IQB Medizin &. Pflegerecht §§ Schriftenreihe zum Medizin- und Pflegerecht ___________________________________________________ Sterbehilfe In dubio pro libertate Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher oder öffnen wir ihm die Türen? Vom „guten, demokratisch legitimierten Sterben“ Von der Instrumentalisierung des „Todes“ und der „Ethik“ Beiträge über die Ethik, das Sterben und die Grenzen der Selbstbestimmung. Lutz Barth 2007 __________________________________________ Institut zur Qualifizierung &. Beratung von Mitarbeitern &. gesundheitseinrichtungen Medizin-, Pflege- &. Gerontopsychiatrierecht In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Vorwort In dem aktuellen Wertediskurs über den Grund und die Grenzen unserer Patientenverfügung ringen wir alle um eine Orientierung. Es geht hierbei um fundamentale Entscheidungen und neben den Parteien fühlen sich insbesondere auch Verbände und Körperschaften des öffentlichen Rechts dazu berufen, uns an ihrer Sichtweise teilhaben zu lassen. Nicht immer können wir uns mit den „Lehren“ identifizieren und es wächst die Sorge, dass unser aller „Sterben“ instrumentalisiert wird. Das hier vorgelegte Buch soll in erster Linie mit seinen Einzelbeiträgen dazu anregen, dass Sie, verehrte Leserinnen und Leser, sich dem kritischen Dialog gleichsam aus Ihrer Innenperspektive heraus stellen, ohne dass Sie zwingend einen Gesprächspartner benötigen. Der Haupttitel des Kompendiums in dubio pro libertate ist deshalb gewählt, weil ich Sorge habe, dass wir in unserer säkularisierten Gesellschaft Gefahr laufen, in einem höchst individuellen Freiheitsbereich, namentlich unserer Selbstbestimmung, instrumentalisiert zu werden. Die Idee, meine einzelnen Beiträge zusammenfassend in einem Buch vorzustellen, ist einer intensiven Diskussion mit Kollegen und Freunden geschuldet, die in weiten Teilen eine andere Rechtsauffassung und Lebensphilosophie vertreten. Es handelt sich hierbei um Grenzbereiche, in denen nahezu jede Position vertretbar erscheint und deshalb möchte ich sie durch ihr Lesestudium einladen, an meinem individuellen Wertediskurs teilzuhaben und ihn kritisch zu reflektieren. 2 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Hingegen ist nicht beabsichtigt, Sie von meiner Position zu „überzeugen“: allein Sie tragen für sich selber die hohe Verantwortung bei einer entsprechenden Wahrnehmung Ihres Selbstbestimmungsrechts. Die persönliche Last hierbei wird Ihnen nicht von den Mediziner, Juristen und etwa der Theologen abgenommen. Ihr Lutz Barth Bremerhaven, Dezember 2007 _____________________________________________________ Hinweis: Alle in diesem Buch veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Das gilt insoweit auch für die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze, denn diese sind geschützt, soweit sie vom Einsender oder von der Schriftleitung erarbeitet oder redigiert worden sind. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken und ähnlichen Einrichtungen. Kein Teil dieses Buches darf außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ohne schriftliche Genehmigung des IQB in irgendeiner Form reproduziert oder in einen von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen verwendbare Sprache, übertragen werden. Da dieses Buch in der Online-Version erhältlich ist, darf der Herausgeber auf den Haftungsausschluss in der Anlage hinweisen. >>> zum Haftungsausschluss >>> IQB - Lutz Barth, im Dezember 2007 3 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Inhaltsverzeichnis (mit Hyperlinfunktion) Die „Würde des Menschen“ – eine „kleine Münze“ im Streit um die Leitprofession bei der Betreuung schwerstkranker Patienten? ................. 6 „Bloß nicht zur Last fallen“ - Leben und Sterben in Würde aus der Sicht alter Menschen in Pflegeheimen ............................................................. 11 Die Enthaltsamkeit des Gesetzgebers als Ursache für den mangelnden Grundrechtsschutz in der Arzt-Patienten-Beziehung mit Blick auf die Patientenverfügung!................................................................................. 25 Frontalangriff auf Vertreter der Ärzteschaft, Kirchen, Parteien und Regierungen! ........................................................................................... 42 Sendboten einer neuen Sterbekultur und die Funktion des Strafrechts ? ................................................................................................................. 49 Der Arzt und die Pflegenden - ihr subjektives Recht zum ethischen Ungehorsam versus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten !?.... 53 Sterbehilfe und Paternalismus Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten.................................................................................................. 79 Das „Recht des Komapatienten auf den eigenen Tod“ versus der Gewissensentscheidung der Ärzte und Pflegemitarbeiter ?.................... 89 Das „Sterbenlassen“ einer Wachkoma-Patientin - Gebührt nicht auch der katholischen Einrichtung Respekt und Toleranz vor der Gewissensentscheidung?!.....................................................................117 Gibt es gute Gründe gegen Assistenz beim Suizid und aktive Sterbehilfe? ...............................................................................................................126 Selbstbestimmtes Sterben in Würde – eine Utopie? Die ärztliche Standesethik als Grundrechtsschranke?...............................................131 Ethischer (ärztlicher) Paternalismus vs. Autonomie des Patienten Patientenverfügungen: Kein „Sterben in Würde“?.................................143 4 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Die „Leitkultur“ (der CDU) als Grundrechtsschranke?...........................146 Freiburger Appell der Herren Th. Klie und Chr. Student – Cave Patientenverfügung................................................................................149 Kardinal Lehmann zur Sterbehilfe: Dem Leiden nicht ausweichen .......151 Cave Patientenverfügung - Grenzen der palliativmedizinischen Ethik!.153 Der ärztlich assistierte Suizid – eine ethisch vertretbare Option? .........161 Unseliger Papst –Tod? Die künstliche Ernährung und die katholische Glaubenslehre .......................................................................................163 Nochmals: Patientenverfügung und Sterbewille - Grenzen eines drohenden (palliativ)medizinethischen Paternalismus – oder: in dubio pro libertate! .................................................................................................178 Beistand für Sterbende – ist § 16 MBO-Ä noch zeit- und verfassungsgemäss?.............................................................................205 Sterbehilfe und der ethische Verkündungsauftrag der Bundesärztekammer – der unmündige Arzt? ........................................211 Beiträge zur Sterbehilfedebatte im Deutschen Ärzteblatt -Fortführung der Dokumentation ab 01.01.2005 ..............................................................213 5 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Die „Würde des Menschen“ – eine „kleine Münze“ im Streit um die Leitprofession bei der Betreuung schwerstkranker Patienten? Es scheint, dass sich unsere Gesellschaft nicht nur in einem tiefgreifenden Wandel befindet, in der das Recht auf Gesundheit zur Disposition gestellt wird, sondern dass vielmehr der Weg für eine anthropologische (Neu)Orientierung geebnet und mit aller Konsequenz beschritten wird. Im Zeitalter des „medizinisch Machbaren“ wird nicht selten die „Würde des Menschen“ und das „Menschenbild“ schlechthin als Argumentationsfigur konträrer Positionen bemüht und es drängt sich der Eindruck auf, dass die Berufung auf die „Würde“ gelegentlich durch eine argumentative Hilflosigkeit nicht nur überschattet1, sondern zur diffusen Metapher denaturiert wird. Die Pflege scheint hiervon nicht ausgenommen und das Argument von der Würde des Alterspatienten/Bewohners entwickelt sich zu einer anthropologisch und normativ scheinbar verbindlichen Superanspruchsgrundlage im Kontext sozialer Beziehungen, die in einem konkreten Rollenkonflikt keiner Rechtfertigung mehr bedarf und dem sich das unterfassungsrechtliche Recht auch in Gestalt privatrechtlicher Beziehungen „unterzuordnen“ hat. © 2007 1 M. Kettner, Menschenwürde als Begriff und Metapher, Diskussionspapier, 1-94 Hamburger Institut für Sozialforschung, 1994, S. 5 (zit. als Kettner, Menschenwürde als Begriff..., S. ) 6 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Das dem so ist, dokumentiert eine Vielzahl von Heimverträgen und die jeweiligen Prospekte für die „klientenwirksame“ Außenpräsentation von Alteneinrichtungen, in denen nicht selten das pflegerische Leitbild mit Blick auf die Wahrung der Würde der Bewohner pathetisch als eine Art Magna Charta vorangestellt wird. Problematisch freilich ist, dass derzeit die Protagonisten des „Würdearguments“ in Anbetracht der vielfach als „defizitär“ beschriebenen Situation in der Altenpflege zunehmend in Argumentationsnöte geraten. In der Diskussion wird zumeist unreflektiert auf den Begriff der Würde rekurriert und es hat der Kampf innerhalb der verschiedenen Professionen um den Status einer sog. Leitprofession begonnen. Dieser wird zumeist mit unversöhnlicher Härte geführt, zumal wenn es um den Grenzbereich am Ende des menschlichen Lebens und damit um die Bestimmung der Lebensqualität geht. Das Verfassungsrecht spielt hierbei eine scheinbar untergeordnete Rolle. Es wird vermehrt in der pflegekundlichen Literatur gefordert, den Experten nicht die Diskussion zu überlassen, sondern die unterschiedlichsten Konzepte von der Würde des Menschen ringen um Beachtung, ohne dass es offensichtlich einer Rückbindung an die Staatsfundamentalnorm des Art. 1 Abs. 1 GG bedarf. Es scheint, als dass bereits der Hinweis auf die Würde des Menschen eine weitere inhaltliche Diskussion entbehrlich macht (besser machen soll), da letztlich kein ernsthafter Zweifel an der Unantastbarkeit eben dieser Würde des Menschen besteht, geschweige denn begründet werden könne. © 2007 Paradigmatisch hierfür steht der Diskurs um den Grund und die Grenze der Sterbehilfe und damit der Würde des Bewohners und des Patienten. 7 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Die wünschenswerten Professionalisierungstendenzen der Pflegeberufe münden u.a. in der Diskussion um die Betreuung hochbetagter und schwererkrankter Patienten in einen Streit um den Status einer Leitprofession. Die jeweiligen Konzepte von der Würde des Bewohners werden nicht selten phantasievoll auf der Klaviatur alltagsphilosophischer Betrachtungsweisen gespielt und es wird nicht davor gescheut, vor den „Kolonialisierungstendenzen“ der Medizin im Allgemeinen und der Palliativmedizin im Besonderen zu warnen. Die Pflege ringt um Professionalisierung und verstrickt sich dabei in einen „Kulturkampf“ um das bessere Konzept von der Würde des Patienten, um so jedenfalls in der Betreuung des sterbenden Patienten als Leitprofession anerkannt zu werden. Freilich ist zu konzedieren, dass nicht nur den Experten die Rolle zukommt, über den Begriff der Würde zu räsonieren, so dass ein jeder hierzu seinen Beitrag leisten kann. Zu fragen bleibt aber allemal, warum eine durchaus historisch bedeutsame Wertediskussion zugleich als Terrain für Professionalisierungsbemühungen genutzt wird, die offensichtlich darauf abzielen, sich dem ärztlichen Primat zu entziehen? Diese Frage soll hier nicht weiter erörtert werden, wenngleich es darauf hinzuweisen gilt, dass jedenfalls in dem Diskurs um die Würde des Menschen eine sehr hohe Hürde in Gestalt des Verfassungsrechtes zu beachten ist. Hieran wird sich auch nichts ändern, wenn die Forderung erhoben wird, die Diskussion nicht nur den Experten zu überlassen. © 2007 In diesem Sinne dürfte es in der weiteren Diskussion keinen Sinn machen, dass jeweilige Würdekonzept nicht an den Normen unserer Verfassung messen zu wollen. Die Verfassungsinterpretation ist aus guten Gründen nicht mit der Philosophie, Anthropologie, Theologie und Pflegewissenschaften gleichzusetzen. Sofern also das hohe Gut der Würde des Menschen in dem Diskurs eingeführt wird, werden sich die differenten Konzepte an 8 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? unserer Verfassung zwangsläufig orientieren müssen, um nicht von vornherein ad absurdum geführt zu werden. Anlass zu dieser Überlegung besteht insbesondere deshalb, weil selbst die Experten in Sachen Recht, namentlich die Richter, nicht immer vor einer „sinnverflachenden Inhaltsentleerung“ gefeit sind2. Die Gefahr für das hohe Gut „Würde“ liegt demzufolge in der Trivialisierung, wenn und soweit nicht über die philosophischen Offenbarungsquellen hinaus auch ein Blick in das Verfassungsrecht geworfen wird, ob überhaupt die Würde tangiert ist. Deutlich wird dies u.a. daran, dass gerade bei dem Streit um die Leitprofession bei der Behandlung und Betreuung schwerstkranker und multimorbider Alterspatienten die ganz normale Arzt-Patienten-Beziehung vernachlässigt wird, wonach in erster Linie der Patient in eine ärztliche Heilbehandlung einzuwilligen hat. Er – der Alterspatient also – entscheidet demzufolge darüber, ob er sich einer kurativen und/oder palliativmedizinischen Behandlung unterziehen möchte oder nicht (!). Insofern ist hier in erster Linie nicht die „Würde des Menschen als Patient“ betroffen, sondern sein Selbstbestimmungsrecht vor dem Hintergrund seiner geschützten physischen und psychischen Integrität (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Es reicht eben nicht aus, dass eine Behandlung in bester Absicht oder unter Berufung auf das vermeintlich „objektive Wohl“ des Patienten3 vorgenommen wird, wenn und soweit der betroffene Patient hierzu seine Einwilligung verweigert! © 2007 2 Vgl. statt vieler Dreier, Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl. (2004), Bd. I – Art. 1 I Rdnr. 48 mit weiteren Nachweisen aus der Literatur und Rechtsprechung 3 So zu Recht Geddert-Steinmacher, Menschenwürde als Verfassungsbegriff, S. 46 9 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Der verfassungsnormativ besetzte Begriff von der „Würde des Menschen“ wird schlicht und ergreifend überfordert, wenn dieser Verfassungsbegriff „zum zentralen Maßstab der Konflikteinscheidung im Grenzbereich zwischen Leben und Tod“4 gemacht wird, ungeachtet dessen, dass eine isolierte Betrachtung aufgrund der nachfolgenden Grundrechtsnormen ausgeschlossen erscheint. Die Diskussion um eine Leitprofession wird nicht auf der Ebene des Art. 1 Abs. 1 GG entschieden, sondern nach dem Recht auf die körperliche Unversehrtheit des Alterspatienten. Hierzu hat der Gesetzgeber und ihm folgend die Rechtsprechung allerdings ein deutliches und bis dato gültiges Votum abgegeben: Mit Blick auf eine kurative oder palliative Behandlung des Alterspatienten besteht ein ärztlicher Vorbehalt, sofern mit der Behandlung ein ärztlicher Heileingriff vorgenommen wird. Dieser ärztliche Vorbehalt schließt freilich eine Einbindung anderer Professionen nicht aus, wie im Übrigen auch einhellig von den Palliativmediziner nicht nur gewünscht, sondern auch gefordert wird und aus der Sicht der Patienten zwingend erforderlich ist. Hierbei erfährt die Palliativmedizin eine beachtliche Rückendeckung durch die Bundesärztekammer, nicht zuletzt durch ihren Präsidenten J.D. Hoppe, der konsequent eine angemessene Schmerztherapie und die menschliche Zuwendung für die von Leiden, Krankheit und Behinderung Betroffenen fordert. Dies ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe allen ersten Ranges und erfordert eine flächendeckende palliativmedizinische Versorgungsstruktur durch den Auf- und Ausbau von Palliativstationen, stationären und ambulanten Hospiz- und Palliativstationen5. © 2007 4 Höfling, in JuS 2000, S. 111 ff. (114) Vgl. dazu G. Klinkhammer, Sterbehilfe – Zuwendung erfahren – Der Präsident der Bundesärztekammer lehnt aktive Euthanasie kategorisch ab, in Deutsches Ärzteblatt / Jg. 103 / Heft 22 / 02.06.06 – A 1526 5 10 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? „Bloß nicht zur Last fallen“ - Leben und Sterben in Würde aus der Sicht alter Menschen in Pflegeheimen Dissertation v. Sabine Pleschberger, vorgelegt im Dezember 2004 Kurzkommentierung( L. Barth) Ausgehend von der Menschenwürdegarantie, die in unserem Grundgesetz in Art. 1 Abs. 1 verankert ist, geht die Autorin zunächst davon aus, dass diese trotz ihrer Unantastbarkeit gleichwohl verletzt werden kann. Die Gefahr einer Verletzung dieser Würde des Menschen nimmt insbesondere dann zu, wenn Menschen von der Hilfe Dritter abhängig sind. Als Beispiele benennt die Autorin hierfür das Alter, die Krankheit oder das Sterben. „Die Vulnerabilität der Würde von Menschen in solchen Lebenslagen liegt nicht zuletzt darin begründet, dass sie meist mit Institutionen konfrontiert sind, bzw. dort leben.“ (S. 1) In ihrer Dissertation widmet sich S. Pleschberger primär der nach ihrer Auffassung in der wissenschaftlichen Debatte vernachlässigten Perspektive des Lebens und Sterbens in Würde eben aus der Sicht der unmittelbar Betroffenen, wobei hier insbesondere auch die (organisatorischen und personellen) Bedingungen problematisiert werden. © 2007 Es werden u.a. verschiedene Konzepte von der Würde vorgestellt und in Teilen diskutiert. Interessant ist vor allem das fünfte Kapitel in der Dissertation, das die Darstellung der Ergebnisse aus den Interviews mit den Bewohnern zum Thema Sterben in Würde beinhaltet. Unmittelbar hieran schließt sich ein Kapitel an, das sich mit den Sichtweisen 11 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? der Professionellen zur Gesamtthematik auseinandersetzt, um dann im siebten Kapitel die Ergebnisse der verschiedenen Sichtweisen diskutieren zu können. Das achte und letzte Kapitel in der Dissertation enthält einen Ausblick auf die Versorgung alter und sterbender Menschen und orientiert sich hierbei an der Würde als Leitkategorie. Die in diesem letzten Kapitel formulierten Thesen basieren auf der Annahme der Autorin, dass in der wissenschaftlichen Literatur zur Versorgung älterer und sterbender Menschen die Würde allgemeinhin eine Randerscheinung sei. Sie führt dies in einer (m.E. nach nicht hinterfragten) Arbeitshypothese u.a. darauf zurück, dass der Begriff der Würde vielmehr ideologisch besetzt wird, „was den Verdacht nährt, mit dem Vehikel Würde latent religiöse Normativität zu transportieren“ (S. 177). Andere Konzepte wie Autonomie und Qualität haben Fuß gefasst und sie stellt eine weitere These in diesem Zusammenhang stehend damit auf, dass diese Konzepte nicht nur ein anderer Ausdruck für Würde seien, sondern dass damit „eine Verschiebung in den Wertvorstellungen, worauf die Versorgung ausgerichtet werden soll, einhergeht“ (S. 177). Diese These versucht die Autorin in den nachfolgenden Abschnitten argumentativ zu belegen, in dem sie u.a. den Fragen einer © 2007 ► problematischen Engführung der Versorgungsdebatte auf die Qualität ( S. 177 – 179), ► dem enormen Potenzial des Würdekonzepts (S. 179 –180) und ► den Chancen und Risiken der Hospizarbeit und Palliativmedizin (S. 180 – 182) 12 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? nachgeht. In Anbetracht der weitreichenden Thesen der Autorin wäre hier m.E. nach eine stringentere und vor allem intensivere Argumentation in der Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Literatur angebracht und erforderlich gewesen. Dies gilt einerseits für den Blick auf die Würde als Leitkategorie, die auch „eine Perspektive auf die körperlich-leibliche Dimension von Menschen, die in der Auseinandersetzung um Versorgungsfragen häufig ausgeblendet werden“, eröffne (S. 179). Hier folgt etwas unvermittelt der Hinweis auf den leiborientierten Würdebegriff von Pelkner, „verstanden als Schutz der Integrität und Grenzen des weiblichen Körpers“, den dieser im Zusammenhang der Fortpflanzungstechnologie verwendet. Dieser Hinweis ist durchaus wichtig, aber die nähere Frage, ob gleichsam die körperlich-leibliche Dimension Eingang in ein konsensfähiges Konzept von der Würde finden muss, bleibt eine erörterungsbedürftige These, zumal die körperlichen (leiblichen) Integritätsinteressen – so wie im übrigen das Lebensrecht - im Verfassungsrecht von der Würde des Menschen aus plausiblen Gründen entkoppelt worden ist, ungeachtet der Tatsache, dass neben der garantierten Würde insbesondere Art. 2 des Grundgesetzes seine besondere Bedeutung für den Schutz des Körpers und seiner Integrität im weitesten Sinne entfaltet. Eine andere Wertung scheint auch nicht deshalb anbefohlen zu sein, weil gerade in den Pflegeeinrichtungen überwiegend weibliche Bewohner umfassend betreut und gepflegt werden (so der Hinweis von Pleschberger, S. 179). Es bedarf keiner besonderen Betonung, dass u.a. der spezifisch weibliche Integritätsschutz zu gewährleisten ist, wenngleich hier auf Art. 3 GG Gleichheitsgrundsatz verwiesen werden kann, der eine primär feministische Grundrechtsinterpretation (ohne dies hier der Autorin unterstellen zu wollen) und damit ein spezifisch weiblich leiborientiertes Würdekonzept ausschließen dürfte. Ob es den Rückgriff auf den hoch abstrakten Begriff der Würde bedarf, um gewichtige Argumente für eine humane an den © 2007 13 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Menschen orientierte Versorgungsgestaltung liefern zu können, „während die Rede von der Qualität um einiges „zahnloser“ sei (S. 180), soll hier nicht problematisiert werden. Sicherlich wird man in der Diskussion dem Aspekt der Würde als leiblich gebundenes Konzept das Potenzial eines solches Konzeptes nicht absprechen können – die These aber, dass dieses Konzept sein Potential „erst dann ganz entfalten“ kann, „wenn eine Diskussion nicht auf juristische Ebene reduziert oder ExpertInnen überlassen wird“ (S. 180), ist nicht recht nachvollziehbar, zumal wenn die unmittelbaren Ausführungen der Autorin an diese Aussage weiter gelesen werden: „Dieser (würdegeleitete) Wertediskurs muss sowohl innerhalb der Heime als auch außerhalb geführt werden (Reitinger et. al. 2004, 27). Menschen in Pflegeheimen haben ein Recht darauf, dass ihnen keine Gewalt angetan wird, sie haben ein Recht darauf, dass ihre Privatsphäre geschützt wird, sie haben ein Recht darauf, am sozialen Geschehen Anteil nehmen zu können und vieles mehr. Eine Verletzung dieser Rechte ist demokratiepolitisch fragwürdig und menschenrechtlich anzuklagen“ (S. 180) Zuzugeben und selbstverständlich ist, dass innerhalb einer allgemeinen Wertediskussion den Juristen oder Experten keine Exklusivrecht vorbehalten ist, ihre konzeptionellen und ideellen Vorstellungen von der Würde zu äußern. Gleichwohl muss der Gesetzgeber oder in Ersetzung dessen die Judikative Wertvorstellungen von dem Begriff der Würde entwickeln, so dass sich hieraus einklagbare Rechte des Bewohners ergeben können. Dass hier allerdings der Gesetzgeber gehalten wäre, bereichsspezifische Würdekonzeptionen – die wohl eher als Bereichsethiken zu definieren wären – in das (Verfassungs-)Recht zu transportieren, erscheint jedenfalls im Bereich des Art. 1 Abs. 1 GG eher unwahrscheinlich. Es entspricht vielmehr der herrschende Lehre, dass Verfassungsinterpretation nicht mit der Philosophie oder einer spezifischen Bereichs(Pflege)Ethik gleichzusetzen ist, wenngleich diese gesicherte Erkenntnis keinen Anlass zur Resignation geben © 2007 14 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? sollte, für sein wertgebundenes Konzept einer speziell auf den Alterspatienten zentriertes Würdeverständnis zu werben und zu argumentieren. Nicht weniger unproblematisch ist m.E. nach der Exkurs der Autorin in die Palliativmedizin, die nach ihrem Verständnis „weitgehend in der professionellen Tradition verhaftet ist“ (S. 181). Folgende pars pro toto soll hier zunächst zitiert werden: „So kann auch der Palliativmedizin ein gewisses Dominanzverhalten gegenüber den anderen Akteuren in diesem Feld nicht abgesprochen werden. Die Etablierung einer Fachdisziplin ist in vollem Gange, mit der Einrichtung von Lehrstühlen für Palliativmedizin wurde der ärztlichen Qualifizierung, noch stärker jedoch der schulmedizinischen Forschung Vorschub geleistet. Das Spektrum an möglichen medizinischen Interventionen palliativer Art ist mittlerweile enorm, es reicht von der Strahlen- und Chemotherapie bis hin zur „terminalen Sedierung". Heller und Heller deuten diese rasante Entwicklung der Palliativmedizin „auch als Versuch der Ärzte (...), das Monopol über das Sterben ‚rückzuerobern'" (2003, 9). Dass die AutorInnen hier sprachlich auf das Bild eines kriegerischen Feldzuges verweisen, scheint nicht zufällig. Im Kontext von Palliativmedizin „kämpfen" ÄrztInnen zwar nicht mehr um jeden Preis um Heilung und Lebenserhalt, doch scheinen sie weiterhin in einen Kampf verstrickt - gegen das Leiden. Denn auch das Sterben soll möglichst leidfrei „erlebt" werden. Und die Grenzen zwischen „Leiden lindern" und „Leiden verhindern" verschwimmen dabei leicht. Für die „PatientInnen" heißt das, dass man zwar anders als früher, nicht mehr kurativ bis zum Ende behandelt wird sondern palliativ (behandelt). Das mag zu einer Verbesserung der „Lebensqualität" beitragen. Eine Emanzipation aus der Rolle als „Behandlungsfall", eine Abkehr von latent aggressivem Kampfverhalten, finden auch im palliativen Setting nicht statt. Aus PatientInnen werden nicht sterbende Menschen, sie bleiben PatientInnen. So haben sich zwar die Ziele verändert, die © 2007 15 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Maßnahmen aber sind weitgehend dieselben geblieben. Dass die einzig wahre Antwort auf „totalen Schmerz" die totale Schmerzbekämpfung ist, darf bezweifelt werden. Das Problem sind professionelle Scheuklappen und die Ausblendung anderer Formen des Umgangs mit Leiden. Somit bildet auch die Palliativmedizin keinen Widerspruch zum traditionellen ärztlichen Selbstverständnis, wie es Ivan Illich (1981) in „Die Nemesis der Medizin" beschrieben hat. Eine Vielzahl anderer aktueller Debatten unterstreicht den Beitrag der Medizin zur leidensfreien Gesellschaft, von der Präimplantationsdiagnostik bis hin zu Wunschkaiserschnitten, die den Frauen die Leiden der Geburt ersparen sollen.“ (S. 181, 182). ... „Die Hospizarbeit enthält wohl das überzeugendere Potenzial für einen guten Umgang mit dem Leiden und Sterben, und letztlich auch für die Entwicklung eines anderen Verständnisses ärztlicher Behandlung von sterbenden Menschen. Sie sollte angesichts der bestehenden Strömungen wachsam sein, um Kolonialisierungsbestrebungen - insbesondere von Seiten der Medizin - entgegenzuwirken. Dies gelingt wohl am Besten, indem die Hospizbewegung ihr Profil als Bürgerund Menschenrechtbewegung schärft.“ (S. 182) Zwar steht zu vermuten an, dass diese vorstehenden Ausführungen der Kapitelunterschrift Ausblick geschuldet sind, wenngleich dieser „Kampfaufruf“ geradezu einen Widerspruch herausfordert, zumal in den knapp gehaltenen Ausführungen der Autorin Emanzipationsbestrebungen offenbar werden, die eine professionelle Herangehensweise vermissen lassen und m.E. einen nicht nachvollziehbaren Frontalangriff auf die Palliativmedizin darstellen. © 2007 Bei der Begleitung Sterbender geht es beileibe nicht um „Kolonialisierungsbestrebungen“ der Ärzteschaft, der „Rückeroberung“ eines verloren geglaubten „Monopols“ durch die 16 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Mediziner und schon gar nicht um den Anspruch einer „totalen Schmerzbekämpfung“. Mag auch Pleschberger unter Bezug auf Lenzen (der wiederum an Sokrates) erinnern und gleichsam feststellen, dass „es kein Leben (gibt), das leidfrei“ ist, folgt hieraus nicht zugleich, dass wir die interpretierten Konsequenzen aus dem Gleichnis von Sokrates zu ziehen haben. „Das Gleichnis lehrt, dass nur die Erfahrung des Leides es uns erlaubt, die Freude des Lebens in anderen Augenblicken als Abwesenheit von Leid zu erleben. Auf eine Kurzformel gebracht heißt das, nur wer gefesselt war, weiß, was Freiheit ist. Dabei geht es nicht nur um das Leiden, es geht auch darum, Grenzen wahrzunehmen und anzunehmen.“ (S. 182). Mit Verlaub – hier offenbart sich unverblümt ein paternalistisches Verständnis von einem individuellen Umgang mit einem möglichen Schmerz, dass seine besondere Würze durch den Hinweis auf den offensichtlich beklagten Kaiserschnitt nach Wunsch (S. 182) erhält. Dies erinnert u.a. daran, dass frau „unter Schmerzen gebären soll“ und demzufolge der Schmerz als Vorbote des wahren Glücks (hier der Freiheit) zu werten ist, mal ganz davon abgesehen, dass aus der Sicht der Patienten der „Schmerz“ eine ungeheure Belastung sein kann und es zuvörderst dem legitimen Wunsche etwa der Tumorpatienten entspricht, dass sich bei einer infausten Prognose nach der kurativen eine palliative Behandlung und Betreuung (!) anschließt, die das Leid des übermächtigen Schmerzens – wenn nicht beseitigt – so doch zumindest erleichtert. Der Patient ist nicht (!) gehalten, am Ende seines verlöschenden Lebens das hohe Gut der Freiheit (nochmals) zu kosten, in dem er seine Grenzen wahrund annimmt, in dem er unter Schmerzen leidet. Das hier der Palliativmedizin eine eminent wichtige Rolle zukommt, ist evident und bedarf per se keine weiteren Erläuterung. © 2007 Hier konnte Pleschberger offensichtlich nicht dem Versuch widerstehen, einen Rundumschlag mit Verweis auf die „professionellen 17 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Scheuklappen“ (S. 182) der Palliativmediziner aufgrund allgemeiner pflegerischer Professionalisierungstendenzen und – bemühungen vorzunehmen, denen sie sich erkennbar verpflichtet fühlt. Ein näherer Blick in die palliativmedizinische Literatur hätte dann auch gezeigt, dass gerade die Palliativmedizin sich als interprofessionelle Disziplin erweist, da gerade der kurativen Medizin Grenzen gesetzt sind und sich bei infausten Symptomenkomplexen das Therapieziel nachhaltig ändert. Selbstverständlich ist hierbei, dass auch die Palliativmediziner in Anlehnung an das Selbstbestimmungsrecht nach gehöriger Aufklärung und ggf. notwendigen Einwilligung des Patienten von einer weiteren medikamentösen Schmerztherapie Abstand nehmen müssen, wenn dies dem Willen des Patienten entspricht. Der Wille des Sokrates oder der Interpreten des Gleichnisses ist hingegen für den Patienten völlig unbeachtlich, wenn und soweit er selbstbestimmt den Wunsch nach einer möglichst wirksamen Schmerztherapie äußert. Sofern Pleschberger das hohe Gut der Freiheit (auch) über das Leiden zu erschließen gedenkt, bleibt ihr ein solches Verständnis freilich unbenommen, wenngleich sie sich der Gefahr aussetzt, mit ihrer Lesart den Begriff der Würde ebenfalls ideologisch zu besetzen. Ein Umstand, den sie mit Blick auf die Religion meint, kritisieren zu müssen. Weder der Religion noch der berufsständischen Pflegeethik kommt allerdings die Befugnis zu, allein die Definitionsherrschaft über den ideologiefreien Begriff von der Würde des Menschen für sich reklamieren zu können. Es bleibt ihnen - wie im Übrigen anderen gesellschaftlichen oder philosophischen Gruppierungen und Interessenvertretungen auch – unbenommen, auf dem offenen Marktplatz der Meinungen zur Würde des Menschen ihre Auffassungen darzulegen und zu begründen. In erster Linie bleiben aber die Diskursteilnehmer aufgefordert, sich in Toleranz zu üben und zwar sowohl in der wissenschaftlichen Diskussion als auch gegenüber dem hochbetagten Bürger. © 2007 18 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Der Soziologe Feldmann dürfte mit seiner These von der „Instrumentalisierung des Todes“6 durch die verschiedensten Gruppen und Interessen treffend das Dilemma in der Sterbehilfedebatte charakterisiert haben und mir scheint gerade die Sterbehilfediskussion der denkbar schlechteste Ort für die emanzipatorischen Professionalisierungsbemühungen der Pflege zu sein, um sich dauerhaft dem ärztlichen Primat entziehen zu können. Die Palliativmedizin erhebt gerade nicht (!) den Anspruch, ein Monopol bei der Betreuung und Begleitung schwerstkranker und sterbender Patienten und ihrer Familie begründen zu wollen. Eher das Gegenteil ist der Fall und dies kommt letztlich auch in der Definition der Ziele der Palliativmedizin der WHO deutlich zum Ausdruck: Palliative care ist danach „ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen, und zwar durch Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen, untadeliger Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art“. In diesem Sinne ist die Palliativmedizin in ihrem Wesen nach ein interdisziplinäres und multiprofessionelles Arbeitsfeld, in dem u.a. folgende (Berufs)Gruppen beteiligt sind: Ärzte Angehörige Atemtherapeuten Diätisten Ergotherapeuten Hospizmitarbeiter © 2007 Logopäden Musiktherapeuten Pflegekräfte Psychologen Selbsthilfegruppen Schlucktherapeuten 6 Klaus Feldmann, Aktive Sterbehilfe: soziologische Analysen, Institut für Soziologie und Sozialpsychologie, Universität Hannover, 2005, S. 7 19 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Krankengymnasten Kunsttherapeuten Seelsorger Sozialarbeiter Quelle: Borasio/Bausewein/Beyer/Fittgau-Tönnesmann – Das IZP stellt sich vor – Palliativmedizin – Aufgabe aller Ärzte7 Hierbei steht ebenfalls außer Frage, dass für eine erfolgreiche Begleitung der Patienten und ihrer Familien die enge Kooperation mit externen Institutionen wie Pflegediensten, ambulanten und stationären Hospizdiensten von zentraler Bedeutung ist, so dass es in der Diskussion durchaus entbehrlich ist, von vornherein der einen oder anderen Profession eine dominierende Rolle einräumen zu wollen. Es geht nicht (!) um die Frage, ob die „Hospizarbeit ... wohl das überzeugendere Potenzial für einen guten Umgang mit dem Leiden und Sterben, und letztlich auch für die Entwicklung eines anderen Verständnisses ärztlicher Behandlung von sterbenden Menschen (enthält)“8, sondern um eine zwingend gebotene Kooperation, die nicht durch ideologieträchtige Würdekonzepte gegeneinander ausgespielt wird. Bezeichnenderweise finden wir denn auch in der Fußnote 128 den Hinweis darauf, dass gute Hospizarbeit ärztliche Mitarbeit mit einschließt, nicht jedoch in der Rolle als Leitprofession9. Wer aber soll diese Rolle wahrnehmen? Die Antwort erscheint nicht ganz einfach, wenn wir uns nochmals die beteiligten Berufsgruppen vergegenwärtigen, die in einem multiprofessionellen und daher zugleich auch interdisziplinären Team zusammenarbeiten. © 2007 7 in klinikarzt 2006; 35(1): S. 37 ff. (38) So Pleschberger, S. 182 9 Pleschberger mit Hinweis auf Student (1999, S. 25), S. 182 in Fn. 128 8 20 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Nehmen wir die Würde nicht nur als „kleine Münze“ ideologischer Sichtweisen wahr, so ist und bleibt es allein der Patient, der die „Regie“ in seinem höchst persönlichen Sterbeprozess führt. Er allein besitzt das „Monopol“10 über die Modalitäten seines vergehenden Lebens und konkurriert allenfalls mit dem nachvollziehbaren Anspruch der Medizin, nicht um jeden Preis das verlöschende Leben zu erhalten. Aber genau an diesem neuralgischen Punkt des Lebens, gleichsam an der Schwelle des Todes, gesteht sich die Medizin ein, ihren wohlverstandenen ärztlichen Auftrag nicht mehr schulmedizinisch erfüllen zu können und es ändert sich das therapeutische Ziel. Es findet ein Wechsel von der kurativen zur palliativen Medizin statt und auch letztere orientiert sich freilich am Willen des Patienten, so dass der Patient durchaus die Möglichkeit hat, Präferenzentscheidungen für seinen bevorstehenden und zu durchlebenden Tod zu fällen. Sofern er sich dafür ausspricht, dass der ihn bis zur Ohnmacht quälende Schmerz aufhören möge, hat er eine Präferenzentscheidung im Sinne einer wünschenswerten und möglichst wirkungsvollen Schmerztherapie getroffen. Aus der selbstbestimmten Entscheidung des Patienten folgt dann zugleich auch eine Präferenzentscheidung, mit der in der Folge in erster Linie die ärztliche Profession mit den Möglichkeiten einer analgetischen Schmerztherapie gefordert ist. Der Sterbeprozess ist ein höchst individueller und sollte m.E. nicht durch mehr oder minder begründete Theorien der Thanatologie oder eines Freiheitsverständnis vor dem Hintergrund eines bereichspezifischen Würdekonzeptes und damit einer Partikularethik gelenkt werden. Der Preis hierfür wäre sehr hoch: der Tod des Einzelnen wird instrumentalisiert und der Patient © 2007 10 Dies gilt gerade auch in Kenntnis dessen, dass (auch) die Kirche nicht mehr das Monopol in Sachen Weltanschauung für sich reklamieren kann, vgl. dazu instruktiv Fakultätsgutachten der Theologischen Fakultät der Ernst-Moritz-ArndtUniversität Greifswald für die Pommersche Evangelische Kirche – Der Mensch und sein Tod – Grundsätze der ärztlichen Sterbebegleitung, S. 34 21 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? erweist sich bei näherer Betrachtung als ein Objekt vermeintlich moderner Sterbekonzepte einzelner Professionen, die den Status einer Leitprofession einzunehmen gedenken. Besonders bedenklich wird es, wenn der Streit um den Status einer Leitprofession im Übrigen von demokratiepolitischen Argumenten11 begleitet wird. Nach Pleschberger soll die Hospizarbeit wachsam sein, um „Kolonialisierungsbestrebungen – insbesondere von Seiten der Medizin – entgegenzuwirken“12. Nach ihr könne das wohl am Besten gelingen, indem die Hospizbewegung ihr Profil als Bürgerund Menschenrechtsbewegung schärft. Ungeachtet dessen, dass es allen (!) gesellschaftlichen Gruppierungen unbenommen bleibt, für ihr Konzept von einem würdevollen Sterben und Tod zu werben, ist der Weg über die vermeintlich demokratische Legitimation einer Bewegung für den Würdeschutz des Einzelnen im Zweifel verhängnisvoll. Das Demokratieprinzip hängt untrennbar mit Mehrheiten zusammen und der Sinn der unantastbaren Würde des Menschen besteht u.a. gerade darin, in Ausübung des dem Bürger zustehenden Selbstbestimmungsrechtes nicht seinen individuellen Tod aufgrund (parlamentarischer) Mehrheiten gleichzuschalten. Der gut gemeinte und durchaus nachvollziehbare Hospizgedanke setzt sich der Gefahr einer Instrumentalisierung seines eigenen Gedankens aus, der unversehens in einen neuen Paternalismus münden kann. So wenig wie der Ärzteschaft das Recht anheim steht, paternalistisch sich über den Willen des Sterbenden © 2007 11 So offensichtlich Pleschberger, S. 180 mit Hinweis darauf, dass die Verletzung der Rechte der Menschen in Pflegeheimen demokratiepolitisch fragwürdig ist und menschenrechtlich anzuklagen sind. Hier verkennt die Autorin, dass die von ihr angemahnten Rechte (u.a. Schutz vor Gewalt, Schutz der Privatsphäre, Teilhabe am sozialen Geschehen) bereits in unserer Rechtsordnung umfänglichen Schutz genießen: nur – wo kein Kläger, ist auch kein Richter! 12 Pleschberger, S. 182 22 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? hinwegzusetzen, gilt dies freilich auch für die Hospizbewegung, den Religionen13 oder anderen Gruppierungen. Der Hinweis auf das Fesselgleichnis von Sokrates entbindet ebenso wenig wie der Verweis auf Francis Bacon die verschiedenen Berufsgruppen in dem multiprofessionellen Team von der zwingenden Notwenigkeit, sich an dem Willen des Patienten gerade in seiner letzten Lebensphase mit Blick auf die medizinischen oder palliativen Interventionsmöglichkeiten zu orientieren. „Es ist die Aufgabe des Arztes, Schmerzen zu lindern, und das nicht nur, wenn jene Linderung der Schmerzen als eines gefährlichen Zustandes zur Wiederherstellung der Gesundheit dient, sondern auch dann, wenn ganz und gar keine Hoffnung mehr vorhanden und doch aber durch Linderung der Qualen ein mehr sanfter Übergang aus diesem zu jenem Leben verschafft werden kann. Es ist fürwahr ein kleiner Teil der menschlichen Glückseligkeit, dass man nämlich ein sanftes Ende habe.“14 Es bleibt dem Patienten überlassen, welcher Profession er sich als eine Art Leitprofession anvertraut und das multiprofessionelle Team wird diese Entscheidung zu akzeptieren haben. Hiermit ist freilich nicht zum Ausdruck gebracht, dass ggf. die Ärzte und die Pflegenden ihre eigenen moralischen, ethischen und religiösen Prinzipien aufzugeben haben. Sofern diese die 13 © 2007 Ob der einer am Wohlergehen des Lebens orientierten Ethik der Fürsorge und der Solidarität mit den schwächsten und unheilbaren Mitmenschen der Vorrang vor einer nur an der empirisch vorhandenen Autonomie des Patienten ausgerichteten Ethik zu geben ist, soll hier nicht entschieden werden, so wohl Eibach, zit. im Fakultätsgutachten, aaO., S. 41. Vgl. auch zu den Grenzen eines uneingeschränkten Selbstverfügungsrechts aus katholischer Sicht Gerd Fasselt, Menschenwürde im Wertewandel – Überlegungen zur christlichen Orientierung in der gegenwärtigen Situation, S. 14, in Menschenwürde am Ende des Lebens, Hrsg. Klaus Hampel (2004) 14 Zitiert bei Thomm, Schmerzpatienten in der Pflege, 5. Aufl. 2004, S. 7 23 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? selbstbestimmte Entscheidung des Patienten aus nachvollziehbaren Gewissensgründen nicht mittragen können, wird diese Entscheidung zu akzeptieren sein. Denn die Selbstbestimmung des Patienten kann nicht zu einer Fremdbestimmung Dritter führen15. Mithin kommt dem Toleranzgebot eine entscheidende Bedeutung zu. © 2007 15 L. Barth, Der Arzt und die Pflegenden - ihr subjektives Recht zum ethischen Ungehorsam versus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten !? Einige Gedanken zum bevorstehenden Kulturkampf um die Würde des Menschen an seinem Lebensende (17.05.06), in IQB-Internetportal >>> zum Beitrag <<< pdf 24 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Die Enthaltsamkeit des Gesetzgebers als Ursache für den mangelnden Grundrechtsschutz in der Arzt-PatientenBeziehung mit Blick auf die Patientenverfügung! Welchen Beitrag wird der kommende 66. Deutsche Juristentag in Stuttgart im September 2006 hierzu leisten können? Es stellt sich zunehmend als ein Ärgernis dar, dass der zur Entscheidung berufene Gesetzgeber trotz der gebotenen Dringlichkeit keine Veranlassung sieht, sich mit aller Konsequenz den Fragen der Patientenautonomie am Ende des Lebens zu widmen. Die Politiker verkünden unablässig die Notwendigkeit spezieller Regelungen und es fragt sich, woran das Gesetzesvorhaben scheitert. Der von der Bundesjustizministerin vorgelegte (erste) Gesetzentwurf zur Patientenverfügung wurde zurückgenommen, weil ihrer Meinung nach der Meinungsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen sei. In der Deutschen Ärztezeitung16 konnten wir in dieser Woche lesen, dass u.a. der baden-württembergische Justizminister U. Goll eine klare gesetzliche Regelung zur Reichweite und Bindungswirkung von Patientenverfügungen fordert. Der Mitteilung kann entnommen werden, dass die Regierungskoalition „noch“ in dieser Legislaturperiode zu einer Regelung kommen will; die Bundesjustizministerin plant, bis Mitte 2007 einen Gesetzentwurf vorzulegen. © 2007 16 Deutsche Ärztezeitung >>> Goll: Patientenverfügungen müssen verbindlich sein <<< 25 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Nun haben wir als Bürgerinnen und Bürger durchaus Verständnis dafür, dass die Regierungskoalition zukunftsweisende Reformen auf den Weg bringen will, wenngleich dies nicht hinderlich sein sollte, ein seit Jahren höchst sensibles und kontrovers diskutiertes Thema endlich einer Klärung zuzuführen. Der Regelungsbedarf ist unverkennbar, nicht zuletzt auch deswegen, weil in der Sterbehilfediskussion nicht selten Positionen von Interessenverbänden vertreten werden, die über ein alltagstheoretisches Räsonnieren nicht hinaus kommen: es fehlt mancherorts die erforderliche Sensibilität für die höchst bedeutsamen Fragen am Ende Lebens und zwar insbesondere mit Blick auf die mit der Sterbehilfedebatte verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen. Hiervon scheinen gelegentlich manche Juristen nicht ausgenommen, zumal vereinzelt die These vertreten wird, als dass der zustände Strafsenat beim Bundesgerichtshof in seiner berühmten „Kemptener-Entscheidung die Sterbehilfe bzgl. der Wachkoma-Patienten bereits legalisiert habe. Dem ist mitnichten so, da eine solch weitgehende Kompetenz dem BGH nicht zukommt, mag er auch im Einzelfall aufgrund des Justizgewährleistungsanspruchs zur Entscheidung berufen gewesen sein. Gleiches gilt für den 12. Zivilsenat beim BGH, der über den Wachkoma-Patienten Peter K. zu entscheiden hatte. Es ist in Erinnerung zu rufen, dass ausnahmslos der Gesetzgeber aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes aufgerufen bleibt, endlich die drängenden Fragen am Ende des Lebens zu regeln. © 2007 An Aktivitäten hat es in den letzten Jahren jedenfalls auf Seiten der Rechtswissenschaft nicht gemangelt. Zu erinnern ist hier u.a an den 63. Deutschen Juristentag im Jahre 2000, wo J. Taupitz ein Rechtsgutachten mit der Fragestellung „Empfehlen sich zivilrechtliche Regelungen zur Absicherung der Patientenautonomie am Ende des Lebens?“ vorgelegt hat. Die Antwortung der konkreten Fragestellung dürfte nicht überraschend sein: ja! 26 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Zwischenzeitlich haben verschiedene Enquete-Kommissionen getagt, ihre Voten abgegeben und der Gesetzgeber dürfte sich eigentlich in einer recht komfortablen Position wähnen: er kann auf einen Fundus an Informationen zum Problemkreis zurückgreifen, um so seinen Aufgaben nachkommen zu können. Aktuell hat der Nationale Ethikrat unter dem 13.07.06 seine Stellungnahme zur „Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende“ vorgelegt und bereits im Vorfeld hat er sich zu den Fragen rund um die „Patientenautonomie“ positioniert. Für eine gewisse Kontinuität in den entscheidenden Rechtsfragen bürgt allein der Umstand, dass J. Taupitz neben seiner Gutachtertätigkeit für den seinerzeitigen 63. DJT auch als Mitglied im Nationalen Ethikrat mitwirkt. Und dennoch: der Gesetzgeber schweigt gegenwärtig beharrlich, mal von einzelnen Verlautbarungen einzelner Mandatsträger abgesehen, die eine baldige Regelung in Aussicht stellen. Offensichtlich hat der Gesetzgeber das Problem, die vielfältigen Expertisen, Stellungnahmen, Sondervoten etc. systematisch zu erfassen, auszuwerten und dann in einen tragfähigen Normtext einfließen zu lassen, wenn er denn überhaupt beabsichtigt, die mit der Patientenautonomie am Ende des Lebens verbundenen Rechtsfragen in einem Gesetz klären zu wollen. Skepsis ist allemal angebracht, signalisiert doch die Bundesministerin der Justiz, dass der Meinungsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen sei. Es drängt sich hier der Verdacht auf, dass die politisch Verantwortlichen nicht über die erforderliche Sachkunde verfügen. Dies mag für sich genommen noch kein besonderes Übel darstellen, da in aller Regel die politisch Verantwortlichen sich Expertenrat einholen (müssen), wie sich unschwer an der geradezu inflationären Einsetzung von Expertenkommissionen ablesen lässt. Auf keinen Fall hinnehmbar ist aber, dass die mangelnde Sachkunde des Parlaments auf © 2007 27 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Dauer zu einer Verneinung seiner Regelungspflicht führt17 und demzufolge der Staat den ihm gegenüber den Patienten, Ärzten und z.B. den Pflegenden obliegenden grundrechtlichen Schutzpflichten nicht nachkommt und ihnen so in unzulässiger Weise den Grundrechtsschutz vorenthält. Möglichweise sind aber die politisch Verantwortlichen derzeit ein wenig verwirrt über die Vielfalt der in dem Diskurs vertretenen Auffassungen. Vollends kompliziert scheint die Sachlage dann zu werden, wenn gleich zwei von der Regierung eingesetzte Kommissionen miteinander konkurrieren und zu allem Überfluss auch noch differente Auffassungen vertreten. Die Bundesjustizministerin wird sicherlich auch registrieren, dass jedenfalls die Profession der Ärzteschaft mittlerweile den Nutzen von Patientenverfügungen wieder in Frage stellt und allenfalls in Erwägung gezogen werden sollte, „Verfahrensbestimmungen“ zu erlassen. Dies mag ein willkommener Anlass sein, dass Gesetzesvorhaben über die Patientenverfügung einstweilen auf Eis zu legen. Erstaunlich ist nur, dass der parlamentarische Gesetzgeber mit einem ungeheuren und leidenschaftlich geführten Diskussionsaufwand über Monate (eigentlich Jahre) hinweg sich dem überaus gewichtigen Problem des Dosenpfands18 angenommen hat. Es scheint, als habe das Dosenpfand in unserer Gesellschaft einen höheren Stellenwert als der Grundrechtsschutz der Bürger. Aber immerhin: das Dosenpfand wurde rechtlich geregelt, ohne dass hierzu Heerscharen von Expertenkommissionen über die Jahre hinweg gebildet wurden. © 2007 17 So auch Hollenbach, Grundrechtsschutz im Arzt-Patienten-Verhältnis – Eine Untersuchung zur Umsetzung verfassungsrechtlicher Vorgaben im einfachen Recht, 2003, S. 133 18 Um der Klarstellung willen: Das Beispiel des Dosenpfands ist von Kutzer, ehemaliger Vorsitzender Richter beim BGH angeführt worden und erfährt hier nur eine kleine Pointierung. 