Brückenkurs Mathematik AHS Analysis Andreas Kucher [email protected] Institute for Mathematics and Scientific Computing Karl-Franzens-Universität Graz Graz, September 5, 2015 Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Hinweis zu den Folien Diese Folien sind derart konzipiert, dass sie ohne weitere Erklärungen eher schwer nachzuvollziehen sind. Sie sollen uns als roter Faden für die VU dienen. Weiters ist zu beachten, dass Genauigkeit und Wissenschaftlichkeit unter dem propädeutischen Charakter des Brückenkurses leiden müssen. An einigen Stellen sollen vordringlich Ideen und Denkweisen vermittelt werden! Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Zur Analysis I von analýein “auflösen“. I Neben der linearen Algebra das Fundament für die praktische mathematische Arbeit. Die Analysis befasst sich mit: I I I I Grenzwerten von Folgen (und Reihen). Funktionen und deren Stetigkeit, Differenzierbarkeit und Integration. In der Schule: Eindimensionale reelle Analysis. Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Folgen Definition Sei A 6= ∅ eine Menge und p ∈ Z. Eine (unendliche) Folge in A ist eine Abbildung {n ∈ Z | n ≥ p} → A a= n 7→ an Man schreibt auch a = (an )n≥p = (ap , ap+1 , ...). I In der Analysis wird meist verwendet A = R oder A = C, sowie p = 0 oder p = 1. I n )n≥0 . Beispiel ( n+1 I n Beobachtung: ( n+1 )n≥0 ”konvergiert” gegen 1. Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Konvergenz reeller Zahlenfolgen Definition Sei (xn )n≥0 eine Folge reeller Zahlen und x ∈ R. Dann heißt x der Grenzwert von (xn )n≥0 , wenn gilt: (∀ε ∈ R>0 )(∃n0 ∈ N)(∀n ≥ n0 ) : |xn − x| < ε . Die Folge (xn )n>0 heißt dann konvergent mit Grenzwert x. Wir schreiben limn→∞ (xn )n≥0 = x oder (xn )n≥0 → x. I Sie werden sehr viel über Folgen lernen! I Animation https://www.youtube.com/watch?v=DZT8o7Y08Mw Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Beispiel einer konvergenten Folge (xn )n≥1 = (a) ε = 0.185, n0 = 6. Brückenkurs Mathematik (−1)n+1 . n (b) ε = 0.05, n0 = 21. Andreas Kucher Die Eindeutigkeit des Grenzwertes Lemma (Dreiecksungleichung für reelle Zahlen) Seien a, b ∈ R. Dann gilt: |a + b| ≤ |a| + |b|. Lemma Seien a, b ∈ R und (∀ε ∈ R>0 ) : |a − b| < ε. Dann gilt: a = b. Theorem (Eindeutigkeit des Grenzwerts) Eine Folge in R hat höchstens einen Grenzwert. Beweis. Sei (xn )n≥0 eine konvergente Folge in R und seien x, x̃ ∈ R mit (xn )n≥0 → x und (xn )n≥0 → x̃ . Wir werden zeigen (∀ε > 0) : |x − x̃| < ε. Dann folgt x = x̃. Sei ε ∈ R>0 . Dann (∃n0 ∈ N)(∀n ≥ n0 ) : |xn − x| < ε 2 und (∃n˜0 ∈ N)(∀n ≥ n˜0 ) : |xn − x̃| < ε 2 Ist nun n ≥ max (n0 , n˜0 ), so folgt |x − x̃| = |(xn − x) − (x̃ − xn )| ≤ |xn − x| + |xn − x̃| < ε. Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Rechenregeln für Limiten Seien (an )n≥0 und (bn )n≥0 konvergente Folgen in R mit limn→∞ an = a und limn→∞ bn = b . Dann gilt: 1. limn→∞ (an + bn ) = limn→∞ an + limn→∞ bn = a + b. 2. (∀λ ∈ R) : limn→∞ (λ an ) = λ limn→∞ an = λ a. 3. limn→∞ (an bn ) = (limn→∞ an )(limn→∞ bn ) = ab. 4. Ist b 6= 0, so gilt: limn→∞ bann = Brückenkurs Mathematik limn→∞ an limn→∞ bn = ba . Andreas Kucher Monotonie Beschränktheit reeller Zahlenfolgen Definition Sei (an )n≥0 eine Folge reeller Zahlen und a ∈ R. 1. (an )n≥0 heißt beschränkt, wenn gilt: (∃M ∈ R)(∀n ∈ N) : |an | ≤ M . 2. (an )n≥0 heißt monoton steigend wenn gilt: (∀n ∈ N) : an ≤ an+1 . 3. (an )n≥0 heißt monoton fallend wenn gilt: (∀n ∈ N) : an ≥ an+1 . I I Solche Eigenschaften sind wichtig, weil sich aus ihnen viel ableiten lässt! Z.B: ”Monoton + beschränkt ⇒ konvergent“. Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Heron–Verfahren (Babylonian Method) Theorem Seien a ∈ R>0 und x0 ∈ R>0 . Sei (xn )≥1 die rekursiv definierte Folge xn + xan . (∀n ∈ N) : xn+1 = 2 √ Dann konvergiert (xn )≥1 in R und es gilt: limn→∞ xn = a. Beweis. 1. Konvergenz (Monotonie und Beschränktheit). 2. Fixpunktgleichung. Weitere Fragen: Approximationsgenauigkeit des n–ten Folgengliedes, Approximationsgeschwindigkeit, ... Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Differenzierbarkeit Definition Sei ∅ 6= D ⊂ R und f : D → R. 1. Sei x0 ∈ D ∩ D 0 . Dann heißt ∆x0 : D\{x0 } → C mit ∆x0 f (x) = f (x) − f (x0 ) x − x0 der Differenzenquotient von f in x0 . f heißt differenzierbar in x0 , falls lim (∆x0 f )(x) x→x0 existiert und man nennt f 0 (x0 ) := limx→x0 (∆x0 f )(x) die Ableitung oder den Differentialquotienten von von f in x0 . 2. Ist D ⊂ D 0 , so heißt f differenzierbar in D, wenn f für jedes x ∈ D differenzierbar ist. In diesem Fall nennt man f 0 : D → C mit f : x → f 0 (x), die Ableitung von f . 3. Bemerkung: Differenzierbarkeit ist eine lokale Eigenschaft. Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Differenzierbarkeit (Schule) Definition Sei f : D ⊂ R → R eine Abbildung und x0 ∈ D. 1. Sei x0 ∈ D. f heißt differenzierbar in x0 , falls der Grenzwert f 0 (x0 ) := lim h→0 f (x + h) − f (x) h existiert und nennen f 0 (x0 ) die Ableitung von f in x0 . 2. f heißt differenzierbar, wenn f differenzierbar in x ist für alle x ∈ D. Wir nennen die Abbildung D → R f0 = x 7→ f 0 (x) die (erste) Ableitung von f . Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Die Ableitung von x 2 Beispiel f : R → R mit f (x) = x 2 ist differenzierbar. Beweis. Wir zeigen, dass f (x) = x 2 differenzierbar ist, für alle x0 ∈ R. Sei x0 ∈ R. Dann gilt: f (x0 + h) − f (x) (x0 + h)2 − x02 = lim = h→0 h→0 h h x 2 + 2x0 h + h2 − x02 lim 0 = h→0 h 2x0 h + h2 lim = h→0 h lim 2x0 + h = 2x0 . lim h→0 Also ist f (x) = x 2 differenzierbar und f 0 (x) = 2x. Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Rechenregeln Lemma Seien f , g : D ⊂ R → R differenzierbar und λ ∈ R. Dann gilt: 1. f ist stetig. 2. Die Funktionen f + g , λf und fg sind differenzierbar und es gilt: (f + g )0 (x) = f 0 (x) + g 0 (x), (λf )0 (x), = λf 0 (x) (fg )0 (x) = f 0 (x)g (x) + f (x)g 0 (x) . 3. Sei f (x) 6= 0 für alle x ∈ D. Dann ist g 0 f Brückenkurs Mathematik (x) = g f differenzierbar und es gilt: g 0 (x)f (x) − g (x)f 0 (x) . f (x)2 Andreas Kucher Kettenregel (informal) (g ◦ f )(x) := g (f (x)) (g ◦ f )0 (x) = f 0 (x)g 0 (f (x)) Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Ableitungen elementarer Funktionen aus der Schule I I (x n )0 = nx n−1 . √ x = 2√1 x . I exp(x)0 = exp(x). I sin(x)0 = cos(x). I cos(x)0 = −sin(x). I ln(x) = x1 . Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Integralrechnung Definition (Treppenfunktion) Seien a, b ∈ R. Eine Funktion f : [a, b] → R heißt reelle Treppenfunktion, wenn es ein m ∈ N und reelle Zahlen a = a0 < a1 < · · · < am = b gibt, sodass ∀j ∈ {1, ..., m} : f|(aj−1 ,aj ) ist konstant. Definition (Regelfunktion) Eine saubere Definition würde den Rahmen der VU bei weitem sprengen! ”Eine Regelfunktion ist eine Funktion, deren einzige Unstetigkeitsstellen Sprungstellen sind.” Bsp.: sin 1 x ist keine Regelfunktion. Theorem (Approximierbarkeit von Regelfunktionen) “Jede Regelfunktion lässt sich (gleichmäßig) durch eine Folge von Treppenfunktionen approximieren”. Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Approximationssatz für Regelfunktionen Theorem Jede Regelfunktion auf einem abgeschlossenen Intervall kann durch eine Folge von Treppenfunktionen gleichmäßig approximiert werden. Das heißt, zu jeder Regelfunktion f : [a, b] 7→ R existiert eine Folge (hn )n≥1 von Treppenfunktionen, so dass : lim kf − hn k∞ = 0 n→∞ gilt, wobei k·k∞ die Supremumsnorm ist. Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Existenz der Stammfunktion I Für Treppenfunktionen kann man die Stammfunktion einfach als “Summe der Rechtecke” definieren. I Für Regelfunktionen f : [a, b] 7→ R definiert man die Stammfunktion als den Grenzwert der Stammfunktionen einer (beliebigen) Folge von Treppenfunktionen, die f approximieren. I Wir schreiben für die Stammfunktion von f Z b Z b f = f (x)dx = [F ]ba = F (b) − F (a) . a und nennen Brückenkurs Mathematik a Rb a f das bestimmte Integral von f von a bis b. Andreas Kucher Rechenregeln Theorem Sei I ⊂ R ein Intervall, seien f , g Regelfunktionen, λ ∈ R und a, b, c ∈ I . Dann ist: Rb Rc Rb I f = a f + c f. a Ra I a f = 0. Rb Ra I a f =− b f. Rb Rb I (λf ) = λ a a f. Rb Rb Rb I a (f + g ) = a f + a g . Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Stammfunktionen gängiger Funktionen Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher