Wachstumsausblick Europa, Aufschwung ohne Schwung

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WACHSTUMSAUSBLICK EUROPA
Aufschwung ohne Schwung.
Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen
März 2017

Die EU-Wirtschaft wird im laufenden Jahr nach Erwartungen der Europäischen Kommission um 1,8 Prozent wachsen, jene im Euroraum um 1,6
Prozent. Erstmals seit zehn Jahren wird das Bruttoinlandsprodukt in allen EUMitgliedstaaten zulegen, am stärksten in Rumänien und Irland. Deutschland
liegt im Wachstums-Ranking auf Platz 15 der 28 EU-Volkswirtschaften.

Nationale, europäische und globale Unsicherheiten belasten die Investitionsdynamik. Der Welthandel wird wieder stärker wachsen, und zwar um bis zu
vier Prozent. Die Nettoexporte werden jedoch kaum Impulse für die Konjunktur
liefern. Steigende Beschäftigung und Reallöhne treiben den privaten Konsum.

Der Geldpolitik fehlt die Unterstützung durch die Finanz- und Wirtschaftspolitik. Der Abbau von Haushaltsdefiziten und Leistungsbilanz-Ungleichgewichten schreitet zu langsam voran. Die Inflation zieht, getrieben durch steigende
Energiepreise, etwas an.

Der Euroraum braucht dringend eine konsequente Reformpolitik. Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit entwertet schnell und dauerhaft Know-how. Die rasche Deregulierung von Produkt- und Dienstleistungsmärkten würde Jobs
schaffen, Preise betroffener Güter senken und die Ungleichheit verringern.

Politische Faktoren wie der Brexit, das Erstarken protektionistischer Politik und die Wahlen in großen EU-Mitgliedstaaten drohen die Entscheidungsfindung auf dem Kontinent zu lähmen. Der Dämpfer für Extremisten in der
niederländischen Parlamentswahl setzt kurz vor den Wahlen in Frankreich ein
positives Signal.
Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
Inhaltsverzeichnis
Europas Wirtschaft geht mit Schwung ins Jahr 2017 ...................................................................................... 3
Reformen stocken und die Politik dreht sich im Leerlauf ....................................................................................... 3
Weltwirtschaft kehrt auf Wachstumskurs zurück.................................................................................................... 3
Prognoseüberblick Europa 2017 in Prozent .......................................................................................................... 5
Binnennachfrage bleibt Impulsgeber für das Wirtschaftswachstum .............................................................. 6
Arbeitsmarkt entwickelt sich erfreulich robust ........................................................................................................ 7
Jugendarbeitslosigkeit bleibt größte Herausforderung........................................................................................... 8
Wirtschaft gewinnt Optimismus zurück, Industrieproduktion mit steigender Tendenz ........................................... 8
Die Devisenmärkte bleiben weiterhin in Bewegung ............................................................................................. 10
Die Inflation zieht getrieben durch Energiepreise langsam an ...................................................................... 11
EZB verlängert ihr Anleihekaufprogramm und bereitet gleichzeitig den Ausstieg vor .......................................... 12
Federal Reserve Bank verschiebt die Zinserhöhungen ....................................................................................... 13
Die Kreditvergabe an Unternehmen kommt nur langsam vom Fleck ................................................................... 14
Der Rückgang von Haushaltsdefiziten und Schuldenständen setzt sich fort .............................................. 15
Positiver Ausblick in einem unsicheren Umfeld ................................................................................................... 16
Leistungsbilanzungleichgewichte reduzieren sich nur langsam ........................................................................... 17
Fazit und Perspektiven...................................................................................................................................... 19
Schlussfolgerungen für die Wirtschaftspolitik ...................................................................................................... 19
Quellenverzeichnis ............................................................................................................................................ 20
Impressum ......................................................................................................................................................... 21
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Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
Europas Wirtschaft geht mit Schwung ins Jahr 2017
Ungeachtet der hohen politischen Unsicherheiten in Europa und der Welt setzt sich das moderate Tempo der
gesamtwirtschaftlichen Expansion in der Europäischen Union in diesem Jahr fort. Zum Ende des letzten Jahres
hat der konjunkturelle Aufschwung an Fahrt aufgenommen und die jüngsten Stimmungsindikatoren deuten darauf hin, dass dieser Schwung ins Jahr 2017 mitgenommen wird.
Erfreulich ist, dass der konjunkturelle Aufschwung zunehmend mehr Länder des Euroraums erreicht und somit
auf einem breiteren Fundament steht. Die in allen großen Volkswirtschaften positiv ausgefallenen aktuellen BIPZahlen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass einzelne Staaten auch weiterhin deutliche Unterschiede
in der Wachstumsdynamik aufweisen. Die zum Teil massiven strukturellen Probleme und die nur zögerliche Umsetzung der Strukturreformen in einigen Staaten der EU, darunter auch Deutschland, Frankreich und Italien,
bremsen die konjunkturelle Erholung. Ein wirklich kräftiger Konjunkturaufschwung ist nicht in Sicht.
Der Private Konsum bleibt dank stetig steigender Beschäftigtenzahlen und der verbesserten Einkommenssituation auch weiterhin der Hauptwachstumstreiber. Allein durch die kaufkraftsinkende Wirkung der höheren Energiepreise könnten die Zuwachsraten zukünftig etwas geringer ausfallen. Auch die staatlichen Konsumausgaben
expandieren weiter, wenngleich die Ausgabenpolitik spätestens ab dem kommenden Jahr etwas restriktiver ausgestaltet sein muss, um den Schuldenstand und die Haushaltsdefizite zu begrenzen. Nur überschaubare
Wachstumsimpulse werden von den Investitionen erwartet, trotz weiterhin günstiger Finanzbedingungen und
einer Kapazitätsauslastung nahe des Vorkrisenniveaus. Die Notwendigkeit, die hohen privaten Verschuldungsquoten abzubauen, wirken eher investitionshemmend und die mittelfristigen Wachstumsaussichten sind gerade
in den mit Strukturproblemen behafteten Staaten gedämpft. Auch die hohen politischen Unwägbarkeiten könnten sich negativ auf die Investitionsbereitschaft auswirken. Vom Außenhandel werden eher unterdurchschnittliche Impulse auf das Wirtschaftswachstum erwartet, die Konjunkturerholung in den USA und den Schwellenländern könnte sich aber tendenziell günstig auf den Export auswirken.
