AKTUELL - Praxis Gabriela Meister

Werbung
SEXUELL ÜBERTRAGBARE INFEKTIONEN
Informationen
für junge Leute
STI - sexually transmitted infections
AIDS-Aufklärung Schweiz
AIDS Informazione Svizzera
SIDA Information Suisse
Infos über HIV, sexuelle Infektionen & sexuelle Gesundheit
-AKTUELL-
Herausgeber:
© AIDS-Aufklärung Schweiz, 2012
Autor: Dr. med. Kurt April
Grafik/Gestaltung: Katharina Tarabini/www.kate.ch
Zeichnungen: Julia Roth
Korrektorat: Uschi Klauser/www.bueroklauser.ch
2., überarbeitete Auflage: 15 000
ISBN 3-905085-52-6
Vertrauen ist gut –
Testen ist besser!
Kennen Sie Ihren STI-Status!
Vorwort
Das Leben wird sexuell übertragen und
deshalb gehören sexuell übertragbare Infektionen zu den Risiken des menschlichen
Daseins.
In den letzten 10 Jahren haben die sexuell
übertragbaren Infektionen in der Schweiz
deutlich an Zahl zugenommen. Ganz besonders eindrücklich ist der Anstieg bei den
bakteriellen Erkrankungen wie Syphilis, Chlamydien und Gonorrhö
(Tripper). Aber auch die Virusinfektionen nehmen zu, insbesondere die Genitalwarzen oder der Herpes genitalis. Die Ursachen für
diese Zunahme sind unterschiedlich, doch ein wichtiger Grund ist
sicherlich die effizientere Behandlungsmöglichkeit von HIV. Dies
hat die Angst vor ungeschütztem Geschlechtsverkehr etwas vermindert. Eine kürzlich publizierte Studie aus der Romandie zeigte, dass nur etwa 40% der Patienten je von ihrem Arzt betreffend
Sexualität angesprochen wurden, jedoch 90% der Patienten dies
erwarten würden. Diese Tatsache zeigt, dass Sexualität in unserer
Bevölkerung immer noch ein gewisses Tabuthema ist.
Eindrücklich ist die Tatsache, dass 25% aller sexuell übertragbaren
Infektionen bei 14 bis 19-Jährigen auftreten. Dies ist teils bedingt
durch ungenügendes Wissen bei den Jugendlichen über die Risiken von ungeschütztem Geschlechtsverkehr mit unbekannten
Partnern. Aus diesem Grund soll diese Broschüre die Jugendlichen
besonders ansprechen.
Ein weiteres erstaunliches Faktum ist die Tatsache, dass 12% der
sexuell übertragbaren Erkrankungen bei Reiserückkehrern auftreten. Offenbar gelten auf Geschäftsreisen ohne den Partner andere Regeln als daheim. In dieser Situation werden deutlich grössere
Risiken eingegangen.
Sexualität ist ein Teil des Lebens und der Lebensqualität und soll
auch gelebt werden können. Um die Vielfalt der Sexualität ohne
zu grosse Risiken auch voll geniessen zu können, braucht es eine
solide Information zum Thema.
Es ist das Anliegen dieser Broschüre, den Leserinnen und Lesern
eine umfassende Information zum Thema zu vermitteln, damit
jede und jeder selber entscheiden kann, welche Risiken er oder
sie eingehen möchte.
Wir hoffen, dass diese Broschüre den Lesern hilfreiche Information
bietet und einen Beitrag zur Verminderung von sexuell übertragbaren Infektionen leisten kann.
Prof. Peter Itin
Chefarzt Dermatologie
Universitätsspital Basel
Basel, 18.6.2011
STI -AKTUELL- 2 / 3
Inhalt
Vorwort von Professor Itin............................................................................................ 3
1
S
exuelle Infektionen – das verdrängte Risiko...................................................................... 6
2
S
exuell übertragbare Infektionen (STI)............................................................................... 8
Was sind sexuell übertragbare Infektionen?
Geschichte der sexuell übertragbaren Krankheiten
3
A
usbreitung.................................................................................................................. 10
Global
Europa
Schweiz
Wer ist von STI betroffen?
Altersgruppen
STI bei ungeborenen und neugeborenen Kindern
Hepatitis-B-Impfung: eine Erfolgsgeschichte!
Chlamydien: Testen und Antibiotika
4
Ü
bertragungswege. ....................................................................................................... 18
5
Prävention . ................................................................................................................. 20
Mit Wissen zu mehr Freude am Sex
Sprechen über STI
Risikostatus
STI-Status
Inhalt
Partnerwahl
Treue in der Beziehung – weniger Sexualpartner im Leben
Hochrisikosex
Kondome
Arztbesuche
Impfungen
Drogen und Alkohol
6
K
rankheiten und Symptome............................................................................................. 37
Die ersten Symptome (Primäraffekt/Primoinfektion)
STI verursachen häufig keine Symptome
7
S
exuell übertragbare Krankheiten.................................................................................... 39
Humane Papillomaviren-Infektionen
Genitalwarzen (Condylomata acuminata)
Gebärmutterhalskrebs und seine Vorstufen
Genitaler Herpes
Chlamydien-Infektion
HIV-Infektion/Aids
Gonorrhö (Tripper)
Syphilis
Hepatitis B
Hepatitis C
Lymphogranuloma venerum
Ulcus Molle
STI -AKTUELL- 4 / 5
1
Sexuelle Infektionen das verdrängte Risiko
Seit 10 Jahren nehmen die sexuell übertragbaren Infektionen (STI) in der Schweiz
wieder stark zu. Die HIV-Infektion ist behandelbar geworden, wodurch viele Menschen die Angst, sich beim Sex den „Tod zu
holen“, verloren haben. Kaum einer spricht
oder schreibt noch über Aids oder andere
STI. Die Risiken werden verdrängt.
Dabei sind STI keineswegs harmlos, trotz teilweise guten Behandlungsmöglichkeiten. STI wie auch HIV können
auch heute noch zu schwerwiegenden Gesundheitsproblemen
und sogar zum Tod führen. STI sind einer der häufigsten Gründe
für Unfruchtbarkeit.
• In Europa steigen die STI seit einem Jahrzehnt wieder stark an.
• STI betreffen am häufigsten 15- bis 30-Jährige.
• STI verlaufen nicht selten ohne Krankheitssymptome und können trotzdem auf weitere Sexualpartner übertragen werden.
Sex ist etwas Wunderbares, aber nicht risikolos
Guter Sex bringt den Menschen Freude und ist ein wichtiger Teil
einer Partnerschaft. Trotzdem bedeuten Liebe und Sex ein Risiko:
HIV und andere STI, ungewollte Schwangerschaft oder emotionale Probleme. Kaum in einem anderen Lebensbereich können so
tiefe seelische Verletzungen entstehen wie durch Liebeskummer.
Trotzdem ist es absurd, vorzuschlagen, Sex für immer zu vermeiden. Sexualität gehört zur menschlichen Natur und zu einer Liebesbeziehung.
Sorglosigkeit kann Ihnen zum Verhängnis werden, wenn Sie zu
grosse STI-Risiken eingehen. Diese Bedrohung ist zwar real, mit
ihr ist bei unbekanntem STI-Status jederzeit zu rechnen. Aber wer
pausenlos an Gefahren denkt, verpasst das Leben. Eine Portion
Leichtigkeit und Optimismus braucht es, um das Abenteuer Partnerwahl und Partnerschaft erfolgreich anzugehen. Die Kunst im
Leben ist es, Lebenslust und Risiken im Gleichgewicht zu halten.
• Einige STI können ohne Behandlung gravierende Krankheiten
hervorrufen, wie Krebs, Aids, Störungen von Hirn und Nerven.
• STI sind eine häufige Ursache für Unfruchtbarkeit.
• In Europa wissen ca. 30% der HIV-infizierten Menschen nichts
von ihrer Infektion.
Sexuell übertragbare Infektionen - das verdrängte Risiko
Mehr Freude am Sex durch Wissen
Mit dieser Broschüre möchte ich Ihnen Wissen über die Prävention
sexuell übertragbarer Infektionen vermitteln, damit die schönste
Nebensache der Welt nur schön bleibt. Diese Aufklärung im umfassenden Sinne des Wortes soll Ihnen ein selbstbestimmtes Leben
ermöglichen, indem Sie Risiken bewusst eingehen oder vermeiden können.
Was für den einen ein akzeptables Risiko bedeutet, kann für den
anderen ein zu grosses Risiko sein. Wenn Sie absolute Sicherheit
wünschen, dann müssen Sie abstinent leben. Absolutheit ist im
menschlichen Zusammenleben schwer zu erlangen, aber eine
nach menschlichem Ermessen eingestufte sehr grosse Sicherheit
ist sehr wohl zu erreichen.
Ich hoffe, dass Sie diese Broschüre mit Interesse lesen und eine
Strategie auswählen, die Ihnen genügend Sicherheit gibt.
Dr. med. Kurt Aprill
STI -AKTUELL- 6 / 7
Sexuell übertragbare
Infektionen (STI)
2
en
Was sind sexuell übertragbare Infektionen?
Früher wurden sie Geschlechtskrankheiten genannt, heute sexuell übertragbare Krankheiten, mit der Abkürzung STD von der
englischen Bezeichnung sexually transmitted diseases. Allerdings
entwickeln Menschen, die mit sexuell übertragbaren Erregern angesteckt (infiziert) werden, häufig keine Symptome oder KrankheiWichtige
sexuell
übertragbare
Infektionen
(STI)
Krankheiten
Erreger
Humanes Papillomavirus (HPV)
Genitalwarzen,
Gebärmutterhalskrebs
Herpes-simplex-Virus (HSV)
Genitaler Herpes
HI-Virus (HIV)
Akute HIV-Infektion, Aids
Hepatitis-B-Virus (HBV)
Gelbsucht, Leberzirrhose/-krebs
Hepatitis-C-Virus (HCV)
Gelbsucht, Leberzirrhose/-krebs
Chlamydien (Chlamydia trachomatis) Chlamydien-Infektion,
Lymphogranuloma venerum
Treponema pallidum
Syphilis
Neisseria gonorrhöae
Gonorrhö
Haemophilus ducreyi
Ulcus molle
ten, oder diese werden nicht als solche erkannt. Diese Infektionen
ohne Symptome können nur mit einem Test festgestellt werden.
Oft sind sie aber trotzdem für den Sexualpartner ansteckend (infektiös) und infizieren ihn unbemerkt. Aus diesem Grunde spricht
man korrekterweise besser von sexuell übertragbaren Infektionen
mit der Abkürzung STI aus dem Englischen sexually transmitted infections. Soweit es in diesem Rahmen möglich ist, werde ich die
Unterscheidung von Krankheiten (STD) und Infektionen (STI) berücksichtigen.
Die STI bilden eine heterogene Gruppe von Infektionen und Infektionserkrankungen, deren gemeinsames Merkmal ist, dass sie
beim Sexualverkehr übertragen werden. Die sexuell übertragbaren Infektionen unterscheiden sich in Bezug auf den Erreger, deren Ansteckungsfähigkeit, die Symptome und Krankheiten, den
Krankheitsverlauf, die Behandlungsmöglichkeiten und teilweise
die Prävention.
STI werden durch mehr als 30 unterschiedliche Erreger verursacht,
nämlich durch Bakterien, Viren, Parasiten oder Pilze. In dieser
Broschüre stelle ich von diesen dreissig sexuell übertragbaren Infektionen neun vor (siehe „Wichtige sexuell übertragbaren Infektionen“), da es in diesem Rahmen nicht möglich ist, alle STI zu
beschreiben. Die Auswahl war nicht ganz einfach, denn es wäre
genauso berechtigt gewesen, auch Cytomegalie, Krätze, Filzläuse, Hefepilze, bakterielle Vaginose usw. zu berücksichtigen.
Sexuell Übertragbare Infektionen (STI)
Geschichte der sexuell übertragbaren Krankheiten
Sexuell übertragbare Krankheiten gibt es schon seit mehreren
tausend Jahren. Gonorrhö, Ulcus molle und Genitalwarzen sind
uns in Zeugnissen überliefert, die mehr als 2000 Jahre alt sind. Im
Mittelalter kam zusätzlich das Lymphogranuloma inguinale hinzu,
und die Syphilis wurde bei der Entdeckung Amerikas 1493 von Haiti eingeschleppt und verbreitete sich innert weniger Jahre in ganz
Europa. Syphilis galt wegen der Spätfolgen bis zur Aids-Epidemie
als die gefährlichste STI.
Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Erreger der Geschlechtskrankheiten entdeckt, und die moderne Medizin ermöglichte es,
sie zu diagnostizieren. Ein weiterer Meilenstein war die Entdeckung
von Penizillin und anderer Antibiotika, die es ermöglichten, die
Geschlechtskrankheiten zu heilen und die Epidemie effektiv zu
bekämpfen. Die «klassischen» Geschlechtskrankheiten wie Syphilis und Gonorrhö verloren so schon in den 50er Jahren des 20sten
Jahrhunderts ihren Schrecken. Die Liberalisierung der Sexualität
und die Entdeckung der Pille gab dem Einzelnen mehr Freiheit,
was zu mehr Partnerwechsel führte. Die sexuell übertragbaren Viren und Bakterien konnten sich wieder leichter verbreiten.
Mitte der 80er Jahre die Angst vor Aids gepaart mit Aufklärungskampagnen zu einem Rückgang der STI; denn die Menschen
wechselten weniger häufig den Sexualpartner und verwendeten
öfter Kondome.
Ein Meilenstein im Kampf gegen die HIV-Infektion war die Entwicklung der antiretroviralen Therapie (ART), die seither laufend verbessert wurde. Obwohl die HIV-Infektion immer noch nicht heilbar
ist, können behandelte HIV-Infizierte ein (beinahe) normales Leben führen und sind kaum noch ansteckend.
Das führte zu einer unberechtigten Sorglosigkeit. Die Medien
schrieben wenig über HIV und andere STI, und in der Schule wurde
dieses Thema kaum noch im Stundenplan berücksichtigt. Die jungen Menschen verloren Angst und Respekt vor Aids. Die meisten
verhielten sich, als ob es keine HI-Viren oder andere STI-Mikroben
geben würde. Die kollektive Verdrängung fand und findet statt.
Die unvermeidliche Folge: Die STI sind wieder auf dem Vormarsch.
Heute sind mehr als 30 Erreger bekannt, die sexuell übertragbar
sind. Alleine seit 1975 wurden zwölf neue Erreger entdeckt, einer
davon das HI-Virus, und mit grosser Wahrscheinlichkeit werden
weitere folgen.
Das Aufkommen von Aids Anfang der 80er Jahre schockierte die
Welt: Aids war tödlich, ein Killer, und in Rekordzeit bewiesen die
Wissenschaften: HIV ist sexuell übertragbar. Schon 1985 kam der
erste HIV-Test auf den Markt und ermöglichte es, das gewaltige
Ausmass der Epidemie zu erkennen. In den Industrieländern führte
STI -AKTUELL- 8 / 9
Die globale HIV-Epidemie 2010
Ausbreitung
Global
3
Weltweit nimmt die Zahl der sexuell übertragbaren Infektionen (STI)
stetig zu. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind Papillomaviren und Herpes-simplex-Viren am häufigsten. Mehr als 70%
der sexuell aktiven Männer und Frauen stecken sich im Laufe ihres
Lebens mit HPV an. Von dem genitalen Herpesvirus sollen je nach
Region 2–72% der Bevölkerung betroffen sein. Allein von den
heilbaren STI sind laut WHO pro Jahr mehr als 340 Millionen MenNeue Syphilisinfektionen pro Jahr
100 000
Nordamerika
140 000
Westeuropa
3 Mio.
Lateinamerika
& Karibik
Quelle: WHO 2006
4 Mio.
Subsahara Afrika
Total
Erwachsene
Frauen (15 J. und mehr)
Kinder unter 15 Jahren
34.0 Mio
30.1 Mio
16.8 Mio
3.4 Mio
Neu HIVinfizierte
Menschen
Total
Erwachsene
Kinder unter 15 Jahren
2.7 Mio
2.3 Mio
390 000
Aids-Tote
Total
Erwachsene
Kinder unter 15 Jahren
1.8 Mio
1.5 Mio
250 000
Quelle: UNAIDS Global report 2011
100 000
Osteuropa &
Zentralasien
370 000
Nordafrika &
Mittlerer Osten
Menschen
mit HIV (kumuliert)
240 000
Ostasien
4 Mio.
Süd- & Südostasien
10 000
Australien
schen im Alter von 15–49 Jahren betroffen: Syphilis 12 Millionen,
Gonorrhö 62 Millionen, Chlamydien 92 Millionen und Trichomonaden 174 Millionen. In den Entwicklungsländern ist die Anzahl Neuerkrankungen aller STI deutlich höher als in den Industrieländern.
Hingegen sind die HIV-Neuinfektionen weltweit rückläufig, dank
den Bemühungen, möglichst vielen HIV-Infizierten eine Behandlung zu ermöglichen. Trotzdem stecken sich jeden Tag immer noch
etwa 7000 Menschen mit HIV an. Die Zahl aller noch lebender
HIV-Infizierten wird von der UNAIDS per Ende 2010 weltweit auf
34 Mio. geschätzt.
Ausbreitung
Häufigkeit der HIV-Infektion
Quelle: UNAIDS Global report 2010
HIV-Prävalenz in % der Bevölkerung
0.5% – 1%
>15% – 28%
0.1% – 0.5%
5% – 15%
<0.1%
1% – 5%
Europa
Auch in Westeuropa nahmen die STI in den letzten zehn Jahren
deutlich zu, insbesondere Gonorrhö, Syphilis und Chlamydien.
Laut dem europäischen Zentrum für Prävention und Kontrolle von
Krankheiten (European Centre for Disease Prevention and Control, ECDC) nahmen die Chlamydien-Infektionen am stärksten zu,
von 2006–2008 um 49%.
