(intergouvernmentalen) Recht

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Universitätslehrgang für Informations- und
Medienrecht
Völkerrechtliche Grundlagen der
Medienordnung
Ing. Dr. iur. Christof Tschohl
Research Institute AG & Co KG
Digital Humanrights Center
Wissenschaftlicher Leiter
[email protected]
www.researchinstitute.at
TEIL I: Regelungen mit Relevanz für das
Medienrecht im internationalen
(intergouvernmentalen) Recht
Internationale Instrumente mit
medienrechtlicher Relevanz aus europäischer
Perspektive I
Praktisch keine unmittelbare Regulierung auf völkerrechtlicher Ebene
Technische Regulierung durch Standards und Softwarecode
„Regulierungsagenten“ sind Normungsgremien (ISO, ITU-T, ICANN, ETSI,…)
Transnational Corporations (TNCs) haben großes Gewicht
Völkerrechtliche Verbindlichkeit von Standards unklar: Verkehrsübung,
„normative Kraft des Faktischen“
Völkerrechtlich verbindliche Normen finden sich in Menschenrechts-Pakten
Grund- und Menschenrechte als „Schranken“ der Regulierung
International: „Soft-Law“ – staatliche Ratifizierung und Umsetzung notwendig
Regionale Instrumente in Europa haben höhere Verbindlichkeit
EMRK hat Supranationale Elemente (Individualbeschwerde, ständiger Gerichtshof,…)
EU-Regelwerk ist Supranational (international einzigartige konstruktion)
1
Internationale und europäische Pakte
Die Menschenrechtserklärungen und – Pakte des 20. Jahrhunderts
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte durch die UN 1948 daraus entstanden
Der Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte („Zivilpakt“, BPR) 1966
Der Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte („Sozialpakt“, WSKR) 1966
Resolution (A/HRC/ 20/L.13) des UN Menschenrechtsrates vom Juli 2012
Alle universellen Menschenrechte, die offline gelten, sind von den Staaten auch online zu
respektieren
Online Rechte zu haben reicht nicht - auch der Zugang zum Internet ist entscheidend (so auch
UN Sonderberichterstatter zu Meinungs- und Informationsfreiheit, Frank La Rue
Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) des Europarats 1950
Einrichtung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)
Individuelles Beschwerderecht aller Menschen im Gebiet der Mitgliedsstaaten
Grundrechte-Charta der Europäischen Union (EU)
Verbindliches Primärrecht der EU seit 2009 (Vertrag von Lissabon)
Vereint bürgerliche und politische sowie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
1948 (AEMR)
Relevante Garantien aus der allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte (AEMR) aus 1948
Art 12 AEMR:
„Niemand darf willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine
Wohnung und seinen Schriftverkehr oder Beeinträchtigungen seiner Ehre und
seines Rufes ausgesetzt werden. Jeder hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen
solche Eingriffe oder Beeinträchtigungen.“
Vgl. dazu Art 8 EMRK sowie Art 7 und 8 EU-Grundrechte-Charta
Art 19 AEMR:
„Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses
Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen so wie über
Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut
zu suchen, zu empfangenund zu verbreiten.“
Vgl. dazu Art 10 EMRK sowie Art 11 EU-Grundrechte-Charta
TEIL II: System des europäischen
Menschenrechtsschutzes – Europarat
und Europäische
Menschenrechtskonvention (EMRK)
2
Der Europarat – Überblick und Ziele
Gegründet im Jahre 1949 von 10 Staaten
Umfasst 47 Mitgliedstaaten, Sitz in Straßburg, Frankreich
Eine internationale zwischenstaatliche Organisation
Hauptziele des Europarats:
Die Verteidigung der Menschenrechte, Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit
Förderung der sozialen und wirtschaftlichen Rechte
Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz
Förderung der kulturellen Vielfalt Europas
Suche nach gemeinsamen Lösungen für die gesellschaftlichen
Probleme Europas
Entwicklung der Europäischen Identität durch Initiativen in Bildung,
Jugend, Sport und Kulturerbe
Was ist die Europäische
Menschenrechtskonvention (EMRK)?
•
Das zentrale Instrument des Menschenrechtsschutzes in Europa und
Herzstück des Europarats!