Die Europäische Kommission (2017) erwartet für die Europäische Union im aktuellen und im kommenden Jahr
einen Anstieg des realen BIP von jeweils 1,8 Prozent und für den Euroraum von 1,6 Prozent bzw. 1,8 Prozent.
Die aktuellen Schätzungen des IWF (2017) und der OECD (2017) gehen für den Euroraum von einem Plus von
jeweils 1,6 Prozent in diesem und im kommenden Jahr aus. Der europäische Unternehmensdachverband BusinessEurope rechnet im Jahr 2017 für die EU mit 1,6 Prozent und für den Euroraum mit 1,5 Prozent Wachstum
(Lange und Watson, 2016).
Reformen stocken und die Politik dreht sich im Leerlauf
Das moderate, aber stetige Wachstum in Europa ist insbesondere in Hinblick auf den wirtschaftspolitischen Stillstand erfreulich. 2017 dürfte in weiten Teilen Europas ein Jahr mit großen politischen Veränderungen werden.
Die Wirtschaftspolitik kommt jedoch zu kurz und tiefgreifende Reformen sind somit nicht zu erwarten. Die Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland führen dazu, dass politische Entscheidungen in diesen
Mitgliedstaaten und Europa auf die lange Bank geschoben werden. Auch in Italien könnte es zu vorzeitigen
Wahlen im Jahr 2017 kommen. Bei Reformen zur Stärkung des Euroraums wird auf Zeit gespielt, ebenso bei
der Vollendung der Bankenunion und der Bereinigung des an notleidenden Krediten krankenden Bankensektors. Notwendige, aber heikle Entscheidungen werden aufgeschoben. Keimende nationalistische und protektionistische Ideen bremsen eine zukunftsorientierte Entscheidungsfindung. Aktives Handeln ist nur zu erwarten,
wenn der Leidensdruck groß genug wird. Das solide Wirtschaftswachstum kaschiert viele der Risiken. Diese
könnten jedoch sehr schnell schlagend werden. Monte Paschi di Siena, Griechenland, Staatsschulden und
China sind nur einige Schlagworte. Politische Risiken und aufkommender Populismus sind weitere Unsicherheitsfaktoren für Europa. Weltwirtschaft kehrt auf Wachstumskurs zurück
Die Weltwirtschaft hatte im letzten Jahr eine Ruhepause eingelegt. Mit einem BIP-Wachstum von 3,1 Prozent
laut IWF verzeichnet die Weltproduktion ihren geringsten Zuwachs seit dem Krisenjahr 2009. Im Herbst 2016
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Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
hat die Weltkonjunktur aber an Schwung gewonnen und expandierte im dritten Quartal 2016 mit der höchsten
Rate seit mehreren Quartalen. Auch für das vierte Quartal deuten alle Frühindikatoren nach oben (IWF 2017).
Die konjunkturelle Talsohle konnte somit im Verlauf des Jahres 2016 durchschritten werden. Und es gibt einige
Anzeichen dafür, dass sich das weltwirtschaftliche Wachstum in den kommenden zwei Jahren etwas lebhafter
entwickeln könnte. So wird mit einem Anziehen der Konjunktur in den USA gerechnet, die expansiven Maßnahmen der neuen US-Regierung entfalten ihre Wirkung in der zweiten Jahreshälfte. Die chinesische Wirtschaft
wächst mit robusten, wenn auch mit etwas geringeren Wachstumsraten infolge des strukturellen Wandels. Die
wirtschaftliche Talfahrt in Russland ist auch dank steigender Rohstoffpreise beendet. Für Japan ist angesichts
der expansiv ausgerichteten Geld- und Fiskalpolitik von einer Fortsetzung des moderaten Aufschwungs auszugehen.
Die politischen Risiken sind allerdings außergewöhnlich hoch. Die Unsicherheit über den neuen Kurs der USRegierung und deren Folgen, Unklarheit hinsichtlich der Konsequenzen aus Brexit-Entscheidung ,die komplexe
Regierungsbildung in den Niederlanden und bevorstehende Wahlen in Frankreich, Deutschland und Italien bergen große Gefahren für die konjunkturelle Erholung. Hinzu kommen die dämpfenden Wirkungen der steigenden
Energiekosten infolge des angezogenen Ölpreises. Viele Schwellenländer kämpfen weiterhin mit ungelösten
Strukturproblemen und einer zuletzt stark angestiegenen Schuldenlast, vor allem im Unternehmenssektor,
drückt auf die Dynamik, was das wirtschaftliche Wachstum dort angeht.
Ungeachtet dessen wird für die kommenden zwei Jahre eine zunehmende Belebung der Weltkonjunktur erwartet. Der IWF (2017) prognostiziert für 2017 und 2018 ein Wachstum von 3,4 Prozent bzw. 3,6 Prozent, die
OECD (2017) erwartet 3,3 Prozent bzw. 3,6 Prozent und die EU-Kommission 3,4 Prozent bzw. 3,6 Prozent.
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Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
Prognoseüberblick Europa 2017 in Prozent
BIP 2016
BIP 2017
Inflation
Arbeitslosenrate
Leistungsbilanzsaldo
Deutschland
1,9
1,5
0,4
4,4
8,6
Frankreich
1,3
1,4
0,3
10,0
-0,5
Italien
0,7
0,9
0,0
11,5
2,2
Spanien
3,2
2,3
-0,4
19,7
1,9
Niederlande
1,7
1,7
0,1
6,1
9,1
Belgien
1,2
1,3
1,7
8,0
0,1
-0,3
2,7
0,1
23,5
0,0
Irland
4,1
3,6
-0,2
8,3
9,5
Österreich
1,5
1,6
1,0
5,9
2,6
Portugal
0,9
1,2
0,7
11,1
0,0
Slowakei
3,4
3,2
-0,5
9,7
-1,0
Slowenien
2,2
2,6
0,1
8,4
7,7
Finnland
0,8
0,8
0,3
9,0
0,1
1,7
1,5
0,3
10,2
3,4
Bulgarien
3,1
2,9
-0,9
8,1
0,8
Dänemark
1,0
1,7
0,0
6,1
6,7
Großbritannien
1,9
1,0
0,7
4,9
-5,9
Polen
3,1
3,4
-0,2
6,2
-0,1
Rumänien
5,2
3,9
-1,0
6,5
-2,0
Schweden
3,4
2,4
1,1
6,8
5,0
Tschechien
2,2
2,6
0,5
4,2
1,5
Ungarn
2,1
2,6
0,4
5,1
4,9
1,8
1,6
0,3
8,7
2,2
Griechenland
Euroraum
EU
Quellen: Macrobond, Europäische Kommission
5
Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
Binnennachfrage bleibt Impulsgeber für das Wirtschaftswachstum
Ein starkes letztes Quartal sorgte 2016 für ein BIP-Wachstum im Euroraum von 1,7 Prozent und in der EU um
1,9 Prozent. Damit überholte Europa die USA, die mit 1,6 Prozent das niedrigste Plus seit fünf Jahren auswies.