Die genaue Anzahl der Infektionen mit dem humanen Papillo-
maviren (HPV) sind zwar unbekannt. Hingegen für den Gebärmutterhalskrebs, der vorwiegend durch die HPV-Typen 16 und 18
verursacht wird, wissen wir: In der Schweiz sehen sich jedes Jahr
mehr als 5000 Frauen mit der Diagnose einer Krebsvorstufe am
Gebärmutterhals konfrontiert, meist junge Frauen zwischen 20–30
Jahren. Sie müssen weitere Untersuchungen oder eine Operation
über sich ergehen lassen. Trotzdem bekommen in der Schweiz,
manchmal erst 20–30 Jahre nach der Ansteckung, pro Jahr etwa
300 Frauen Gebärmutterhalskrebs, und etwa 90 sterben daran.
Die Aids-Epidemie begann in Westeuropa Anfang der 1980er Jahre und breitete sich in Osteuropa erst nach dem Mauerfall (1989)
und dem Auflösen des Warschauer Pakts aus. Einige osteuropäische Länder haben unterdessen Westeuropa überholt. 28 Länder
der EU meldeten insgesamt 27 116 neue HIV-Infizierte für das Jahr
2010. Die Länder mit den höchsten HIV-Raten (HIV-Infizierte pro
100 000 Einwohner) sind: Estland 27.8 (372 Infizierte), Littauen 12.2
(274 Infizierte), Belgien 11.0 (196 Infizierte), England 10.7 (6654 Infizierte). Die kleinste HIV-Raten stammen von Rumänien 0.7 (152
Infizierte) und der Slowakei 0.5 (28 Infizierte). Die Schweiz im Vergleich: 8.7 (609 Infizierte). Immer noch sind 30% der HIV-Infektionen
unerkannt: Einer von drei HIV-Infizierten weiss nichts von seiner Infektion.
Von den frisch HIV-Infizierten in Europa im Jahr 2010 sind 38% Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), 24% Heterosexuelle, 4%
iv-Drogenabhängige, hinzu kommen noch heterosexuelle Menschen, die ursprünglich aus Subsahara-Afrika (ca. 12%) stammen.
STI -AKTUELL- 10 / 11
Ausbreitung
Syphilis in Deutschland 1971 – 2008
10 000
9000
Alle
Männer
Frauen
8000
7000
6000
5000
4000
3000
2000
1000
07
20
03
99
20
19
95
91
19
19
87
83
19
79
19
19
75
19
71
0
19
3
Quelle: Robert-Koch-Institut, Berlin
Die HIV-Neuansteckungen nahmen in den letzten 10 Jahren insgesamt nur leicht ab. Dies ist erstaunlich! Es wurde durch die breit
eingeführte antiretrovirale Therapie (ART) eine deutliche Abnahme erwartet. Die nach wie vor grosse Zahl an Neuansteckungen
dürfte hauptsächlich zwei Gründe haben:
In Deutschland wurden in den letzten Jahren 3000–3500 Syphilisfälle pro Jahr gemeldet. Interessant ist der Verlauf der Syphilisfälle
von 1971 bis 2008 (siehe Abbildung „Syphilis in Deutschland 1971–
2008“), welche eng mit dem Sexualverhalten der jeweiligen Zeit
zusammenhängen: Die Zunahme der Syphilisfälle auf über 9000
pro Jahr (1979) dürfte mit den Nachwehen der „sexuellen Revolution“ erklärbar sein, welche häufigen Partnerwechsel propagierte,
wie ein Slogan der 68er dokumentiert: „Wer zwei Mal mit derselben
pennt, gehört zum Establishment“. Diese „Partnerwechselphase“
kam bald etwas aus der Mode, worauf die Syphilisfälle sanken. In
den 80er Jahren kam zusätzlich die Angst vor Aids hinzu, worauf
die jungen Menschen zurückhaltender beim Partnerwechsel wurden. In der Folge sanken die Syphilisfälle auf den Tiefststand von
1000 pro Jahr (1995). Während von 1995 bis 2000 jährlich ca. 1150
Fälle registriert wurden, stieg die Anzahl der Meldungen ab 2001
wieder an. Dies dürfte sich auf eine neue Sorglosigkeit bezüglich
Partnerwechsel (höhere Promiskuität) zurück zuführen lassen.
a) Bei etwa jedem dritten HIV-Infizierten wurde die Diagnose nicht
gestellt, so dass sie unwissentlich das Virus weiterverbreiten.
b) Seit es die wirksame ART-Behandlung gibt, sind die Menschen
wieder risikofreudiger geworden und wiegen sich in falscher Sicherheit.
Ausbreitung
Schweiz
Die Schweiz gehört bei den sexuell übertragbaren Infektionen in
Europa zu den unrühmlichen Spitzenreitern. Die gemeldeten Neuansteckungen stiegen in den letzten 10–15 Jahren: Syphilis-Fälle
um ein Vielfaches, Gonorrhö-Fälle um das 5fache und Chlamydien-Fälle um das 3fache. Die tatsächliche Anzahl der STI-Infektionen ist unbekannt, denn der grösste Teil der STI-Infektionen bleibt
unbemerkt. Experten rechnen jedoch mit einer grossen Dunkelziffer. Die HIV-Neuinfektionen stagnieren seit 1998 bei jährlich 600–
800 frisch HIV-infizierten Personen.
HIV, Gonorrhö, Syphilis in der Schweiz
1200
1100
Gonorrhö
HIV-Infektion
Syphilis
1000
900
800
700
600
500
Einige STI sind leicht übertragbar, weshalb sie sich durch sehr häufiges Vorkommen in der ganzen Bevölkerung auszeichnen: Dazu
gehören die Chlamydien-Infektionen mit 3 bis 10%, die HPV-Infektionen mit 15% und Herpes genitalis mit 20% (Schätzungen für die
Schweiz).
300
200
100
10
20
08
20
06
20
04
20
20
02
0
00
Grundsätzlich können alle sexuell aktiven Menschen von einer
sexuell übertragenen Infektion (STI) betroffen sein. Gemäss Hochrechnungen der WHO zieht sich weltweit jeder Erwachsene während seines Lebens mindestens eine sexuell übertragbare Infektion zu. Das sind Durchschnittszahlen, aber sie zeigen die grosse
Verbreitung in allen Gesellschaften.
400
20
Wer ist von STI betroffen?
Quelle: Bundesamt für Gesundheit
Schweiz 1998–2010: starke Zunahme der gemeldeten Gonorrhöund Syphilis-Fälle; Stagnation der HIV-Epidemie. Für den Zeitraum
von 1999–2005 bestand für Syphilis keine Meldepflicht, weshalb keine Zahlen vorhanden sind (grün gestrichelte Linie).
STI -AKTUELL- 12 / 13
Ausbreitung
HIV-Infizierte nach Ansteckungswegen in der Schweiz
Sexuelle Präferenz
90 (56%)
heterosexuell
268
(37%)
homosexuell
190
(25%)
2
(1%)
4 000
bisexuell
14
(2%)
2
(1%)
2 000
keine Angaben
270
(36%)
Total bestätigte Fälle
732 (100%) 162 (100%)
6 000
10
20
08
20
06
20
04
20
02
20
00
20
98
19
96
0
19
3
Frau
Mann
Heterosexuelle
iv-Drogenabhängige
Homosexuelle
andere
8 000
Gonorrhö nach Ansteckungswegen in der Schweiz 2009
Quelle: Bundesamt für Gesundheit
Schätzung aller HIV-Infizierten in der Schweiz: Der obere Rand der
Kurven bildet die Summe der noch lebenden HIV-Infizierten, die
Breite der Kurve entspricht der Zahl der Aidskranken. Am meisten
HIV-Infizierte gibt es bei den Hetrosexuellen. Die Homosexuellen
sind zwar insgesamt weniger Fälle, aber prozentual sind es viel
mehr. Homosexuelle sind 30–40 Mal häufiger infiziert als Heterosexuelle. Das liegt am grösseren Risiloverhalten wie mehr Partnerwechsel und Analvekehr.
68 (42%)
Art der Beziehung
feste Beziehung
141 (19%)
43 (26%)
Gelegenheitsbeziehung
264 (36%)
22 (13%)
mit Prostituierter
40
(6%)
1
(1%)
mit zahlendem Kunden
2
(0%)
1
(1%)
unbekannt
91
(12%)
12
(7%)
keine Angaben
194 (27%)
Total bestätigte Fälle
732 (100%) 163 (100%)
Quelle: Bundesamt für Gesundheit
84 (52%)
Ausbreitung
Die klassischen Geschlechtskrankheiten, wie Syphilis und Gonorrhö sowie die HIV-Infektion treten vor allem bei Menschen mit
häufigem Partnerwechsel auf. Deshalb spricht man auch von den
„Risikogruppen“:
Altersgruppen
Chlamydien nach Altersgruppen in der Schweiz 2009
Altersgruppen
Mann
Frau
• Männer, die Sex mit Männern haben
0–14
19
(1%)
39
(1%)
• Menschen, die sich die Drogen in die Vene spritzen (Heroin,
Kokain)
15–19
85
(5%)
1841
(19%)
20–24
377
(22%)
1600
(36%)
25–29
373
(22%)
991
(22%)
30–34
207
(15%)
482
(11%)
35–38
203
(12%)
244
(5%)
40–44
170
(10%)
151
(3%)
>45
219
(13%)
146
(3%)
• Personen, die illegale Drogen konsumieren (Partydrogen,
wie Kokain, Ecstasy, GHB)
• Prostituierte und ihre Kunden
• Menschen aus Ländern, wo diese Infektionen viel häufiger
vorkommen (z.B. Afrika)
Von diesen „Risikogruppen“ breiten sich die STI in die Allgemeinbevölkerung aus, z.B. von Prostituierten auf ihre Klienten, von diesen wiederum auf deren Frauen und so weiter. Bald einmal ist die
Infektionskette nicht mehr nachvollziehbar, weil einzelne Glieder
längst nicht mehr zu den „Risikogruppen“ gehören. Das bedeutet,
dass jeder, der in der Vergangenheit einen oder mehrere Sexualpartner hatte, theoretisch ein Risiko aufweist. Auch bei HIV ist es
verfänglich, in den Kategorien der „Risikogruppen“ zu denken. In
den westlichen Ländern kann heutzutage jeder davon betroffen
sein. Deshalb ist es wichtig, dass sich jeder mit den STI beschäftigt
und über STI gute Kenntnisse verfügt.
Total bestätigte Fälle
1716 (100%)
4512 (100%)
Quelle: Bundesamt für Gesundheit
Gemeldete Clamydien-Infektionen und Altersgruppen: In der
Schweiz hat sich die Verteilung der gemeldeten Fälle nach Geschlecht und Altersgruppen im Verlauf der letzten 10–15 Jahre
kaum verändert. 2009 beträgt der Frauenanteil 72% (4512 von
6280). Bei den Frauen sind 87% der gemeldeten Fälle 15- bis 34-jährig. Bei den Männern betrafen etwa 71% der Meldungen der Altergruppen der 20- bis 39-jährigen. Da die Dunkelziffer der ClamydenInfektionen sehr gross geschätzt wird, kennen wir die tatsächlichen
Prozentzahlen der jeweiligen Gruppe der Bevölkerung nicht.
STI -AKTUELL- 14 / 15
Ausbreitung
3
STI bei ungeborenen und neugeborenen Kindern
Frauen mit STI können ihre Kinder während der Schwangerschaft,
bei der Geburt und beim Stillen anstecken. Einige Beispiele:
Syphilis: Schwangere Frauen mit unbehandelter Frühsyphilis haben in 25% eine Totgeburt und in 14% stirbt das Kind kurz nach der
Geburt – insgesamt eine Todesrate von 40%. Schwangere Frauen
in Afrika z.B. sind in 4–15% mit Syphilis angesteckt.
Gonorrhö: Bis zu 35% der schwangeren Frauen mit unbehandelter
Gonorrhö erleiden einen Abort oder eine Frühgeburt und in 10%
stirbt das Kind bei der Geburt. Ohne Behandlung der Mutter werden 30–50% der Kinder mit Gonorrhö infiziert.
Chlamydien: Mehr als 30% der Kinder von Müttern, die eine unbehandelte Chlamydien-Infektionen haben, bekommen eine ernsthafte Augeninfektion, welche zu Blindheit führen kann, wenn das
Kind nicht rechtzeitig behandelt wird. Laut WHO erblinden deswegen jedes Jahr weltweit zwischen 1000 bis 4000 Kinder.
Die Impfung gegen Hepatitis B ist hochwirksam. Würden weltweit
alle Kinder (resp. Menschen) gegen Hepatitis B geimpft, würde
die Hepatitis B bald aussterben. Seit sich viele Kinder oder Jugendliche vor dem ersten Sexualkontakt gegen Hepatitis B impfen lassen, nehmen die Neuansteckungen unter Jugendlichen
dramatisch ab.
Rückgang der Hepatitis B bei jungen Menschen nach der Impfung
30
25
1995
20
15
10
2002
5
0
5–
9
10
–1
15 4
–1
20 9
–2
25 4
–2
30 9
–3
35 4
–3
40 9
–4
45 4
–4
50 9
–5
55 4
–5
60 9
–6
65 4
–6
70 9
–7
75 4
–7
9
HIV in der Schweiz 2000–2011:
Die jüngste HIV-Infizierte war nur gerade
13-jährig, der älteste 85-jährig.
Hepatitis-B-Impfung: eine Erfolgsgeschichte!
<5
Die Neuinfektionen der STI betreffen insbesondere junge Menschen im Alter von 15 bis 34 Jahre. Die Frauen stecken sich eher
etwas früher an als die Männer.
Quelle: Bundesamt für Gesundheit
In der Schweiz wurde 1998 die Impfung generell für alle Jugendliche zwischen 11–15 Jahren empfohlen. 80% der Hepatitis B-Infektionen ereignen sich im Alter zwischen 15–35 Jahren. Zwischen
Ausbreitung
1999 und 2002 ging die Zahl der Hepatitis-B-Erkrankungen in dieser
Altersgruppe um 84% zurück. In der Schweiz lassen sich noch nicht
alle Menschen impfen, die ein Risiko aufweisen. Deshalb werden
jährlich immer noch etwa 100 Hepatitis-B-Fälle neu gemeldet, davon 45% akute Hepatits-Fälle (Neuinfektionen). Die geschätzten
Infektionen liegen um ein Vielfaches höher.
Chlamydien: Testen und Antibiotika
Eine Antibiotika-Behandlung führt bei der Chlamydien-Infektion
zur Heilung. Würden alle Infizierten behandelt, könnte die Infektion
zum Verschwinden gebracht werden. Erstaunlich sind die unverändert hohen Infektionsraten von Chlamydien in Europa und den
USA. Der Grund liegt vor allem an a) der fehlenden Information
der Bevölkerung, b) den fehlenden Diagnosestellungen, c) daran,
dass der Partner nicht gleichzeitig behandelt wird und d) daran,
dass insbesondere Frauen häufig keine Symtome haben.
Die weiterhin grosse Verbreitung der Chlamydien-Iinfektion ist nur
ein Beispiel dafür, wie wenig junge Menschen generell über STI
informiert sind. Der Ansatz der STI-Prävention liegt zuerst einmal in
der Verbesserung des Informationsstandes der Bevölkerung.
STI -AKTUELL- 16 / 17
Übertragungswege
4
HIV und den anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STI)
ist die sexuelle Übertragung gemeinsam – deswegen auch namensgebend. Die Erreger unterscheiden sich jedoch bezüglich
Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit) erheblich (siehe „Wer ist von
den STI betroffen“. S.14). Die Übertragung erfolgt überwiegend
durch Kontakt von Schleimhaut und manchmal Haut (bei Mikroverletzungen) mit infizierten Körperflüssigkeiten, wie Samenflüssigkeit (Sperma), dem sogenannten Lusttropfen (Präejakulat),
Scheidenflüssigkeit (Vaginalsekret) und bei manchen STI durch
Wundsekrete. Bei einigen STI kommen die Erreger auch im Blut
vor: HIV, Syphilis, Hepatitis B und C. Diese Erreger können auch
über Blut oder bluthaltige Körperflüssigkeiten durch Schleimhäute
und verletzte Haut in den Körper eindringen. Infiziertes Blut kann
durch iv-Drogenkonsum, Stichverletzungen bei Medizinalpersonal
und Blut- oder Organspenden direkt in die Blutbahn gelangen.
HIV, Hepatitis B+C können nicht über die intakte Haut übertragen
werden.
Sexualität
Die Ansteckung mit einer STI erfolgt überwiegend beim Sexualverkehr. Analverkehr ist risikoreicher als Vaginalverkehr. Beim Oralverkehr können die STI-Erreger ebenfalls durch Sperma, Vaginalsekret
oder durch Blutbeimischung im Speichel (bei HIV und Hepatitis B)
übertragen werden. Die meisten STI, insbesondere Herpesinfektionen, Syphilis und Gonorrhö, können ebenso bei Küssen oder
Petting (durch direkten Kontakt mit infektiösen Stellen ausserhalb
der Genitalorgane) übertragen werden. Alle STI, auch HIV, können durch sogenannte Schmierinfektionen übertragen werden,
d.h. über mit Körperflüssigkeiten „verschmutzte“ Hände oder Sexspielzeuge (Dildos).
Mutter-Kind-Übertragung
Einige STI können während der Schwangerschaft oder Geburt
über das Blut auf das Kind übertragen werden (HIV, Syphilis, Hepatitis B). Andere STI werden durch den infizierten Geburtskanal
während der Geburt auf das Kind übertragen (Gonorrhö, Herpes
genitalis, Chlamydien, Papilomaviren, Cytomegalieviren usw.).
iv-Drogenkonsum
HIV, Hepatitis B und C und Syphilis können beim intravenösen Drogenmissbrauch übertragen werden, wenn bereits benutzte Spritzen oder Nadeln verwendet werden. Infiziertes Blut (kleine Blutreste im Spritzenbesteck) kann direkt in die Blutbahn gelangen.
Bluttransfusionen und Organtransplantationen
Eine Ansteckung durch Bluttransfusionen ist bei HIV, Hepatitis
Übertragunswege
B+C und Syphilis möglich. In allen industrialisierten Ländern werden Blut- und Organspender auf diese STI-Infektionen sorgfältig
untersucht, so dass Ansteckungen praktisch ausgeschlossen sind.
In den Entwicklungsländern kommen Ansteckungen auf diesem
Weg zustande.
STI leiden, sind beim Sex 2–5 Mal empfänglicher für HIV. Anderseits
steckt ein HIV-infizierter Mensch, der zusätzlich unter einer anderen STI leidet, andere Menschen viel leichter an, weil die Viren an
entzündeten Stellen häufiger vorkommen. Entzündungen und Geschwüre an den Schleimhäuten bilden eine wichtige Eintritts- und
Austrittspforte für HI-Viren.
Tätowierung und Piercing
Jede weitere Infektion schwächt das Immunsystem des HIV-Infizierten zusätzlich. Auch andere sexuell übertragbare Infektionen
können sein Abwehrsystem schwächen und zu einer Vermehrung
der HI-Viren führen. Deshalb ist es für HIV-Infizierte sehr wichtig zu
wissen, ob der Sexualpartner oder er selber an einer anderen STI
leidet. Obwohl einige STI asymptomatisch verlaufen, können sie
schwerwiegende Spätfolgen haben. Wenn sie rechtzeitig erkannt
werden, können die meisten STI auch bei HIV-Infizierten gut und
effektiv behandelt werden. STI müssen auch unabhängig vom
HIV-Infektionsrisiko behandelt werden.