•
Völkerrechtlicher Vertrag
–
–
–
–
•
Antwort auf die Gräuel des NS-Regimes
unterzeichnet 1950, in Kraft seit 1953
Herzstück des Europarats
setzt Standards, hat Ausstrahlungswirkung
Gerichtsförmig, individuell durchsetzbar
–
–
seit 1998 ständiger GH (11. Zusatzprotokoll)
Individualbeschwerde obligatorisch
•
Supranationalität
•
Subsidiarität
–
–
–
EGMR-Urteile haben supranationale Wirkung
Beschwerdeberechtigt Staaten und Individuen
Erschöpfung innerstaatlicher Rechtsbehelfe erforderlich
EMRK - Verbindlichkeit der EMRK?
•
Ratifikation
– Ratifikationsverfahren, Ratifikationsstände (Art 59)
– Ratifikation der EMRK als „Eintrittskarte“ in EuR
– Zusatzprotokolle Nr. 1 bis 14
•
Geltungsbereich der Konvention
– Räumlicher Geltungsbereich (Art 56)
– Möglichkeit der Abgabe von Vorbehalten (Art 57)
– Möglichkeit der Kündigung (Art 58)
•
Transformation ins nationale Recht
– Unterschiedliche Transformationsmodelle in den Mitgliedstaaten
– Verfassungsrang? Gesetzesrang? Irgendwo dazwischen?
3
EMRK - Konzept der EMRK
• Liberales Grundrechtskonzept der Konvention
– Abwehrfunktion der Menschenrechte im Vordergrund
– Der Staat als natürlicher Feind der Grundrechte ?
• Ausrichtung an europäischen demokratischen und
rechtsstaatlichen Maßstäben
– EMRK als europäischer „ordre public“
• Anwendung und Auslegung der Konvention
– Autonome Auslegung der EMRK
• Begriffe sind von den Rechtsordnungen der einzelnen
Mitgliedsstaaten unabhängig( Beispiel: „civil rights“)
– Konvention ist „lebendiges Rechtsschutzinstrument“
– Diskriminierungsverbote (Art 14 und 12. Zusatzprotokoll)
EMRK - Auslegung und Anwendung der EMRK
– Präambel: Ziel des Europarats, größere Einigkeit unter den MS,
insb. Wahrung u. Entwicklung der Menschenrechte
– Autonome Auslegung der EMRK
• Begriffe sind von den Rechtsordnungen der einzelnen
Mitgliedsstaaten unabhängig( Beispiel: „civil rights“)
– Konvention ist „lebendiges Rechtsschutzinstrument“
– Diskriminierungsverbote (Art 14 und 12. Zusatzprotokoll)
EMRK - Dogmatische Grundsätze I
• Gewährleistungsumfang der Konventionsrechte:
– „Respect“
– „Protect“
– „Fulfil“
• „Notstandsfeste“ Konventionsrechte
• Absolute und unter Eingriffsvorbehalt stehende
Konventionsrechte
• Materiell determinierte Eingriffs-schranken
(„Schrankenschranken“)
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EMRK - Dogmatische Grundsätze II
• Legitime Zwecke
• Prüfungsmaßstab einer „demokratischen Gesellschaft“
– Bedeutet Verweis auf den europäischen Standard eines
demokratischen Rechtsstaats
– Einfluss der Werte: Pluralismus, Toleranz, Offenheit
• Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
social need“
„pressing
Grundrechtsschutz und Sicherheit
im Spannungsverhältnis
Grundrechte sind regelmäßig mit Vorbehalt garantiert
Ausnahmen: in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)
absolut (ohne Vorbehalt) garantiert sind nur
Folterverbot, Sklavereiverbot, der Grundsatz „keine Strafe ohne Gesetz“
Wann sind Beschränkungen der Grundrechte zulässig?
Eingriffe in Grundrechte müssen gesetzlich Vorgesehen sein
Maßnahmen müssen in einer demokratischen Gesellschaft notwendig
sein (= Grundsatz der Verhältnismäßigkeit)
Vorbehalte sind materiell beschränkt, zB Art 8 EMRK (Grundrecht auf
Privatsphäre): Beschränkungen sind zulässig, wenn sie für
die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl
des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren
Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte
und Freiheiten anderer notwendig sind
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Systematik aus der Rechtsprechung des EGMR
Liegt ein Eingriff in ein Konventionsgrundrecht vor?
Ist der Eingriff gesetzlich vorgesehen und hinreichend bestimmt?
Dient der Eingriff einem legitimen Zweck? materielle Schranken!
Ist der Eingriff abstrakt geeignet, den Zweck zu erreichen?
Gibt es gelindere Mittel, den Zweck zu erreichen?
Angemessenes Verhältnis zwischen nachteiligen Konsequenzen und
Nutzen?
