Reaktoren in der Chemie

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Stephan Utgenannt, Andreas Mattern, Hans Uhlig, Kristin Seltmann
Handout zum Seminar OC-F-Praktikum WS 08/09
am Institut für Organische Chemie der Universität Leipzig
Druck- und Mikrowellen-Reaktoren in der Chemie
1.
Hochdruckreaktoren
1.1.
Allgemeines und Anwendungen
Druck und Temperatur sind voneinander abhängige Größen, welche in der idealen
Gasgleichung
p ⋅V = n ⋅ R ⋅ T
(1)
miteinander verknüpft sind. Somit kann man anhand erhöhter Drücke mit niedrigeren
Temperaturen bei der Synthese spezieller Verbindungen arbeiten. Dies hat den Vorteil, dass
man keine zu hohen Temperaturen im Reaktionsraum erschaffen muss, was zur Folge haben
könnte, dass eingesetzte Edukte, Lösungsmittel und Produkte sich auf unerwünschte Weise
zersetzen. Ein weiterer Vorteil beim Arbeiten mit hohen Drücken stellt die Möglichkeit dar,
über den eigentlichen Siedepunkt der eingesetzten flüssigen Edukte bzw. Lösungsmittel zu
arbeiten.
Anwendung finden Hochdruckreaktoren z.B. bei solchen Hydrierungen, welche unter
„Standardbedingungen“ nur sehr schlecht bis gar nicht funktionieren würden. Ein Beispiel
wäre hier die Hydrierung eines stabilen aromatischen Ringes mittels Katalysator:
Ein weitere Möglichkeit ist die Hydrierung eines Cyano-Substituenten zum primären Amin:
1
1.2.
Aufbau
Der Fakultät für Chemie steht ein Hochdruckreaktor mit einem Druckbehälter aus Stahl zur
Verfügung, welcher ein Gesamtvolumen von 300 ml besitzt. Die Kosten beliefen sich damals
auf 25.000 DM. In Abbildung 1 wird der allgemeine Aufbau des Reaktors der Universität
dargestellt:
Manometer
Thermoelement
Wasserkühlung
Ventile
Magnetrührer
Berstscheibe
Druckreaktor
mit Elektroheizung
Kontrollgerät
Abb. 1: Aufbau eines Hochdruckreaktors
Das Manometer zeigt den Druck im Reaktor. Man kann die Einheiten in bar oder psi ablesen.
Der maximale Überdruck beträgt 207 bar, der zulässige Betriebsdruck allerdings nur 140 bar.
An der Apparatur befinden sich 3 Ventile. Dem Gaseinlass- und dem Gasablassventil mit
angeschlossenen Hochdruckschläuchen sowie einen Probeentnahmeventil.
Das Thermoelement registriert die Temperatur, damit das Kontrollgerät die gewünschte
Reaktionstemperatur einstellen kann.
Der Magnetrührer dient zur ausreichenden Durchmischung der Stoffe im Reaktor. Das
besondere hierbei ist, dass die Rotation durch zwei sich in Öl bewegenden Magneten über der
Rührstange zustande kommt. Somit befindet sich das eigentliche Rührwerk nur im
Druckreaktor, wodurch keine zusätzliche Bohrung in dessen Deckel nötig ist. Vor
Überhitzung des Öls schützt die Wasserkühlung.
Der hiesige Druckreaktor darf aus Sicherheitsgründen nur mit maximal 200 ml befüllt
werden, da sich die eingesetzten Stoffe durch Zufuhr von Wärme mittels der Elektroheizung
(bis 400W) ausdehnen können und somit zusätzliches Volumen beanspruchen.
Die Berstscheibe ist eine weitere Sicherheitsmaßnahme. Sollten höhere Drücke als zulässig
entstehen, ist gewährleistet, dass diese Scheibe zerbricht und der Überdruck entweichen kann.
Es wird so ein noch größerer Schaden am Reaktor verhindert.
2
1.3.
Theoretische Vorbetrachtungen und Sicherheitsmaßnahmen
Bevor der Hochdruckreaktor betrieben werden kann, muss sich der Laborant folgende Fragen
stellen und beantworten:
-
Was für Lösungsmittel sind erlaubt?
Alle Lösungsmittel, die Stahl nicht angreifen (normalerweise alle organischen
Verbindungen außer Halogenwasserstoffsäuren).