Mit unsterilem Material können Übertragungen von STI vorkommen. Unsteriles Arbeiten ist verboten, scheint aber doch immer
wieder vorzukommen.
Medizinalbereich
Ärzte und anderes Medizinalpersonal sind gegenüber den Infektionskrankheiten bei ihrer Berufstätigkeit immer schon stärker ausgesetzt gewesen als die Durchschnittsbevölkerung. Je nach Infektiosität der Erreger sind Ansteckungen mit STI möglich.
Bei HIV, Hepatitis B + C und Syphilis kommen Ansteckungen durch
Nadelstichverletzungen (Stechen mit einer infizierten Nadel oder
einer Spritze) vor.
STI erhöhen Risiko einer HIV-Übertragung
Aus verschiedenen Gründen wird die HIV-Übertragung durch andere Geschlechtskrankheiten gefördert. Menschen, die an einer
Im Alltag: Kein Ansteckungsrisiko
Eine Übertragung durch Tröpfchen (z.B. Husten, Niesen) ist nicht
möglich. Im alltäglichen sozialen Kontakt (Haushalt, Arbeitsplatz,
etc.) ist eine Ansteckung mit einer STI bei Einhaltung der üblichen
Hygieneregeln ausgeschlossen. Schmierinfektionen durch gebrauchte Handtücher und Toilettenartikel kommen bei HIV nicht
vor, bei den anderen STI extrem selten.
STI -AKTUELL- 18 / 19
Prävention
Mit Wissen zu mehr Freude am Sex
5
2
Kaum einer will es zugeben: Im „sexualisierten“ Europa verfügen
die jungen Menschen über ungenügendes Wissen in Bezug auf
die sexuelle Gesundheit. Heute spielt Sex in den meisten Köpfen
eine sehr grosse Rolle, aber bei Umfragen über die sexuelle Gesundheit schneiden die meisten nicht sehr gut ab. Safer Sex bedeutet Kondome verwenden, das weiss heute jedes Kind, aber
müssen sie nur schon zwei Geschlechtskrankheiten aufzählen, hapert es. Die Flut von Informationen über Sexualität, die uns täglich
erreichen, führt paradoxerweise nicht zu mehr Wissen. Die Informationen bestehen oft aus Halbwahrheiten, aus Detailwissen, die
über die Sexualität und sexuell übertragbare Infektionen (STI) ein
wichtiger Teil, um die sexuellen Gesundheit zu erhalten. Anders
gesagt: STI können die Freude am Sex trüben. Prävention der
sexuell übertragbaren Krankheiten kann nur Erfolge verzeichnen, wenn jeder Einzelne über entsprechendes Wissen der sexuell übertragbaren Infektionen verfügt. Es braucht eine persönliche Konfrontation Ihrer sexuellen Wünsche und Bedürfnisse mit
den Risiken der sexuellen Gesundheit wie STI und unerwünschte
Schwangerschaft. Dadurch können Sie Ihr Verhalten entsprechend anpassen. Die Auseinandersetzung mit der Prävention von
STI ist ein wichtiger Schritt zu mehr Freude am Sex.
In 10 Kapiteln stelle ich Ihnen nützliche Empfehlungen vor:
1.
3.
WHO: Wissen über Sexualtiät und sexuell übertragbare Infektionen fördert die sexuelle Gesundheit.
den Blick für das Wesentliche trüben, oder manchmal schlicht aus
Fehlmeinungen. Heute ertrinken Menschen häufig in der Informationsflut und verlieren den Mut, sich für ihr Leben und ihre sexuelle
Gesundheit das notwendige Wissen anzueignen.
Laut WHO-Definition ist der Zugang zu sachgerechtem Wissen
Sprechen über STI
2.Risikostatus
STI-Status
4.Partnerwahl
5. Treue in Beziehungen, weniger Sexualpartner im
Leben
6.
Hochrisikosex
7.Kondome
8.
Arztbesuche
9.Impfungen
10. Drogen und Alkohol
Prävention der STI
1.
Sprechen über STI
Eine erfolgreiche Prävention hängt wesentlich davon ab, ob Sie
und Ihr Partner miteinander offen über sexuell übertragbare Infektionen sprechen können. Das ist offensichtlich: Wie wollen Sie
sonst erfahren, ob Ihr Partner in seiner Vergangenheit Risiken eingegangen ist; ob Sie der erste Sexualpartner sind; ob er schon mit
einer STI angesteckt ist und davon weiss; ob er sich schon auf STI
testen liess?
Was auf der Hand liegt und so einfach klingt, ist für viele Menschen nicht so leicht. Manche sind bei sexuellen Angelegenheiten peinlich berührt und genieren sich, darüber zu sprechen. Andere haben Angst vor Uneinigkeiten oder als „Bünzli“ abgewertet
zu werden. Viele Menschen brauchen all ihren Mut, um dieses
Thema anzusprechen.
Und doch lohnt es sich. Der Partner fühlt sich normalerweise erleichtert, wenn Sie sich getrauen, die Fragen nach STI zu stellen.
Wenn einmal der Anfang gemacht ist, wird es einfacher.
Es gibt einfache Regeln, wie Sie das Gespräch leichter schaffen:
Leute von heute sprechen über
STI-Risiken und ihre Vorgeschichte.
• Planen Sie das Gespräch und informieren Sie sich vorher über
STI.
• Vereinbaren Sie Zeitpunkt und Ort, wo Sie ungestört sind.
• Schneiden Sie nicht erst das Thema an, wenn schon beide
nackt ausgezogen und stark sexuell erregt sind.
• Überlegen Sie sich vor dem Sex, was für Sex Sie wollen und welche Ihre Bedürfnisse sind.
• Überlegen Sie sich vorher, welche Risiken Sie bereit sind, für den
Spass am Sex einzugehen.
• Lassen Sie sich nicht zu Sexualität drängen, wenn es für Sie nicht
stimmt.
• Manchmal hilft es, Informationsmaterial dabeizuhaben.
2.Risikostatus
Wie gross ist denn Ihr Risiko, Träger von STI-Mikroben zu sein? Um
das STI-Risiko einkreisen zu können, müssen Sie das Risiko Ihres aktuellen und Ihrer vergangenen Sexualpartner kennen. Am besten
beginnen Sie zuerst bei sich und Ihrer sexuellen Vergangenheit.
Hand aufs Herz. Haben Sie mit allen ehemaligen Liebespartnern
über sexuelle Risiken gesprochen? Wenn nicht, dann können Sie
Ihr Risiko schlecht einschätzen.
Vielleicht haben Sie aber nur mit einem Partner Sex gehabt, der
STI -AKTUELL- 20 / 21
Prävention der STI
vorher auch noch nie Sex hatte. Dann ist Ihr Risiko wahrscheinlich
praktisch null.
Harte Fakten bringt der STI-Status (Testen auf STI). Wann haben
Sie sich letztes Mal testen lassen und auf welche Erreger? Sind
Sie nach den letzten Tests noch ein Risiko eingegangen? Haben
Sie einen gemeinsamen Test mit dem Partner gemacht? Sind Sie
gegen Hepatitis B sowie HPV geimpft?
Was hast
denn du
da??
Hinweise auf ein Risiko, also weiche Fakten, sind die Antworten
auf folgende Fragen: Haben Sie oder Ihr angehender Partner
Drogen gespritzt? Haben Sie schon Symptome einer STI gehabt
(siehe „Die Krankheiten und Symptome“)? Haben Sie sich regelmässig von einem Arzt untersuchen lassen? Haben Sie mit ihm
5
Der Partner, mit dem Sie Sex haben, hat meist seine
eigene Vergangenheit – mit Risiken? Wie Sie auch?
darüber gesprochen, welche STI er ausschliessen kann? Fragen
Sie Ihren (angehenden) Partner dieselben Fragen und beobachten Sie ihn, wie er antwortet, ob er ausweicht und bei gewissen
Fragen das Thema wechselt. Insbesondere ist interessant, wie er
reagiert, wenn Sie ihm einen Test vorschlagen. Geht er gleich darauf ein, spricht es dafür, dass er die Wahrheit sagt. Haben Sie Risikokontakte gehabt, lassen Sie sich dennoch beide testen, denn
vielleicht ist er (oder Sie) in Unkenntnis einer STI.
Partnerin entdeckt eine Hautveränderung am Penis.
Prävention der STI
Heutzutage weisen viele junge Menschen ein unbekanntes Risiko
für STI auf, HIV mit einbezogen. Vielleicht war einer Ihrer Partner
ein symptomloser Träger, der nichts von seinen Mikroben ahnte?
Oder es war gar einer darunter, der eine STI hatte, es Ihnen aber
nicht mitteilte?
3.
STI-Status
Eine sichere Diagnose oder ein eindeutiger Ausschluss einer STI
kann nur durch entsprechende Tests (von Blut oder Abstrich) erfolgen. Der STI-Status gibt an, ob jemand mit einer STI infiziert ist;
er beseitigt Unsicherheiten. Analog spricht man vom HIV-Status.
Bei den ersten Dates informieren Partnersuchende den Partner
über ihr Risikoverhalten oft ungenau oder manchmal sogar falsch
– das zeigen Studien und die Erfahrung der Ärzte. Diese Partnersuchenden verschweigen ihren STI-Status oft aus Angst vor Abweisung oder Trennung. Manchmal befürchten sie Verurteilung oder
Herabminderung der eigenen Person durch den Geliebten.
viele Vorteile, wie der 27-jährige Angelo zu berichten weiss. Er hat
seine Partnerin zu einem gemeinsame HIV-Test mit der Bemerkung
eingeladen: „Wir können das Testresultat zusammen abholen und
haben dann sicher keine Geheimnisse mehr voreinander.“ Völlige
gegenseitige Offenheit schafft Sicherheit und Vertrauen.
Lehnt ein möglicher Partner das gemeinsame Testen ab, stellen
sich Fragen. Hat er nichts zu verbergen, spricht ja nichts gegen
Offenheit und einen Arztbesuch. Fragen Sie nach seinen Gründen. Vielleicht hat er Angst und verdrängt lieber seine Risiken. Nur
ist eine Vogelstrausspolitik hier fehl am Platz. Liegt Ihnen viel am
Partner, versuchen Sie ihn zu überzeugen, dass nur Hinschauen
hilft, die Angst zu überwinden. Verdrängen wendet sich gegen
einen selber.
Hat er etwas zu verbergen? Dann ist es erst recht wichtig, die eigenen Bedürfnisse nicht zurückzustellen.
Wollen Sie sich wirklich nur auf Ihr Glück verlassen? Bestimmen Sie mit Ihrem Partner gemeinsam einen STI-Status.
Ein grosser Anteil der STI-Infizierten weiss nichts von einer Infektion,
weil sie zu wenig informiert sind, oder weil sie ihr Risiko unterschätzen oder verdrängen.
4.Partnerwahl
In diesen Situationen bringt eine Konsultation beim Arzt und die
Durchführung von STI-Tests Klärung (wie HIV-Test, Syphilis-Test usw).
Der Arzt kann auch vom Paar zusammen aufgesucht werden.
Gemeinsame STI-Tests beim Arzt oder an einer Teststelle bringen
Die meisten jungen Leute wünschen sich eine schöne und glückliche Liebe, die nie aufhört, obwohl sie selbstverständlich wissen,
dass die meisten Liebesbeziehungen nicht mehr durch den Tod
eines Partners geschieden werden. Unzweifelhaft braucht es zwei
STI -AKTUELL- 22 / 23
Prävention der STI
Menschen, die zu einander passen – sonst hält die Partnerschaft
nicht lange.
Zum ABC einer Partnerschaft gehört: Gestalten Sie Ihre Beziehung
vom ersten Date bis zur Trennung oder zum Tod. Bei den ersten
Dates ist es wichtig, nicht nur die schönen Seiten zu sehen, sondern auch die problematischen Seiten des Partners – und von
sich selber auch. Wenn einer zu dominierend ist und der andere
sich zu stark anpasst, ist die Chance gross, dass das Paar nicht
lange glücklich ist.
5
Beispielsweise erzählt David, dass ihm Harmonie in der Beziehung
immer sehr wichtig war, gerade auch mit Laura, seiner letzten
Freundin. Vom ersten Sex mit ihr erzählt er: „Kondome benutzten
wir nicht. Ich wusste nicht, ob sie die Pille nahm. Obwohl ich nicht
zur Sorte der Männer gehöre, die sich nicht um die Verhütung
kümmern, getraute ich mich nicht, danach zu fragen, und bald
fand ich es deplaziert, weil das nur die Stimmung vermasselt hätte. Sie wäre sicher nicht so aktiv gewesen, dachte ich, wenn sie
die Pille nicht genommen hätte. Wegen STI dasselbe: Ich getraute mich nicht, sie darauf anzusprechen; das hätte sie beleidigen
können. Daran gedacht habe ich schon.“
Gerade Fragen nach der Schwangerschaftsverhütung oder den
STI bringen es ans Tageslicht, ob ein Paar in der Lage ist, wichtige
und heikle Fragen zu diskutieren. Vielleicht wäre Laura froh um
Fragen oder ein Gespräch gewesen. Erstens hätten sie miteinander über Verhütung und STI sprechen und die Probleme klären
können. Schliesslich beschäftigten beide dieselben Fragen, sie
getrauten sich aber nicht diese anzusprechen, wie sich später
herausstellte. Zudem hätte Laura mehr Respekt vor David bekommen, wenn sie realisiert hätte, dass er sich auch traute, unangenehme Dinge anzusprechen. Er hätte hier ohne weiteres Ecken
Zeigen Sie, dass Sie verantwortungsvoll sind
– sprechen Sie mit Ihrem Partner über STI.
und Kanten zeigen können – eben seinen Mann stellen können.
Vielleicht hätte die Beziehung einen ganz anderen Verlauf genommen und Laura wäre nicht so nörgelnd und dominierend geworden.
Es gibt aber auch Menschen, die unwirsch reagieren und den
neuen Partner wegen seiner Sorge über STI als Angsthasen oder
Gesundheitsapostel titulieren oder ihm vorwerfen, er würde die
Stimmung zunichte machen, oder er sei kopflastig und solle endlich lernen, sich gehen zu lassen. Dabei kann es sich um Fehlmeinungen des Partners handeln, die durch ein Gespräch ausgeräumt werden können. Es gibt aber auch Menschen, die ihren
Partner immer klein machen müssen. Solch dominierende Persönlichkeitszüge eines Menschen zeigen sich nicht nur am Anfang
einer Beziehung, sondern ziehen sich wie ein roter Faden durch
die ganze Beziehung.
Eine Untersuchung an Paaren von Psychologiestudenten zeigen,
Prävention der STI
dass Paare in den ersten Wochen und Monaten
ganz gut miteinander zurechtkommen, schönen
Sex haben und auch sonst viel Spass miteinander haben können. Aber wie ist es, wenn die erste Verliebtheit vorbei ist? Die allermeisten Paare
konnten nicht offen und ehrlich so wichtige Fragen wie STI-Risiken miteinander diskutieren. Ist da
nicht schon der Wurm in der Beziehung und sind
Probleme vorprogrammiert, wenn sie vermeiden, über delikate Probleme zu sprechen?
Ohh, nein!
Der beste
Freund
meines
Mannes!!
Muss
dieser
Kerl
grad
jetzt
kommen!
Die Auseinandersetzung um STI und Schwangerschaftsverhütung zu Beginn einer Partnerschaft
zeigt, wie ein Paar miteinander zurechtkommt
und ob sie zueinander passen. Es kann ein Prüfstein für eine Beziehung werden, und wenn das
Paar diesen Prüfstein bewältigen kann, stehen
die Chancen für einen erfreulichen Verlauf einer
Partnerschaft gut.
5.
Treue in der Beziehung –
weniger Sexualpartner im Leben
Treue hilft gegen sexuell übertragbare Infektionen. Leben Sie in einer treuen Liebesbeziehung
mit Ihrem Partner, und beide sind mit keiner STI
infiziert, besteht kein Risiko einer Ansteckung. Vo-
Beim Seitensprung ertappt.
STI -AKTUELL- 24 / 25
Prävention der STI
raussetzung ist allerdings, dass keine anderen Risiken bestehen,
wie iv-Drogenmissbrauch.
Was aber ist nach einem Seitensprung zu tun? Den Partner informieren oder nicht? Der Nebenpartner dürfte kaum ehrlicher sein,
als ein neuer Partner (siehe Kapitel „STI-Status“). Deshalb müssen
Sie davon ausgehen, dass Sie ein Risiko eingegangen sind. Haben Sie Kondome benutzt, haben Sie das Risiko reduziert – was
schon einmal gut ist –, aber sie haben es nicht ausgeschlossen
(siehe Kapitel „Kondome“). Deshalb ist es folgerichtig, dass Sie Ihren Partner informieren und gemeinsam überlegen, was zu tun ist.
Die logische Konsequenz ist, dass Sie keinen Sexualkontakt mehr
aufnehmen, bis Sie eine STI ausschliessen können.
5
Das Ziel der Verminderung der Anzahl Sexualpartner – über das
ganze Leben gesehen – ist, eine STI-Übertragung zu vermeiden. Es
ist eine einfache Rechnung: Je mehr Sexualpartner, desto grösser
die Chance, sich mit STI anzustecken. Deshalb ist die Verringerung
der Anzahl Sexualpartner eine wichtige präventive Verhaltensänderung.
Die Statisiken zeigen: Menschen, die erst spät den ersten Sex haben, gehen während ihres Lebens weniger sexuelle Beziehungen
ein und werden seltener mit einer STI angesteckt. Jugendliche,
die sehr früh sexuelle Beziehungen eingehen, setzen sich im allgemeinen während ihres Lebens höheren Ansteckungsrisiken aus.
Jugendliche wollen ausprobieren, etwas Aufregendes erleben
und sind risikofreudig. Jugendliche, die früh ihre ersten Erfahrun-
gen machen, gehen häufig viele kurze sexuelle Abenteuer ein,
bis sie eine stabile Partnerschaft aufbauen, das heisst, sie weisen
ein höheres Risiko auf.
6.Hochrisikosex
Sogenannte „Risikogruppen“ sind viel häufiger Träger einer sexuell übertragbaren Infektion (STI) als die Allgemeinbevölkerung,
weswegen sie vom Blutspenden ausgeschlossen werden.