28 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Nun ist es zwar demokratiepolitisch fragwürdig, wenn sich die politisch Verantwortlichen dauerhaft „vertreten“ lassen, aber die Bedenken wiegen umso weniger, als dass jedenfalls namhafte Experten sich dem Grundrechtsschutz dem Inhalte nach annehmen und so den politisch Verantwortlichen einen Handlungsrahmen eröffnen. Vielleicht will aber der Gesetzgeber noch den 66. Deutschen Juristentag in der Zeit v. 19. – 22. September 2006 in Stuttgart abwarten. Dort werden mehr als 3000 Teilnehmer erwartet und in der Abteilung Strafrecht wird das Thema „Patientenautonomie und Strafrecht bei der Sterbebegleitung“ behandelt. Zwar gibt es eine Fülle von strafrechtlichen Expertisen zum Thema, hindert aber nicht an einer nochmaligen intensiven Behandlung durch den Deutschen Juristentag. Der Homepage des Deutschen Juristentages19 – ein eingetragener Verein - können wir entnehmen, dass „in mehreren Fachabteilungen ... drängende rechtspolitische Fragen im Interesse der gesamten Gesellschaft und des gesamten Juristenstandes über alle Gruppeninteressen hinweg behandelt (werden – L. Barth). Auf der Grundlage ausführlicher wissenschaftlicher Gutachten und mehrerer Referate, die das Problem von verschiedenen Seiten beleuchten, diskutieren die Teilnehmer der Deutschen Juristentage mit dem Ziel, in Form von Beschlüssen Regelungsvorschläge zu machen. Oft hat der Gesetzgeber diese Beschlüsse des Juristentages aufgegriffen.“ © 2007 Zu Recht wird in der Homepage darauf hingewiesen, dass teilweise in unserem Rechtsalltag Regelungen fehlen, die wir aber dringend benötigen. Nach dem Selbstbekenntnis des Vereins beeinflussen die Ergebnisse der Beratungen maßgeblich die Gesetzgebung in Deutschland. 19 Die Teilnahme an den Deutschen Juristentagen steht jedem Interessierten offen. An den Abstimmungen und damit den Beschlüssen des Juristentages können jedoch nur Mitglieder des Vereins Deutscher Juristentag teilnehmen. 29 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Um so mehr muss die Enthaltsamkeit des Gesetzgebers verwundern, zumal neben dem Deutschen Juristentag e.V. nahezu alle Verbände und Institutionen (Bundesärztekammer, verschiedene Landesärztekammer, Patientenvereinigungen und Interessenvertretungen, die Anwaltschaft, der Deutsche Richterbund und etwa die beiden großen Konfessionen) sich in den letzten Jahren intensiv dem Thema gewidmet und einzelne Regelungsvorschläge betreffend der Patientenautonomie unterbreitet haben. Gelegentlich sind auch die BürgerInnen in repräsentativen Umfragen zum Problem der Sterbehilfe gehört worden, um so über die Expertengruppen hinaus der Diskussion insgesamt zur (weiteren) demokratischen Legitimation zu verhelfen. Der Trend ist hiernach unübersehbar: Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land wollen überwiegend über die zentralen Entscheidungen am Lebensende selber entscheiden. Ein eigentlich eindeutiges Votum des Staatsvolkes, von dem jedenfalls nach dem grammatikalischen Wortlaut des Grundgesetzes in Art. 20 Abs. 1 GG alle Staatsgewalt auszugehen hat20. Was also dürfen wir von dem bevorstehenden 66. Deutschen Juristentag erwarten? 20 © 2007 Dass hier demokratiepolitische Defizite zu beklagen sind, liegt auf der Hand. Allein der Hinweis auf die parlamentarisch-repräsentative Demokratie erklärt nicht die beklagenswerte Nichteinbindung des Staatsvolkes an wesentlichen Grundsatzfragen unseres staatlichen Gemeinwesens, zumal in den Fragen, in denen es um höchstpersönliche Entscheidungen des Einzelnen geht. Der Weg zu mehr Demokratie und Partizipation ist freilich in der Staatsfundamentalnorm des Art. 20 GG vorgezeichnet, wird doch nach dem eindeutigen Wortlaut der Verfassungsbestimmung die Staatsgewalt vom Volke in Wahlen und Abstimmungen (!) ausgeübt. Weshalb nun aber beharrlich die sog. plebiszitären Elemente in unserer Verfassung für den Bereich der Abstimmungen geleugnet werden, bleibt nach wie vor ein offenes Geheimnis der politischen Klasse. 30 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Nach diesseitigem Eindruck eine Bestandsaufnahme der bisher schon in der rechtswissenschaftlichen Literatur vertretenen Auffassungen, eine sich anschließende Diskussion und Beschlüsse durch die ordentlichen Mitglieder des Deutschen Juristentages, verbunden mit der Hoffnung, dass der parlamentarische Gesetzgeber jedenfalls den Beschlüssen des DJT Aufmerksamkeit schenkt, ohne hierdurch durch die ergänzenden Stellungnahmen und Voten abermals irritiert zu sein (freilich mit Blick auf den Meinungsbildungsprozess). Die in den strafrechtlichen Kontext eingebundenen Fragen um die Patientenverfügung werden sich aller Voraussicht nach dem gewichtigen Problem der bis dato geltenden legislativen Vorgabe des Fremdtötungsverbots nach den §§ 212, 216 StGB widmen. Gerade durch das Verbot der Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) soll derzeit ein strikter Schutz vor Fremdtötungen bewirkt werden, da dieses Verbot unabhängig vom Willen und der Willensbetätigung des Patienten besteht. Es ist evident, dass hierdurch der Selbstbestimmung des Patienten am Lebensende eine Grenze gezogen ist, die er (derzeit) nicht übersteigen kann, zumal in den Fällen, dass vielfach der im Sterben liegende Patient oftmals nicht sein Leben selbst beenden kann21 und er sich hierzu eines Dritten, vornehmlich eines Arztes, bedienen müsste. Der strafrechtliche Rahmen ist unbefriedigend und trägt vor allem nicht zur Auflösung des verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses zwischen dem staatlichen Rechtsgüterschutz einerseits und dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu Gunsten seiner Lebensbeendigung andererseits bei22. Eine Lösung allein aus der strafrechtlichen (und zivilrechtlichen) Perspektive ist auch nicht zu erwarten, da dass © 2007 21 So auch Hollenbach, Grundrechtsschutz im Arzt-Patienten-Verhältnis – Eine Untersuchung zur Umsetzung verfassungsrechtlicher Vorgaben im einfachen Recht, 2003, S. 293 22 Ebenso Hollenbach, ebenda, S. 294 31 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Strafrecht und Zivilrecht an die verfassungsrechtlichen Vorgaben gebunden sind! Erforderlich dürfte demzufolge eine intensive verfassungsrechtliche Diskussion sein, aus denen dann Maßgaben für das Straf- und Zivilrecht folgen. Gelegentlich entsteht der Eindruck, dass in der Debatte der umgekehrte Weg eingeschlagen wird, wonach auf der Ebene des einfachen Rechts die höchst bedeutsamen Rechtsfragen entschieden werden. Dieser Befund wird im Übrigen dadurch verschärft, dass trotz des parlamentarischen Gesetzesvorbehalts bei grundrechtsrelevanten Fragen die Judikative durch die Enthaltsamkeit des Gesetzgebers zu Entscheidungen gezwungen wird und die Fachgerichte gelegentlich die Dimension der verfassungsrechtlichen Implikationen ihrer Entscheidungen nicht zu überblicken vermag. Auch wenn die „Kemptener- Entscheidung des Strafsenats und die des Zivilsenats über den Wachkoma-Patienten Peter K. beim BGH vom Ergebnis her für vertretbar gehalten werden können, sollte dies nicht den Blick darüber trüben, dass hier der BGH keine (!) Rechtsanwendung in Form der Konkretisierung parlamentarischer Vorgaben vorgenommen hat, sondern im Begriff ist, anstelle des nicht tätig werdenden Gesetzgebers spezifische Regeln in einem grundrechtsrelevanten und vor allem zentralen Bereich aufzustellen23. Diese Kompetenz steht dem BGH nicht zu, auch wenn wir ansonsten darauf vertrauen dürfen und müssen, dass die Fragen der Patientenautonomie im Arzt-Patienten-Verhältnis in guten Händen bei den Richtern des BGH liegen, wie dies wohl allgemeinhin für das Arztrecht schlechthin anzunehmen ist, denn ansonsten ließe sich nach dem Selbstbekenntnis einzelner Senatsmitglieder beim BGH die Abstinenz des Gesetzgebers in Fragen des Arztrechtes nicht erklären. © 2007 23 Hollenbach, ebenda, S. 294 32 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Gänzlich problematisch wird es dann allerdings, wenn sich Senatsmitglieder dazu berufen fühlen, im Nachgang zu einer Entscheidung in öffentlichen Vorträgen ihre Entscheidung oder Beschlüsse zu kommentieren. Es drängt sich diesbezüglich der Eindruck auf, dass die Senatsmitglieder sehr wohl um das Dilemma wissen, ohne es nachdrücklich (jedenfalls in der Öffentlichkeit) zu beklagen: die Enthaltsamkeit des Gesetzgebers! Zwar wird vereinzelt wie in der übrigen Fachwelt darauf verwiesen, dass hier der Gesetzgeber gefordert ist, wenngleich dieser Ruf offensichtlich derzeit noch ungehört bleibt. Es gibt gute Gründe dafür, anzunehmen, dass der Gesetzgeber aufgrund der ihm obliegenden Schutzpflicht verpflichtet ist (!), tätig zu werden. In diesem Sinne darf den an der Diskussion beteiligten Fachkreisen und insbesondere den Mitarbeitern im Bundesjustizministerium die durchweg instruktive Untersuchung von Axel Hollenbach über den Grundrechtsschutz im ArztPatienten-Verhältnis (2003) zur Lektüre empfohlen werden. Auch wenn in Teilen die in dieser Untersuchung vertretenen Positionen nicht gänzlich unumstritten sind, kommt den Ausführungen zur Schutzpflicht des Staates in dem grundrechtsrelevanten Bereich mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzgebers eine überragende Bedeutung zu. Nicht die Fachgerichtsbarkeit, sondern der Gesetzgeber hat nach sorgfältiger Abwägung der verfassungsrechtlichen Vorgaben die Fragen rund um die Patientenautonomie und Sterbehilfe zu klären. Dies gilt freilich nicht nur für eine ggf. zu akzeptierende autonome Entscheidung des Patienten, sondern auch für die Grundrechtsstellung und damit den Grundrechtsschutz der weiteren, unmittelbar betroffenen Berufsgruppen, namentlich der Ärzteschaft und der Pflegenden24. © 2007 24 In diesem Sinne wäre es m.E. wünschenswert gewesen, wenn sich der Nationale Ethikrat in seiner aktuellen Stellungnahme v. 13.07.06 deutlich zu den 33 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? . Überdies geht es nicht an, dass derjenige, „der die Ethik nicht fühlen kann oder will“25, das „Recht spüren muss“. Eine wie auch immer geartete „Berufsethik“ lässt den Vorbehalt des Gesetzes im grundrechtsrelevanten Bereich nicht obsolet werden! Das Selbstbestimmungsrecht des autonomen Patienten findet seine Grenze (auch) in den Grundrechen der anderen Beteiligten und darf nicht zur Fremdbestimmung führen. Der Appell an einen vermeintlich berufsethischen Grundkonsens enttarnt sich bei näherer Betrachtungsweise als eine „standesethische Grundrechtsschranke“, die dem Grundgesetz nun beileibe nicht bekannt ist. Von daher kommt auch den Standesorganisationen und Berufsverbänden der verschiedenen Professionen nicht die Kompetenz zu, über die „Standesethik“ höchst bedeutsame Grundrechtsfragen für die Berufsgruppe verbindlich lösen oder darauf zu vertrauen zu wollen. Die oben aufgeworfene Frage, was wir vom Deutschen Juristentag 2006 erwarten dürfen, ist m.E. nicht leicht zu beantworten: vielleicht am ehesten ein eindringlicher Appell an Gesetzgeber, endlich seinen legislativen Verpflichtungen nachzukommen. In der Sache selbst wird m.E. kein entscheidender Paradigmenwechsel zu erwarten sein, da die differenten Positionen gerade in der Strafrechtswissenschaft hinreichend markiert sind und es zu befürchten ansteht, dass dem Verfassungsrecht nicht der Stellenwert eingeräumt wird, dem es ihm in der Diskussion um die Fragen der Patientenverfügung, dem Selbstbestimmungsrecht und den Grundrechten betroffener Dritter per se zukommen müsste. © 2007 verfassungsrechtlichen Vorgaben und Verpflichtungen des Gesetzgebers positioniert hätte. 25 In diesem Sinne: U. Riedel, Wer die Ethik nicht fühlen will, muss das Recht hören, in F.A.Z. v. 07.05.01, bezogen auf die Embryonenforschung. 34 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Allenfalls die Beschlussfassung der ordentlichen Mitglieder des Vereins könnte für einige Überraschungen sorgen, während demgegenüber das Gutachten und die Referate in der Strafrechtsabteilung zum Thema aufgrund der von den Autoren schon bisher in der wissenschaftlichen Diskussion vertretenen Positionen durchweg transparent sein dürften. Folgende Gutachter und Referenten sind auf dem 66. Deutschen Juristentag vorgesehen: Gutachter: Prof. Dr. Torsten Verrel, Bonn Referenten: Prof. Dr. med. Gian Domenico Borasio, München Vors. Richter am BGH a.D. Klaus Kutzer, Karlsbad Rechtsanwalt Wolfgang Putz, Berlin/München Es erscheint an dieser Stelle außerordentlich reizvoll, eine Prognose über den möglichen Inhalt der Expertisen abzugeben, zeichnen sich doch einzelne Referenten neben ihrer Fachlichkeit insbesondere auch durch einen besonderen „Missionierungseifer“ in der Sterbehilfededatte aus. Wir alle haben an dem Schicksal des Wachkoma-Patienten Peter K. dank der ihn und seine Erben betreuende Rechtsanwälte aufgrund eines respektablen öffentlichkeitswirksamen Presseaufwandes regen Anteil nehmen können. Es verwundert darüber hinaus nicht, dass bereits die erste BGH-Entscheidung des XII. Zivilsenats aus 2003 u.a. durch W. Putz neben Borasio und Eisenmenger durchaus wohlwollend und zustimmend kommentiert wurde, sei doch immerhin dem BGH der erste Schritt in die richtige Richtung gelungen, in dem der Patientenwille gestärkt wurde. Prinzipielle verfassungsrechtliche Bedenkung aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes wurden nicht erhoben. Eher das Gegenteil wurde von den gemeinsamen Autoren angenommen: © 2007 35 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? „Wie schon die Deutsche Gesellschaft für Medizinrecht in ihren Empfehlungen zum Thema „Arzt-Patienten-Verhältnis am Lebensende“ ausgeführt hat, sollte man tunlichst eine Überregulierung auf diesem Sektor vermeiden. Der Gesetzgeber hat es aus gutem Grund bisher unterlassen, in diesen Bereich einzugreifen. Ein auf einer vernünftigen Basis entstandener Konsens aller direkt Beteiligten ist die beste Grundlage für das ärztliche Handeln am Lebensende. Ein interdisziplinäres Konzil unter Einbeziehung von Vertretern der Bereiche Recht, Ethik/Theologie und Palliativmedizin kann in schwierigen Fällen zur Konsensbildung beitragen und sollte in allen größeren Krankenhäusern etabliert werden.“ Das von den Autoren vorgeschlagene und zur Diskussion gestellte Entscheidungsdiagramm geht davon aus, „dass erst die gemeinsame Ermittlung des Patientenwillen eine ausreichende Grundlage für die Festlegung des Therapieziels und damit für die medizinische Indikation darstellt. Ein solches Vorgehen ist unseres! (scil. der Autoren) Erachtens im Einklang mit den „Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung“ und den „Handreichungen zum Umgang mit Patientenverfügungen“ der Bundesärztekammer und entspricht der Maßgabe des BGH, das Vormundschaftsgericht „nur in Konfliktlagen“ anzurufen. Die hier vorgeschlagene Umsetzung des BGH-Beschlusses beinhaltet kein strafrechtliches Risiko für Ärzte und Vertreter des Patienten, denn nach der unverändert gültigen strafrechtlichen Dogmatik des BGH beurteilt sich die Frage nach der strafrechtlichen Schuld einzig und allein danach, ob der Wille des Patienten beachtet wurde. Haben Arzt und Betreuer, wie ihnen nun vom BGH erneut aufgegeben wird, dem Willen des Patienten „Geltung verschafft“ und sein Sterben zugelassen, so handeln sie © 2007 36 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? straffrei, ohne dass es auf Vormundschaftsgerichts ankommt.“26 die Einschaltung des Mit Verlaub: Beim Lesen solcher Zeilen kommt man/frau nicht mehr aus dem Staunen heraus. Den Medizinern sei es nachgesehen, wenn sie im Eifer des Gefechts um der gerechten Sache willen keinen weitergehenden Zugang zum Verfassungsrecht finden, wenngleich dies nicht ohne weiteres entschuldbar ist. Denn schließlich kommentieren sie einen Beschluss des BGH und aufgrund der weit reichenden Aussagen sollte man sich schon der Mühe unterziehen, die damit verbundenen Fragen über den reinen Wortlaut der Entscheidung hinaus zu thematisieren. Dies gilt freilich vor allem für die Juristen, die gelegentlich (auch) über den Tellerrand eines Zivil- oder Strafrechtlers hinausschauen sollten. Den Diskussionsteilnehmer sollte deutlich werden, dass es in erster Linie um grundrechtsrelevante Entscheidungen geht, bei denen nicht vor einer Überregulierung zu warnen ist, sondern in Anlehnung an das Grundgesetz mit dem parlamentarischen Gesetzesvorbehalt vielmehr eine Regulierung einzufordern ist! So wenig wie die Senate beim BGH aufgerufen sind, mit ihren Entscheidungen die legislativen Akte des Gesetzgebers entbehrlich zu machen, gilt dies freilich auch mit Blick auf die Grundsätze der BÄK zur ärztlichen Sterbebegleitung. Es ist ohne Belang, ob sich ein vorgeschlagenes „Entscheidungsdiagramm“ sowohl im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH befindet noch mit den soeben erwähnten Grundsätzen der BÄK, denn beide habe sich an den verfassungsrechtlichen Maßgaben zu orientieren! Nun wird wohl keiner bestreiten wollen, dass weder dem BGH noch der BÄK die Kompetenz zukommt, über derart gewichtige Aspekte des © 2007 26 Borasio / Putz / Eisenmenger, Neuer Beschluss des Bundesgerichtshofs: Verbindlichkeit von Patientenverfügungen gestärkt Dtsch Arztebl 2003; 100: A 2062–2065 [Heft 31–32] 37 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Grundrechtsschutzes „Recht“ zu setzen, dem wir als die Rechtsgemeinschaft unterworfen wären. Noch fataler freilich wäre es, wenn - wie erkennbar von den Autoren vorgeschlagen – auf einen „vernünftigen Konsens“ aller direkt Beteiligten gesetzt werden möge und in Zweifelsfällen ein interdisziplinäres Konzil eingebunden wird, dass aus Vertretern von Recht, Ethik, Theologie und Palliativmedizin bestehen soll, dass dann in der Folge über gewichtige Fragen am Lebensende entscheidet. Hier disponiert dann das Konzil als interdisziplinäres Forum quasi gesetzesvertretend über den Grundrechtsschutz des Patienten und es stellt sich in pointierter Form die Frage, ob in den letzten Jahren eine neue Staatsgewalt geboren wurde? Eindringlich ist daran zu erinnern, dass es eine der vornehmsten Aufgaben unseres Staates ist, seine ihm obliegenden grundrechtlichen Schutzpflichten wahrzunehmen. Gerade diese Schutzpflichten stehen einer staatlichen Passivität oder Nichtbeteiligung entgegen und verlangt geradezu nach einer parlamentarisch und ggf. kontrovers geführten Diskussion27, die dann nachgänglich (demokratisch legitimiert!) in eine gesetzliche Regelung mündet. Es kann nicht angehen, dass bestimmte Professionen für sich einen verfassungsfreien Raum reklamieren und der Gesetzgeber dieses achselzuckend toleriert. Ein Konzil ersetzt nicht den zwingend geforderten parlamentarischen Gesetzgeber, wenngleich nicht ausgeschlossen ist, dass der Gesetzgeber sich zu einer solchen verfahrenstechnischen Lösung durchringen könnte. Maßgeblich ist allein, dass die grundrechtsrelevanten Konfliktlagen im Vorfeld hinreichend geklärt und in einem Gesetz schonend zum Ausgleich gebracht werden. © 2007 Im Gegensatz dazu plädiert der ehemalige Vorsitzende Richter am BGH, Kutzer, mit Nachdruck dafür, dass endlich der Gesetzgeber tätig werden möge, da insoweit viele Fragen offen seien. In einem 27 Vgl. auch Hollenbach, aaO., S. 296 38 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Interview in der Welt v. 30.09.0528 zufolge wird vom ehemaligen Richter der Regierung vorgehalten, in Sachen „Sterbehilfe“ „versagt“ zu haben. Es sei ein unhaltbarer Zustand, dass wir immer noch keine verbindlichen Gesetze haben. Dieser Ansatz von Kutzer bürgt jedenfalls im Vorfeld für eine ausgiebige Diskussionsgrundlage und es bleibt zu hoffen, dass er diesen auch in solch pointierter Form konsequent auf dem 63. DJT vertreten wird. Dies wäre insbesondere deshalb zu wünschen, weil wider Erwarten die Stellungnahme des Nationalen Ethikrats v. 13.07.06 eine deutliche Positionierung in den entscheidenden verfassungsrechtlichen Fragen vermissen lässt. Sicherlich wird zu konzedieren sein, dass in einer Kommission die Mitglieder nicht immer einer Meinung sind. Dies wird schon allein deshalb nicht der Fall sein können, weil verschiedene Professionen ihr Fachgebiet vertreten und es nicht zu erwarten ansteht, dass mit Blick auf die fundamentalen Positionen die einzelnen Mitglieder einen radikalen Paradigmenwechsel vornehmen. Ein solches verbietet sich erkennbar für die Theologie, Medizin und Jurisprudenz gleichermaßen. Dennoch ist den Mitgliedern der Kommission die Möglichkeit eröffnet, ein Sondervotum abzugeben und immerhin drei Mitglieder haben sich in der Stellungnahme des Nationalen Ethikrates dazu entschlossen. Dies ist legitim und ich gestehe hier durchaus freimütig, dass ich mir ein solches auch von den Juristen gewünscht hätte. Die Reputation u.a. der Herren Taupitz und Dreier sind unbestritten und ein Blick in ihre Publikationen offenbart bei näherer Analyse eine gewachsene dogmatische Haltung, nach der eigentlich kein Zweifel aufkommen dürfte, wie sie das Problem der Patientenverfügung, der Selbstbestimmung und die Sterbehilfeproblematik lösen würden. Hervorzuheben sei hier nur © 2007 28 Die Welt v. 30.09.05 (online) - >>> mehr dazu <<<; ebenso Die Welt v. 15.10.05 (online) >>> mehr dazu <<< 39 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? das Gutachten von Taupitz, erstellt für den 63. DJT und die Kommentierung von Dreier zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Beide Rechtswissenschaftler positionieren sich seit Jahren in dem verfassungs- und zivilrechtlichen Diskurs und setzen sich hierbei intensiv mit ihren Kollegen auseinander, die ebenfalls mit beachtlichen Argumenten ihre Rechtsposition vertreten. Ein Blick in die gängige und umfangreiche Kommentarliteratur zum Grundgesetz erleichtert demzufolge auch dem Gesetzgeber die „Rechtsfindung“, mal von der Vielzahl zu dem Problembereich der Sterbehilfe / Sterbebegleitung / Patientenautonomie etc. erstellten Dissertationen, Monografien und Einzelbeiträgen ganz abgesehen. Von einer fehlenden Meinungsbildung, von der die Bundesjustizministerin auszugehen scheint, kann also wahrlich keine Rede sein. In diesem Sinne wird hier dafür plädiert, dass endlich der Gesetzgeber seine Aufgabe zur Regelung wahrnimmt. Weitere Stellungnahmen sind durchaus entbehrlich und führen nicht zu dem gewünschten Ergebnis einer Konsensbildung. Der Gesetzgeber allein muss entscheiden! Dies hat auch der Nationale Ethikrat nur wenige Stunden nach der Veröffentlichung seiner Stellungnahme auf seiner Homepage erfahren können. Es gibt mittlerweile Stellungnahmen29 zu der Stellungnahme und es scheint, dass die Diskussion wieder am Anfang beginnen wird, zumal weitere Stellungnahmen folgen werden. Hierfür mögen wir Verständnis aufbringen. Dies entbindet aber den demokratisch legitimierten Gesetzgeber nicht, nunmehr im Parlament ein Gesetz einzubringen, dass (hoffentlich) den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. © 2007 29 Unter anderem: Erklärung von Karl Kardinal Lehmann zur Stellungnahme des Nationalen Ethikrates v. 13.07.06 >>> online lesen <<<; Bischof Huber kritisiert Ethikrat in Sterbehilfe-Debatte (13.07.06) >>> online lesen <<< 40 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Dass dies nicht immer der Fall ist, belegt eindrucksvoll eine Reihe von Judikate des Bundesverfassungsgerichts, so u.a. die Entscheidung v. 15.02.2006 zum Luftsicherheitsgesetz, wo ein Angriff auf die Menschenwürde abzuwehren war. Wir dürfen also gespannt auf das Gutachten von Verrel zuwarten, welches er im Auftrag des DJT zu den strafrechtlichen Aspekten der Selbstbestimmung und Fürsorge erstellen wird. Auch Verrel wird es an einer deutlichen Positionierung nicht mangeln lassen, hat er doch bereits zusammen mit H. Schöch einen AlternativEntwurf zur Sterbebegleitung vorgelegt.30 Der Gesetzgeber wähnt sich also in der Tat nach dem Deutschen Juristentag in einer sehr komfortablen Situation, hat ihn doch in den letzten Jahren die Rechtswissenschaft und ein interdisziplinäres Forum weitestgehend die Arbeit abgenommen. Sollte dies immer noch nicht für einen Meinungsbildungsprozess ausreichend sein, könnte die Regierung oder das zuständige Fachministerium einen Wettbewerb nach dem Motto „Studenten forschen“ mit einem Preis ausloben. Ich bin davon überzeugt, dass mit Hilfe kritischer Begleitung durch die Professoren es den juristischen Arbeitsgemeinschaften der Studenten gelingen wird, parlamentarische Vorgaben für ein formelles und materiell tragfähiges Gesetz zu entwickeln, die dann ebenfalls zur Meinungsbildung beitragen können. © 2007 Eines jedenfalls scheint aus der Sicht der Studentenschaft auch ohne Prüfungszwang in den juristischen Klausuren gesichert zu sein: Man/frau wird sich intensiv dem Vorbehalt des Gesetzes widmen! 30 Alternativ-Entwurf Sterbebegleitung (AE-StB) (zusammen mit H. Schöch u.a.) In: Goltdammer's Archiv für Strafrecht 2005, 553-624; Pressemitteilung . 41 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Frontalangriff auf Vertreter der Ärzteschaft, Kirchen, Parteien und Regierungen! Der Beitrag von Kurt F. Schobert (Augsburg) Wie verbindlich sind verfassungsrechtliche Normen im Pflegeund Sterbealltag? – Antidemokratische Blockadepolitik im Kielwasser elitären Kastendenkens in Aufklärung und Kritik, Sonderheft 11/2006 >>> Quelle: Web – Beitrag im pdf. Format <<< erhebt erkennbar den Anspruch, einen Beitrag zur allgemeinen Situation im Pflege- und Sterbealltag leisten zu wollen und ich möchte hier die Gelegenheit nutzen, zur Nachdenklichkeit anzuregen. Kurze Stellungnahme (L. Barth): Selbstbewusst führt K.F. Schobert einführend aus und ich darf zitieren: „Wer gravierende Meinungen, Mutmaßungen und Vorhaltungen dieser Art äußert, sollte sich nicht auf Stammtischniveau äußern. Deshalb die folgenden Thesen, die sich mit dem Anliegen verbinden, aufzuklären, wachzurütteln und Klischees zu enttarnen. Dabei bedient sich der Autor auch des Stilmittels der paradoxen Intervention zum Nachweis der Inkompatibilitäten des unzureichend ausgebauten freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats.“31 © 2007 31 Schobert, aaO., S. 95 42 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Über Stilfragen lässt sich nun vortrefflich streiten, wenngleich die Frage nach einem möglichen „Stammtischniveau“ durchaus problematischer Natur ist, und zwar insbesondere in den Fällen, wenn in einzelnen Beiträgen der emanzipatorische Anspruch der „Aufklärung“ nicht eingelöst wird und einen faden Beigeschmack des alltagstheoretischen Räsonierens über zentrale verfassungsrechtliche Fragestellungen hinterlässt. Es scheint, dass in Zeiten einer allgemeinen Wertediskussion, bei der es um die fundamentalen Werte der Würde des Menschen und des Selbstbestimmungsrechts geht, manche Autoren die Orientierung im ethischen Diskurs verlieren, wenn und soweit es darum geht, einen fragwürdigen Anspruch als Sachwalter in „Fragen eines guten Todes“ einnehmen zu wollen und gleichsam der Versuchung nicht widerstehen können, phantasievoll auf der Klaviatur des Verfassungsrechts spielen zu müssen, ohne hierbei zu erkennen, dass allenfalls Disharmonien beträchtlichen Ausmaßes komponiert werden. Diejenigen, die da meinen, die „Diskussion für Tod“ gepachtet zu haben, sollten sich zumindest der Mühe unterziehen, das höchst konfliktund spannungsgeladene Problem des sog. „Sterbenlassens“ emotionslos anzugehen, wird doch durch eine allzu starke (professionelle oder verbandspolitische) Bindung an das Thema der Blick für das Wesentliche getrübt. Unabhängig von dem bemühten Stil der „paradoxen Intervention“ will der Autor Schobert nach seinem Selbstbekenntnis zunächst „aufklären“, „wachrütteln“ und „Klischees enttarnen“ – und mit Verlaub: wohl in erster Linie provozieren! © 2007 Die Aufklärung über den Wertediskurs gelingt ihm in seinem Beitrag nur mäßig, lässt er doch zentrale verfassungsrechtliche Überlegungen außer Acht und er bedient sich zudem selbst der Klischees, die er glaubt, enttarnen zu müssen. Das, was ihm wohl augenscheinlich gelingen wird, ist die diesseits vermutete 43 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Provokation, ohne hierbei aber die interessierten Leser ernsthaft aus der Reserve locken zu können. Auch Schobert kommt nicht umhin, seinen Frontalangriff insbesondere gegenüber den Ärzten und Kirchen zunächst mit Hinweis auf die nationalsozialistische Zeit und das Zeitalter der Inquisition einleiten zu müssen. Hier hätte er seinem eigenen Anspruch durchaus gerecht werden sollen: „Der moderne Verfassungs- und Rechtsstaat hat nicht die Aufgabe, antiquiertes Kastendenken zu revitalisieren, als käme es darauf an, elitär der ärztlichen, juristischen, politischen und theologischen Berufskasten den demokratischen Willensbildungsprozess umzubiegen, zurechtzuinterpretieren und letzten Endes nicht den Patienten und Betroffenen entscheiden zu lassen“32. Es bedarf nicht des historischen Rekurses, um auf die Dringlichkeit der Gegenwartsfragen aufmerksam machen zu müssen und noch weniger bedarf es der mahnenden Worte der „Gegenwartsphilosophen“, die Ärzteschaft als auch die Kirchen daran erinnern zu müssen, dass auch diese in der Vergangenheit eine in Teilen unrühmliche Rolle wahrgenommen haben. Der Hinweis, dass „(d)ie im weißen Kittel oder im schwarzen Talar verkleidete Selbstherrlichkeit wird die verfassungsrechtlich verankerten Abwehrrechte des Individuums zur Sicherung seines Selbstbestimmungsrechts respektieren müssen.“33 © 2007 ist nicht nur entbehrlich, sondern vor allem auch eine rechtliche Binsenweisheit, während demgegenüber die gerügte „Selbstherrlichkeit“ der Ärzte oder Juristen auf ein durchaus 32 33 Schobert, aaO., S. 97 Schobert, ebenda 44 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? diskussionswürdiges Verhältnis zur Toleranz und sachgerechter Kommunikation schließen lässt, die im übrigen der Autor selbst in seinen späteren Ausführungen expressis verbis mit Blick auf die Medien und tendenziell einseitiger Berichterstattung glaubt, rügen zu müssen. Vollends dramatisch werden die Ausführungen allerdings dann, wenn der Autor versucht, mit demokratie-politischen Argumenten aufzuwarten, um so seinen Hinweis erteilen zu können, dass wohl auch die Kirchen eine unrühmliche Rolle in der gegenwärtigen Wertediskussion einnimmt: „Gegenpositionen, die diese Haltungen in Frage stellen oder relativieren, sind vergleichsweise selten, obwohl bekannt ist, dass die Kirche nicht eben eine Organisation ist, die demokratisch geführt wird und insoweit am demokratischen Willensbildungsprozess lediglich eingeschränkte Mitwirkungsrechte haben sollte. Medien, die sich entgegen dem Willensbildungsprozess der Mehrheit der Bevölkerung zum Sprachrohr kirchlicher Interessen machen (lassen), widersprechen letztlich ihrem Auftrag, durch aufklärende Berichterstattung den freiheitlich-demokratischen Rechtstaat zu fördern. Damit sei nicht behauptet, dass es auch andere Berichte und Meinungen in diesen Medien gibt; entscheidend ist die Verhältnismäßigkeit; entscheidend ist auch, ob die Leser redlich aufgeklärt werden, wenn die Vertreter von Ärzteschaft, Kirchen und Parteien ihre Meinungen und Positionen verbreiten.“34 © 2007 Und spätestens nach diesem Zitat möchte ich hier die interessierten Leser ausdrücklich dazu aufrufen, den Beitrag in toto zu lesen. Es offenbart sich ein seltsames Demokratieverständnis. Mir persönlich ist nicht bekannt, dass die Kirchen am demokratischen 34 Schobert, aaO., S. 102 45 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Willensbildungsprozess nur eingeschränkte Mitwirkungsrechte haben sollten? Vielleicht wäre an dieser Stelle ein Literaturhinweis des Autors sinnvoll gewesen, oder darf vermutet werden, dass es eine nicht interpretierte Arbeitshypothese des Autors ist? Wenn dem so ist, darf darauf hingewiesen werden, dass die Kirche als Institution in unserer säkularisierten Gesellschaft kein „aktives Wahlrecht“ hat. Der Autor selbst zeigt aber in aller Deutlichkeit die eigentliche Konsequenz seiner Forderung nach „weniger Kirchenpräsenz“ auf, in dem er die Präsenz der Kirche in den Medien rügt! Aber mit Verlaub: Helfen „Sprachverbote“, Einschnitte in die Meinungs- und Pressefreiheit, gleichsam die Beschränkung sämtlicher Kommunikationsgrundrechte einschließlich der Rezipientenfreiheit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten, hier weiter? Gerade die ungehinderte Kommunikationsgesellschaft ist eine unabdingbare Voraussetzung für den demokratischen Willensbildungsprozess und es ist nicht ersichtlich, warum hiervon aus „demokratie-politischen Gründen“ Institutionen, Berufsverbände oder eben die Kirchen ausgeschlossen sein sollen. Wir befinden uns in einer säkularisierten Gesellschaft auf einem bunten Marktplatz vielfältiger Meinungen, in dem wir alle aufgerufen bleiben, uns rege im Diskurs über ethische Grundsatzfragen zu beteiligen und keiner der Diskussionsteilnehmer kann für sich die Exklusivrechte und damit das Monopol bei der Auslegung des Verfassungsrechts beanspruchen, es sei denn, irgendwann wird einmal das BVerfG zur Entscheidung aufgerufen, das dann als „Hüter der Verfassung“ sein Letztentscheidungsmonopol wahrzunehmen hat. Dies wird wohl auch der Autor – aber eben nicht nur dieser akzeptieren müssen. © 2007 46 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Abschließend sei noch die kurze Anmerkung gestattet, auch wenn diese bei einigen Lesern für Unbill sorgen wird: Weder die jetzige Ärzteschaft noch die Kirchen tragen gegenwärtig die (Erb)Schuld für die indiskutablen und durch Nichts (!) zu rechtfertigende Vergangenheit, sondern vielmehr mit der gesamten Gesellschaft die Verantwortung dafür, dass solche ethischen und moralischen Entgleisungen nicht wieder vorkommen. Hierfür hält unserer Grundgesetz ein verfassungsmäßiges Programm bereit, dass auch über die „Schatten der Vergangenheit“ hinaus der Verfassungswirklichkeit positiv Rechnung tragen soll, so dass uns der Hinweis auf die Inquisition und die Euthanasieverbrechen zuvörderst als Mahnung dafür dienen sollte, wozu die Gattung Mensch fähig ist, nicht aber um auf bestimmte Berufsgruppen in einem historisch bedeutsamen Gegenwartsdiskurs über die bedeutsamen Fragen am Ende (oder Anfang) des Lebens disziplinarisch einwirken zu können. Dies gilt auch für den Juristenstand, der bekanntermaßen eine ebenso unrühmliche wie auch inakzeptable Rolle in der Vergangenheit gespielt hat und letztlich mit der Gesellschaft aufgerufen bleibt, über die Gegenwart mit Blick in die weitere Zukunft gemeinsam zu wachen. Hilfreich ist hierbei im Übrigen die Erkenntnis, dass gerade im Verfassungsrecht der historischen Auslegung der Grundrechte gelegentlich eine besondere Rolle zukommt! Und schlussendlich soll die Frage am Ende des Beitrages von Schobert © 2007 „Sind den mächtigen Kasten im Lande die Sterbenden >minderwertig>?“35 aus meiner höchstpersönlichen Perspektive beantwortet werden: Nein! und allein die Fragestellung offenbart die Notwendigkeit, in 35 Schobert, aaO., S. 107 47 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? dem Diskurs bei allen Beteiligten ein Höchstmaß an Sensibilität anzumahnen, denn die Diskreditierung eines oder mehrerer Berufstände oder Institutionen birgt ohne Frage die Gefahr in sich, sich hierdurch möglicherweise einer stringenten Argumentation entziehen zu wollen. Den streitbaren Teilnehmern ist also durchaus ein bisschen mehr an verfassungsrechtlichem Lesestudium zuzumuten, anderenfalls droht der Diskurs tatsächlich auf dem „Stammtisch-Niveau“ entschieden zu werden und das wollen wir doch nicht oder? © 2007 48 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Sendboten einer neuen Sterbekultur und die Funktion des Strafrechts ? Unsere Bundesjustizministerin sieht allen anderen voran keinen strafrechtlichen Reformbedarf für die in Wissenschaft, Literatur und Rechtsprechung heftig umstrittenen Fragen der Sterbehilfe resp. der Sterbebegleitung. Professionelle Bereichsethiker, aber auch die Anwaltschaft als ein sog. Organ der Rechtspflege schicken sich an, dieses Terrain für sich zu besetzen und die zur Gesetzgebung Berufenen hüllen sich trotz guter Argumente für eine gesetzliche Regelung nach wie vor in vermeintliches Stillschweigen – vermeintlich deshalb, weil zumindest die Erklärungen nicht ganz unwesentlicher politischer Mandatsträger eher darauf schließen lassen, dass es keine strafrechtliche Neuregelung geben wird. Eigentlich beansprucht das Recht für sich nach seinem Selbstverständnis die Rolle, gesellschaftliche Probleme nach den Wertmaßstäben und in den Grenzen des Verfassungsrechts vernünftig regeln zu wollen. Prinzipiell gilt das - offensichtlich als Mythos - zu enttarnende Grundideal, wonach alle Bürger – also die Ärzteschaft – von den inhaltlichen Wertdefinitionen und deren prozeduraler Verwirklichung gleichermaßen betroffen sind und sie nachvollziehen sollten. Sofern allerdings im Rahmen der von der Verfassung offen gelassenen Wertungsspielräume diese nicht nur durch die Vernunft, sondern auch gemäß den politischen und ökonomischen Machtstrukturen ausgefüllt werden können, ist allemal Vorsicht geboten. Dies gilt insbesondere mit Blick auf das Strafrecht, dass nicht umsonst als angewandtes Verfassungsrecht bezeichnet wird. © 2007 „Strafrecht ist das extremste, repressivste Mittel, mit dem der Staat in die Grundrechte des Bürgers eingreifen kann. Denn die Strafe impliziert symbolisch ein besonderes sozialethisches Unwerturteil 49 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? über den Menschen. Und sie leistet instrumentell eine Übelszufügung, die - insbesondere im Falle des Freiheitsentzuges - ein Höchstmaß an Lebenseinschränkung für den Bestraften und an mittelbaren Auswirkungen für seine Lebenswelt nach sich zieht. Unstreitig ist deshalb, dass die der Strafe äußerstes Mittel der Sozialpolitik bleiben muss und dass sie besonderer Legitimation und Anwendungssorgfalt bedarf.“ >>> vgl. dazu Böllinger, Betäubungsmittelstrafrecht, Drogenpolitik und Verfassung (1999) http://www.bisdro.uni-bremen.de/boellinger/Btmgstraf.htm Auch wenn diese grundlegenden Gedanken Böllingers aus einem Vortrag aus 1999 entlehnt sind, bleiben diese doch auch für den aktuellen Wertediskurs mit Blick auf die Sterbebegleitung von zentraler Bedeutung. Nicht nur, dass den Ärzten ein mehr an Rechtssicherheit in den zentralen Fragen am Lebensende zukommen sollte, bleibt festzustellen, dass das Strafrecht im demokratischen Rechtsstaat nicht die Funktion übernehmen kann, eine spezifische Berufsgruppe auf eine bestimmte „Kultur eines guten Todes“ mittels Zwang zu verpflichten. Hierbei steht außer Frage, dass nach wie vor der ärztliche Heileingriff vorbehaltlich einer vollumfänglichen Aufklärung und Einwilligung des Patienten tatbestandlich als eine Körperverletzung qualifiziert wird. Die autonome Entscheidung des Patienten ist nicht nur zu respektieren, sondern diese ermöglicht zuallererst überhaupt eine ärztliche Heilbehandlung, mal von den Notfällen etc. abgesehen. Das Rechtsgüterschutzprinzip kommt daher ohne Frage als allgemeine Begründung, aber eben auch als Begrenzung strafrechtlicher Grundrechtseingriffe in Betracht. © 2007 Die Basis für eine Lösung der konfligierenden (Grund)Rechte verschiedener Grundrechtsträger ist also in der Verfassung zu erblicken und nicht, wie derzeit propagiert wird, auf der Ebene des einfachen Rechts. Hier ist es wenig hilfreich, einen Reformbedarf zu verneinen, sondern dem parlamentarischen Gesetzgeber kommt vielmehr die Verpflichtung (!) zu, seine ihm obliegenden 50 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Schutzpflichten endlich wahrzunehmen. In einem modernen Rechtsstaat wird es zunehmend für die Ärzteschaft unerträglich, aufgrund vorhandener Regelungsdefizite über Gebühr den Strafverfolgungsbehörden „ausgeliefert“ zu sein, wenn die durch einen besonderen Missionierungseifer geplagten Sendboten einer neuen Sterbekultur das Strafrecht als Plattform für egalitäre Interessen instrumentalisieren. Es gibt derzeit keinen allseits akzeptierten ethischen Konsens über eine „Sterbekultur“, sondern allenfalls Grundbedingungen und Grenzen guter ärztlicher Behandlung. Aber gerade die Grenzen sind es, die zunehmend verschoben werden und hier gilt es, über verfassungsrechtlich tragfähige Regelungen nachzudenken. Der denkbar schlechteste Weg ist allerdings, die Augen vor einem notwenigen Reformbedarf zu verschließen, da ansonsten alleine auf dem Rücken der Ärzteschaft der historisch bedeutsame Wertediskurs durch das Strafrecht entschieden wird, der dann in der Folge kein Diskurs mehr ist, sondern allenfalls als das soziale und strafrechtlich bedeutsame Unwerturteil über die mit Strafanzeigen und ggf. Urteilen überzogenen Ärzte zu enttarnen wäre. Selbstredend ist hierbei, dass der Rechtsgüterschutz eine zentrale Aufgabe des Gesetzgebers ist. Ebenso selbstverständlich dürfte allerdings sein, dass das Strafrecht mit der Funktion seines Strafens ein besonders schwerwiegendes sozialethisches Unwerturteil über den Arzt impliziert, so dass höchste Eile geboten ist, hier für ein Mehr an Transparenz und Rechtssicherheit zu sorgen. Wenn Ärzte dauerhaft mit Strafanzeigen bei der Behandlung ihrer Patienten auch am Lebensende überzogen werden, ist dies ein überdeutliches Signal für den parlamentarischen Gesetzgeber, dass die von der Verfassung offen gelassenen Wertungsspielräume von bereichspezifischen Interessengruppen besetzt und ausgefüllt werden. Nicht die strafrechtlichen Ermittlungsbehörden, sondern der Gesetzgeber hat die grundlegenden Bedingungen eines verfassungskonformen © 2007 51 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Schutzpflichtkonzepts zu offenbaren und zu regeln, und – mit Verlaub – noch weniger Interessenverbände und Vereine, die für sich genommen durchaus mit ihren Vorstellungen über einen guten und gerechten Tod gehört werden sollen, aber eben nur als eine Stimme unter vielen im Wertediskurs. Natürlich bleibt es den von einem medizinischen oder pflegerischen Fehlschlag betroffenen Patienten unbenommen, Strafanzeige gegen die behandelnden Ärzte zu stellen. Hieran kann kein Zweifel bestehen. Ein Unbehagen schleicht sich vielmehr dort ein, wo solche individuellen Schicksale medial aufbereitet werden und die These von dem Soziologen K. Feldmann von der „Instrumentalisierung des Todes“ und des „Sterbens“ sich zu bewahrheiten scheint: Der Prozesssieg - oder strafrechtrechtliche Ermittlungserfolg wird als ein Sieg für die neue Kultur des Sterbens und der Grenzen der ärztlichen Behandlungspflicht propagiert und jeder medienwirksame Einzelfall scheint daher dazu geeignet, auf Dauer „Recht zu produzieren“ – im Zweifel bis hin zum Bundesgerichtshof, der dann in der Folge letztinstanzlich das einfache Gesetzesrecht anzuwenden und auszulegen hat. Kurskorrekturen können dann nur noch vom Bundesverfassungsgericht vorgenommen werden, vorausgesetzt, die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen. © 2007 52 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Der Arzt und die Pflegenden - ihr subjektives Recht zum ethischen Ungehorsam versus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten !? Einige Gedanken zum bevorstehenden Kulturkampf um die Würde des Menschen an seinem Lebensende Wir haben darüber berichtet, dass das LG Traunstein in erster Instanz die Klage der Erben des Wachkomapatienten Peter K. über die begehrten Schadensersatzansprüche verneint hat. Nunmehr hat das OLG München die Berufung der Kläger ebenfalls als unbegründet zurückgewiesen und der Fall der Erben des Peter K. geht in die nächste und entscheidende Runde vor dem BGH. Auch im Rahmen des Revisionsverfahrens vor dem BGH darf diesseits die Prognose abgegeben werden, dass der Revision kein Erfolg beschieden sein wird und zwar aus den in den Vorinstanzen dargelegten und nachvollziehbaren Gründen. Der Fall um den Wachkomapatienten kommt also immer noch nicht zur Ruhe und es stellt sich durchaus die Frage, ob die These von der Instrumentalisierung des Todes nicht doch auf eine beängstigende Art und Weise ihre Rechtfertigung findet. Wir befinden uns scheinbar in einem fortwährenden Kultur- und Rechtskampf um das hohe Gut der Würde des Menschen und damit um höchst sensible Fragen sowohl am Ende, aber auch am Beginn des menschlichen Lebens und es regt sich ein hohes Maß an Unbehagen darüber, dass offensichtlich einige Juristen die Herrschaft über die Definition der Würde des Menschen an ihrem Lebensende mit einem beachtlichen Publikationsaufwand übernommen haben, ohne hierbei die subjektiven Befindlichkeiten und vor allem Rechte der an der Betreuung eines Wachkomapatienten beteiligten Ärzte und Pflegenden hinreichend zu berücksichtigen. © 2007 53 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Vor dieser Schelte – und sie mag dem Autor hier aufgrund der Staatsfundamentalnorm des Art. 1 GG nachgesehen werden – war auch der XII. Zivilsenat des BGH in seinem Beschluss v. 08.06.0536 über den Wachkomapatienten Peter K. nicht gefeit, ging doch der BGH mit einer erstaunlichen Leichtigkeit über die Grundrechte der Ärzte und Pflegenden hinweg, ohne in eine erforderliche umfassende Grundrechtsabwägung einzutreten37. Das redliche Bemühen des BGH um eine sachgerechte Lösung der anstehenden Rechtsfragen soll hier freilich nicht in Abrede gestellt werden, wenngleich im Umgang mit den Grundrechten der Beteiligten eine deutlichere Sensibilität anzumahnen war und ist. Die nunmehr beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH mit Blick auf die Schadensersatzansprüche wird sich in erster Linie darauf konzentrieren, in Anlehnung an die berühmte Kemptener Entscheidung den Nachweis zu führen, dass der Fall des Peter K. im Wesentlichen mit dem Sachverhalt, der der Kemptener Entscheidung38 zugrunde lag, vergleichbar ist. Ein solches ergibt sich zumindest aus der Pressemitteilung der Prozessbevollmächtigten39 und es wird die Auffassung vertreten, dass die Rechtslage spätestens seit dieser Entscheidung des 1. Strafsenats beim BGH strafrechtlich höchstrichterlich geklärt sei. Ob dem so ist, soll hier nicht weiter thematisiert werden, wenngleich die Entscheidung des 1. Strafsenats nach wie vor diskussionswürdig erscheint. Von wesentlicher Bedeutung ist allein, dass das Zivilrecht nicht das erlauben kann, was das Strafrecht verbietet40. Dies hat seinerzeit der XII. Zivilsenat des © 2007 36 BGH v. 08.06.05 – XII ZR 177/03 – online in >>> Entscheidungssammlung des BGH <<< 37 L. Barth, Der Wachkoma-Patient und ein „öffentlichkeitswirksamer“ Rechtsstreit - die „zulässige Sterbehilfe“ aus anwaltlicher Sicht?! >>> mehr dazu (pdf) 38 BGH v. 13.09.94, in NJW 1995, 204 39 Zur Pressemitteilung >>> mehr dazu <<< 40 So auch bereits BGH, Beschl. v. 17.03.03 – XII ZB 2/03 – (S. 13) >>> Entscheidungssammlung des BGH <<< 54 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? BGH in seinem Beschluss v. 08.06.05 deutlich zum Ausdruck gebracht, in dem er meint, dass die strafrechtlichen Grenzen der Sterbehilfe im weiteren Sinn bislang nicht hinreichend geklärt erscheinen (BGH, aaO., S. 8). Gegenwärtig hat sich an dieser Rechtslage nichts geändert, wobei ohnehin daran zu erinnern ist, dass hier ausnahmslos der Gesetzgeber, und nicht wie vielleicht nach den Verlautbarungen mancher Autoren zu vermuten anstehen würde, der Strafsenat des Bundesgerichtshofs gefordert ist oder in der Folge bei differenten Rechtsauffassungen zwischen dem 1. Straf- und dem XII. Zivilsenat der sog. Große Senat beim BGH41. Dies gilt umso mehr, als dass die Selbstbestimmung Sterbewilliger in der deutschen Rechtsliteratur einschl. der verfassungsrechtlichen Literatur nicht nur einen diffusen Status42 hat, sondern vielmehr höchst umstritten ist. Hierbei ist von zentraler Bedeutung, dass das einfachgesetzliche Recht, also sowohl das Straf- als auch Zivilrecht, vom Verfassungsrecht ganz maßgeblich mitbestimmt wird. Der Gesetzgeber ist insoweit gefordert, sich den zentralen Verfassungsrechtsfragen am Ende des menschlichen Lebens inmitten der Wertediskussion über die Würde des Menschen stellen müssen. In diesem Sinne kann durchaus die Prognose gewagt werden, dass die gesetzgeberischen Aktivitäten - ähnlich denen der mit Blick auf die Schwangerschaftsproblematik um die §§ 218 ff. StGB - mit kritischem Interesse begleitet und letztlich einer Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht zugeführt werden. © 2007 Der Kulturkampf um die Würde des Menschen ist schon seit geraumer Zeit (wieder) entfacht und es steht zu vermuten an, dass 41 In diese Richtung deutend wohl die Pressemitteilung der Prozessbevollmächtigten, Zur Pressemitteilung >>> mehr dazu <<< 42 So zu Recht U. Kämpfer, Die Selbstbestimmung Sterbewilliger – Sterbehilfe im deutschen und amerikanischen Verfassungsrecht, 2005 (Dissertation), S. 159 55 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? sich ein Konsens innerhalb unserer Gesellschaft und in der geschlossenen Gesellschaft der Verfassungsinterpreten, der Zivilund Strafrechtler, der Theologen, der Philosophen und neuerdings auch in vermehrter Form der Neurowissenschaftler nicht abzeichnen wird. Das „Menschenbild der Lebenswissenschaften“ konkurriert mit dem „Menschenbild der Philosophie“; diese wiederum mit dem „Menschenbild christlicher Prägung(en)“ usw. Bischof Huber betont ebenso die religiösen Wurzeln unserer gleichwohl säkularisierten Gesellschaft "Nur die Religion erklärt mir, warum der Mensch seine Würde nie verlieren kann", sagte Huber in einem "SpiegelGespräch43. wie etwa Bischof Mixa, der unlängst bei der Forderung der Einbeziehung des Gottesbezuges in eine Europäische Verfassung unmissverständlich darauf hinwies, dass die in den großen Rechtsordnungen der Moderne festgeschriebene Unantastbarkeit der Menschenwürde eine Rechtsnorm sei, die genuin aus dem jüdisch-christlichen Erbe stamme44. Eine Woche vor der Papstwahl veröffentlichte die "Süddeutsche Zeitung" am 13. April einen Aufsatz von Joseph Ratzinger, in dem der heutige Papst Benedikt XVI. auf die aktuelle Situation in Europa und auf die Menschenwürde und Menschenrechte eingegangen ist: © 2007 „Unbedingtheit der Menschenrechte als Werte 43 44 Menschenwürde und Siehe dazu EKD – online >>> mehr dazu <<< Quelle: katholisch.de >>> zur Mitteilung <<< v. 30.01.06 56 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Drei wesentliche Dinge dürfen in einem künftigen Europa und seiner Verfassung nicht fehlen: Das erste ist die Unbedingtheit, mit der Menschenwürde und Menschenrechte als Werte erscheinen müssen, die jeder staatlichen Rechtssetzung vorangehen. Günter Hirsch hat mit Recht betont, dass diese Grundrechte nicht vom Gesetzgeber geschaffen noch den Bürgern verliehen werden, "vielmehr existieren sie aus eigenem Recht, sie sind seit je vom Gesetzgeber zu respektieren, ihm vorgegeben als übergeordnete Werte". Diese allem politischen Handeln und Entscheiden vorangehende Gültigkeit der Menschenwürde verweist letztlich auf den Schöpfer: Nur er kann Rechte setzen, die im Wesen des Menschen gründen und für niemanden zur Disposition stehen. Insofern ist hier wesentlich christliches Erbe in seiner besonderen Art von Gültigkeit kodifiziert. Dass es Werte gibt, die für niemanden manipulierbar sind, ist die eigentliche Gewähr unserer Freiheit und menschlicher Größe; der Glaube sieht darin das Geheimnis des Schöpfers und der von ihm dem Menschen verliehenen Gottebenbildlichkeit. So schützt dieser Satz ein Wesenselement der christlichen Identität Europas in einer auch dem Ungläubigen verstehbaren Formulierung. Nun wird heute kaum jemand direkt die Vorgängigkeit der Menschenwürde und der grundlegenden Menschenrechte vor allen politischen Entscheiden verleugnen; zu kurz liegen noch die Schrecknisse des Nazismus und seiner Rassenlehre zurück. Aber im konkreten Bereich des so genannten medizinischen Fortschritts gibt es sehr reale Bedrohungen: Ob wir an das Klonen, an die Vorratshaltung menschlicher Föten zum Zweck der Forschung und der Organspende, an den ganzen Bereich der genetischen Manipulation denken – die stille Auszehrung der Menschenwürde, die hier droht, kann niemand übersehen. Immer wieder werden "gute Zwecke" vorgebracht, um das zu rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist. Dazu kommen in wachsendem Maß der Menschenhandel, neue © 2007 57 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Formen der Sklaverei, das Geschäft mit menschlichen Organen zum Zweck der Transplantation.