-
Wird während der Reaktion Wasser verwendet?
Kritischer Punkt bei 374 °C, hieraus folgt eine Volumenvergrößerung um 3,13 und
eine Druckfreigabe von 218 bar. Berechnung der maximal-zulässigen Wasserfüllung
nach MAWL-Formel (maximum allowable water loading).
Entstehen während der Reaktion Gase?
Sollten während der Reaktion Gase entstehen, ist darauf zu achten, dass sich der Druck
erhöht.
-
-
Ist die Reaktion exotherm?
Hieraus resultierender Temperaturanstieg muss beachtet werden.
Welche Obergrenzen sind für Druck und Temperatur zu erwarten?
Besonders die letzte Frage ist von großer Bedeutung. Sie lässt die Notwendigkeit erkennen,
dass man vor jeder Synthese eine Druckrechnung zu machen hat. Diese wird anhand
folgender Gleichung durchgeführt:
p End = p Anf ⋅ (1 + α ⋅ ∆T ) + p Solvens
pAnf
α
∆T
pSolvens
(2)
Druck mir dem Gas in Reaktor eingeleitet wird
Ausdehnung eines Gases pro Kelvin
Temperaturerhöhung
Druck des verwendeten Lösungsmittels (muss aus entsprechend
Temperatur-Druck-Nomogrammen entnommen werden)
Wenn man nun z.B. Wasserstoff mit 100 bar in ein Hochdruckgefäß mit Methanol als
Lösungsmittel füllt und danach die Temperatur von 20 °C auf 120 °C erhöht, steigt der
endgültige Druck im Reaktor auf:
p End = 100bar ⋅ (1 +
1
273 K
⋅ ∆T ) + 5bar
p End = 100bar ⋅ 1,36 + 5bar ≈ 142bar
Aus dieser Druckrechnung wird ersichtlich, wie wichtig es ist, schon vor der Reaktion
abzuschätzen, welchen Enddruck man erreicht, da ansonsten eventuell der zulässige
Gesamtdruck überschritten wird und Schäden am Gerät die Folge sein könnten.
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2.
Niederdruckreaktoren
2.1.
Allgemeines und Anwendung
Niederdruckreaktoren gibt es in verschiedenen Materialien. Zum einem können sie aus Glas
(Druck bis 10 bar bei 200°C) oder aus Metall (Druck bis 65 bar bei 200°C) bestehen.
Glasreaktoren bieten den Vorteil, dass man das Reaktionsgeschehen verfolgen kann (z.B.
Farbänderungen). Die Reaktoren können ein- und doppelwandig sein. Bei letzteren kann man
während der Reaktion über den Mantel Kühlen oder Heizen. Das Reaktionsvolumen kann 200
– 1500 ml betragen.
Anwendung finden Niederdruckreaktoren hauptsächlich bei folgenden Reaktionen:
2.2.
-
Homogene Hydrierung
Æ siehe Abschnitt 1.1.
-
Carbonylierungs-Reaktionen
Æ Hydroformylierung
Æ Reppe- Chemie (z.B. Acetylen, CO und Wasser reagieren zu Propionsäure)
-
Carboxylierungs-Reaktionen
Aufbau
Der Fakultät für Chemie steht der Niederdruckreaktor Parr 5100 mit einen doppelwandigen
Druckbehälter aus Glas zur Verfügung, welcher ein Gesamtvolumen von 300 ml besitzt. Die
Kosten beliefen sich auf 19.000 €. In Abbildung 2 wird der allgemeine Aufbau des Reaktors
der Universität dargestellt:
Doppelwandiger Glasreaktor
Manometer
mit Ein- und Ablassventil für
Heiz- bzw. Kühlflüssigkeit
Thermoelement
Ventile
Rührer
Gaseinlass
Lexan-Schutzschild
Abb. 2: Aufbau des Niederdruckreaktors Parr 5100
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Kühlschleife
Thermometer
Das Lexan-Schutzschild verhindert Verletzungen falls der Druckreaktor aufgrund zu hohen
Druckes explodieren sollte.
Das Manometer zeigt den Druck im Reaktor. Man kann die Einheiten in bar oder psi ablesen.
Der zulässige Betriebsdruck beträgt 10 bar.