Geschlechtskrankheiten wie Syphilis, Gonorrhö, die HIV-Infektion
und Hepatitis B treten am meisten bei Menschen mit häufigem
Partnerwechsel auf. Zu diesen „Kerngruppen“ gehören Prostituierte und ihre Kunden, Männer, die Sex mit Männern haben, Personen, die „Partydrogen“ konsumieren wie Kokain, Ecstasy, GHB,
oder Menschen, die sich die Drogen (Heroin, Kokain) in die Venen
spritzen. Menschen aus Gebieten mit grossen BevölkerungsanteiSex mit einer Person aus den Risikogruppen birgt
ein hohes Risiko, eine STI zu erwerben.
len einer STI zählt man ebenso zu den Risikogruppen. Dies sind
Menschen aus Subsahara-Afrika (HIV-Infektion) oder Südost-Asien
(Hepatitis B).
Sexualpraktiken, bei denen Verletzungen entstehen, gelten als
Sex mit höherem Risiko. Dabei kann Blut mit Viren oder Bakteri-
Prävention der STI
en austreten, das den Partner ansteckt. Gleichzeitig sind
die Verletzungen für die Mikroben eine willkommene
Eintrittspforte. Analverkehr ist risikoreicher als Vaginalverkehr. Beim Analverkehr entstehen aus mechanischen
Gründen leichter Verletzungen der Schleimhaut des
Enddarmes. Beim Vaginalverkehr entstehen weniger
Verletzungen, es sei denn, dass die Vagina (Scheide)
nicht feucht ist. Das kommt vor, wenn Frauen keine Lust
auf Sexualität verspüren oder in der Menopause sind.
Für diesen Fall empfiehlt es sich, auf Sexualverkehr zu
verzichten; oder das Glied erst dann einzuführen, wenn
die Frau Lust hat und feucht wird; oder Gleitflüssigkeit zu
verwenden. Sexualverkehr während der Menstruation
mit einem STI-infizierten Partner gehört auch zu den risikoreichen Praktiken. Die Gründe sind die gleichen wie
bei Verletzungen. Egal, ob der Infizierte die Frau oder der
Mann ist, für beide ist die Ansteckungsgefahr deutlich
erhöht.
7.Kondome
Das Kondom hält das Präejakulat (Lusttropfen) und das
Ejakulat (Samenflüssigkeit) zurück, so dass die Frau mit
diesen Körperflüssigkeiten nicht in Berührung kommen
sollte. Umgekehrt bedeckt das Kondom die Eichel und
den Harnröhrenausgang, die Eintrittspforten für Mikroben beim Mann. Wichtig ist, das Kondom auch beim
STI -AKTUELL- 26 / 28
Prävention der STI
Oralverkehr anzuwenden, da viele STI auch beim Oralverkehr
übertragen werden können.
Die Anwendung des Kondoms ist an sich nicht schwierig (siehe
Kasten „Richtige Kondomanwendung“). Trotzdem braucht es etwas Übung, bis man vertraut mit dem Kondom umgehen kann.
Selbstverständlich funktioniert das Kondom nur, wenn es korrekt
angewendet wird und nicht abrutscht oder platzt.
Gerade junge Menschen sind nervöser und ungeübter, weshalb vermehrt Anwendungsfehler vorkommen. Den Männern ist
empfohlen, das Kondom im „stillen Kämmerlein“ für sich auszuprobieren. Entdecken Sie die spielerische Seite des Präservativgebrauchs. Die gemeinsame «Montage» können Sie zu einem
lustvollen Teil des Vorspiels gestalten.
5
Die Schutzwirkung von Kondomen
Wie gross ist die Schutzwirkung von Kondomen in der Praxis? Die
heutigen, qualitativ guten Latexkondome sind für Viren und Bakterien undurchlässig. Trotzdem schützen Kondome in der Praxis
leider nicht zu 100%. Der genaue Schutzfaktor ist schwierig zu
quantifizieren, nicht zuletzt, weil das Sexualverhalten etwas Privates ist, was der Forschung schwer zugänglich ist. Eine bedeutende
Ursache bei Kondomversagern sind Anwendungsfehler. Beim Sexualverkehr sind in der Regel starke und viele Emotionen im Spiel.
Da können Kondome auch mal abrutschen oder platzen. Auch
können Genitalflüssigkeiten z.B. über die Hände an die Schleim-
häute gelangen. Sexualität ist eben nicht vergleichbar mit den
Hygienebedingungen in einem Operationssaal. Bei folgenden
sexuell übertragbaren Infektionen liegen zur Schutzwirkung einigermassen zuverlässige Forschungsresultate vor:
HIV-Infektion: Kondome – wenn sie korrekt und immer angewendet werden – reduzieren das Risiko einer HIV-Übertragung deutlich (ca. 90%).
Gonorrhö, Hepatitis B, Chlamydien, Trichomonaden: Korrekt angewendete Kondome reduzieren das Risiko bei vielen STI, die
durch Genitalflüssigkeiten übertragen werden. Herpes genitalis,
Syphilis, Ulcus molle, humane Papillomaviren: Kondome schützen gegen Krankheiten mit Geschwüren (Ulcera) nur, wenn das
Kondom die Geschwüre bedeckt. Humane Papillomaviren (HPV):
Kondome können das Übertragungsrisiko reduzieren.
Die Anwendung des Kondoms braucht etwas Übung. Am
besten trainieren Sie im «stillen Kämmerlein für den Ernstfall».
Syphilis-Geschwüre an Orten,
an denen das Kondom nicht
schützt.
Prävention der STI
Richtige Kondomanwendung
1. Bei jedem Sexualverkehr ein ungebrauchtes, geprüftes Kondom verwenden.
2. Das Kondom überziehen, sobald die Erektion auftritt,
und vor jedem Kontakt des Penis mit Schleimhaut (Vagina,
Mund, Anus) und Körperflüssigkeiten des Partners.
3. Packung erst vor Gebrauch öffnen, wenn der Penis steif ist, und vor dem ersten Eindringen. Öffnen Sie die
Verpackung, indem Sie sie bei der Kerbe einreissen. Vermeiden Sie jede Beschädigung des Präservativs durch Fingernägel oder scharfe Gegenstände (keine Scheren oder
Messer zum Öffnen der Verpackung verwenden).
4. Das Präservativ an seiner Spitze halten, sorgfältig die
Vorhaut zurückziehen und das Präservativ entlang dem
steifen Glied abrollen. Das Präservativ soll nicht zu angespannt über dem Penis liegt (Gefahr des Reissens). Einen
kleinen luftleeren Raum an der Spitze des Kondoms lassen. Darauf achten, dass keine Luft zwischen Penis und
Kondom eingeschlossen ist.
5. Nach dem Samenerguss das Glied vor dem Erschlaffen vorsichtig herausziehen. Das Präservativ an der Peniswurzel festhalten, damit kein Sperma auslaufen kann.
6. Erschlafft der Penis vor dem Samenerguss, das Kondom festhalten und das Glied herausziehen. Bei erneuter
vollständiger Erektion ein neues Kondom verwenden.
7. Wenn nicht genug Scheidenflüssigkeit vorhanden
ist, ein geeignetes Gleitmittel verwenden. Wegen erhöhter Reissgefahr keine ölhaltigen Flüssigkeiten wie Handcreme, Babyöl usw. verwenden.
8. Beim Analverkehr immer genügend Gleitflüssigkeit
verwenden.
STI -AKTUELL- 28 / 30
Prävention der STI
8.
Arztbesuche
Suchen Sie bei Beschwerden oder Schleimhaut- und Hautveränderungen im Urogenitalbereich Ihren Arzt auf. Nach einem
Risikokontakt oder wenn Sie sich über Ihren HIV- oder STI-Status
im Ungewissen sind, konsultieren Sie Ihren Arzt für einen entsprechenden Test und diskutieren Sie die Risiken. Menschen mit häufig
wechselnden Partnern ist empfohlen, halbjährlich einen Hausarzt
oder Facharzt wie einen Hautarzt, einen Gynäkologen oder Urologen aufzusuchen. Genieren Sie sich nicht ihn alles zu fragen,
denn das Wissen über Ihren Körper und die sexuell übertragbaren
Infektionen schützt Sie vor Krankheiten und sexuellen Störungen.
5
Der sexuellen Gesundheit wird zu wenig Beachtung geschenkt. Eine Arztkonsultation bei
Beschwerden ist ein wichtiger Schritt dazu.
Junge Menschen suchen selten einen Arzt zur Klärung von Fragen
zur Sexualität, Verhütung und STI auf. Ausnahmen sind etwa die
Hälfte der jungen Frauen, die ihren Frauenarzt alle ein bis drei Jahre für einen Check oder wegen der Verhütung konsultieren und
manchmal Fragen zum Bereich Sexualität stellen. Durch diese regelmässigen Kontrollen beim Frauenarzt werden in der Schweiz
jährlich bei 5000 Frauen die Vorstufe von Gebärmutterhalskrebs
diagnostiziert, die dann mit einer Laserbehandlung oder einem
chirurgischen Eingriff gut behandelt werden können.
Zu einem „Sexual-Gesundheits-Check“ gehört auch zu überprüfen, gegen welche Infektionen bereits geimpft wurde. Gegen
Hepatitis B und gegen HPV (humane Papillomaviren, Erreger des
Gebärmutterhalskrebses und der Genitalwarzen) gibt es sehr gut
wirksame Impfungen, die einen wesentlichen Bestandteil der sexuellen Gesundheit darstellen. Auch geimpfte Frauen sollen mindestens alle drei Jahre eine Vorsorgeuntersuchung durchführen
lasssen, weil die Impfung nicht gegen alle HPV wirkt, und der Gebärmutterhalskrebs wir in etwa 25% durch die anderen, nicht im
Impfstoff enthaltenen HPV-Typen verursacht.
Nur ein Teil der jungen Menschen suchen einen Arzt wegen ungeklärten Fragen oder Problemen im sexuellen Bereich auf, wie
körperliche Beschwerden, Ausschläge, sexuelle Funktionsstörungen (Erektionsstörungen, Schmerzen beim Sexualverkehr usw.).
Manche beachten urogenitale Unterleibsbeschwerden zu wenig
und warten, bis sie von alleine vorbei sind. Viele STI führen nicht
in jedem Fall zu Krankheitssymptomen, oder die Beschwerden
verschwinden von selbst. Die Erreger verschwinden aber nicht
immer! Ohne richtige Behandlung können sie unerkannt im Körper bleiben. Unerkannte STI-Infektionen sind wohl der wichtigste
Grund, warum STI auch in Ländern mit sehr guter medizinischer
Versorgung häufig vorkommen.
Um das Risiko einer sexuell übertragbaren Infektion (STI) zu klären,
würde ein Arzt Ihnen untenstehende acht Fragen stellen. Versuchen Sie selbst eine Antwort zu finden. Können Sie eine oder mehrere Fragen bejahen, lohnt es sich, einen Arzt aufzusuchen.
Prävention der STI
Acht Fragen zum STI-Risiko
1. Glauben Sie, an einer STI zu leiden? Wenn ja, war-
um?
5.
Haben Sie oder Ihr Partner sich früher schon einmal auf HIV oder eine andere STI testen lassen?
2.
Litten Sie schon einmal an einer STI oder an einer Er-
krankung im Genitalbereich? Wenn ja, an welcher?
3.
Hatte Ihr Partner je eine STI? Wenn ja, welche?
6.
Möchten Sie oder Ihr Partner heute einen HIV-Test machen oder auf das Vorliegen einer anderen STI untersucht werden?
4.
Litten Sie oder Ihr Partner in letzter Zeit unter einer der folgenden Beschwerden:
7.
Haben Sie sich schon einmal Drogen in die Venen gespritzt und jemals Spritzen oder Nadeln gemein-
sam mit anderen verwendet?
• Eitriger Ausfluss aus dem Penis, Anus oder Scheide?
8.
Hatten Sie jemals Sex mit
• Aufälligem Scheidenausfluss (ungewöhnlicher Ge-
ruch oder veränderte Farbe)?
• Unter wunden Stellen im Genitalbereich, Hautaus-
schlag, Schleimhautveränderungen mit oder ohne Beschwerden, Brennen, Juckreiz oder Schmerzen?
• einem Mann, der Sex mit anderen Männern
hatte?
• jemandem, der sich Drogen gespritzt hat?
• jemandem aus Entwicklungsland mit hoher STI-
Ausbreitung (siehe S. 10)?
STI -AKTUELL- 30 / 31
Prävention der STI
9. 5
Impfungen
Impfungen machen Sie gegen Mikroben immun. Bei den sexuell übertragbaren Infektionen sind Impfungen nur gegen Hepatitis B und
gegen das humane Papillomavirus (HPV) verfügbar. Eine Impfung gegen das HI-Virus und
die anderen sexuell übertragbaren Krankheiten sind weiterhin noch in weiter Ferne. Sie
schützen nicht nur den Einzelnen vor einer
Infektionskrankheit, sondern auch die Gesellschaft. Indem Sie sich impfen lassen, leisten Sie
auch einen Beitrag zur Volksgesundheit. Werden Impfungen von der ganzen Bevölkerung
angewendet, vermag eine Impfung Krankheiten völlig zum Verschwinden zu bringen, wie
das mit der Kinderlähmung und den Pocken
geschehen ist.
Der beste Weg, nicht an einer Hepatitis B oder
an Gebärmutterhalskrebs/Genitalwarzen zu
erkranken, ist die Impfung.
Hepatitis-B-Impfung
Seit 1981 gibt es einen hochwirksamen Impfstoff gegen Hepatitis B. Nach einer vollständigen Impfung sind 98% der Geimpften jahrzehntelang, womöglich sogar lebenslang
Impfungen schützen vor Hepatitis,
Genitalwarzen und einigen Krebsarten.
Prävention der STI
gegen eine Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus geschützt (immun).
Die Hepatitis-B-Impfung kann in jeder Arztpraxis vorgenommen
werden.
folgte, schützt die Impfung zum Teil gegen die anderen HPV. Die
Impfung ist nach bisherigen Erkenntnissen im allgemeinen gut verträglich.
Für einen ausreichenden Impfschutz sind drei Impfdosen innerhalb von sechs Monaten notwendig. Die Impfung gegen Hepatitis
B wird im allgemeinen sehr gut vertragen.
Für einen optimalen Schutz gegen Gebärmutterhalskrebs und
Genitalwarzen sind bei Mädchen vor dem 15. Altersjahr zwei
Impfdosen, ab dem 15. Geburtstag drei Impfdosen innerhalb von
sechs Monaten notwendig. Die Krankenkassen übernehmen in
der Schweiz die Kosten bis zum 15. Altersjahr.
Das Schweizerische Bundesamt für Gesundheit empfiehlt, alle
Kinder gegen Hepatitis B (und A) zu impfen, schon als Säugling
oder spätestens in der Pubertät, vor dem ersten Sexualkontakt.
Aber auch bei Erwachsenen ist eine Hepatitis-B-Impfung sinnvoll,
denn die meisten gehen ja auch bei Reisen in Gebiete mit vielen
Hepatitis-B-Trägern, so dass man sich auch anders als sexuell anstecken kann.
Humane-Papillomavirus-Impfung
Seit 2008 gibt es Impfungen gegen humane Papillomaviren (HPV).
Die offiziell empfohlene Impfung (Gardasil) schützt vor den HPVTypen 16 und 18 (die häufigste Ursache für Gebärmutterhalskrebs)
und vor den HPV-Typen 6 und 11, die Genitalwarzen verursachen
können (siehe Kapitel „Humane Papillomaviren).
Die Impfung führt zu einem sehr hohen Schutz bei den Typen 6, 11,
16, 18 (gegen 100%), wenn sie vor einer HPV-Ansteckung durchgeführt wird. Junge Frauen sollem vor dem ersten Sexualkontakt
geimpft werden. Wenn eine Infektion bereits vor der Impfung er-
Das Bundesamt für Gesundheit empfiehlt generell eine Impfung
für alle Mädchen im Alter von 11–14 Jahren (vor dem 15. Geburtstag) sowie für 15- bis 19-jährige eine Nachholimpfung. Auch für
Frauen von 20–26 Jahren kann eine Impfung nach Absprachen
mit dem Arzt sinnvoll sein.
5% der Genitalwarzen und 25% des Gebärmutterhalskrebses werden allerdings durch andere HPV-Viren verursacht, gegen die die
Impfung nicht wirkt. Deshalb soll die Vorsorgeuntersuchung beim
Frauenarzt bei geimpften Frauen auf jeden Fall fortgeführt werden und andere Massnahmen zur Risikoverminderung gegen STI
sollen unbedingt berücksichtigt werden.
Der Impfstoff Gardasil wirkt auch bei Männern gegen Genitalwarzen sowie gegen Krebsarten durch HPV 16 und 18 und wird in den
USA (von der FDA) bereits empfohlen.
STI -AKTUELL- 32 / 33
Prävention der STI
10. Drogen und Alkohol
Drogen und Alkohol bewirken Störungen des Urteilsvermögens,
insbesondere eine Selbstüberschätzung, die zu einer gesteigerten
Risikobereitschaft für den Betroffenen führt. Gerade Ansteckungen mit HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten geschehen häufig im Rauschzustand. In der Schweiz nahm im letzten Jahrzehnt der Drogen- und Alkoholkonsum insbesondere bei
Jugendlichen deutlich zu und erreichte ein besorgniserregendes
Ausmass.
mehr, mit wem und mit wie vielen sie Sex hatten sowie welche Sexualpraktiken sie ausübten. Nicht selten werden solche sexuellen
„Abenteuer“ nach dem Rausch schwer bereut.
Der Rausch vermindert die Willensbildung und trübt die Urteilsfähigkeit. Während des Drogeneinflusses kann man nicht mehr
vernünftig entscheiden, was man will und was einem gut tut. Die
Empfehlung – nicht nur zum Schutz vor STI – heisst: Keine Drogen.
Partydrogen
5
Party- oder Designerdrogen wie Ecstasy, Amphetamine, Kokain,
Cannabis oder GHB stimulieren die sexuellen Bedürfnisse und wirken enthemmend. Diese Drogen können die sexuelle Erregung
stark steigern und verlängern. Gleichzeitig wirken sie aufputschend und schalten das Bewusstsein und das Gefühl für die körperliche und seelische Gesundheit aus. Drogen lassen die eigenen Moralauffassungen gleichgültig werden und bewirken, dass
der Respekt vor sich selber verloren geht. Diese verschiedenen
Wirkungen der Drogen fördern die Risikofreudigkeit stark: Seltene
Kondomanwendung, häufiger Wechsel des Sexualpartners und
risikoreichere Sexualpraktiken wie Analverkehr werden praktiziert.