– Verhältnismäßigkeit erfordert, dass wirksame kontroll- und
Rechtsschutzinstrumente bestehen!
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EMRK - Prüfungsschema Grundrechtseingriffe
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
(EGMR) - „Hüter der Europäischen MR-Verfassung“
•
•
•
•
Organ d. Europarats, Sitz in Straßburg
gegründet 1959; seit 1998 ständiger GH (11. ZP)
47 RichterInnen, 5 Sektionen, ca. 600 MitarbeiterInnen
Gründe für wiederholte Reformen: Überlastung des GH
– 2009: 1.625 Urteile (2.395 Bsw.), davon 15 zu Ö; 33.065 Bsw. für
unzulässig erklärt (+11.650 admin. erledigt); 57.100 neue Bsw.
an Entscheidungskörper zugewiesen
– Stand Ende 2009: ca. 120.000 anhängige Bsw.!
• 14. ZP soll Effizienz steigern (in Kraft seit 06/2010)
EMRK – Das Verfahren vor dem EGMR
– Staaten- oder Individualbeschwerden
– Zulässigkeitsprüfung
• Formal
• Inhaltlich: „Erheblichkeit“ durch 14. ZP neu eingeführt!
– Erstmalige Anwendung des neuen Zulässigkeitskriteriums (Ionesco gg.
Rumänien, 1.6.2010)
– Gs. einfacher Zugang zum GH, Verfahren kontradiktor. u. öffentl., Ablauf
(…)
– Versuch einer gütlichen Einigung ( Streichung), Urteil
– GH tätig als Einzelrichter, 3er-Ausschüsse, 7er-Kammern, Große
Kammer (17 Ri)
– Inhaltliche Prüfung, Ermittlungen, vorläufige Maßnahmen
• Sonderfall der Anordnung einstweiliger Maßnahmen (Art 39 EGMR-VerfO,
Bsp EGMR vom 10.3.2009, Paladi gg. Moldawien)
6
Das Verfahren vor dem EGMR Individualbeschwerde
Formale Zulässigkeitsprüfung
–
–
–
–
Partei- u. Prozessfähigkeit
Opfereigenschaft
Erschöpfung d. innerstaatl. Rechtsmittel
6-monatige Beschwerdefrist
Inhaltliche Zulässigkeitsprüfung
–
–
–
–
Anwendbarkeit d. EMRK
keine off. Unbegründetheit
sonst. Unzulässigkeitsgründe
NEU: „Erheblichkeit“ d. Verletzung (erhebl. Nachteil, Prüfung erforderl. für
Achtung d. MR, keine innerstaatl. Prüfung)
Grundzüge des Verfahrens
–
–
–
–
–
einfacher Zugang zum GH
Kontradiktorisch, öffentliches Verfahren
Gütliche Einigung ( Streichung), Urteil
Einzelrichter, 3er-Ausschüsse, 7er-Kammern, Große Kammer (17)
Inhaltliche Prüfung, Ermittlungen, vorläufige Maßnahmen
EMRK – Entscheidungen des EGMR
•
•
•
•
„Decisions“ (Zulässigkeit) und „Judgments“ (in der Sache)
Feststellungsurteile: Verletzung der EMRK/ ZP
Leistungsurteile: Zuspruch einer gerechten Entschädigung
41 EMRK)
Rechtswirkungen
(Art
– Keine Gestaltungswirkung (keine Aufhebung innerstaatl. Gesetze od.
Entscheidungen)
– Bindungswirkung unmittelbar nur gg. beteiligte Staaten
– Orientierungs-/Präjudizwirkung
•
Umsetzungsverpflichtung (Art 46 EMRK)
– Individuelle Maßnahmen (Entschädigung, Wiedergutmachung)
– Generelle Maßnahmen (Gesetzänderung, Anpassung d.
Rsp/Verwaltungspraxis, Information d. Gerichte u. Behörden…)
• Überwachung durch Ministerkomitee (zB EGMR vom 30.06.2009, VgT gg.