Das BIP im Euroraum wuchs von Oktober bis Dezember 2016 um 0,4 Prozent gegenüber Vorquartal und um 0,5
Prozent insgesamt in der EU. Estland wies dabei mit einem Plus von 1,9 Prozent im Quartalsvergleich das
stärkste Wirtschaftswachstum unter den Euroländern auf. Auch für die restlichen baltischen Staaten sowie Spanien und Portugal konnten vergleichsweise starke Zuwächse gemeldet werden. In Griechenland sank das BIP
überraschend stark um 1,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal.
Stärkste Wachstumstreiber waren die Exporte mit einer Wachstumsrate von 1,9 Prozent im vierten Quartal 2016
und im Vorjahresvergleich um 3,1 Prozent. Die Investitionsausgaben stiegen im vierten Quartal um 0,4 Prozent
nachdem es im dritten Quartal mit minus 0,4 Prozent einen Rückgang gab. Die privaten Konsumausgaben und
jene des Staates wuchsen im letzten Quartal 2016 mit 0,5 bzw. 0,4 Prozent entlang der BIP-Entwicklung.
Allerdings könnten die steigenden Preise die Konsumlaune zukünftig etwas eintrüben. Im Februar ist die Inflationsrate mit zwei Prozent auf den höchsten Stand seit fast vier Jahren gestiegen. Hauptursache sind die wieder
kräftig anziehenden Energiepreise nach der Begrenzung der Ölproduktion. Aber auch Lebensmittel, Alkohol und
Tabak haben sich spürbar verteuert. Das lässt vermuten, dass zumindest die Dynamik bei den Konsumausgaben nicht weiter steigt, gleichwohl wird der Konsum weiterhin als Haupttriebfeder für die konjunkturelle Erholung
fungieren, auch dank der anhaltenden Besserung am Arbeitsmarkt.
Wachstumsbeiträge in der Europäischen Union
2,5
2,0
2,2
2,1
1,9
1,5
1,8
1,8
1,6
1,6
1,0
0,5
0,2
0,0
-0,4
-0,5
-1,0
-1,5
-2,0
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
Privater Konsum
Staatsverbrauch
Investitionen
Bestandsveränderung
Außenbeitrag
BIP-Wachstum
2018
Quelle: Macrobond
6
Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
Arbeitsmarkt entwickelt sich erfreulich robust
Der europäische Arbeitsmarkt stabilisiert sich weiter. Seit über drei Jahren sinkt die Arbeitslosigkeit und erreichte im Februar mit einer Quote von 8,1 Prozent den bisher niedrigsten Wert seit Sommer 2009. Mitte 2013,
in der Hochphase der Euro-Schuldenkrise, hatte die Arbeitslosigkeit Rekordwerte von über zwölf Prozent erreicht.
Die Arbeitslosigkeit konnte in allen großen Volkswirtschaften, außer in Italien, gesenkt werden. Nach wie vor gibt
es aber große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Die Tschechische Republik (3,4 Prozent) und
Deutschland (3,8 Prozent) verzeichnen die niedrigsten Arbeitslosenquoten. Die höchsten Quoten weisen Griechenland (23,0 Prozent im November 2016) und Spanien (18,2 Prozent) auf. In Spanien und Portugal konnten
die Quoten erfreulicherweise auffallend stark gesenkt werden.
Arbeitslosenrate in Prozent
13
27
12
26
11
25
10
24
9
23
8
22
7
21
6
20
5
19
4
3
18
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
EU 28
Euroraum
Deutschland
Frankreich
Italien
Niederlande
Großbritannien
Spanien (rechte Achse)
Quelle: Macrobond
Ähnlich robust entwickeln sich die Beschäftigtenzahlen. Die Erwerbstätigenquoten der 15- bis 64-Jährigen gehen seit drei Jahren stetig nach oben. In den ersten drei Quartalen 2016 lag die Quote bei 66,6 Prozent und somit erstmalig seit der Finanzkrise über dem damaligen Höchststand von 65,8 Prozent. Diese positive Entwicklung wird sich auch 2017 fortsetzen.
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Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
Beschäftigungsentwicklung in Europa
80
75
70
65
60
55
50
EU 28
Euroraum
Deutschland
Frankreich
Italien
Spanien
Niederlande
Großbritannien
Quelle: Macrobond
Jugendarbeitslosigkeit bleibt größte Herausforderung
Die hohe Jugendarbeitslosigkeit bleibt eine der größten arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen, auch wenn
sich die Lage ebenfalls etwas verbessert hat. Aktuell liegt die Arbeitslosenquote unter den 15- bis 24-jährigen
bei 20,0 Prozent im Euroraum und bei 17,7 Prozent in der Europäischen Union. Vor einem Jahr hatte die Quote
bei 21,8 Prozent gelegen. Die niedrigste Quote im Januar 2017 verzeichnete Deutschland (6,5 Prozent), die
höchsten Quoten wurden in Griechenland (45,7 Prozent im November 2016), in Spanien (42,2 Prozent) und
Italien (37,9 Prozent) registriert.