Viele One-Night-Stands finden unter Drogeneinfluss statt, oft mit
unbekannten und manchmal mit verschiedenen Partnern in einer
Nacht. Manche Drogenuser wissen nach der Party nicht einmal
Schweiz: Personen ab 15 Jahren mit
Drogenerfahrungen (in %)
Frauen
Männer
1997
2002
2007
1997
2002
2007
Kokain
1,0
1,1
1,7
2,2
2,5
3,8
Ecstasy
0,7
0,7
1,2
1,3
1,5
2,5
Cannabis
9,9
11,6
14,8
18,9
20,3
24,4
Quelle: Sucht Info Schweiz
Prävention der STI
Alkohol und STI
Viele junge Menschen trinken Alkohol, um ihre Unerfahrenheit zu
überspielen. Andere brauchen Alkohol gegen Hemmungen bei
der Partnersuche und Sexualität. Alkohol führt wie die Partydrogen zu mehr Risikoverhalten, auch bezüglich sexuell übertragbaren Krankheiten. Besonders alarmierend ist, dass der Alkoholkonsum bei Jugendlichen in den letzten Jahren zugenommen hat.
Rauschtrinken von Jugendlichen in der Schweiz 2010
%
Jungen
15 Jahre
70
Mädchen
15 Jahre
60
50
40
30
20
10
0
Nie
1x
2x 3x und Nie
häufiger
1x
2x 3x und
häufiger
Quelle: Windlin, Sucht Info Schweiz
STI -AKTUELL- 34 / 35
Prävention der STI
Auch unter Alkohol ist die Urteilsfähigkeit und Willensbildung
schwach. Wie viele Alkoholisierte wissen nicht mehr genau, was
in der vorherigen Nacht passiert ist. Manch einer erwacht irgendwo halb bekleidet und weiss nicht mehr, wie er an diesen Ort gekommen ist. Andere wachen am nächsten Morgen nicht nur mit
einem dicken Kopf auf, sondern auch mit einem schlechten Gewissen oder Schamgefühl und hoffen, dem Sexualpartner nicht so
schnell wieder unter die Augen treten zu müssen.
Solches Verhalten wird unter Hochrisikosex eingestuft. Aber wenn
schon, müsste sich das Risiko für einen lohnen. Hand aufs Herz,
aber gelohnt hat sich solcher Sex wohl kaum, ein Highlight ist ein
solches Abenteuer in keiner Weise. An guten Sex erinnern Sie sich
noch lange, und dieses Glücksgefühl begleitet Sie zumindest
noch über den nächsten Tag.
5
Trinken Sie Alkohol nur zum Genuss; zu einem guten Essen oder
mit Mass bei einem besonderen Anlass. Wollen Sie Sex, dann beschränken Sie am besten die Alkoholmenge, damit Sie auch den
Sex geniessen können. Hemmungen bei der Partnersuche und
Befangenheit oder Unbeholfenheit beim ersten Sex kennen viele Menschen. Stehen Sie dazu und sprechen Sie mit dem möglichen Partner darüber. Die meisten schätzen solche Offenheit
und stufen Sie als mutig ein. Reagiert ein Partner unangenehm, ist
er vielleicht nicht der Richtige. Haben Sie eine „Trinkschwäche“,
dann nehmen Sie sich vor, vor möglichem Sex nicht zu trinken, Sie
haben mehr davon.
HIV und STI riecht und sieht man meist nicht!
Krankheiten und Symptome
Die sexuell übertragbaren Infektionen können nach Tagen bis
Wochen durch erste Symptome in Erscheinung treten. Einige STI
(HIV, Hepatitis B und C, Syphilis, Cytomegalie (CMV) und selten
die Gonorrhö) breiten sich über die Blutbahnen in den ganzen
Körper aus und sind für die Späterkrankungen verantwortlich. Jahre (manchmal mehr als zehn Jahre) nach der Ansteckung können zum Teil schwere, irreparable Schäden wie Unfruchtbarkeit,
Hirnschäden, Leberschäden, Krebs und Aids auftreten. Ohne Behandlung können HIV, Hepatitis B, C und Syphilis sogar mit dem
Tod enden.
Herpes genitalis und Genitalwarzen sind für den Arzt meist eine
Blickdiagnose, und das Sekret einer Chlamydien-Infektion oder
einer Gonorrhö kann oft von blossem Auge als Entzündung der
Harnröhre (Urethritis) erkannt werden. Die klinisch sichtbare Entzündung der Harnröhre bestimmt dann gezielte weitere Abklärungsschritte. Hingegen bei den anderen sexuell übertragbaren
Infektionen sind die Symptome und Krankheiten nicht krankheitsspezifisch, das heisst, Symptome können dem Arzt höchstens Hinweise auf die Diagnose geben. Diese muss aber mit Bluttesten
oder mit einem Abstrich diagnostiziert werden. Erst dann kann
eine angemessene Therapie erfolgen.
Die ersten Symptome (Primäraffekt/Primoinfektion)
Mit Ausnahme der HIV- und der Hepatitis-Infektion machen sich
die STI zunächst am Eintrittsort bemerkbar; an Penis, Vagina (Scheide), Schamlippen und je nach Kontakt auch After, Lippen und
Mundhöhle. Bei der Syphilis kann prinzipiell je nach Sexualpraktik
jeder Ort der äusseren Haut und Schleimhaut einen Primäraffekt
entwickeln.
Geschwür nach einer Syphilis-Ansteckung. Ähnliche Geschwüre kommen auch bei Ulcus molle oder genitalem Herpes vor.
Sie verschwinden auch ohne Therapie, nicht aber die Infektion.
STI -AKTUELL- 36 / 37
Krankheiten und Symptome
6
Die häufigsten STI-Symptome
STI verursachen oft keine Symptome oder Beschwerden
Einige Tage/Wochen nach der Ansteckung können folgende
Symptome auftreten:
Ein grosser Prozentsatz der sexuell übertragbaren Infektionen
verläuft ohne Beschwerden und sogar ohne Symptome. Das
stellt eine grosse Herausforderung für die Diagnosestellung und
Prävention dar. Der Infizierte bemerkt häufig nichts von der STIAnsteckung, weil Schleimhaut- und Hautveränderungen ohne
Beschwerden auftreten oder nur milde Symptome verursachen.
Eine weitere Schwierigkeit ist, dass die ersten Symptome in den
allermeisten Fällen nach Tagen oder Wochen wieder verschwinden. Nicht selten werden Symptome als Grippe oder Blasenentzündung falsch gedeutet. Bei der HIV-Infektion wird im ersten halben Jahr nach der Ansteckung die Diagnose nur in 15–20% der
Fälle gestellt. Bei jedem Dritten wird die HIV-Infektion erst nach
sieben oder mehr Jahren herausgefunden. Gonorrhö- oder Chlamydien-Infektionen werden von den Frauen zu mehr als 70% nicht
erkannt, und ein ansehnlicher Teil der Männer bemerkt nie Symptome.
•
Schleimhaut- und Hautveränderungen, die keine Beschwerden verursachen (weder Brennen, Jucken noch
Schmerzen)
•
Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen
•
Ausfluss aus Penis, After und Vagina
•
Scheidenausfluss ist ungewöhnlich oder auffällig (ungewöhnlicher Geruch, veränderte Farbe)
•
Juckreiz, Brennen und/oder Schmerzen an äusseren Genitalien und After
•
Wunde Stellen und/oder Hautausschlag im Genitalbereich wie Rötungen, Pusteln, Bläschen, Geschwüre und
Warzen
•
Menstruationsstörungen: unregelmässige, ausbleibende
Menstruation; Zwischenblutungen
•
Geschwollene Lymphknoten in der Leiste
•
Schmerzen in Genitalbereich oder Unterbauch, evtl.
auch beim Geschlechtsverkehr
•
Veränderungen der Schleimhaut in Mund und Rachen
oder am Enddarm nach Oral- oder Analsex
•
Bei Hepatitis B und C kann eine Gelbsucht auftreten (gelbe Augen und Haut)
•
Bei HIV können folgende Symptome auf eine sogenannte
HIV-Primoinfektion hinweisen: Fieber, vergrösserte Lymphknoten, Hautausschlag, multiple Aphten, Schweissausbrüche, starke Müdigkeit, Durchfall, Halsschmerzen,
Kopfschmerzen
All das kommt denjenigen entgegen, die Krankheiten lieber verdrängen oder denen sexuelle Probleme unangenehm sind. Sie
schieben den Arztbesuch hinaus und warten ab – im Falle der
sexuell übertragbaren Krankheiten eine fatale Fehlbeurteilung.
Sexuell übertragbare
Krankheiten
In diesem Kapitel werden häufige und schwerwiegende sexuelle
Krankheiten vorgestellt. Da es mehr als 30 verschiedene sexuell
übertragbare Krankheiten gibt, bin ich nicht darum herumgekommen, für diese Broschüre eine Auswahl zu treffen, die notwendigerweise teilweise willkürlich ist. Ebenso berechtigt wäre es gewesen, neben den hier beschriebenen Infektionen Cytomegalie,
Pilzinfektionen (Candida albicans), Krätze, Filzläuse usw. aufzuführen.
Humane Papillomaviren
Quelle: E.M.Schraner, Vet. Anatomie und Virologie, Uni Zürich
Humane Papillomaviren-Infektionen
Erreger: Humane Papillomaviren (HPV)
Krankheiten: Genitale Warzen (Feigwarzen, Condylomata acuminata), Gebärmutterhalskrebs, Krebs im Mund und Rachen
Übertragungswege: Sexueller Kontakt (genital, anal, oral); Schmierinfektion (selten); Mutter-Kind-Übertragung
Diagnose: Ärztliche Untersuchung, Anoskopie/Kolposkopie, Abstrich, Zytologie und molekulare Diagnostik (DNA-Nachweis)
Inkubationszeit: etwa drei Monate
Verlauf: Meist Spontanheilung nach 6–18 Monaten. Bei 10% bleibt
das HPV lebenslang (chronische Infektion)
Behandlung: CO2-Laser, chirurgisch, Kryotherapie, lokal applizierte
Medikamente, oft langwierig und hohe Rückfallrate
Impfung: Impfung gegen häufigste HPV-Viren vorhanden; empfohlen für Mädchen möglichst vor dem ersten sexuellen Kontakt
Die Infektionen mit den humanen Papillomaviren (HPV) sind weltweit die häufigsten STI. Auch in Europa werden die meisten sexuell
aktiven Menschen mit HPV angesteckt. Normalerweise heilt die
Infektion nach 6–18 Monaten aus, hinterlässt aber keine Immunität, so dass im Verlaufe des Lebens eine mehrmalige Ansteckung
möglich ist. Nur etwa 10% verlaufen chronisch und können zu Genitalwarzen oder Krebsvorstufen am Gebärmutterhals führen. HPV
infizieren die Schleimhaut oder Haut. Sie können an den Infektionsstellen Veränderungen wie Warzen und Krebs verursachen.
Bislang wurden über 100 verschiedene HPV-Typen entdeckt, von
STI -AKTUELL- 38 / 39
Sexuell übertragbare Krankheiten
denen jeder ein typisches Symptom hervorruft. Zum Beispiel führt
HPV-1 zu Warzen an Hand- und Fussflächen.
Übertragung: Ein Teil der HPV-Typen werden sexuell übertragen:
HPV-6 und -11 führen zu Genitalwarzen; HPV-16 und -18 können zu
Veränderungen und Krebs des Gebärmutterhalses führen. Diese
und andere HPV-Typen können auch zu Krebs an Penis, Vagina,
Vulva und Anus führen. Auch Menschen mit HPV, die keine sichtbaren Zeichen einer HPV-Infektion haben, können diese weiterverbreiten.
Sexuelle Übertragung: Bei sexuellen Kontakten werden Schleimhaut und Haut in der anogenitalen Region durch virushaltige Körperflüssigkeit (Vaginalflüssigkeit und Sperma) und Schleimhautkontakt infiziert.
Mutter-Kind-Übertragung: Während der Geburt werden Papillomaviren auf das Neugeborene übertragen.
7
Genitalwarzen (Condylomata acuminata)
Genitalwarzen werden in 95% der Fälle durch humane Papillomaviren Typ 6 und 11 verursacht.
Krankheitsverlauf: Die Inkubationszeit dauert im Durchschnitt drei
bis vier Monate (von einem Monat bis 2 Jahre). In den infizierten
Haut- und Schleimhautzellen vermehren sich die Viren und bringen diese Zellen zum Wuchern. Die Genitalwarzen sind flach oder
spitz und können zu blumenkohlartigen Tumoren im Bereich der
Haut und Schleimhaut der äusseren Genitale wachsen. Bei Mä-
Prävention: Eine sehr wirksame Impfung (Gardasil) gegen die
HPV-Typen 6,11,16 und 18 für Mädchen und Frauen bis 26 ist verfügbar. Auch für geimpfte Frauen lohnt es sich, beim Frauenarzt
regelmässig eine Vorsorgeuntersuchung zu machen, weil 25%
nicht durch diese HPV-Typen verursacht werden. Die Impfung
Gardasil wird von den Krankenkassen bezahlt, wenn sie vor dem
15 Altersjahr durchgeführt wird. Sie sollte vor Beginn der sexuellen
Aktivität erfolgen. Kondome können das Risiko vermindern.
Genitalwarzen: HPV bringt Haut und Schleimhaut zum Wuchern, so dass kleine
Feigenwarzen entstehen, die so gross werden können wie auf der Zeichnung.
Sexuell übertragbare Krankheiten
nern entstehen die Warzen am häufigsten am Ausgang der Harnröhre und bei den beschnittenen Männern am Penisschaft. Die
Genitalwarzen im Bereich des Anus entstehen durch Analverkehr.
Bei den Frauen erscheinen die Warzen oft am Scheideneingang
und an den kleinen Schamlippen und breiten sich von da aus. Die
Genitalwarzen sind zwar gutartig, aber anteckend, sehen abstossend aus und können sehr lästig sein, so dass sie oft einer Therapie
bedürfen. Bei immungeschwächten Menschen wie HIV-Infizierten
können die Warzen auch bösartig werden, so dass Krebs entsteht.
Behandlung: Die Genitalwarzen können entweder physikalisch
(Laser, flüssiger Stickstoff, Elektrokoagulation oder mit dem Skalpell) entfernt werden oder mit lokal anwendbaren Mitteln (Lösungen/Crème) bekämpft werden. Sehr häufig muss die Therapie
mehrmals wiederholt werden und Rezidive kommen häufig vor.
Geheilt werden können Genitalwarzen meist nicht, da auch nach
der Behandlung immer noch Zellen mit Viren vorhanden sind.
Diagnose: Die meisten Genitalwarzen sind von Auge sichtbar und
können problemlos diagnostiziert werden. Abstriche liefern die zytologischen Merkmale für eine HPV-Infektion. Um Krebsvorstufen
auszuschliessen, können die Zell- bez. Gewebeproben vom Spezialisten beurteilt werden.
Gebärmutterhalskrebs und seine Vorstufen
Krebsvorstufen am Gebärmutterhals werden in etwa 70% der Fälle durch humane Papillomaviren (HPV) Typ 16 und 18 verursacht,
die restlichen durch andere Hochrisiko-HPV-Typen. Zum Glück ist
die Selbstheilungsrate der HPV-Infektionen sehr gross. Nur 10% der
Ansteckungen werden chronisch.
Krankheitsverlauf: Die Schleimhautzellen des Gebärmutterhalses
werden beim Sexualverkehr mit einem HPV-Infizierten übertragen.
Die Inkubationszeit dauert im Durchschnitt drei bis vier Monate
(von einem Monat bis zwei 2 Jahre). Die HPV-Viren bleiben 6–24
Monate im Körper. Die allermeisten HPV-Infektionen, etwa 90%,
heilen komplikationslos ab und das Virus wird beseitigt. In 10%
der Fälle bleibt das Virus im Körper (chronisch) und kann sich in
infizierten Schleimhautzellen des Gebärmutterhalses vermehren.
Vor allem die Virustypen 16 und 18 regen die Zellen zum Wuchern
an, was sich an Veränderungen (Dysplasie) der Schleimhaut zeigt.
Schreitet diese Veränderung ohne medizinische Therapie fort,
kann ca. in 10 Jahren Krebs entstehen. Innerhalb von 5 Jahren
entstehen in 40% der Fälle Krebsvorstufen verschiedenen Schweregrades (CIN 1–3). Während leichte Zellveränderungen (CIN 1)
noch nicht als Krebsvorstufe gelten, liegt das Risiko, bei CIN 2 innerhalb von 5–10 Jahren Krebs zu bekommen, bei 20–30%, bei CIN
3 innerhalb von 2 Jahren ungefähr bei 50%.
Diagnose: Abstrich vom Gebärmuttermund und -hals (Krebsabstrich), frauenärztliche Untersuchung (Kolposkopie), Gewebeprobe (Histologie), Zytologie, molekulare Diagnostik (PCR).
Therapie: Bei Krebs oder Vorstufen: Operation (Konisation oder
Gebärmutterentfernung).
STI -AKTUELL- 40 / 41
Sexuell übertragbare Krankheiten
Genitaler Herpes
7
Erreger: Herpes-simplex-Virus Typ 2, HSV-2 (Herpes genitalis) und
Typ 1, HSV-1 (Herpes labialis)
Übertragungswege: Sexueller Kontakt; Mutter-Kind-Übertragung
Diagnose: Typische „Fieberbläschen“. Herpestest, Nachweis mit
Abstrich, Antikörper- bzw. Antigennachweis, Virusisolation, PCR
Inkubationszeit: 2–7 Tage
Verlauf: Einmaliges oder wiederholtes Auftreten der Bläschen,
selten schwerwiegende Komplikationen verschiedener Organe.
