragen
werden. Es wirkt nicht nur antibakteriell, sondern auch als Antikollagenase (14, 50, 51). Da spezielle zahnmedizinische Formulierungen nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen, können
tetrazyklinhaltige Augensalben umgewidmet werden. Sie müssen
allerdings zwei- bis dreimal täglich aufgetragen werden.
Chirurgische Maßnahmen am Parodont über die Gingivektomie hinaus stellen bei der Behandlung parodontaler Erkrankun-
Ist es zu horizontalem Zahnfleisch- und Knochenschwund gekommen, der zu behandelnde Zahn aber noch fest im Kiefer verankert,
kann die Zahnfleischbedeckung mithilfe einer Lappenoperation
wiederhergestellt werden. Es dürfen jedoch keine Zahnfleischtaschen entstehen (16, 24, 35). Voraussetzung sind ein hygienisches
Empfängerbett und spannungsfrei transplantierbare Gingiva guter Qualität. Große Bedeutung hat die Lappenpräparation: Ein
Mukoperiostlappen ist dem Mukosalappen stets vorzuziehen. Auf
diese Weise können Verschiebeplastiken zur Deckung größerer
Defekte vorgenommen werden. Das wichtigste Anwendungsgebiet
ist die Deckung größerer Gingivadefekte an der vestibulären Alveolarwand der maxillären Canini (35) oder Reißzähne (9) mittels
Lappentechnik. Dabei sind die Techniken bei Mensch und Tier
prinzipiell identisch (2, 41, 48). Die Naht hat stets auf knöcherner
Unterlage zu erfolgen, die Wundränder müssen spannungsfrei
adaptiert sein, um Dehiszenzen zu reduzieren. Die Einstichstellen
müssen in größerem Abstand zum Wundrand liegen, die Knoten
sollen auf der Seite des fixierten Gewebes gelegt sein. Auch dem
postoperativen Management kommt große Bedeutung zu: Neben
der Antibiose ist ein gutes Schmerzmanagement notwendig (16,
24). Die Naht muss nötigenfalls auch mechanisch geschützt werden (Halskragen).
Bei den Transpositionslappen werden der apikale Verschiebelappen zur Eliminierung tiefer supraalveolärer Taschen und zur
Kronenverlängerung und der koronale Verschiebelappen zur Rezessionsdeckung genutzt. Auch der laterale Verschiebelappen dient
der Rezessionsdeckung. Mithilfe eines freien Schleimhauttransplantats können weiter entfernte Wurzeln gedeckt werden (14).
Die einfache oder doppelte Deckung aus einem Schwenklappen
und Wangenschleimhaut eignet sich zur Deckung großer Defekte
und Fisteln, z. B. nach der Caninusextraktion (bukkaler Mukoperiostverschiebelappen mit oder ohne Gaumenschwenklappen
[21]).
Unabhängig von der Operationstechnik sind eine präoperative, professionelle Zahnreinigung mit anschließender häuslicher
Zahnpflege, die intra- und postoperative medikamentöse, keimhemmende Therapie und die Nachsorge durch Tierarzt und Besitzer (Zähneputzen!) auch hierbei entscheidend.
Gelenkte Geweberegeneration
Mit zunehmendem Knochenschwund nimmt die Verankerung des
Zahns in der Alveole ab. Die Zähne lockern sich sukzessive, weil
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G. Staudacher: Strategien zur Behandlung parodontaler Erkrankungen des Hundes
immer geringere Kräfte notwendig werden, um den Zahn zu luxieren (16). Durch Verwendung von Knochenersatzmaterial oder autologen Knochenspänen kann in Verbindung mit einer Lappenoperation Stützgewebe zurückgewonnen werden (8, 16, 24). Da
sich Weichteilgewebe schneller regeneriert als Knochen, erfolgt die
Bedeckung freigelegter Zahnwurzeln hierbei überwiegend durch
Bindegewebe und Gingiva (16, 24). Es kommt nicht zur Rekonstitution eines intakten Zahnhalteapparats.