Wirtschaft gewinnt Optimismus zurück, Industrieproduktion mit steigender Tendenz
Die Stimmung der Wirtschaft im Euroraum hat sich merklich aufgehellt. Der ifo-Index stieg im ersten Quartal
2017 weiter an, nachdem er sich bereits im vierten Quartal 2016 verbesserte. Sowohl die aktuelle Lage als auch
die Erwartungen für die kommenden sechs Monate wurden deutlich positiver beurteilt. Dies deutet auf eine Fortsetzung der konjunkturellen Erholung im Euroraum hin. Auch der PMI in der Herstellung von Waren stieg unlängst merkbar an und liegt im Januar 2017 auf dem Höchststand seit 2011.
Unverändert gutes Wirtschaftsklima herrscht in Deutschland, auch in Irland, den Niederlanden, Slowenien und
Litauen überwiegt eine positive Stimmung in der Wirtschaft. In Österreich, Spanien und Finnland verbesserten
8
Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
sich die Salden deutlich ins Positive, knapp auch in Frankreich und Lettland. In Griechenland, Portugal und Italien wird die Stimmung in der Wirtschaft weiterhin skeptisch eingeschätzt, in Italien aber erstmalig mit einer positiveren Einschätzung der Erwartungen.
Nach einem kräftigen Anstieg der Industrieproduktion im November 2016 kam es im Folgemonat zu einem
Rückgang der Produktion um 1,6 Prozent im Euroraum. Das Minus ist auf eine niedrigere Produktion in nahezu
allen industriellen Hauptgruppen zurückzuführen. So sank die Produktion von Investitionsgütern am stärksten
(minus 3,3 Prozent), die Produktion von Energie sank um 1,4 Prozent, von Verbrauchsgütern um 1,2 Prozent
und von Vorleistungsgütern um 0,2 Prozent. Allein bei Gebrauchsgütern gab es einen Anstieg (plus 2,9 Prozent). In der Länderbetrachtung verzeichneten die stärksten Einbrüche ihrer Industrieproduktion Irland (minus
11,7 Prozent), Deutschland (minus 3,1 Prozent) und die Tschechische Republik (minus 2,2 Prozent). Die größten Zuwächse wurden in Kroatien (plus 3,9 Prozent), Griechenland und Malta (je plus 2,4 Prozent) registriert.
Im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresmonat legte die Produktion in der Eurozone hingegen um zwei Prozent zu. Im Gesamtjahr 2016 wuchs die Produktion in der Eurozone um 1,3 Prozent.
Industriekonjunktur im Euroraum
108
30
106
20
104
10
102
0
100
-10
98
-20
96
-30
94
-40
2010
2011
Industrieproduktion*
2012
Investitionen*
2013
2014
Einkausmanagerindex*
2015
2016
2017
ifo Wirtschaftsklima (rechte Achse)
*Index: Q1/2014=100
Quelle: Macrobond
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Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
Die Devisenmärkte bleiben weiterhin in Bewegung
Die großen Währungen der Welt kommen nicht zur Ruhe. Getrieben werden die Kurse vor allem durch politische Ereignisse und weniger durch realwirtschaftliche Entwicklungen.
Der Dollar hat im Jahr 2016 rund vier Prozent gegenüber dem Euro aufgewertet. Besonders stark war der Anstieg des Kurses in der zweiten Jahreshälfte mit rund neun Prozent von 1,14 auf 1,05 Dollar/Euro. Mit der Präsidentschaftswahl am 8. November 2016 stieg die Volatilität merklich an und wird weiterhin durch die Ankündigungen und Implementierung der ersten wirtschaftspolitischen Maßnahmen von Präsident Trump getrieben. Die
Schwankungsbreite des Dollars dürfte hoch bleiben und eine weitere Aufwertung ist zu erwarten. Das angekündigte Fiskalpaket aus Steuersenkungen und Infrastrukturmaßnahmen weisen in diese Richtung. Die Höhe des
Anstiegs hängt wesentlich davon ab, in welchem Umfang die Administration die Zustimmung des Senats für die
in den Raum gestellten Maßnahmen erhält.
Nominale Wechselkurse
120
115
110
105
100
95
90
85
80
75
Pfund Sterling
Schweizer Franken
US-Dollar
Yen
Renminbi
Nominaler, effektiver Wechselkurs gegenüber den zwölf wichtigsten Weltwährungen
Quelle: Macrobond, 01.01.2015=100
Das britische Pfund wertete nach dem Referendum am 20. Juni 2016 um gute zehn Prozentpunkte gegenüber
dem Euro ab und lag in Juli 2016 bei 0,85 Pfund/Euro. Ende Februar lag das Pfund ebenfalls bei diesem Wert,
brachte in der zweiten Jahreshälfte 2016 jedoch einige Tal- und Bergfahrten hinter sich. Nahezu jede Ankündigung über die Ausstiegsverhandlungen aus der EU und neue Wirtschaftsdaten führten zu signifikanten Ausschlägen der britischen Währung. Mit dem formellen Austrittsgesuch gemäß Artikel 50 des EU-Vertrags und
dem Bekanntwerden weiterer Details über den Verhandlungsfahrplan dürfte sich die Volatilität wieder etwas reduzieren,
Der Kurs des Schweizer Franken verlief im Jahr 2016 erstaunlich flach mit einer leichten Aufwertung Ende des
Jahres und Anfang 2017. Im Januar 2015 wertete der Franken nach der Ankündigung der Schweizer Nationalbank, die Orientierung am Euro zu beenden, von 1,2 kurzzeitig zu 0,98 Franken/Euro auf. Er stabilisierte sich
jedoch ab Mitte 2015 bei einem Kurs von etwas über 1,05. Bei diesem Wert verlieb die Schweizer Währung mit
geringen Schwankungen bis zu den letzten berücksichtigten Daten im März 2017.
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Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
Der japanische Yen wertete im letzten Quartal 2016 einige Prozentpunkte im Verhältnis zum Euro ab. Seit Anfang 2017 stabilisierte sich der Kurs wieder. Beide Währungsräume verfolgen eine lockere Geldpolitik und hatten zuletzt ihre Wachstumserwartungen übertroffen. Bei unveränderten Politiken dürften sich die beiden Währungen ohne große Variabilität weiterentwickeln.