“45 Das hohe Gut der Würde des Menschen scheint also bedroht zu sein und in diesem Sinne verwundert es nicht, wenn die Neukommentierung von Mathias Herdegen in dem altehrwürdigen Kommentar zum Grundgesetz v. Maunz/Dürig auf reges und vor allem kritisches Interesse anders denkender Verfassungsrechtlicher46 stößt. Bei allem gebotenen Respekt vor den mehr oder minder gewichtigen verfassungsrechtlichen Stimmen in der neueren Gegenwart dürfte es aber letztlich auf den wissenschaftlichen Streit zwischen den Verfassungsrechtlern nur insoweit ankommen, als dass ihre Beiträge und Kommentierungen ebenfalls in der Konsequenz Glaubensbekenntnisse eigener Art darstellen und insofern die Vielfalt der ohnehin noch kaum zu überblickenden Thesen zur Würde des Menschen bereichern werden. Es werden unablässig Stellungnahmen veröffentlicht, um so auf die zentrale Bedeutung der in den Beiträgen enthaltenen Thesen und Interpretationen hinweisen zu können – vielleicht in der Hoffnung, es werde sich die Schar der Anhänger der einen oder anderen Lehrmeinung vergrößern, um so dem Gespenst von der herrschenden Lehre neue Nahrung geben zu können. Mit Blick auf das Selbstbestimmungsrecht des Alterspatienten und dem Anspruch auf einen würdevollen Tod mag es daher um der Bedeutung des Würdeprinzips willen Sinn machen, gebetsmühlenartig darauf hinzuweisen, dass das Selbstbestimmungsrecht (auch) Ausdruck der Würde des © 2007 45 Quelle: ZENIT - Die Welt von Rom aus gesehen. , Joseph Ratzinger: "Die Seele Europas". Für Menschenwürde, Ehe und Familie und das Heilige. ROM, 28. April 2005 (ZENIT.org) 46 Böchenförde, Bleibt die Menschenwürde unantastbar? >>> zum Beitrag (pdf) <<< 58 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Menschen ist und demzufolge die verfassungsrechtliche Lage klar zu sein scheint. Dem Argument von der Würde des Menschen kommt in der Diskussion um die Sterbehilfe eine eminent wichtige Bedeutung bei. Allein die Inbezugnahme der Würde des Menschen als oberstes Wertprinzip unserer Verfassung zeitigt die unweigerliche Konsequenz, dass bei einer Berufung hierauf nicht nur die unterfassungsrechtlichen Rechte, sondern auch die Grundrechte dergestalt „instrumentalisiert“ werden, als dass die Würde des Menschen nicht abwägbar ist und demzufolge alle die mit ihr konfligierenden Grundrechte sich der hohen Bedeutung des Rechtsguts Würde unterzuordnen haben. Die Folgen in dem Kulturkampf um den würdigen Tod eines Wachkomapatienten sind denn auch unübersehbar. In weiten Teilen der Rechtsprechung47 bemüht man sich nicht einmal mehr um einen verfassungsdogmatischen Begründungsversuch, zumal der Verweis auf das Würdeargument scheinbar jedwede weitere Diskussion entbehrlich machen soll. Hier offenbart sich das eigentliche Dilemma zeitgenössischer Interpretation in unserer von einem Wertewandel heimgesuchten offenen und vor allem pluralistischen Gesellschaft. Die Würde des Menschen als ein objektiver Verfassungsbegriff gerät so in die bedenkliche Nähe einer diffusen Metapher und allein der Rückgriff auf die Würde des Menschen verpflichtet die Rechtsgenossen unserer Rechtsgemeinschaft, sich diesem hohen Rechtsgut unterzuordnen. © 2007 Im Fall der Wachkomapatienten wird die Inpflichtnahme der Ärzte und Pflegenden denn auch besonders deutlich. Es wird noch nicht einmal mehr phantasievoll auf der Klaviatur der hoch abstrakten 47 So auch Dreier mit Hinweis darauf, dass „gegen derartige Tendenzen einer »sinnverflachenden Inhaltsentleerung« ... auch die Judikatur nicht vollständig gefeit (scheint), die nicht immer ... der Inflationierungsgefahr widersteht“, in Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2004, Hrsg. H. Dreier, Art. 1 I Rdnr. 48 59 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Verfassungsnormen mit den widerstreitenden Thesen gespielt, sondern der XII. Zivilsenat des BGH verweist in seinem Beschluss v. 08.06.2005 lediglich darauf, dass den Mitarbeitern „auch kein Verweigerungsrecht zu(stand), das sich aus den in Art. 1, 2 und 4 GG verbürgten Rechten der Beklagten oder ihrer Pflegekräfte ableiten ließe. Zwar sind die Pflegekräfte der Beklagten auch in ihrer beruflichen Tätigkeit Träger der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG). Das bedeutet jedoch nicht, dass damit auch ihre ethischen oder medizinischen Vorstellungen vom Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 GG umfasst sind oder mit dem verlangten Unterlassen in diesen Schutzbereich eingegriffen würde48. Ein Verstoß gegen Art. 2 GG ist nicht ersichtlich; insbesondere fand das Selbstbestimmungsrecht der Pflegekräfte am entgegenstehenden Willen des Klägers bzw. des für ihn handelnden Betreuers - also an den "Rechten anderer" (Art. 2 Abs. 1 GG) - ihre Grenze. Die Frage, ob das Verlangen des Klägers die Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) des Pflegepersonals berührte, kann letztlich dahinstehen. Soweit das Strafrecht die künstliche Ernährung eines willensunfähigen Patienten gebietet49, bedarf es eines Rückgriffs auf Art. 4 Abs. 1 GG nicht; niemand darf zu unerlaubten Handlungen gezwungen werden. Im Übrigen verleiht die Gewissensfreiheit dem Pflegepersonal aber kein Recht, sich durch aktives Handeln über das Selbstbestimmungsrecht des durch seinen Betreuer vertretenen Klägers hinwegzusetzen und seinerseits in dessen Recht auf körperliche Unversehrtheit einzugreifen50.“ © 2007 48 Hier beruft sich der BGH auf Hufen in einer nicht veröffentlichten gutachtlichen Stellungnahme zu der angefochtenen Entscheidung; zum Maßstab für einen Eingriff in die Menschenwürde vgl. etwa BVerfGE 30, 1, 26 49 Wird näher unter Ziff. 2 des Beschlusses begründet. 50 Hufen NJW 2001, 849, 853 60 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Mit diesen wenigen Sätzen hat der BGH in seinem Beschluss fundamentale Grundrechte angesprochen und ein halbwegs nachvollziehbarer Abwägungsprozess im Rahmen des gebotenen Prinzips der praktischen Konkordanz über konfligierende Grundrechtspositionen wird schmerzlich vermisst. Zwar konzediert der BGH immerhin, dass die Pflegekräfte auch Träger der Menschenwürde sind, wenngleich hieraus aber nicht der Schluss zu ziehen sei, dass damit ihre ethischen und medizinischen Vorstellungen vom Schutzbereich des Art. I 1 GG umfasst seien oder mit dem verlangten Unterlassen der künstlichen Ernährung in diesen Schutzbereich der Pflegenden nicht eingegriffen würde. Warum eigentlich nicht? Die entscheidende Antwort bleibt der XII. Zivilsenat schuldig, zumal doch dem BGH bekannt sein dürfte, dass er mit dem Hinweis darauf, dass auch die Pflegenden Träger der Menschenwürde sind, ein echtes verfassungsdogmatisches Problem offenbart hat. Wenn sowohl der Wachkomapatient und die Pflegenden resp. die Ärzte Träger der Menschenwürde sind, wäre hier eine Kollision auf höchster Ebene zu lösen gewesen: Würde gegen Würde und zwar trotz des grammatikalischen Wortlauts in Art. I 1 GG, wonach die Menschenwürde unantastbar sei. Warum aber damit die ethischen und medizinischen Vorstellungen der Pflegenden nicht vom Schutzbereich des Art. I 1 GG umfasst seien, ist im wahrsten Sinne des Wortes eine „nicht interpretierte These des BGH“, die aufzustellen er nur deswegen in der Lage ist, weil der erkennende Senat beim BGH offensichtlich seine ethischen, moralischen und medizinischen Vorstellungen in den Normbereich des Art. I 1 GG hat einfließen lassen, zumal es nach wie vor keinen (verbindlichen) objektiv feststellbaren Norminhalt über die Würde des Menschen beim oder im Sterben gibt. Weder die Verfassungsväter und Mütter haben hierzu Stellung bezogen, noch das Bundesverfassungsgericht. Der (objektive) Wille der Verfassungsväter lässt sich demzufolge nur subjektiv durch die Verfassungsinterpreten beim BGH erschließen und somit ist die Feststellung des BGH höchst subjektiver Natur, die nicht © 2007 61 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? notwendigerweise dem ethischen und medizinischen Norminhalt des Art. I 1 GG entsprechen muss. Der normative Rang und der Anspruch auf die Absolutheit der Menschenwürdegarantie weist demzufolge eine Tendenz zur Trivialisierung auf und mündet so in eine „Floskel für Sonntagsredner“ (Hilgendorf)51. Andererseits ist nicht zu übersehen, dass bei Grundrechtskonflikten die Inanspruchnahme der Menschenwürdegarantie „zu einem probaten Problemlöser auch für hochkomplexe und epochale Entwicklungsprozesse“ (Dreier)52 führen kann, wodurch dann eine unübersteigbare Hürde für konfligierende Grundrechte anderer Grundrechtsträger aufgebaut wird. Nun soll hier mit der Kritik an der Rechtsprechung des BGH und anderen Norm- und Verfassungsexergeten keinesfalls behauptet werden, dass es sich bei den Senatsmitglieder oder Autoren um „Sonntagsredner“ handelt. Anzumahnen ist aber der zuweilen unkritisch und unreflektierte Gebrauch des Würdearguments, wie sich u.a. auch in der Schockwerbung für Benetton zeigt(e) und es muss bei Berufung auf die Würde des Menschen ein beachtliches Maß an juristischer Argumentationslast demjenigen aufgebürdet werden, der sich hierauf beruft, wenn und soweit es darum geht, in einem konkreten Einzelfall einen durchaus gewichtigen Grundrechtskonflikt zweier subjektiver Grundrechtsträger zu lösen oder jedenfalls in Teilen zu harmonisieren. © 2007 Der Hinweis des BGH im Wachkomapatienten-Fall, wonach die Frage, 51 Hilgendorf, Die mißbrauchte Menschenwürde. Probleme des Menschenwürdetopos am Beispiel der bioethischen Diskussion, in Jahrbuch für Recht und Ethik 7 (1999), S. 137ff. (138) 52 Dreier, Grundgesetz, aaO., Art. 1 I Rdnr. 46 62 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? ob „das Verlangen des Klägers die Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) des Pflegepersonals berührte, ... letztlich dahinstehen (kann)“, offenbart deutlich das Problem zeitgenössischer Grundrechtslösung in einem konkret individuellen Rechtsstreit. Diese Frage kann eben nicht „dahinstehen“ und demzufolge unbeantwortet bleiben, da es sich immerhin bei der Gewissensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG um ein Grundrecht handelt, dass (zunächst) vorbehaltlos gewährleistet ist und Eingriffe hierin einen besonderen Legitimationsgrund erfordern! Dem BGH konnte dieser Schluss nur gelingen, weil er durchaus geschickt mit einem minimalen Argumentationsaufwand darauf Bezug nimmt, dass wenn und soweit das Strafrecht eine künstliche Ernährung des Patienten gebietet, es auf einen Rückgriff auf die Gewissensfreiheit nicht ankomme, da niemand zu unerlaubten Handlungen gezwungen werden dürfe. Dem ist in der Tat so und auch die sich hieran anschließende Feststellung des BGH, wonach im übrigen die Gewissensfreiheit dem Pflegepersonal kein Recht eröffnet, durch aktives Handeln über das Selbstbestimmungsrecht des Patienten hinwegzusetzen, um so seinerseits in das Recht der körperlichen Unversehrtheit des Patienten einzugreifen, ist für sich genommen plausibel. Aber die Plausibilität dieses Schlusses ergibt sich allein daraus, dass hier das Pflegepersonal aktiv gehandelt hat, in dem es die künstliche Ernährung des Wachkomapatienten fortgesetzt hat, obgleich es einen anders lautenden Willen des nicht mehr äußerungsfähigen Patienten durch den Betreuer gab. © 2007 Hierbei dürfte außer Frage stehen, dass jedweder Eingriff in die körperliche und psychische Integrität und Konstitution zunächst der Einwilligung des Patienten bedarf; dies gilt freilich auch für den medizinischen Heileingriff, so dass der Patient überhaupt davon Abstand nehmen kann, sich in therapeutisch zwingend angeratenen Fällen behandeln zu lassen. Der Patientenwille als 63 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? wohlverstandener Ausdruck seines ihm ohne Frage zukommenden Selbstbestimmungsrechtes ist oberste Richtschnur für eine noch so gutgemeinte und im (vermeintlichen und daher paternalistischen) Interesse des Patienten liegenden scheinbar notwendigen Heilbehandlung. Dies wird die Rechtsordnung in allen Teilen des Rechts akzeptieren müssen und zwar aus durchaus guten Gründen. Der ärztliche wohlverstandene Paternalismus im Sinne einer Fürsorge für die ihm sich anvertrauenden Patienten und demzufolge auch die staatliche Schutzpflicht mit seinem (paternalistischen) Rechtsschutz endet dort, wo der Patient selbstbestimmt über den Beginn, den Verlauf und ggf. auch den Abbruch einer medizinischen Behandlungsmaßnahme bestimmt. Insofern hat der BGH durchaus Recht mit seiner Feststellung, dass dem Pflegepersonal ein aktives Handeln ebenso wenig ermöglicht wird wie dem ärztlichen Therapeuten. Nimmt man unsere Grundrechte und dort in erster Linie das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ernst, kann es keinen Raum für einen ärztlichen und/oder pflegerischen Paternalismus geben, der in der Folge dazu führen würde, dass der Patient entgegen seiner nachhaltigen Willensbekundung mit einer anderen Entscheidung „zwangsbeglückt“ wird. Dieser normative Grundkonsens reicht aber nur soweit, wie er auf den konkret individuellen Fall zutrifft. Das schlichte Unterlassen und das Verweigern einer der das Gewissen der Ärzte und Pflegenden belastenden, aber gleichwohl vom Patienten gewünschten Behandlung erfordert eine weitaus intensivere verfassungsrechtliche Argumentation. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ist ohne Frage ein sehr hohes Gut, welches es zu bewahren und letztlich auch weiter abzusichern gilt. © 2007 Die entscheidende Frage lautet also, ob dass Selbstbestimmungsrecht des Patienten in Verbindung mit dem Würdeargument dazu führen kann, dass in der Folge etwa das Grundrecht der Ärzte und Pflegenden auf ihre Gewissensfreiheit auf Null reduziert wird und demzufolge auch eine schlichte 64 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Unterlassung verfassungsrechtlich ohne Belang wäre oder mit den Worten des BGH gewendet, dahinstehen könne? Ich meine nein, weil das Selbstbestimmungsrecht des Patienten und freilich auch des Wachkomapatienten sich unweigerlich als Fremdbestimmung über andere Grundrechtsträger erweisen würde, so dass für einen inhaltsbezogenen Grundrechtsgebrauch etwa aus Art. 4 Abs. 1 GG den Ärzten und Pflegenden kein Raum mehr verbliebe. Den Befürwortern der Sterbehilfe im weiten Sinn gelingt ihre Interpretation von der Inpflichtnahme der Ärzte und Pflegenden (nur) deshalb, weil sie sich einer unkritischen und unreflektierten Lesart von der Würde des Menschen und damit des Patienten bedienen, um so dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten an seinem Lebensende ein entscheidendes Gewicht beimessen zu können: Die unantastbare Würde. Man wird es in der Diskussion schwer haben, dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten auf der Grundlage der Staatsfundamentalnorm des Art. 1 Abs. 1 GG Grenzen ziehen zu können, und zwar insbesondere solche Grenzen, die aus den (Grund)Rechten Anderer resultieren. Das gewichtige Pfund von der Würde (eines einzelnen) Menschen droht so die Grundrechtspositionen der Ärzte und Pflegenden zu erdrücken, ohne dass es offensichtlich hier zu einer Abwägung zwischen den Grundrechten der Grundrechtsträger kommen soll. © 2007 Es ist hier eine deutliche Zurückhaltung anzumahnen, was einerseits die unmittelbare Ableitung von zwingenden gesetzlichen Verboten53, aber auch scheinbaren Geboten aus dem Menschenwürdeargument anbelangt. Dies gilt in erster Linie deswegen, weil zugleich aus der Unantastbarkeit der Menschenwürde das zentrale Argument für ihre ausnahmslose Unabwägbarkeit folgt und demzufolge ist die Würde des 53 Vgl. Dreier, Grundgesetz, aaO., Art. 1 I Rdnr. 78 mit weiteren Nachweisen 65 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Menschen aus Art. 1 Abs. 1 GG jeder Abwägung mit anderen Werten von Verfassungsrang entzogen54. Dies zeitigt die bedeutsame Konsequenz, dass eine Antastung der Menschenwürde auch nicht durch die Berufung auf möglicherweise konfligierende Grundrechte Dritter oder sonstige verfassungskräftige Rechtspositionen (etwa die Sicherheit vor den Terrorgefahren) gerechtfertigt werden kann, mal von der prinzipiellen Möglichkeit der Würdekollision zweier Grundrechtsträger ganz abgesehen, wo die Pflichtenkollision durchaus zu höchst problematischen Lösungen führen kann55. Auch wenn hier nicht die offensichtlich ganz herrschende Lehre von der Unabwägbarkeit der Würde des Menschen vertreten wird, kann gleichwohl hieraus in erster Linie der Schluss gezogen werden, dass eben der Berufung auf die Würde des Menschen aus verfassungsdogmatischer und auch –theoretischer Sicht 54 So wohl die herrschende Meinung: siehe dazu Dreier, ebenda, Rdnr. 132 u. Rdnr. 44 m.w.N. aus Literatur und Rechtsprechung. Vgl. auch Starck, in Kommentar zum Grundgesetz, Band I, 5. Aufl. 2005, Art. 1 Abs. 1 Rdnr. 35, wonach eine Abwägung und gegebenenfalls eine Einschränkung verlassungsrechtlich erlaubt ist, soweit Menschenwürdeschutz gegen Menschenwürdeschutz steht. 55 Die Problematik um den Schwangerschaftsabbruch ist geradezu paradigmatisch für den Fall, dass auf höchster Ebene das höchste Gut in der Verfassung, namentlich die Würde des Menschen (Embryo, Fötus, Mutter) miteinander kollidieren können, jedenfalls dann, wenn man das Menschenwürdeargument konsequent zur Anendung bringt. In diesem Sinne hat Dreier durchaus Recht mit seiner Annahme, dass der Rekurs auf die Menschenwürde zur weitgehenden Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen über den Schwangerschaftsabbruch hätte führen müssen. U.a. die Urteile des BVerfG zum Schwangerschaftsabbruch widerlegen also letztlich eindrucksvoll die mancherorts geäußerte These, dass eine Abwägung mit der Würde nicht möglich sei; das Bundesverfassungsgericht hat hier in den beiden Urteilen eine (vermittelnde) Präferenzentscheidung zu treffen gesucht, ohne dass es dem Gericht wirklich gelungen ist. Das Menschenwürdeargument scheint jedenfalls vom Lebensrecht des Menschen entkoppelt zu sein (so auch Dreier, in Grundgesetz, aaO., Art. 1 I Rdnr. 67) © 2007 66 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? durchaus Grenzen gesetzt sind, da anderenfalls jedwedes Argument von der Würde des Menschen unsere Verfassung mit den Grundrechten und anderen tragenden Fundamentalprinzipien buchstäblich aus den Angeln heben würde. In diesem Sinne wird denn auch hier für die Zurückhaltung bei der Berufung auf das (dogmatische) Argument von der Menschenwürde geworben, da die Konsequenzen bei einer in die Beliebigkeit des Interpreten gestellten Interpretation unausweichlich sind: Der reale individuelle Rechtskonflikt etwa eines Wachkomapatienten dient einerseits zum Zwecke der Instrumentalisierung einer individuellen Verfassungsinterpretation und andererseits dient er zur Begründung der Inpflichtnahme des Dritten, sich strikt an eine nicht von der Verfassung als verpflichtend vorgegebene (Pflege)Ethik orientieren zu müssen. So sehr die These auch überzeugen mag, dass das „Sterbenlassen ... zur Herausforderung gerade für die Pflege in Pflegeheimen (wird)“, kann hieraus nicht der Schluss gefolgert werden, dass es die „Pflege ... aus ethischer Überzeugung tragen (muss) und nicht getrieben von juristischem Zwang“56. Mit anderen Worten: wenn und soweit der Pflegende oder der Arzt das wie auch immer geartete Sterbenlassen des Wachkomapatienten nicht aus ethischer Überzeugung trägt, sei juristischer Zwang geboten. Eine solche Auffassung verkennt vollends die Tragweite und Bedeutung der Grundrechte, aber auch den konsentierten Inhalt der Staatsfundamentalnorm in Art. 1 des Grundgesetzes jedenfalls innerhalb der (geschlossenen) Gesellschaft der Verfassungsinterpreten. Bezeichnenderweise räumen in der Regel die Kommentatoren zum Verfassungsrecht auch gleich zum © 2007 56 Putz, Patientenrechte am Ende des Lebens, Vortrag auf dem 5. Deutschen Medizinrechtstag der Stiftung Gesundheit – Recht und Ethik in der Medizin- v. 17.- 18.09.2004, S. 12, 13 67 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Beginn ihrer Kommentierungen (bereitwillig) ein, dass Verständnis, Auslegung und Konkretisierung des Art. 1 Abs. 1 GG jeden Rechtsanwender vor besondere Probleme stellen, die über den Normfall der Interpretation unbestimmter, offener Normen auch und gerade des Verfassungsrechts hinausgehen. „Das liegt vor allem am ethisch-philosophischen Gehalt des MenschenwürdeSatzes, der gleichwohl als positivierte Verfassungsnorm in einer weltanschaulich neutralen Rechtsordnung Geltung unabhängig von einem bestimmten Glauben, einer bestimmten Ethik oder Philosophie Geltung beansprucht“57. Es überzeugt, wenn die Lehre davon (zunächst) ausgeht, dass Verfassungsinterpretation keine Philosophie ist58, wenngleich die Überzeugungskraft solcher Feststellungen unversehens binnen weniger Zeilen wieder zur Disposition gestellt wird, in dem darauf verwiesen wird, dass die mancherorts geführte Klage über die Last der Philosophiegeschichte, die an der Menschenwürdegarantie hafte, verwundern müsse59. Dies verwundert in der Tat, ist doch unsere Verfassung und damit auch der Grundrechtskatalog ein Spiegelbild fortwährender Kulturkämpfe um das hohe Gut der Freiheit, der Autonomie und damit freilich auch dem Selbstbestimmungsrecht in einer säkularisierten Gesellschaft, in der sich eine Pluralität von Würdekonzepten widerspiegelt und die zugleich einer Harmonisierung bedürfen. Wenn wir redlich sein wollen, müssen wir uns den fortwährenden Kampf um die Menschenwürdegarantie die Würde eines jeden Einzelnen stets ins Bewusstsein rufen, um so auch die Schranken und Grenzen einer emanzipatorischen, mehr noch – einer kategorisch imperativen – Inanspruchnahme mitdenken zu können. © 2007 57 So etwa Dreier, Grundgesetz, aaO., Art. 1 I Rdnr. 1; ebenso Starck, Grundgesetz, aaO., Art. 1 Abs. 1 Rdnr. 3 jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Literatur 58 So Starck, ebenda, Art. 1 Abs. 1 Rdnr. 4 59 Starck, ebenda 68 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Wer Freiheit, Selbstbestimmung, Autonomie und Würde für sich reklamiert, muss diese auch dem Dritten konzedieren, ohne dass damit das individuelle Würdekonzept zum Präferenzprinzip erhoben und damit der egoistische Anspruch begründet wird, sein (!) Würdekonzept habe Eingang in die Verfassung gefunden. Da der Staat nicht um seiner Selbst willen besteht (hieran scheint er gelegentlich zu erinnern sein), kommt ihm die eminent wichtige Aufgabe zu, die differenten Menschenwürdekonzepte und – begriffe miteinander zu harmonisieren60. Der Staat übernimmt die moderne Rolle eines Mediators und entwickelt hierbei ein Würdekonzept, dass sowohl statische als auch dynamische Elemente enthalten kann, ja sogar enthalten muss, will er auch der Verfassungswirklichkeit positiv Rechnung tragen. Beispiele, die das eigentliche Dilemma zeitgenössischer Würdekonzepte und ihre Lösungen für so manche Rechtsfrage offenbaren, gibt es genug. Erinnert sei hier nur an die Peepshowurteile des Bundesverwaltungsgerichts, an die Prostitution und höchst aktuell mal wieder an die Leichenpräsentation v. Hagens, der in einer von Arbeitslosigkeit stark gebeutelten Region eine Werkstatt zur Plastination einrichten möchte. Der Verfassungsbegriff von der Würde des Menschen wird argumentativ belebt und eine Schar von individuellen Bereichsethikern mit ihren Moralvorstellungen zieht in die Schlacht des bevorstehenden Kulturkampfes um den Wert oder Unwert der Plastination menschlicher Leichen, so wie es vielleicht Sinn für einen Beschwerdeführer gemacht haben möge, sich auf die Verletzung seiner Würde zu berufen, in dem eine Verwaltungsbehörde in einem maschinell erstellten © 2007 60 Anders wohl Starck, der erst dieser Frage Bedeutung beimessen will, wenn die historische Entwicklungslinie der Menschenwürdebegriffe nicht zum Erfolg führt: Erst dann wäre daran zu denken, die philosophischen Menschenwürdebegriffe auf ein gemeinsames Minimum zu untersuchen und dieses der Interpretation des Art. 1 Abs. 1 GG zugrunde zu legen, Starck, Grundgesetz, aaO., Art. 1 Abs. 1 Rdnr. 4 69 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Verwaltungsakt seinen im Namen enthaltenen Umlaut mit –e geschrieben hat. Aber mit Verlaub – derartige Würdekonzepte sind zwar tolerierbar, aber dennoch denkbar ungeeignet, um ein tragfähiges, auf Konsens angewiesenes und damit der Verfassung entsprechendes Würdekonzept zu begründen, dass zuvörderst den Anspruch erhebt, einen Grad an Verbindlichkeit zu produzieren, dem dann sowohl die Staatsmacht als auch das Staatsvolk gleichermaßen (einstweilen) unterworfen ist. Partikularinteressen mögen zwar ihre Rechtfertigung in der Würde des Menschen finden, wenngleich hiermit nicht zum Ausdruck gebracht ist, dass hieraus gleichsam das Fundament der Würdegarantie einen stetigen Ausbau mit normativer Verbindlichkeit erfahren muss, an der dann die Rechte Dritter zwangsläufig scheitern müssen. Sofern also die Bereichsethik in Gestalt einer Pflegeethik eine neue (Rechts)Kultur des Sterbens einzufordern versucht, ist dies legitim, wenn und soweit damit nicht zugleich der emanzipatorische Anspruch einhergeht, diese Bereichsethik als verpflichtend einzuführen. Einer solchen quasi Recht setzenden Macht kommt weder der Philosophie, der Religion, der Naturwissenschaft noch anderen (Geistes)Strömungen zu; sie konkurrieren vielmehr miteinander und der Staat hat um seiner bedeutsamen Aufgabe willen, die Menschenwürde aktiv zu achten und zu schützen, eine Mediatorenrolle mit Blick auf die Harmonisierung der insoweit miteinander konfligierenden Würdekonzepte und damit den Grundrechten überhaupt ein- und wahrzunehmen. © 2007 Von daher ist es durchaus sympathisch, wenn der Naturwissenschaftler und der Philosoph an die Grenzen seiner Offenbarungsquellen stößt, wenn es um die Konstruktion eines neuen „Menschenbildes“ geht und wiederum die Religion mit ihrem transzendenten Bezug sich dem wissenschaftlichen Diskurs zu 70 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? stellen hat, wenn es um die Grenzfragen am Anfang und Endes des Lebens geht. Allen Protagonisten der differenten Würdekonzepte bleibt es unbenommen, sich in einem höchst spannenden Kulturkampf zu Worte zu melden, aber mit Verlaub stets in dem Bewusstsein, nicht mit ihren Argumenten immer und sofort Eingang in das Würdekonzept der Staatsfundamentalnorm des Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz zu finden, dass mit einem ungeheuren Grad an Rechtsverbindlichkeit auf ewig festgeschrieben und garantiert ist. Eine verfassungsstaatlich verordnete Kultur des Sterbens mit einer entsprechenden kollektiven Zwangsverpflichtung kann und wird es nicht geben und demzufolge sollte der Blick der Bereichsethiker mit ihrem emanzipatorischen Anspruch auf durchaus praktische Fragen gerichtet werden, wie der Konflikt im Konflikt bei der Hilfe im Sterben zu lösen ist. Nach diesseitiger Auffassung eröffnet Art. 4 des Grundgesetzes vielmehr den Ärzten und den Pflegenden ein vorbehaltloses (Grund)Recht (auch) zum ethischen Ungehorsam, dass es zu akzeptieren gilt. Mag auch der Wunsch nach einer einheitlich verpflichtenden Pflegeethik als Beleg für einen sichtbaren Erfolg auf dem mühseligen Weg der Professionalisierung der Pflegeberufe angesehen werden, so sind doch diesem Wunsche beachtliche verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. In diesem Sinne ist diesseits an anderer Stelle eine Lösung vorgeschlagen wurde, die sich durchaus als konsensfähig erweisen könnte. © 2007 So wie die drei Staatsgewalten zur religiösen Neutralität in unserer säkularisierten Gesellschaft verpflichtet sind, so sind diese gleichsam zur Neutralität in ethischen Grundfragen unserer Gesellschaft verpflichtet und aufgrund ihres Schutzauftrages dazu aufgerufen, die einzelnen Grundrechtsträger vor den Folgen einer Zwangskollektivierung mit Blick auf eine pflegespezifische Bereichsethik zu schützen. 71 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? In diesem Sinne geht es aber freilich nicht um die Frage, ob die traditionelle abendländische Ethik zusammengebrochen ist (Singer)61, sondern allenfalls um die Einsicht, dass die christliche Kirche nicht mehr das Monopol in Sachen Weltanschauung, Werte und ethische Orientierung für sich reklamieren kann62. Die christliche Theologie und Kirche ist nach wie vor eine gesellschaftlich relevante Größe in unserem säkularisierten Gesellschaftssystem und diese bleibt ebenso wie andere philosophischen Strömungen aufgerufen, ihr Wertdenken in einem argumentativen Diskurs unter Bezug auf universell konsensfähige Prinzipien einzubringen63. Gerade in dem Bemühen, die Wertekonzepte Andersdenkender in das ureigene Konzept von der Würde des Menschen zu integrieren, zeigt sich die gebotene Toleranz auf der Suche nach dem konsensfähigen Inhalt einer normativ verbindlichen Menschenwürdegarantie. Ohne Toleranz in dem Diskurs über die Grenzfragen am Beginn und Ende des menschlichen Lebens geht in der Debatte die Würde und das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen verlustig und der Kampfruf64 „Wer die Ethik nicht fühlen will, muss das Recht hören“65 ist lediglich nach diesseitiger Auffassung eine nicht ganz unbedenkliche These, bei der der Wunsch der Vater des 61 © 2007 P. Singer, Leben und Tod, 1998, S. 7 62 Der Mensch und sein Tod, Grundsätze der ärztlichen Sterbebegleitung, Fakultätsgutachten der Theologischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald für die Pommersche Evangelische Kirche (2001), Bl. 34 Quelle: Kirche-MV: >>> zum Fakultätsgutachten (pdf) <<< 63 Fakultätsgutachten, ebenda 64 So F. Hufen, Erosion der Menschenwürde, in Juristenzeitung (JZ) 2004, S. 313 ff. (S. 319 Anm. 53) 65 U. Riedel, Wer die Ethik nicht fühlen will, muss das Recht hören, in F.A.Z. v. 07.05.01 mit Blick auf die Embryonenforschung 72 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Gedankens war. Es geht in der Diskussion nicht um eine Ethik, die zu fühlen sei, sondern um höchst individuelle Werte in einem staatsfreien Raum, die von dem Recht einschließlich des Verfassungsrechtes nicht vorgegeben werden können, sondern vielmehr vom Staat zu achten und zu schützen sind. Das subjektive (Rechts)Verständnis von der eigenen Ethik mit vorgeblicher Verbindlichkeit findet freilich dort seine Grenze, wo die Partikularethik mit anderen Ethiken kollidiert oder zu kollidieren droht, so dass der Gesetzgeber oder in Ersetzung dessen die Judikative gehalten ist, einen schonenden Ausgleich der widerstreitenden Ethiken und Moralen vorzunehmen, die sich dann in den einzelnen Rechts- und Verfassungsnormen widerspiegeln. Menschenwürde ist ein interdisziplinär zu erarbeitender Begriff66, der sich aus einem Erbe verschiedenster Strömungen und darauf beruhender Konzepte und einem offenen Tatbestand künftiger Werte zusammensetzt. Problematisch scheint allenfalls zu sein, dass wir das Erbe etwa großer Philosophen, Anthropologen und Theologen nicht wie im Privatrecht ausschlagen dürfen, obwohl das Urteil darüber, was der Würde des Menschen entspricht, nur auf dem jetzigen Stande der Erkenntnis beruhen und keinen Anspruch auf zeitlose Gültigkeit erheben kann67. Diesen Spagat zwischen dem verfassungsrechtlich bedeutsamen Erbe68 und den auf uns unweigerlich zurollenden Kulturkampf um das Leben und Tod können wir zumindest in einem staats- und interessenfreien Raum unseres Gewissens vollziehen, der jedweden Instrumentalisierungsversuchen versperrt bleibt. Insofern besitzen wir in der Tat ein ethisches Recht zum © 2007 66 P. Häberle, Menschenwürde und Verfassung..., in Rechtstheorie II (1980), S. 389 ff. (S.424) 67 BVerfGE 45, 187(229) 68 Bezeichnenderweise geht man ganz überwiegend in der verfassungsrechtlichen Literatur von dem geistigen Erbe aus, dass letztlich auf die Gegenwart wirkt: vgl. statt vieler Starck, Grundgesetz, aaO., Art. 1 Abs. 1 Rdnr. 5; welchen Einfluss die Präambel hierauf hat, soll einstweilen hier unerörtert bleiben. 73 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? subjektiven Ungehorsam, wenn wir nicht unter Aufgabe unseres Gewissens und eigener Werte unversehens in die ethische Gemeinschaft eingemeindet werden wollen. Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes bietet uns einen exklusiven und verfassungsrechtlich geschützten Raum, die individuelle Gewissensentscheidung auch tatsächlich zu leben, so dass es den Ärzten und den Pflegenden anheim gestellt ist, ihre Einstellung zur Sterbehilfe zu offenbaren, die dann jedenfalls Gehör in einem rechtsstaatlichen Verfahren finden muss. Mehr noch – bei all seinen künftigen Regelungen zur Sterbehilfe wird der Gesetzgeber den Grundrechtsträgern die Möglichkeit eröffnen müssen, dass ihre Gewissensentscheidung diese nicht in einen Konflikt mit der Rechtsordnung bringt69. Die Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit Dritter wird sich daher stets als mitgedachte Schranke und Grenze bei der Ausformung des Selbstbestimmungsrechtes des sterbewilligen Patienten erweisen müssen und zwar unter der Maßgabe, dass alle konfligierenden Grundrechte der Beteiligten im Kern und damit in ihrem Wesensgehalt unangetastet bleiben. In dem bevorstehenden Kulturkampf um die Würde und das Selbstbestimmungsrecht des Menschen und über die (neue) Grenzziehung des menschlichen Lebens an seinem Anfang und Ende müssen wir nicht das Recht hören (und mit möglichen 69 © 2007 Siehe dazu auch Kämpfer, aaO. (Fn. 7), S. 341, der allerdings zunächst (wohl einschränkend) davon ausgeht, „dass der Staat allerdings der Religions- und Gewissenfreiheit von Ärzten und Pflegepersonal dadurch Rechnung tragen (darf), dass er die Verweigerung der Mitwirkung an einer passiven Sterbehilfe erlaubt, insbesondere wenn sie nicht lediglich eine Unterlassung, sondern aktiven Handeln von den Beteiligten verlangt (z.B. bei der langsamen Reduzierung künstlicher Ernährung und begleitender palliativer Pflege)“. Dies ist m.E. ein richtiger Ansatz, wenngleich der Gesetzgeber hierzu nach meinem Verfassungsverständnis und der Bedeutung des Art. 4 GG verpflichtet ist; insoweit besteht für den Gesetzgeber kein Ermessens- und Gestaltungsspielraum. 74 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Sanktionen nachhaltig spüren), weil wir nicht die scheinbar verpflichtende Pflegeethik fühlen, sondern das Recht und damit der Gesetzgeber und in Ersetzung dessen die Judikative bleibt aufgefordert, die individuelle Gewissensentscheidung in einem konkret individuellen Konflikt gebührend Rechnung zu tragen und diese nicht „dahingestellt sein lassen“. Das Bundesverfassungsgericht hatte in jüngster Zeit (BVerfG, 1 BvR 357/05 vom 15.2.2006) erneut die Gelegenheit gehabt, sich mit dem hohen Gut der Menschenwürde auseinanderzusetzen. Bekanntermaßen hatte der Gesetzgeber den untauglichen Versuch im Luftsicherheitsgesetz unternommen, durch unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ein Luftfahrzeug abzuschießen, das gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll. Wir schulden dem Bundesverfassungsgericht insofern Dank, als dass wir als Tatunbeteiligte den vollen Schutz des Grundgesetzes genießen und dadurch nicht unversehens Opfer des Gesetzgebers in der Zukunft hätten werden können. „b) § 14 Abs. 3 LuftSiG steht darüber hinaus im Hinblick auf die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG (aa) auch materiell mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht in Einklang, soweit er es den Streitkräften gestattet, Luftfahrzeuge abzuschießen, in denen sich Menschen als Opfer eines Angriffs auf die Sicherheit des Luftverkehrs im Sinne des § 1 LuftSiG befinden (bb). Nur soweit sich die Einsatzmaßnahme des § 14 Abs. 3 LuftSiG gegen ein unbemanntes Luftfahrzeug oder gegen den- oder diejenigen richtet, denen ein solcher Angriff zuzurechnen ist, begegnet die Vorschrift keinen materiellverfassungsrechtlichen Bedenken (cc). © 2007 119 aa) Das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht auf Leben steht gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG 75 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? unter dem Vorbehalt des Gesetzes (vgl. auch oben unter C I). Das einschränkende Gesetz muss aber seinerseits im Lichte dieses Grundrechts und der damit eng verknüpften Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG gesehen werden. Das menschliche Leben ist die vitale Basis der Menschenwürde als tragendem Konstitutionsprinzip und oberstem Verfassungswert (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 72, 105 <115>; 109, 279 <311>). Jeder Mensch besitzt als Person diese Würde, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seinen körperlichen oder geistigen Zustand, seine Leistungen und seinen sozialen Status (vgl. BVerfGE 87, 209 <228>; 96, 375 <399>). Sie kann keinem Menschen genommen werden. Verletzbar ist aber der Achtungsanspruch, der sich aus ihr ergibt (vgl. BVerfGE 87, 209 <228>). Das gilt unabhängig auch von der voraussichtlichen Dauer des individuellen menschlichen Lebens (vgl. BVerfGE 30, 173 <194> zum Anspruch des Menschen auf Achtung seiner Würde selbst nach dem Tod). 120 Dem Staat ist es im Hinblick auf dieses Verhältnis von Lebensrecht und Menschenwürde einerseits untersagt, durch eigene Maßnahmen unter Verstoß gegen das Verbot der Missachtung der menschlichen Würde in das Grundrecht auf Leben einzugreifen. Andererseits ist er auch gehalten, jedes menschliche Leben zu schützen. Diese Schutzpflicht gebietet es dem Staat und seinen Organen, sich schützend und fördernd vor das Leben jedes Einzelnen zu stellen; das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen An- und Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 46, 160 <164>; 56, 54 <73>). Ihren Grund hat auch diese Schutzpflicht in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG, der den Staat ausdrücklich zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde verpflichtet (vgl. BVerfGE 46, 160 <164>; 49, 89 <142>; 88, 203 <251>). © 2007 121 76 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Was diese Verpflichtung für das staatliche Handeln konkret bedeutet, lässt sich nicht ein für allemal abschließend bestimmen (vgl. BVerfGE 45, 187 <229>; 96, 375 <399 f.>). Art. 1 Abs. 1 GG schützt den einzelnen Menschen nicht nur vor Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung und ähnlichen Handlungen durch Dritte oder durch den Staat selbst (vgl. BVerfGE 1, 97 <104>; 107, 275 <284>; 109, 279 <312>). Ausgehend von der Vorstellung des Grundgesetzgebers, dass es zum Wesen des Menschen gehört, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und sich frei zu entfalten, und dass der Einzelne verlangen kann, in der Gemeinschaft grundsätzlich als gleichberechtigtes Glied mit Eigenwert anerkannt zu werden (vgl. BVerfGE 45, 187 <227 f.>), schließt es die Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde vielmehr generell aus, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen (vgl. BVerfGE 27, 1 <6>); 45, 187 <228>; 96, 375 <399>). Schlechthin verboten ist damit jede Behandlung des Menschen durch die öffentliche Gewalt, die dessen Subjektqualität, seinen Status als Rechtssubjekt, grundsätzlich in Frage stellt (vgl. BVerfGE 30, 1 <26>; 87, 209 <228>; 96, 375 <399>), indem sie die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen, kraft seines Personseins, zukommt (vgl. BVerfGE 30, 1 <26>; 109, 279 <312 f.>). Wann eine solche Behandlung vorliegt, ist im Einzelfall mit Blick auf die spezifische Situation zu konkretisieren, in der es zum Konfliktfall kommen kann (vgl. BVerfGE 30, 1 <25>; 109, 279 <311>).