Eine konsequente Weiterführung stellt die „gelenkte Knochenregeneration“ bzw. “gelenkte Geweberegeneration” (8) dar. Hierbei wird im bereits sanierten, entzündungsfreien Zahnfleisch in
einem geschlossenen System Knochen aufgebaut und die Regeneration von Parodontalfasern angeregt. Durch Wachstumsfaktoren
stimulierte Osteoblasten integrieren Knochenersatzmaterial in
neuen Knochen. Hierfür werden verschiedene körpereigene Enzyme und Zytokine verwendet.
Die gelenkte Geweberegeneration (GTR) wird durch die Verwendung einer Trennfolie ermöglicht, unter der vor dem schnell
wachsenden Bindegewebe geschützt Knochen wiederaufgebaut
werden kann (씰Abb. 7). Hierbei entsteht anschließend auch ein
neues, intaktes Parodontalligament. Die Membran stellt eine Barriere dar, die das Eindringen von Epithelgewebe verhindert. Unter
ihrem Schutz erfolgt die Neubildung von Desmodontalfasern und
Alveolarknochen (16, 24). Die nicht resorbierbaren Membranen
aus Teflon müssen in einem zweiten Eingriff wieder entfernt werden. Alternativ können porzines Kollagen, feste resorbierbare
Membranen aus Polylactid oder Polyglykolid oder flüssige Trennmittel (z. B. Poly-DL-Lactid) zum Einsatz kommen.
Das Verfahren ist kosten- und zeitaufwendig: Nach der Initialbehandlung mit Zahnsteinentfernung und Politur erfolgt die entzündungshemmende und antibakterielle Therapie des Zahnfleisches, bis es den für eine Plastik notwendigen, einigermaßen reizlosen Status aufweist. Etwa 4–6 Wochen nach Behandlungsbeginn
kann die chirurgische Therapie erfolgen. Hierbei ist darauf zu achten, dass Membran und Gingivalappen gut gestützt und sämtliche
Nähte möglichst auf intakter knöcherner Unterlage ausgeführt
werden. Nach der Lappenoperation und Knochenaugmentation
muss über weitere 6 Wochen bei sorgfältiger Gebisshygiene eine
keimhemmende Behandlung erfolgen. Durch geeignete Fütterung
und Verhinderung eines Spielen des Hundes mit hartem Spielzeug,
Stöcken und Steinen ist die Operationsstelle zu schützen. Anschließend muss der Besitzer das Gebiss sorgfältig pflegen, um die erneute Schädigung des Parodonts zu vermeiden. Diese unterstützende
Parodontaltherapie mit Kontrolluntersuchungen wird bis zur Abheilung fortgesetzt. Aber auch danach muss der Besitzer das Gebiss
besonders sorgfältig pflegen und alle 3–6 Monate eine Untersuchung durch den Tierarzt vornehmen lassen. So stellt die Geweberegeneration nicht nur an den Operateur hohe Anforderungen. Sie
hat nur bei kooperativen Tieren mit engagierten Besitzern gute
Aussichten, dem Hund intakte Zähne noch für Jahre zu erhalten.
Dokumentation
Abb. 7 Prinzip der gelenkten Geweberegeneration: Unter dem Mukoperiostlappen (MPL) wird zum Schutz des mit plättchenreichem Plasma versetzten Bisphosphonat (BP) eine Trennfolie (TF) so dicht vernäht, dass sich
alveolärer Knochen (A) und Perdiodontium (P) ohne Einsprossen von Bindegewebe regenerieren können.
Fig. 7 Guided tissue regeneration: With platelet-rich plasma soaked bisphosphonate (BP) underneath the mucoperiostal flap (MPL) is protected by
tight fixation of a separation film (TF) to enable regeneration of alveolar
bone (A) and periodontium (P) without immigration of fibrocytes.