Der chinesische Renminbi lag Mitte März 2017 bei einem Kurs von rund 7,3 Renminbi/Euro. Nach anfänglichen
Turbulenzen in 2016 entwickelte sich der Renminbi im Vergleich zum Euro weitgehend flach. Die Transformation der chinesischen Wirtschaft verläuft soweit nach Plan. Mit Kapitalverkehrskontrollen wird der Außenwert des
Renminbi stabil gehalten. Probleme bei den Entwicklungen zu einer stärker konsumgetriebenen Wirtschaft
könnten im Jahr 2017 für beträchtliche Volatilität sorgen. Die Währungsreserven der People’s Bank of China
sanken Anfang 2017 von über 3,8 Billionen Dollar in 2014 auf unter drei Billionen ab. Dies ist immer noch ausreichend, um den Renminbi im Bedarfsfall zu stabilisieren. Ein erstes Indiz für Veränderungen in der Währungspolitik – der Orientierung am Korb der wichtigsten Währungen – ist dies jedoch allemal.
Der nominale effektive Euro-Wechselkurs ist seit Beginn des Jahres 2016 gegenüber den zwölf wichtigsten
Weltwährungen weitgehend stabil geblieben. Die Schwankungsbreite lag unter fünf Prozent.
Die Inflation zieht getrieben durch Energiepreise langsam an
Im Februar 2017 erreichte die Inflationsrate mit zwei Prozent nach 1,8 Prozent im Januar einen Höchststand seit
dem Jahr 2013. Dieser Ansprung lässt sich hauptsächlich auf einen Anstieg der Energiepreise zurückführen. Die
OPEC hatte Ende 2016 eine Drosselung der Ölfördermenge angekündigt, die sich nun im Ölpreis widerspiegelt.
Damit handelt es sich um einen Einmaleffekt, der zu keinem weiteren Preisauftrieb führt. Die Kerninflationsrate
(ohne stark schwankende Energie-, Lebensmittel-, Alkohol- und Tabakpreise) blieb im Januar 2017 unverändert
bei 0,9 Prozent. Seit 2014 pendelt die Kerninflation rund um die Ein-Prozent-Marke. Der Preisauftrieb im Euroraum ist damit hauptsächlich extern geprägt und trotz der jüngsten Anstiege noch nicht selbsttragend. Die EZB
(2017) erwartet, dass die Inflationsrate in diesem Jahr bei 1,7 Prozent liegen wird und im Jahr 2018 nach dem
Einmaleffekt der Energiepreise auf 1,6 Prozent zurückgeht. In diesem Zeitraum dürfte der Preisauftrieb leicht
durch steigende Reallöhne getragen werden. Ebenso dürften Anstiege der Immobilienpreise über Einkommenseffekte den Privaten Konsum stärken. Beide Faktoren werden jedoch nur geringe Impulse auf die Preisentwicklung ausüben können.
Inflation und Kerninflation im Euroraum in Prozent
4
3
2
1
0
-1
Inflation
Kerninflation
Quelle: Macrobond
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Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
Die geografischen Unterschiede sind zuletzt zurückgegangen. Im Januar 2017 gab es in keinem der 19 Länder
im Euroraum negative Inflationsraten. Die Bandbreite bleibt jedoch hoch. Während der Preisauftrieb in Belgien
bereits über drei Prozent liegt, stiegen die Preise in Irland nur knapp über der Nullmarke an. Obgleich die Standardabweichung der nationalen Inflationsraten in letzter Zeit fiel, wird es zu keiner raschen Konvergenz kommen. Zu unterschiedlich sind die konjunkturzyklischen Positionen der Euroländer und zu wenig ambitioniert fallen Strukturreformen zur Stärkung der Konvergenz aus. Bis zum Auslaufen der expansiven Geldpolitik der EZB
ist jedenfalls zu erwarten, dass es in einigen Volkswirtschaften zu Überhitzungen mit Inflationsraten deutlich
über zwei Prozent kommen wird. Blasenbildungen auf den Vermögensmärkten muss nun verstärkt mit makroprudentiellen Maßnahmen entgegengewirkt werden.
Inflation und Kerninflation
3,5
3,0
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0
-0,5
-1,0
Inflation
Kerninflation
Quelle: Macrobond
EZB verlängert ihr Anleihekaufprogramm und bereitet gleichzeitig den Ausstieg vor
In der Pressekonferenz zu den geldpolitischen Entscheidungen der EZB am 8. Dezember 2016 hat Präsident
Draghi die Verlängerung des Anleihekaufprogramms über März 2017 bis zumindest Ende des Jahres angekündigt (EZB 2016). Gleichzeitig wird jedoch im April das Volumen der monatlichen Käufe von derzeit 80 auf 60 Milliarden Euro zurückgefahren. Im März 2017 hat die EZB (2017) diese Vorgehensweise nochmals bestätigt. Mit
diesem Schritt hat sie ein glaubwürdiges Signal zur Fortsetzung des Quantitativen Easings gesetzt und den Instrumenteneinsatz den Fakten angepasst. Die relevanten Zinssätze wurden auf ihrem Niveau belassen: der
Leitzins bei null und der Einlagenzins bei minus 0,4 Prozent. Zudem hat Präsident Draghi klargestellt, dass die
Normalisierung der Geldwertentwicklung im Euroraum noch nicht sichergestellt und selbsttragend ist und die
EZB noch längere Zeit brauchen wird, um ihr geldpolitisches Ziel zu erreichen.
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Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
In Hinblick auf die Datenlage hat die EZB damit richtig gehandelt. Der noch nicht selbsttragende Preisauftrieb
rechtfertigt noch kein Ende des Kaufprogramms im März 2017. Ab 2018 kann mit einer Trendwende der Geldund Zinspolitik gerechnet werden. Bis dahin stehen in allen Mitgliedstaaten umfangreiche Reformen und/oder
wachstumsfreundliche Konsolidierungen der öffentlichen Finanzen auf der To-Do-Liste. Ein Anstieg der Zinsen
in den nächsten Jahren und damit der Finanzierungskosten der öffentlichen Verschuldung würde im Status Quo
einige Länder vor ernsthafte Probleme stellen.