An der Apparatur befinden sich 3 Ventile. Dem Gaseinlass- und dem Gasablassventil mit
angeschlossenen Hochdruckschläuchen sowie einem Überdruckventil, welches sich ab 10 bar
öffnet und vor größeren Schäden am Reaktor schützen soll.
Das Thermoelement gewährleistet, dass im Reaktor die gewünschte Temperatur
aufrechterhalten bleibt.
Der Glasreaktor ist mit Anschlüssen für die Heiz- bzw. Kühlflüssigkeit versehen. Im
Reaktionsgefäß befindet sich der Rührer aus Metall, die Kühlschleife, ein Thermometer und
der Gaseinlass.
2.3.
Theoretische Vorbetrachtungen und Sicherheitsmaßnahmen
Besonders zu beachten ist bei Glas, dass Temperaturunterschiede nicht zu groß sind, da 1 cm
dickes Glas nicht flexibel genug ist und bei zu großen Temperaturgradienten platzen kann.
Vor Start der Reaktion muss das Schutzglas angebracht werden!
Des weiteren muss man bei der Arbeit mit Niederdruckreaktoren die selben theoretischen
Vorüberlegungen anstellen wie mit Hochdruckreaktoren. Diese wurden schon im Abschnitt
1.3. beschrieben. Es sei hier noch einmal ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer
Druckrechnung vor Beginn der Reaktion hingewiesen!
3.
Mikrowellenreaktoren
3.1.
Theoretische Grundlagen
Mikrowellen sind alternative Energiequellen, die seit 1986 in der Chemie Anwendung finden.
Man nutzt hierbei dasselbe Prinzip wie in Haushaltsmikrowellen. Mikrowellen sind
elektromagnetische Strahlung im Frequenzbereich von 300 MHz bis 300 GHz (Wellenlänge
von 1 mm bis 1 m). Allerdings wird nur eine Frequenz von 2,45 GHz genutzt, damit keine
Störungen, wie z.B. mit Handysignalen auftreten können.
Die Energie der Mikrowellenphotonen ist viel zu gering um chemische Bindung zu brechen
und sie können keine chemischen Reaktionen induzieren, wie Tabelle 1, Spalte 9, zeigt:
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Die Beschleunigung der Reaktion beruht auf dem dielektrischen Erhitzen. Hierbei erfolgt die
Energieübertragung der Mikrowelle durch Wechselwirkung mit polaren Molekülen. Dies
bewirkt eine Erwärmung durch Polarisierung und Ionenleitung.
Bei einer Feldänderung richten sich Dipole oder Ionen aus. Da das Feld oszilliert, richten sich
die Dipole oder Ionen ständig neu aus, wobei durch Molekularreibung und Dielektrizitätsverlust Wärmeenergie frei wird. Wenn der Dipol allerdings keine Zeit zum Ausrichten hat
oder sich zu schnell orientiert, findet keine Erwärmung statt.
Die Erwärmung durch Mikrowellen bietet den Vorteil, dass die Wärme sehr gleichmäßig
verteilt ist. Der Temperaturgradient ist umgekehrt, d.h. die Erwärmung findet vom Inneren
des Reaktionsraumes nach Außen hin statt. Das mögliche Auftreten von Hot-Spots kann
durch Rühren aufgehoben werden.
Der dielektrische Verlustfaktor ist die Fähigkeit elektromagnetische Energie bei gegebener
Frequenz und Temperatur in Wärme umzuwandeln und ist definiert durch:
tan δ =
ε ''
ε'
ε’’
ε
Dielektrizitätsverlust (= Phasenverschiebung)
Dielektrizitätskonstante
(3)
Der Verlustfaktor ist abhängig von : - Ionenkonzentration
- Molmasse
- Mikrowellenfrequenz
- Viskosität
Somit ist der Verlustfaktor für jeden Stoff anders und man kann folgende Einteilung
hinsichtlich der Effizienz eines Stoffes im Reaktor machen:
- stark
>0.5
- mittel
0.1-0.5
- schwach
<0.1
Tabelle 2 zeigt den Verlustfaktor für unterschiedliche Lösungsmittel:
Tabelle 2 macht ersichtlich, dass gerade unpolare Lösungsmittel wie z.B. Hexan nur sehr
geringe Verlustfaktoren vorweisen. Eine Erwärmung würde hier kaum stattfinden. Dies kann
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man umgehen, indem man geringe Mengen eines inerten polaren oder ionischen
Lösungsmittels zugibt und somit die Erwärmung eines unpolaren Lösungsmittels möglich ist.