Durch die Dokumentation soll zum einen der Ausgangszustand
vor der tierärztlichen Maßnahme festgehalten werden. Damit wird
klar, unter welchen Bedingungen die Behandlung begonnen hat,
welche besonderen Schwierigkeiten bei Therapiebeginn vorlagen
und aus welchem Grund extrahierte Zähne nicht erhalten werden
konnten. Die Dokumentation soll ferner zeigen, welchen Behandlungserfolg die Maßnahmen hatten. Selbstverständlich hat die
Dokumentation auch forensische Bedeutung.
Die Dokumentation orientiert sich am Zahnschema nach Triadan (8, 12, 42). So kann der Zustand jedes Zahnes und des Gebisses als ganzes aufgenommen werden. Hierfür stehen unterschiedlichste Dokumentationsmittel zur Verfügung, die von Industriepartnern, sowohl Geräte- als auch Arzneimittelherstellern oder
-händlern, zur Verfügung gestellt werden (Befundbögen, graphisch ansprechende Zahnkarten etc.). In den meisten Praxen stehen EDV-Anlagen und Digitalkameras zur Verfügung, durch die
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G. Staudacher: Strategien zur Behandlung parodontaler Erkrankungen des Hundes
sich die Dokumentation erheblich verbessern lässt. Ein kommentierter, patientenspezifischer Bogen mit Fotos vor und nach der Behandlung, der auch einen Wiedervorstellungstermin enthält, kann
für den Besitzer eine wichtige Hilfe bei der Nachsorge darstellen.
der Termin einer Kontrolluntersuchung sollte darin schon festgelegt werden. Diese sollte bei Hunden ohne Gingivitis alle 12 Monate stattfinden, bei Tieren mit Parodontitis je nach klinischen Befund alle 3–6 Monate (8, 12). Werden dabei pathologische Befunde erhoben, sollte schnellstmöglich eine Behandlung erfolgen.
Nachsorge
Die Reinigung von Zahnbelag und Zahnstein, Entfernung von
Zahnfleischtaschen und gegebenenfalls der Wiederaufbau des
Zahnhalteapparats verbessern den Zustand des Gebisses eines Patienten erheblich. Sofort nach der Reinigung beginnt jedoch die
Anlagerung neuen Belags, was die Bedeutung der Nachsorge unterstreicht. Eine gute Nachsorge setzt ein enges Zusammenwirken
von Tierarztpraxis und Besitzer voraus. Sie stellt ein komplexes
Geflecht verschiedenster Maßnahmen dar (10).
Der in der Dokumentation festgehaltene Vorher-nachher-Vergleich demonstriert dem Besitzer die erreichte Verbesserung, zeigt
ihm aber auch, welcher Gebisszustand sich bei unzureichender
Nachsorge wieder einstellen wird. Somit dient die Dokumentation
auch der Besitzermotivation. Im Anschluss an die Parodontalbehandlung muss ein hygienischer Zustand erhalten werden, indem
der Besitzer seinem Hund die Zähne putzt (10). Der Tierarzt sollte Hinweise und Hilfestellungen geben, wie die häusliche Zahnreinigung zu erfolgen hat, wobei die Fähigkeiten des Tierhalters
und die Kooperationsbereitschaft des Patienten zu berücksichtigen sind. Während die Bundeszahnärztekammer für den Menschen Empfehlungen zur Zahnreinigung herausgegeben hat (6),
gibt es solche Empfehlungen für Hunde noch nicht. Die Notwendigkeit der häuslichen Pflege ist jedoch unbestritten (8, 12, 42).
Die Behandlungsintervalle lassen sich erheblich verlängern, wenn
Plaque regelmäßig entfernt und seine Neubildung reduziert wird.
