Marketing Leadership Brief aus Amerika von Yvette Schwerdt, New York iPoding COOLES PRODUKT, GEZIELTE VERKNAPPUNG UND DANN MIT VOLLDAMPF IN DEN MASSENMARKT. APPLE-CHEF STEVE JOBS ZEIGT MAL WIEDER, WIE MARKETING FASZINIERT. er zum vergangenen Weihnachtsfest in New York noch rasch einen „iPod“ von Apple ergattern wollte, der hatte Pech. Das Gerät war restlos ausverkauft. Besonders die 500-Dollar-Luxus-Version, die bis zu 10 000 Musiktitel speichern kann, war nirgendwo mehr erhältlich. Dass es zu Anlaufschwierigkeiten in der Herstellung oder im Vertrieb gekommen war, schien unwahrscheinlich. Schließlich war der MP3-Player von Apple zu diesem Zeitpunkt bereits bestens eingeführt und millionenfach abgesetzt worden. Beobachter witterten deshalb hinter dem Engpass eine ausgeklügelte Marketing-Strategie. In der Tat war der Erfolg des iPod, der Apple sogar den Titel des „Marketer of the Year“ einbrachte, von langer Hand geplant. Denn vor dem iPod stand der Musik-Service „iTunes“, der Anfang 2003 in den Markt kam. Dann folgte der Launch von iTunes für Windows, der weitere Begehrlichkeit weckte. Dass dann aber, als der Massenansturm losging, kein einziger iPod mehr zu bekommen war, steigerte den Reiz nochmals und machte das kleine Apple-Tool endgültig zu einem neuen Kultprodukt. Es lohnt sich daher, Amerikas jüngsten Verkaufsschlager genauer unter die Lupe zu nehmen und einige MarketingLektionen mitzunehmen. Begonnen hat der Siegeszug bereits mit Online-Tauschbörsen wie Napster, Morpheus oder KaZaA. In diesem Guerilla-Umfeld positionierte Steve Jobs seine Innovation: einen tragbaren Audioplayer zum Herunterladen und Speichern von Musik. Dieses Gerät sollte sich – ganz im Sinne der Apple-Tradition – durch Funktionalität, Benutzerfreundlichkeit und Design auszeichnen und damit rasch zum geschmackvollen Gebrauchsgegenstand aufsteigen. Ebenso genial wie das Produkt war das Marketing, das den iPod zum Must-have-Accessoire machte. Vor allem die tanzenden, schwarzen Schattenfiguren, die das weiße Gerät geschickt zur Geltung bringen, sorgten für Aufmerksamkeit. Auch die PR-Helfer leisteten ganze Arbeit und lancierten weltweit mehr als 6 000 Artikel über iPod und iTunes. Schließlich stellte eine sensationelle Buzz Marketing-Offensive sicher, dass der iPod stets zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und bei den richtigen Leuten zu W Yvette Schwerdt ist Expertin für multinationales Marketing mit dem Schwerpunkt Deutschland/Amerika (www.madetomarket.com). Sie ist persönlich unter [email protected] zu erreichen. 22 sehen war. Das skurrile Designer-Duo Andrew Andrew und der Herr-der-Ringe-Star Elijah Wood sind nur einige der vielen „Buzzer“, die die digitale Jukebox publikumswirksam zu nutzen wussten. Ganz nebenbei brachte Steve Jobs die Musikindustrie in Bewegung. Mittlerweile greifen nicht nur die fünf Großen – Universal, Warner, Emi, Sony und BMG – nach dem Rettungsring Internet, sondern auch andere Anbieter. Zum Beispiel Dell. Der PC-Direktvermarkter versucht, Apple zu kopieren, und liefert ein ähnliches Komplettpaket, samt Hardware und Musikdienst. Oder Wal-Mart. Der Marktführer im Einzelhandel bietet Downloads zum Niedrigpreis. Die Schlüsselfrage ist nur: Was bleibt unter dem Strich hängen? Jeff Cavins, Chef des Online-Musikanbieters Loudeye Technologies, glaubt fest daran, dass sich das Geschäftsmodell rechnen wird: „Uns geht es nicht darum, am digitalen Titel zu verdienen, wir sehen die Zukunft in der integrierten Promotion von Musik und Marke.“ Auch Steve Jobs scheint ähnlich zu denken. Er setzt neuerdings nicht nur auf seinen iTunes Music Store Service, der ohnehin nur 30 Millionen Songs verkauft hat, sondern auf große Promotion-Deals mit Konsumgüterherstellern. Aktuelles Beispiel: Seit Anfang Februar sind 300 Millionen Pepsi-Flaschen mit 100 Millionen Codes in Umlauf, mit denen ebenso viele Titel aus dem iTunes Music Store (www. iTunes.com) kostenfrei heruntergeladen werden können. Jobs ist euphorisch: „Diese Aktion wird Geschichte schreiben und das legale Musik-Download-Geschäft erst so richtig lostreten.“ Der iPod hat also, genau wie ehedem der Mac und der Newton, eine Revolution ausgelöst. Bleibt die Frage, ob ihn ein ähnlich tragisches Schicksal ereilen wird wie seine großen Brüder, die dereinst von der Konkurrenz gnadenlos überrollt wurden. Man möchte hoffen, dass es Jobs diesmal gelingt, seinen Innovationsgeist in einen dauerhaften Erfolg umzuwandeln. Erste Anzeichen sprechen dafür. So hat Apple zur Consumer Electronics Show in Las Vegas eine zweite Version des iPod herausgebracht, den „Mini iPod“, der günstiger und kleiner ist als das Original. Zudem hat sich Computer-Gigant Hewlett-Packard zur iPodTechnologie bekannt und sie kürzlich für HP lizenzieren lassen. Apple könnte also jetzt tatsächlich auf dem besten Weg sein, den künftigen Standard für digitale Musik zu setzen. absatzwirtschaft 3/2004