Federal Reserve Bank verschiebt die Zinserhöhungen
Die Federal Reserve Bank (FED) in den USA hat im Dezember 2016 wie erwartet den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte von 0,5 bis 0,75 Prozent erhöht. Eine weitere Erhöhung am 1. Februar 2017 blieb aus und wurde
schließlich am 15. März durchgeführt. Die Unklarheit über den wirtschaftspolitischen Kurs von Präsident Trump
erschwert die Entscheidung über die geldpolitische Stoßrichtung beträchtlich. Die gute Arbeitsmarktlage, die
stabile Konjunktur und der Preisauftrieb würden für weitere Erhöhungen sprechen. Steigende Zinsen hätten jedoch gravierende Auswirkungen auf die Finanzierung der von Trump geplanten öffentlichen Infrastruktur. Der
politische Druck auf die FED dürfte also entsprechend hoch sein (IW Köln 2017).
Die Bank of England (BoE) hat nach der Senkung der Leitzinsen von 0,5 auf 0,25 Prozent im August 2016 keine
weitere Anpassung vorgenommen. Auch in Großbritannien herrscht in Anbetracht des bevorstehenden Austritts
aus der EU beträchtliche Politikunsicherheit. Abwarten ist derzeit die Maxime.
Leitzinsen im internationalen Umfeld
7
6
5
4
3
2
1
0
European Central Bank
Federal Reserve Bank
Bank of England
Quelle: Macrobond
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Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
Die Kreditvergabe an Unternehmen kommt nur langsam vom Fleck
Das Geldmengenwachstum (M3) lag im Jahr 2016 bei rund fünf Prozent. Deutlich geringer fiel jedoch das Kreditwachstum für nicht-finanzielle Unternehmen aus, das nur knapp positiv war. Damit gab es erstmals seit 2012
keinen Rückgang der offenen Kreditvolumina. Die Dynamik ist für eine Aufschwungphase schwach. In einigen
konjunkturell besser laufenden Ländern finanzieren sich Unternehmen stark aus eigenen Erträgen und in krisengeschüttelten Ländern ist die Kreditvergabe nach wie vor schwach. Notleidende Kredite und Eigenkapitalvorschriften belasten das Kreditgeschäft. Das schwache Wachstum der Kreditvolumina liegt sicherlich auch in einer
gewünschten Entschuldung des Unternehmenssektors. Zusätzlich kommen weitere Finanzierungsquellen in
Frage. Der Anteil der Fremdkapitalfinanzierung über den Kapitalmarkt ist laut Europäischer Kommission (2017)
seit 2014 um zwei Prozentpunkte von 16 auf über 18 Prozent angestiegen. Die Investitionsdynamik der Unternehmen bleibt jedenfalls verhalten. Vor der Krise lag das Verhältnis von Investitionen zum BIP bei rund 22 Prozent, aktuell bei knapp über 20 Prozent. Beim aktuellen Wachstum des Kapitalstocks würde es bis 2023 brauchen, um wieder das Vorkrisenlevel zu erreichen.
Kredit- und Geldmengenwachstum im Euroraum im Vergleich zum Vorjahresmonat in Prozent
17,5
15,0
12,5
10,0
7,5
5,0
2,5
0,0
-2,5
-5,0
-7,5
2008
2009
Kreditvergabe
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
Geldmenge M3
Quelle: Macrobond
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Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
Der Rückgang von Haushaltsdefiziten und Schuldenständen setzt sich fort
Nach dem Höhepunkt des EU-Haushaltsdefizits im Jahr 2009 mit über sechs Prozent des BIP ist es seither konstant rückläufig. Die Europäische Kommission (2017) rechnet für das abgelaufene Jahr 2016 mit einem durchschnittlichen Haushaltsdefizit von 1,9 Prozent in der EU und 1,7 Prozent im Euroraum. Allerdings bestehen
große Länderunterschiede. Während Spanien mit einem Defizit von 4,7 Prozent das Schlusslicht bildet, erwartet
die Kommission für Luxemburg als Spitzenreiter einen Haushaltsüberschuss von 1,6 Prozent. Für Deutschland
geht die Kommission von einem Überschuss von 0,6 Prozent aus. Zum Vergleich: Die USA wiesen in den letzten drei Jahren jeweils Budgetdefizite zwischen vier und fünf Prozent auf.
Öffentliche Verschuldung in Prozent des BIP
4
2
0
-2
-4
-6
-8
-10
-12
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
EU 28
Euroraum
Deutschland
Frankreich
Italien
Spanien
Niederlande
Großbritannien
2017
Quelle: Europäische Kommission 2017
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Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
Für 2016 prognostiziert die Kommission einen Rückgang der Schuldenstände auf 85,1 Prozent des BIP in der
EU und auf 91,5 Prozent im Euroraum. Schlusslicht ist mit großem Abstand Griechenland (179,7 Prozent), danach folgen Italien (132,8 Prozent) und Portugal (130,5 Prozent). Deutschland verringert seinen Schuldenstand
gegenüber 2013 um rund 10 Prozentpunkte auf voraussichtlich 68,2 Prozent in 2016. Entscheidend für den Abbau der Schuldenstände ist eine Förderung des realen Wirtschaftswachstums. Es senkt die Schulden im Verhältnis zum BIP und ermöglicht den Regierungen zusätzlichen fiskalischen Spielraum. Damit können Haushalte
konsolidiert, Strukturreformen durchgeführt und Investitionen getätigt werden.
Öffentliche Schuldenstände in Prozent des BIP
140
132,7
130
120
110
100,3
97,5
100
94,5
90
88,2
83,3
80
70
69,4
60
61,9
50
2010
EU 28
Italien
2011
2012
Euroraum
Spanien
2013
2014
Deutschland
Niederlande
2015
2016
Frankreich
Großbritannien
Quelle: Macrobond
Positiver Ausblick in einem unsicheren Umfeld
Die Europäische Kommission (2017) erwartet ein weiter sinkendes Haushaltsdefizit im Euroraum von 1,4 Prozent für 2017 und ebenfalls von 1,4 Prozent für 2018, sofern der Kurs in der Politik unverändert bleibt. Für die
gesamte EU dürfte das Defizit 1,7 Prozent im laufenden Jahr und 1,6 Prozent in 2018 betragen. Der Rückgang
der Haushaltsdefizite spiegelt die gesunkenen Sozialausgaben in Folge der wirtschaftlichen Erholung, der geringeren Arbeitslosenraten und der gesunkenen Zinsausgaben wider. Für Deutschland liegt die Prognose bei einem leichten Haushaltsüberschuss von jeweils 0,4 Prozent in 2017 und 2018.