Häufig symptomlos. Immer lebenslange Infektion, Reaktivierung
häufig
Behandlung: Mit antiviralen Medikamenten können Symptome
behandelt werden, jedoch kann man das Herpes Virus nicht beseitigen. Dauersuppressionstherapie bei häufigen und schweren
Ausbrüchen ist möglich
Herpestest: Antikörper- oder Antigennachweis im Blut, Diagnostische Lücke: 2 Wochen. Virale Erbsupstanz (DNA) nachweisbar
mittels PCR von Bläschen, sobald diese auftreten
Impfung: Keine
Zu den sexuell übertragbaren Herpesviren gehören Herpes-simplex-, Zytomegalie- und Epstein-Barr-Virus. Beim Herpes-simplexVirus gibt es die beiden Typen 1 und 2. Herpes simplex Virus Typ 1
(HSV-1) ist verantwortlich für den Herpes im Gesichts-/Lippenbereich und beginnt im Kindesalter; im 5. Lebensjahrzehnt sind 80–
90% der Bevölkerung infiziert. Der Herpes-simplex-Virus Typ 2 (HSV2) steckt meist hinter dem genitalen Herpes (Herpes genitalis) am
Herpes Viren
Quelle: E. M. Schraner, Vet. Anatomie und Virologie, Uni Zürich
Penis, am äusseren weiblichen Genitale und im Analbereich. Die
Infektion beginnt mit der sexuellen Aktivität, also nicht vor der Pubertät. Im Erwachsenenalter sind etwa 10–30% mit HSV-2 infiziert.
Etwa jede fünfte Herpes-genitalis-Infektion wird aber durch HSV1 verursacht, denn HSV-1 verursacht Herpes an den Lippen als
auch genital. Durch Oralverkehr kann HIV-1 die Genitalregion infizieren. (Herpes genitalis durch Typ 1 nimmt stetig zu.) HSV-2 kann
Rachen- und Tonsilleninfektion verursachen.
Die Mehrheit der Herpes-Infizierten leidet an keinen oder nur milden Symptomen. Eine Minderheit der Herpes-Kranken leidet aber
Sexuell übertragbare Krankheiten
an immer wieder auftretenden, sehr unangenehmen Ausbrüchen, die die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Gefürchtet ist
Herpes bei Neugeborenen, die ohne Behandlung sterben oder
Schäden davontragen.
auf, die gekennzeichnet sind durch Schmerz, Brennen, Juckreiz,
Schmerzen beim Wasserlösen und Schwellung der Lymphknoten
in der Leiste. Die typischen Herpes-Bläschen (Fieberbläschen)
Eine asymptomatische Infektion (ohne Symptome) ist möglich.
Wahrscheinlich geschehen die meisten Übertragungen, ohne
dass sich der Virusträger einer Infektion bewusst ist.
Übertragung: Gelangt virushaltige Körperflüssigkeit auf Schleimhäute oder Haut (mit mikroskopisch kleinen Verletzungen), kommt
es zu einer Infektion der Zellen. Dort vermehren sich die Viren sofort
und dringen dann in die Nervenzellen ein, wo sie sich lebenslang
aufhalten, sich wieder stark vermehren können und dann wieder
in die Haut und Schleimhaut wandern, wo sie ursprünglich herkamen, oder auch an ganz andere Orte, wo es wieder zu einem
Herpesausbruch kommt.
Das Risiko einer Mutter-Kind-Übertragung ist in unseren Breitengraden klein (kleiner als 3%). Sie kann vorkommen, wenn im letzten
Drittel der Schwangerschaft eine frische mütterliche Ansteckung
oder eine Reaktivierung einer bestehenden Herpes-genitalis-Infektion geschieht. Die Mutter-Kind-Ansteckung erfolgt fast immer
während der Geburt durch Kontakt mit ansteckendem Vaginalsekret im Geburtskanal.
Krankheitsverlauf: Bei bis zu 40% der genitalen Herpesinfektionen
treten zwei bis sieben Tage nach der Ansteckung die typischen
Herpesbläschen im Geschlechtsbereich bei Mann und Frau
Herpesbläschen an Geschlechtsorganen können
sehr unangenehm sein und stören oder verhindern
Sexualität.
können in Pusteln übergehen und platzen, so dass schmerzhafte
Geschwüre (Ulcera) entstehen. Die Symptome heilen nach 10–14
Tagen ab. Die örtlichen Symptome können mit Allgemeinsymptomen wie Fieber, Kopfschmerzen und Muskelschmerzen einhergehen.
STI -AKTUELL- 42 / 43
Sexuell übertragbare Krankheiten
Das Virus bleibt auch nach dem Verschwinden der Fieberbläschen lebenslang im Körper versteckt und vermehrt sich in den
Nervenenden. Herpes kann immer wieder, in unterschiedlich langen Abständen auftreten. Im ersten Jahr nach der Erstmanifestation kommt es im Schnitt zu vier Rezidiven. Seltener kommt es bei
den Frauen zu einer Entzündung des Gebärmutterhalses und der
Eileiter und bei den Männern zu einer Entzündung der Nebenhoden.
Manchmal kommt es auch zu einer Invasion der Viren ins Blut,
von wo aus sie in alle Körperorgane gelangen können. Sehr selten
führt Herpes zu schwereren Komplikationen bei verschiedenen
Organen: Erblinden, Hirnhautentzündungen, Darmentzündungen. Diese schweren Verläufe treten insbesondere bei Menschen
mit einer Immunschwäche auf, wie bei Aids.
Die Mutter-Kind-Übertragungen kommen zwar selten vor, führen dann aber häufig zu schwerwiegenden Komplikationen:
Unbehandelt sterben 65% der Neugeborenen und nur 10% entwickeln sich normal.
7
Es kommt oftmals auch zu einer Reaktivierung der Herpes-Infektion, die für den Betroffenen ohne die typischen Symptome abläuft. Das Virus vermehrt sich kräftig und wird über die Schleimhaut ausgeschieden. So finden auch Ansteckungen in diesen
symptomarmen Phasen statt – von keinem der Partner bemerkt.
Diagnose: Die typischen Fieberbläschen führen den Arzt meist
zur Diagnose. Bei unklaren Fällen und bei Fehlen der typischen
Bläschen oder bei symptomlosen Patienten können Antikörper im
Blut oder Antigen und DNA direkt von den Bläschen oder Ulcera
nachgewiesen werden.
Behandlung: Die Symptome einer aktiven Infektion (frische oder
reaktivierte) können mit antiviralen Medikamenten (z.B. Aciclovir)
behandelt werden. Mit dieser antiviralen Therapie können die
akuten Krankheitsphasen beherrscht werden, aber HSV bleibt
nach einer Erstinfektion lebenslang im Körper der infizierten Person
und kann nicht mit einer antiviralen Therapie ausgerottet werden.
Prävention: Antivirale Medikamente, die während der akuten
Phase oder in schweren Fällen als Dauersuppressionsbehandlung
gegeben werden, vermindern auch das Ansteckungsrisiko. Insbesondere bei schwangeren Frauen wird die antivirale Behandlung auch als Schutz vor einer HSV-Übertragung angewendet. Ein
Kaiserschnitt ist eine weitere Möglichkeit, die Mutter-Kind-Übertragung zu verhindern. Voraussetzung dafür ist eine gesicherte
Diagnose. Kondomanwendung ist bei jedem Risikokontakt angezeigt, reduziert das Übertragungsrisiko, schliesst es aber nicht aus.
Sexuell übertragbare Krankheiten
Chlamydien-Infektion
Erreger: Chlamydia trachomatis (Bakterium)
Krankheiten: Chlamydien-Infektion
Übertragungswege: Sexualverkehr (genital, anal, oral); Kontakt
mit Genitalsekreten; Mutter-Kind-Übertragung
Diagnose: PCR, ev. Antigentest von Abstrich
Verlauf: Bei Frauen: nur 20% haben Symptome (leichte genitale
Symptome bis Infektion der inneren Genitalorgane mit Unfruchtbarkeit); bei Männern 50% symptomatisch (Urethritis)
Behandlung: Heilbar mit Antibiotika
Chlamydientest: Genomnachweis (PCR), eventuell Antikörpernachweis (ELISA)
Impfung: Keine
Europa weit verbreitet. Erstaunlich sind die zunehmenden Infektionsraten von Chlamydien in Europa und den USA. Da eine Antibiotika-Behandlung zur Heilung führen würde, müsste die Chlamydienepidemie durch konsequente Stellung der Diagnose und
Behandlung eingedämmt werden können. Dass dies nicht der
Fall ist, liegt vor allem an den fehlenden Diagnosestellungen, da
Chlamydien-Infektionen in der Regel symptomarm verlaufen, und
an der fehlenden Behandlung des Partners. Siehe Kapitel „Chlamydien: Zunahme trotz Antibiotika“.
Nach einer Heilung der Chlamydien-Infektionen (durch Antibiotika) besteht aber keine Immunität, das bedeutet, dass jemand
immer wieder neu mit Chlamydien angesteckt werden kann.
Deshalb muss der Partner ebenfalls konsequent behandelt werden, sonst steckt sich ein Paar immer wieder gegenseitig an (Pingpong-Effekt).
Akute Chlamydien-Infektionen ähneln den Krankheitsbildern der
Gonokokkeninfektionen, verlaufen aber etwas milder. Die meisten
Harnröhrenentzündungen und Nebenhodenentzündungen werden durch Chlamydien verursacht, die anderen am häufigsten
durch Gonorrhö. Die Chlamydien-Infektionen sind häufige Ursachen für Unfruchtbarkeit der Frau.
Chlamydien
(grün)
Die sexuell übertragenen
Chlamydien-Infektionen
sind auch in
Krankheitsverlauf: Tage bis Wochen nach der Ansteckung treten
die Symptome auf. Bei Männern und Frauen erzeugen die Bakterien lästige Harnröhreninfektionen (Urethritis) mit eitrigem Ausfluss,
die zum Brennen beim Wasserlassen führen. Gelangen die Chla-
Quelle: CDC, USA
STI -AKTUELL- 44 / 45
Sexuell übertragbare Krankheiten
mydien in den Darm (beim Analverkehr), kann es zu Enddarmentzündungen kommen, und wenn die Augen betroffen sind,
entstehen Bindehautentzündungen. Beim Mann können die Nebenhoden, bei der Frau auch Gebärmutter, Eileiter und Bauchhöhle betroffen sein. Letzteres sind die Ursachen für die häufige
Unfruchtbarkeit und Eileiterschwangerschaften durch Chlamydien-Infektionen.
Die Infektion verläuft häufig unbemerkt, also ohne Beschwerden.
Die symptomlosen Infizierten sind aber gleichwohl infektiös. Auch
unbemerkte Infektionen können bei Frauen zu Unfruchtbarkeit
und Eileiterverklebungen mit den Folgen von gehäuften Bauchhöhlenschwangerschaften führen.
Eine Übertragung von Chlamydien bei infizierten Müttern während der Geburt geschieht bei 50–60% aller Neugeborenen. 1–2
Wochen nach der Geburt bekommen diese Neugeborenen Bindehaut- (Auge), Lungen- oder Ohrenentzündungen.
Behandlung: Antibiotika heilen die Chlamydien-Infektionen.
Diagnose: Chlamydiennachweis aus Urin und Abstrich von Muttermund oder Harnröhre.
Prävention: Der Chlamydien-Status ist der erste präventive Schritt.
Bei einer Infektion ist eine antibiotische Behandlung des Infizierten
sowie der Sexualpartner (auch ehemalige) notwendig. Bei Risikokontakten vermindern Kondome das Risiko, schliessen es aber
nicht aus.
Chlamydien-Infektion: Verursachen häufig keine
Beschwerden, aber durch aufsteigende Infektionen in die Eileiter kann Unfruchtbarkeit entstehen.
7
Sexuell übertragbare Krankheiten
HIV-Infektion/Aids
Erreger: Human Immunodeficiency Virus (HIV, Typ1 (HIV-1), Typ 2
(HIV-2)
Übertragungswege: Sexueller Kontakt; Blutkontakt; Mutter-KindÜbertragung
Diagnose: HIV-Test
Inkubationszeit: 2–3 Wochen für Primoinfektion; 8–12 Jahre für Aids
Verlauf: Unbehandelt lebenslange Infektion, die mit dem Tod endet
Behandlung: Antiretrovirale Therapie (ART) unterdrückt die Virusvermehrung und Folgekrankheiten, aber eliminiert HIV nicht
HIV-Test: Kombinierter Antigen-Antikörper-Suchtest; Antikörpertest
(Bestätigungstest Western Blot); Molekulare Diagnostik (HIV-RNA)
Nachweis mittels PCR. Diagnostische Lücken siehe Seite 50
Impfung : Keine
Die HIV-Infektion ist in erster HI-Viren
Linie eine sexuell übertragbare InfekQuelle: Zentrum für Mikroskopie und Bildanalyse der Universität Zürich
tionskrankheit. Aids (Acquired Immunodeficiency Syndrome = erworbene Immunschwäche-Krankheit) wird das Endstadium einer
Infektion mit HI-Virus (Human Immunodeficiency Virus) genannt.
Bis heute wurden zwei Virustypen (HIV-1 + HIV-2) mit zahlreichen
Untergruppen entdeckt.
Zwischen der Ansteckung und dem Ausbruch von Aids vergehen
etwa zehn Jahre. In dieser Zeit können die Infizierten – ohne etwas von der Infektion zu merken – das Virus auf andere Menschen
übertragen. Auch heute noch erfahren in Westeuropa etwa ein
Drittel der Infizierten im Durchschnitt erst sieben Jahre nach der
Ansteckung von ihrer Infektion.
Die HIV-Infektion kann mit einer antiretroviralen Therapie (ART)
behandelt werden. ART unterstützt das Immunsystem, so dass bei
einer gut verträglichen Therapie über Jahrzehnte keine Krankheiten entstehen. Allerdings kann ART die HIV-Infektion nicht beseitigen, was bedeutet, dass der HIV-Infizierte lebenslang Virusträger
bleibt. Aufgrund der bisherigen Erfahrung mit ART wird die Lebenserwartung für Frauen und ältere HIV-Infizierte nur wenig niedriger
als in der Allgemeinbevölkerung geschätzt; für 25-jährige Infizierte
auf 50 – 60 geschätzt. ART senkt effizient die Infektiosität, weshalb
Diagnose und Behandlung der HIV-Infektion auch von grösster
präventiver Bedeutung sind.
Übertragung: Die grösste Infektiosität (Übertragbarkeit) besteht
während der akuten Phase. Sehr oft wird die Diagnose einer HIVInfektion erst danach gestellt. Es wird vermutet, dass die meisten
STI -AKTUELL- 46 / 47
Sexuell übertragbare Krankheiten
HIV-Übertagungen in den ersten Wochen der Infektion geschehen. Bei der unbehandelten HIV-Infektion bleibt die Infektiosität
lebenslang vorhanden und ist je nach der Stärke der Vermehrung
unterschiedlich hoch.
Sexuelle Übertragung: In erster Linie wird das HI-Virus durch Sexualverkehr übertragen, wobei Analverkehr das höchste Risiko
aufweist, ein etwas kleineres Vaginalverkehr und das geringste
Oralverkehr.
iv-Drogenkonsum: Beim intravenösen Drogenkonsum besteht ein
sehr hohes Risiko, wenn bereits benutzte Spritzen oder Nadeln verwendet werden.
Mutter-Kind-Übertragung: Während Schwangerschaft, Geburt
oder beim Stillen besteht ein hohes Übertragungsrisiko von 30%.
Durch ART wird das Risiko unter 1% gesenkt.
Keine Ansteckung: HIV ist kein Virus, das über die Luft oder Nahrungsmittel übertragen wird. Ausserhalb des Körpers überlebt es
nur kurz, wodurch eine Übertragung im Alltag extrem unwahrscheinlich ist.
7
HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen: STI wie Syphilis,
Herpes genitalis, Gonorrhö und Ulcus molle erhöhen die Empfänglichkeit für eine Infektion mit dem HI-Virus. Leidet der HIV-Infizierte
zusätzlich an einer anderen sexuell übertragbaren Krankheit, so
ist er für Sexualpartner ansteckender. Das Immunsystem des HIVInfizierten wird durch andere STI zusätzlich belastet.
Krankheitsverlauf: Bei einer unbehandelten HIV-Infektion werden
drei Stadien unterschieden:
Akute HIV-Infektion (auch Primoinfektion): Die akute HIV-Infektion
beginnt gerade nach der Ansteckung und dauert 7–10 Wochen.
1–2 Wochen nach der Ansteckung bekommen etwa die Hälfte
der HIV-Infizierten ähnliche Symptome wie bei einer Grippe oder
einer Mononukleose: Fieber, Gelenk- und Muskelschmerzen und
vergrösserte Lymphknoten, welche etwa 6 Wochen dauern können. Auch ohne Behandlung verschwinden diese Symptome
wieder, weshalb sie oft nicht als akute HIV-Infektion interpretiert
werden.
Klinisch stumme Phase: Nach der akuten Infektion treten 8–10 Jahre kaum Symptome auf. Gleichwohl vermehren sich HIV weiter,
und das Abwehrsystem des HIV-Infizierten versucht die HI-Viren in
Schach zu halten. Am Schluss behalten die HI-Viren Oberhand.
Das Abwehrsystem des Menschen wird immer mehr zerstört, bis
andere Infektionen und Krebs den Betroffenen heimsuchen.
Aids: Das Immunschwäche-Syndrom Aids beginnt etwa 10–12
Jahre nach der Ansteckung mit lebensbedrohlichen Krankheiten,
sogenannten opportunistischen Infektionen (Pneumocystis Pneumonie, zerebrale Toxoplasmose), Krebserkrankungen (KaposiSarkom, Non-Hodgkin-Lymphom) oder schweren Allgemeinsymptome (Fieber, Hirn- und Nervenkrankheiten). Schliesslich stirbt der
Betroffene an den Folgen der Immunschwäche.
Sexuell übertragbare Krankheiten
Die diagnostischen Lücken der HIV-Infektion
Blutkonzentration
Antikörper gegen HIV
HIV-RNS (Viruserbgut)
Nachweisgrenze
60
50
40
30
20
10
HI-Virus (p24-Antigen)
Tage nach der
Ansteckung
dL HIV-RNA
dL Antigen
Kaposi-Sarkom bei einem Aidskranken: Auf
der Haut können mehrere kleine, leicht
erhabene Knoten mit braun-rötlicher Färbung entstehen. Dank ART kommt das
Kaposi-Sarkom heute selten vor.
Diagnose: Der Nachweis der HIV-Infektion kann nur durch einen
HIV-Test gestellt werden. Allerdings muss eine „diagnostische Lücke“ bis zu 3 Monaten berücksichtigt werden. Die Krankheitssymptome können höchstens als Hinweis zur Diagnosestellung dienen.
Seit es eine antiretrovirale Therapie gibt, ist es für den Betroffenen
entscheidend, möglichst früh die Diagnose zu erfahren.
dL Antikörper
Quelle: Mandell, Douglas and Bennett‘s Principles and Practice of Infectious
Diseases, 2009.