“70 © 2007 Gerade diese Entscheidung des BVerfG – und derer gibt es viele Beispiele in der Judikatur des BVerfG – ist geradezu paradigmatisch dafür, dass der demokratisch legitimierte Gesetzgeber nicht ohne Weiteres die erforderliche Sensibilität für 70 Quelle: Entscheidungssammlung des BVerfG >>> zur amtlichen, vollständigen Entscheidung des BVerfG <<< 77 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? bedeutsame Grundrechtskonflikte und –fragen besitzt, so dass in der Tat nicht immer auf das Recht zu hören ist! Der Staat wäre ohne die festgestellte Verfassungswidrigkeit bei einem möglichen Szenario zum Täter geworden! © 2007 78 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Sterbehilfe und Paternalismus Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten Sterbehilfe / Paternalismus / Grundrechte / Parlamentsvorbehalt / Ethikrat / Deutscher Juristentag Die Stellungnahme des Nationalen Ethikrats zur Selbstbestimmung und Fürsorge v. 13.07.06 hat die Diskussion um den Grund und die Grenzen der Sterbehilfe neu belebt und zu heftigen Diskussionen geführt. Wir haben darüber berichtet und auf der Internetpräsenz des IQB sind zeitgleich zwei Beiträge eingestellt worden, die sich mehr oder minder dem zentralen Problem der Selbstbestimmung des Patienten an seinem Lebensende unter verfassungsrechtlichen Aspekten annähern. Hieraufhin erreichten den Autor einige Zuschriften, die mich dazu veranlassen, folgende ergänzende Stellungnahme abzugeben. Es wurde auf dieser Homepage des Öfteren darauf verwiesen, dass es nicht darum gehen kann, lediglich die „ganz herrschende Meinung“ zu referieren und ggf. zu vertreten. Berufsständische Institutionen, Gremien, Expertenkommissionen und einzelne Personen mögen sich in dem vermeintlichen Diskurs über die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten einer möglichen und nach diesseitiger Auffassung wünschenswerten Regelung der Rechtsfragen am Lebensende durchaus positionieren, müssen aber damit rechnen, dass in der Diskussion ihre Beiträge und einzelne Verlautbarungen auch kritisch beleuchtet werden. Nach diesseitigem Verständnis ist und bleibt es die vornehmste Aufgabe des Gesetzgebers, seinen Regelungsaufgaben aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes nachzukommen. Eine Delegation auf sog. Ethik- oder Expertenkommission dient nach der Ziel- und Aufgabenstellung solcher interprofessioneller Gremien allenfalls nur dazu, einen Querschnitt für die in unserer Gesellschaft vorhandenen und freilich divergierenden Auffassungen und Meinungen liefern zu können. Dies gilt auch für den Deutschen Juristentag, der allerdings seinen Blick in erster Line auf die rechtlichen Fragen fokussiert. Da diese Fragen aber letztlich seit © 2007 79 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Jahren inhaltlich und vor allem kontrovers diskutiert werden, steht m.E. kein Paradigmenwechsel bei der grundrechtlichen Bewertung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten an. Der Gutachter T. Verrel steht bekanntermaßen für einen bereits zur Diskussion vorgelegten Alternativ-Entwurf für die (Straf)Rechtsfragen am Ende des Lebens, der in eng begrenzten Fällen die Möglichkeit eines „assistierten Suizids“ vorsieht. Dies ist auch nach diesseitiger Auffassung zu begrüßen, kommt doch dem Staat die Aufgabe zu, in erster Linie seine ihm obliegenden grundrechtlichen Schutzpflichten wahrzunehmen, ohne dass diese in einen staatlichen oder grundrechtlichen Paternalismus münden. Dennoch wird hier die Prognose abgegeben, dass es eine „Lockerung“ des Verbots nicht geben wird, konkurrieren doch in unserem staatlichen Gemeinwesen gesellschaftliche Kräfte jeweils mit ihren Visionen von einem gerechten und guten Tod: einerseits wird der selbstbestimmte Tod der Herrschaftsgewalt des einzelnen entzogen und dadurch wird der Tod sozusagen in die ethischen und moralischen Vorstellungen der politischen und moralischen Elite eingemeindet, während demgegenüber die Befürworter auf ein subjektives Verfügungsrecht des einzelnen beharren. Beide Positionen können für sich erhebliche verfassungsrechtliche Argumente in Anspruch nehmen, die bereits Gegenstand zahlreicher Publikationen waren. Völlig unabhängig hiervon wird aber zu respektieren sein, dass das Selbstbestimmungsrecht des Patienten im konkreten Einzelfall nicht zum Fremdbestimmungsrecht über andere Grundrechtsträger ausgestaltet werden kann. Insofern hat der Gesetzgeber m.E. dafür Sorge zu tragen, dass es der selbstverantworteten Entscheidung eines Arztes oder der Pflegenden überlassen bleibt, ob sie an der Erfüllung eines Wunsches des Patienten an einem „assistierten Suizid“ teilnehmen wollen oder nicht. Wir müssen in diesem Zusammenhang nicht den Hippokratischen Eid bemühen, um die Gewissensentscheidung der Ärzte oder der Pflegenden zu akzeptieren, wie überhaupt die Verfassungswirklichkeit die ohne Frage verdienstvollen Philosophen vergangener Jahrhunderte und in manchen Teilen auch unsere Verfassungsväter und © 2007 80 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Verfassungsmütter mit ihrem seinerzeit durchaus erheblichen Willen überrollt hat. Dies zu akzeptieren, mag zwar im Einzelfall schwierig sein, aber bereits die juristische Methodenlehre mit ihren Vorgaben für die Verfassungsauslegung zeichnet uns den Weg hierbei vor, in dem der historischen Auslegung eines Gesetzes nur eine beschränkte Rolle beigemessen wird. Freilich können und sollen wir aus der Geschichte lernen, aber die uns allen auferlegte „Erblast“ der deutschen Vergangenheit und das „geistige Erbe“ großer Philosophen sollte nicht den Blick in der Diskussion um das selbstbestimmte Sterben dafür trüben, dass es um die Einlösung der grundrechtlichen Schutzverpflichtungen des Staates geht. Wenn und soweit der Sterbewillige aufgrund einer freien und selbstverantworteten Entscheidung aus dem Leben treten möchte, haben wir einen solchen Entschluss zu akzeptieren. Hierbei steht außer Frage, dass die Verfassungsmütter und –väter das Grundgesetz als ein Gegenprogramm zur totalitären Missachtung des Individuums formuliert hat. „Als Grundnorm personaler Autonomie, individueller Selbstwerthaftigkeit und Subjektqualität des Menschen in seiner wechselseitigen Anerkennung mit anderen markiert Art. 1 I GG den fundamentalen Anspruch auf die gleiche Würde aller“71. Der Blick in die deutsche Vergangenheit schärft denn auch den Blick für die durchaus gewaltigen Spannungslagen, die mit dem Thema verbunden sind. Andererseits können die pervertierten und verwerflichen politischen, rechtlichen, moralischen und rechtsethischen Entgleisungen im Nationalsozialismus den heutigen Gesetzgeber vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Verfassungswirklichkeit nicht davon entlasten, den Grundrechten nicht ein zeitgemäßes lege artis Programm geben zu wollen. Mag auch das sog. Dammbruchargument für sich genommen schwer wiegen, so obliegt es dem Gesetzgeber (resp. dann in der Folge der Judikative) aufgrund seiner staatlichen Schutzpflicht, in einem fortwährenden, gleichsam dynamischen Prozess eben diese grundrechtlichen Schutzpflichten jeweils zu aktualisieren, wenn © 2007 71 Vgl. dazu statt vieler: H. Dreier, Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1 (2004), Art. 1 I Rdnr. 40 81 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? und soweit Beeinträchtigungen festzustellen sind. Gerade um der zentralen Bedeutung des Menschenwürdearguments als ein oberster Wert ist m.E. vor einer inflationären Inanspruchnahme dringend zu warnen, gilt doch die Menschenwürde als ein Absolutum in einer zutiefst relativistischen Wert. Die Würde des Menschen präsentiert sich als eine Art zivilreligiöser Anker72 und mahnt u.a. an die unsäglichen Entwürdigungen des nationalsozialistisches Regimes, geht aber freilich über diese Entwürdigungen hinaus und bedarf eines zeitgemäßen Programms, ohne hiermit den historischen Kontext zu leugnen. Die Motive für den Gebrauch des Menschenwürdearguments mögen noch so ehrenwert sein, ändert aber nichts an der gebotenen restriktiven Auslegung73, zumal ansonsten das Argument von der Würde zu einer Superschranke der nachfolgenden Grundrechte umfunktionalisiert wird, die letztlich auch auf Partikularethiken bestimmter Professionen beruhen kann, aber auf einen konsentierten Inhalt verzichten. Von dieser Auffassung abzurücken, sieht der Autor derzeit keine Veranlassung, zumal es den verschiedenen Professionen anheim gestellt ist, ihre bereichsspefischen Berufsethiken zu formulieren und hierfür zu werben. Einigkeit sollte vielmehr nur darüber bestehen, dass aufgrund des hohen normativen Rangs der Würde des Menschen es einer sehr sorgfältigen Argumentation bedarf, dem Würdebegriff eine neue bereichsspezifische Partikularethik zuzuordnen. Die diesseitige Kritik an den bereichsspezifischen Ethiken richtet sich vornehmlich an diejenigen Autoren, nach deren Auffassung die Ethik die Legitimationsbasis dafür liefern soll, dass der autonome Wille des sterbewilligen Patienten stets von jedem Arzt oder den Pflegenden zu beachten sei. Dem ist m.E. nicht so, weil die bereichsspezifische Ethik nicht zur Zwangsinstrumentalisierung der zu respektierenden Gewissensentscheidung führen kann. Die Lösung miteinander konfligierender Grundrechte kann nur im © 2007 72 73 Dreier, ebenda, Art. 1 I Rdnr. 41 mit Hinweis auf Hilgendorf in Fn. 130 So auch Dreier, ebenda, Art. 1 I Rdnr. 41 82 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Wege der praktischen Konkordanz erfolgen und sollte nicht durch eine durch eine Bereichsethik vorgegeben sein, die im übrigen derzeit immer noch einer (demokratischen) Legitimation durch die Professionellen entbehrt und es nicht zu erwarten ansteht, dass diese je erreicht werden kann. Das Gewissen eines Grundrechtsträgers in unserer Gesellschaft bedarf aus guten Gründen keiner demokratischen Legitimation in einem intraprofessionellen Raum, auch wenn anhand der ethischen Generaldebatte und vor allem der Diskursethik hieran mehr und mehr Zweifel aufkommen. Mit Blick auf das Argument von der Würde des Menschen wäre dann in der Folge kein Raum mehr für eine Grundrechtsabwägung und genau dies kann nicht der Sinn einer bereichsspezifischen Arzt- oder Pflegethik sein. Wir müssen nicht (!) das Recht hören, wenn wir die vorgegebene Partikularethik nicht fühlen wollen, so wie es jedem Einzelnen überlassen blieb, die Ausstellung von Hagens „Körperwelten“ zu besuchen. Es kann keine einheitliche und verpflichtende und daher auch normativ verbindliche Berufsethik verordnet werden, mag auch die Ethik von der Moral unterschieden werden. Hippokrates in allen Ehren, aber auch seine (!) berufsethischen Vorstellungen finden seine Grenzen an dem Gewissen der Professionellen und nur dies gilt es zu akzeptieren. Problematisch und geradezu charakteristisch für unsere Gesellschaft ist nun allerdings, dass im Kern der demokratischen Legitimation durch das Staatsvolk in der gewichtigen Debatte keine zentrale Rolle von den Verantwortlichen beigemessen wird. Freilich wäre es wünschenswert, wenn wir als unmittelbar Betroffene auch „mitentscheiden“ dürften, jedenfalls über das „Ob“ eines möglichen Sterbewunsches im Rahmen assistierter Hilfe. © 2007 Der Nationale Ethikrat war bemüht, darzulegen, dass aus den Meinungsumfragen – also den empirischen Befunden – der Bevölkerung nicht abzuleiten ist, was ethisch richtig oder vertretbar sei. Kurz gefasst: Die Meinung des Volkes sei zwar nicht ganz unerheblich, erübrigt aber nicht die normative Prüfung, ob die faktischen Wertungen nach den Kriterien des Rechts und der Ethik 83 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Geltung beanspruchen können (Stellungnahme des Nat. Ethikrats v. 13.07.06, S. 8). Dieser Befund wird in nicht ganz unbedenklicher Weise mit Selbstverständlichkeiten untermauert, ohne hierbei die zentrale Frage nach der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts versus den paternalistischen Bestrebungen des Gesetzgebers und/oder anderer Institutionen und Interessenverbänden, den Bürger nicht in die Freiheit seines selbstverantworteten Sterbens entlassen zu wollen, zu problematisieren. Natürlich bedarf es keiner besonderen Betonung, dass im Angesicht des Todes alles, was jemand vorher über das Sterben geäußert hat, vergessen sein kann (Stellungnahme, aaO., S. 4) – aber ändert dies etwas an der verfassungsrechtlichen Qualität der Selbstbestimmtheit des autonomen Willens? Mag auch das Menschenbild des Grundgesetzes nicht dasjenige eines selbstherrlichen Individuums sein, wie sich das BVerfG auszudrücken pflegt, so bleiben dennoch die Grundrechte in erster Linie subjektive Rechte, so dass hieraus folgend Präferenzen für die Ideale der Selbstbestimmung, Autonomie und Unabhängigkeit folgen (anders dagegen das Sondervotum v. Losinger, Radtke, Schockenhoff in der Stellungnahme, aaO., S. 57). In diesem Sinne wäre m.E. unter demokratiepolitischen Gesichtspunkten betrachtet eine Volksentscheidung über das prinzipielle „Ob“ einer assistierten Sterbehilfe wünschenswert, eröffnet es doch dem Gesetzgeber über die Demoskopen hinaus ein durchaus verlässliches Votum der unmittelbar Betroffenen über die mögliche Grundrichtung einer legislativen Entscheidung. Selbstredend hierbei ist, dass dem Gesetzgeber ein Entscheidungs- und Beurteilungsspielraum bei der näheren Umsetzung des Gesetzes zu konzedieren ist, der sich allerdings an dem überragenden Grundrecht der Selbstbestimmung zu orientieren hat und dieses nicht gegen Null reduzieren darf. In diesem Sinne ist es denn auch verfehlt, nicht über die Enttabuisierung des Todes auch im Sinne einer Selbsttötung © 2007 84 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? diskutieren zu wollen. Das Sondervotum in der Stellungnahme des Nationalen Ethikrates ist ein beredtes Beispiel für einen ethischen und moralischen Paternalismus: allein die Angst davor, dass etwa durch ein öffentliches Angebot einer organisierten Suizidbeihilfe und Förderung einer institutionalisierten Suizidberatung der Anschein von Normalität und gesellschaftlicher Akzeptanz für Handlungen verliehen werde, die auf die Auslöschung des eigenen Lebens gerichtet sind, ist für sich genommen ein außerordentlich schwaches Argument. Es geht nicht um die gesellschaftliche Akzeptanz oder um subjektive Befindlichkeiten bei der Beurteilung einer patientenautonomen Entscheidung, sondern um die Wahrnehmung eines Grundrechts durch einen Grundrechtsträger, der für sich einen staatsfreien und von vermeintlich übergeordneten Ethiken und Moralen freien Raum bei einer ausschließlich selbstbestimmten Entscheidung reklamiert. Diese konsequente Grundhaltung schließt freilich nicht aus, dass der Staat analog der Beratung bei beabsichtigten Schwangerschaftsabbrüchen durchaus aufgerufen sein kann, den Suizidenten Hilfen anzubieten! Die Hochschätzung des Lebens als ein eminent hohes Verfassungsgut schließt es aber eben nicht aus, hierauf selbstbestimmt verzichten zu können. Weder dem Staat, noch einer zwangsbeglückenden Gattungsethik oder einer Verantwortungsethik mit einer Heuristik der Furcht (Jonas) kommt die Befugnis zu, den selbstbestimmten Tod zu einer öffentlichen Veranstaltung zu instrumentalisieren. Das Individuum selbst entscheidet selbstbestimmt über sein Leben und seinen Tod und mit den Worten von Taupitz74 ausgedrückt, obliegt ihm hierfür auch die Kehrseite der Medaille, namentlich die Last der durchaus hohen Selbstverantwortung! Das Dilemma in der Diskussion um fundamentale (Grund)Rechte in unserer Gesellschaft spiegelt eigentlich das Kernproblem wider: der Staat sollte seinen Mitbürgern, von dem er die demokratische © 2007 74 So Taupitz, in Gutachten A zum 63. Deutschen Juristentag, 2002, Empfehlen sich zivilrechtliche Regelungen zur Absicherung der Patientenautonomie am Ende des Lebens?, A 13 85 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Legitimation erhält, mehr Verantwortung nicht nur zutrauen, sondern vielmehr auch gewähren. Es geht nicht um die Konservierung politischer Macht aufgrund eines zu vollziehenden Spagats zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Kräften, sondern um die Autonomie des Bürgers, u.a. die für ihn zentralen Fragen selbst regeln zu wollen und zu können. Es geht eben nicht darum, dass sich die Politik gesellschaftlichen Einstellungstrends unter Umständen widersetzen muss, sondern ausschließlich darum, in einem säkularen Verfassungsstaat das Sterben als ein individuelles Geschehen zu akzeptieren. Dies erkennt auch der Nationale Ethikrat bereits in dem Vorwort zu seiner Stellungnahme an (S. 3) und mündet ohne Frage in der verfassungsrechtlich bedeutsamen Schlussfolgerung, dass das Sterben (grundsätzlich) der Selbstbestimmung des Einzelnen nicht entzogen werden kann. Wenn dem so ist, bedarf es der näheren Analyse, was dann in der Folge mit vielfältigen ethischen Verbindlichkeiten, rechtliche Auflagen und religiösen Erwartungen gemeint sein soll? Die rechtliche Auflagen sind schnell mit einem Blick in das Strafrecht und die höchstrichterliche Rechtsprechung ausgemacht, ebenso wie die religiösen Erwartungshaltungen. Aber was sind die vielfältigen ethischen Verbindlichkeiten? Nach diesseitiger Auffassung kommt primär den rechtlichen Auflagen eine besondere Bedeutung zu und gerade diese stehen derzeit in ungewohnter Schärfe zur Diskussion an. In diesem Sinne sind in erster Linie die Verfassungsrechtler gefordert, um in der Debatte die Reichweite der grundrechtlichen Schutzpflichten des parlamentarischen Gesetzgebers markieren zu können, denn hier scheint ein besonderer Informationsbedarf gegeben zu sein. Damit ist keineswegs zum Ausdruck gebracht, dass den Zivil- und Strafrechtlern eine Teilnahme an der Diskussion verwehrt ist – eher das Gegenteil ist anzunehmen, da auch die an sich geschlossene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten „frischen Wind“ bedarf, um über die bisher stereotyp vertretenen Auffassungen hinaus sich nochmals der Kategorie der Rechtsethik erinnern zu müssen. Auch wenn Verfassungsinterpretation keine Philosophie, geschweige denn ein Glaubensbekenntnis ist, kommt © 2007 86 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? gleichwohl der Rechtsethik insofern in der Debatte eine entscheidende Rolle zu, als dass die legislative Entscheidung über einen letzten und selbstbestimmten Individualakt des sterbenden Menschen nur seine Rechtfertigung eben aus dieser Individualität des betroffenen Individuums erfahren kann. Weder die Diskursethik, noch ein Berufsethos oder die theologischen Begründungsversuche der großen Konfessionen entbinden den Gesetzgeber von der Verpflichtung, dass Individuum in den Mittelpunkt seiner verfassungsrechtlichen Betrachtungen zu stellen und hierbei darauf zu achten, dass der individuell verantwortete Wille des Sterbewilligen nicht unversehens einer zweifelhaften ethischen Superschranke zum Opfer fällt. Ein „Mehr“ an Entscheidungskompetenz sollten wir uns selber zutrauen und ich persönlich verlasse mich nicht darauf, dass die Abgeordneten ihres hohen Mandats bei den zentralen Fragen am Anfang oder Ende des menschlichen Lebens gerecht werden. Die demokratische Legitimation endet dort, wo es um höchst individuelle Entscheidungen geht, die keiner demokratischen Legitimation bedürfen. Demokratiepolitisch stellt sich also durchaus die Frage, warum nicht das Staatsvolk zu dieser eminent wichtigen Frage gehört wird? Dies setzt freilich voraus, dass wir die Idee vom mündigen Bürger nicht nur denken, sondern auch mit Leben füllen. Der Nationale Ethikrat gibt zu bedenken, dass die Politik den gesellschaftlichen Trends nicht immer folgen brauche und damit die Frage nicht beantwortet sei, was als ethisch verbindlich zu gelten habe. Dem mag man/frau zustimmen können, wenngleich dies m.E. gerade nicht für die patientenautonome Entscheidung am Lebensende gilt. Hier geht es zuvörderst um das Individuum und nicht um eine demokratiepolitisch fragwürdige Kultur des Sterbens! Ein persönliches Votum: Ich bin der festen Überzeugung, dass im Sterbeprozess oder bei einer schweren Krankheit bei den meisten Betroffenen die © 2007 87 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? demokratisch legitimierte und verbindlichkeitsstiftende Ethik keine – jeweils nennenswerte – Rolle spielt und dass es nur darauf ankommt, gemäß seinem freien und vielleicht auch letzten Willen aus dem Leben zu scheiden. Bei mir persönlich lösen deshalb die sog. leiborientierten Würdekonzepte ein großes Unbehagen aus, wenn damit zugleich die Vorstellung verbunden wird, dass wir es verlernt haben, aus den Schmerzen und dem erfahrenen Leid ggf. auch positive Konsequenzen zu ziehen. Der sterbende Patient ist m.E. nicht gehalten, am Ende seines verlöschenden Lebens nochmals das hohe Gut der Freiheit zu kosten, in dem er seine Grenzen wahr- und annimmt, in dem er fortan unter Schmerzen leidet75. Seine ihm von der Verfassung wegen zu konzedierende Freiheit besteht vielmehr darin, zwischen Alternativen zu wählen, so dass er der alleinige Autor seines Todes und damit für den Abschied aus dem Leben bleibt, mag er hierzu auch im konkreten Fall der Hilfe Anderer bedürfen. In seiner Entscheidung bleibt er frei und ihm bleibt es selbstverständlich unbenommen, gerade aufgrund der Säkularisierung in unserem Verfassungsstaat sich für eine der Todesethiken zu entschließen. Jedweder Versuch der Instrumentalisierung des vermeintlichen guten - dramatischer noch - besseren Sterbens enttarnt bei näherer Betrachtungsweise einen ggf. ideologisch besetzten Paternalismus, der dazu führen kann, dass bei der letzten Entscheidung des mündigen Bürgers dieser vollends entrechtet wird. Die kollektive Todesethik wandelt sich im Zeitpunkt der konkret anstehenden Entscheidung in eine Individualethik um, die wir mit dem Begriff der PatientenAutonomie umschreiben können. © 2007 Ich danke für die Zuschriften. Lutz Barth 75 Vgl. dazu ausführlicher: L. Barth, Kommentierung der Dissertation v. Pleschberger, „Bloß nicht zur Last fallen“ – Leben und Sterben in Würde aus der Sicht alter Menschen in Pflegeheimen, 2004 – hier im Komendium - 88 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Das „Recht des Komapatienten auf den eigenen Tod“ versus der Gewissensentscheidung der Ärzte und Pflegemitarbeiter ? - zugleich ein Plädoyer für die „Freiheit der Gewissensentscheidung“ In aller Kürze Die Rechtssicherheit für die Pflege und ihre Mitarbeitern ist nach wie vor zu bezweifeln. Die ärztlich angeordnete „Hilfe zum Sterben“ bindet nicht das Pflegepersonal, wenn dieses die Entscheidung nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren kann. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten findet seine Grenze in den Grundrechten der ihn behandelnden und pflegenden Ärzten und PflegerInnen Wer „Freiheit“ für sich reklamiert, muss diese „Freiheit“ auch anderen konzedieren. Der XII. Zivilsenat des BGH76 hatte die Frage zu entscheiden, ob aus dem Heimvertrag dem Träger resp. den Mitarbeitern einer Pflegeeinrichtung die Möglichkeit eröffnet wird, entgegen den Weisungen des Betreuers in Übereinstimmung mit dem behandelnden Arzt die beabsichtigte Einstellung der künstlichen Ernährung zu unterlassen, nachdem das OLG München77 als Vorinstanz dies grundsätzlich bejaht hatte. © 2007 76 77 BGH, Beschl. v. 08.06.05 >>> in Entscheidungssammlung des BGH >>> >>> OLG München >>> 89 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Wie zu erwarten war, haben die beiden Entscheidungen nicht nur in der juristischen Fachöffentlichkeit erhebliche Resonanz hervorgerufen78. In dem nachfolgenden Beitrag geht es weniger um die zivil- und strafrechtlichen Rechtsfragen für und wider einer „Sterbehilfe im weiten Sinn“79, sondern vielmehr um die Ausstrahlungswirkung des Verfassungsrechtes auf privatrechtliche Rechtsbeziehungen bei der medizinische resp. pflegerischen Betreuung eines Komapatienten. Der Beschluss des BGH v. 08.06.05 wird im Kern mehr Fragen aufwerfen, als das er Antworten zu einer höchst umstrittenen und sich immer noch im interprofessionellen Diskurs befindlichen Frage zum Grund und den Grenzen der „Sterbehilfe im weiten Sinn“ zwischen Paternalismus einerseits und patientenautonomer Entscheidung andererseits geben wird. Problemorientierung Die Sterbehilfediskussion „ist Teil eines sozialen Wandels der Werte, Normen, Lebensstile und Technologien“80 und ... (das) ritualisierte Wiederholen traditioneller oder standesbezogener empirisch nicht abgesicherter Argumente und das Vermeiden von Forschung lässt vermuten, dass es im Interesse wichtiger Gruppen (Standesorganisationen der Ärzte, Kirchen etc.) liegt, die tatsächliche Situation nicht zu erforschen, dagegen die eigenen 78 © 2007 Vgl. hierzu auch W. Putz / B. Steldinger, Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshof im Fall des Komapatienten Peter K. (Traunsteiner Fall) – Besprechung des BGH-Beschlusses v. 08. Juni 2005 und Darstellung der jahrelangen BGH-Rechtsprechung zum Selbstbestimmungsrecht des Patienten bei Behandlungsverweigerung (zur Veröffentlichung in PKR 3/2005, S. 57 ff. vorgesehenes Manuskript) 79 Siehe dazu etwa Putz/Steldinger, aaO. (Fn. 3) mit einer Darstellung der höchstrichterlichen Rechtsprechungsentwicklung. 80 Klaus Feldmann, Aktive Sterbehilfe: soziologische Analysen, Institut für Soziologie und Sozialpsychologie, Universität Hannover, 2005, S. 1 90 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? normativen Postulate vermischt mit selektiven Erzählungen aus der Praxis möglichst häufig und publikumswirksam zu verkünden“.81 Der Soziologe Feldmann bringt in einer These zum Ausdruck, dass „tatsächlich ... nicht die Sterbenden die Regie im Spiel (führen), sondern andere, die das Sterben für sich instrumentalisieren, für ihr Gewinnen – oder Scheitern“ und das hieraus folgend „jegliche Beeinträchtigung des großen Geschäfts verhindert werden (soll)“82. Bei ihm wird das Problem der Sterbehilfe resp. der Sterbebegleitung schärfer als gewohnt in der Literatur umschrieben und er warnt (zu Recht!?) vor der sich abzeichnenden Instrumentalisierung des Patienten. Gerade von Gesundheits- resp. Finanzökonomen, die im übrigen als Experten die politisch Verantwortlichen beraten, werden die zunehmende Technisierung (Stichwort: Apparatemedizin) und das derzeitige medizinische Wissen als Gründe dafür ins Feld des „Meinungskampfes“ eingeführt, dass eine „vernünftige Ressourcenkalkulation“ gerade in der Medizin unabdingbar sei, anderenfalls der drohende „Kollaps“ unvermeidbar sei. Die damit verbundenen Fragen sind von größter Aktualität und freilich Brisanz, da im Zweifel der Arzt angehalten werden könnte, auch Kostenaspekte in seine ärztliche Entscheidung am Lebensende seines von ihm zu betreuenden Patienten mit einfließen zu lassen. © 2007 „Darf, konkret gefragt, eine Behandlung insbesondere am Ende des Lebens unterbleiben, weil sie ´zu teuer´ ist? Führt eine Bejahung dieser Frage nicht zu der Konsequenz, dass (von wem auch immer) der ´Preis des Lebens´ bestimmt wird, was offenbar 81 82 Feldmann, ebenda Feldmann, aaO., S. 7 91 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? einen eklatanten Verstoß gegen die Menschenwürde beinhaltet, zumal nicht einmal Leben gegen Leben abwägbar ist?“.83 Die These des Soziologen Feldmann von der „Instrumentalisierung“ der Patienten an ihrem „Lebensende“ ist in Anlehnung an die vorstehenden Überlegungen von Taupitz wohl nicht von der Hand zu weisen, wenngleich die Problematik in einem scheinbaren systemimmanenten Dilemma der Medizin schlechthin besteht: „Eine Medizin, deren Selbstverständnis es ist, Grenzen zu verschieben und zu durchbrechen, wird Schwierigkeiten haben, nunmehr Grenzen anzuerkennen.“84 Die „Grenzen“ der Medizin werden durch die Bindung des ärztlichen Heilbehandlungskonzepts an die privatautonome Entscheidung des Patienten nach der gebotenen ärztlichen Aufklärung angekoppelt, so dass der Patient in einem „freien“ und zudem selbst zu verantwortenden85 Willen eben die Grenzen der Medizin in seinem individuellen Einzelschicksal selbst zu ziehen vermag. Der ärztliche Heilbehandlungsvertrag als Bezugspunkt Die rechtliche Annäherung an den Problembereich der „Grenzen einer Behandlungspflicht“ setzt freilich die Erkenntnis voraus, dass nach der herrschenden Lehre der Heileingriff zunächst tatbestandlich als Körperverletzung nach §§ 223 ff. StGB zu qualifizieren und nur mit der Einwilligung des Patienten nach erfolgter Aufklärung zulässig ist. Der Arzt bewegt sich demzufolge bei der Ausübung seiner Tätigkeit in den allgemein gültigen © 2007 83 So Taupitz, in Gutachten A zum 63. Deutschen Juristentag, 2002, Empfehlen sich zivilrechtliche Regelungen zur Absicherung der Patientenautonomie am Ende des Lebens?, A 25 mit Hinweis auf BVerfGE 39, 1, 59 84 so zu Recht Gallmeier/Kappauf, Wissen, Macht und Ohnmacht, in Süddeutsche Zeitung (Nr. 290) v. 15.12.1999 85 Taupitz, aaO. (Fn.8), A 13 92 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Normen des Zivil- und Strafrechts, und zwar unabhängig davon, dass sich die Ärzteschaft selbst über ihr eigenes Berufsrecht und durch Richtlinien der Bundesärztekammer in weiten Teilen ihrer Berufsausübung (rechtlichen) Bindungen unterworfen hat86. Es wird zu Recht in der Literatur darauf hingewiesen, dass die standesinterne Erzeugung von „verbindlichen Regeln“ und damit die prinzipielle Möglichkeit der Sanktionierung nicht ohne weiteres gerechte Lösungen im Verhältnis zum Patienten verbürgen, da die Ärzteschaft auch eine ergebnisinteressierte Standesgemeinschaft ist und insoweit durchaus ein Ungleichgewicht in der ArztPatienten-Beziehung rechtlich kontrolliert werden muss87. Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II 1 GG), das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG) und nicht zuletzt die Schutzverpflichtung der in Art. 1 I 1 GG als Staatsfundamentalnorm mit einer Ewigkeitsgarantie ausgestaltete Menschenwürde eröffnen es prinzipiell jedem Betroffenen, selbst über seinen Körper und damit sein „Leben“ zu entscheiden, mag diese Entscheidung auch aus der Sicht anderer noch so unvernünftig sein. Im Kern gewährt unsere Verfassung allen Bürgern und damit freilich auch den Patienten bei ihren existentiellen Fragen am Lebensende ein weit reichendes Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper und dieses steht „über einer wie immer gearteten Schutzpflicht anderer für sein Leben. Folglich ist die (auf Abwehr des Eingreifens anderer gerichtete) Autonomie und nicht das Leben das höchste von der Verfassung geschützte Gut.“88 Das ehemals paternalistisch strukturierte Arzt-Patientenverhältnis ist heute durch ein Verständnis geprägt, das zunehmend den Patienten nicht als „Objekt“, sondern vielmehr als „Subjekt“ © 2007 86 Vgl. hierzu etwa Taupitz, Rechtliche Bindungen des Arztes: Erscheinungsweisen, Funktionen, Sanktionen, in Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1986, S. 2851 ff. 87 Vgl. statt vieler, Mertens, in Münchener Kommentar zum BGB, Schuldrecht, Besonderer Teil III, 3. Aufl. 1997, § 823 Rdnr. 351, 352 88 Taupitz, aaO. (Fn. 8), A 13 93 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? begreift, wenngleich mit dieser berühmten Objektformel keineswegs zum Ausdruck gebracht ist, dass der „Wille“ des Patienten durchaus seine Grenzen auch am „Willen“ oder an anderen Grundrechten der ihn pflegenden Personen finden kann. Weiter bedarf es des klarstellenden Hinweises, dass der Arztvertrag als Grundlage für die Heilbehandlung privatrechtlicher Natur ist und demzufolge die allgemeinen Regeln nicht nur für das Zustandekommen von privatrechtlichen Verträgen zur Anwendung kommen89. Der Arzt entscheidet im Rahmen der ihm zustehenden Vertragsfreiheit prinzipiell selbst darüber, ob er einen Arztvertrag abzuschließen gedenkt, so dass für ihn keine Abschlusspflicht besteht. Der Grundsatz der Abschluss- und Behandlungsfreiheit (Therapiefreiheit)90 berechtigt den Arzt, frei darüber zu entscheiden, ob er jeweils eine Behandlung übernehmen will oder nicht. Unter dem Begriff der Behandlungsfreiheit wird zugleich das Recht eines Arztes verstanden, eine von ihm übernommene Behandlung nach seiner Methode durchzuführen. Nach wie vor dürfte allerdings die Frage nicht hinreichend geklärt sein, ob aus der selbstbestimmten und letztlich auch selbst zu verantwortenden Entscheidung des Patienten ihm die Möglichkeit eröffnet ist, dergestalt eine „Grenze der Medizin“ und damit im Übrigen auch der Forschung ziehen zu können, in dem er den Arzt oder alternativ das Pflegepersonal mit seiner „Willensentscheidung“ am Ende seines Lebens bindet, so dass diese strikt zu einem „aktiven Handeln“ oder in Ersetzung dessen 89 © 2007 Nicht ausgeschlossen ist hierbei allerdings die vielerorts vorgenommene Wertung, dass das Arzt-Patienten-Verhältnis weit mehr als eine juristische Vertragsbeziehung sei, siehe hierzu etwa Uhlenbruck, in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 1992, § 39 Rdnr. 2 mit Hinweis auf den grundlegenden Beschluss des BVerfG v. 25.07.79, in NJW 1979, S. 1925(1930). 90 Laufs/Uhlenbruck, Handbuch..., Uhlenbruck, § 41 Rdnr. 2 m.w.N; im übrigen mit Hinweis auf § 1 Abs. 7 S. 3 BOÄ, wonach die „Verpflichtung des Arztes in Notfällen“ hiervon unberührt bleibt. Eine allgemeine Pflicht, die Behandlung eines Kranken zu übernehmen, trifft den Arzt hingegen nicht, so deutlich Mertens, Münchener Komm., aaO., § 823 Rdnr. 366 94 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? zu einem „Unterlassen“ entgegen ihrer Gewissensentscheidung verpflichtet werden. Eine solche individuell verbindliche Gestaltungsmacht des Patienten setzt freilich voraus, dass der Staat sich nicht „aufschwingt“, rechtsgestaltend in diese höchst individuelle Entscheidung quasi paternalistisch einzugreifen, indem er sich auf den untauglichen Versuch einlässt, eine ethische Grundüberzeugung oder im Zweifel einen „ethischen Kompromiss“ zwangsweise zu verordnen. So wie der Staat zur religiösen Neutralität verpflichtet ist und dem Staatsvolk keinen „subjektiven Gewissens- und Bekenntnisinhalt“ verordnen kann, ist er gleichsam aufgerufen, lediglich sicher zu stellen, dass im ArztPatientenverhältnis das Selbstbestimmungsrecht des Patienten gewahrt ist. Diese hier vertretene Auffassung beinhaltet freilich auch die nach der Verfassung gebotene Rücksichtnahme der Grundrechtsposition des den Patienten behandelnden Arztes und pflegenden Personals. Es ist verfassungsrechtlich ausgeschlossen, „nur“ aus dem Blickwinkel des Patienten das Problem der „Sterbehilfe“, besser „Sterbebegleitung“, lösen zu wollen. Wer die Freiheit zur Selbstbestimmung für sich selbst reklamiert, muss sie auch anderen konzedieren. Der Arzt, der Träger (soweit dieser grundrechtsfähig ist) und das medizinische Assistenzpersonal können jeweils mit ihrem verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbestimmungsrecht i.V.m. Art. 4 I 1 (Gewissensfreiheit) u. Art. 12 GG (Berufs- und Berufsausübungsfreiheit) ebenso die „Grenzen“ der medizinischen Behandlung individuell „markieren“. So wie der Patient die Möglichkeit hat, überhaupt von medizinischen Behandlungsmaßnahmen Abstand zu nehmen, hat die ärztliche Profession vorbehaltlich einer möglichen Garantenstellung und der allgemeinen Hilfeleistungspflicht durchaus das Recht, eine Behandlung abzulehnen. Den Grund, der den Arzt zu einer solchen ablehnenden Entscheidung veranlasst, mag durchaus in © 2007 95 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? seiner „Gewissensentscheidung“ erblickt werden, die sowohl vom Patienten, von organisierten Interessenvertretungen und freilich auch vom Staat zu akzeptieren ist. Die grundrechtlichen Freiheiten der beteiligten Akteure im Arzt-Patienten-Pfleger-Verhältnis bedürfen einer sorgfältigen „Abwägung“, so dass jedenfalls der Kernbereich der kollidierenden Grundrechte gewahrt bleibt, ohne dass eines der Grundrechte auf „Null“ reduziert wird. Gegenwärtig entsteht allerdings der Eindruck, dass jedenfalls nach der derzeitigen höchstrichterlichen Rechtsprechung „Krankenhäuser, Pflegeheime und ebenso wenig wie Ärzte sich weigern können, ein selbstbestimmtes Sterben von Bewohnern zuzulassen“91. Die scheinbar gesicherte Annahme, dass der Arzt und nach diesseitiger Auffassung auch das Pflegepersonal grundsätzlich nicht zu Handlungen verpflichtet werden können, die mit ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht zu vereinbaren sind92, wird offensichtlich zur Disposition gestellt. Das Verfassungsrecht liefert nicht nur Impulse und Maßgaben für die Gewährung von Patientenrechten, sondern weist zugleich die mit den Patientenrechten potentiell kollidierenden Rechtspositionen aus93, wobei im Übrigen auch die durch Art. 5 III GG verfassungsrechtlich gewährleistet Forschungsfreiheit die „Grenzen“ der Medizin eher offen gestaltet und demzufolge der medizinische Fortschritt nicht als „Schranke“ für oder gegen Patientenrechte bei der Bestimmung des „eigenen Rechts auf den Tod“ zu dienen bestimmt ist, an denen sich im Zweifel der Arzt zu halten hätte. Die Grenzen dessen, was die Medizin zu leisten vermag, orientiert sich ausnahmslos in einem Korridor möglicher widerstreitender Grund(rechts)Positionen in einem konkret individuellen Konflikt (also einer Einzelfallentscheidung) und muss © 2007 91 So expressis verbis Putz/Steldinger, aaO. (Fn. 3), S. 12 Taupitz, aaO. (Fn. 8), A 23 93 Fischer/Kluth/Lilie, Rechtsgutachten „Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte im deutschen Recht – Bestandsaufnahme und Handlungsperspektiven“, erstellt im Auftrag der Enquete-Kommisson „Recht und Ethik der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestages – Zweite überarbeitete Fassung (Stand März 2002) – im folgenden zit. als Fischer/Kluth/Lilie, Rechtsgutachten...Patientenrechte, S. 24 92 96 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? im Rahmen der sog. praktischen Konkordanz sachgerecht zum Ausgleich gebracht werden. Bezugspunkt hierbei ist freilich das Selbstbestimmungsrecht des Patienten und die damit verbundene Freiheit, sich selbst zu bestimmen, nicht hingegen aber die Freiheit, über andere zu bestimmen94 und deren ebenfalls selbstbestimmte Gewissensentscheidung auf „Null“ zu reduzieren. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten mag nach Einschätzung mancher Autoren durchaus zu einem „zentralen normativen Prinzip“ geworden sein, so dass „Rechte des Patienten ... Vorrang vor den Pflichten des Arztes (haben)95; zu betonen bleibt aber, dass die Rechte des Patienten auch ihre Grenze an den Rechten der Ärzte und Pflege finden können. Nachfolgend sollen daher einige Überlegungen angestellt werden, die dazu dienlich sein können, über den „Tellerrand eines Zivilrechtlers“ hinaus blicken zu können. Verfassungsrechtliche Anknüpfungspunkte Nach Auffassung des OLG München sei der Heimvertrag „auf die Bewahrung von Leben ausgerichtet“ und überdies sei es das Ziel des Vertrages, dem Bewohner die insoweit geschuldeten Leistungen auf Rehabilitation und Pflege „unter Wahrung seiner Menschenwürde und Sicherung seiner Selbstbestimmung zu gewähren“. Auch wenn es eine Selbstverständlichkeit sein sollte, dass die „Würde eines Menschen“ und damit freilich auch die eines Patienten zu achten und zu wahren ist, erscheint es den Pflegeeinrichtungen als unerlässlich, in ihren „Pflegeleitbildern“ auf die Einhaltung eben dieser personalen Würde hinzuweisen. Eine besondere Qualität kommt dem pflegerischen Leitbild dann zu, © 2007 94 Taupitz, aaO. (Fn. 8), A 23 Fusch et.al., Der Mensch und sein Tod, Grundsätze der ärztlichen Sterbebegleitung, Fakultätsgutachten der Theologischen Fakultät Greifswald, 2000, Blatt 27 unter Berufung auf Joecks in Fn. 102 95 97 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? wenn es gleichsam mit einem Ethikvorbehalt der Pflegenden versehen bzw. gleichgesetzt wird, der letztlich zu einer Grundrechtskollision führen kann. Der Alterspatient beruft sich auf seine „Würde“ resp. sein grundrechtlich geschütztes „Selbstbestimmungsrecht“, während demgegenüber die Ärzteschaft und das Pflegepersonal ihrerseits etwa auf das ihnen verfassungsrechtlich verbürgte Grundrecht der Gewissensfreiheit rekurrieren. Die miteinander kollidierenden Grundrechtspositionen bedürfen somit einer Abwägung. Nach Auffassung des OLG München resultiert gerade auch aus der Gewissenfreiheit der Pflegenden ein Recht auf Verweigerung der von ihnen geforderten Einstellung der künstlichen Ernährung, so dass hieraus praktisch die Grundrechtsposition des Bewohners/Patienten einem Ethikvorbehalt der Mitarbeiter unterworfen zu sein scheint. Ungeachtet der Frage, ob die Würde des Patienten und des Pflegenden als zentrales Verfassungsprinzip einer Kollision zugänglich ist, da die Würde unantastbar und prinzipiell funktional gleichgerichtet ist und sich von daher eigentlich nicht „abwägen“ lassen dürfte, dürfte Konsens darüber bestehen, dass die Menschenwürde in der Lage ist, gleichwohl andere Grundrechte einzuschränken. Gerade weil aber dieser Begriff so unbestimmt und differenten philosophischen, moralischen, anthropologischen und ethischen Interpretationen offen ist96, wird es in der Grundsatzdiskussion entscheidend darauf ankommen, den verfassungsrechtlich maßgeblichen Kern der Menschenwürde exakt zu bestimmen, damit nicht alle Grundrechte unversehens unter einen allgemeinen „Ethikvorbehalt“ gestellt werden (so Hufen). © 2007 Völlig zu Recht konstatiert Hufen unter Berufung auf Dürig: „Die Verfassungsinterpretation darf insbesondere der in der ethischen Diskussion feststellbaren „Marginalisierung und Veralltäglichung des Menschenwürdearguments“ (Dreier, GG, Art. 1 I Rn. 35) nicht 96 Vgl. dazu instruktiv M. Kettner, Menschenwürde als Begriff und Metapher, Diskussionspapier, 1-94, Hamburg 98 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? zum Opfer fallen. Wird die Menschenwürde, wie bereits beklagt worden ist (Dreier a.a.O.; Dürig, FS Maunz (1971), 41,43,51), zur „kleinen Münze“ geschlagen, dann kann sie unversehens zur praktisch beliebig einsetzbaren Grundrechtsschranke werden, die weder den Schöpfern des Grundgesetzes noch den Interpreten der Einzelgrundrechte vorgeschwebt hat“97. Der BGH hat in seinem Beschluss v. 08.06.05 darauf hingewiesen, dass selbstverständlich auch die Pflegekräfte in ihrer beruflichen Tätigkeit Grundrechtsträger sind, wenngleich hieraus jedoch nicht der Schluss gezogen werden darf, dass ihre ethischen oder medizinischen Vorstellungen vom Schutzbereich des Art. I 1 GG (Menschenwürde) umfasst seien. Der BGH hat gerade mit Blick auf das Grundrecht der Gewissensfreiheit lediglich ausgeführt: „Die Frage, ob das Verlangen des Klägers die Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) des Pflegepersonals berührte, kann letztlich dahinstehen. Soweit das Strafrecht die künstliche Ernährung eines willensunfähigen Patienten gebietet (vgl. dazu unter 2.), bedarf es eines Rückgriffs auf Art. 4 Abs. 1 GG nicht; niemand darf zu unerlaubten Handlungen gezwungen werden. Im Übrigen verleiht die Gewissensfreiheit dem Pflegepersonal aber kein Recht, sich durch aktives Handeln über das Selbstbestimmungsrecht des durch seinen Betreuer vertretenen Klägers hinwegzusetzen und seinerseits in dessen Recht auf körperliche Unversehrtheit einzugreifen“. Die von einigen Zivilrechtlern aus dieser Passage herausgelesen These, wonach die „Gewissensfreiheit von Heim und Pflegekräfte nicht schützenwert (ist)“98, erweist sich bei näherer Betrachtungsweise als nicht haltbar und verkennt im Übrigen die Bedeutung der Grundrechte auch im Privatrecht. © 2007 97 Hufen, in seinem Gutachten betreffend der Ausstellung von Hagen, Körperwelten unter http://www.koerperwelten.de/de/pages/Hufen_IV.%20Rechtfertigung%20II.asp 98 Putz/Stedlinger, aaO. (Fn. 3), S. 6 99 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Ungeachtet dessen, dass der BGH in seinem Beschluss v. 08.06.05 in der oben zitierten Passage völlig zu Recht die Selbstverständlichkeit betont, dass in der Tat das Zivilrecht nicht das erlauben kann, was den Ärzten oder dem Pflegepersonal strafrechtlich verboten ist99 und dies freilich auch für die konkrete Grundrechtsausübung in Gestalt einer Gewissensentscheidung gilt, wäre der BGH gut beraten gewesen, es bei dieser Feststellung zu belassen. Dies insbesondere deshalb, weil jedenfalls auch nach Auffassung des XII. Zivilsenats des BGH die strafrechtlichen Grenzen einer Sterbehilfe im weiteren Sinn bislang nicht hinreichend geklärt erscheinen. Sollte nämlich das Strafrecht die künstliche Ernährung eines willensunfähigen Patienten verbieten, bedarf es keines Rückgriffs auf Art. 4 I GG, denn niemand könne zu unerlaubten Handlungen gezwungen werden. Das der BGH in diesem Zusammenhang stehend sich dazu weiter veranlasst sah, darauf hinzuweisen, das „im Übrigen die ... Gewissensfreiheit dem Pflegepersonal aber kein Recht (verleiht), sich durch aktives Handeln über das Selbstbestimmungsrecht des durch den Betreuer vertretenen Klägers hinwegzusetzen und seinerseits in dessen Recht auf körperliche Unversehrtheit einzugreifen“, war abermals entbehrlich. Es wird erneut eine verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit betont, weil die Gewissensfreiheit des Pflegepersonals keinesfalls diesem das Recht einräumt, sich über das Selbstbestimmungsrecht des Patienten im Hinblick auf die begehrte Unterlassung der Fortführung der künstlichen Ernährung hinwegzusetzen. Der BGH hat in seinem Beschluss v. 08.06.05 das eigentliche „Unterlassen“ der Pflegekräfte, der Anordnung des Arztes und des Betreuers Folge zu leisten, als „aktives Handeln“ ausgewiesen, da insoweit mit der Nichtbefolgung dieser Anordnung aus der Sicht des Altenhilfeträgers und seinem Personal die künstliche Ernährung © 2007 99 So bereits der XII. Zivilsenat in seinem Beschluss v. 17.03.03 (Az. XII ZB 02/03), in NJW 2003, S. 1588 100 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? fortgesetzt wurde – mithin also ein aktives Handeln, dass in der Konsequenz als ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten zu werten ist. Bei einer solchen Lesart freilich kann das Grundrecht der Gewissensfreiheit nicht seine Bedeutung entfalten, da hier in der Tat das Selbstbestimmungsrecht des Patienten dem aktiven Tun des Pflegepersonals Grenzen zu setzen vermag. Es gilt hier zu betonen, dass der BGH lediglich über einen Einzelfall zu entscheiden hatte, ohne das hieraus – wie bei manchen Autoren zu befürchten ansteht – gleich ein neues „Gesetz“ verabschiedet wurde, dem nunmehr alle unterworfen seien. Völlig anders wäre der Fall etwa dann zu lösen gewesen, wenn und soweit das Pflegepersonal es schlicht bei der Weigerung, der Anordnung des Arztes und des Betreuers nachzukommen, belassen hätte, ohne hierbei sich dem Vorwurf eines „aktiven Handelns“ in Gestalt der Fortführung der künstlichen Ernährung, die sich nunmehr als eine gegen den Willen des Patienten vorgenommene Zwangsernährung darstellte, aussetzen zu müssen. In einem solchen Fall hätte sich dann der BGH etwas intensiver mit dem Grundrecht der Gewissensfreiheit der Pflegenden auseinander setzen müssen, ohne sich in dem konkreten Einzelfall auf ein „aktives Handeln“ der Mitarbeiter in der beklagten stationären Alteneinrichtung zurückziehen zu können. Hier stellt sich das gegenwärtig immer noch nicht gelöste Problem, weshalb ohne kritische Reflektion in Teilen der Literatur (und offensichtlich auch Rechtsprechung) davon ausgegangen wird, dass das Pflegepersonal dazu berufen ist, therapeutische Entscheidungen des Arztes, möge diese auch vom Betreuer im wohlverstandenen Interesse des Betreuten und seiner autonomen Entscheidung mitgetragen worden sein, umzusetzen. Auch gegenwärtig ist kein „Weisungsrecht“ des freiberuflich tätigen Arztes gegenüber den Mitarbeitern etwa einer stationären © 2007 101 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Alteneinrichtung begründet100. Es dürfte unbestritten sein, dass der Arzt in der Regel zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet ist und nur in Grenzen bestimmte „ärztliche“ Aufgaben an das (ihm organisatorisch zugehörige) nichtärztliche Assistenzpersonal delegieren darf. Dass diesbezüglich aber immer noch ein erheblicher Klärungsbedarf besteht, dürften die nachstehenden Zitate belegen: „Pflegeunternehmen jeglicher Art sind verpflichtet, ärztliche Anordnungen umzusetzen. Das Heimgesetz schützt die Alten und Kranken und verbietet Heimen die Kündigung. Ärztliche Anordnungen stehen grundsätzlich nicht zur Disposition der Pflege, Magensondenernährung ist eine invasive ärztliche und keine pflegerische Maßnahme.“101 „Der Arzt bestimmt entsprechend dem Patientenwillen mit den Bevollmächtigten resp. Betreuern das Procedere! Das Heim hat keine Möglichkeit zu opponieren. Das Heim hat kein Veto-Recht, auch kein fristloses Kündigungsrecht. Es kann seine Vertragstreue nicht von der Art des Sterbevorgangs abhängig machen. Das Heim hat die ärztliche Anordnung, den Patienten durch Reduzierung der Substitution sterben zu lassen, umzusetzen. Auch die ordentliche Kündigung ist zum Schutz der Alten und Sterbenden ausgeschlossen. Können einzelne Pflegekräfte aus persönlichen Gründen die Pflege in der Sterbephase nicht erbringen, so hat das Heim andere Pflegekräfte einzusetzen oder, falls diese Möglichkeit nicht existiert, zuzulassen, dass ambulante Pflegekräfte den Sterbenden pflegen. Die Ausübung von juristischem Zwang kann in der Praxis nicht als ideal bezeichnet werden. Die Pflegekräfte müssen sich daher auf die neue Situation einstellen. Sterbenlassen wird zur Herausforderung gerade für die Pflege in Pflegeheimen. Die © 2007 100 vgl. statt vieler: Klie, Rechtskunde, Das Recht der Pflege alter Menschen, 7. Aufl. 2001, S. 111 101 Putz, Patientenrechte am Ende des Lebens, Vortrag auf dem 5. Deutschen Medizinrechtstag der Stiftung Gesundheit – Recht und Ethik in der Medizin- v. 17.