Die Schuldenstände bleiben weiterhin hoch und liegen deutlich über der 60 Prozent-Grenze des Maastricht-Vertrages. Aber auch hier zeichnet sich eine positive Entwicklung ab. Für den Euroraum rechnet die Kommission
mit einem Schuldenstand von 90,4 Prozent des BIP in 2017 und 89,2 Prozent in 2018. Für die EU rechnet sie
mit einem Stand von 84,8 Prozent in 2017 und 83,6 Prozent in 2018. Deutschland wird seine Staatsschuldenquote spürbar auf 65,5 Prozent in 2017 und 62,9 Prozent in 2018 senken. Für den Rückgang sind höhere Primärüberschüsse, die günstigen Auswirkungen geringerer Zinskosten, das moderate reale Wirtschaftswachstum
und gestiegene Inflationserwartungen verantwortlich.
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Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
Die positive Entwicklung steht jedoch unter Vorbehalt. Die Austrittsverhandlungen Großbritanniens aus der EU,
Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland sowie die Wirtschafts- und Handelspolitik der neuen
US-Regierung unter Präsident Trump sorgen für erhebliche Unsicherheiten.
Leistungsbilanzungleichgewichte reduzieren sich nur langsam
Die EU und die Länder im Euroraum werden in den nächsten Jahren Nettoexporteure bleiben. Die Leistungsbilanzüberschüsse dürften 2017 rund zwei Prozent (EU) bzw. drei Prozent (Euroraum) betragen. Seit 2009 hält
der Aufwärtstrend der Leistungsbilanzüberschüsse. Davor waren die Bilanzen weitgehend ausgeglichen. Seit
2013 weisen fast alle großen Volkswirtschaften im Euroraum Überschüsse aus, allen voran die Niederlande und
Deutschland. Auf Ebene der größeren Mitgliedstaaten weisen lediglich Frankreich und das Vereinigte Königreich
Leistungsbilanzdefizite auf. Im Vereinigten Königreich zieht sich dieses über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg und spiegelt die geringe Industrialisierung und Produktion von handelbaren Waren wider.
Leistungsbilanzsalden in Prozent
12
10
8
6
4
2
0
-2
-4
-6
-8
-10
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
EU 28
Italien
Euroraum
Spanien
Deutschland
Niederlande
Frankreich
Großbritannien
Quelle: Macrobond
Insbesondere der deutsche Leistungsbilanzüberschuss wurde unlängst wieder heftig kritisiert. Grundlegende
Ursache ist ein Überschuss nationaler Ersparnis aller drei Sektoren (Haushalte, Unternehmen und der öffentliche Sektor). Die Sparquote der deutschen Haushalte liegt mit 17,1 Prozent im internationalen Vergleich sehr
hoch. Im Euroraum beträgt sie 12,5, in der EU 10,3, in den USA 11,9 und in Japan 8,7 Prozent. In normalen Zeiten weisen die Unternehmen ein Defizit auf, in Zeiten schwacher Investitionen bei gleichzeitig hohen Gewinnen
weisen die Unternehmen einen Überschuss auf. Und auch der öffentliche Sektor hat zuletzt Überschüsse erzielt.
Deutschlands Überschuss wird auch durch die ungewöhnliche gesamtwirtschaftliche Situation in der Welt angetrieben. Wichtige Faktoren sind der niedrige Außenwert des Euro, die Entwicklung der Ölpreise, der wachsende
Ertrag aus Auslandsanlagen deutscher Sparer und die unzureichende Entwicklung der inländischen Nachfrage.
Die Lohnentwicklung war zwar die letzten drei Jahre solide, lag aber weiterhin unter den Niveaus, die für einen
gesamtwirtschaftlichen Ausgleich gesorgt hätten. Gleichwohl ist ein Anpassungsprozess im Gange. Deutschlands Löhne steigen stärker als bei den EU-Partnern. Die deutschen Lohnstückkosten liegen nur sechs bzw.
drei Prozent unter jenen von Italien bzw. Frankreich (IW Köln 2016). Die deutschen Produkte sind international
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Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
über die Qualität, und nicht den Preis, wettbewerbsfähig. Deutschland wie auch die gesamte EU müssen daher
bessere Rahmenbedingungen für Investitionen und Produktivitätswachstum schaffen, um die Leistungsbilanz
mittel- bis langfristig auszugleichen.
Exkurs: Säkulare Stagnation im Euroraum
Das Wachstumspotenzial in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ist seit der Krise merklich gesunken. Während es im Zeitraum von 1991 bis 2008 noch durchschnittlich bei zwei Prozent lag, so liegt der Mittelwert seit 2009 klar unter einem Prozent. Ähnlich verhält es sich bei der Arbeitsproduktivität, die von mittleren
Zuwächsen in den genannten Perioden von über einem Prozent auf deutlich weniger als ein halbes Prozent
sank. Siehe dazu auch die BDI-Produktivitätsanalyse für Deutschland und Europa (Eichert und Frisse 2016). Die
offene Frage ist nun, ob es sich nur um einen zyklischen Rückgang handelt, der aufgrund des Ausmaßes der
Krise besonders lang dauert. Oder, ob es sich um ein strukturelles Phänomen handelt und sich der Euroraum in
einer Phase der „Säkularen Stagnation“ oder des „New Normal“ befindet.
Wachstum der Arbeitsproduktivität und des Produktionspotenzials in Prozent
4
3
2
1
0
-1
-2
-3
-4
-5
2,8
2,5
2,3
2,0
1,8
1,5
1,3
1,0
0,8
0,5
Arbeitsproduktivität
Durchschnitt 1991-2008
Durchschnitt 2009 - 2018
Produktionspotential
Durchschnitt 1991-2008
Durchschnitt 2009 - 2018
Quelle: Macrobond
Die Europäische Kommission (2017) weist jedenfalls darauf hin, dass die Erholung im Euroraum wesentlich
langsamer als in anderen Wirtschaftsräumen vonstattengeht. Anhaltende Arbeitslosigkeit und niedrige Investitionslevels können das Wachstumspotenzial dauerhaft schädigen. Ein Effekt dazu ist der Verlust von Humankapital bei langzeitiger Arbeitslosigkeit. Fähigkeiten und Kompetenzen werden veraltet, wenn sie nicht im Training
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Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
on the Job laufend zum Einsatz kommen. Je länger die Arbeitslosigkeit andauert, umso gravierender der Effekt.