Schweiz II; EGMR 15.10.2009, Ivanov gg. Ukraine)
TEIL III: Schutz der Menschenrechte im
System der Europäischen Union (EU)
7
Menschenrechte in der EU –Die konzentrischen
Kreise des europäischen Menschenrechtsschutzes
• EU
28 Mitgliedstaaten
• Europarat 47 Mitgliedstaaten:
– alle EU-Staaten)
– Staaten aus dem GUS-Raum
• OSZE
56 teilnehmende Staaten:
– alle Staaten Europas
– die Nachfolgestaaten der Sowjetunion
– sowie USA und Kanada
Europäische Organisationen - Überblick Mitglieder
OSCE 56
Belarus
Kazakhstan
Kyrgyzstan
Tajikistan
Turkmenistan
Uzbekistan
EU 27
Austria, Belgium, Bulgaria,
Cyprus, Czech Republic,
Denmark, Estonia, Finland,
France, Germany, Greece,
Hungary, Ireland, Italy, Latvia,
Lithuania, Luxemburg, Malta,
the Netherlands, Poland,
Portugal, Romania, Slovakia,
Slovenia, Spain, Sweden,
United Kingdom, Croatia
COUNCIL OF EUROPE 47
Iceland, Norway
Russian Federation
Ukraine
Moldava
Azerbaijan
Georgia, Armenia
Turkey,
Bosnia and Herzegovina , Serbia, Montenegro, Macedonia, Albania
Andorra, Liechtenstein, Switzerland, San Marino, Monaco
Holy See
USA
Canada
(Observer-Status: Holy See, USA, Canada, Japan, Mexico)
Menschenrechte in der EU – Ausgangssituation
EG - als Wirtschaftsgemeinschaft gegründet
Grund- und menschenrechtliche Perspektiven und Fragen
spielen vorerst keine Rolle
EuGH Konfrontation mit grundrechtlichen Problemen (zB
Eigentumsfreiheit, Medienfreiheit, faires Verfahren)
Grundrechte sind allgemeine Rechtsgrundsätze und damit Primärrecht
(Rs. Nold 1974)
Sie orientieren sich an den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen
der MS (Rs. Nold 1974) und an der EMRK (Rs. Rutili 1975)
Verankerung der Achtung der Grundrechte im Vertrag von
Maastricht 1992
8
Menschenrechte in der EU - Vertrag von Lissabon I
•
Werte, auf die sich die EU gründet (Art. 1a):
– Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit,
Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte
einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten
angehören
• Diese Werte sind allen MS in einer Gesellschaft
gemeinsam, die sich auszeichnet durch:
– Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit,
Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern
Menschenrechte in der EU – Vertrag von Lissabon II
• Art 6 EUV – Grundrechte:
• Verweis auf die Grundrechtecharta, die mit den
Verträgen rechtlich gleichrangig ist (= Primärrecht)
– Bindung von EU-Organen und Mitgliedstaaten in Durchführung
von EU-Recht
– Durchsetzbarkeit vor dem EuGH – für Mitgliedstaaten,
Parlament, Rat und Kommission, jedoch keine generelle direkte
individuelle Beschwerdemöglichkeit
• Beitritt der EU zur EMRK
• Art 7 EUV – Sanktionsmechanismus
Menschenrechte in der EU – Inhalte der EU
Grundrechte-Charta (GRC)
•
•
•
Umfasst bürgerliche und politische sowie wirtschaftliche, soziale und
kulturelle Rechte
Fremdkörper „Zielbestimmungen“ (Umwelt- und Verbraucherschutz)
für die Politiken der EU
Aufbau und Formulierung der Charta
Einfluss der französischen
Ratspräsidentschaft ?
–
–
–
–
–
„Würde des Menschen“
„Freiheiten“ (Recht auf Bildung, Asylrecht ?)
„Gleichheit“
„Solidarität“
„Bürgerrechte“ (Rechte auf gute Verwaltung, Zugang zu Dokumenten
und zum Bürgerbeauftragten, Petitionsrecht ?)
