William Shakespeare Die ganz außergewöhnliche und beklagenswerte Tragödie von Romeo und Julia, wie sie oft und mit großem Applaus öffentlich gespielt worden ist (Originaltitel: Romeo and Juliet) Deutsch von B. K. Tragelehn © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 1 © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 2008 Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Das Vervielfältigen, Ausschreiben der Rollen sowie die Weitergabe der Bücher ist untersagt. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen verstößt gegen das Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich. Die Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Marienburger Straße 28 10405 Berlin Wird das Stück nicht zur Aufführung oder Sendung angenommen, so ist dieses Ansichtsexemplar unverzüglich an den Verlag zurückzusenden. F1 2 © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH D R A M AT I S P E R S O N A E FÜRST PARIS MERCUTIO MONTAGUE CAPULET ROMEO BENVOLIO TYBALT MÖNCH BALTHASAR ABRAM SAMPSON GREGORY DER CLOWN APOTHEKER MONTAGUES FRAU CAPULETS FRAU JULIA AMME Herren und Damen, Bürger, Wachen, Musiker, Diener etc. © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 3 [1] Auftritt der Prolog. PROLOG Zwei Häuser, beide gleich hoch angesehn Und lang verfeindet, fallen neu in Wut Bis in Verona (das wir jetzt hier sehn) Die Bürgerhand sich färbt in Bürgerblut. Aus dieser Feinde Lenden nahm sein Leben Ein Paar von Liebenden, unstern-bedroht Ihr Untergang, wert mitleidiges Beben Begräbt der Eltern Streit mit seinem Tod. Der tod-gezeichneten Liebe Schreckenslauf Und ihrer Eltern unhemmbarer Krieg Hört erst mit beider Kinder Ende auf: Das zeigt euch in zwei Stunden unser Stück. Wenn ihr es mit geduldigen Ohren hört Wird unser Fleiß verbessern, was noch stört. [Exit.] [2] Auftritt Sampson und Gregory vom Haus Capulet, bewaffnet. SAMPSON Gregory, auf mein Wort, wir lassen nichts auf uns sitzen. GREGORY Nein, denn dann wärn wir Stühle. SAMPSON Ich meine, ehe wir was auf uns sitzen lassen, ziehn wir. GREGORY Du ziehst Leine lebenslang. SAMPSON Ich hau schnell zu, wenn ich in Fahrt komme. GREGORY Aber du kommst nicht schnell in Fahrt zum Zuhaun. SAMPSON Ein Hund aus dem Haus Montague bringt mich in Fahrt. GREGORY In Fahrt sein heißt von der Stelle kommen und tapfer sein heißt stehn. Also wenn du in Fahrt kommst, haust du ab. SAMPSON Ein Hund aus diesem Haus und ich stehe. Ich werde in ihre Löcher jagen jeden, Männlein und Weiblein von Montagues. GREGORY Da zeigst du dich als schwaches Licht. Der Schwache jagt ins Loch. SAMPSON Die Weiber als die schwächeren Gefäße werden ins Loch gestoßen. Ich werde ins Loch jagen Montagues Männer und die Weiber stoßen. © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 5 GREGORY Der Krieg ist zwischen unseren Herrn und zwischen uns, ihren Männern. SAMPSON Alles eins. Ich spiel den Tyrannen. Kriegerisch mit den Männern, zivil mit den Jungfraun. Ich durchbohre sie mit dem Schaft. GREGORY Die -schaft mit dem Schaft? SAMPSON Nimms in welchem Sinn du willst. GREGORY Sie müssens in den nehmen, ders fühlt. SAMPSON Mich sollen sie fühlen, solange ich dazu imstande bin, und es ist bekannt, dass ich ein brauchbares Stück Fleisch bin. GREGORY Gut, dass du kein Fisch bist. Wenn, wärst du ein Stockfisch. Zieh dein Ding. Hier kommt wer aus dem Haus Montague. Auftritt zweier Diener von den Montagues. SAMPSON Meine nackte Waffe ist raus. Stänkre. Ich werde dir den Rücken decken. GREGORY Den Rücken drehn und rennen, wie. SAMPSON Fürchte nichts von mir. GREGORY Mein Gott, ich dich fürchten. SAMPSON Behalten wir das Recht auf unserer Seite und lassen sie anfangen. GREGORY Ich starre sie an, wenn ich vorbei gehe. Das können sie nehmen, wie sie wollen. SAMPSON Nein, sie sollen wie wir wollen. Ich zeige ihnen den Finger. Das ist eine Schande für sie, wenn sies hinnehmen. ABRAM Zeigen Sie uns den Finger, Sir? SAMPSON Ich zeige den Finger, Sir. ABRAM Ob Sie uns den Finger zeigen, Sir. SAMPSON Ist das Recht auf unsrer Seite, wenn ich sage Ja? GREGORY Nein. SAMPSON Nein, Sir, ich zeige nicht Ihnen den Finger, aber ich zeige den Finger, Sir. GREGORY Suchen Sie Streit, Sir? ABRAM Streit, Sir? Nein, Sir. SAMPSON Wenn doch, Sir, ich stehe zur Verfügung. Ich diene einem ebenso guten Herrn wie Sie. ABRAM Keinem besseren. SAMPSON Gut, Sir. Auftritt Benvolio. GREGORY Sag besseren, hier kommt wer von meines Herrn Verwandtschaft. SAMPSON Ja, einem besseren, Sir. ABRAM Sie lügen. SAMPSON Zieht, wenn ihr Männer seid. GREGORY Denk an deinen Hieb. Sie fechten. 6 © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH BENVOLIO Dummköpfe, auseinander. Steckt ein die Schwerter. Ihr wisst nicht, was ihr tut. Auftritt Tybalt. TYBALT Was, gezogen unter unbeherzten Knechten. Hierher, Benvolio. Sieh auf deinen Tod. BENVOLIO Ich halte nur den Frieden. Steck dein Schwert ein Oder gebrauch es, die zu trennen, mit mir. TYBALT Was, ziehn und Frieden reden. Ich hasse das Wort Wie die Hölle, alle Montagues, und dich. Pass auf, du Feigling. Auftritt [ein Beamter, und] drei oder vier Bürger mit Knüppeln und Spießen. BEAMTER Knüppel, Stöcke, Spieße. Stecht sie, haut sie. Nieder die Capulets. Nieder die Montagues. Auftritt der alte Capulet, im Morgenmantel, und seine Frau. CAPULET Was für ein Lärm. Gebt mir mein langes Schwert. CAPULETS FRAU Eine Krücke, eine Krücke. Was ruft Ihr nach dem Schwert. Auftritt Montague und seine Frau. CAPULET Mein Schwert, sag ich. Der alte Montague Fuchtelt dort mit der Klinge mir zum Hohn. MONTAGUE Du Schurke Capulet. Halt mich nicht, lass mich gehn. MONTAGUES FRAU Du rührst keinen Fuß, Feinde zu suchen. Auftritt Fürst Escalus mit seinem Gefolge. FÜRST Rebellische Untertanen, Feinde des Friedens Entweiht den Stahl, fleckt ihn mit Nachbarblut – Wolln sie nicht hören, was. He. Ihr Männer, ihr Vieh. © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 7 Löscht ihr das Feuer eurer heillosen Wut Mit rotem Quell, der springt aus euern Adern? Beim Schmerz der Folter, aus den blutigen Händen Werft die aufrührerischen Waffen nieder Und hört das Urteil eures zornigen Fürsten. Drei Bürgerkriege, geboren aus luftigem Wort Von dir, Alt Capulet, und Montague Störten drei Mal die Ruhe unserer Straßen Ließen Veronas alt ansässige Bürger Abwerfen den geziemenden ernsten Schmuck Und schwingen in alten Händen alte Lanzen Zerfressen von Frieden, zu trennen fressenden Hass. Wenn jemals ihr stört unsere Straßen wieder Ihr zahlt den Bruch des Friedens mit dem Leben. Für dieses Mal der ganze Rest, geht fort Ihr, Capulet, sollt gehn mit mir zusammen Und Montague, Ihr kommt am Nachmittag Zu hörn, was Uns in diesem Fall beliebt Zur alten Freistatt, wo es Richtspruch gibt. Nochmals, bei Todesstrafe, alle fort. Exeunt [, manent Montague, Montagues Frau und Benvolio]. MONTAGUES FRAU Wer brachte neu in Gang den alten Streit? Red, Neffe. Wart Ihr hier, als es begann? BENVOLIO Hier warn die Diener Eures Widersachers Und Eure, eng kämpfend, ehe ich kam. Ich zog, um sie zu trennen. Den Augenblick Kommt, schon das Schwert bereit, der wilde Tybalt Atmet mir seine Wut ins Ohr und schwingt es Hoch über seinem Kopf, die Luft zerschneidend Die unverwundet ihn auszischt mit Hohn. Während wir abtauschen Hiebe und Stöße Kommt mehr und mehr, und ficht auf beiden Seiten Dann kam der Fürst, und trennte beide Seiten. MONTAGUES FRAU Oh. Wo ist Romeo? Saht Ihr ihn heut? Was bin ich froh, er war nicht bei dem Streit. BENVOLIO Eine Stunde, Madam, eh die heilige Sonne Im Osten durch das goldene Fenster sah 8 © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH Trieb eine Traurigkeit mich vor die Stadt. Dort, unter einem Wald von Sykomoren Der westwärts wächst vom Stadtrand, ging spazieren In aller Morgenfrühe Euer Sohn. Ich mach mich an ihn ran, er aber merkts Und stiehlt sich seitab in den Schutz des Waldes Ich, seine Neigungen messend mit meinen Die ganz beschäftigt sind, wenn ganz für sich Ging meiner Laune nach, ließ ihn der seinen Und mied gern den, der gerne floh vor mir. MONTAGUE Er ist oft dort gesehen worden morgens Mit Tränen mehrend morgendlichen Tau Wolke zu Wolke zählend mit tiefen Seufzern Aber sobald die alle erfreuende Sonne Im fernsten Osten anfängt wegzuziehn Den schattigen Vorhang vor Auroras Bett Stiehlt sich mein trauriger Sohn vom Licht weg heim Und schließt allein sich in sein Zimmer ein Schließt seine Fenster, sperrt das Taglicht aus Und macht sich selber eine künstliche Nacht. Schwarz und voll Unheil endet solches Träumen Kann nicht ein guter Rat den Grund ausräumen. BENVOLIO Mein edler Onkel, kennt Ihr diesen Grund? MONTAGUE Ich kenn ihn nicht, noch kann ich ihn erfahrn. BENVOLIO Habt Ihr ihn nicht schon irgendwie gedrängt? MONTAGUE Ich selber und auch viele andere Freunde. Aber, der eigenen Neigungen Ratgeber Ist er mit sich so heimlich und verschlossen So weit entfernt für Suchen und Entdecken Wie eine Knospe, die der Wurm zerbeißt Eh sie der Luft öffnet die zarten Blätter Oder der Sonne ihre Schönheit schenkt. Wenn wir erfahrn, woraus sein Leid entsteht Heilten wirs gern, wie wirs gern ausgespäht. BENVOLIO Seht, da kommt er. Beliebt uns zu verlassen Verleugnet er mich nicht, werd ich ihn fassen. © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 9