Man spricht von sogenannter Hysteresis. Die Folge ist eine dauerhaft höhere Basis-Arbeitslosenrate und
dadurch geringere Wachstumsaussichten. Auch die Arbeitsproduktivität sinkt ab. Die Wirtschaftspolitik kann
dem freilich entgegen wirken. Aktive Bildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen steuern diesen Effekten entgegen.
Ein weiteres Problem der langsamen Erholung ist der Investitionsrückstau. Die Investitionsrate der nicht-finanziellen Unternehmen liegt gemessen am BIP noch rund zwei Prozentpunkte unter dem Vorkrisenwerten von 24
Prozent. Der Kapitalstock veraltet und in einigen Ländern schrumpft er. Dadurch sinken die Produktivität und
das Wachstumspotenzial. Die Politik ist auch gegen diese Entwicklung nicht machtlos. Zielgerichtete öffentliche
Investitionen können einen Katalysator für private Investitionen bewirken. Der Europäische Investitionsplan ist
dabei ein Schritt in die richtige Richtung, darf jedoch nicht nur bei der Finanzierungsseite ansetzen, sondern
muss jetzt verstärkt bei den nicht-finanziellen Investitionsbarrieren ansetzen.
Die Stimmungsindikatoren zur Wirtschaftslage wie der ifo-Index, PMI oder ESI deuten aktuell deutlich nach
oben. Dies spiegelt sich jedoch nur bedingt in Wachstumszahlen wider. Die Europäische Kommission (2017) hat
dazu berechnet, dass positive Stimmungsindikatoren vor der Krise einen signifikant stärkeren Einfluss auf das
Wachstum hatten. Dies ist ein überzeugendes Indiz für ein dauerhaft beschädigtes Produktionspotenzial. Es ist
fünf vor zwölf für die Politik, um weiteren Schaden zu begrenzen.
Fazit und Perspektiven
Europas Wirtschaft wächst mit moderatem Tempo. Die Politik zeigt hingegen Ermüdungserscheinungen. Weder
auf deutscher, noch auf europäischer Ebene sind entscheidende politische Impulse zu erwarten. Aus Angst vor
Populisten wird die Politik eher verwalten, als gestalten. Die kurzfristigen Risiken für 2017 werden durch die favorable zyklische globale Entwicklung übertüncht. Die mittelfristigen Risiken für 2018 sind jedoch angestiegen.
Der Wechsel in eine ungünstige, zyklische Position, der 2018 möglich bis wahrscheinlich ist, würde viele dieser
Risiken schlagend machen und wohl eine veritable Krise verursachen. Der langfristige Ausblick ist mit schwachem Produktivitätswachstum gleichbleibend mäßig.
2018 wird also ein Jahr der Entscheidungen. Ein Positivszenario wäre ein handlungsfähiges deutsch-französisches Pärchen, das die wesentlichen europäischen Baustellen angeht. Die Negativvariante wäre weiterer politischer Stillstand oder eine Stärkung europakritisch bis –feindlicher Kräfte. Also ein Zurück ins Biedermeier des
Nationalismus und Protektionismus. Und das inklusive Abschwung, Krise und Zerreißprobe der EU und insbesondere im Euroraum. Die geldpolitischen Kanonen Draghis wären in diesem Fall nicht geladen und die fiskalischen Spielräume zum Gegensteuern gering.
Schlussfolgerungen für die Wirtschaftspolitik
Umgehend nach den Regierungsbildungen müssen die neuen Entscheidungsträger mit den notwendigen Reformen beginnen. Dazu gehören in erster Linie die Stärkung und Stabilisierung des Euroraums inkl. Banken- und
Kapitalmarktunion. Auf nationaler Ebene müssen die öffentlichen Haushalte wesentlich investitions- und wachstumsfreundlicher gestaltet werden. Bildung und Innovation müssen in das Zentrum des wirtschaftspolitischen
Handelns rücken, nicht zuletzt um inklusives Wachstum zu fördern und allen die Teilhabe am Wohlstand zu ermöglichen. Für mehr Arbeitsplätze und zur Stärkung des Wettbewerbs steht eine Stärkung des Binnenmarktes
im Vordergrund. Diese Reformen der Produkt- und Dienstleistungsmärkte schaffen Jobs, senken Preise und
verringern die Ungleichheit. Reformen dieser Art weisen fast keine negativen Begleiteffekte auf und sind für alle
Mitgliedstaaten relevant. Jene Länder mit stärkerem Wachstum müssen auch ihre Arbeitsmärkte zukunftsfit machen. Das trägt zwar kurzfristige Kosten mit sich, diese würden aber durch das Wachstum gemildert oder durch
zusätzliche aktive Arbeitsmarktpolitik sowie Bildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen abgefedert werden.
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Aufschwung ohne Schwung. Reformkurs angesichts Unsicherheit fortsetzen 23/3/2017
Quellenverzeichnis
Eichert, Wolfgang; Frisse, Kenneth (2016). Produktivitätswachstum in Deutschland. BDI. Berlin/Brüssel.
Europäische Kommission (2017). European Economic Forecast: Winter. Brüssel.
Europäische Zentralbank (2016). Von Experten des Eurosystems erstellte gesamtwirtschaftliche Projektionen für das Eurowährungsgebiet vom Dezember. Frankfurt/M.
--- (2017). Von Experten des Eurosystems erstellte gesamtwirtschaftliche Projektionen für das Eurowäh rungsgebiet im März. Frankfurt/M
Lange, Frederik; Watson, James (2016). Economic Outlook Autumn. BusinessEurope. Brüssel.
Internationaler Währungsfonds (2017). World Economic Outlook – Update. Washington, D.C.
IW Köln (2016). Lohnstückkosten im internationalen Vergleich. Beitrag vo n Christoph Schröder. Köln.
--- (2017). Fed-Zinsentscheidung - Konflikt verschoben. http://www.iwkoeln.de/presse/iw-nachrichten/beitrag/fed-zinsentscheidung-konflikt-verschoben-32477. Zugriff am 15.2.2017.
OECD (2016). Economic Outlook: November. Paris.
--- (2017). Interim Economic Outlook: March. Paris.
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