- 18.09.2004, S. 12 102 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Pflege muss es aus ethischer Überzeugung tragen und nicht getrieben von juristischem Zwang“102. Diese Aussagen sind in ihrer Allgemeinheit nicht haltbar. Pflegeunternehmen haben zuvörderst die nach ihrem Heimvertrag übernommenen Leistungspflichten gegenüber dem Bewohner zu erfüllen, während demgegenüber der einen Patienten betreuende Arzt die ihm obliegenden Pflichten aus dem ärztlichen Heilbehandlungsvertrag zu erbringen hat. Innerhalb unserer Privatrechtsordnung gilt (immer noch) der ehrwürdige Grundsatz der Privatautonomie! Als eine der Haupterscheinungsformen der Privatautonomie gilt allgemein hin die Vertragsfreiheit, also die Freiheit des einzelnen, seine Lebensverhältnisse durch Verträge eigenverantwortlich zu gestalten. Diese Vertragsfreiheit gehört zu den grundlegenden Prinzipien unser Rechtsordnung und ist als Teil des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 I GG) 103 verfassungsrechtlich verbürgt und geschützt . Freilich unterliegt auch die privatautonome Gestaltung der einzelnen Verträge den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung, so dass die Selbstbestimmung des einen Vertragspartners nicht zur „schrankenlosen Fremdbestimmung“ des anderen wird; diese Schranken – etwa durch die Grundrechte des Patienten – wirken über die privatrechtlichen Generalklauseln (z.B. §§ 138, 242 BGB) in das Vertragsverhältnis ein und können somit mögliche „Spannungen“ zwischen den Vertragsbeteiligten auflösen, wobei hier freilich ein sachgerechter „Interessenausgleich“ zu erfolgen hat. © 2007 Dem BGH gelingt die Grenzziehung zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten und der Gewissensfreiheit der Pflegenden argumentationstechnisch nur deshalb, weil er von einem aktiven Handeln ausgeht, ohne die Bedeutung des 102 Putz, ebenda, S. 12, 13 vgl. statt vieler: Palandt/Heinrichs, BGB-Kommentar, 60. Aufl., Einf v § 145 Rdnr. 7 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG 103 103 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Grundrechts auf Gewissenfreiheit auch für das schlichte Unterlassen für eine übertragene Aufgabe zu prüfen. Dies ist insofern bedeutsam, weil das Grundrecht der Gewissensfreiheit vorbehaltlos gewährleistet ist und die Erfindung des Theorems von den verfassungsimmanenten Schranken nicht zu überzeugen vermag. In der Praxis führt dies letztlich dazu, dass an die Stelle eines Gesetzesvorbehalts ein Richtervorbehalt tritt, ohne dass plausibel und rational begründbar wird, warum sich die verfassungsimmanenten Schranken für die Gewissensfreiheit „nur in das Ohr des Richters, nicht aber in das des Gesetzgebers mitteilen soll“ (so Rupp). Selbst wenn man aber der Lehre von den verfassungsimmanenten Schranken folgt, ist doch auffällig, mit welcher „Leichtigkeit“ der BGH in seinem Beschluss die Gewissensfreiheit der betroffenen Pflegemitarbeiter in die von ihm gezogenen Schranken verweist. Als Schranke wird das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ausgewiesen, das ohne Frage einen besonders hohen Rang in unserer Rechtsordnung einnimmt und demzufolge freilich auch das Arzt-Patienten-Pfleger-Verhältnis in Gestalt des ärztlichen Heilbehandlungsvertrages und des Pflege- und Heimvertrages maßgeblich mitbestimmt. Die Ausstrahlung von Grundrechtsgewährleistungen in privatrechtliche Vertragsverhältnisse ist nun allerdings nicht ungewöhnlich, sondern beschäftigt seit Jahrzehnten die verschiedensten Fachgerichte, so u.a. das Bundesarbeitsgericht. Dominierend hierbei sind zwar Judikate, die sich insbesondere mit den Loyalitätspflichten kirchlicher Arbeitnehmer auseinander zu setzen hatten, wenngleich sich der verfassungsrechtliche Gewährleistungsbereich der Gewissensfreiheit keineswegs in einem engen Kontext zur religionsspezifischen Komponente reduzieren lässt. Die „Debatte“ um das „Recht der Kriegsdienstverweigerer“ oder um den „medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch“ hat die Staatsmacht, aber auch die Gerichte mit dem „Gewissen“ von Staatsbürgern konfrontiert, das bekanntermaßen für durchaus schützenswert erachtet wurde. © 2007 104 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Wenn und soweit die grundrechtliche Stellung der Pflegemitarbeiter zur Diskussion gestellt wird, kann dies nicht (nur) auf der unterverfassungsrechtlichen Ebene des Zivilrechtes erfolgen, wie es in der konkreten Auseinandersetzung bei manchen Autoren den Eindruck erweckt. Die Erkenntnis, dass „die Ausübung von juristischem Zwang in der Praxis nicht als ideal bezeichnet werden (kann)“104, ist durchaus lobenswert und richtig, wenngleich dieses Dilemma nicht dadurch gelöst werden kann, in dem auf den Begriff Ethik rekurriert wird. „Sterbenlassen wird zur Herausforderung gerade für die Pflege in Pflegeheimen. Die Pflege muss es aus ethischer Überzeugung tragen und nicht getrieben von juristischem Zwang“105. Mit Verlaub – hier ist der Wunsch der Vater des Gedankens: Der „juristische Zwang“, der sich allein in einem konkret zur Entscheidung anstehenden Konfliktes mit einem für die Prozessbeteiligten annehmbaren oder nicht annehmbaren richterlichen Beschluss oder Urteil manifestiert, ist nicht die Triebfeder für ein „Sterbenlassen“, sondern einzig die selbstbestimmte, privatautonome Entscheidung des Patienten, die sowohl von unserem Verfassungsstaat als auch von den Bürgern zu akzeptieren ist. Ein „Muss“, gleichsam die Verantwortung der Pflegeberufe für eine „einheitlich, verpflichtende Pflegeethik“, ist aus guten Gründen verfassungsrechtlich nicht möglich, mehr noch, eine verbindliche Pflegeethik ist m.E. vom Ansatz her nicht demokratisch legitimierbar oder vermittelbar, selbst unter der Voraussetzung, dass es irgendwann einmal eine „Bundespflegekammer“ geben sollte. Hier drängt sich der Verdacht auf, dass den Pflegemitarbeitern unter dem Tarnmantel der Ethik ein vermeintlich „leitliniengerechtes Handeln“ mit sanftem Zwang unter Hinweis auf die zivilrechtlichen Haftungsfolgen auferlegt wird, so dass sich das © 2007 104 105 Putz, aaO. (Fn. 3), S. 13 Putz, ebenda 105 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? „Sterbenlassen“ in der Konsequenz als scheinbar „gute pflegerischen Behandlung und Betreuung“ lege artis erweist, zumal derjenige, der den „ethischen Maßstäben und Ansprüchen“ der Pflegeethik nicht genügt bzw. entspricht oder schlicht aus anderen Überzeugungen heraus nicht entsprechen will, ein erhebliches Darstellungsproblem in der Profession haben dürfte. Wenn das ureigene „Gewissen“ den Spagat zwischen den eigenen Wertvorstellungen von Tod und Leben und einer „Sterbehilfe im weitesten Sinne“ nicht zu vollziehen vermag, darf der Träger des Gewissens dann im Sinne einer einheitlichen Pflegeethik „zwangsverpflichtet“ werden? Liegt es nicht auch und vielleicht sogar gerade im Interesse des Sterbenden, dass seine autonome Willensentscheidung von Pflegenden umgesetzt wird, die sich nicht in einem Gewissenskonflikt befinden und demzufolge dem Sterbenden näher sind, als es je eine professionell verordnete „Berufsethik“ zu schaffen in der Lage ist? Bedarf es des „juristischen Zwanges“, wenn die Berufsethik bei einzelnen Pflegemitarbeitern „versagt“, nur weil diese die Entscheidung etwa des Arztes oder des Betreuers mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können? Exkurs: Gewissensfreiheit und Kirchenautonomie Wie bereits oben angedeutet, kommt dem Grundrecht der Gewissensfreiheit in unserer Gesellschaft eine eminent wichtige Bedeutung zu, zumal im Kontext mit möglichen religiösen Glaubensbekenntnissen und der vom Grundgesetz in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV gewährleisteten Kirchenautonomie. Hiernach hat der weltanschaulich neutrale Staat den Kirchen das Recht eingeräumt, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten106. Im Laufe der letzten Jahrzehnte sind immer wieder © 2007 106 Einen fundierten Einstieg in die Problematik kirchlicher Arbeitsverhältnisse ermöglicht der Aufsatz von Rüthers, Wie kirchentreu müssen kirchliche Arbeitnehmer sein?, in NJW 1986, S. 356 ff. 106 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? vom BVerfG Entscheidungen oberster Bundesgerichtshöfe, so u.a. vom BAG, aufgehoben worden und es hat sich ein „Sonderarbeitsrecht“ der Kirchen herauskristallisiert. Den Kirchen107 wird das Recht zugestanden, den kirchlichen Dienst nach ihrem Selbstverständnis zu regeln und verbindlich zu bestimmen, so dass den kirchlichen Mitarbeitern (auch solche in karitativen Einrichtungen) besondere Loyalitätspflichten auferlegt werden können. Aufgrund des „kirchlichen Selbstbestimmungsrechts“ folgt, dass bei der arbeitsvertraglichen Gestaltung des kirchlichen Dienstes das Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft zugrunde gelegt werden kann, woraus sich dann verbindlich Grundpflichten der Arbeitnehmer und damit gesteigerte Loyalitätspflichten individualarbeitsrechtlich ergeben können. Dass Verstöße hiergegen ganz einschneidende Konsequenzen nach sich ziehen, hat ein Arzt108 in einem katholischen Krankenhaus „schmerzvoll“ feststellen müssen, nachdem dieser öffentlich in „schwerwiegender Weise“ die kirchliche Lehre mit Blick auf den Schwangerschaftsabbruch kritisiert hat. Die Folge war letztlich die von dem katholischen Krankenhausträger ausgesprochene fristlose Kündigung, die zwar vor dem BAG109 keinen Bestand hatte, aber vom BVerfG110 bestätigt wurde111. Sofern also Ärzte (und Pflegemitarbeiter?!) in einem katholischen Krankenhaus (oder Alteneinrichtung etc.) tätig sind, haben diese die größtmögliche Nähe zur Kranken- und Altenpflege, die sich im © 2007 107 Das BVerfG erkennt allerdings nur Verlautbarungen der verfassten Kirche für den rechtlich erheblichen Inhalt des Selbstverständnisses an, siehe dazu im einzelnen Rüthers, aaO., S. 356 108 Siehe Beschluss des BVerfG v. 04.06.85, in NJW 1986, S. 367 ff. 109 Vgl. BAG, Urteil v. 21.10.82, in NJW 1984, S. 826 ff. 110 BVerfG, ebenda 111 Bedenklich stimmt allerdings der Umstand, dass in dem Verfahren lediglich die Meinungsfreiheit (Art. 5 I 1 GG) und nicht zugleich auch die Gewissensfreiheit geprüft wurde. 107 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Kern seit eh und je als eine Lebens- und Wesensäußerung der Kirche darstellen. Es bedarf nun keiner großen Phantasie mehr, dass der vom BGH zu beurteilende Fall durchaus anders hätte entschieden werden können und zwar unter der Voraussetzung, dass es sich bei dem Träger etwa um eine katholische Einrichtung gehandelt hätte. Anlass zu dieser Überlegung besteht deshalb, weil Papst Johannes Paul II noch im Jahre 2004 das katholische Leitbild mit Blick auf die künstliche Ernährung präzisiert hat. "Der Kranke im vegetativen Zustand, der die Wiederherstellung oder das natürliche Ende erwartet, hat das Recht auf eine grundlegende ärztliche Betreuung (Versorgung mit Nahrung und Flüssigkeit, Hygiene, Wärme usw.) und auf die Vorsorge gegen Komplikationen, die mit der Bettlägerigkeit verbunden sind. Er hat auch das Recht auf einen gezielten rehabilitativen Eingriff und auf die Überwachung der klinischen Zeichen einer eventuellen Besserung. - Insbesondere möchte ich unterstreichen, dass die Verabreichung von Wasser und Nahrung, auch wenn sie auf künstlichen Wegen geschieht, immer ein natürliches Mittel der Lebenserhaltung und keine medizinische Handlung ist. Ihre Anwendung ist deshalb prinzipiell als normal und angemessen und damit als moralisch verpflichtend zu betrachten, in dem Maß, in dem und bis zu dem sie ihre eigene Zielsetzung erreicht, die im vorliegenden Fall darin besteht, dem Patienten Ernährung und Linderung der Leiden zu verschaffen. - Denn die Pflicht, dem Kranken in solchen Fällen die gebotenen normalen Behandlungen nicht vorzuenthalten, umfasst auch die Versorgung mit Nahrung und Wasser (vgl. Päpstl. Rat für die Pastoral im Krankendienst, Charta für den Krankendienst, Nr. 120). Eine Wahrscheinlichkeitsrechnung, die auf den geringen Hoffnungen auf Besserung gründet, wenn der vegetative Zustand mehr als ein Jahr andauert, kann ethisch die Aussetzung oder Unterbrechung der Mindestbehandlungen des Patienten, einschließlich der Ernährung und Wasserverabreichung, nicht rechtfertigen. Denn der Tod durch Verhungern und Verdursten ist das einzig mögliche © 2007 108 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Resultat infolge ihrer Unterbrechung. In diesem Sinn wird er am Ende - wenn er bewusst und absichtlich herbeigeführt wird - zur tatsächlichen realen Euthanasie durch Unterlassung (...) Im übrigen ist der moralische Grundsatz bekannt, wonach auch der einfache Zweifel, ob man sich einer lebenden Person gegenüber befindet, schon dazu verpflichtet, diese voll zu respektieren und jede Handlung zu unterlassen, die auf ihren vorzeitigen Tod abzielt."112 In katholischen Kirchenkreisen wird aus der Ansprache des Papstes gleichsam gefolgert: „Die Grundfrage bleibt jedoch, ob eine gültige Patientenverfügung in solchen Fällen jemals die sittliche Legitimation zur Entfernung der Ernährungssonde geben wird können. Vom Naturrecht her, auf das sich der verstorbene Papst Johannes Paul II. in seiner diesbezüglich richtungweisenden Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Fachkongresses zum Thema "Lebenserhaltende Behandlungen und vegetativer Zustand: wissenschaftlicher Fortschritte und ethische Dilemmata" vom 20. März 2004 zweifellos bezog, scheint dies absolut ausgeschlossen“.113 Wenn demzufolge die künstliche Ernährung „absolut ausgeschlossen“ sein soll, könnte hier der Schluss geboten sein, dass analog der Auffassung der katholischen Kirche zum Schwangerschaftsabbruch die geforderte Unterlassung der künstlichen Ernährung die Glaubwürdigkeit der Kirche in ihrer Lebensäußerung „Krankenhaus und Altenpflege“ ganz entscheidend berührt, da insoweit das „Leben“ schlechthin betroffen ist – namentlich die „reale Euthanasie durch Unterlassen“, wie Papst Johannes Paul II. formulierte. Die gelegentlich gebotene Differenzierung der Beschäftigungsverhältnisse zur Nähe der Verkündigung und damit © 2007 112 Jeglichen Anfängen der Euthanasie in Deutschland wehren! Es gab und gibt nur eine bioethische Verpflichtung: weiterpflegen und weiterernähren. Ein Kommentar von Vizeoffizial Dr. Alexander Pytlik, Eichstätt, >>> unter kath.net vom 6.8.2005 113 Pytlik, ebenda, >>> unter kath.net vom 6.8.2005 109 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? zum eigentlichen Auftrag der Kirche dürfte bei den kirchlichen Fundamentalnormen resp. der zentralen Glaubens- und Sittenlehre eine untergeordnete Rolle spielen, zumal das „Leben“ per se am Anfang und am Ende gleichermaßen als schützenswert erachtet wird. Und spätestens an dieser Stelle dürfte sich dann sich die „Spreu vom Weizen“ trennen: Der BGH wird im Zweifel die schwierige Aufgabe lösen zu haben, gerade vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich verbürgten Kirchenautonomie und das von den Kirchen gelebte Bekenntnis „zum natürlichen Sterben“ das Spannungsverhältnis mit dem scheinbar absolut gesetzten Rechtsanspruch auf den „eigenen Tod“ zu entschärfen. Ein solches wird ihm nach diesseitiger Einschätzung nicht gelingen, da die verfasste Kirche in ihren Entscheidungen autonom ist – eine Erkenntnis, die etliche kirchliche Mitarbeiter haben feststellen müssen und zwar gerade dort, wo es um „existenzielle Fragen“ des Lebens und nunmehr auch des Todes geht. Der in einer katholischen Alteneinrichtung tätige Arzt dürfte nach den Verlautbarungen des Papstes zum einen eine solche Weisung nicht erteilen und, was ebenso bedeutsam ist, dem selbstbestimmten und daher berechtigten Wunsche des „sterbenden Patienten“ nicht nachkommen, es sei denn, er möchte seinen Arbeitsplatz verlieren. In einem solchen Fall stößt die Gewissensentscheidung des Arztes oder der Pflegemitarbeiter auf „zentrales Kirchenrecht“ und findet dort seine Grenze; sofern dann die Gewissensentscheidung vom Arzt oder Pflegepersonal auch „gelebt“ werden soll, bliebe nur noch die Konsequenz, bei einer Nichtvereinbarung mit der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre das zwischen dem Personal und der Kirche begründete Arbeitsverhältnis selbständig zur Aufkündigung zu bringen. © 2007 Mögliche Folgerungen für die Ärzteschaft und Pflegepersonal 110 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Hier scheint denn auch ein Kompromiss in der Diskussion um die „Sterbehilfe im weiten Sinn“ möglich. Wenn es der Alteneinrichtung, dem Arzt oder dem Pflegepersonal nicht möglich erscheint, aufgrund ihrer höchst persönlichen Gewissensentscheidung die von ihnen verlangte resp. angeordnete Einstellung der künstlichen Ernährung einzustellen, sollte um der Bedeutung der Grundrechtsposition eben dieser Beteiligten wegen diese Entscheidung akzeptiert werden. Es wird hierbei nicht verkannt, dass das öffentliche Recht eine Schutzfunktion (vgl. § 2 HeimG) entfaltet. Weshalb nun aber das Kündigungsrecht ausgeschlossen sein soll, ist nicht erklärlich. § 8 Abs. 3 HeimG sieht zwar vor, dass der Träger den Heimvertrag nur aus wichtigem Grund kündigen kann. Ein wichtiger Grund liegt u.a. nach § 8 Abs. 3 Ziff. 2 HeimG dann vor, wenn der Gesundheitszustand der Bewohnerin oder des Bewohners sich so verändert hat, dass ihre oder seine fachgerechte Betreuung in dem Heim nicht mehr möglich ist. Die aus diesem Grund folgende Kündigung kann auch fristlos erfolgen, wenngleich sie nach § 7 HeimG an einen Nachweis für eine anderweitige angemessene Unterkunft und Betreuung zu zumutbaren Bedingungen geknüpft ist. Wesentlich ist hierbei, dass die Kündigungsgründe nicht abschließend im HeimG geregelt sind und demzufolge der „wichtige Grund“ zur Auflösung des Heimvertrages auch in einer von dem Arzt oder Betreuer angeordnete Maßnahme erblickt werden kann, die dem „ethischen Leitbild“ der Institution und dem Gewissen der Mitarbeiter in Ausübung ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechte nachhaltig nicht entspricht. Dieses Privileg steht beileibe nicht nur den Kirchen im Rahmen der ihnen verfassungsrechtlich verbürgten Kirchenautonomie zu, sondern freilich auch den Trägern und Mitarbeitern, die unabhängig von einer religionsspezifischen und motivierten Grundüberzeugung zu der höchstpersönlichen Einstellung gelangen, keinen Beitrag zur „Hilfe bei Sterben im weiten Sinne“ leisten zu wollen. © 2007 Bei der Reichweite der Bestimmung des Grundrechts der Gewissensfreiheit dürfte die nach wie vor in der Literatur 111 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? umstrittene Frage, ob die künstliche Ernährung eine „invasive Maßnahme“114 sei oder zu den sog. „remedia ordinaria“ zählt, auf die im Rahmen der Basispflege ein zwingender Anspruch bestehe115, nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung sein. Entscheidend ist vielmehr die konfligierende Rechtsgüterposition zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten einerseits und der Gewissensentscheidung etwa des Arztes oder des Pflegepersonals andererseits, da insoweit dem Patienten ein „Rechtsanspruch auf den eigenen Tod“ zu konzedieren ist, diesen aber nicht von den ihn behandelnden oder pflegenden Personen entgegen ihrer Gewissensentscheidung „erzwingen“ kann. Entgegen der von Putz und Steldinger vertretenen Auffassung bestätigt der BGH nicht die „Selbstverständlichkeit, dass einheitlich Ärzte, Kliniken und Pflegekräfte dem Patientenwillen unterworfen sind“116, sondern allenfalls das autonome Recht des Patienten, auf invasive oder pflegerische Behandlung und Betreuung an seinem Lebensende verzichten zu können und zu wollen. Selbstverständlich wäre allenfalls nur die Erkenntnis, dass der selbstbestimmte „Patientenwille“ nicht zur „Fremdbestimmung“ anderer Grundrechtsträger instrumentalisiert wird und demzufolge die „Freiheit“ einer Gewissensentscheidung vollständig verdrängt und somit das Grundrecht aus Art. 4 GG inhaltsleer wird. In diesem Sinne kann hier auch die Frage, ob die künstliche Ernährung eine invasive oder eine pflegerische Maßnahme ist, unbeantwortet bleiben, da dass Selbstbestimmungsrecht des Patienten entweder an dem Gewissen des Arztes (invasive Behandlungsmaßnahme) oder an dem Gewissen des Pflegepersonals (dann pflegerische „Vorbehaltsaufgabe“ der Basispflege) seine „Grenze“ findet117. © 2007 114 So wohl Taupitz, Gutachten A zum 63. DJT..., aaO. Fn. 110, A 48 mit weiteren Nachweisen in Fußnote 205; im übrigen auch Putz/Steldinger, aaO. (Fn. 4), S. 14 115 In diesem Sinne etwa, Schmidt/Madea, Grenzen ärztlicher Behandlungspflicht am Ende des Lebens, in Medizinrecht (MedR) 1998 (Heft 9), S. 406 ff. (406)) mit weiteren Nachweisen. 116 Putz/Steldinger, aaO. (Fn. 3), S. 12 117 Prinzipiell ist hierbei zwar zu berücksichtigen, dass die medizinisch gebotene 112 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang sicherlich, dass Putz und Steldinger selbst darauf hinweisen, dass Pflegeheime einzelne Pflegekräfte arbeitsrechtlich jedoch nicht zwingen können, Verrichtungen gegen deren eigene ethische Überzeugung vorzunehmen. Dies ist in der Tat ein richtiger Hinweis, der auch um das Recht der Ärzte als auch der Träger (sofern diese grundrechtsfähig sind) zu ergänzen ist, dass auch diese nicht gezwungen werden können, gegen ihre Gewissensentscheidung zu handeln oder eine begehrte Unterlassung, namentlich die Einstellung der Versorgung mit Flüssigkeit und Nahrung, vorzunehmen. Die Lösung in dem konfliktbeladenen Spannungsfeld zwischen der autonomen und selbstverständlich zu respektieren Patientenentscheidung und der Gewissens- und Berufsfreiheit des Arztes und der Mitarbeiter kann daher nur in der „Beendigung“ entweder des ärztlichen Heilbehandlungsvertrages oder des Heimvertrages erblickt werden. Die Betreuung des Heimbewohners an seinem Lebensende wird dann von Ärzten und Pflegenden, die sich keinem Gewissenskonflikt ausgesetzt sehen, bis zu dem Zeitpunkt erbracht, bis der Träger eine zumutbare anderweitige Unterbringung des zu Pflegenden nachgewiesen hat und somit eine Verlegung des Patienten möglich ist. Der hier vertretene Kompromiss zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten und der Gewissensfreiheit der ihn betreuenden Ärzte und Pflegenden beruht auf einem dem Arbeitsrechtler hinreichend bekannten Grundsatz, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei verfassungskonformer © 2007 Maßnahme dann ihre Indikation verliert, wenn sie ihr ursprüngliches (kuratives) Ziel nicht mehr erreichen kann und demzufolge dann auch abzubrechen ist, wenngleich hiermit die außerordentlich schwierige Frage bei der „Hilfe beim Sterben im weiten Sinn“ aufgeworfen ist, ob etwa bei den Komapatienten gerade die medizinische Indikation ein Unterlassen der künstlichen Ernährung gebietet. Dies Frage ist in der medizinischen Fachliteratur nach wie vor umstritten. 113 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Auslegung des § 315 BGB keine Arbeit zuweisen darf, die diesen in einen vermeidbaren Gewissenskonflikt bringt. „Dabei ist als Gewissensentscheidung jede ernstliche sittliche Entscheidung anzuerkennen, die der einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt und gegen die er nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte.“118 Ein solcher Gewissenskonflikt ist eben auch dann anzuerkennen, wenn sich die Ärzte oder die Pflegemitarbeiter aus ernsthafter Gewissensnot „weigern“, die künstliche Ernährung einzustellen. Es mögen sich dann durchaus die Therapieziele bei (sterbenden) Patienten geändert haben, so dass statt kurativer nunmehr die palliative Medizin gefordert ist, wenngleich die Gewissensentscheidung über die Notwendigkeit der unbestrittenen Basispflege durchaus auch die Versorgung mit Flüssigkeit und Nahrung mit beinhalten kann. Bei allem gebotenem Respekt vor anders lautenden Rechtsmeinungen erscheint mir die Akzeptanz der Gewissensentscheidung von Ärzten und PflegerInnen auch im Sinne des Toleranzgebotes zwingend erforderlich, zumal bei den Grenzfragen zwischen „Leben und Tod“ jeder einzelne nur seinem Gewissen verantwortlich ist, ohne dass dieses „Gewissen“ im Sinne einer „Zwangskollektivierung“ auf eine scheinbar normativ verpflichtende „Pflegeethik“ gleichgeschaltet wird. Ausblick © 2007 Es besteht kein Anlass zur Euphorie, dass der „Streit“ nunmehr „höchstrichterlich“ geklärt sei; der BGH hat m.E. zentrale verfassungsrechtliche Überlegungen im konkreten Einzelfall nicht angestellt bzw. im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung auch keine Veranlassung gesehen, diese in extenso vertiefend zu 118 Becker et.al., Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 1998, Fischemeier zu § 626 BGB Rdnr. 141 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung und Literatur. 114 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? behandeln, ungeachtet der Tatsache, dass dann in der Folge das BVerfG zur Entscheidung von einem der Prozessbeteiligten bemüht werden könnte. Den streitbaren Teilnehmern an der Diskussion in einem höchst sensiblen Bereich sei im Übrigen gerade um der Bedeutung des ethischen Diskurses willen ein Höchstmaß an Mäßigung empfohlen119. Es geht beileibe nicht um eine „perverse zwangsweise Lebenserhaltung“120, sondern um fundamentale Grundrechte und Werte in unserer Verfassung, die gleichermaßen dem Patienten als auch den anderen beteiligten Akteuren zu konzedieren sind. Knoepffler hat in seinem Vortrag völlig zu Recht konstatiert: „Ähnlich ist es um die Autonomie der behandelnden Ärzte, d.h. Weigerung der Vollstreckung eines dem Ethos des Arztes widersprechenden, tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen, bestellt. Wenn also der Patientenwille nicht erfüllt wird, scheint ein Zwang aufgrund des Respekts der Autonomie des Arztes unangebracht. Vielmehr müssten solche Fälle über die Policy des Krankenhauses geklärt werden, wie es etwa in Amerika der Fall ist.“ 121 119 „Mit den Eltern sind wir zutiefst erleichtert, dass die perverse zwangsweise Lebenserhaltung gegen den Willen von Peter K. nach fast sechs Jahren endlich ein Ende genommen hat. Sie war rechtlich gesehen nicht nur eine mit Strafe bedrohte Körperverletzung, sondern vor allem eine Verletzung der Selbstbestimmung und Würde unseres Mandanten. Unsere Anerkennung und Hochachtung gilt aber nicht nur den Eltern sondern auch dem großartigen Arzt von Peter K., der mit der Familie und uns seit Jahren gekämpft hat, Peter durch passive Sterbehilfe seinem Wunsch entsprechend sterben zu lassen.“, so Putz / Steldinger, in Presserklärung, siehe unter >>> http://www.patientenverfuegung.de/pv/detail.php?uid=183 120 Putz / Steldinger, ebenda. 121 Ebenso Knoepffler, in Tagungsbericht – Menschenwürde in der Bioethik – das Lebensende – Interdisziplinäres Forum zur aktuellen Wertediskussion v. 28.07.05 (v. Benedikt Seidenfuß), Hans Seidel Stiftung &. Akademie für Politik und Zeitgeschehen, S. 8 © 2007 115 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Mit Interesse darf daher das Ansinnen der Prozessbevollmächtigten der Eltern des Verstorbenen verfolgt werden, nunmehr den Träger der stationären Alteneinrichtung auf „Schadensersatz und Schmerzensgeld für die rechtswidrige Zwangsernährung“ zu verklagen, zumal diese Ansprüche auf die Eltern des Verstorbenen übergegangen sind. In einem solchen Verfahren bietet sich erneut die Möglichkeit, die Bedeutung der Grundrechte aller Beteiligten ins Bewusstsein derer zu rufen, die die Entscheidung herbeiführen möchten und derjenigen, die zur Entscheidung berufen sind. © 2007 116 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Das „Sterbenlassen“ einer Wachkoma-Patientin - Gebührt nicht auch der katholischen Einrichtung Respekt und Toleranz vor der Gewissensentscheidung?! Kurze Stellungnahme, u.a. zur Pressemitteilung v. RA(e) Putz und Steldinger122 v. Lutz Barth, 24.08.06 Die Individualschicksale einzelner schwerstkranker Patienten sollten nachhaltig den Gesetzgeber veranlassen, nunmehr tätig zu werden. Allein der Gesetzgeber ist dazu berufen, in dem höchst sensiblen und vor allem grundrechtsrelevanten Bereich aufgrund der ihm zuvörderst zustehenden Gesetzgebungskompetenz eine Regelung herbeizuführen, die sowohl den Interessen der Patienten als auch diejenigen der sie Pflegenden und Betreuenden entspricht. Auf Dauer wird der auch der Bundesgerichtshof überfordert sein, die Problemfälle zu judizieren und zwar ungeachtet der Tatsache, dass dem BGH in diesen grundrechtsrelevanten Fällen auf Dauer keine gesetzesvertretende „Gesetzgebungskompetenz“ in Gestalt eines sog. Richterrechtes zukommt. In einzelnen Pressemitteilungen wird nach wie vor der Eindruck erweckt, als sei mit der berühmten „Kemptener-Entscheidung“ die strafrechtliche Dimension der sog. Sterbehilfe-Debatte bereits gelöst. Dem ist mitnichten so, da allein der Gesetzgeber aufgrund seiner grundrechtlichen Schutzpflichten gehalten ist, sich endlich mit Nachdruck der Problematik anzunehmen. Trotz der Rechtsprechungsentwicklung des BGH steht zu bezweifeln an, ob © 2007 122 Pressemitteilung der RA(e) Putz und Steldinger v. 22.08.06, Quelle: >>> Homepage der RA(e) <<<; vgl. ebenso OVB-online v. 21.08.06, >>> „Das kann kein Mensch wollen“ <<< v. Boris Forstner. 117 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? der Hinweis auf die sog. „allgemeinen Wertvorstellungen“ bei der Beurteilung von lebensverlängernden Maßnahmen sich als verfassungsrechtlich tragfähig erweisen wird, zumal wenn es um die Beurteilung und Reichweite einer patientenautonomen Entscheidung geht. Dies gilt auch in den Fällen, in denen nach dem „mutmaßlichen Willen“ des Patienten zu forschen ist, wenn und soweit keine eindeutige patientenautonome Erklärung vorliegt. Völlig unabhängig hiervon ist aber das Problem zu werten, ob den Ärzten und ggf. den Pflegenden entgegen ihrer Gewissensentscheidung ein Verhalten abgerungen werden soll, wonach u.a. bei dem Patienten die Ernährung eingestellt wird. Ich meine nicht, denn weder den Patienten noch den Betreuern kommt ein „Fremdbestimmungsrecht“ zu! Das Prinzip der praktischen Konkordanz erfordert einen möglichst schonenden Ausgleich zwischen den konfligierenden Grundrechten der Beteiligten, so dass einerseits das Selbstbestimmungsrecht des Patienten und andererseits die ernsthafte und zu respektierende Gewissensentscheidung der Ärzte und Pflegenden gewahrt bleiben. Es geht eben nicht darum, dass Pfleger oder Einrichtungen nicht bereit seien, ihre Patienten in Ruhe und Frieden „sterben zu lassen“, sondern um eine nach außen hin gelebte und praktizierte Gewissensentscheidung, die es ihnen offensichtlich verbietet, ggf. die künstliche Ernährung einzustellen. Dies mögen wir akzeptieren und anderenorts wurde bereits darauf verwiesen, dass sich eine wie auch immer geartete Pflegeethik in Gestalt einer „guten Todes- oder Sterbeethik“ nicht zwangsweise vermitteln lässt. Selbstredend ist hierbei, dass die Gewissensentscheidung der Ärzte und Pfleger nicht dazu führen kann, dass das Selbstbestimmungsrecht des Patienten bei der Grundfrage nach seinem eigenen Tod und Sterbewunsch nicht berücksichtigt wird. Hierzu wurde bereits vorgeschlagen, in solchen Situationen den Patienten in eine andere Einrichtung zu verlegen, in der der autonome Wille eine adäquate Berücksichtigung findet. © 2007 118 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Überdies wird angeregt, jedenfalls den rechtlichen Diskurs nicht mit emotionalen und für sich genommen bedauerlichen Einzelschicksalen zu überfrachten. Es steht außer Frage, dass die Macht des geschriebenen Wortes eine ungeheure Wirkung entfalten kann, wobei aber stets die Gefahr mitschwingt, dass dann in der Öffentlichkeit ein Bild etwa der Pflegenden oder der Einrichtung skizziert wird, dass nicht sachgerecht die Motive und damit auch die Gewissensentscheidung widerspiegelt. Beredtes Beispiel hierfür ist der jüngste Fall in Bayern, der für allgemeines Medieninteresse sorgen wird. Den Presseberichten kann entnommen werden, dass die Amputation des Fußes eigentlich medizinisch indiziert war, hiervon aber aufgrund der Gesamtumstände Abstand genommen wurde. Dies ist für sich genommen unter medizinischen Aspekten betrachtet nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich und nachdenklich stimmend ist vielmehr in der Presseberichterstattung, dass in der Folge die Mumifizierung des Unterschenkels einschließlich der sichtbaren Kniescheibe und Pattelasehne eine besondere Gewichtung erfährt, dergestalt, in dem unmittelbar hieran darauf verwiesen wird, dass das Pflegeheim sich weigerte, die Patientin sterben zu lassen. Was soll uns dieser Hinweis sagen? Der schockierte Leser, der zunächst mit einer Mumifizierung in einer deutschen Alteneinrichtung konfrontiert wird, bleibt seinen Spekulationen überlassen: Hat etwa die Alteneinrichtung ein (Mit)Verschulden daran, dass das rechte Bein der Patienten zunehmend mumifizierte und das linke Bein bereits erste Anzeichen hierfür aufwies? Wäre es vielleicht doch besser gewesen, die Patientin „sterben zu lassen“ – wie es offensichtlich dem Wunsche der Familienangehörigen als auch der Ärzte entsprach -, bevor diese am lebendigen Leibe mumifiziert? Und – auch die Krankenschwestern geben zu bedenken, dass dies ja unendlich große Schmerzen sein müssten! © 2007 All dies wird in der Öffentlichkeit nicht seine nachhaltige Wirkung verfehlen und gerade weil dies so ist, muss (!) der Gesetzgeber 119 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? schnellstens tätig werden. Anderenfalls steht zu befürchten an, dass ein gesamter Berufsstand abermals stigmatisiert und an den Pranger gestellt wird, obwohl diese eine nachvollziehbare Gewissensentscheidung getroffen haben, die auch Rechtsanwälte, Betreuer oder Familienangehörige zu respektieren haben. Nicht sonderlich hilfreich ist bei dieser Fragestellung im übrigen der Hinweis, dass jede ärztliche Behandlung einer Indikation und freilich der Einwilligung des Patienten nach zuvor erfolgter ärztlicher Aufklärung bedarf. Dies dürfte allgemeinen bekannt sein, während demgegenüber die Frage nach einem möglichen Behandlungsabbruch aufgrund einer scheinbar infausten Prognose mit Blick auf einen Wachkoma-Patienten höchst umstritten ist. Gerade die Frage, in welchen (!?) Situationen das Sterbenlassen erlaubt ist, steht zur Diskussion an. Bislang galt das Kriterium, das der Patient schon in die Sterbephase eingetreten sein müsse. Nach der Rechtsprechung des BGH galt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn und soweit das Leiden des Patienten nach ärztlicher Überzeugung irreversibel war und einen Verlauf angenommen hat, bei dem der Tod in kurzer Zeit eintritt. Im sogenannten „Kemptener Fall“ hat dann in der Folge der BGH allerdings entschieden, dass ein zulässiges Sterbenlassen auch dann vorliegen könne, wenn der Patient noch nicht in die Sterbephase eingetreten ist, dieser aber den Abbruch der ärztlichen Behandlungsmaßnahmen expressis verbis wünscht resp. will bzw. die Voraussetzungen des mutmaßlichen Willens des Patienten gegeben sind. Hierbei ist klar, dass an die Voraussetzungen der Annahme eines sog. mutmaßlichen Willens strenge Anforderungen zu stellen sind. Festzuhalten bleibt aber in jedem Falle, dass es mit dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht vereinbar ist, gegen seinen Willen Maßnahmen zur künstlichen Lebensverlängerung vorzunehmen (vgl. dazu auch die Stellungnahme des Nationales Ethikrates v. 13.06.06 – Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende, S. 35; ebenso die Stellungnahme des Nationalen Ethikrates zur Patientenverfügung). © 2007 120 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Es geht m.E. nicht „der Blick für die Indikation“ verlustig, sondern mit den ständig wachsenden Möglichkeiten der Medizin einschließlich der Medizintechnik stößt die Medizin in Bereiche vor, die gegenwärtig Zweifel aufkommen lassen, bei bestimmten medizinischen Krankheitssymptomatiken von einer sog. infausten Prognose ausgehen zu können. Dies gilt sowohl für die Wachkoma-Patienten und in der Folge auch für die hochgradig dementiell erkrankten Patienten, um hier nur zwei Beispiele zu nennen. Und in diesem Sinne darf dann wohl auch der in der Pressenotiz mitgeteilte Hinweis der Geschäftsführerin der Caritas Sozialwerke verstanden werden, wonach „der Sterbeprozess noch nicht eingesetzt hatte“. Ob dies tatsächlich so war und ob ggf. doch der Wille der Patientin für einen Behandlungsabbruch entgegen den Bekundungen der Einrichtung hinreichend „klar und präzise“ war oder zumindest ein „mutmaßlicher Wille“ hierfür festgestellt werden konnte, kann in Ermangelung eines konkreten, sämtliche die den Fall betreffenden Einzelheiten, maßgeblichen Sachverhalts nicht (!) beurteilt werden und es verbietet sich eine allzu schnelle „Vorverurteilung“ – auch durch die Medien, die mit ihrer Berichterstattung einen Eindruck aufkommen lassen können, als habe man hier einen lebenden Patienten bewusst länger als nötig mumifizieren lassen. Die medizinische Entwicklung führt also zunehmend zu (rechts)normativen Problemen und gerade die sog. medizinische Indikation erweist sich bei näherer Betrachtungsweise mit all seinen dynamischen Elementen in Zeiten einer wissenschaftsorientierten Medizin als nicht statisch. Die Grenze, ab wann ein medizinischer Eingriff nicht mehr medizinisch indiziert sei und demzufolge es nicht mehr auf den Patientenwillen ankomme (so Putz), wird zunehmend nicht nur in Frage gestellt, sondern wird laufend verschoben, so dass die Frage nach der Indikation zwar nicht an normativer Bedeutung verliert, gleichwohl aber an hinreichender dogmatischer Schärfe. Dies zeitigt im © 2007 121 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Ergebnis die Konsequenz, dass nach wie vor dem autonomen Patientenwillen eine eminent wichtige Bedeutung zukommt, vorausgesetzt, die Rechtsordnung akzeptiert mit all seinen Konsequenzen einen Rechtsanspruch auf den eigenen Tod. „Die Patientenverfügung schlägt demzufolge in der Tat zurück“, um sich der Worte der Rechtsanwälte zu bedienen und zwar aus guten Gründen: die Entlassung des Patienten in seine grundrechtlich geschützte autonome Stellung bedingt zugleich die Kehrseite seines wohlverstandenen Selbstbestimmungsrechts, namentlich die hohe Selbstverantwortung! Mit den zunehmenden medizinischen Erfolgen und damit der Grenzverschiebung der medizinischen Indikation von einer infausten Prognose geht die besondere Verantwortung des Patienten für seine künftige und mögliche patientenautonome Entscheidung einher; er selbst ist dazu berufen, die Regie für „seinen Tod“ zu führen. Weder die „allgemeinen Wertvorstellungen“ in unserer Gesellschaft noch die Spekulationen der Familienangehörigen über den mutmaßlichen Willen des Patienten, geschweige denn irgendwelche Rechtsanwälte oder Richter vermögen sich auf Dauer der Erkenntnis verschließen, dass primär unsere Verfassung die Vorgaben für eine Lösung in dem konfliktbeladenen Spannungsfeld des sog. Sterbenlassens liefert und nicht ein Ziviloder Strafgericht, mögen dies auch die Senate beim BGH sein. Der eigentliche Konflikt im Konflikt ist aber eher unspektakulär zu lösen: Die Gewissensfreiheit der Ärzte und Pflegenden setzt dem Selbstbestimmungsrecht der Patienten durchaus seine Grenzen. Ein solches gilt freilich auch für die Religionsfreiheit, wenn nicht gar in einem besonderen Maße. Nicht nur dem Krankenhaus (so Putz), sondern auch der Einrichtung der Caritas ist großer Respekt zu zollen, halten sie doch den Wirrungen in einer lebhaften und von einer allgemeinen Wertediskussion teilweise geplagten säkularisierten Gesellschaft stand. Die Kirche muss nicht ihre Grundüberzeugungen „über Bord werfen“; im Gegenteil, sie bleibt aufgerufen, gleichsam ein „Fels in der Brandung“ zu sein, um im Zeitalter einer allgemeinen Wertediskussion auf dem Marktplatz der Meinungen mit Nachdruck ihre Auffassung konsequent zu © 2007 122 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? vertreten und es darf die Prognose angestellt werden, dass sie sich hierbei auf einem verfassungsrechtlich gut abgesicherten Boden befindet. Um allen Spekulationen hier den „Wind aus den Segeln“ zu nehmen sei darauf hingewiesen, dass die vorstehenden Zeilen von einem weltanschaulich neutralen Beobachter stammen, der allerdings die Grundrechte und den Verfassungsstatus nicht nur der Patienten, Ärzte und Pflegenden, sondern auch der Konfessionen achtet, ohne hier das Wort von einer philosophischen oder transzendenten Verfassungsinterpretation reden zu wollen. Trotz aller Säkularisierung ist es die vornehmste Aufgabe und das verfassungsmäßig verbürgte Recht (!) der Kirche, ihren „Weg“ in der Sterbehilfedebatte selbst zu bestimmen und zu gehen und – soweit für mich ersichtlich – hat sich die katholische Kirche deutlich positioniert. Üben wir Toleranz gegenüber einer Einrichtung, die aus ihrem Selbstverständnis heraus nicht den Schritt in ein „Sterbenlassen“ des Patienten aufgrund der Einstellung der künstlichen Ernährung zu gehen bereit ist. Es bedarf nicht des moralischen, ethischen oder rechtlichen Drucks einer Gesellschaft auf die kirchlichen Einrichtungen, um die Grenzfragen am Lebensende verfassungsrechtlich entschärfen zu können. In diesem Zusammenhang stehend darf daran erinnert werden, dass das katholische und unverrückbare Bekenntnis zum Lebensrecht des Menschen als ein fundamentaler Wert etwa in der Schwangerschaftsberatung dazu geführt hat, dass sich die Kirche hiervon distanziert hat. © 2007 Im jüngsten Fall hegt hier der Autor allerdings keinen Zweifel an der Redlichkeit der Ausführungen der Geschäftsführerin der Caritas – Sozialwerke, wonach für den Fall des Eintretens einer Sterbephase dafür Sorge getragen worden wäre, dass die Patientin keine lebensverlängernden Maßnahmen erhält. 123 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Mögen auch die Anwälte über diese Argumente den Kopf schütteln und behaupten, „bei diesem Fall brauche ich keine Patientenverfügung“, so darf daran erinnert werden, dass jedenfalls nach der Rechtsprechung des BGH über das Sterbenlassen in der Sterbephase hinaus nur dann das Unterlassen der weiteren Behandlung straflos ist, wenn der Patient eine Fortsetzung der Therapie ablehnt! Das bedeutet in der Konsequenz, dass in jedem Falle eine patientenautonome Entscheidung vorliegen muss (ggf. auch im Rekurs auf den mutmaßlichen Willen), es sei denn, die erste Alternative über den Eintritt des Patienten in die Sterbephase würde bereits vorliegen, so dass die Weiterbehandlung des Patienten aufgrund des irreversiblen Grundleidens nicht mehr indiziert war. Ob dies allerdings vorliegend gegeben war, kann den Pressemitteilungen nicht entnommen werden. Aus all diesen leidigen Diskussionen folgt zuvörderst die Erkenntnis, dass der Gesetzgeber dringlichst aufgerufen bleibt, endlich seinen grundrechtlichen Schutzverpflichten nachzukommen. Die höchst umstrittenen Fragen werden auf Dauer weder beim BGH in Karlsruhe noch in einer Anwaltskanzlei in München entschieden. Ob der kommende 66. Deutsche Juristentag in Stuttgart hierzu einen Beitrag wird leisten können, steht insofern zu bezweifeln an, da die Grundfragen nicht auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts, sondern auf der des Verfassungsrechts entschieden werden. Hierbei wird nicht verkannt, dass derzeit die Gerichte gehalten sind, den Grundrechtsschutz der Patienten und der anderen Beteiligten zu gewährleisten, bis der Gesetzgeber ein verfassungskonformes Schutzkonzept entfaltet und entsprechend etabliert hat. Nicht hinnehmbar ist allerdings der Umstand, dass auf Dauer Tätigkeitsversäumnisse des Gesetzgebers zu beklagen sind, obgleich dieser ausreichend Zeit und Gelegenheit hatte, eine rechtsförmige Regelung vorzunehmen. Letztlich bliebe hier nur noch der Gang zum Bundesverfassungsgericht, um mehr oder minder sanften Druck auf den parlamentarischen Gesetzgeber entfalten zu können, damit dieser seinen Aufgaben nachkommt © 2007 124 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? und ich für meinen Teil gestehe freimütig, dass ein solcher Gang wünschenswert wäre. Dabei geht es weniger um die „Sanktion“ des Gesetzgebers als vielmehr um eine verfassungsrechtlich fundierte Orientierung durch das Bundesverfassungsgericht. Denn eines dürfte bereits jetzt klar sein: die vom Gesetzgeber erlassenen Regelungen werden ohnehin durch das BVerfG einer Prüfung unterzogen. © 2007 125 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Gibt es gute Gründe gegen Assistenz beim Suizid und aktive Sterbehilfe? Ein Vortrag v. Uwe Fahr auf Einladung durch die Gesellschaft für analytische Philosophie, Regionalgruppe Erlangen-Nürnberg auf dem öffentlichen Workshop Leben und Tod als philosophische Herausforderung: Pathozentrismus – Medizinethik – Sterbehilfe am 24.06.06. Quelle: http://www.ethik-info.de/Uwe_Fahr_Vortrag_06_06_24.pdf Kurze Anmerkung (L. Barth): Uwe Fahr kommt in seinem Referat u.a. zum folgenden Resümee: „Ich meine, dass es für einen Gesetzgeber gute Gründe gibt, auf eine Liberalisierung des Paragraphen 216 zu verzichten. Sie bestehen darin, dass eine genaue Abgrenzung zwischen Menschen, die zurecht eine Tötung für sich in Anspruch nehmen können und solchen, die dies zu unrecht tun würden, nicht gezogen werden kann. Im Sinne des Schutzes menschlichen Lebens ist es daher einzelnen zumutbar, ihre persönliche Wertentscheidung dem Gesamtinteresse unterzuordnen“. Im Kern bedeutet dies nach ihm, dass der Gesetzgeber diejenigen Menschen, © 2007 „die sich authentisch auf ihrer Wertgrundlage gegen das Leben entscheiden, zuzumuten (ist), weiterzuleben als es zuzulassen, die Willensschwachen vorzeitig töten zu lassen“. Hierbei verlange dann in der Folge der Gesetzgeber lediglich Gehorsam und Fahr gibt für einige der willensstarken Sterbewilligen gleich ein vielleicht hilfreiches Argument an die Hand: 126 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? „Da ich Teil der politischen Gemeinschaft bin und daher Teil des Gesetzgebers als des Souveräns, kann ich zugunsten anderer Menschen auf meine Tötung verzichten, auch wenn dies für mich selbst mit Leiden verbunden ist; es ist allerdings dann ein Leiden, das ich auf mich nehme, um andere Personen zu schützen“. Diese Lesart vom Selbstbestimmungsrecht des Individuums greift m.E. nach wesentlich zu kurz und zielt letztlich direkt auf einen Grundrechtsverzicht ab. Unabhängig davon, dass dem parlamentarischen Gesetzgeber ein beachtlicher Beurteilungs- und damit Gestaltungsspielraum zukommt, findet dieser jedoch seine Grenze an den legitimen Interessen der einzelnen Grundrechtsträger. Die höchst individuelle Entscheidung am Lebensende für einen selbstbestimmten Tod impliziert zugleich auch das Recht, nicht zum Weiterleben verpflichtet zu werden. Mit dem Hinweis darauf, dass der Einzelne Teil der politischen Gemeinschaft und damit auch des Souveräns ist, appelliert der Autor Fahr nach meiner Auffassung eher an einen tugend-, denn an einen rechtsethischen Aspekt. Grundrechte sind in erster Linie Individualrechte und sie finden ihre Grenze an den Grundrechten anderer und freilich auch an überragenden Verfassungswerten. Hierzu zählt allerdings nicht die Verpflichtung, persönliches Leid mit Blick auf den Sterbewunsch auf sich zu nehmen, um andere Personen zu schützen. Der Sterbewillige hat vielmehr Anspruch darauf, dass ihm gesetzliche Rahmenbedingungen ermöglich werden, in den ihm die Möglichkeit zum selbstverantworteten Sterben eingeräumt werden. Der Appell an einen Verzicht des legitimen Sterbewunsches (auch um den Preis des eigenen Leidens willen) bedeutet in der Konsequenz einen Rückschritt in der aktuellen Debatte und setzt erkennbar auf einen ethischen Tugendkompromiss, der dem Einzelnen nicht nur demokratische Tugenden, sondern auch © 2007 127 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? individuelle Leidensfähigkeit und einen Grundrechtsverzicht abringt, die so in unserer Verfassung nicht vorgesehen sind. Der individuelle Wunsch des Sterbens bedarf keiner demokratischen Legitimation, sondern vielmehr obliegt es dem Gesetzgeber, seinen grundrechtlichen Schutzauftrag wahrzunehmen. Er ist dafür darlegungs- und beweisbelastet, warum das Individuum ggf. einen Eingriff in seine subjektiven Grundrechte zu tolerieren hat. Wenig hilfreich ist hierbei ohne Frage der ansonsten tugendethische Appell, ggf. andere Personen zu schützen. Der Sterbewunsch und noch weniger das Sterben an sich ist eine öffentliche Veranstaltung, in denen das Individuum mit Hinweis auf vermeintlich ethische Schranken zwangsinstrumentalisiert wird. Ihm allein obliegt die Entscheidung und der Gesetzgeber hat hierfür die notwenigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Und selbst wenn dann in der Folge der Gesetzgeber eine Regelung getroffen hat, müssen wir uns nicht zwangsläufig mit dieser Regelung zufrieden geben. Prinzipiell hegt zwar der Gesetzgeber die Erwartung, dass das Staatsvolk gehorsam ist. Insofern kann Fahr beigepflichtet werden. Aber dennoch kann und soll der betroffene Bürger dann Ungehorsam praktizieren, wenn und soweit er einen Grundrechtseingriff zu tolerieren hat, der verfassungswidrig ist oder den er für nicht verfassungskonform hält. Auch ein Gesetz eines parlamentarisch-repräsentativen demokratischen Gemeinwesens steht zur Disposition seiner Bürger, wenn und soweit in dem Gesetz Grundrechtsverletzungen zu beklagen sind. Nun mag man Gehorsam auch als Tugend bezeichnen, aber nicht um den Preis eines Grundrechtsverzichtes willen. Der Appell als solcher mag auch lobenswert sein, wenngleich hier die Tugendethik ebenso wie das vermeintliche moralische Gesetz unmittelbar ihre Grenzen aus der Verfassung erfahren. © 2007 128 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? In diesem Zusammenhang stehend könnte es dann natürlich Sinn machen, über den Begriff der Autonomie weiter nachzudenken. Diesbezüglich soll auf den Beitrag v. Uwe Fahr „Zur Kritik der aktiven Sterbehilfe“ verwiesen werden. >>> http://www.ethik-info.de/Fahr005.pdf Gleich einführend bemerkt Fahr, dass jedenfalls Bettina SchöneSeifert in einem Aufsatz nachdrücklich die Auffassung vertritt, dass sich zum Gesamtkomplex der Sterbehilfe ethisch kaum noch etwas Neues sagen lässt. In der Tat sind auf prinzipieller und pragmatischer Ebene die Argumente vorgebracht, auch wenn die prinzipiellen Grundfragen nicht zufrieden stellend beantwortet sind. Dies mag mit Wehmut für beklagenswert erachtet werden, aber ein Konsens divergierender philosophischer und ethischer Grundannahmen steht nicht zu erwarten an – mehr noch, ein moralisches Gesetz, ausgestattet mit einem Grad an Verbindlichkeit, ist weder erstrebenswert noch zwingend notwendig. Hier hilft auch der Rekurs auf die deontologischen Ethik nicht weiter, mal abgesehen davon, dass etwa die ethischen Theorien Kants als magna charta in der Moderne begriffen werden und die Philosophie gleichsam in einem nachfolgendem Gehorsam die Gegenwartsprobleme theoretisch konservieren, so als ob die (Verfassungs-)Wirklichkeit gleichsam retroperspektiv an den theoretischen Annahmen Kants stets einer fortwährenden Ausrichtung und ggf. Korrektur bedarf. Weder die Lehren und Theorien von Kant, Hippokrates, Hoerster, Habermas, Singer oder Linus Geisler (um nur einige Persönlichkeiten hier zu nennen) werden dem Patienten bei seinem Entscheidungsakt die höchstpersönliche Entscheidung ebnen können, wenn es darum geht, die individuelle Grenze des eigenen Lebens ziehen zu wollen. Philosophische Betrachtungsweisen über den vermeintlich guten Tod nach einem moralisch guten Gesetz dringen nicht mehr in das Bewusstsein derjenigen, die da meinen, einen selbstverantworteten Sterbewunsch in praxi umsetzen zu wollen. Die Frage ist also, ob wir dem Patienten und im Vorfeld den Bürgerinnen und Bürgern dieses „autonome Recht“ zugestehen © 2007 129 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? wollen, nach dem sie die alleinige Regie in und bei ihrem Tod führen, in dem sie etwa eine Patientenverfügung verfasst haben und sofern sie der konkreten Hilfe bei dem Vollzug ihres höchstpersönlichen Willens bedürfen, jedenfalls die Möglichkeit einer ärztlichen Assistenz in Anspruch nehmen können (vorausgesetzt, es ließe sich eine Ärztin oder Arzt finden, die eine solche ärztliche Assistenz beim selbstverantworteten Suizids mit ihrem Gewissen vereinbaren können). Philosophen und professionelle Bereichsethiker sind im Begriff, in einem höchst bedeutsamen Wertediskurs die Autonomie des Individuums zur kleinen Münze zu schlagen, in dem sie das Subjekt ihrer philosophischen Betrachtungen und Erörterungen instrumentalisieren und daher zum „Objekt“ ihrer Wissenschaft denaturieren. Neue Offenbarungsquellen scheinen nicht in Sicht zu sein, so dass u.a. der ehrwürdige Geist Hippokrates und Kants reanimiert wird, wobei im säkularen Gemeinschaftswesen parallel dazu von standhaften Christen die Metaphysik bemüht wird, die die Offenbarungsquelle gleichsam von vornherein mitliefert und keiner dogmatischen Grundlegung mehr bedarf, geschweige denn ihre (unverrückbaren) Prämissen zur Diskussion und damit zur Disposition stellt. Ob uns dies beim Abfassen einer Patientenverfügung gegenwärtig ist, steht nachhaltig zu bezweifeln an. Weder Kant, Hippokrates noch Gott haben uns Patientenverfügungen in formalisierter Form hinterlassen und trotz dem gebotenen Respekt bleibt zu konstatieren, dass dies auch nicht sonderlich von Belang ist. Wenn das Individuum Autonomie für sich beansprucht, bedarf es keines Rekurses auf Kant, wenn und soweit der Patient seine ureigene Entscheidung zu treffen gedenkt und er in der Folge auch diese Entscheidung umgesetzt wissen möchte. © 2007 130 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Selbstbestimmtes Sterben in Würde – eine Utopie? Die ärztliche Standesethik als Grundrechtsschranke? Die Frage muss für sich genommen provozierend erscheinen, ringen doch die derzeitigen Diskussionsteilnehmer in der scheinbar unendlichen Debatte um das „Sterben in Würde“ um die Fundamentalprinzipien unserer ethischen Werteordnung. Keiner wird in der Debatte bestreiten wollen, dass selbstverständlich ein „Sterben in Würde“ in unserer Gesellschaft möglich sein muss. Aber gilt dies auch für ein selbstbestimmtes Sterben? Die spezifische Akzentuierung dieser Fragestellung liegt nicht auf dem Sterben per se, sondern vielmehr auf der Selbstbestimmtheit der Entscheidung und hier scheint mehr denn je Aufklärungsbedarf geboten. Der durchaus bedeutsame ethische Wertediskurs ist im Begriff, den bisher erreichten Status quo im geltenden Verfassungsrecht zu überlagern, wenn nicht gar zu verändern und damit zu verdrängen. Die Diskursteilnehmer sind unentwegt bemüht, ihre ethischen Fundamentalprinzipien auf dem bunten Marktplatz der Meinungen in erster Linie dem eigenen Fachpublikum zu präsentieren und diese mit einer Verbindlichkeit zu versehen, so dass zumindest die Profession an die ethischen Proklamationen gebunden ist. Freilich geht mit einer solch ständigen Proklamation auch ein gewisses Sendungsbewusstsein einher, um über den eigenen Adressatenkreis hinaus auch ein weiteres Publikum erreichen zu können. Der interessierte Bürger, der sich um sein würdevolles und selbstbestimmtes Sterben sorgt, registriert das vielfältig vorhandene Angebot miteinander konkurrierender und im Kern unversöhnlicher Bereichsethiken und es könnte bei ihm der Eindruck entstehen, als müsse er sich für eine der angebotenen Alternativen entscheiden, zumindest aber mit seiner Entscheidung zuwarten, bis ein allgemeiner ethischer Konsens gefunden wird. © 2007 131 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Bis dahin verbleibt dem Patienten einstweilen die Möglichkeit, dass kaum noch überschaubare „Angebot“ von Patientenverfügungen resp. Patientenvollmachten zu sichten und sich hierbei für eine geeignete Alternative zu entscheiden. Einen ethischen Konsens wird es allerdings bei den diametral entgegen gesetzten Positionen nicht geben und das unvermeintliche Ergebnis des Diskurses besteht in einem ethischen Minimum, das nach allgemeiner Beachtung strebt. Das „Sterben in Würde“ wird nach der ethischen Generaldebatte durch die verschiedenen Experten als ein ethischer Minimalkompromiss ausgewiesen und hierzu dürfte u.a. wohl auch die Verneinung des ärztlich assistierten Suizids zählen, obgleich dieser aus guten verfassungsrechtlichen Gründen geboten erscheint. Vermeintliche Leitprofessionen in der Debatte, allen voran die Ärzteschaft (und sicherlich auch die Kirchen), reklamieren für sich die Befugnis, über ethisch bedeutsame Grundsatzfragen zu entscheiden. Dies ist durchaus nachvollziehbar, schwebt doch nach wie der Geist des ehrwürdigen Hippokrates über die Ärzteschaft hinweg und mahnt stetig in aktueller Stunde an die ethischen und moralischen Sollensregeln ärztlichen Handeln und im Zweifel gar Denkens mit Blick auf das ureigene Gewissen! Der Präsident der Bundesärztekammer hat unlängst in einem Vortrag erneut deutlich die Position der Bundesärztekammer zum Ausdruck gebracht: „Das Sterben ist nicht normierbar“ und in der Folge betont er durchaus selbstbewusst: © 2007 „Ich lasse bei dieser grundsätzlichen ethischen Frage auch kein Diktat des Zeitgeistes zu. Also, in aller Bescheidenheit, man darf schon einmal fragen, ob der letzte Juristentag mit seinen Beschlüssen zum ärztlich assistierten Suizid nicht dem Druck des Mainstream erlegen ist.