Mikrowellen können auf folgende drei Arten mit Materie wechselwirken:
Bei der Absorption findet eine optimale Energieeinkopplung und daraus resultierend eine
starke Erwärmung statt. Dies ist bei einen hohem Dielektrikum der Fall.
Bei der Transmission gehen die Mikrowellen durch die Materie hindurch. Hierbei findet nur
eine geringe Erwärmung statt. Beispiele hierfür sind Borosilicatglas, Quarz und Teflon.
Bei der Reflexion findet keine Energieeinkopplung statt, woraus auch keine Erwärmung
resultiert. Dies ist z.B. bei Metallen der Fall.
3.2. Anwendung
Mikrowellenreaktoren können bei vielen Reaktionen angewendet werden. So z.B. bei der
Synthese von Acetylsalicylsäure:
Ölbad:
90°C, 1h, 85%
Mikrowelle: 140°C, 900W, 1 min, 89%
Bei dieser Synthese konnte mit Hilfe von Mikrowellen die Reaktionszeit drastisch gesenkt
werden. Besonders gut mit Mikrowellen funktionieren auch manche Diels-Alder-Reaktionen:
Ölbad:
95°C, 7h, 47%
Mikrowelle: 95°C, 7h, 92%
Hier konnte die Ausbeute nahezu verdoppelt werden.
Allgemein bieten Mikrowellenreaktoren folgende Vor- und Nachteile:
Nachteile:
- Kosten für Apparatur
- Maßstabsvergrößerung
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Vorteile:
-
schneller und gleichmäßiger Energieeintrag
Reaktionsdauer kürzer
Nebenreaktion vermindert
Ausbeute kann erhöht werden
gute Reproduzierbarkeit
Wahl des Lösungsmittel nicht von Sdp. bestimmt Æ dielektrischen Eigenschaften
schnelle Veränderung der Parameter möglich Æ Ja/Nein –Aussagen
3.3. Aufbau
In Abbildung 4 ist die Innen- und Außenansicht des Mikrowellenreaktors der Fakultät für
Chemie dargestellt. Die Anschaffungskosten beliefen sich auf 30.000 €, die Leistung kann
von 0 bis 1200 W hochgefahren werden. Das Temperaturprogramm besteht aus zwei Phasen.
In der ersten Phase, auch „Rampe“ genannt, wird geheizt bis die gewünschte Temperatur
erreicht ist (z.B. 400 W). In Phase zwei, dem „Plateau“, wird die Leistung soweit gesenkt, wie
es erforderlich ist um die Reaktionstemperatur aufrechtzuerhalten (z.B. 200 W).
Abb. 4: Aufbau eines Mikrowellenreaktors
Der Reaktor verfügt über eine Splitterschutztür, welche bis zu 2 t Druck standhalten kann. In
der Mitte befindet sich das Reaktionsgefäß, welches geschüttelt oder gedreht werden kann. Es
gibt viele unterschiedliche Reaktionsgefäße hinsichtlich Form, Größe und Druckbeständigkeit (offene Kolben mit Kühler möglich, aber auch verschraubbare Reaktionsgefäße mit
unterschiedlicher Druckfestigkeit und Mehrfachgestelle für bis zu 6 Gefäße auf einmal). Zur
Temperaturkontrolle dienen ein Infrarot-Sensor im Inneren und ein zweiter Infrarot-Sensor,
der von außen die Innentemperatur überwacht. Zur Eingabe der Reaktionsparameter steht ein
Easy-Control-Terminal mit Touch-Screen zur Verfügung.
3.4. SicherheitsmaßnahmenVor dem Start der Reaktion muss die Splitterschutztür gut
verschlossen werden. Die maximale Druckbelastung darf 10 bar nicht überschreiten. Es ist
also vorher darauf zu achten, dass die Temperaturen nicht zu hoch gewählt werden.
Beim Verwenden geschlossener Reaktionsgefäße ist auch hier eine vorherige Druckrechnung
(siehe Abschnitt 1.3.) notwendig. Der Druck darf das Gefäß nicht überlasten.
In Rundkolben mit Rückflusskühlern ist das nicht notwendig, da das siedende Lösungsmittel
refluxiert wird und dabei Wärme abgeben kann.
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