Auch Kaustreifen mit oder ohne Enzyme und spezielle Hartfutter
mit einer Textur, die Zahnbelag abtragen kann, helfen dabei, möglichst lange einen hygienischen Zustand zu erhalten. Die günstige
Wirkung abrasiven Futters ist vielfach erwiesen (17, 18, 28, 29).
Mithilfe der individualisierten Zahnbroschüre kann der Tierhalter schriftlich zum weiteren Vorgehen instruiert werden. Auch
Fazit für die Praxis
In vielen Praxen bestehen Zahnbehandlungen heute aus Zahnextraktionen und Zahnsteinentfernung ohne Politur. Damit sind die Diagnose- und Therapiemöglichkeiten jedoch bei weitem nicht ausgeschöpft.
Auch könnte das Gebiss der Hunde durch einfache Pflegemaßnahmen
seitens der Besitzer deutlich besser erhalten werden. Gingivoplastik
und Knochenaugmentation erfordern sicherlich neben einer gewissen
apparativen Ausstattung Übung und Erfahrung und dürften zahntierärztlichen Spezialpraxen vorbehalten sein. Dennoch können die Patienten und tierärztlichen Praxen schon erheblich davon profitieren,
wenn das Behandlungsspektrum bei den meisten Patienten auf die
oben geschilderten Maßnahmen bis hin zur Gingivektomie ausgedehnt wird und die Besitzer motiviert werden können, nach der Behandlung eine intensive Gebisspflege vorzunehmen.
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Rezension
Zahnradiologie bei Hund und Katze
Das Buch stellt eine praktische Anleitung für
die tägliche dentalradiologische Diagnostik
dar. Die Einleitung bietet detaillierte Grundlagen zur Röntgenpraxis und zu technischen
Voraussetzungen. Komplizierte physikalische
Grundlagen werden kurz und verständlich erklärt und durch Anmerkungen und Tipps zum
Strahlenschutz sinnvoll ergänzt. Alle Erklärungen werden durch anschauliche Farbabbildungen und Beispiele unterstützt. Nicht nur häufige pathologische Befunde wie z. B. der horizontale Knochenabbau, sondern auch seltenere Befunde wie zystische Veränderungen des
Zahnhalteapparats werden eingehend und
mithilfe von Röntgenbild-Beispielen bespro-
chen. Die gute Bildqualität der im Buch verwandten Aufnahmen und die ausführliche Beschreibung der Röntgenbefunde machen alle
Veränderungen auch für den „Zahnlaien“
nachvollziehbar. In vielen Fällen ergänzt die
farbige Abbildung der klinischen Befunde die
Röntgenbilder.
Neben einer Unterteilung der Kapitel in
„Hund“ und „Katze“ und rot gekennzeichneten Merksätzen sorgt ein speziell strukturierter Seitenaufbau mit farbigen Markierungen
für eine gute Übersicht und Orientierung. Der
Abschnitt „Wissen kompakt“ am Ende eines
Kapitels fasst die wichtigsten genannten
Punkte prägnant zusammen. Das Kapitel zur
computertomographischen Diagnostik am
Zahnapparat bietet einen kurzen Einblick in
die möglichen Einsatzgebiete der weiterführenden bildgebenden Verfahren. Hier wird der
interessierte Leser auf angeführte Literaturstellen verwiesen.
Insgesamt ist es der Autorin gelungen, praxisbezogen auf Alltägliches, aber auch auf besondere Herausforderungen in der Zahnradiologie einzugehen. So kann das Buch für Einsteiger als Handbuch und dem Fortgeschrittenen zur Auffrischung und Ergänzung von praktischem und theoretischem Wissen empfohlen
werden.
Kerstin Amort, Gießen
S.-Y. Mihaljevic, 1. Aufl., 128 S., 253 Abb., mit laminierter Diagnostiktafel, Hannover: Schlütersche
2010, ISBN 978–3–89993–066–5, 39,95 €.
Tierärztliche Praxis Kleintiere 2/2011
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