“ 132 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Ob dieses Statement des BÄK-Präsidenten - trotz der betonten Bescheidenheit zutreffend die Bemühungen des letzten Deutschen Juristentages kennzeichnet, mag ein jeder für sich selbst entscheiden. Diskussionswürdig hingegen scheint mir zunächst die emanzipatorische Haltung der ärztlichen Selbstverwaltung zu sein, die über ihre Befugnis zur Teilnahme an dem bedeutsamen ethischen Wertediskurs hinaus in Teilen aufgrund ihrer Profession und damit Nähe u.a. auch zum Sterben im Begriff ist, die „Herrschaftsgewalt“ über die grenzwertigen Fragen des selbstbestimmten Sterbens zu übernehmen. Anlass zu dieser Fragestellung besteht deshalb, weil über die Öffentlichkeit hinaus auch in der Ärzteschaft ggf. der Eindruck entstehen könnte, als sei die Auffassung der Bundesärztekammer (auch nur partiell für die Ärzteschaft) verbindlichkeitsstiftend und dass überdies die Debatte um die Patientenverfügungen rhetorisch schärfer123 geführt werde. Der Münchener Palliativmediziner G.D. Borasio hat in der F.A.Z. v. 19.01.07 gefordert, Ärzte gesetzlich zum Befolgen von Patientenverfügungen zu verpflichten. „Vorschläge, etwa des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU Bosbach und des SPD-Politikers Röspel, dass Patientenverfügungen nur bei unumkehrbar tödlichen Krankheiten Anwendung finden sollten, seien weltfremd, bevormundend und fundamentalistisch. Borasio kritisierte, dass in der modernen Medizin statt einer Lebensverlängerung oft nur eine Sterbeverlängerung erreicht werde.“124 © 2007 123 In einem Beitrag von Johannes Seibel in Die Tagespost v. 25.01.07 wird darauf hingewiesen, dass die Debatte um Patientenverfügungen rhetorisch schärfer geführt wird. Der Münchener Palliativmediziner G.D. Borasio erhebt in der aktuellen Diskussion um die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen gegen die Kritiker Vorwürfe und verwendet dabei Begriffe, die zum intellektuellen Einschüchtern Andersdenkender geeignet sind. Quelle: Die Tagespost v. 25.01.07 124 Quelle: FAZ.net 133 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Borasio befürchtet den Ersatz des alten medizinischen Paternalismus durch einen neuen und schlimmeren ethischen Paternalismus. Dem kann nur beigepflichtet werden, wobei diesseits davon ausgegangen wird, dass bereits der ethische Paternalismus seit geraumer Zeit schleichend in unserem säkularen Verfassungsstaat Eingang gefunden hat. Es ist schon erstaunlich, mit welchem Engagement verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeiten in unserer Gesellschaft negiert werden. Das individuelle Selbstbestimmungsrecht des Patienten und damit sein Wille auch in schriftlich verbriefter Form einer Patientenverfügung schließt einerseits jedwede Formen der Verpflichtung des Patienten auf einen ethischen Minimalkonsens und damit eines ethischen Paternalismus aus und andererseits ist ausnahmslos der Wille des Patienten verbindlich. Es gibt keine verfassungsrechtliche Pflicht zum Leben und noch weniger lässt sich ein Zwang zum Leben verfassungsrechtlich (demokratisch) legitimieren. Diese Position von Borasio ist nicht nur vertretbar, sondern vor allem auch Ausdruck der geltenden Verfassungsrechtslage. „Die öffentliche Debatte, die in Deutschland über aktive Sterbehilfe geführt wird, ist soziologisch unterbelichtet“ konstatiert Wolfgang van den Daele und dem ist hinzuzufügen, dass das Verfassungsrecht in der Diskussion zuweilen unterrepräsentiert ist und die Verfassungsinterpretation durch Bereichsethiker sich gelegentlich als ein alltagstheoretisches Philosophieren erweist. © 2007 Dank Borasio wird nunmehr eine Debatte eröffnet, in der die Diskursteilnehmer endlich ihre eigentlichen Prämissen zu offenbaren haben. Wir werden dann schnell feststellen können, dass unsere Verfassung gegenüber einem ethischen Paternalismus mit durchaus fundamentalistischen Zügen verfassungsfest ist und dass die Verfassungsinterpretation aus guten Gründen eben nicht mit der Philosophie gleichzusetzen ist. 134 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Es mag zwar reizvoll sein, auf die Vorgaben des Verfassungsrechts in der Debatte verzichten zu wollen, aber jedwedes Bemühen, ethische Superschranken für Grundrechtseingriffe konstruieren zu wollen, scheitert an den Vorgaben unserer Verfassung. Es stellt sich zunehmend als ein Ärgernis dar, wenn in der Debatte eine vermeintliche Dichotomie zwischen ärztlicher Ethik versus Patientenautonomie behauptet wird und hieraus folgend der Versuch unternommen wird, die Patientenautonomie auch nur mit Blick auf die Fragen am selbstbestimmten Lebensende ad absurdum führen zu wollen. Hier scheint dringend Aufklärungsbedarf geboten, wenngleich zu befürchten ansteht, dass dieser Aufklärungsbedarf zwar erkannt und in Teilen auch inhaltlich nachvollzogen werden kann, aber um der eigenen Position willen schlicht und ergreifend negiert wird. Kaum hat der Gesetzgeber seine dienstbeflissene Bereitschaft dokumentiert, endlich die Rechtsfragen, die um die patientenautonomen Entscheidungen ranken, zu regeln, melden sich Heerscharen von Ethikern zu Wort und mahnen zugleich vor der Überbetonung der Autonomie des einzelnen Patienten. Phantasievoll wird auf der Klaviatur der Ethik und dem Verfassungsrecht gespielt. Es wird in dem Bemühen, Partikularethiken als verbindlich auszuweisen, vielfältige Disharmonien komponiert und der Patient droht so mit seiner individuellen Einstellung zum Tod instrumentalisiert zu werden. Besonders misslich wird es, wenn mit Blick auf das individuelle Leid philosophische Grundsatzbetrachtungen angestellt werden, wonach auch in dem Leid eine Chance erblickt werden könne. Sendboten einer leiborientierten Körper- und Leidensphilosophie setzen dem Autonomieanspruch des Patienten eine Kultur des Leidens entgegen und münden nicht selten in der Erkenntnis, dass wir dieses Leid anzunehmen haben. © 2007 Das hierbei auch dem Engagement der Bundesärztekammer durchaus Grenzen gesetzt sind, muss insbesondere deshalb 135 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? besonders betont werden, weil die Statements der berufsständischen Selbstverwaltungsorgane in ethischen Grundsatzfragen allenfalls die Meinung eben der Kammer widerspiegeln und lediglich als eine Art Orientierungshilfe im ethischen Diskurs sowohl für die Kammermitglieder als auch der Öffentlichkeit dienen, ohne hierbei den Arzt oder den Patienten die eigentliche Last der eigenverantwortlichen Entscheidung abnehmen zu können. Auch die stete Erinnerung an Hippokrates vermag allenfalls einen Beitrag zur ethischen Entscheidungsfindung zu leisten, ohne aber wirklich den Arzt von der Bürde seiner Last, besser seines Gewissens zu entlasten. Der Homepage der Bundesärztekammer können wir folgenden Passus entnehmen: „Der 100. Deutsche Ärztetag hat sich 1997 in Eisenach intensiv mit dem vom Vorstand der Bundesärztekammer vorgelegten Entwurf einer Muster-Berufsordnung auseinandergesetzt. Der schließlich vom Plenum des Deutschen Ärztetags verabschiedete Text bedeutet eine umfassende Neugliederung und Überarbeitung der bisher geltenden Muster-Berufsordnung. Auffällig ist die verstärkte Hinwendung zu ethischen Grundsatzfragen, wie sie etwa in der Hervorhebung der Patientenrechte oder der Grundsätze korrekter ärztlicher Berufsausübung zum Ausdruck kommt. In die gleiche Richtung weisen die Bestimmungen der neuen Muster-Berufsordnung, mit denen der Arzt bei den Tätigkeiten, die medizinischethische Probleme aufwerfen, an die Richtlinien (Handlungsleitlinien) der Ärztekammern gebunden wird oder mit denen verbindliche Vorgaben zur Sterbebegleitung gemacht werden.“125 © 2007 125 Quelle: BÄK >>> Medizinethik in der Berufsordnung – Entwicklungen in der Muster-Berufsordnung v. Ch. Fuchs und Th. Gerst 136 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Den beiden Autoren ist zunächst zuzustimmen, „dass gerade infolge ... (des) medizinischen Fortschritts und gleichzeitiger Ressourcenknappheit immer neuer Regelungsbedarf im medizinethischen Bereich erwächst ...“ Ob es allerdings ratsam erscheint, in der (neuen) MusterBerufsordnung bei bestehenden oder neu entstehenden Problemen die Bindung des Arztes an entsprechende Richtlinien und Empfehlungen der Ärztekammern festzuschreiben, bleibt durchaus diskussionswürdig. Hierbei steht außer Frage, dass (auch) die Ärzteschaft ihre ethischen Fragen selbst zu identifizieren und zu beantworten haben. Zu fragen bleibt aber, ob die ethischen Grundsatzfragen in einem Regelwerk zu integrieren sind, dass im Kern medizinethisch verpflichtend sein soll. Gerade die aktuelle Debatte über den Sinn, Zweck und vor allem Reichweite einer Patientenverfügung zeigt überdeutlich, dass sich ein ethischer Konsens nicht in einer Berufsordnung der Ärzteschaft oder einer Richtlinie verordnen lässt. Wesentlich hierbei ist der verfassungsrechtlich erhebliche Umstand, dass mit der medizinethischen Verpflichtung in den Berufsordnungen in bedeutsame Grundrechte der Ärzte eingegriffen wird, die (zunächst) vorbehaltlos gewährleistet sind. Das redliche Bemühen der ärztlichen Selbstverwaltungsorgane um eine nach der ärztlichen Ethik ausgerichteten Regelung ist legitim. Gleichwohl stößt dieses Bemühen sowohl an innere als auch äußere Grenzen, die sich primär aus den Vorgaben der Verfassung ergeben. Die innere Grenze wird durch die subjektive Grundrechtsstellung der Ärzte bestimmt, während demgegenüber eine äußere Grenze durch den Parlamentsvorbehalt gezogen wird, wonach der Gesetzgeber trotz der Ermächtigungsklausel sich nicht den zentralen Fragen auch mit Blick auf die Satzungsautonomie der Körperschaften des öffentlichen Rechts entziehen kann. © 2007 137 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Hierzu zählen ohne Frage die Rechtsfragen der Patientenautonomie und der Patientenverfügung, die keineswegs durch die Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung (2004) obsolet geworden sind. Entgegen der Auffassung des Präsidenten der Bundesärztekammer ist das „Sterben“ sehr wohl normierbar und zwar im Sinne einer verfassungsrechtlich verbürgten und daher einfachgesetzlich auszugestaltenden Handlungsoption. Hierüber wird denn auch in aller Regel nicht intensiv gestritten, da der verfassungsrechtliche Befund eindeutig ist. Gleichwohl scheint das ärztliche Ethos mit einer wohlverstandenen Autonomie des Patienten zu hadern und es wird die vermeintliche Superschranke der Ethik in Gestalt der sozialethischen Inpflichtnahme des Patienten bemüht. Patientenverfügungen seien Ausdruck einer egozentrischen Individualethik und stellen einen schweren Verstoß gegen das allgemeinmenschliche Selbst- und Fürsorgegebot dar126. Es scheint, als ob der ehrwürdige Hippokrates seine Sendboten zu einer Zeit mit einer besonderen Mission beauftragt hat, in der der Patient sein Selbstbestimmungsrecht zu wahren sucht. Die Vorgaben des Rechts sind eindeutig und so mancher Sendbote erliegt der Versuchung, die verfassungsrechtlichen Prämissen durch einen Ausflug in die Ethik umschiffen zu können. Dies wird den Sendboten nicht gelingen und es stimmt nachdenklich, wenn zugleich die verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit von der Bindungswirkung einer patientenautonomen Entscheidung im Kern als ein Argument gegen eine Palliativmedizin verwandt wird. Auch der Sozialethik werden im Zweifel durch unsere Verfassung durch die legitimen Interessen der Patienten und damit der © 2007 126 Dörner/Zieger/Bavasto/Holfelder, Patientenverfügungen: Kein „Sterben in Würde“. Quelle: Deutsches Ärzteblatt 99, Ausgabe 14 vom 05.04.2002, Seite A-917 / B770 / C-718 http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikeldruck.asp?id=31074 138 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Individualethik die Grenzen aufgezeigt, mag auch das Menschenbild unseres Grundgesetzes nicht das eines „selbstherrlichen Individuums“ sein, wie sich gelegentlich das Bundesverfassungsgericht auszudrücken pflegte. Weitaus gewichtiger als der metajuristische Ausflug der Bereichsethiker in die nebulösen Dimensionen der Sozialethik scheint denn auch der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts zu sein, wonach Eberhard Schmidt folgend die ärztliche Standesethik nicht isoliert neben dem Recht steht: „Sie wirkt allenthalben und ständig in die rechtlichen Bindungen des Arztes zum Patienten hinein. Was die Standesethik vom Arzte fordert, übernimmt das Recht weithin zugleich als rechtliche Pflicht. Weit mehr als sonst in den sozialen Beziehungen des Menschen fließt im ärztlichen Berufsbereich das Ethische mit dem Rechtlichen zusammen.“ Hieraus kann aber freilich nicht der Schluss gezogen werden, dass die Standesethik der Ärzte Recht setzt und somit der Patient rechtlich gebunden wird. Das BVerfG hat vielmehr unmittelbar an das Zitat von Schmidt konstatiert, dass die Beachtung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten ein wesentlicher Teil des ärztlichen Aufgabenbereichs ist127. Dies ist ein konsequenter verfassungsrechtlicher Befund, der zugleich auch die Grenzen des standesethischen Bemühens der Ärzteschaft markiert: Eine noch so wohlverstandene ärztliche Ethik wird sich an dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten messen lassen müssen, mag auch das Berufsrecht der Ärzte oder die Vorgaben einer ärztlichen Standesethik keine (einklagbaren) Rechte für den Patienten verbürgen. © 2007 127 BVerfGE 52, 131ff. 139 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Vielmehr gilt hier zu betonen, dass auch das objektive Recht nicht isoliert neben der ärztlichen Standesethik steht und demzufolge Maßgaben für einen drohenden standesethischen Konflikt liefert! Dieses Ergebnis korrespondiert mit dem verfassungsrechtlichen Befund, dass ohnehin berechtigte Zweifel angemeldet werden können, ob über das ärztliche Standesrecht verbindliche ethische Sollensmaßstäbe für den gesamten Berufsstand mit normativer Bindung gesetzt werden können, wenn und soweit der Arzt diesbezüglich eine andere ethische Auffassung vertritt. Neben der objektivrechtlichen Dimension der Grundrechte entfalten insbesondere auch die den Ärzten verbürgten individuellen Grundrechtsfreiheiten ihre besondere Wirkung im Standesrecht der Ärzte und können ihrerseits die einzelnen Normen begrenzen. In diesem Zusammenhang stehend sind insbesondere Art. 12 GG und Art. 4 GG zu erwähnen. Auch diesbezüglich hat das BverfG mehrfach Gelegenheit gehabt, sich mit der Grundrechtskonformität des ärztlichen berufsständischen Rechts auseinanderzusetzen. Nach wie vor entfaltet die berühmte Facharztentscheidung des BVerfG128 ihre kaum zu unterschätzende Bedeutung für die Eingliederung, aber auch Begrenzung eben des berufsspezifischen (Kammer)Rechts innerhalb unserer Grundrechtsordnung. Mit der ersten Facharztentscheidung hat das BVerfG „eine Bresche in die Arkana und Interna der Berufsverbände geschlagen“, so Häberle. Nicht nur nach ihm ist diese Tendenz zu begrüßen: „von der – von den Kammern gewiss in Anspruch genommenen „Demokratie im Kleinen“ zu ständischen Privilegien mit angemaßter Exklusivität ist es gewiss oft nur ein kleiner Schritt“129, so Häberle weiter und in der Tat gilt es hieran © 2007 128 BVerfGE 33, 125 ff. – Facharzt; desgl. BVerfGE 106, 181 ff. – Weitere Facharztbezeichnungen 129 Häberle, Berufsständische Satzungsautonomie und staatliche Gesetzgebung, in DVBl. 1972, S. 909 (S. 913) 140 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? mehr als 30 Jahre nach dem Beitrag von Häberle wieder zu erinnern. Die grundgesetzliche Ordnung setzt der Verleihung und Ausübung von Satzungsgewalt bestimmte Grenzen. Wo die Grenzen im Einzelfall verlaufen, kann nicht schematisch beantwortet werden, wenngleich es hierauf auch nicht ankommen dürfte. Unabhängig von der Autonomieverleihung darf jedenfalls der Gesetzgeber seine vornehmste Aufgabe nicht an andere Stellen innerhalb oder außerhalb der Staatsorganisation zu freier Verfügung überlassen, sofern gerade der autonome Berufsverband zugleich auch zu Eingriffen in den Grundrechtsbereich ermächtigt wird. Hier obliegt dem Gesetzgeber eine besondere Obliegenheit, zumal über die eigenverantwortliche Wahrnehmung der dem autonomen Verband übertragenen Aufgaben und der Organisation des Berufsstandes hinaus die Standesethik in einem besonderen Maße grundrechtsrelevant ist. Die hohe Bedeutung sowohl der Berufsfreiheit als auch der Gewissensfreiheit gebietet es daher, die freie Selbstbestimmung des einzelnen Arztes nur so weit einzuschränken, wie es die Interessen der Allgemeinheit erfordern. Die weitaus überwiegende Bevölkerung allerdings reklamiert für sich das patientenautonome Selbstbestimmungsrecht und die ärztlichen Selbstverwaltungskörperschaften sind dazu aufgerufen, dieses Selbstbestimmungsrecht nicht dadurch zu unterlaufen, in dem sie ihre verkammerten Mitglieder auf ein „einheitliches Gewissen“ verpflichten, so dass das Selbstbestimmungsrecht des Patienten an seinem Lebensende mit dem möglichen Wunsch eines ärztlich assistierten Suizids zu einer sprachsoziologischen Leerformel und Worthülse denaturiert wird. © 2007 Hierbei ist evident, dass keine Ärztin oder Arzt gegen ihre/seine ureigene Gewissensentscheidung (zwangs-)verpflichtet werden kann, an einem ärztlich assistierten Suizid mitzuwirken. Die Freiheit zur Selbstbestimmung des Patienten führt aus guten 141 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? verfassungsrechtlichen Gründen nicht zur Fremdbestimmung, aber gleichwohl steht zu vermuten an, dass einige Ärzte es mit ihrem Gewissen vereinbaren können, eben diesen letzten Dienst an einem Patienten zu erbringen, ohne dass hierdurch der einzelne Arzt oder Ärztin durch die Auffassung der Kammern eine ethische Stigmatisierung erfährt. © 2007 142 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Ethischer (ärztlicher) Paternalismus vs. Autonomie des Patienten - Patientenverfügungen: Kein „Sterben in Würde“? Der Münchener Palliativmediziner G.D. Borasio hat in der F.A.Z. v. 19.01.07 gefordert, Ärzte gesetzlich zum Befolgen von Patientenverfügungen zu verpflichten. Quelle: F.A.Z. >>> http://www.faz.net/s/Rub9D1EE68AC11C4C50AC3F3509F354677D/Doc~E7D66F078C662 4ACAB23B3CE80EA8C60A~ATpl~Ecommon~Scontent.html Borasio befürchtet den Ersatz des alten medizinischen Paternalismus durch einen neuen und schlimmeren ethischen Paternalismus. Dem ist durchaus zuzustimmen, zeichnet sich doch geraumer Zeit in der Diskussion eine Tendenz ab, wonach über die ethische Wertediskussion der Autonomie des Patienten Grenzen gezogen werden sollen. Eine unheilvolle Tendenz, zumal die Autonomie des Patienten und damit in erster Linie die Patientenverfügung in einen direkten Widerspruch zur Palliativmedizin und dem damit verbundenen medizinischen Ethos gesetzt wird. Beredtes Beispiel für eine fürsorgliche ethische Zwangsbeglückung des Patienten ist der Beitrag von Dörner/Zieger/Bavasto/Holfelder zum Thema Patientenverfügungen: Kein „Sterben in Würde“. © 2007 Quelle: Deutsches Ärzteblatt 99, Ausgabe 14 vom 05.04.2002, Seite A-917 / B-770 / C-718 http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikeldruck.asp?id=31074 Zwei Zitate mögen dies verdeutlichen: „Eine Aufwertung der Ethik der Autonomie des Einzelnen bedeutet eine Dominanz des Stärkeren über die Ethik des Schwachen.“ 143 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? „Viele „Patientenverfügungen“ vernachlässigen den Beziehungscharakter von Würde, ihren Bezug zum Zwischenmenschlichen, zum sozialen Zusammenhalt, zu den Zielen einer solidarischen Gesellschaft. Sie vereinseitigen damit den Würdebegriff auf eine fast schon egozentrische Betonung der Autonomie des Individuums. Einem bioethischen Menschenbild, das der Individualethik und dem „Glück“ des Einzelnen gegenüber der Sozialethik und dem Solidarisch-aufeinander-Angewiesensein der Menschen einen höheren sittlichen Stellenwert einräumt, wird der Vorzug gegeben. Selbst eine perfekt ausgefüllte Patientenverfügung garantiert aber nicht, dass die Krankheit angemessen oder würdevoll verläuft. Angesichts der Tatsache, dass sich Menschenwürde stets beim Schwächeren, nicht aber beim Stärkeren konkretisiert, bedeutet die Aufwertung der Ethik der Autonomie eine neue Vorherrschaft des Stärkeren (das autonome Individuum) vor der Ethik des Schwächeren (die fürsorgliche und solidarische Begegnung zweier Menschen)“. Der Beitrag der Autoren endet gleichsam mit folgender These: „Mithilfe von Patientenverfügungen ist dem Patienten die Fürsorgepflicht des Arztes weggenommen worden. So gesehen stellen Patientenverfügungen einen schweren Verstoß gegen das allgemeinmenschliche Selbst- und Fürsorgegebot dar und verletzen damit auch Autonomie und Würde des Menschen.“ Ein Blick in das Verfassungsrecht hingegen wird allerdings zeigen, dass der Autonomie des Individuums ein sehr hoher Stellenwert beigemessen wird und im Übrigen das Verfassungsrecht nicht ein einheitlich verpflichtendes Menschenbild kennt und noch weniger eine einheitliche Ethik, aus denen dann Maßgaben für eine patientenautonome Entscheidung folgen. Borasio warnt also durchaus zurecht vor einem neuen ethischen Paternalismus, denn es steht zu befürchten an, dass die Verfassungsinterpretation mit der Philosophie gleichgesetzt wird und hieraus folgend der Patient zwangsinstrumentalisiert wird. © 2007 Völlig unhaltbar ist Patientenverfügungen die der These der Autoren, wonach Sterbebegleitung und der 144 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Palliativmedizin entgegenstehen. Auch im Jahre 2002, aus dem der Beitrag der Autoren datiert, kam dem Selbstbestimmungsrecht der Patienten eine überragende Bedeutung zu und es steht außer Frage, dass dies auch künftig so sein wird. Allen voran das Bundesverfassungsgericht käme in einen ungeheuren Erklärungsnotstand, sich von seiner Rechtsprechung zum Selbstbestimmungsrecht verabschieden zu wollen, um so der Einführung eines ethischen Paternalismus Vorschub leisten zu können. Grundrechte sind und bleiben in erster Linie subjektive Rechte des Einzelnen und diese kommen freilich auch dem Patienten zu, der allein mit Blick auf sein individuelles Sterben die Regie führen möchte. Sofern er diesbezüglich Beistand benötigt oder wünscht, ist es ihm allein anheim gestellt, diesen einzufordern und ggf. die wohlgemeinten Ratschläge in seine Entscheidung einfließen zu lassen. Keinesfalls sollte der Patient sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, dass er mit seinem autonomen Willen der vermeintlichen Sozialethik eine Absage erteilt und quasi egozentrisch seine Individualethik einen höheren sittlichen Stellenwert einräumt. Es droht offensichtlich nicht nur ein neuer ethischer Paternalismus, sondern er hat bereits greifbare Formen angenommen! © 2007 145 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Die „Leitkultur“ (der CDU) als Grundrechtsschranke? Der Generalsekretär der CDU, namentlich Herr Pofalla, fühlt sich dazu berufen, uns an den Verkündungen seines Sendungsauftrages teilhaben zu lassen. Er thematisiert die Frage, „was wir verteidigen müssen“. Nachdem der Begriff „Leitkultur“ Eingang in das Grundsatzprogramm der CDU gefunden hat, offenbart nunmehr der Generalsekretär die eigentliche Intention. Wir dürfen zitieren: „Mit dem Begriff Leitkultur machen wir unseren Anspruch als Gesellschaft deutlich - an uns selbst und an andere. Unser Leitbild ist eine Gesellschaft, die in gleichem Maße die freie Entfaltung des Einzelnen ermöglicht, wie sie Zusammenhalt der Bürger untereinander schafft... Zu unserer Leitkultur gehört zuallererst die Anerkennung der Wertordnung des Grundgesetzes. Es beruht auf den Erfahrungen der europäischen und deutschen Geschichte und auf der Basis des christlichen Menschenbildes. Daher rührt die Unantastbarkeit der Würde des von Gott geschaffenen Menschen - unabhängig von äußeren Merkmalen wie Geschlecht, Hautfarbe oder Status, unabhängig auch vom Zeitpunkt des Lebens. Es gehören dazu das Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit und die Gleichheit der Rechte, die sich aus der Gleichwertigkeit der Menschen ableitet. Es gehören dazu die Anerkennung unterschiedlichster Lebensentwürfe und geistiger Orientierungen und damit der Respekt vor der Freiheit des religiösen Bekenntnisses. Dieses Bekenntnis zur Wertordnung des Grundgesetzes ist leider keine Selbstverständlichkeit.“ Quelle: CDU.de >>> zum Statement von Pofalla <<< © 2007 Kurze Anmerkung (L. Barth): Schön zu lesende Worte. Aber was bedeuten diese für und in der Praxis? Wir zitieren weiter: 146 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? „Der 11. September, die Unruhen in Frankreich und den Niederlanden, der Karikaturenstreit oder die Absetzung einer Oper in Berlin haben auch der Linken beigebracht, dass es ohne unmissverständliche Positionierung für die Grundwerte unseres Zusammenlebens nicht geht. Nur noch wenige Alt-68er, die Ewiggestrigen von heute, träumen noch von Multikulti. Die Bürgerinnen und Bürger sind viel weiter. Ein neues Wertebewusstsein ist an die Stelle alter Wertevergessenheit getreten.“ Ob die Bürgerinnen und Bürger viel weiter sind, kann und soll hier nicht entschieden werden, wohl aber die Frage, ob ein neues Wertebewusstsein an die Stelle alter Wertevergessenheit getreten ist. Dies wird man/frau verneinen müssen, da die Debatte um die „Leitkultur“ bei näherer Betrachtung sich als eine alte Diskussion im neuen Gewande präsentiert: die Inpflichtnahme des Individuums in einem säkularen Verfassungsstaat. Bereits Thomas Hobbes (Leviathan) mahnte mit seiner bedeutvollen Aussage „Auctoritas, non veritas facit legem“ gleichsam vor den werteorientierten „Nebelbomben“ der Herrschenden, so dass die Autorität und nicht die Wahrheit bestimmt, was Gesetz wird. Besonders prekär wird die Situation, wenn über die Glaubensbekenntnisse zu den fundamentalen Werten etwa unserer Grundrechtsordnung hinaus der Staat sich dazu aufschwingt, ein vermeintlich „neues Wertebewusstsein“ zu verteidigen. Die traditionsreichen Werte, für die es sich lohnt, in einer streitbaren Kultur nachhaltig einzutreten, sind schnell ausgemacht: in erster Linie dürfte es die Freiheit mit all seinen Implikationen auch für den demokratischen Willensbildungsprozess sein. Ein neues Wertebewusstsein hingegen will neue Prioritäten setzen, die sich im Zweifel diametral zu den traditionsreichen Grundwerten des menschlichen und zwischenmenschlichen Zusammenlebens verhalten. Im alltagspolitischen Tagesgeschäft können wir dies letztlich auch festmachen: Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten wird in der aktuellen Sterbehilfe-Debatte in unzulässiger Weise auf den irreversiblen, zum unweigerlichen Tode führenden © 2007 147 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Krankheitsverlauf verkürzt. In einem säkularen Verfassungsstaat wird der Bürger daran erinnert, dass er von Gott erschaffen worden sei und es ist evident, welche Folgen sich hieraus für die Werteorientierung ergeben. Die Bandbreite der Folgen des 11. September für das „neue Wertebewusstsein“ sind in der Gänze nicht absehbar, aber immerhin lässt sich an der leidigen Diskussion um das Luftfahrtsicherheitsgesetz mit dem möglichen Abschuss eines mit zivilen Bürgern bemannten Flugzeuges eine gewisse Grundtendenz ablesen: Das persönliche Notopfer des Einzelnen im Sinne einer gerechten Sache, die es zu verteidigen gilt – die nationale Sicherheit. Was macht es da schon aus, wenn kurzerhand das Lebensrecht und die Würde einiger weniger Flugpassagiere geopfert wird? Auch wenn das Bundesverfassungsgericht diesem „Wertverständnis“ (?) eine Absage erteilt hat, kommt das christlich-demokratische UnionsBewusstsein nicht zur Ruhe. Es wird nach Alternativen gesucht, um doch irgendwie das Ziel zu erreichen. Nicht Werte, nicht die schillernde „Wahrheit“, sondern die Autorität in Gestalt der politisch Verantwortlichen, zugleich Sendboten eines neuen Wertebewusstsein mit der Möglichkeit, Sanktionen zu verordnen, sollen künftig den Begriff der „Leitkultur“ markieren und ausfüllen und der Bürger hat sich in den Dienst des vermeintlich neuen Bewusstseins zu stellen. Nicht nur die Weltmeisterschaft hat gezeigt, wie sehr empfänglich wir doch für einen Bewusstseinswandel sind und diejenigen, die in kritischer Distanz den neuen geistigen, kulturellen und vor allem ethischen und moralischen Überbau unserer Gesellschaft verfolgen, müssen künftig mit dem Diktat der Autorität rechnen. Was aber bleibt? Der Verlust an elementarer individueller Freiheit um der Etablierung einer neuen Leitkultur willen, die sich im Kern als eine Art Magna Charta von sprachsoziologischen Leerformeln erweisen wird, nach denen zu handeln und zu denken wir von den parteipolitischen Strategen aufgefordert und im Zweifel qua Gesetz zwangsinstrumentalisiert werden. © 2007 148 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Freiburger Appell der Herren Th. Klie und Chr. Student – Cave Patientenverfügung Die beiden Freiburger Wissenschaftler Prof. Dr. Dr. Christoph Student, Arzt und langjähriger Leiter des Stuttgarter Hospizes und der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Thomas Klie, unter anderem Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie, warnen in ihrem Appell an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages davor, in der gesetzlichen Regelung zur Patientenverfügung eine einfache Lösung zu sehen, wie in dilemmatösen Entscheidungssituationen am Lebensende verfahren werden kann. Diese Auffassung stößt auf prinzipielle Bedenken. Vielmehr muss mit Blick auf die zentralen Fragen der Patientenverfügung Rechtssicherheit geschaffen werden. Hierauf haben die Patienten, Ärzte und Pfleger, aber eben auch die Gerichte, einen Anspruch. Nicht sonderlich hilfreich ist es hierbei, wenn das berühmte „Dammbruchargument“ eingeführt und betont wird, dass das Recht immer über den Einzelfall hinausragt, so die Herren Klie und Student in ihrem Appell. „Gerade im Falle einer gesetzlichen Regelung der Patientenverfügungen, werden diese eine Wirkung auf die Moral unserer Gesellschaft entfalten: Es erscheint dann möglicherweise nicht mehr tunlich, ein Leben mit schwerer Krankheit und Behinderung z. B. unter den Bedingungen eines apallischen Syndroms („Wachkoma“) leben zu wollen. Der verbreitete LastDiskurs kann den Druck der Mitglieder der Gesellschaft erhöhen, „selbstbestimmt“ Sorge dafür zu tragen, der Gesellschaft im Falle schwerer Pflegebedürftigkeit, Demenz und chronischer Krankheit nicht zur Last zu fallen. Angesichts des demografischen Wandels, der Zunahme von demenzkranken und hochbetagten pflegebedürftigen Menschen muss es aber gerade darum gehen, diesen Menschen einen Platz mitten in der Gesellschaft zu geben.“ © 2007 149 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Quelle: Freiburger Appell (Klie und Student) christoph-student.homepage.t-online.de/42853.html >>> So wichtig dieser Appell auch sein mag, aber gerade die Moral der Gesellschaft spielt bei der individuellen Entscheidung des Einzelnen keine nennenswerte Rolle. Der einzelne Grundrechtsträger ringt um seinen gesellschaftlichen Freiraum, selbst verantwortlich handeln und ohne ein moralisches oder ethisches Zwangskonzept seine Entscheidung treffen zu können, die dann tunlichst auch in der Folge akzeptiert wird. Aufgabe kann es daher nur sein, dem Patienten auch die Last der scheinbar herrschenden moralischen Pflichten nicht aufzubürgen, so dass es auch keinen ethischen Paternalismus in die eine oder andere Richtung geben darf. Das Sterben ist keine gesellschaftliche Veranstaltung, in der sich das Individuum für seine Entscheidung moralisch zu rechtfertigen hätte. Diejenigen, die da meinen, dieser Selbstbestimmtheit Grenzen zu setzen, obliegt die Darlegungsund Beweislast für die Rechtfertigung eben dieser Grenzen. Das ansonsten ehrwürdige Argument von der „Moral und Ethik“ ist insofern nicht tauglich, weil es den Einzelnen bei Ausübung seines Selbstbestimmungsrechtes auf sein „individuelles Sterben“ nicht bindet! Die Grenze selbst ergibt sich allerdings daraus, dass das Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht zur Fremdbestimmung anderer Grundrechtsträger führen kann. Ein künftiges Gesetz, wenn es denn kommen sollte, wird sich insbesondere hierauf zu konzentrieren haben, denn es geht um einen schonenden Ausgleich möglicher Grundrechtskonflikte. © 2007 Lutz Barth 150 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Kardinal Lehmann zur Sterbehilfe: Dem Leiden nicht ausweichen Der Erste Mainzer Hospiz- und Palliativtag stand unter der Überschrift „Dem Leid begegnen“ und Kardinal Karl Lehmann hat sich erneut gegen die aktive Sterbehilfe ausgesprochen. Er mahnte: „Wir haben aber nicht das Recht, unser Leben selbstmächtig zu beenden oder unser Menschsein durch völlige Ausschaltung unserer Sinne und unseres Denkens und Wollens zu betäuben oder geradezu auszuschalten.“ Hospizarbeit und Palliativmedizin setzten diese schwierige Aufgabe in eindrucksvoller Weise um. Allerdings müssten „diese Hilfen, Wege und Mittel in ethisch zuverlässiger Weise“ eingesetzt werden, da man sonst den „Druck in Richtung aktiver Sterbehilfe“ kaum aufhalten könne. „Wir dürfen mit vielen Mitteln die Schmerzen lindern, aber nicht aktiv das Leben beenden. Hier verläuft bei allen differenzierten Erfahrungen im Raum von Leben und Tod zwischen Sterbenlassen und Töten doch eine grundsätzliche Grenze. ,Du sollst nicht töten’ ist ein unbedingtes Gebot“, sagte Lehmann beim ersten Mainzer Hospiz- und Palliativtag am Samstag, 17. März, im Erbacher Hof in Mainz. Quelle: Bistum Mainz >>> mehr dazu >>> © 2007 In diesem Zusammenhang stehend darf auch auf den Erklärungstext der Vollversammlung v. 24.11.06 des ZDK – Leben und Sterben in Würde - verwiesen werden. „Auch in Krankheit und Sterben ist die zentrale Richtschnur allen Handelns die unverfügbare Würde des betroffenen Menschen. Der Respekt vor der Einmaligkeit seines Lebens verbietet jede Instrumentalisierung des Schicksals eines Sterbenden, jede Abwertung seiner Lebenslage, jede Fremdbestimmung seines Willens. Das unveräußerliche Recht jedes Patienten auf 151 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Selbstbestimmung ist aber kein Recht auf Durchsetzung des eigenen Willens um jeden Preis. Vielmehr verlangt die Würde des Menschen eine Selbstbestimmung, die sich verantwortlich weiß vor sich selbst, aber auch vor den Mitmenschen und – zumindest aus christlicher Perspektive – vor Gott.“ Quelle: Erklärungstext des ZDK >>> zur vollständigen Erklärung >>> Kurze Anmerkung (L. Barth): Wir haben schon öfters darauf hingewiesen, dass es auch im säkularen Staat den Kirchen anheim gestellt ist, sich an dem bedeutsamen Wertediskurs über die Sterbehilfe zu beteiligen, ohne dass wir gehalten wären, hiergegen aus Gründen des evolutionären Humanismus zu Felde zu ziehen. Problematisch erscheint allerdings in dem Statement von Kardinal Lehmann, dass wir nicht das Recht haben, in der Gänze unser Menschsein aufzugeben, auch nicht durch die völlige Ausschaltung unserer Sinne, in dem wir diese „betäuben“. Angesichts ungeheurer Schmerzen gerade bei Krebspatienten ist diese Auffassung durchaus zu hinterfragen, wie zuletzt nicht auch der aktuelle Sterbehilfefall in Frankreich zeigt. Die 35jährige franz. Ärztin, die einer krebskranken Patientin aktive Sterbehilfe geleistet hat, ist in Frankreich zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden. Die 65-jährige Patientin, die im Krankenhaus von Saint-Astier, einem Dorf in der Dordogne, mit Pankreaskrebs behandelt wurde, hatte nur noch wenige Tage zu leben und litt trotz hoher Morphindosen unter extremen Schmerzen. Die Patienten ist dem „Leid begegnet“ und hat sich selbstbestimmt dafür entschlossen, diesem Leid zu entsagen, in dem sie ihren Sterbewunsch gegenüber ihrem Sohn und den Mitarbeitern in der Klinik geäußert hat. Diesem Sterbewunsch wurde entsprochen und ich meine, dass hier ein legitimer ärztlich assistierter Suizid vorgelegen hat, der auf einen Konsens zwischen Patient und Ärztin beruhte. © 2007 152 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Cave Patientenverfügung - Grenzen der palliativmedizinischen Ethik! von Lutz Barth (23.08.07) In unserem säkularisierten Gemeinschaftswesen bleiben alle Interessierten aufgerufen, sich an einer Diskussion über fundamentale Rechte zu beteiligen. Dies gilt auch und gerade mit Blick auf die bedeutsamen Rechtsfragen am Ende eines Lebens, in dem der Patient ggf. seinen letzten Willen umgesetzt wissen möchte. Allerdings fällt auf, dass in dem Wertediskurs zunehmend der Blick für das Wesentliche getrübt wird und es ferner zu befürchten ansteht, dass eine Archaisierung der Debatte über den Begriff des „mündigen Patienten“ droht. Das Selbstbestimmungsrecht des Bürgers ist ihm auch in seiner Rolle als Patient und damit in allen Phasen seines Lebens oder Sterbens zu gewähren, so dass die inhaltliche Begrenzung auf den irreversiblen Krankheitsverlauf bis hin zum Tode auf prinzipielle verfassungsrechtliche Bedenken stößt. Der „Freiburger Appell“130 der Herren Student und Klie, aber auch die aktuelle Stellungnahme einiger weiterer Palliativmediziner131 weisen nach diesseitiger Auffassung einen Weg in die falsche Richtung. Dass das „Sterben“ an sich nicht normierbar ist, bedarf keiner besonderen Betonung. Gleichwohl gebieten es die grundrechtlichen Schutzpflichten des parlamentarischen Gesetzgebers, die ohne Frage vorhandenen Rechtsunsicherheiten durch ein klares Bekenntnis zum Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu beseitigen. Von dieser Verpflichtung zur Regelung wird der Gesetzgeber nicht dadurch freigestellt, in dem etwa die © 2007 130 Freiburger Appell (Klie und Student) >>> online christoph-student.homepage.tonline.de/42853.html 131 Vgl. dazu etwa Klinkhammer, Patientenverfügungen: Gesetzliche Regelung – pro und kontra, in Deutsches Ärzteblatt 104, Ausgabe 33 v. 17.08.07, S. A - 2234 153 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Bundesärztekammer Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung verabschiedet hat oder einige Palliativmediziner grundsätzlich die Ansicht vertreten, dass in der Debatte etwa das Argument von der Rechtssicherheit vorgetäuscht werde. Der Umgang mit den Patientenverfügungen könne nur dann gelingen, wenn die Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung allen Ärzten bekannt seien, so die Palliativmediziner. Mal ganz abgesehen davon, dass diese Grundsätze für sich genommen keine Verbindlichkeit erzeugen und somit weder den Bürgerinnen und Bürger und nach diesseitiger Auffassung auch nicht den Ärztinnen und Ärzte die Last der ureigenen Entscheidung abnehmen, kommt der BÄK kein gesamtgesellschaftliches ethisches Mandat und eine quasi faktische Rechtsetzungsmacht zu. Faktische Rechtsetzungsmacht deshalb, weil über die Grundsätze der ärztlichen Sterbebegleitung scheinbar die Ärzteschaft in erster Linie standesethisch (und freilich auch berufsrechtlich) gebunden wird, so dass das Selbstbestimmungsrecht des Patienten auf eine (demokratisch) nicht legitimierte, das Grundrecht der Selbstbestimmung eingreifende Schranke in Gestalt der ärztlichen Standesethik stößt und so ins Leere zu laufen droht. In diesem Sinne plädiere ich für eine gesetzliche Absicherung der patientenautonomen Entscheidungen, ohne dass die Umsetzung des Willens der Patienten an den standesethischen ärztlichen Proklamationen zu scheitern droht. Hierzu zählen freilich auch die die ethischen Proklamationen der Palliativmediziner, so dass es zuvörderst darum gehen muss, für Rechtsklarheit Sorge zu tragen. Da beruhigt es keinesfalls, dass der Bundesgerichtshof sich vermeintlich eindeutig in den Fragen am Lebensende positioniert hat. Um es deutlich zu formulieren: auch dem BGH kommt in dieser Frage nicht die gesetzesvertretende Rechtsetzungskompetenz zu. Allenfalls werden wir dem BGH eine „Notkompetenz“ zubilligen müssen, weil bis dato sich der Gesetzgeber in Stillschweigen hüllt und gleichwohl die Bürger © 2007 154 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? einen Anspruch darauf haben, dass kein Stillstand in der Rechtspflege eintritt. Gerade weil das Sterben per se nicht normierbar ist und wir eine Instrumentalisierung des Sterbens befürchten müssen, muss der parlamentarische Gesetzgeber auf eine verfassungskonforme Ausgestaltung des Selbstbestimmungsrechts drängen. Sog. „Dammbruchargumente“ entpflichten den Gesetzgeber ebenso wenig von seiner Aufgabe wie etwaige Statements oder Appelle von berufsständischen Organisationen. Diese sind vielmehr ein Spiegelbild von differenten Meinungen und Auffassungen, die zwar gehört werden, aber keinesfalls regelmäßig eine strikte (normative) Beachtung erfahren. Ein solches gilt insbesondere dann, wenn über Grundrechte philosophiert wird. Wenn die Reichweite der Patientenverfügungen gar nicht begrenzt werde, bedeute „freie Entfaltung der Persönlichkeit“ eine Selbstbestimmung, die sich bis hin zur Selbstverfügung über das eigene Leben erstrecke, so wohl die Befürchtung der Palliativmediziner. Mit Verlaub – das Recht steht jedem Patienten zu und in dem ausschließlich der Patient seine Einwilligung in den angedachten ärztlichen Heileingriff und in der Folge in die palliativmedizinische Therapie zu erteilen hat, steht es auch freilich in seinem Ermessen, eben diese Einwilligung nicht zu erteilen. Die Konsequenzen mögen für den Patienten aus medizinischer resp. palliativmedizinischer Perspektive heraus betrachtet zwar „katastrophal“ – weil tödlich – sein, aber dies ändert nichts an der vom Patienten getroffenen Entscheidung. Die Lehren u.a. des ehrwürdigen Hippokrates helfen uns aktuell nicht wirklich weiter, zementiert doch ein Rekurs hierauf eine ethische und in Teilen paternalistische Werthaltung, die gemessen an den aktuellen Fragen der Patientenautonomie ein neues zeitgemäßes Programm erfahren muss. Die Reichweitenbestimmung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten ist frei von Ideologien, modernen Seelenvorstellungen, bereichspezifischen Partikularethiken, Leidkonzeptionen oder Ähnlichem. © 2007 155 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Es ist eine Regelung erforderlich, die u.a. aus der Perspektive des sterbenden Patienten ein selbstbestimmtes Sterben ermöglicht, ohne das ein ethisches Zwangskorsett verordnet wird. Hierauf wird der parlamentarische Gesetzgeber zu achten haben. Die derzeit zur Diskussion gestellten Entwürfe seitens der politisch Verantwortlichen tragen diesem Gedanken nur unzureichend Rechnung, spiegelt sich doch in ihnen ein Werteverständnis wider, dass nicht gebührend dem „bunten Marktplatz“ differenter Auffassungen gerecht wird. Grundrechte sind und bleiben in erster Linie individuelle, also höchst subjektive Rechte und der Gesetzgeber wird gerade bei der Ausgestaltung des Selbstbestimmungsrechts darauf zu achten haben, dass einzig der Bürger und damit er als möglicher Patient die Regie mit Blick auf sein „Sterben“ und „Sterbevorgang“ führt. Die individuelle Entscheidung des Patienten an seinem Lebensende oder für eine unweigerlich zum Tode führende Entscheidung bedarf keiner ethischen Konsensbildung durch die Gesellschaft als Grundlage für diese autonome Entscheidung, sondern allenfalls einen Konsens darüber, dass das Selbstbestimmungsrecht in dieser Frage höchst individuell und frei von paternalistischen oder wohlmeinenden Ratschlägen und Ideologien ist. Die (rechts)ethisch bedeutsame Individualentscheidung für das selbstbestimmte Sterben bedarf ferner nach dem diesseitigen Grundrechtsverständnis auch keiner demokratischen Legitimation. Die parlamentarisch-repräsentative