Die diagnostischen Lücken (dL) am Beispiel der HIV-Infektion: Nach der
Ansteckung vermehren sich zuerst die HI-Viren und danach bildet das
menschliche Abwehrsystem Antikörper gegen HI-Viren. Die Erbsubstanz kann frühestens nach 10 Tagen, das HI-Virus (p24-Antigen) kann
frühestens nach 14 Tagen und die Antikörper nach 21 Tagen nachgewiesen werden. Die diagnostischen Lücken können bei den HIV-Infizierten unterschiedlich lang sein. Jedoch kann 3 Monate nach einem
Ansteckungsrisiko eine HIV-Infektion aufgrund eines negativen HIV-Tests
(Kombinierter Antigen-Antikörper-Suchtest der vierten Generation) ausgeschlossen werden.
STI -AKTUELL- 48 / 49
Sexuell übertragbare Krankheiten
Verlauf der HIV-Infektion und die Helferzellen
Klinisch stumme Phase
10
Aids
1000
6
800
10 5
600
10 4
400
10 3
200
0
3
6
9
12
Wochen
Ansteckung
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Helferzellen im Blut
HIV-Konzentration im Blut
Akute Infektion
10 7
begonnen werden kann, solange das Immunsystem erst wenig
geschädigt ist. Durch ART wird auch die Infektiosität deutlich gesenkt, so dass ART auch präventiv wirkt.
0
Jahre
Späte Diagnose der Infektion kann zu schwerer Krankheit und sogar zum Tod führen. Die Europäische Studie über die HIV-Infektion
zeigte, dass nur eine von zehn behandelten Personen mit HIV an
Aids stirbt; hingegen ohne Behandlung sterben fast alle and Aids.
Testen ist der Schlüssel zur HIV-Prävention.
WISSEN – BEHANDELN – ANDERE SCHÜTZEN!
Tod
Quelle: AS Fauci
Schon Tage nach der Ansteckung werden jeden Tag Milliarden(!)
neuer HI-Viren (rote Kurve) gebildet und bald Milliarden von Helferzellen (blaue Kurve) vernichtet. Es dauert einige Jahre, bis nach einem
«eigentlichen Krieg mit vielen Schlachten» das menschliche Abwehrsystem geschlagen ist.
7
Behandlung: Die heutige antiretrovirale Therapie (ART) verhindert
die Vermehrung der HI-Viren, wodurch das Immunsystem besser
mit den Viren fertig wird. Durch ART erfolgt keine Heilung, der
HIV-Infizierte bleibt lebenslang Virusträger, und sobald die Medikamente abgesetzt werden, vermehren sich die HI-Viren wieder
explosionsartig. Mit ART kann der Ausbruch der Krankheit Aids um
Jahre, ja Jahrzehnte hinausgezögert werden, während denen
die Lebensqualität der Betroffenen erhalten bleibt. Allerdings ist
eine frühe Diagnose (HIV-Test) wichtig, damit mit der Therapie
Prävention: Dem Wissen um den Serostatus von sich und dem Sexualpartner kommt entscheidende Bedeutung zu. Da ART auch
das Übertragungsrisiko stark vermindert, wirkt ART auch präventiv.
Bei Risikokontakten ist Kondomanwendung notwendig. Eine Impfung scheint noch in weiter Ferne.
Sexuell übertragbare Krankheiten
Gonorrhö (Tripper)
verursachen.
Erreger: Neisseria gonorrhöae (Bakterium)
Übertragungswege: Sexueller Kontakt; Mutter-Kind-Übertragung
Diagnose: Molekulare Diagnostik (PCR), Erregernachweis im Abstrich oder durch bakteriologische Untersuchungen
Inkubationszeit: 2–7 Tage
Behandlung: Heilbar mit Antibiotika. Problem: Resistenzentwicklung
Verlauf: Spontanheilung häufig, systemische Erkrankung möglich
Impfung: Keine
Auch die Gonorrhö-Infektion verläuft häufig unbemerkt, symptomlos, insbesondere bei Frauen. Wenn keine Symptome auftreten,
wird die Diagnose verpasst und keine Behandlung durchgeführt.
Dies kann zu einer Reihe von Komplikationen führen: bei Frauen
Infektionen der Harnröhre und der inneren Geschlechtsorgane,
was zu Unfruchtbarkeit führen kann; bei Männern Infektionen der
Harnröhre, der Prostata und des Nebenhodens.
Unerkannte Gonorrhö-Infektionen werden auch unwissentlich auf
weitere Sexualpartner übertragen.
Übertragung: Sexuelle Übertragung: Die Ansteckung verläuft nahezu immer durch sexuelle Kontakte (Vaginal-, Anal- oder Oralverkehr). Eine Schmierinfektion durch bakterienhaltige Genitalflüssigkeiten (selten auch Speichel) ist möglich. Die gefürchteten
Augeninfektionen kommen durch „verschmutzte“ Hände zustande.
Mutter-Kind-Übertragung: Bei der Geburt kommt es beim Neugeborenen zu Augeninfektionen.
Neisseria gonorrhöae (Gonokokken)
Quelle: CDC, USA
Die Gonorrhö wird durch das Bakterium Neisseria gonorrhöae
verursacht, auch Gonokokken genannt. 80% der gemeldeten
Infizierten sind Männer. Das Bakterium kann eine eitrige Urethritis
Das Bakterium dringt in die äussersten Zellen der Schleimhaut ein.
Meist bleibt es bei einer Infektion des Ansteckungsortes. Bei rund
1% der nichtbehandelten Gonorrhö kommt es zu einer generalisierten Infektion, bei der die Bakterien über die Blutbahn in den
ganzen Körper gelangen.
STI -AKTUELL- 50 / 51
Sexuell übertragbare Krankheiten
Krankheitsverlauf: Nach einer Inkubationszeit von 2 bis 7 Tagen
nach der Ansteckung kommt es zu Symptomen. Bei Infektion der
Geschlechtsorgane kommt es zu rahmigem Ausfluss aus Penis und
Scheide (vom Gebärmutterhals) sowie Schmerzen beim Wasserlassen und Schwellung der örtlichen Lymphknoten. Insbesondere
bei der Frau können diese Symptome fehlen. Wird die Krankheit
nicht behandelt, so kann es beim Mann zur Infektion von Prostata,
Samenleiter und Nebenhoden kommen. Bei der Frau können Gonokokken durch die Vagina in die Gebärmutter, Eileiter, Eierstöcke und die Bauchhöhle aufsteigen und diese so stark schädigen,
dass die Infektion zu Unfruchtbarkeit führen kann.
ckung durch Oralverkehr verläuft die Gonorrhö meist milde (Entzündung des Rachens) oder ohne Symptome.
Über Schmierinfektion (infiziertes Sekret an den Fingern) kann es
zu einer Augenentzündung kommen mit teilweise schwerwiegenden Verläufen: Lidschwellung, Rötung des Auges, Geschwüre bis
Löcher an der Hornhaut.
Gelangen die Gonorrhö-Bakterien ins Blut, können sie sich auf
den ganzen Körper, insbesondere Gelenke und Haut ausbreiten
(generalisierte Infektion), mit Symptomen wie Fieber, Gelenksentzündungen (vor allem Knie, Ellbogen, Fuss-, Finger- und Sprunggelenke).
Diagnose: Bei den typischen Symptomen der Gonorrhö, dem
weisslichen Ausfluss, ist die Verdachtsdiagnose für den Arzt schnell
gestellt. Bei systemischen (generalisierten) Infektionen (0.5–3% aller Ansteckungen) ist eine Diagnose schon schwieriger zu vermuten. Der Nachweis einer Gonorrhö erfolgt durch einen Abstrich
des Ausflusses oder der entzündeten Stelle (Gebärmutterhals,
Harnröhre, Anus, Rachen, Auge). Bei einer generalisierten Infektion werden Blutkulturen angelegt, um die Gonokokken zu züchten
und dann nachzuweisen.
7
Gonorrhö: Eitriger Ausfluss aus dem Penis.
Durch Analverkehr kommt es im Anus und Enddarm zu Schmerzen, Juckreiz, eitrigem oder blutigem Ausfluss. Bei einer Anste-
Behandlung: Die Gonorrhö kann mit Antibiotika geheilt werden.
Resistenz der Gonokokken gegen Antibiotika: Die Gonokokken
verändern bei der Vermehrung durch Mutationen ihr Erbgut. Deshalb werden sie relativ schnell resistent gegen Antibiotika, so dass
diese nicht mehr wirken. Aktuell stellt die zunehmende Resistenz
Sexuell übertragbare Krankheiten
auf unterschiedliche Antibiotikagruppen ein ernsthaftes Problem
dar. Der Wahl des Antibiotikums, je nach Ort der Infektion, kommt
grosse Bedeutung zu.
Prävention: Kondomanwendung ist bei jedem Risikokontakt notwendig, reduziert das Übertragungsrisiko, aber schliesst es nicht
aus. Falls der Partner infiziert ist, sexuelle Abstinenz, bis die Antibiotika-Behandlung abgeschlossen ist.
Syphilis (Lues, harter Schanker)
Erreger: Treponema pallidum (Bakterium)
Übertragungswege: Sexueller Kontakt; Blutkontakt; Mutter-KindÜbertragung
Diagnose: Syphilis-Test
Syphilis-Tests: Antikörpernachweis im Blut (Diagnostische Lücke:
3 Wochen). Erregernachweis: Molekulare Diagnostik aus Abstrich
des Geschwürs, (PCR-Test positiv, sobald Geschwür vorhanden ist)
Inkubationszeit: 10–90 Tage, Durchschnitt 3 Wochen
Behandlung: Im Stadium l und ll mit Antibiotika heilbar; im Stadium
lll mit Antibiotika heilbar, aber bleibende Schäden
Verlauf: Unbehandelt meist lebenslange Infektion, die mit dem
Tod enden kann
Impfung: Keine
Treponema pallidum
Die Syphilis wird durch ein spiralförmiges Bakterium (Treponema
Quelle: CDC, USA
pallidum) verursacht. Die Symptome des Stadiums l und ll verschwinden auch ohne Behandlung oder sind manchmal nur
leichter Art oder untypisch, so dass der Infizierte die Symptome
nicht ernst nimmt oder verdrängt. So suchen Betroffene manchmal gar keinen Arzt auf, der einen Test durchführen, Diagnose stellen und die Behandlung einleiten könnte. Ohne eine antibiotische
STI -AKTUELL- 52 / 53
Sexuell übertragbare Krankheiten
Behandlung verschwinden aber die Bakterien nicht aus dem Körper. Die Betroffenen sind weiterhin für Sexualpartner infektiös und
können die Krankheit unwissend verbreiten.
Stadium ll: Die Bakterien verursachen am ganzen Körper Hautausschläge, Fieber, Lymphknotenschwellungen, Gelenk-, Muskel-
Übertragung: Sexuelle Übertragung: Die Ansteckung erfolgt in
den allermeisten Fällen durch sexuelle Kontakte. Übertragungen
durch Kontakt mit infektiösen Haut- oder Schleimhautveränderungen wie Geschwüre (Ulcus durum, harter Schanker). Übertragung von Hautausschlag ist sehr selten.
Blutübertragung: Häufig bei iv-Drogenkonsum und Mutter-KindÜbertragung; äusserst selten durch Blut- und Organspenden.
Das Bakterium tritt durch die gesunde Schleimhaut oder durch
mikroskopisch kleine Hautrisse in den Körper ein und erreicht innerhalb Stunden die Lymphgefässe und Blutbahnen. Das Blut ist
schon kurz nach der Infektion ansteckend. Sexualverkehr mit einem infizierten Partner führt in 30% zu einer Ansteckung.
Krankheitsverlauf: Bei der Syphilis werden drei Stadien unterschieden:
7
Stadium l: Am Ansteckungsort entstehen zwei bis sechs Wochen
nach der Ansteckung ein hartes, nicht schmerzhaftes Geschwür
(harter Schanker, Primäraffekt). Die am nächsten gelegenen
Lymphknoten schwellen an (meist in der Leiste). Das Geschwür
heilt auch ohne Behandlung nach 6 Wochen ab, was zum trügerischen Schluss des Infizierten führt, die Infektion sei ausgeheilt.
Unbehandelt geht die Infektion zum Stadium II über.
Syphilis Stadium I: Schmerzlose Geschwüre am Ansteckungsort, z. B. an der
Zunge nach Oralverkehr oder am Penis nach Sexualverkehr. Sie verschwinden auch ohne Behandlung, hingegen schreitet die Infektion trotzdem
weiter.
und Kopfschmerzen. Diese Erscheinungen verschwinden zeitweilig, können jedoch über Monate hinweg immer wieder auftreten.
Auch diese Symptome heilen ohne eine Behandlung von selbst
aus, nicht aber die Infektion. Sie schreitet meist weiter und geht in
die Latenzphase über.
Stadium lll (Latenzphase und Spätphase): In der Latenzphase
bemerkt der Betroffene keine Symptome und fühlt sich gesund.
Schon Wochen bis Monate nach dem 2. Stadium greift das
Syphilis-Bakterium verschiedene Organe an, insbesondere das
Nervensystem (Hirn, Rückenmark und Nerven) und das Herz-Kreislauf-System. Dieser schleichende Prozess kann mehrere Jahre bis
Sexuell übertragbare Krankheiten
Jahrzehnte dauern, bis die Zeichen der Spätsyphilis zutage treten.
In der Spätsyphilis brechen schwerwiegende Krankheiten aus, mit
nicht mehr reversiblen Schäden. Die Spätsyphilis führt nach langer Krankheit zum Tod. Am häufigsten ist die Neurolues, bei der
das zentrale und periphere Nervensystem betroffen ist: Es kommt
zum fortschreitenden Abbau von Nervengewebe (Degeneration, Atrophie) im Gehirn, Rückenmark und/oder Nerven. Mögliche
Folgen des Gewebsuntergangs im Gehirn sind Wesensveränderungen, Demenz, Wahnideen (klassisch der „Grössenwahn“), mitunter Anfälle und häufig Halluzinationen. Eine syphilitische Schädigung des Rückenmarks bewirkt Gangstörungen (Ataxie) und
einschiessende (sogenannte lancierende) Schmerzen. Syphilis
kann auch zu Lähmungen, Erblinden und Entzündung der Hauptschlagader (Mesaortitis luetica) führen. Es gibt selten Verläufe, bei
denen Syphilis-Bakterien lebenslang im Körper vorkommen, ohne
dass die Spätsyphilis ausbricht.
Kinder mit angeborener Syphilis: Eine Übertragung von einer syphilitischen Frau auf ihr Kind kann in jedem Stadium der Schwangerschaft erfolgen. Wird die Mutter in den ersten vier Schwangerschaftsmonaten mit Antibiotika behandelt, kann ein gesundes
Kind zur Welt kommen. Ohne Behandlung der Schwangeren
kommt es in 40% zu einem Abort oder einer Todgeburt. Bei infizierten Neugeborenen erkennt man eine Syphilis nicht zwingend. Die
Diagnose kann nur durch einen Bluttest gestellt werden.
Diagnose geben. Die Symptome werden vom Patienten häufig
nicht wahrgenommen oder können so verschieden sein, dass sie
mit einem Chamäleon verglichen werden, dessen Aussehen sich
immer wieder ändert. Die Diagnose wird durch Labortests gesichert: durch einen Bluttest, der erst etwa drei Wochen nach der
Infektion ein zuverlässiges Resultat liefert oder durch direkten Erregernachweis mit Abstrichen vom befallenen Gewebe.
Behandlung: Eine antibiotische Behandlung (Injektion mit einem
Depot-Penicillin) im Stadium I und II führt zu einer vollständigen
Heilung. Die Schäden einer Spätsyphilis (Stadium III) sind jedoch
nicht immer rückgängig zu machen, auch wenn die Bakterien
durch Medikamente ausgemerzt werden.
Prävention: Dem Wissen um den Serostatus von sich und dem
Sexualpartner kommt entscheidende Bedeutung zu. Falls einer
der Partner infiziert ist, sexuelle Abstinenz, bis die Antibiotika-Behandlung abgeschlossen ist. Kondomanwendung ist bei jedem
Risikokontakt notwendig, reduziert das Übertragungsrisiko, aber
schliesst es nicht aus.
Diagnose: Die Symptome der Syphilis können Hinweise auf die
STI -AKTUELL- 54 / 55
Sexuell übertragbare Krankheiten
Hepatitis B & C
Hepatitis B (infektiöse Gelbsucht)
Bis heute sind sechs Hepatitis-Viren bekannt, Hepatitis-Virus A, B,
C, D, E und G. Vor allem das Hepatitis-B-Virus (HBV) und in geringerem Masse auch das Hepatitis-C-Virus (HCV) sind sexuell
übertragbar. Sie können zu einer akuten Hepatitis (Leberentzündung) führen, aber auch symptomlos verlaufen. Es kann zu einer
Heilung oder zur Entwicklung einer chronischen Leberentzündung
kommen. Eine chronische Hepatitis kann symptomlos verlaufen
oder zu einer Leberzirrhose (Leberschrumpfung) oder zu Leberkrebs führen, die beide tödlich enden. Die Hepatitis B entwickelt
sich in 10% zu einer chronischen Leberentzündung, die Hepatitis
C sogar bei 80% der Infizierten. Bei vielen Menschen kommt es
aber gar nicht zu einer klinisch manifesten Erkrankung oder nur zu
milden Symptomen, so dass die Hepatitis-Infektion nicht erkannt
wird. Gleichwohl können diese Virusträger unwissentlich andere
Menschen anstecken.
Erreger: Hepatitis-B-Virus (HBV)
Impfung: Bei Hepatitis B gibt es eine wirksame Impfung, die – wenn
angewendet – zu einer starken Reduktion der Neuansteckungen
führt. Diese Impfung wäre imstande, die Hepatitis B auszurotten.
Gegen Hepatitis C gibt es keine Impfung.
7
Übertragungswege: Sexueller Kontakt; Blutkontakt; Mutter-KindÜbertragung
Diagnose: Virus und Antikörpernachweis im Blut
Inkubationszeit: Im Durchschnitt 2–3 Monate (45–180 Tage)
Behandlung: Akute Infektion: keine medizinische Behandlung notwendig; chronische Infektion mit antiviralen Medikamenten (Lamivudine, Andenovir usw.)teilweise behandelbar
Verlauf: Leberentzündung mit Gelbsucht oder symptomlos. Häufig Spontanheilung, aber auch Todesfälle (akutes Leberversagen). In 10% chronische Verläufe teilweise mit Leberzirrhose und
-krebs, welche mit dem Tod enden
Hepatitis-B-Test: Nachweis von Antigen, Antikörper und viraler
DNA (PCR). Diagnostische Lücke: 1–12 Wochen
Impfung: Ist wichtigste Prävention
Die Neuansteckungsrate ist seit Empfehlung der Hepatitis-B-Impfung in der Schweiz (1998) bei Jugendlichen um 80% zurückgegangen. Allerdings gibt es in der Schweiz noch schätzungsweise
20 000 Hepatitis-B-Virus-Träger, die oft nichts von ihrer Infektion
wissen und so unwissentlich andere mit dem Virus anstecken können. Deshalb ist das Impfen vor dem ersten Sexualkontakt, also
Sexuell übertragbare Krankheiten
Piercing, wenn unsteriles Material verwendet wird, oder auch bei
gemeinsamer Verwendung von Zahnbürsten und Rasierapparat
ist eine Ansteckung möglich. Hepatitis B ist keineswegs nur ein Problem der bekannten „Risikogruppen“.
Bei Kontakten von virushaltigen Körperflüssigkeiten mit der Haut
oder beim Essen und Trinken besteht kein Ansteckungsrisiko.
Die Hepatitisviren gelangen vom Infektionsort (auch Schleimhaut
und minimal verletzte Haut) über das Blut in die Leber, wo sie in die
Leberzellen eindringen und sich dort vermehren.
Hepatitis-B-Viren
Quelle: CDC, USA
spätestens mit 11–15 Jahren weiterhin dringend empfohlen.
Die akute Hepatitis B kann ohne Beschwerden, mit einer Gelbsucht (Leberentzündung) oder in seltenen Fällen tödlich (akutes
Leberversagen) verlaufen. Aus der akuten Hepatitis B kann sich
eine chronische Leberentzündung mit einer Schrumpfleber (Leberzirrhose) oder einem Leberkrebs entwickeln.
Übertragung: Das Hepatitis-B-Virus wird ähnlich wie das HI-Virus
übertragen, ist aber um ein Vielfaches leichter übertragbar als
das HI-Virus: sexuell, über das Blut (Mutter-Kind, iv-Drogenabhängigkeit, Nadelstichverletzungen beim Medizinalpersonal), aber
auch bei dauerhaftem und engem Kontakt mit im gleichen Haushalt lebenden HBV infizierten Menschen. Beim Tätowieren und
Krankheitsverlauf: Akute Hepatitis B: Die Infektion verläuft bei den
einen symptomlos und bei den anderen sechs Wochen bis mehrere Monate nach der Ansteckung mit einer akuten Hepatitis B.
Viele erleiden nur milde Symptome, die einer Bauchgrippe ähneln (Appetitlosigkeit, Verdauungsstörungen, Übelkeit, Erbrechen,
Erschöpfung und Fieber). Nur jeder dritte Infizierte bekommt die
typischen Symptome einer akuten Leberentzündung mit Gelbsucht (Hepatitis bedeutet Leberentzündung). Dabei verfärben
sich Haut und Schleimhäute gelb, leicht erkennbar an den gelben
Augen. Der Urin wird dunkelbraun und der Stuhl farblos. Wenn das
körpereigene Abwehrsystem optimal funktioniert, heilt die Hepatitis aus und die Leber erholt sich wieder vollständig. Danach ist
der Mensch lebenslang gegen die Hepatitis-B-Viren immun. Mit
Labortestmethoden kann festgestellt werden, ob jemand a) nicht
mit Hepatitis B infiziert ist, b) akut infiziert ist, c) chronisch infiziert ist,
d) früher eine Infektion durchmachte und die Viren eliminiert sind
STI -AKTUELL- 56 / 57
Sexuell übertragbare Krankheiten
Behandlung: Die akute Hepatitis B erfordert in der Regel keine
medizinische Behandlung, da die Krankheit meist von selbst heilt.
Der Infizierte muss einfach abwarten, bis das eigene Abwehrsystem aus eigener Kraft mit den Viren fertig wird. Bis die Hepatitis B
ganz geheilt ist, bleibt der Infizierte weiterhin ansteckend. Partner
bez. Familie müssen auf das Hepatitis-B-Virus getestet und abhängig vom Testresultat geimpft werden.
Bei der chronischen Hepatitis B kommt eine Behandlung mit antiviralen Medikamenten in Frage. In 40% der Patienten kann die
Virusvermehrung gestoppt werden.
Akute Hepatitis B: Mann mit Gelbsucht (gelbes Augenweiss und gelbliche Haut) und
Bauchgrippe-ähnlichen Symptomen.
oder e) geimpft ist.
7
Chronische Hepatitis B: Werden länger als 6 Monate HBs-Antigene
nachgewiesen, liegt eine chronische Hepatitis B vor. Bei jedem
Zehnten geht die Gelbsucht zwar vorüber, die Hepatitis-B-Viren
bleiben aber im Körper und die Hepatitis B wird chronisch. Der
Virusträger bleibt für andere ansteckend. Bei jedem vierten chronischen Virusträger zieht sich die schwere Leberentzündung über
Jahre hin mit unspezifischen Symptomen wie Unwohlsein, Appetitlosigkeit und Erschöpfung. Unbehandelt kommt es häufig zu einer
Leberzirrhose oder Leberkrebs, was schliesslich zum Tod führt.
Diagnose: Hepatitis-B-Test. Nur etwa in einem Drittel der Fälle kann
der Arzt eine Gelbsucht (Hepatitis) erkennen.
Prävention: Die Hepatitis-B-Impfung senkt das Risiko einer Ansteckung um über 95%. Alle Menschen sollen spätestens mit 11–15
Jahren geimpft werden, also bevor die ersten sexuellen Kontakte
stattfinden.
Dem Wissen um den Hepatitis B-Status von sich und dem Sexualpartner kommt entscheidende Bedeutung zu. Falls ein Partner
angesteckt und der andere weder geimpft noch angesteckt ist,
empfiehlt sich eine Impfung. Bis der Impfschutz vollständig aufgebaut ist, sind sexuelle Abstinenz oder konsequente Kondomanwendung notwendig. Kondomanwendung ist bei jedem
Risikokontakt notwendig, reduziert das Übertragungsrisiko, aber
schliesst es nicht aus.
Sexuell übertragbare Krankheiten
Hepatitis C
Erreger: Hepatitis-C-Virus (HCV)
Übertragungswege: Blutkontakt; durch sexuellen Kontakt möglich
(nur in 5% aller Fälle); Mutter-Kind-Übertragung
Diagnose: Virus- und Antikörpernachweis im Blut
Inkubationszeit: Im Durchschnitt 6–7 Wochen (2–26 Wochen)
Verlauf: Leberentzündung mit Gelbsucht oder symptomlos. Häufig Spontanheilung, aber auch Todesfälle (akutes Leberversagen).
Chronische Verläufe teilweise mit Leberzirrhose und -krebs, welche mit dem Tod enden
Behandlung: Akute Infektion: keine medizinische Behandlung notwendig; chronische Infektion mit Interferon teilweise behandelbar
Hepatitis-C-Test: Nachweis mittels Antigentest oder PCR nach 35
Tagen, Antikörpernachweis etwa 30 Tage später
Impfung: Keine
Eine sexuelle Übertragung des Hepatitis-C-Virus ist grundsätzlich
möglich, aber selten, weil das Virus schwer übertragbar ist, viel
schwieriger als das Hepatitis-B-Virus oder das HI-Virus. Die meisten
sexuellen Übertragungen finden unter Männern, die mit Männern
Sex haben, statt. Häufig wird das HCV bei iv-Drogenabhängigen
gefunden, denn durch Blutaustausch kann das Virus vergleichsweise leicht übertragen werden.
Bei 20 – 25% von Menschen mit einer chronischen Hepatitis C
kommt es nach etwa 30 Jahren zu einer Leberzirrhose.
Lymphogranuloma venerum (LGV)
Erreger: Chlamydia trachomatis (Bakterium), Serovar L1–3
Übertragungswege: Sexualverkehr (genital, anal, oral); Kontakt
mit Genitalsekreten; Mutter-Kind-Übertragung
Diagnose: Abstrich, Urintest
Inkubationszeit: 1–3 Woche
Verlauf: Bei Frauen 80% asymptomatisch, leichte genitale Symptome bis Infektion der inneren Genitalorgane mit Unfruchtbarkeit.
Bei Männern 50% asymptomatisch, Urethritis.
Behandlung: Heilbar mit Antibiotika
Chlamydien-Test: Molekulare Diagnostik (PCR, evtl. Antikörpernachweis
Impfung: Keine
Das Lymphogranuloma venereum (LGV) wird durch Chlamydia
trachomatis Typen L1–3 verursacht. Diese Erkrankung wurde jahrelang in Europa nicht mehr gesehen. Sie kommt in Afrika, Asien,
Südamerika und Teilen der Karibik häufig vor. In den letzten Jahren werden diese Infektionen in den USA und Europa, aber auch
in der Schweiz wieder häufiger diagnostiziert, v.a. bei Männern,
STI -AKTUELL- 58 / 59
Sexuell übertragbare Krankheiten
die mit Männern Sex haben. Sextouristen sowie in Übersee stationierte Soldaten, Matrosen und anderweitig Tätige haben die
LGV-Chlamydien wieder eingeschleppt. Nicht selten sind HIV-infizierte Männer betroffen, welche an Enddarminfektionen leiden.
Unterdessen werden auch in Mitteleuropa wieder ab und zu Heterosexuelle mit LGV diagnostiziert. Die Infektion tritt auch ohne
Symptome auf, insbesondere bei Frauen.
Übertragung: Sexuelle Übertragung. Mutter-Kind-Übertragung.
Blutuntersuchung.
Behandlung: Heilung mit Antibiotika. Partnerbehandlung mit Antibiotika notwendig.
Prävention: Der Chlamydien-Status ist der erste präventive Schritt.
Bei einer Infektion ist eine antibiotische Behandlung des Infizierten
notwendig, zumeist auch die Behandlung des Partners. Bei Risikokontakten vermindern Kondome das Risiko, schliessen es aber
nicht aus.
Sexuelle Kontakte von Schleimhaut mit Körperflüssigkeiten, die mit
LGV-Chlamydien infiziert sind.
7
Krankheitsverlauf: 3 Tage bis 3 Wochen nach der Ansteckung treten genital, anal oder oral scharf begrenzte kleine Geschwüre
auf, die nach 10–14 Tagen spontan abheilen und wegen fehlender Schmerzen oft übersehen werden. Von der Eintrittspforte
(genital, anal und oral) gelangen die Bakterien über die Lymphbahnen in die regionalen Lymphknoten. Kurze Zeit nach Abheilen der Geschwüre, treten die schmerzhaften Schwellungen der
Lymphknoten im Leistenbereich (bis zur Faustgrösse) auf, die den
Patienten erst dann zum Arzt führen. Probleme entstehen vor allem, wenn Lymphknoten nach aussen aufbrechen (Fisteln) oder
innere Vernarbungen auftreten. Nur bei 30% der Männer treten
die beschriebenen Symptome auf. Ohne Symptome verläuft die
Infektion bei den anderen 70% der Männer und bei praktisch allen Frauen.
Diagnose: Nachweis des Erregers im Abstrich oder durch eine
Lymphogranoloma venerum: Stark vergrösserte, weiche, entzündete Lymphknoten in der Leistengegend.
Sexuell übertragbare Krankheiten
Ulcus molle (weicher Schanker)
Erreger: Hämophilus ducreyi
Übertragungswege: Sexueller Kontakt
Diagnose: Abstrich mit Erregernachweis
bilden und dann aufbrechen, so dass der Eiter sich gegen aussen
entleert. Der Verlauf der Krankheit mit den Geschwüren (Ulcera)
und Lymphknotenentzündungen ist unterschiedlich und kann
leicht mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten verwechselt werden wie Syphilis oder Herpes genitalis.
Inkubationszeit: Einige Tage
Verlauf: Schmerzhaftes Geschwür (weicher Schanker) und bei
50% Lymphknotenschwellung mit eitrigem Einschmelzen
Behandlung: Heilbar mit Antibiotika
Impfung: Keine
Das Bakterium Haemophilus ducreyi ist der Erreger des Ulcus molle, einer Erkrankung, die durch genitale Geschwüre (Ulcera) und
Lympknotenschwellung gekennzeichnet ist. In den Entwicklungsländern stellt die Erkrankung ein erhebliches Gesundheitsproblem
dar, in den USA und Europa war es lange Zeit eine sehr seltene
Erkrankung, nahm aber in den letzten Jahren bei den Risikogruppen wieder zu.
Übertragung: Erfolgt durch Sexualverkehr.
Krankheitsverlauf: Vier bis sieben Tage nach der Infektion treten
am Ort der Ansteckung Knötchen auf, die platzen und in weiche,
schmerzhafte Geschwüre (Ulcus molle) übergehen. Etwa die Hälfte der Infizierten bekommt vergrösserte, schmerzhafte Lymphknoten in der Leistengegend, die stark anschwellen und häufig Eiter
Ulcus molle: Schmerzhafte, wie ausgestanzte Geschwüre (hier am Penis, mit entzündeter Vorhaut und Eichel).
Behandlung: Mit Antibiotika kann das Ulcus molle geheilt werden.
Diagnose: Die Symptome können höchstens Hinweise für die Diagnose geben. Die Diagnose erfolgt durch einen Abstrich von den
Geschwüren mit Nachweis des Erregers.
Prävention: Diagnose und antibiotische Behandlung der Kranken.
Bei unsicheren Sexualkontakten können Kondome die Übertragungsrisiken vermindern.
STI -AKTUELL- 60 / 61
AIDS-Aufklärung Schweiz
Ärzte gegen HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen
Die AIDS-Aufklärung Schweiz ist ein gemeinnütziger Ärzteverein,
der sich seit mehr als 20 Jahren gegen die Ausbreitung der HIVInfektion und gegen Diskriminierung von HIV-Infizierten und AidsKranken einsetzt.
Da sich in Europa seit Anfang dieses Jahrhunderts die anderen sexuell übertragbaren Infektionen wieder stark ausbreiten, richtete
sich der Tätigkeitsbereich auf alle sexuell übertragbaren Infektionen, die HIV-Infektion mit eingeschlossen, aus. Früh erkannte die
AIDS-Aufklärung Schweiz, wie wichtig das Engagement gerade
von Ärzten ist. Die AIDS-Aufklärung Schweiz machte sich zur Aufgabe, mittels wissenschaftlichen Informationen die Ärzteschaft
und die Bevölkerung von der Wichtigkeit der Prävention der sexuell übertragbaren Infektionen zu überzeugen.
Die verdrängten Risiken
Leider ist in den letzten Jahren die notwendige Aufmerksamkeit
für die HIV-Infektion und andere sexuell übertragbare Infektionen
einer fatalen Gleichgültigkeit gewichen. In den Medien fristet das
Thema ein Mauerblümchendasein, und junge Menschen kennen
die Bedeutung der Prävention der sexuell übertragbaren Infektionen zu wenig oder verdrängen die Risiken. Gerade deshalb engagieren sich die Ärzte der AIDS-Aufklärung Schweiz weiterhin mit
unverminderter Kraft gegen die sich wieder stark ausbreitenden
sexuell übertragbaren Infektionen.
www.aids-info.ch – Wissenschaftlich gesicherte Informationen
Auf der Homepage www.aids-info.ch erfahren Sie in mehreren
Sprachen die neuesten Informationen über HIV, Aids und andere sexuell übertragbare Infektionen. Es lohnt sich immer wieder,
einen Blick darauf zu werfen, um diese Problematik in all ihren
Facetten verstehen zu lernen. Das hilft Ihnen, um sich vor HIV und
anderen sexuell übertragbaren Infektionen zu schützen und einen unverkrampften Umgang mit infizierten Menschen zu haben.
Publikationen können Sie direkt von aids-info.ch downloaden.
Telefonberatung – Onlineberatung
Sachkundige Ärzte beraten Sie in allen Fragen über die
HIV-Infektion, sexuell übertragbare Infektionen und die sexuelle Gesundheit telefonisch oder nach Vereinbarung in
einem persönlichen Gespräch. Der Datenschutz entsprechend dem ärztlichen Berufsgeheimnis wird gewahrt.
Telefonberatung: 044 261 03 86
Montags, 20.00 Uhr bis 21.30 Uhr
Onlineberatung:
[email protected]
Publikationen der AIDS-Aufklärung Schweiz
HIV/Aids – Aktuell. Alles über die HIV-Infekion.
3., überarbeitet Auflage 2012
A5-Broschüre, 60 Seiten
Vorwort von Prof. Prof. h.c. Dr. rer. nat. Karin Moelling
Gratis: Download oder zu bestellen bei www.aids-info.ch
Der HIV-Test. Do you know your HIV status?
1. Auflage 2011
A5-Broschüre, 12 Seiten
Gratis: Download oder zu bestellen bei www.aids-info.ch
Sprechen über Sex – und über Infektionsrisiken.
Kurt April
Vorwort von Prof. Johannes Bitzer
Hans Huber Verlag, Bern 2012. 256 S., 60 Abb. u. Tab., Kt
E-Book-ISBN 978-3-456-95099-0
ISBN 978-3-456 85099-3
Buch zu bestellen bei AIDS-Aufklärung Schweiz oder im Buchhandel
STI -AKTUELL- 62 / 63
SEXUELL ÜBERTRAGBARE INFEKTIONEN
STI - sexually transmitted infections
Break the chain
Infektionskette unterbrechen: HIV- und STI-Status
kennen – behandeln – Partner informieren!
HPV und Hepatitis B: Impfen!
Sekretariat/Kontakt:
AIDS-Aufklärung Schweiz
Postfach 24
8810 Horgen
Tel. +41 44 261 10 32
Fax +41 44 726 17 78
E-Mail : [email protected]
www.aids-info.ch
„Das Risiko, sich bei einem sexuellen Kontakt mit einer STI zu infizieren, ist sowohl für
heterosexuelle wie auch für homosexuelle Menschen in den letzten Jahren stetig gestiegen.“
„Die HIV-Meldungen gingen 2011 weiter zurück, die STI-Meldungen stiegen an. Doch
auch bei HIV kann nicht von einer Verbesserung der Situation die Rede sein: Die Anzahl
Meldungen bei Männern, die mit Männern Sex haben, ist hoch. Der hohe Anteil der
späten Diagnosen bei heterosexuellen Personen ist ein Hinweis darauf, dass diese ihr
Risiko unterschätzen, sich mit HIV zu infizieren.“
Bundesamt für Gesundheit, Bern 2012
-AKTUELL-
AIDS-Aufklärung Schweiz
AIDS Informazione Svizzera
SIDA Information Suisse
Infos über HIV, sexuelle Infektionen & sexuelle Gesundheit
Herunterladen