– „Justizielle Rechte“
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Menschenrechte in der EU – Verhältnis der Charta
zur EMRK I
•
•
•
•
•
Charta enthält auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
Charta garantiert über EMRK hinaus:
Berufsfreiheit, unternehmerische Freiheit, Asylrecht
Der Charta fehlen einige Rechte des 4. und 7. ZP zur EMRK
(Schuldhaft, Freizügigkeit, Strafrecht: Rechtsmittel vor Tribunal,
Entschädigungsanspruch)
Charta übernimmt Rechtsprechung des EGMR (Menschenwürde,
Integritätsschutz, Datenschutz, Wehrdienstverweigerung, Kunstund Wissenschaftsfreiheit, Refoulement-Verbot)
Menschenrechte in der EU – Verhältnis der Charta
zur EMRK II
• Art 52 der Charta: Tragweite der Rechte
so wie
EMRK in der Rechtsprechung des EGMR
• EMRK damit europäischer Grundrechtsstandard
– auch in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
• „Günstigkeitsprinzip“ des Art 53, insbesondere im
Hinblick auf EMRK
Menschenrechte in der EU – Verhältnis zwischen
Charta, EMRK und nationalem Grundrechtsschutz
•
•
•
•
•
•
•
EMRK Mindeststandard der Charta hinsichtlich ziviler und politischer Rechte
Alle EU-Staaten Mitgliedstaaten der EMRK
EU wird EMRK beitreten, EU-Rechtsakte werden vor dem EGMR anfechtbar
EU-Sekundärrecht muss Charta entsprechen
Nationale Rechtsakte müssen nationalem GR-Katalog und EMRK
entsprechen
Nationale Umsetzung von EU-Recht muss nationalem GR-Katalog, EMRK
und Charta entsprechen
Neue Rspr des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 14.3.2012, U 466/11 ua):
Die in der GRC garantierten Rechte können vor dem VfGH als
verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte geltend gemacht werden und
bilden im Anwendungsbereich der GRC einen Prüfungsmaßstab in
Verfahren der generellen Normenkontrolle (Art 139 und Art 140 B-VG).
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Menschenrechte in der EU – Verhältnis zwischen
Grundfreiheiten und Grundrechten
Leitentscheidung zum Verhältnis Grundrechte/Grundfreiheiten:
• EuGH RS Schmidberger (C-112/00, Slg 2003, I-5659):
– Brennerblockade Juni 1998 für 4 Tage
– deutsches Speditionsunternehmen klagt Republik Österreich (Amtshaftung)
– OLG Innsbruck legt dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor
•
Pflicht zur Freihaltung der Transitrouten bleibt hinter Versammlungsfreiheit zurück
(beachtlich: Entscheidung vor Rechtsverbindlichkeit der Charta!)
–
•
Grundrechte des Gemeinschaftsrechts auch dann beachtlich, wenn MS eine Grundfreiheit
einschränken. Dogmatische Funktion der Grundrechte als Schranken-Schranke der Grundfreiheiten
EuGH Urteil vom 18.6.1991 C-260/89, ERT
Zum Anwendungsbereich der Grundrechte-Charta (GRC):
– Ganz aktuell EuGH 26.2.2013 (C-617/10 Åkerberg Fransson und C-399/11 Melloni)
– "Durchführung des Unionsrechts" (vgl. Art 51 GRC) und "Anwendungsbereich des
Unionsrechts" sind gleichgesetzt
– Verpflichtung der nationalen Gerichte, entgegenstehendes nationales Recht
unangewandt zu lassen (Fortsetzung der ERT Rspr. vom 18.6.1991 C-260/89).
Menschenrechte in der EU – Verhältnis EuGH und
EGMR
•
•
•
„Ein Fall für zwei“: Doppelter europäischer Menschenrechtsschutz –
ein Luxus ?
Rechtsprechungsdivergenzen versus Berücksichtigungsgebot
EGMR höchste Instanz für die Einhaltung der EMRK in der EU
– Fall Matthews gegen das Vereinigte Königreich (Ausschluss vom
Wahlrecht zum EU-Parlament)
– Fall Senator Lines gegen 15 EU-Mitgliedstaaten (Verhängung einer
vorläufigen Geldbuße durch die Europäische Kommission wegen Wettbewerbsverstoß)
– Fall Bosphorus Airways gegen Irland: „Solange-Rspr“ des EGMR:
Solange die EU adäquaten GR-Schutz bietet, besteht die (widerlegbare)
Vermutung der EMRK-Vereinbarkeit letztes Wort beim EGMR!
• Nur solange der GR-Schutz in der EU zumindest gleichwertig ist!
• Im Einzelfall widerlegbare Vermutung (Kompetenz des EGMR!)
Menschenrechte in der EU – Möglicher Rechtszug
•
•
•
•
In einem Verfahren leitet ein nat. Gericht beim EuGH ein
Vorabentscheidungsverfahren ein, in der es um eine grundrechtliche
Frage geht
Das nationale Gericht entscheidet auf dieser Grundlage das
Verfahren
Die letztinstanzliche innerstaatliche Entscheidung wird beim EGMR
angefochten, dieser verurteilt den Staat wegen Verletzung eines
EMRK-Rechts, aus der Begründung ergibt sich ein Widerspruch zur
EuGH-Entscheidung
„Solange-Rechtsprechung“ des EGMR (Urteil Bosphorus gg. Irland)
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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