Demokratie liefert lediglich einen geeigneten Rahmen dafür, dass mit Blick auf die Patientenautonomie gerade der individuelle Wille gewahrt bleibt. Gleichwohl sind den parlamentarisch-repräsentativen Willensbildungsprozessen insofern Grenzen gesetzt, als dass diese frei von Fraktionsinteressen sein müssen. Das neue „christlich-soziale Leitbild“ und die damit verbundene Leitkultur kann für sich genommen nur den Anspruch einer allgemeinen Werteorientierung erheben, ohne das hieraus gleichsam für die konkrete unterverfassungsrechtliche Grundrechtsausgestaltung © 2007 156 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? eine ethisch verbindliche „Norm“ folgen würde. Die Ausgestaltung der Patientenautonomie hat demzufolge unabhängig von einer „Leitkultur“ einer Partei zu erfolgen, denn die individuelle Grundrechtsausübung bedarf keines ethischen Kollektivzwanges. Auch wenn insoweit das BVerfG mehrfach betont hat, dass das Menschenbild des Grundgesetzes nicht dasjenige eines selbstherrlichen, sondern das eines gemeinschaftsgebundenen Individuums sei, ist hieraus keineswegs eine andere Betrachtungsweise anbefohlen. Der nicht normierbare Sterbevorgang und der hierzu im Zweifel geäußerte Wille des Patienten sind weder gemeinschaftsgebunden, noch bedarf er der Akzeptanz durch unsere Gesellschaft oder eines ethischen Konzils. Zu einem anderen – allerdings nach diesseitigem Verständnis fragwürdigen – Ergebnis würde man nur dann gelangen, wenn über die ethischen Normenbildung hinaus einer Gattungsethik das Wort geredet werden soll, die zu einer besonderen Inpflichtnahme der Grundrechtsträger und Adressaten führen würde. Hier schleicht sich dann die Theorie von den immanenten Verfassungsschranken nicht nur in das Ohr mancher Verfassungsrechtler, sondern insbesondere auch der Philosophen und Soziologen, so dass hieraus folgend für die Gattung Mensch besondere Pflichten mehr oder minder phantasievoll auf der Klaviatur ethischer und demzufolge überindividueller Normenbildung konstruiert und nachfolgend statuiert werden können. Eine Verpflichtung zum „Leben“ in Form eines ethischen Lebenszwangs lässt sich schwerlich verfassungsrechtlich begründen. Das überindividuelle Interesse einer säkularisierten Gesellschaft an der Erhaltung der Gattung Mensch ist zwar aus nachvollziehbaren Gründen durchaus ehrenhaft und wünschenswert, trägt aber im konkreten Entscheidungskonflikt mit Blick auf den autonomen Sterbewunsch nicht zur Lösung bei. © 2007 Im Übrigen betont werden, dass der Palliativmedizin ein hoher Stellenwert zukommt. Nicht akzeptabel erscheint mir allerdings, 157 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? dass die Bedeutung der Disziplin durch eine ideologische Sichtweise überhöht wird, in dem nicht selten „Leidkonzeptionen“ vorgestellt und Befürchtungen vor einem „Lastdiskurs“ geäußert werden. Auch wenn sich ohne Frage das therapeutische Ziel im Rahmen einer palliativmedizinischen Behandlung und Betreuung ändert, erfährt auch die palliativmedizinische Behandlung ihre Legitimation (nur) durch eine Einwilligung des Patienten, so dass auch die patientenautonome Entscheidung die Grenze palliativmedizinischer Bemühungen markiert. Patientenverfügungen dokumentieren den Willen und damit die Entscheidung des Patienten, so dass dieser konkreten Entscheidung Geltung zu verschaffen ist. Die These der Herren Student und Klie in ihrer cave-Patientenverfügung, wonach ein Gesetz zur Regelung von Patientenverfügungen über den Einzelfall hinaus dazu führen könnte, dass hierdurch eine Wirkung auf die Moral der Gesellschaft entfaltet wird, ist im Allgemeinen durchaus plausibel, aber dennoch auf den konkreten Fall bezogen ein ganz und gar untaugliches Argument. Es geht eben nicht um die „Moral“ der Gesellschaft, sondern um eine individuelle Entscheidung eines Grundrechtsträgers, der in einem exklusiven Bereich für sich völlig zu Recht seinen Freiraum reklamiert und zwar frei von moralischen und ethischen Zwängen. Diesbezüglich greift die Argumentation der beiden Herren zu kurz, zumal sie davon ausgehen, dass das Recht im Wesentlichen die Funktion hat, „Werthaltungen unmittelbar oder mittelbar in der Gesellschaft Geltung zu verschaffen“. © 2007 Hier verschweigen die Initiatoren des Freiburger Appells – Cave Patientenverfügung – beredt eine der zentralen Funktionen unseren Grundrechten! Dies erscheint zunächst auch unproblematisch, sind doch auch die Herren Student und Klie nicht frei von Ideologien; auch sie tragen mit ihrem Appell zunächst nur zur Diskussion im historisch bedeutsamen Wertediskurs bei, wie andere Interessierte auch. 158 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Wir alle sind in unserer ureigenen Sozialisation verhaftet, so dass unsere Gesellschaft sich naturgemäß mit Blick auf grenzwertige Fragen durch die wünschenswerte Pluralität von Meinungen auszeichnen sollte und muss. Gleichwohl sind unsere Statements gewissermaßen einer Plausibilitätskontrolle unterworfen und nicht selten stellen wir dann in der Folge fest, dass mit wohlmeinenden Appellen zugleich auch die Gefahren einer Instrumentalisierung in besondere Weise verbunden sind. Deshalb muss schon für sich genommen der Hinweis auf „moralische Werthaltungen“ in unserer Gesellschaft durch die Statuierung von Recht Argwohn auslösen und zwar gerade in den Fällen, wo ein individueller Freiheitsbereich nur noch als Desiderat moralischer Gemeinschaftswerte erscheint. Hier wird verkannt, dass die individuelle Freiheit zur patientenautonomen Entscheidung ein „Wert per se“ ist und unserer Gesellschafts- und damit Rechtsordnung als „Werthaltung“ vorgegeben ist. Mögliche Begrenzungen dieser so verstandenen Freiheit zur autonomen Selbstbestimmung bedürfen also eines konkurrierenden „Wertes“ auf gleicher Höhe, so dass bei entsprechenden Konflikten eine angemessene (Güter)Abwägung stattfinden kann. Nicht ausreichend dürfte dabei die Visionen von einem befürchteten Last-Diskurs sein, denn die zu gewährende Freiheit privatautonomer Selbstbestimmung bedarf keiner „präventiven Restriktion“, ohne dass sich derartige Konflikte realisiert haben! Das Sterben ist und bleibt ideologiefrei und nach der Verfassung kommt dem Gesetzgeber die zentrale Aufgabe zu, in dem Wertediskurs das Selbstbestimmungsrecht der Patienten gegenüber der Inpflichtnahme durch intraprofessionelle Bereichethiken als verfassungsfest zu schützen. Verfassungsinterpretation ist nicht Philosophie und noch weniger Parteipolitik, mag der Wunsch nach einer allgemeinen Leitkultur auch noch so groß sein. Gleich, welche „Leitprofession“ sich mit ihrer Ethik im Diskurs durchzusetzen vermag – jede dieser Leitprofessionen wird sich an der selbstbestimmten Entscheidung des Patienten zu orientieren haben, die ihrerseits nicht zur Fremdbestimmung eben der Ärzte führen darf. Mit der © 2007 159 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Selbstbestimmung ist freilich auch ein hohes Maß an Selbstverantwortung untrennbar verbunden und insofern „verfügt“ der Patient durchaus „testamentarisch“ über sein Schicksal – ein „Testament“, welches wir zu akzeptieren haben und nicht der „Anfechtung“ durch die Bereichsethiker zugänglich ist. © 2007 160 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Der ärztlich assistierte Suizid – eine ethisch vertretbare Option? So wie die Bundesärztekammer setzt freilich auch der Deutsche Juristentag, die Religionsgemeinschaften oder andere Verbände und Vereine keine verbindlichen Rechtnormen. Dies zu betonen ist deshalb erforderlich, weil in dem ethischen Wertediskurs und der zuweilen unterrepräsentierten verfassungsrechtlichen Diskussion über uns allen der Geist des ehrwürdigen Hippokrates zu schweben scheint und uns die seinerzeitige Botschaft, adressiert an die Ärzteschaft, unaufhörlich ins das Ohr und damit in das Gewissen nicht nur flüstert, sondern gelegentlich auch lautstark verkündet. In bedeutsamen Debatten über medizinethische Problemfelder kommt Hippokrates immer wieder zu Ehren und es macht erkennbar wenig Sinn, hiergegen Klage zu führen, obgleich doch die Moral und Ethik durch die Jahrtausenden hinweg einen mal mehr oder weniger rühmlichen Verlauf bis hin zu völligen Entgleisungen genommen hat. Dies ist nichts Ungewöhnliches, weckt allerdings insbesondere dann den besonderen Argwohn, wenn gleichsam unter der Tarnkappe des Hippokrates oder sonstiger Leitkulturen eine ethische Inpflichtnahme des Subjekts schleichend vorbereitet wird, wo dann die erste aller Maximen, namentlich die Selbstbestimmung des Menschen, auf der Strecke zu bleiben droht. Was also hilft uns aus diesem Dilemma? Beobachten wir die Szenerie mit Blick auf die Diskussion um das Für und Wider der Patientenverfügung, registrieren wir derzeit emsige Aktivitäten der politisch Verantwortlichen quer durch alle Fraktionen. Die Vorschläge müssen wir insoweit zur Kenntnis nehmen, wird doch schließlich irgendwann einmal im Hohen Hause über einen Gesetzentwurf zu befinden sein, bei dem dann der Fraktionszwang hoffentlich nicht eingefordert wird. Jeder der Abgeordneten wird demzufolge nur seinem Gewissen unterworfen sein und es stellt sich dann die höchst brisante Frage, warum diese individuelle Gewissensentscheidung mich persönlich binden soll? Meine © 2007 161 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? individuelle Entscheidung über Leben oder Tod bedarf keiner wie auch immer gearteten Legitimation, also auch keiner demokratischen! Dies gilt auch insbesondere in den Fällen, in dem wir nicht der gattungsethischen Inpflichtnahme des Individuums das Wort reden wollen, sondern einzig der Selbstbestimmung. Die Selbstbestimmung des Patienten führt freilich nicht zur Selbstbestimmung der Ärzte, wobei auch die Gewissensentscheidung der Ärzte keiner berufsständischen Legitimation bedarf, so dass mit Blick auf den ärztlich assistierten Suizid es gute Gründe dafür gibt, diesen als Option ernsthaft in Betracht zu ziehen. Diese Option ergibt sich nicht aus dem ärztlichen Standesrecht und den ärztlichen ethischen Prinzipien, sondern zuvörderst aus dem Verfassungsrecht. Insofern bedurfte es keiner Beschlüsse (durch den DJT) darüber, ob die standesrechtliche Missbilligung des ärztlichen Suizids einer differenzierten Regelung zu weichen habe oder ob an ihr festzuhalten sei. Konzedieren wir dem Patienten ein weit reichendes Selbstbestimmungsrecht, dann folgt aus diesem auch die frei verantwortete Entscheidung über sein Behandlungs- und damit Lebensende. Sofern dann in der Folge Fallkonstellationen zur Lösung anstehen, in denen der Patient trotz aller palliativmedizinischen Bemühungen sich seines (!) Lebens begeben möchte und hierzu der ärztlichen Assistenz bedarf, mag ihm die ärztliche Assistenz beim Suizid gewährt werden, ohne dass der Arzt einem Strafbarkeitsrisiko ausgesetzt wird und noch weniger, weil rechtlich unrelevant, eine berufsrechtliche Sanktionierung und damit Stigmatisierung droht. Kann eine Ärztin oder Arzt es mit dem ureigenen Gewissen vereinbaren, an einem ärztlichen assistierten Suizid mitzuwirken, ist diese Entscheidung zu akzeptieren! Der ärztlich assistierte Suizid ist demzufolge weniger eine ethische Option, als vielmehr eine verfassungsrechtlich tragfähige Option, in denen sowohl das Selbstbestimmungsrecht des Patienten als auch die Grundrechtsstellung der Ärzte gewahrt bleibt, ohne das es einer standesrechtlichen Regelung bedarf. © 2007 162 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Erinnern wir uns gemeinsam an ein in der Moderne fast in Vergessenheit geratenes Prinzip: in dubio pro libertate! Unseliger Papst –Tod? Die künstliche Ernährung und die katholische Glaubenslehre Aktueller Anlass Unter dem Tenor „Unseliger Papst-Tod? Ist Papst Johannes Paul II. dank ärztlicher Sterbehilfe aus dem Leben geschieden?“ hat 3sat im Nachgang zur Sendung Kulturzeit am 28.09.07 einen Bericht online gestellt, der zweifelsohne gewichtige Fragen der katholischen Glaubenslehre aber auch des Selbstverständnisses einzelner Kirchenmitglieder aufwerfen dürfte. „Papst Johannes Paul II. soll aufgrund ärztlicher Sterbehilfe aus dem Leben geschieden sein. Mithilfe eines - aus Sicht der Kirche kriminellen Handels. Er hätte, wäre es mit normalen Dingen zugegangen, mit seiner Parkinson-Erkrankung noch Wochen, Monate oder Jahre leben können, behaupten Mediziner“ und es wird vermutet, dass die hierzu aufkommende Debatte „ins Mark der päpstlichen doktrinären Ethik“ gehen werde. Die Professorin für Anästhesie, Lina Pavanelli, hat auf einer Pressekonferenz ein umfangreiches Dossier erläutert. In diesem Dossier dokumentiert sie, dass der Papst an Unterernährung gestorben sei und zwar aufgrund unterlassener künstlicher Ernährung. Ihrer Auffassung nach sei dies nur möglich gewesen, weil es nicht vorstellbar sei, dass „ein so hochkarätiges Ärzteteam wie jenes, das den Papst behandelte, diesen Papst nicht über die verschiedenen Möglichkeiten und Konsequenzen einer Therapie unterrichtet hätte". Anderenfalls hätten die Ärzte ein strafrechtlich © 2007 163 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? relevantes Verbrechen begangen. Hieraus wird geschlussfolgert, dass wohl der Papst selber die Erlaubnis zu eben diesem Handeln der Ärzte erteilt hat, eben ihn nicht künstlich zu ernähren, da ausweislich der öffentlich zugänglichen Krankenberichte der Papst rapide an Gewicht verloren habe und er gleichwohl nicht künstlich ernährt wurde. Die Hauptursache von Karol Wojtylas Tod war die Unterernährung", sagt Pavanelli." Die Unterernährung sei es gewesen, die ihn soweit geschwächt hat, dass er eine Infektion, die normalerweise ganz leicht mit Antibiotika bekämpft wird, nicht überwinden konnte." Bis dato schweigt die Kirche zu den „Enthüllungen“, während demgegenüber der Leibarzt öffentlich bestätigt habe, dass man mit der künstlichen Ernährung erst zwei Tage vor dem Tod begonnen habe132. Zur Diskussion Sofern die Schlussfolgerungen der Professorin für Anästhesie zutreffend sein sollte, könnte sich hier in der Tat ein Problem aufgetan haben, dass gerade in dem allgemeinen Wertediskurs über die Patientenverfügung mit Blick auf das Lebensende höchst brisant werden könnte. Hier geht es weniger um die Frage, ob ggf. sich die Ärzte eines strafbaren Verhaltens schuldig gemacht haben. Dies steht jedenfalls nach deutschen Strafrechtsrechtsverständnis nicht zu befürchten an, da ggf. der Papst eine hierauf gerichtete Einwilligung zur künstlichen Ernährung nicht erklärt resp. diese abgelehnt hat. © 2007 Sofern allerdings der Leibarzt zu Erkennen gegeben hat, dass der Papst zwei Tage vor seinem Tod künstlich ernährt worden sei, 132 Quelle: 3sat v. 28.09.07 >>> http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/113721/index.h tml 164 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? stellt sich durchaus die Frage, wer hier die Entscheidung getroffen hat. Sofern der Papst tatsächlich – wie von der Anästhesistin gleichsam gemutmaßt – im Vorfeld der medizinischen Therapie seinen Willen dahingehend erklärt hat, dass er nicht künstlich ernährt werden möchte, ist dieser aktuelle Wille insofern für das ärztliche Team verbindlich, als dass sich nicht gewichtige Anhaltspunkte dafür ergeben, dass möglicherweise der mutmaßliche Wille des Papstes sich tatsächlich (innerhalb von zwei Tagen?) geändert haben dürfte133. Dies setzt allerdings voraus, dass der Papst seinen erheblichen Willen nicht mehr aktuell bekunden und äußern konnte. Wenn überhaupt strafrechtliche Aspekte geprüft werden sollen, müssten diese sich hierauf konzentrieren und erst in diesem Sinne wäre die kirchliche Doktrin bedeutsam bei der sich anschließenden Frage, ob die Ärzte gehalten gewesen wären, in jedem Falle die künstliche Ernährung nicht nur anzubieten, sondern gleichsam auch durchzuführen. Die nähere Frage ist also, ob der katholische Glaube und das hierauf sich gründende Werteverständnis und spezifisch katholische „Gewissen“ mit Blick auf die in dem Evangelium vitae angemahnte Kultur des Lebens die Zwangsernährung gebietet. Und noch dramatischer wird es, wenn der Frage nachgegangen wird, ob die Kirchenmitglieder – also auch der Papst selber – gehalten sind, aus Respekt vor der Kultur des Lebens und dem hohen Wert des Lebens sich regelmäßig für eine künstliche Ernährung entscheiden zu müssen? Anlass zu dieser Frage besteht insbesondere deshalb, weil unter Umständen die These formuliert werden könnte, dass das Ablehnen einer künstlichen Ernährung durch einen entscheidungsfähigen Patienten einem freiwilligen Suizid gleichgestellt werden könnte, der nun nach den Lehren der katholischen Kirche ein besonders bedeutsames Übel darzustellen scheint. © 2007 133 In diesem Sinne ist es auch fraglich, ob ein Fall der „ärztlichen Sterbehilfe“ vorliegt, wie Lina Pavanelli mutmaßt. 165 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Die besondere Brisanz des Themas ergibt sich aber auch daraus, dass bereits im Jahre 2004 Papst Johannes Paul II selbst das katholische Leitbild mit Blick auf die künstliche Ernährung präzisiert hat: "Der Kranke im vegetativen Zustand, der die Wiederherstellung oder das natürliche Ende erwartet, hat das Recht auf eine grundlegende ärztliche Betreuung (Versorgung mit Nahrung und Flüssigkeit, Hygiene, Wärme usw.) und auf die Vorsorge gegen Komplikationen, die mit der Bettlägerigkeit verbunden sind. Er hat auch das Recht auf einen gezielten rehabilitativen Eingriff und auf die Überwachung der klinischen Zeichen einer eventuellen Besserung. - Insbesondere möchte ich unterstreichen, dass die Verabreichung von Wasser und Nahrung, auch wenn sie auf künstlichen Wegen geschieht, immer ein natürliches Mittel der Lebenserhaltung und keine medizinische Handlung ist. Ihre Anwendung ist deshalb prinzipiell als normal und angemessen und damit als moralisch verpflichtend zu betrachten, in dem Maß, in dem und bis zu dem sie ihre eigene Zielsetzung erreicht, die im vorliegenden Fall darin besteht, dem Patienten Ernährung und Linderung der Leiden zu verschaffen. Denn die Pflicht, dem Kranken in solchen Fällen die gebotenen normalen Behandlungen nicht vorzuenthalten, umfasst auch die Versorgung mit Nahrung und Wasser134“. Die Grundfrage135, ob eine gültige Patientenverfügung in solchen Fällen jemals die sittliche Legitimation zur Entfernung der Ernährungssonde wird geben können, scheint ganz aktuell mit einem Dekret der Kongregation für die Glaubenslehre entschieden: © 2007 Die Kongregation für die Glaubenslehre hat folgende Antworten auf Fragen 134 Vgl. Päpstl. Rat für die Pastoral im Krankendienst, Charta für den Krankendienst, Nr. 120, zitiert nach Pytlik, unter kath.net vom 6.8.2005 >>> www.kath.net/detail.php?id=11169 135 So Pytlik, ebenda 166 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten bezüglich der künstlichen Ernährung und Wasserversorgung gegeben. Papst Benedikt XVI. hat in der dem unterzeichneten Kardinalpräfekten gewährten Audienz die nachstehenden Antworten, die in der Ordentlichen Versammlung dieser Kongregation beschlossen worden sind, gutgeheißen und deren Veröffentlichung angeordnet. 1. Frage: Ist die Ernährung und Wasserversorgung (ob auf natürlichen oder künstlichen Wegen) eines Patienten im „vegetativen Zustand“ moralisch verpflichtend, außer wenn Nahrung und Wasser vom Körper des Patienten nicht mehr aufgenommen oder ihm nicht verabreicht werden können, ohne erhebliches physisches Unbehagen zu verursachen? Antwort: Ja. Die Verabreichung von Nahrung und Wasser, auch auf künstlichen Wegen, ist prinzipiell ein gewöhnliches und verhältnismäßiges Mittel der Lebenserhaltung. Sie ist darum verpflichtend in dem Maß, in dem und solange sie nachweislich ihre eigene Zielsetzung erreicht, die in der Wasser- und Nahrungsversorgung des Patienten besteht. Auf diese Weise werden Leiden und Tod durch Verhungern und Verdursten verhindert. 2. Frage: Falls ein Patient im “anhaltenden vegetativen Zustand” auf künstlichen Wegen mit Nahrung und Wasser versorgt wird, kann deren Verabreichung abgebrochen werden, wenn kompetente Ärzte mit moralischer Gewissheit erklären, dass der Patient das Bewusstsein nie mehr wiedererlangen wird? © 2007 Antwort: Nein. Ein Patient im “anhaltenden vegetativen Zustand” ist eine Person mit einer grundlegenden menschlichen Würde, der man deshalb die gewöhnliche und verhältnismäßige Pflege schuldet, welche prinzipiell die Verabreichung von Wasser und Nahrung, auch auf künstlichen Wegen, einschließt. 167 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, am 1. August 2007136. Problembeschreibung im engeren Sinn Nehmen wir die vorstehenden Verlautbarungen zunächst ihrem grammatikalischen Wortlaut nach zur Kenntnis, scheint sowohl die Verlautbarung des Papstes aus dem Jahre 2004 als auch das Dekret der Kongregation für die Glaubenslehre bei der Klärung des vermeintlich ethischen und vor allem kirchespezifischen Dilemmas nicht sonderlich hilfreich zu sein. Adressaten dieser Verlautbarungen – freilich ausgestattet mit einem hohen Grad an Verbindlichkeit – sind diejenigen natürlichen Personen, die den Patienten – insbesondere solche im komatösen Zustand – medizinisch zu betreuen und zu pflegen haben. Spätestens mit dem Dekret v. 01.08.07 gibt es also die unabdingbare „moralische Verpflichtung“ zur Verabreichung von Nahrung und Wasser, auch solche auf künstlichem Wege. Der Entscheidungsspielraum für die Ärzte ist demzufolge auf „Null“ reduziert und gebietet demzufolge regelmäßig die künstliche Ernährung. Die eigentlich bedeutsame Frage aber, ob der Patient gehalten ist, die künstliche Ernährung auch „einzufordern“, bleibt allerdings unbeantwortet sowie die Frage, wie der Arzt seinen „moralischen Verpflichtungen“ nachkommen soll, wenn und soweit der Patient zur zwingend gebotenen künstlichen Ernährung sein Einverständnis im Hinblick auf diese invasive Therapie nicht erteilt. Dem Arzt droht immerhin nach der katholischen Glaubenslehre beachtlicher Unbill, wenn er entgegen den moralischen Verpflichtungen handelt und der Patient selbst könnte mit seiner ablehnen Haltung zur künstlichen Ernährung nicht weniger einschneidenden und gleichsam repressiven – wenngleich kirchenspezifischen – Sanktionen ausgesetzt sein. © 2007 136 Quelle; Vatikan >>> http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith _doc_20070801_risposte-usa_ge.html 168 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Es ist allgemein bekannt, dass der seinerzeitige Papst Johannes Paul II. im Evangelium vitae v. 25.03.95137, gerichtet an die Bischöfe, Priester und Diakone, die Ordensleute und Laien sowie an alle Menschen guten Willens über den Wert und die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens (über)deutliche Worte gefunden hat. Erst durch das (intensive Studium) des Evangelium vitae erschließt sich m.E. nach die besondere Dramatik des von der Anästhesistin Lina Pavanelli behaupteten Verstoßes gegen die kircheneigenen Dogmen von der Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens. Das „Evangelium zum Leben“ legt Zeugnis von dem ab, worin der unvergleichliche Wert der menschlichen Person besteht. Gleich einführend wird darauf hingewiesen, das • „der Mensch ist zu einer Lebensfülle berufen, die weit über die Dimensionen seiner irdischen Existenz hinausgeht, da sie in der Teilhabe am Leben Gottes selber besteht. Die Erhabenheit dieser übernatürlichen Berufung enthüllt die Größe und Kostbarkeit des menschlichen Lebens auch in seinem zeitlich-irdischen Stadium. Denn das Leben in der Zeit ist Grundvoraussetzung, Einstiegsmoment und integrierender Bestandteil des gesamten einheitlichen Lebensprozesses des menschlichen Seins. Eines Prozesses, der unerwarteter- und unverdienterweise von der Verheißung erleuchtet und vom Geschenk des göttlichen Lebens erneuert wird, das in der Ewigkeit zu seiner vollen Erfüllung gelangen wird (vgl. 1 Joh 3, 1-2). © 2007 137 Quelle: Vatikan de. >>> http://www.vatican.va/holy_father/john_paul_ii/encyclicals/documents/hf_jpii_enc_25031995_evangelium-vitae_ge.html; Hinweis: Sofern in der Folge aus dem Evangelium vitae zitiert wird, sind die Zitate sämtlichst aus der vorstehende Quelle entlehnt. Im Text der Zitate hat der Verfasser besondere Hervorhebungen, die er für besonders wesentlich erachtet, rot gekennzeichnet. 169 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Zugleich unterstreicht diese übernatürliche Berufung die Relativität des irdischen Lebens von Mann und Frau. In Wahrheit ist es nicht »letzte«, sondern »vorletzte« Wirklichkeit; es ist also heilige Wirklichkeit, die uns anvertraut wird, damit wir sie mit Verantwortungsgefühl hüten und in der Liebe und Selbsthingabe an Gott sowie an die Schwestern und Brüder zur Vollendung bringen“138. Anschließend skizziert das Evangelium vitae die aktuellen Bedrohungslagen des menschlichen Lebens und wie sich allein aus der Tenorierung des Evangeliums erschließen lässt, gibt es derer viele. Auch wenn der „Abtreibung“ einschließlich aller der damit verbundenen ethischen Grundfragen im Evangelium vitae ein großer Raum eingeräumt wird, reduziert sich das Evangelium vitae hierauf beileibe nicht. Vielmehr erweist sich das Evangelium vitae nicht nur als Mahnschrift, sondern zugleich auch – wenn nicht gar in erster Linie – als eine „Streitschrift“ gegen Ende des 20. Jahrhunderts, dass dem katholischen Leitbild vom unvergleichlichen Wert der menschlichen Person eine Kontur gibt, die an Schärfe nichts ermangelt und zugleich als eine emanzipatorische Streitverkündungsschrift an den säkularen Verfassungsstaat begriffen werden kann, in dem diesen resp. seinen demokratisch gewählten Mitglieder139 ebenso kirchenspezifisches Unbill droht, wie ggf. den Ärzten und Pflegern, aber auch Patienten, die sich nicht durch ein auf Wahrheit gründendes reines Gewissen auszeichnen. © 2007 Nun liegt an der Eigenheit des „Glaubens“ und der „Religion“ begründet, dass gleichsam die „Wahrheit“ von dem Wert und der Bedeutung des menschlichen Lebens keiner Diskussion 138 Evangelium vitae – Einführung (Ziff.2) Nur in Parenthese sei hier angemerkt, dass einigen CDU/CSU- Abgeordneten ein Blick in das Evangelium vitae den rechten Weg mit Blick auf die aktuelle Debatte um die Reichweite der „Terrorismusbekämpfung“ und hier insbesondere des geplanten Abschuss eines Passagierflugzeuges weisen dürfte. 139 170 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? zugänglich ist, reklamiert doch in diesem Bereich die verfasste katholische Amtskirche das Definitionsmonopol mit der damit verbundenen unausweichlichen Konsequenz, dass das „reine Gewissen“ der Kirchenmitglieder sich an der Wahrheit zu orientieren hat, mehr noch: das „reine Gewissen“ ist mit der verkündeten und im Übrigen schon immer da gewesenen und vorgegebenen Wahrheit absolut kongruent. Entscheidungsspielräume für den wahrhaft Gläubigen und damit nicht nur den Patienten, sondern gleichsam allen Gesellschaftsmitgliedern, lassen sich so nicht erschließen und so erscheint es nur allzu konsequent zu sein, wenn im Evangelium vitae gleichsam ein apodiktischer Kreuzzug gegen die sich mehr und mehr einschleichende „Kultur des Todes“ wortgewaltig geführt wird und der Staat wird mehr oder minder eindringlich davor gewarnt, dieser „Kultur des Todes“ – die ihre Nahrung aus dem höchst subversiven und fehlgeleiteten Autonomieverständnis der (nichtgläubigen?) Menschen, allerlei Gruppen und Verbände, aber auch Parteien speist – zu erliegen. Eine Diskussion hierüber, geschweige denn Widerspruch ist nicht nur nicht erwünscht, sondern mit der nicht zur Debatte stehenden „Wahrheit“140 kirchenspezifischer Dogmen über die Heiligkeit des Lebens und die Verklärung des Todes wird zugleich auch die 140 Evangelium vitae (Ziff. 48): „Das Leben trägt unauslöschlich eine ihm wesenseigene Wahrheit in sich. Der Mensch muß sich, wenn er das Geschenk Gottes annimmt, bemühen, das Leben in dieser Wahrheit zu erhalten, die für jenes wesentlich ist. Die Abwendung von ihr ist gleichbedeutend mit der eigenen Verurteilung zu Bedeutungslosigkeit und Unglück, was zur Folge hat, daß man auch zu einer Bedrohung für das Leben anderer werden kann, sobald die Schutzdämme niedergerissen sind, die in jeder Situation die Achtung und Verteidigung des Lebens garantieren. Die dem Leben eigene Wahrheit wird vom Gebot Gottes geoffenbart. Das Wort des Herrn gibt konkret an, welcher Richtung das Leben folgen muß, um seine Wahrheit respektieren und seine Würde schützen zu können. Nicht nur das spezifische Gebot »du sollst nicht töten« (Ex 20, 13; Dtn 5, 17) gewährleistet den Schutz des Lebens: das ganze Gesetz des Herrn steht im Dienst dieses Schutzes, weil es jene Wahrheit offenbart, in der das Leben seine volle Bedeutung findet.“ © 2007 171 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Sanktion verkündet, die dem nicht reinen Gewissensträger droht: Mit Blick auf die „Abtreibung“ etwa sah der Codex des kanonischen Rechtes von 1917 für die Abtreibung die Strafe der Exkommunikation vor und dies dürfte unverändert fortgelten. Auch die erneuerte kanonische Gesetzgebung stellt sich auf diese Linie, wenn sie bekräftigt: »Wer eine Abtreibung vornimmt, zieht sich mit erfolgter Ausführung die Tatstrafe der Exkommunikation latae sententiae zu«141, das heißt die Strafe tritt von selbst durch Begehen der Straftat ein142. Eine höchst missliche Situation also für den- oder diejenigen, der resp. die sich eines solchen sittlichen Verbrechens schuldig machen und es bleibt zu fragen, ob das gleiche Schicksal derjenige erleiden wird, der nicht reinen Gewissens ist und so zum Täter resp. Mittäter einer Tötung auf Verlangen wird und dem Sterbenden die gebotene künstliche Ernährung vorenthält. Das Verlangen des Patienten selbst könnte schon – für sich allein betrachtet – zu einem erheblichen Konflikt führen, wie die nachstehende pars pro toto nahe zu legen scheint: • 141 Die willentliche Entscheidung, einen unschuldigen Menschen seines Lebens zu berauben, ist vom moralischen Standpunkt her immer schändlich und kann niemals, weder als Ziel noch als Mittel zu einem guten Zweck gestattet werden. Sie ist in der Tat ein schwerer Evangelium vitae (Ziff. 62), dazu im Übrigen weiter: „Die Exkommunikation trifft alle, die diese Straftat in Kenntnis der Strafe begehen, somit auch jene Mittäter, ohne deren Handeln sie nicht begangen worden wäre. Mit dieser erneut bestätigten Sanktion stellt die Kirche diese Straftat als eines der schwersten und gefährlichsten Verbrechen hin und spornt so den, der sie begeht, an, rasch auf den Weg der Umkehr zurückzufinden.“ 142 Die Sanktion der Exkommunikation scheint nach katholischem Selbstverständnis konsequent, geht doch die Lehre nach wie vor davon aus, dass gerade unter „allen Verbrechen, die der Mensch gegen das Leben begehen kann, die Vornahme der Abtreibung Merkmale auf(weist), die sie besonders schwerwiegend und verwerflich machen.“ © 2007 172 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Ungehorsam gegen das Sittengesetz, ja gegen Gott selber, seinen Urheber und Garanten; sie widerspricht den Grundtugenden der Gerechtigkeit und der Liebe. »Niemand und nichts kann in irgendeiner Weise zulassen, daß ein unschuldiges menschliches Lebewesen getötet wird, sei es ein Fötus oder ein Embryo, ein Kind oder ein Erwachsener, ein Greis, ein von einer unheilbaren Krankheit Befallener oder ein im Todeskampf Befindlicher. Außerdem ist es niemandem erlaubt, diese todbringende Handlung für sich oder für einen anderen, der seiner Verantwortung anvertraut ist, zu erbitten, ja man darf in eine solche nicht einmal explizit oder implizit einwilligen. Auch kann sie keine Autorität rechtmäßig auferlegen oder erlauben« Das „Drama der Euthanasie“143 nimmt also seinen unweigerlichen Lauf, auch wenn in dem Evangelium vitae der nach diesseitiger Auffassung nicht geglückte Versuch unternommen wird, mit Blick auf ein „korrektes sittliches Urteil“ über die Euthanasie eben diese Euthanasie zu definieren144. Adressat dieser Botschaft ist zunächst freilich der Ausführende als aktiv Handelnder oder Unterlassender – also im Zweifel der Arzt oder die Pflegenden -, wobei die Hinweise an den Patienten selber ebenso schwerwiegend wie folgenreich sein dürften: „Sicherlich besteht die moralische Verpflichtung sich pflegen und behandeln zu lassen, aber diese Verpflichtung muß an den konkreten Situationen gemessen werden; das heißt, es gilt abzuschätzen, ob die zur Verfügung stehenden therapeutischen Maßnahmen objektiv in einem angemessenen Verhältnis zur Aussicht auf Besserung stehen. Der Verzicht auf außergewöhnliche oder unverhältnismäßige Heilmittel ist nicht gleichzusetzen mit Selbstmord oder Euthanasie; er ist vielmehr © 2007 143 144 Evangelium vitae, Ziff. 64 Evangelium vitae, Ziff. 65 173 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Ausdruck dafür, daß die menschliche Situation angesichts des Todes akzeptiert wird.“145 Auch in Kenntnis dessen, dass hier der Autor sich nicht dazu berufen fühlt, zu den gewichtigen Fragen kirchenspezifischer Dogmatik Lösungen vorzuschlagen, scheint sich doch hier ein Kompromiss auf die von Lina Pavanelli initiierte, scheinbar aus kirchlichem Selbstverständnis und Dogmatik heraus nicht lösbaren Frage nach dem „Unseligen Paps-Tod“ aufzudrängen. Die Frage könnte vielmehr unspektakulär dahingehend gelöst werden, dass eben der Verzicht etwa auf künstliche Ernährung jedenfalls vom Grundsatz her nicht mit einem „Selbstmord“ gleichzusetzen wäre, sondern gerade als ein Einlassen des gläubigen Christen auf seinen Tod, der eben nichts Beklemmendes in und an sich trägt146, verstanden und als eine prinzipiell achtenswerten „heroischen Haltung“ geachtet wird, die eigentlich „voller Lobes“ würdig ist. Anlass zu dieser Überlegung dürfte allemal bestehen, weil gerade im Kontext mit der Frage nach dem frei verantwortlichen Suizid die palliativmedizinisch angebotene Schmerzmedikation im Evangelium vitae auch als eine angemessene Maßnahme erachtet wird, wenn hierdurch die Gefahr einer Lebensverkürzung begründet wird. • „Schon Pius XII. hatte gesagt, den Schmerz durch Narkotika zu unterdrücken, auch wenn das eine Trübung des Bewußtseins und die Verkürzung des Lebens zur Folge habe, sei erlaubt, »falls keine anderen Mittel vorhanden sind und unter den gegebenen Umständen dadurch nicht die Erfüllung anderer religiöser und moralischer Verpflichtungen behindert wird«. 79 Denn in diesem Fall wird der Tod nicht gewollt oder gesucht, auch © 2007 145 Evangelium vitae, ebenda Eher das Gegenteil dürfte nach der kirchenspezifischen und nicht zur Diskussion stehenden „Wahrheit“. 146 174 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? wenn aus berechtigten Gründen die Gefahr dazu gegeben ist: man will einfach durch Anwendung der von der Medizin zur Verfügung gestellten Analgetika den Schmerz wirksam lindern. Doch »darf man den Sterbenden nicht ohne schwerwiegenden Grund seiner Bewußtseinsklarheit berauben«: die Menschen sollen vor dem herannahenden Tod in der Lage sein, ihren moralischen und familiären Verpflichtungen nachkommen zu können, und sich vor allem mit vollem Bewußtsein auf die endgültige Begegnung mit Gott vorbereiten können147. Als eine höchst angenehme Folge hieraus könnte auch die per se nach katholischem Selbstverständnis und Lehre gebotene Ernährungs- und Flüssigkeitsversorgung dann aus der Sicht des (gläubigen!) Patienten abgelehnt werden, wenn das therapeutische Ziel der kurativen Medizin nicht mehr erreicht werden kann und demzufolge in eine pallitivmedizinische Betreuung mündet, die ihrerseits nur noch in der Lage zu sein scheint, den herannahenden Tod zu verhindern oder positiv gewendet – dem gläubigen Patienten das Recht zum Zugang in eine andere, ihm verheißene Welt zu versagen. Hier hindert das palliativmedizinische Können dem gläubigen Patienten gleichsam an der Möglichkeit, dass zu schauen, wozu er eigentlich nach dem nicht zur Debatte stehenden Sittengesetz berufen ist: • „Erhellt und zum Abschluß gebracht werden diese natürliche Abneigung gegen den Tod und diese keimhafte Hoffnung auf Unsterblichkeit durch den christlichen Glauben, der die Teilhabe am Sieg des auferstandenen Christus verheißt und anbietet: es ist der Sieg dessen, der durch seinen Erlösungstod den Menschen vom Tod, dem »Lohn der Sünde« (Röm 6, 23), befreit und ihm den Geist, das Unterpfand für Auferstehung und Leben, geschenkt hat (vgl. Röm 8, 11). Die Gewißheit über die zukünftige Unsterblichkeit und die Hoffnung auf die verheißene Auferstehung werfen ein neues Licht auf das Geheimnis © 2007 147 Evangelium vitae, Ziff. 65 175 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? des Leidens und Sterbens und erfüllen den Gläubigen mit einer außerordentlichen Kraft, sich dem Plan Gottes anzuvertrauen. Der Apostel Paulus hat dieses Neue in den Worten von einer völligen Zugehörigkeit zum Herrn, der den Menschen in jeder Lage umfängt, zum Ausdruck gebracht: »Keiner von uns lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn« (Röm 14, 7-8). Sterben für den Herrn heißt den eigenen Tod als letzten Gehorsamsakt gegenüber dem Vater erleben (vgl. Phil 2, 8), indem wir die Begegnung mit dem Tod in der von Ihm gewollten und beschlossenen »Stunde« annehmen (vgl. Joh 13, 1), der allein zu sagen vermag, wann unser irdischer Weg zu Ende ist. Leben für den Herrn heißt auch anerkennen, daß das Leid, auch wenn es an sich ein Übel und eine Prüfung bleibt, immer zu einer Quelle des Guten werden kann. Das ist der Fall, wenn es aus Liebe und mit Liebe, aus freiwilliger Hingabe an Gott und aus freier persönlicher Entscheidung in der Teilhabe am Leiden des gekreuzigten Christus selber gelebt wird. Auf diese Weise wird der, der sein Leiden im Herrn lebt, Ihm vollkommener ähnlich (vgl. Phil 3, 10; 1 Petr 2,21) und hat zutiefst teil an seinem Erlösungswerk für die Kirche und die Menschheit. Das ist die Erfahrung des Apostels, die auch jeder leidende Mensch nachzuleben aufgerufen ist: »Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt« (Kol 1, 24)“148 © 2007 Dies also ist der Weg der Liebe und des echten Mitleids, „den unser gemeinsames Menschsein vorschreibt und den der Glaube an Christus, den Erlöser, der gestorben und auferstanden ist, mit 148 Evangelium vitae, Ziff. 67 176 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? neuen Einsichten erhellt149“ und wenn ich es hier recht überblicken vermag, dann kann der gläubige Patient gerade mit dem Verweigern der künstlichen Ernährung sich expressis verbis dem „Plan Gottes anvertrauen“ und ihm zum Zeitpunkt seiner willentlichen Entscheidung „so nah“ sein, in dem ihm gleichsam nach katholischem Verständnis die frohe Kunde von der Verheißung zuteil wird und ihm die vom Herrn beschlossene „Stunde“ des Todes offenbar geworden ist. Fazit Bei einer solchen Interpretation freilich droht auch dem Papst kein Unbill und noch weniger dürfte seine (?) ureigene Entscheidung bei der Frage der ausstehenden Seligsprechung hinderlich sein. Mit Blick auf Letzterem steht eher das Gegenteil zu vermuten an, denn wie es scheint, hat er „reinen Gewissens“ sich dem unabänderlichen Gesetz der Wahrheit unterworfen und hierbei auf die ihm vorbestimmte Stunde des Todes zugewartet, so dass sich an ihm der Plan Gottes vollzogen hat. Mag es auch eine moralische Verpflichtung geben, sich behandeln oder pflegen zu lassen, so ist erkennbar nach dem Evangelium vitae diese Verpflichtung situationsgebunden und letztlich auch dem „Willen des Gläubigen“ entweder unterworfen oder situationsbedingt entzogen. Nicht „sein Wille, sondern der Wille des Herrn“ ist maßgeblich und gerade der Papst wird um diese, seine Erkenntnis und für ihn unabänderliche Wahrheit gewusst haben. Dies zu glauben, bleibt den Christen selbstverständlich vorbehalten, nehmen sie doch ihr Grundrecht auf Religionsfreiheit wahr, ohne dass hierdurch gleichsam (ethische und religiöse) Bindungen für die anderen nach einem selbstbestimmten Tod ringenden Patienten folgen. © 2007 149 Evangelium vitae, ebenda 177 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Nochmals: Patientenverfügung und Sterbewille - Grenzen eines drohenden (palliativ)medizinethischen Paternalismus – oder: in dubio pro libertate! In unserem säkularisierten Gemeinschaftswesen bleiben alle Interessierten weiterhin aufgerufen, sich an der Diskussion über ihre fundamentalen Rechte zu beteiligen. Dies gilt auch und gerade mit Blick auf die bedeutsamen Rechtsfragen am Ende eines Lebens, in dem der Patient ggf. seinen letzten Willen umgesetzt wissen möchte. Auffällig ist allerdings, dass in dem Wertediskurs zunehmend der Blick für das Wesentliche getrübt wird und es zu befürchten ansteht, dass eine Archaisierung der Debatte über den Begriff des „mündigen Patienten“ droht. Dies belegen u.a. die zur Diskussion gestellten und der Öffentlichkeit präsentierten Gesetzgebungsvorschläge und die hierzu ergangenen Stellungnahmen. Besonders nachdenklich muss in diesem Zusammenhang stimmen, dass zuweilen das Verfassungsrecht in der Debatte unterrepräsentiert ist oder nicht selten keine adäquate Berücksichtigung findet. Immer öfters erhallt der Ruf nach „höheren sittlichen Werten“ und ebenso oft bleiben allerdings die Autoren die Darlegung ihrer Offenbarungsquellen schuldig, wo denn diese „Werte“ ihren positiven Niederschlag gefunden haben. Es könnte der Eindruck entstehen, dass tatsächlich ein „Kulturkampf um die Würde“ des Menschen und damit des Patienten entbrannt ist, in dem neben den verfassungsrechtlich gesicherten „Werten“ gleichsam neue „höhere sittliche Werte“ zur Diskussion gestellt werden, die mehr oder minder dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten neue Konturen – und sei es auch nur im Wege einer restriktiven Inhaltsund Reichweitenbestimmung – geben sollen. © 2007 Evident scheint hierbei nur zu sein, dass das Selbstbestimmungsrecht des Bürgers ihm auch in seiner Rolle als Patient und damit in allen Phasen seines Lebens oder Sterbens zu 178 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? gewähren ist, so dass insbesondere diejenigen Vorschläge, die die inhaltliche Begrenzung auf den irreversiblen Krankheitsverlauf bis hin zum Tode vorsehen, auf prinzipielle verfassungsrechtliche Bedenken stoßen müssen. Der „Freiburger Appell“150 der Herren Student und Klie, aber auch die aktuellen Stellungnahmen einiger weiterer (Palliativ)mediziner151 sind nach diesseitiger Auffassung ein Beleg dafür, dass offensichtlich ein Rekurs auf das Verfassungsrecht nicht die gewünschten Ergebnisse in der Debatte zu liefern vermag, so dass an eine „allgemeinverbindliche“ Ethik oder an die Moral appelliert werden muss. Hier entzieht sich der Wertediskurs schleichend einer stringenten Argumentationsführung und mündet unversehens in einem wohlmeinenden ethischen Paternalismus, in dem die tragenden Achsen der Freiheitssphäre und damit die der Autonomie der Grundrechtsträger verlustig gehen. Dass das „Sterben“ als ein natürlicher Vorgang per se nicht normierbar ist, bedarf keiner besonderen Betonung und die Einführung dieser kreatürlichen Selbstverständlichkeit als Argument gegen eine Normierung der bedeutsamen Rechtsfragen am Ende eines menschlichen Lebens führt denn auch eher zur Verwirrung, denn zur Klärung der Probelme, die sich rund um die Sterbehilfe ranken, bei. Vielmehr gilt: die grundrechtlichen Schutzpflichten des parlamentarischen Gesetzgebers gebieten es, die ohne Frage vorhandenen Rechtsunsicherheiten durch ein klares Bekenntnis zum Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu beseitigen. Von dieser Verpflichtung zur Regelung wird der Gesetzgeber nicht etwa dadurch freigestellt, in dem etwa die Bundesärztekammer Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung verabschiedet hat oder einige Palliativmediziner grundsätzlich die Ansicht vertreten, dass in der Debatte das Argument von der © 2007 150 Freiburger Appell (Klie und Student) >>> online christoph-student.homepage.tonline.de/42853.html 151 Vgl. dazu etwa Klinkhammer, Patientenverfügungen: Gesetzliche Regelung – pro und kontra, in Deutsches Ärzteblatt 104, Ausgabe 33 v. 17.08.07, S. A - 2234 179 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Rechtssicherheit vorgetäuscht werde. Der Umgang mit den Patientenverfügungen könne vielmehr nur dann gelingen, wenn die Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung (der BÄK) allen Ärzten bekannt seien, so die Palliativmediziner. Mal ganz abgesehen davon, dass die Grundsätze der BÄK zur Sterbebegleitung für sich genommen keine Verbindlichkeit erzeugen und somit weder den Bürgerinnen und Bürger und nach diesseitiger Auffassung auch nicht den Ärztinnen und Ärzte152 die Last der ureigenen Entscheidung abnehmen, kommt der BÄK kein gesamtgesellschaftliches ethisches Mandat zu, aufgrund dessen eine (normative) Bindung erzeugt werden kann. Eine Rechtsetzungsmacht – auch eine solche faktischer Natur – kommt der BÄK mit Bindungswirkung für Dritte nicht zu. Faktische Rechtsetzungsmacht deshalb, weil über die Grundsätze der ärztlichen Sterbebegleitung scheinbar in erster Linie die Ärzteschaft standesethisch (und freilich auch berufsrechtlich) gebunden wird, so dass das Selbstbestimmungsrecht des Patienten auf eine (demokratisch) nicht legitimierte, das Grundrecht der Selbstbestimmung eingreifende Schranke in Gestalt der ärztlichen Standesethik stößt und so ins Leere zu laufen droht. Selbst wenn aber den berufständischen Kammern die Regelungsbefugnis zu konzedieren wäre, bliebe dieser Befund für den Bürger unbeachtlich, entfalten doch die (Standes)Regeln nur ihre Wirkung im intraprofessionellen Raum. Aber auch hier wirkt das Standesrecht und die Standesethik nicht grenzenlos, muss es sich doch letztlich an den Grundrechten der einzelnen Ärzte und Ärztinnen messen lassen, woran gelegentlich in der diskursiven Wertedebatte zu erinnern ist. © 2007 In diesem Sinne plädiere ich für eine gesetzliche Absicherung der patientenautonomen Entscheidungen, ohne dass die Umsetzung 152 In dem hier gemeinten Sinne konkurriert das Standes- bzw. Berufsrecht der Ärzteschaft unmittelbar mit der Gewissensfreiheit der Ärzte und Ärztinnen aus Art. 4 GG. 180 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? des Willens der Patienten an den zugegebenermaßen wohlmeinenden Proklamationen153 zu scheitern droht. standesethischen – ärztlichen Hierzu zählen freilich auch die die ethischen Proklamationen der Palliativmediziner, so dass es zuvörderst darum gehen muss, für Rechtsklarheit Sorge zu tragen. Da beruhigt es keinesfalls, dass der Bundesgerichtshof sich vermeintlich eindeutig in den Fragen am Lebensende positioniert hat. Um es deutlich zu formulieren: auch dem BGH kommt in dieser Frage nicht die gesetzesvertretende Rechtsetzungskompetenz zu. Allenfalls werden wir dem BGH eine „Notkompetenz“ zubilligen müssen, weil bis dato sich der Gesetzgeber in Stillschweigen hüllt und gleichwohl die Bürger einen Anspruch darauf haben, dass kein Stillstand in der Rechtspflege eintritt. Gerade weil das Sterben als ein natürlicher Vorgang per se nicht normierbar ist und wir eine Instrumentalisierung des Sterbens befürchten müssen, muss der parlamentarische Gesetzgeber auf eine verfassungskonforme Ausgestaltung des Selbstbestimmungsrechts drängen. Sog. „Dammbruchargumente“ entpflichten den Gesetzgeber ebenso wenig von seiner Aufgabe wie etwaige Statements oder Appelle154 von berufsständischen Organisationen oder Religionsgemeinschaften. Diese sind vielmehr ein Spiegelbild von differenten Meinungen und Auffassungen, die zwar gehört werden, aber keinesfalls regelmäßig eine strikte (normative) Beachtung © 2007 153 Im Übrigen wird im Allgemeinen in der Debatte der Eindruck geschürt, dass die (ärztlichen) Richtlinien zur Sterbebegleitung auf einem allgemeinen ethischen Konsens der Ärzteschaft beruhen. Dem ist mitnichten so, wie sich ganz aktuell am sog. „Lahrer – Kodex“ ablesen lässt. Dass die BÄK diesen Kodex für überflüssig erachtet, spricht gewissermaßen für sich selbst, soll doch in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entstehen, als gäbe es einen Harmonisierungsbedarf mit Blick auf differente arztethische Strömungen. 154 Neben dem Freiburger Appell hat erfährt ganz aktuell der sog. Lahrer Kodex allgemeine Beachtung. 