Die neuen Kunstsinnigen: Das Wiener Bürgertum

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Die neuen
Kunstsinnigen: Das
Wiener Bürgertum
Im 19. Jahrhundert verlor das Herrscherhaus die
Vorrangstellung als Kunstmäzen: Der Adel und
insbesondere das Bürgertum übernahmen verstärkt
die Rolle der Musikförderer.
Die Tonkunst wirkt hier täglich das Wunder, das man
sonst nur der Liebe zuschrieb: Sie macht alle Stände
gleich. Adeliche und Bürgerliche, Fürsten und ihre
Vasallen, Vorgesetzte und ihre Untergebenen sitzen
an einem Pulte beysammen, und vergessen über der
Harmonie der Töne die Disharmonie ihres Standes.
Ignaz von Mosel schrieb in einer "Übersicht des gegenwärtigen
Zustandes der Tonkunst in Wien" in den "Vaterländischen
Blättern für den österreichischen Kaiserstaat" von 1808 über die
scheinbar nivellierende Wirkung der Musik in Wien.
Im Wien komponierten zur Zeit des Biedermeier bis heute
berühmte Musiker wie Franz Schubert und Ludwig van
Beethoven, der sich 1792 ständig in Wien ansiedelte. Anders
als Beethoven, der sich im Umfeld adeliger Mäzene bewegte,
verkörperte Schubert mit seinen Liedern, einem bürgerlichen
Freundeskreis, Landpartien und geselligen musikalischen
Abenden, den sogenannten Schubertiaden, ein bürgerliches
biedermeierliches Idyll.
Im Dienst des Kaiserhauses waren in dieser Zeit keine
Komponisten allerersten Ranges beschäftigt. Franz Schubert
war zwar in seiner Jugend Hofsängerknabe, die ersehnte Stelle
eines Vize-Hofkapellmeisters bekam er jedoch nicht. Auch
Ludwig van Beethoven wurde nicht zum
„Hofcompositeur“ ernannt.
Insbesondere in der Zeit zwischen dem Wiener Kongress und
dem Revolutionsjahr 1848 erfreute sich die Hausmusik großer
Beliebtheit. In Bürger- und Adelshäusern, aber auch im
Kaiserhaus musizierte man im Familienverband. Franz II./I.
spielte bei privaten Streichquartettabenden das Violoncello. Das
Geschäft mit der Musik blühte: Musikzeitschriften wurden
verlegt, Musikverlage wie Anton Diabelli und
Instrumentenfabriken, wie 1828 die Klavierfabrik Bösendorfer,
gegründet, Musikalienhandlungen vertrieben Noten und
Instrumente. Orchester und Vereine, etwa die Gesellschaft der
Musikfreunde, widmeten sich der Pflege der Musik. Die Wiener
Philharmoniker gehen auf Mitglieder des k. k.
Hofopernorchesters zurück, die ab 1842 an spielfreien Tagen
„Philharmonische Concerte“ boten und das erste professionelle
Konzertorchester bildeten.
Wien war durch und durch musikbegeistert. 1828 löste der
erste Wien-Auftritt des „Teufelsgeigers“ Niccolò Paganini
(1782–1840) im Redoutensaal eine „Paganini-Manie“ aus. Das
Publikum war so begeistert, dass der Geiger den Aufenthalt
verlängerte und insgesamt 14 Konzerte gab. Er erhielt den Titel
eines kaiserlichen Kammervirtuosen und löste einen
regelrechten Kult aus – man trug Paganini-Hüte und PaganiniHandschuhe.
Autor
Julia Teresa Friehs
Literatur
Antonicek, Theophil: Musik und Politik, in: Bürgersinn und
Aufbegehren. Biedermeier und Vormärz in Wien 1815–1848,
Katalog zur gleichnamigen Sonderausstellung des Wien Museums,
17.12.1987–12.6.1988 im Künstlerhaus Wien, Wien 1987, 80–82;
Gruber, Gernot: Musikalisches Biedermeier?, in: Bürgersinn und
Aufbegehren. Biedermeier und Vormärz in Wien 1815–1848,
Katalog zur gleichnamigen Sonderausstellung des Wien Museums,
17.12.1987–12.6.1988 im Künstlerhaus Wien, Wien 1987, 83–86;
Nußbaumer, Martina: Musikstadt Wien. Die Konstruktion eines
Images, Freiburg/Wien 2007 (Edition Parabasen 6);
Pohanka, Reinhard: Eine kurze Geschichte der Stadt Wien,
Wien/Köln/Weimar 1998, 158f.;
Vocelka, Karl/Heller, Lynne: Die Lebenswelt der Habsburger. Kulturund Mentalitätsgeschichte einer Familie, Wien 1997, 52–66;
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