181 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? erfahren. Ein solches gilt insbesondere dann, wenn über Grundrechte philosophiert wird und der Kern insbesondere des Selbstbestimmungsrechts als ein überragendes Rechtsgut und Freiheitsrecht nicht adäquat erfasst wird. Wenn die Reichweite der Patientenverfügungen gar nicht begrenzt werde, bedeute „freie Entfaltung der Persönlichkeit“ eine Selbstbestimmung, die sich bis hin zur Selbstverfügung über das eigene Leben erstrecke, so wohl die Befürchtung der Palliativmediziner. Mit Verlaub – das Recht auf Selbstbestimmung steht jedem Patienten zu und in dem ausschließlich der Patient seine Einwilligung in den angedachten ärztlichen Heileingriff und in der Folge in die palliativmedizinische Therapie zu erteilen hat, steht es auch freilich in seinem Ermessen, eben diese Einwilligung zu erteilen oder zu versagen. Die Konsequenzen mögen für den Patienten aus medizinischer resp. palliativmedizinischer Perspektive heraus betrachtet zwar „katastrophal“ – weil zum Tode führend – sein, aber dies ändert nichts an der vom Patienten getroffenen Entscheidung und insofern kann der Patient durchaus über das eigene Leben selbst verfügen. Die Lehren u.a. des ehrwürdigen Hippokrates helfen uns aktuell nicht wirklich weiter, zementiert doch ein Rekurs hierauf eine ethische und in Teilen paternalistische Werthaltung, die gemessen an den aktuellen Fragen der Patientenautonomie ein neues zeitgemäßes Programm erfahren muss. Die Reichweitenbestimmung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten ist frei von Ideologien, modernen Seelenvorstellungen, bereichspezifischen Partikularethiken, Leidkonzeptionen oder Ähnlichem. © 2007 Es ist eine Regelung erforderlich, die u.a. aus der Perspektive des sterbenden Patienten ein selbstbestimmtes Sterben ermöglicht, ohne das ein ethisches (oder religiöses) Zwangskorsett verordnet wird. Anlass für eine verfassungskonforme Regelung dürfte daher allemal bestehen, schicken sich doch einige Medizinethiker an, mit 182 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? ihrer bereichsspefizischen Ethik ein neues Kapitel im Verfassungsrecht aufzuschlagen. Beredte Beispiele für eine fürsorgliche ethische Zwangsbeglückung des Patienten und ihre vorgebliche verfassungsrechtliche Legitimationsbasis finden sich immer öfter in der Literatur155. Zwei Zitate mögen dies verdeutlichen: „Eine Aufwertung der Ethik der Autonomie des Einzelnen bedeutet eine Dominanz des Stärkeren über die Ethik des Schwachen.“ „Viele „Patientenverfügungen“ vernachlässigen den Beziehungscharakter von Würde, ihren Bezug zum Zwischenmenschlichen, zum sozialen Zusammenhalt, zu den Zielen einer solidarischen Gesellschaft. Sie vereinseitigen damit den Würdebegriff auf eine fast schon egozentrische Betonung der Autonomie des Individuums. Einem bioethischen Menschenbild, das der Individualethik und dem „Glück“ des Einzelnen gegenüber der Sozialethik und dem Solidarisch-aufeinander-Angewiesensein der Menschen einen höheren sittlichen Stellenwert einräumt, wird der Vorzug gegeben. Selbst eine perfekt ausgefüllte Patientenverfügung garantiert aber nicht, dass die Krankheit angemessen oder würdevoll verläuft. Angesichts der Tatsache, dass sich Menschenwürde stets beim Schwächeren, nicht aber beim Stärkeren konkretisiert, bedeutet die Aufwertung der Ethik der Autonomie eine neue Vorherrschaft des Stärkeren (das autonome Individuum) vor der Ethik des Schwächeren (die fürsorgliche und solidarische Begegnung zweier Menschen)“. © 2007 Der Beitrag der Autoren endet gleichsam mit der These: „Mithilfe von Patientenverfügungen ist dem Patienten die Fürsorgepflicht des Arztes weggenommen worden. So gesehen stellen Patientenverfügungen einen schweren Verstoß gegen das 155 Geradezu beispielhaft hierfür der Beitrag von Dörner/Zieger/Bavasto/Holfelder zum Thema Patientenverfügungen: Kein „Sterben in Würde“, in Deutsches Ärzteblatt 99, Ausgabe 14 vom 05.04.2002, Seite A-917 / B-770 / C-718 183 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? allgemeinmenschliche Selbst- und Fürsorgegebot dar und verletzen damit auch Autonomie und Würde des Menschen“156. Ein Blick in das Verfassungsrecht hingegen wird allerdings zeigen, dass der Autonomie des Individuums ein sehr hoher Stellenwert beigemessen wird und im übrigen das Verfassungsrecht nicht ein einheitlich verpflichtendes Menschenbild kennt und noch weniger eine einheitliche Ethik, aus denen dann Maßgaben für eine patientenautonome Entscheidung folgen. Der Münchener Palliativmediziner G.D. Borasio warnt also durchaus zurecht vor einem neuen medizinethischen Paternalismus, denn es steht zu befürchten an, dass die Verfassungsinterpretation mit der Philosophie oder einem alltagstauglichen Räsonnieren gleichgesetzt wird und hieraus folgend der Patient zwangsinstrumentalisiert wird. Es offenbaren sich ganz aktuell unheilvolle Tendenzen, wenn die Autonomie des Patienten und damit in erster Linie die Patientenverfügung in einen direkten Widerspruch zur Palliativmedizin und dem damit verbundenen medizinischen Ethos gesetzt wird und zugleich einige Mediziner unablässlich behaupten, dass es den „mündigen Patienten“ nicht gäbe – mehr noch, eigentlich nicht geben kann. Da beruhigt es keinesfalls, dass zumindest das Streben nach Mündigkeit als wünschens- und lobenswert erachtet wird157. Völlig unhaltbar ist die These der Autoren Dörner et al., wonach Patientenverfügungen der Sterbebegleitung und der Palliativmedizin entgegenstehen. Auch im Jahre 2002, aus dem der Beitrag der Autoren datiert, kam dem Selbstbestimmungsrecht der Patienten eine überragende Bedeutung zu und es steht außer Frage, dass dies auch künftig so sein wird. Allen voran das Bundesverfassungsgericht käme in einen ungeheuren © 2007 156 Dörner et.al., ebenda. H.H. Büttner, Der Arzt – eine Quelle der „Mündigkeit“ für den mündigen Patienten?, in Ärzteblatt Mecklenburg-Vorpommern 5/2007, S. 152 ff. 157 184 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Erklärungsnotstand, sich von seiner Rechtsprechung zum Selbstbestimmungsrecht verabschieden zu wollen, um so der Einführung eines ethischen Paternalismus Vorschub leisten zu können. Grundrechte sind und bleiben in erster Linie subjektive Rechte des Einzelnen und diese kommen freilich auch dem Patienten zu, der allein mit Blick auf sein individuelles Sterben (und damit gleichsam sein Leben) die Regie führen möchte. Sofern er diesbezüglich Beistand benötigt oder wünscht, ist es ihm allein anheim gestellt, diesen einzufordern und ggf. die wohlgemeinten Ratschläge in seine Entscheidung einfließen zu lassen; der Patient bedarf insoweit keiner (!) ethischen Zwangsbeglückung. Keinesfalls sollte sich der Patient dem Vorwurf ausgesetzt sehen, dass er mit seinem autonomen Willen der vermeintlichen Sozialethik eine Absage erteilt und quasi egozentrisch seiner Individualethik einen „höheren sittlichen Stellenwert“ einräumt158. Es droht offensichtlich nicht nur ein neuer ethischer Paternalismus, sondern er hat bereits greifbare Formen angenommen! Mag auch das Menschenbild des Grundgesetzes nicht dasjenige eines selbstherrlichen Individuums, sondern einer gemeinschaftsgebundenen Person sein – wie sich gelegentlich das BVerfG auszudrücken pflegt -, so folgt hieraus freilich jedoch 158 So aber Dörner et.al., ebenda. Hier offenbart sich eine autoritäre und vorgeblich wohlmeinende Gesinnungshaltung, die der Individualethik jedenfalls in der Sterbehilfedebatte keine, allenfalls nur noch eine marginale Bedeutung beimessen will und zumindest in der Vergangenheit vielfach als Grund dafür benannt werden konnte, dass im Arzt-Patienten-Verhältnis sich ein zunehmender Autoritätsverlust eingeschlichen hat. Der Mythos vom „allwissenden, fürsorgenden und gleichsam dienenden Arzt“ ist gerade in den letzten Jahren entmythologisiert worden und die Revitalisierung alter Mythen in der Debatte um den Grund und die Reichweite patientenautonomer, verbindlicher Erklärungen muss nachdenklich stimmen. Der sich eingestellte Autoritätsverlust lässt sich nicht durch eine paternalistische Medizinethik kompensieren und dies ist m.E. nachhaltig zu begrüßen, trägt doch der Patient ein hohes Maß an Eigenverantwortung! © 2007 185 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? nicht (!) eine schier unerschöpfliche Quelle für die sozialethische Inpflichtnahme des Individuums, das lediglich seine patientenautonome Entscheidung umgesetzt wissen möchte. Es ist absurd und in der Folge vor allem höchst ärgerlich, einen prinzipiellen Antagonismus zwischen der selbstbestimmten Entscheidung in Gestalt der Patientenverfügung und „höheren sittlichen Werten“ zu behaupten, nur um des Zieles willen, um jeden Preis die vorgebliche „Fürsorgepflicht“ des Arztes erhalten zu wollen. Die Fürsorgepflicht des Arztes konkurriert eben nicht mit der Selbstbestimmung des Patienten, denn die Fürsorge des Arztes reicht nur soweit, wie eben der Patient nach erfolgter Aufklärung und Einwilligung die „Fürsorge“ des Arztes oder der Ärztin in Anspruch zu nehmen gedenkt159. Es muss verwundern, dass auch im scheinbar aufgeklärten 21. Jahrhundert Vertreter der Ärzteschaft daran zu erinnern sind, dass die Fürsorge(Pflicht) und damit etwa die Behandlungspflicht ihre Grenzen an dem individuellen Willen des Patienten findet: der Patient bestimmt vielmehr den Beginn, in Teilen auch den Verlauf und im Übrigen das Ende der kurativen, aber auch palliativmedizinischen und eine hierauf gerichtete pflegerische Behandlung. Der Ärzteschaft freilich bleibt es unbenommen, ihre bereichsspezifischen Ethiken und Moralen und die damit verbundenen Fragen selbst zu identifizieren und zu beantworten, wenngleich eindringlich davor zu warnen ist, wenn in der Fürsorgepflicht des Arztes zuvörderst mit Blick auf die Patientenverfügung „ein sittlicher Wert“ erblickt wird, der über dem des konkreten Willen des Patienten als Ausdruck seines Selbstbestimmungsrechts zu stellen ist. Es bedarf nicht der Einführung der boni mores durch die Medizinethiker160, wenn es darum geht, im Zuge der Debatte um den Grund und die Reichweite der Patientenverfügungen auf verfassungsrechtlich gebotene Maßgaben hinzuweisen. „Der gute Arzt“ oder die © 2007 159 160 Von Notfallsituationen mal abgesehen. Dies gilt freilich auch für die Pflegeethiker. 186 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Pflegenden werden die Grenzen ihrer ethischen Grundhaltung hoffentlich erkennen und sich nicht in die Rolle eines Sendboten einer tradierten Wertekultur begeben, die sie erneut im Lichte eines „Gottes in weiß“ oder der ehrwürdigen F. Nightingale erscheinen und erstrahlen lassen, diesmal aber zusätzlich gepaart mit einem sozialethischen Erziehungsauftrag, der unmittelbar auf die Instrumentalisierung und Kolonialisierung patientenautonomer Entscheidungen um vermeintlich „höherer sittlicher Werte“ hinausläuft. Hier würde sich die (Medizin- und Pflege)Ethik als probates Mittel der „Herrschaftsausübung“ über selbstbestimmte Partikularinteressen erweisen und so einem neuen medizinethischen (Zwangs)Paternalismus Vorschub leisten, der an die Stelle des „alten“ medizinischen Paternalismus tritt. Hierauf wird der parlamentarische Gesetzgeber zu achten und zuvörderst zu berücksichtigen haben, dass das „Recht der Patientenverfügung“ nicht der intraprofessionellen Normsetzung durch die Ärzteschaft überantwortet wird, die im Zweifel über ihre bereichsethische Sichtweise „höhere sittliche Werte“ generieren, die über die eigene Profession hinaus nach allgemeiner Beachtung streben und so die Gestalt einer verbindlichen „sittlichen Norm“ annehmen. Die grundrechtlichen Schutzpflichten und insbesondere die zentralen Fragen zur Absicherung der patientenautonomen Entscheidung am Ende des Lebens sind vielmehr durch den parlamentarischen Gesetzgeber selbst zu regeln und die Beantwortung, geschweige denn die Regelung, kann nicht (!) auf Berufs- resp. Standesorganisationen delegiert werden. Die dem Gesetzgeber von der Verfassung auferlegten grundrechtlichen Schutzpflichten sind von diesem selbst wahrzunehmen und die einzelnen Professionen bleiben lediglich dazu aufgerufen, in der Wertedebatte sich zu Worte zu melden, um ggf. den Gesetzgeber zum weiteren Nachdenken über seine bedeutsame Rolle bei der Abwehr von Grundrechtsbeeinträchtigungen anzuregen, zumal der verfassungsrechtliche Sachverstand der politisch Verantwortlichen © 2007 187 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? eher begrenzt, zuweilen auch mitunter als dürftig zu bewerten sein dürfte161. Die derzeit zur Diskussion gestellten Entwürfe seitens der politisch Verantwortlichen tragen diesem Gedanken nur unzureichend Rechnung, spiegelt sich doch in ihnen ein Werteverständnis wider, dass nicht gebührend dem „bunten Marktplatz“ differenter Auffassungen gerecht wird. Grundrechte sind und bleiben in erster Linie individuelle, also höchst subjektive Rechte und der Gesetzgeber wird gerade bei der Ausgestaltung des Selbstbestimmungsrechts darauf zu achten haben, dass einzig der Bürger und damit er als möglicher Patient die Regie162 mit Blick auf sein „Sterben“ und „Sterbevorgang“ führt. Die individuelle Entscheidung des Patienten an seinem Lebensende oder für eine unweigerlich zum Tode führende Entscheidung bedarf keiner ethischen Konsensbildung durch die Gesellschaft163 als Grundlage für diese autonome Entscheidung, sondern allenfalls einen Konsens darüber, dass das Selbstbestimmungsrecht in dieser Frage höchst individuell und frei von paternalistischen oder wohlmeinenden Ratschlägen und Ideologien ist. 161 Leider gilt dieser desolate Befund auch für eine nicht unerhebliche Zahl von Vormundschaftsrichtern, bei denen höchst bedenkliche und eigentlich rational nicht nachvollziehbare Defizite im Umgang mit den bedeutsamen Rechtsfragen am Lebensende festzustellen sind. Auch dieser Umstand dürfte dafür sprechen, die Rechtsfragen verfassungskonform zu regeln, damit u.a. den Vormundschaftsrichtern ein klares Regelungswerk an die Hand gegeben wird, aufgrund derer es ihnen möglich sein müsste, „Recht“ zu judizieren. 162 Hierbei ist es im Übrigen unbeachtlich, dass Patienten gerade an ihrem Lebensende dazu neigen, „ihre“ Entscheidung an Ärzte resp. nahe stehende Personen delegieren zu wollen. Genauer betrachtet ist diese Entscheidung des Patienten, „nicht“ entscheiden zu wollen, ebenfalls Ausdruck und Folge des von ihm wahrgenommenen Selbstbestimmungsrechts, so dass sich hierin nicht – wie vielfach von Medizinethikern behauptet – die „mangelnde Mündigkeit“ des Patienten offenbart. Eher das Gegenteil dürfte anzunehmen sein. 163 Und ebenso wenig die der Familie oder sonstiger Angehörigen. © 2007 188 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Die (rechts)ethisch bedeutsame Individualentscheidung für das selbstbestimmte Sterben bedarf ferner nach dem diesseitigen Grundrechtsverständnis auch keiner demokratischen Legitimation. Die parlamentarisch-repräsentative Demokratie liefert lediglich einen geeigneten Rahmen dafür, dass mit Blick auf die Patientenautonomie gerade der individuelle Wille gewahrt bleibt. Auch wenn mit den Worten des BverfG dem Gesetzgeber ein großzügig zu bemessener Ermessens- und demzufolge Gestaltungsspielraum einzuräumen ist, sind gleichwohl den parlamentarisch-repräsentativen Willensbildungsprozessen insofern Grenzen gesetzt, als dass diese nicht nur frei von Fraktionsinteressen sein müssen. Das neue „christlich-soziale Leitbild“ und die damit verbundene Leitkultur kann für sich genommen nur den Anspruch einer allgemeinen Werteorientierung erheben, ohne das hieraus gleichsam für die konkrete unterverfassungsrechtliche Grundrechtsausgestaltung eine ethisch verbindliche „Norm“ folgen würde. Die Ausgestaltung der Patientenautonomie hat demzufolge unabhängig von einer „Leitkultur“ einer Partei zu erfolgen, denn die individuelle Grundrechtsausübung bedarf keines ethischen Kollektivzwanges, der einer parteipolitischen Philosophie entspringt und geschuldet ist. In diesem Sinne sind die Abgeordneten bei ihrer Entscheidung „nur“ ihrem Gewissen verantwortlich, gleichwohl aber hoffentlich in Kenntnis von dem Meinungsbild in der Bevölkerung, das ihnen einstweilen „treuhänderisch“ die Staatsgewalt übertragen hat. Insofern muss nicht zwangsläufig die individuelle Gewissensentscheidung der Abgeordneten über den Grund und die Reichweite eines Gesetzes zur Regelung der Patientenverfügung maßgeblich bestimmend sein, sondern vielmehr das Spiegelbild der differenten Werteauffassungen in unserer Gesellschaft, so dass sich in einer normativen Regelung auch eben dieses Spiegelbild verschiedenster Werte niederschlägt und so dem (verfassungsrechtlich einschlägigen) Toleranzgebot Rechnung trägt. Der Wille eines Herrn Bosbach oder eines Herrn Stünker ist zwar durchaus individuell beachtlich, führt aber letztlich nicht dazu, dass ihr höchst individueller Wille – freilich getragen von der Fraktion - gleichsam zu einem allgemeinen Gesetz © 2007 189 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? erhoben wird, der uns bindet. Dem Gesetzgeber sind hier insoweit Grenzen gesetzt, als dass die Regelung grundrechtskonform ausgestaltet werden muss und so gleichsam die individuelle Grundrechtsstellung der Normadressaten gewahrt bleibt; anderenfalls droht der Vorwurf der verfassungswidrigen Regelung und dieser Vorwurf ließe sich am ehesten dadurch vermeiden, in dem von vornherein auf eine verfassungskonforme und freilich die das Selbstbestimmungsrecht des Patienten hinreichend berücksichtigende Regelung gedrängt wird, ohne dass die Abgeordneten ggf. dem Charme mancher Medizinethiker erliegen, wonach dem „egozentrischen Willen“ des Patienten die sozialethischen Grenzen skizziert werden müssen. Auch wenn insoweit das BVerfG – wie bereits oben erwähnt mehrfach betont hat, dass das Menschenbild des Grundgesetzes nicht dasjenige eines selbstherrlichen, sondern das eines gemeinschaftsgebundenen Individuums sei, ist hieraus keineswegs eine andere Betrachtungsweise anbefohlen. Der nicht normierbare kreatürliche Sterbevorgang und der hierzu im Zweifel geäußerte Wille des Patienten ist weder gemeinschaftsgebunden, noch bedarf er der Akzeptanz durch unsere Gesellschaft oder eines ethischen Konzils und freilich noch weniger einer Partei, Standesorganisation oder einer Religionsgemeinschaft – mehr noch: auch aus familiären Bindungen folgt keine Inpflichtnahme oder Reichweitenbeschränkung des autonomen Willens mit Blick auf den selbst zu verantwortenden Abschied aus dem Leben, wobei freilich es dem Patienten unbenommen bleibt, aus welchen Motiven heraus auch immer mit seiner Familie oder ihm nahestehenden Personen im letzten Akt seines Lebens (oder Sterbens) gemeinsam die Regie zu führen; ihm bliebe gar die Möglichkeit eröffnet, sich selbst die Rolle einer „Regieassistenz“ zu entziehen und insgesamt sich seinen Angehörigen (oder der Ärzteschaft, der Pflegenden oder einer wie auch immer gearteten transzendenten „Macht“) anzuvertrauen; all dies bliebe dem Patienten aufgrund seines Selbstbestimmungsrechts vorbehalten und er selbst darf die Prioritäten setzen, so wie er im Übrigen sich dazu entscheiden kann, dem „würdevollen Sterben“ und der damit © 2007 190 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? vielfach propagierten „Lebensqualität in den letzten Stunden“ zu entsagen und sich für eine „Qualität des Todes und damit des Sterbevorganges“ durchringt, die sein Leben ein abruptes Ende bereitet. Zu einem anderen – allerdings nach diesseitigem Verständnis fragwürdigen – Ergebnis würde man nur dann gelangen (können), wenn über die ethische Normbildung hinaus einer Gattungsethik das Wort geredet werden soll, die zu einer besonderen Inpflichtnahme der Grundrechtsträger und Adressaten führen würde. Hier schleicht sich dann u.a. die Theorie von den immanenten Verfassungsschranken nicht nur in das Ohr mancher Verfassungsrechtler, sondern insbesondere auch der Philosophen und Soziologen ein, so dass hieraus folgend für die Gattung Mensch besondere Pflichten mehr oder minder phantasievoll auf der Klaviatur ethischer und demzufolge überindividueller Normenbildung konstruiert und nachfolgend scheinbar verbindlich statuiert werden können und vor allem sollen. Eine Verpflichtung zum „Leben“ in Form eines ethischen Lebenszwangs lässt sich schwerlich verfassungsrechtlich begründen. Das überindividuelle Interesse einer säkularisierten Gesellschaft an der Erhaltung der Gattung Mensch ist zwar aus nachvollziehbaren Gründen durchaus ehrenhaft und wünschenswert, trägt aber im konkreten Entscheidungskonflikt mit Blick auf den autonomen Sterbewunsch nicht zur Lösung bei. Im Übrigen soll hier aber durchaus betont werden, dass der Palliativmedizin ein hoher Stellenwert zukommt. Nicht akzeptabel erscheint mir allerdings zu sein, dass die Bedeutung der Disziplin durch eine ideologische (oder theologische) Sichtweise überhöht wird, in dem nicht selten „Leidkonzeptionen“ vorgestellt und Befürchtungen vor einem „Lastdiskurs“ geäußert werden. Dass es hier im Einzelfall zu Konflikten kommen kann, zeigt nicht zuletzt auch die aktuelle Debatte um den sog. „unseligen Papst-Tod“, der für sich genommen aber nicht „unselig“ war, sondern durchaus den Grundsätzen des Evangelium vitae entsprach. © 2007 191 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Auch wenn sich ohne Frage das therapeutische Ziel im Rahmen einer palliativmedizinischen Behandlung und Betreuung ändert, erfährt auch die palliativmedizinische Behandlung ihre Legitimation (nur) durch eine Einwilligung164 des Patienten, so dass auch die patientenautonome Entscheidung die Grenze palliativmedizinischer Bemühungen markiert. Patientenverfügungen dokumentieren den Willen und damit die Entscheidung des Patienten, so dass dieser konkreten Entscheidung Geltung zu verschaffen ist. Die These etwa der Herren Student und Klie in ihrer cave-Patientenverfügung, wonach ein Gesetz zur Regelung von Patientenverfügungen über den Einzelfall hinaus dazu führen könnte, dass hierdurch eine Wirkung auf die Moral der Gesellschaft entfaltet wird, dürfte zwar durchaus plausibel sein, aber dennoch auf den konkreten Fall der Patientenverfügung bezogen ein ganz und gar untaugliches Argument. Es geht eben nicht um die „Moral“ der Gesellschaft, sondern um eine individuelle Entscheidung eines Grundrechtsträgers, der in einem exklusiven und höchst individuellen Bereich für sich völlig zu Recht seinen Freiraum reklamiert und zwar frei von moralischen und ethischen Zwängen. Diesbezüglich greift die Argumentation der beiden Herren zu kurz, zumal sie davon ausgehen, dass das Recht im Wesentlichen die Funktion hat, „Werthaltungen unmittelbar oder mittelbar in der 164 Nicht nur die kurative, sondern auch die palliativmedizinische Therapie des Patienten erfordert eine ärztliche Aufklärung, aufgrund derer der Patient dann seine Einwilligung in das vom Arzt oder die Ärztin vorgeschlagene therapeutische Konzept zu erteilen hat. Sofern der Patient meint, auf ein gebotenes Aufklärungsgespräch verzichten zu wollen, wird dies grundsätzlich zu respektieren sein, wenngleich ein allgemeiner Schluss, dass etwa der multimorbide Alterspatient regelmäßig (?!) durch beredtes Stillschweigen seinen Verzicht und damit sein Einverständnis erklärt habe, nicht zulässig ist! Entgegen der von Klie vertretenen Auffassung gibt es keine Regel, wonach „von einer (zumindest stillschweigenden) Einwilligung des Patienten gegenüber der vom Arzt verordneten Behandlung ausgegangen werden kann, wenn dieser der Behandlung nicht widerspricht“, so Klie in Rechtskunde – Das Recht der Pflege alter Menschen, 8. Aufl. 2006, S. 99, 100. © 2007 192 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Gesellschaft Geltung zu verschaffen“165. Mit Blick auf die Patientenverfügung geht es aber eben nicht darum, allgemeine Werthaltungen in das Bewusstsein deren zu rufen, die eine selbstbestimmte individuelle Entscheidung zu treffen gedenken und diese „Werthaltungen“ als verbindliche Standards zu definieren. Vielmehr ist das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ein „Wert an sich“, dem Geltung zu verschaffen ist und seine Grenze lediglich an den Grundrechten anderer findet. Hier verschweigen die Initiatoren des Freiburger Appells – Cave Patientenverfügung – (aber auch andere Philosophen und Ethiker) beredt eine der zentralen Funktionen unsere Grundrechte! Dies erscheint zunächst auch unproblematisch, sind doch auch die Herren Student und Klie nicht frei von Ideologien; auch sie tragen mit ihrem Appell zunächst nur zur Diskussion im historisch bedeutsamen Wertediskurs bei, wie andere Interessierte auch. Wir alle sind in unserer ureigenen Sozialisation verhaftet, so dass unsere Gesellschaft sich naturgemäß mit Blick auf grenzwertige Fragen durch die wünschenswerte Pluralität von Meinungen auszeichnen sollte und muss. Gleichwohl sind unsere Statements gewissermaßen einer Plausibilitätskontrolle unterworfen und nicht selten stellen wir dann in der Folge fest, dass mit wohlmeinenden Appellen zugleich auch die Gefahren einer Instrumentalisierung in besondere Weise verbunden sind. Deshalb muss schon für sich genommen der Hinweis auf „moralische Werthaltungen“ in unserer Gesellschaft durch die Statuierung von Recht Argwohn auslösen und zwar gerade in den Fällen, wo ein individueller Freiheitsbereich nur noch als Desiderat moralischer Gemeinschaftswerte erscheint. Hier wird verkannt, dass die © 2007 165 So Student und Klie in Cave – Patientenverfügung, aaO. Hier verkennen die Autoren insbesondere den Sinn und Zweck von Grundrechten, die in erster Linie als individuelle Freiheitsrechte Geltung beanspruchen und insofern gerade der „herrschenden Moral“ auch in Gestalt wohlmeinender, aber gleichwohl freiheitsbeschränkender Gesetze die Grenzen setzen können. Gesetztes „Recht“ als Ausdruck „herrschender Moral“ ist nicht stets ein Garant dafür, dass dieses Recht verfassungskonform ist. 193 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? individuelle Freiheit zur patientenautonomen Entscheidung ein „Wert per se“ ist und unserer Gesellschafts- und damit der Rechtsordnung als „Werthaltung“ vorgegeben ist. Mögliche Begrenzungen dieser so verstandenen Freiheit zur autonomen Selbstbestimmung bedürfen also eines konkurrierenden „Wertes“ auf gleicher Höhe, so dass bei entsprechenden Konflikten eine angemessene (Güter)Abwägung166 stattfinden kann. Nicht ausreichend dürfte dabei die Visionen von einem befürchteten Last-Diskurs sein, denn die zu gewährende Freiheit privatautonomer Selbstbestimmung bedarf keiner „präventiven Restriktion“, ohne dass sich derartige Konflikte realisiert haben und noch weniger ist der Patient moralisch verpflichtet, sein „Leid“ anzunehmen und ggf. zu tragen, wobei es ihm aber auch unbenommen bleibt, sich dafür zu entscheiden, anderen „nicht zur Last fallen zu wollen“. Maßgeblich ist nur die Innenperspektive des Patienten bei seinem Ringen um eine selbstbestimmte Entscheidung, die frei von moralischen, ethischen und gesamtgesellschaftlichen „Zwängen“ und wohlmeinenden Perspektiven sein muss, so dass eben die säkularisierte Gesellschaft verpflichtet ist, ein verfassungsrechtlich gebotenes Alternativverhalten und die darauf gründende selbstbestimmte Entscheidung als Option zu gewährleisten und zu garantieren. Ein „moralischer Druck“, „nicht zur Last fallen zu dürfen“ ist für den selbstbestimmenden Patienten ebenso unbeachtlich wie dass Ansinnen mancher Bereichsethiker, er möge doch die Angebote einer palliativmedizinischen Therapie annehmen; dies gilt zumindest in den Fällen, in denen gleichsam mit der ohne Frage überaus sinnvollen palliativmedizinischen © 2007 166 Das sog. Prinzip der praktischen Konkordanz weist hier den richtigen Weg, so dass mögliche Präferenzentscheidungen stets sich an der Bedeutung der einzelnen, miteinander konfligierenden Grundrechte zu orientieren haben. So führt das Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht zur Fremdbestimmung der Ärzteschaft und die Grundrechte müssen jeweils in ihrem Kern beachtet werden, so dass sowohl der patientenautonomen Entscheidung des Patienten als auch der möglichen (individuellen!) Gewissenentscheidung der Ärzte und der Pflegenden hinreichend Rechnung getragen werden kann. 194 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Betreuung mehr oder minder schleichend ein Inpflichtnahme des Patienten verbunden wird, wonach dieser auf seine egozentrische individuelle Sichtweise (einstweilen) zu verzichten hat, trägt er doch mit diesem Verzicht auf eine selbstbestimmte Entscheidung letztlich zur Weiterentwicklung und Verbreitung der Palliativmedizin (oder des Hospizgedankens) bei. Besonders deutlich wird dieser Ansatz bei U. Fahr, auch wenn er betont, auf das Hauptproblem der schweren, unerträglichen Schmerzen nicht näher eingegangen zu sein: „Es kann sein, dass Personen gibt, deren Leben geglückt ist, die auch Sterben können, und die jetzt Sterben wollen, weil sie unter unerträglichem Schmerz leiden. Ich meine aber, dass sie auf die Wahrnehmung dieser Möglichkeit verzichten können, unter der Voraussetzung, dass alles getan wird, um bessere Schmerzmedikamente zu entwickeln, als es sie bisher gibt. Sie wissen, dass ohne ihr Leiden der Druck in Richtung einer besseren Schmerzmedizin geschmälert würde. Schwere Schmerzen sind kein Grund zu töten, sondern ein guter Grund dafür, schnellstmöglich bessere Schmerzmedikamente zu entwickeln“167. Dieses abschließenden Votum von Fahr in seinem Beitrag zur Kritik an der aktiven Sterbehilfe überzeugt allerdings nicht, denn hier wird verkannt, dass der Patient sich nicht in den Dienst der Forschung u.a. von Pharmaunternehmen zu stellen hat und noch weniger hat sich der an unerträglichen Schmerzen leidende Patient der Erkenntnis zu öffnen, dass „ohne sein Leiden“ kein hinreichender Druck auf die Forschung aufgebaut werden könne. Gelegentlich wird mit Blick auf die aktive Sterbehilfe darauf hingewiesen, dass „professionalisierte Hilfe zur Selbsttötung das sei, was man ein unmoralisches Angebot nennt“168. Ob diese © 2007 167 So Fahr in seinem Beitrag, Zur Kritik der aktiven Sterbehilfe, aaO. „Einen Freitod zu begleiten, wie Dignitas das anbietet, lehne ich aus moralischen Gründen ab. Nichts zu tun ist unmoralisch!“ Das heiße zwar nicht, dass Leben um jeden Preis verlängert werden müssten. Eines aber sei klar: „Professionalisierte Hilfe zur Selbsttötung ist das, was man ein unmoralisches 168 195 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Einschätzung zutreffend ist, kann nur ein jeder für sich selbst beantworten. Die Ärzte, die bereit wären, einen Suizid zu begleiten – und derer dürfte es Umfragen zufolge mehrere geben – unterbreiten dem Patienten nach diesseitiger Auffassung kein „unmoralisches“ Angebot, sondern entsprechen lediglich dem selbstbestimmten Sterbewunsch des Patienten nach einer entsprechenden Hilfe zum Sterben, ohne hierbei offensichtlich mit ihrer ureigenen Gewissensentscheidung in Konflikt zu geraten. In diesem Sinne erscheint es durchaus entbehrlich, den (fragwürdigen) moralischen Zeigefinger zu erheben, wenn es Ärzte mit ihrem Gewissen und entgegen einer vielleicht dem ehrwürdigen Geist des Hippokrates widerstrebenden moralischen und ethischen Grundhaltung vereinbaren können, in Grenzfällen aktive Sterbehilfe zu leisten. Mag auch die ethische Grundhaltung eines Herrn Salm (und freilich die der anderen Damen und Herren) ehrenwert und akzeptabel sein, so bleibt doch sein Bekenntnis im Ergebnis eine Stimme unter vielen, die im Wertediskurs gehört werden möchte – freilich aber in dem Bewusstsein, dass dieses Bekenntnis Ausdruck seiner momentanen selbstbestimmten Entscheidung zu einem aktuellen Problem ist und uns seine individuelle Gewissensentscheidung in Teilen offenbart. Mehr dürfen wir, die wir uns am Diskurs beteiligen, auch nicht erwarten, denn: derart moralisierende und mahnende Betrachtungsweisen fordern nicht selten zur nachhaltigen Skepsis auf, auch wenn sich die moralisierenden Norminterpreten hierbei auf historisch überlieferte und ohne Frage bedeutsame Worte großer Philosophen berufen können. Indes gilt aber: weder Hippokrates, Kant noch Habermas oder der ehrwürdige Sokrates lösen den individuellen Konflikt bei der zentralen Frage am Ende eines verlöschenden Lebens und es ist wenig hilfreich, wenn etwa darauf verwiesen wird, dass es „kein Leben gibt, dass nicht leidfrei ist“. © 2007 Angebot nennt“, so S. Salm in der Sendung von Sabine Christiansen am 11.03.07 196 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? „Das Gleichnis(von Sokrates: der Verf.) lehrt, dass nur die Erfahrung des Leides es uns erlaubt, die Freude des Lebens in anderen Augenblicken als Abwesenheit von Leid zu erleben. Auf eine Kurzformel gebracht heißt das, nur wer gefesselt war, weiß, was Freiheit ist. Dabei geht es nicht nur um das Leiden, es geht auch darum, Grenzen wahrzunehmen und anzunehmen“169 Mit Verlaub – wer die Freiheit kosten will, muss nicht das Leid annehmen und ertragen; es geht auch nicht darum, die Grenzen wahr- und gleichsam anzunehmen, sondern vielmehr darum, dass der Patient seinen Willen mit Blick auf seinen Tod (!) – seinem Abschied aus dem Leben – artikulieren kann und dass dieser Wille entsprechend beachtet wird. Sofern Pleschberger das hohe Gut der Freiheit (auch) über das Leiden zu erschließen gedenkt, bleibt ihr ein solches Verständnis freilich unbenommen, wenngleich sie sich der Gefahr aussetzt, mit ihrer Lesart den Begriff der Würde ebenfalls ideologisch zu besetzen. Ein Umstand, den sie mit Blick auf die Religion meint, kritisieren zu müssen. Weder der Religion noch der berufsständischen Pflege- und Arztethik kommt allerdings die Befugnis zu, allein die Definitionsherrschaft über den ideologiefreien Begriff von der Würde des Menschen für sich reklamieren zu können, aus dem dann gleichsam eine „Leid-Konzeption“ folgt, die für alle verbindlich sei170. Vielmehr bleibt es dem einzelnen © 2007 169 So Pleschberger, „Bloß nicht zur Last fallen“ - Leben und Sterben in Würde aus der Sicht alter Menschen in Pflegeheimen, Dissertation v. Sabine Pleschberger, vorgelegt im Dezember 2004 170 In diesem Zusammenhang stehend dürfte es aufschlussreich sein, wenn die Autorin Pleschberger zugleich darauf verweist, dass der „Kaiserschnitt nach Wunsch“ zu beklagen sei (Pleschberger, aaO., S. 182). Auch wenn das Buch der Bücher davon ausgeht, dass die „Frau unter Schmerzen gebären solle“, bleibt dies in Ansehnung an die moderne Medizin nur ein frommer Wunsch, den zu wünschen im Belieben einer jeden werdenden Mutter steht, aber wohl nicht zum moralischen Gebot erhoben werden dürfte. 197 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Grundrechtsträger unbenommen, ein diesbezügliches „Wahlrecht“ auszuüben, dass wiederum selbst Ausdruck seines individuellen Selbstbestimmungsrechts ist: sofern also der Patient sich dazu entschließt, dass „Leid“ – aus welchen Motiven und Grundüberzeugungen auch immer – anzunehmen und zu ertragen, werden wir dies selbstverständlich zu akzeptieren haben. Das hier neben dem Selbstbestimmungsrecht ggf. noch zusätzlich die Glauben-, Gewissensund Religionsfreiheit die patientenautonome Entscheidung stützen und rechtfertigen, ist eine von der Verfassung vorgesehene Folge, zumal mit Blick auf das Leben und Sterben in der Regel mehrere Grundrechte betroffen sind resp. sein können. Das Sterben ist und bleibt ideologiefrei und nach der Verfassung kommt dem Gesetzgeber die zentrale Aufgabe zu, in dem Wertediskurs das Selbstbestimmungsrecht der Patienten gegenüber der Inpflichtnahme durch intraprofessionelle Bereichethiken, aber auch religiöse Grund- und Werthaltungen, als verfassungsfest zu schützen. Es geht auch nicht um einen - mehr zweifelhaften denn redlichen - „Kampf“ um die Leitprofession beim „Sterben“! Sowohl die Ärzteschaft, die Pflegenden als auch die geistlichen Würdenträger und im übrigen die Humanisten haben zu akzeptieren, dass die Verfassungsinterpretation aus guten Gründen nicht (!) mit der Philosophie und noch weniger mit einer Partei-, Verband- oder Vereinspolitik gleichzusetzen ist, mag auch der „Wunsch“ nach einer allgemeinen Leitkultur und nach der Dominanz für eine Profession beim „professionellen Sterben“ noch so groß sein. Die Dominanz einer Profession oder einer bereichsspezifischen Ethik und damit die Geistes- und Werthaltung einer gesellschaftlichen Gruppe folgt auch nicht aus der Tatsache, dass ggf. die Stiftung Warentest das beachtliche Angebot der vorformulierten Patientenverfügungen einer Prüfung unterzieht und einzelne Angebote hierbei besonders „gut“ abschneiden. All diese Angebote, ob moralisch genehm oder als „unmoralisch“ zu verwerfen, sind lediglich in einem beschränkten Umfange Orientierungshilfen für den Patienten, der sich zum © 2007 198 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Abfassen einer Patientenverfügung durchringt, wobei ihm die zentrale Entscheidung des Ob (!) keiner abzunehmen vermag171. Gleich, welche „Leitprofession“ sich mit ihrer bereichsspezifischen Ethik im Diskurs durchzusetzen vermag – jede dieser Leitprofessionen wird sich an der selbstbestimmten Entscheidung des Patienten zu orientieren haben, die ihrerseits nicht zur Fremdbestimmung eben der Ärzte oder der Pflege führen darf. Zitate von großen Philosophen können allenfalls zur Orientierung im historisch bedeutsamen Diskurs dienen, uns aber nicht die höchst individuelle und selbstbestimmte Entscheidung abnehmen. Man/frau muss nicht Kant, Sokrates oder die Richtlinien der BÄK zur Sterbebegleitung oder dergleichen gelesen haben, um seine Entscheidung treffen zu können. Mit der Selbstbestimmung ist freilich auch ein hohes Maß an Selbstverantwortung untrennbar verbunden und insofern „verfügt“ der Patient durchaus „testamentarisch“ über sein Schicksal – ein „Testament“, welches wir zu akzeptieren haben und nicht einer „ethischen Anfechtung“ der Bereichsethiker zugänglich ist. „Höhere sittliche “ und vor allem in der Gesellschaft konsentierte Werte mögen vielleicht zur „Sittenwidrigkeit“ eines Vertrages führen, nicht aber zur Nichtigkeit einer patientenautonomen Verfügung, die den nachhaltigen Willen des Patienten dokumentiert172. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die höchst spannende Debatte über den mutmaßlichen Willen und, sofern dieser nicht feststellbar sein sollte, die „allgemeinen Wertvorstellungen“ in © 2007 171 Nicht ausgeschlossen sein dürften allerdings Instrumentalisierungsversuche, die nicht zwangsläufig zum Scheitern verurteilt sind. 172 Nur in Parenthese sei an dieser Stelle angemerkt und gleichsam in Erinnerung gerufen, dass nicht selten wenige Jahre später sich das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ und damit die herrschende Sozialethik durchaus ändern kann, wie die – bereits schon zum seinerzeitigen Zeitpunkt – unselige und „pseudoethische“ Debatte um das Peepshow-Urteil des BVerwG hinreichend dokumentiert haben dürfte. 199 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? unserer Gesellschaft. Der scheinbare Widerspruch „in dubio pro vita“ und „pro libertate“ begegnet sich am Horizont fundamentaler Werte gleichsam auf Augenhöhe und löst sich in Wohlgefallen auf: derjenige, der von seiner Freiheit nicht Gebrauch machen möchte, will oder kann, entschließt sich „stillschweigend“ zugleich auch für sein Leben (!) und im Zweifel der kurativen und ihr nachfolgend der palliativen medizinischen Therapie und Betreuung. Freiheit und damit das Selbstbestimmungsrecht will im status activus gelebt werden, so dass die negative Freiheitsausübung stets aus der Perspektive des Grundrechtsträgers mitbedacht werden sollte. Dies bleibt freilich nicht ohne Konsequenzen für den Gesetzgeber, der im Rahmen seiner Regelungskompetenz den notwendigen verfassungsrechtlich gebotenen Freiraum dafür schaffen muss, dass sowohl die positive als auch die negative Freiheitskomponente ihre Berücksichtigung findet, ohne sich von einem der grundlegenden Werte – namentlich Freiheit, Selbstbestimmung, Leben und Gesundheit – verabschieden zu müssen. Der „sterbewillige“ Grundrechtsträger kann selbst die Regie mit Blick für seinen Tod führen, so wie es ihm anheim gestellt bleibt, sich dem Prozess der Rechts- und Güterabwegung nach dem geltenden Verfassungsrecht und der aktuellen Verfassungswirklichkeit entweder zu „unterwerfen“ oder durch positive und hinreichend konkretisierte Willensäußerung zu „entziehen“. Dass er hierbei Gefahr läuft, dem „allgemeinen moralischen und ethischen Wertekonsens“ unterworfen zu werden, belegt im Zweifel die Rechtsprechung des BGH und es liegt an ihm, Vorsorge zu treffen. Das hierbei „moralische und ethische Werte“ zu pervertieren drohen, steht nicht zu befürchten an, auch wenn dies ein nicht hinwegzudiskutierender Makel der unrühmlichen deutschen Vergangenheit ist. Die Kategorie „unwertes Leben“ war und ist kein (!!) Wert und sie wird es auch künftig nicht werden, wohl aber das Recht und die Freiheit des Einzelnen, für sich sein (!) Leben individuell als „lebenswert“ zu qualifizieren. Er steht dann vor der durchaus schwierigen Entscheidung, seinen Lebensplan und seine Grenzen hierzu zu markieren, die zu markieren einzig © 2007 200 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? seine individuelle Entscheidung ist. Die „Würde“ des unmittelbar betroffenen Patienten und das ihm zustehende Selbstbestimmungsrecht unterliegt keinen (!) gesellschaftlichen resp. moralischen Grundrechtsschranken, aufgrund derer eine Inpflichtnahme für einen vermeintlichen „guten und gerechten Tod“ (und im Zweifel der Gesellschaft dienlichen Tod) begründet werden könnte. Ein Staat, der dies zu einem allgemeinen, moralisch verbindlich vorgeschriebenen Gesetz erheben würde, enttarnt sich als ein Staat, der eben nicht die ureigene Lebensphilosophie des Individuums achtet und Erinnerungen an das gewaltige Unrecht in der Geschichte schlechthin wach werden lässt. So wie der psychisch und physisch kranke und scheinbar dem Tode geweihten und nahestehende (Alters-)Patient keine „Ballastexistenz“ ist, so wenig darf ihm gegenüber der Vorwurf einer „egozentrischen individualethischen Grundhaltung“ erhoben werden, nur weil er seinen konkreten Willen im Rahmen seiner (!) medizinischen Behandlung umgesetzt und gewahrt wissen möchte. Ethische Maßgaben für die Individualethik offenbaren sich nicht selten als eine (fragwürdige) Tugendethik, um so eindringlich auf das Individuum erzieherisch einwirken zu können, vermögedessen der Patient das trügerische Gefühl vermittelt bekommt, sich „sozialethisch“ konform und angemessen zu verhalten. Hier könnte dann freilich in der Tat von einem „LastDiskurs“ gesprochen werden, dergestalt, als dass der Patient mit seinem gefassten individuellen Willen mit der „Last“ einer sozialethischen Inpflichtnahme und damit vermeintlich „höheren sittlichen Werten“ konfrontiert wird, unter der es kein Entrinnen mehr gibt. In dem hier gemeinten Sinne kommt dann dem neuen medizinethischen Paternalismus eine höchst kritisch zu bewertende Qualität zu: er enttarnt sich bei genauerer Betrachtungsweise als eine Ideologie, die über den Weg der Sozialethik Eingang in den konkret individuell zu fassenden Willen des Patienten finden soll und von daher ist die These des Soziologen Feldmann durchaus zutreffend, wonach es wohl um die Instrumentalisierung des Todes und der hierzu geführten © 2007 201 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Debatte geht173. Die Folge ist ein „gesellschaftlich akzeptiertes, weil ethisch vorbereitetes und damit konsentiertes Sterben“, so dass jedes von dieser ethischen Norm abweichendes individuelles Sterben als „moralisch verwerflich“ stigmatisiert werden muss und nur in Parenthese sei angemerkt, dass es dann freilich Sinn macht und überaus konsequent ist, alternative und die den Individualwillen des Patienten hervorhebende Konzepte als „unmoralische Angebote“ zu diskreditieren. Die Aufgabe des Verfassungsrechts wird allerdings zuvörderst darin zu erblicken sein, dem Grundrechtsträger Handlungsoptionen zur Verfügung zu stellen, die ihm auf unterverfassungsrechtlicher Ebene in Gestalt eines einfachen Gesetzes oder ggf. ergänzender und abändernder Rechtsnormen die Möglichkeit einräumen, seine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen, die dann auch in der Folge – auch in Form seines antizipierten Willens – strikt zu beachten ist. Unsere Gesellschaft und vor allem die säkularisierte Wertegemeinschaft mit ihrer gesamten Pluralität wird es aushalten müssen, dass das Sterben höchst persönlicher Natur ist und dass offensichtlich eine nicht unbeträchtliche Zahl von Bürgerinnen und Bürgern u.a. auch die aktive Sterbehilfe in aussichtslosen, weil u.a. mit unsäglichén Schmerzen verbundenen Situationen befürwortet. Indes bleibt aber zu fragen: kommt es eigentlich hierauf an? Nach diesseitigem Verständnis eher nicht, denn ob 30, 40 oder vielleicht 70% der Befragten eine positive Einstellung zur aktiven Sterbehilfe haben, ist nicht entscheidend, sondern vielmehr die Tatsache, dass immer eine Minderheit das Gegenteil befürwortet oder sich einen vermittelnden Weg – etwa durch die Angebote der Palliativmedizin © 2007 173 Insofern erinnert die ethische Zwangsbeglückung zugleich an die „reiche Erbtante“, die im Wachkoma liegend ggf. im Interesse eines zu erwartenden Erbes schneller als gewünscht aus dem „Leben“ zu scheiden hat. Sowohl die Intention der potentiellen Erben, aber eben auch die Intoleranz mancher Ethiker sind gleichermaßen bedenklich und inakzeptabel – anders ausgedrückt: moralisch verwerflich, um sich dieser Kategorie hier ganz ausnahmsweise mal bedienen zu dürfen. 202 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? – zu entscheiden gedenkt. Das Verfassungsrecht und hier näher das individuelle Selbstbestimmungsrecht liefert die Maßgaben für den Gesetzgeber dergestalt, als dass dieser im Rahmen seiner grundrechtlichen Schutzverpflichtung gehalten ist, allen (!) Optionen Rechnung zu tragen. Am Schluss dieses Beitrages möchte ich selbst die Frage an mich richten, ob auch ich mit einem „Sendungsbewusstsein“ ausgestattet bin. Die Antwort fällt eher selbstkritisch aus und muss bejaht werden: in einem höchst spannenden Wertediskurs plädiere ich für das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, dass nicht zur Fremdbestimmung anderer Grundrechtsträger führen darf. Schlagen wir nicht die „Würde des Menschen“ zur „kleinen Münze“, in dem wir uns auf die Suche nach einem „höheren sittlichen Wert“ begeben und hierbei ggf. unseren Blick dafür trüben, dass der autonome Patient zum „Objekt“ einer beliebigen Bereichs- oder allgemeinverbindlichen Gattungsethik wird. Uns allen bleib es freigestellt, sich an der Diskussion zu beteiligen – aber stets in dem Bewusstsein, dass unsere Innen- und Außenansichten über das individuelle Sterben nicht notwendig Eingang in die Verfassung finden werden, noch dass diese die Verfassungswirklichkeit nachhaltig und zielführend präjudizieren, in dem (scheinbar neue) „höhere sittliche Werte“ reaktiviert werden. Es ist eine individual(grund)rechtliche Betrachtungsweise anbefohlen, die nicht im Rekurs auf einen höchst fragwürdigen Appell an die sozialethischen „Pflichten“ (?) der Bürgerinnen und Bürger obsolet geführt werden sollte. Es gibt keine Pflicht zum Leben und ein hierauf gerichteter ethischer Zwang ist mehr als „unethisch“, wird doch das Individuum um eines seiner zentralen Freiheitsrechte, namentlich das Selbstbestimmungsrecht, schleichend „beraubt“ und dies wären nach diesseitiger Überzeugung keine guten Aussichten für den nach Freiheit und Selbstbestimmung strebenden Bürger im säkularen Verfassungsstaat. Ein solches gilt sowohl für staatliche Grundrechtsgefährdungen, aber auch für aktuelle Bedrohungslagen, die aus einer paternalistischen ethischen Werthaltung von Bereichsethikern folgen, die nach allgemeiner © 2007 203 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Beachtung und Verbindlichkeit streben. „Nicht dein, sondern mein Wille“ ist und bleibt entscheidend und dies gilt freilich auch für meinen (und nicht deinen!) „mutmaßlichen Willen“, den zu erschließen (und nicht zu interpretieren) im Zweifel die Ärzte, Verwandte oder andere nahe stehenden Personen berufen sind. © 2007 204 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Beistand für Sterbende – ist § 16 MBO-Ä noch zeit- und verfassungsgemäss? „Ärztinnen und Ärzte dürfen - unter Vorrang des Willens der Patientin oder des Patienten - auf lebensverlängernde Maßnahmen nur verzichten und sich auf die Linderung der Beschwerden beschränken, wenn ein Hinausschieben des unvermeidbaren Todes für die sterbende Person lediglich eine unzumutbare Verlängerung des Leidens bedeuten würde. Ärztinnen und Ärzte dürfen das Leben der oder des Sterbenden nicht aktiv verkürzen. Sie dürfen weder ihr eigenes noch das Interesse Dritter über das Wohl der Patientin oder des Patienten stellen.“, so die derzeit aktuelle Fassung des § 16 MBO-Ä. Nehmen wir das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ernst und mündet dieses unmittelbar in die Frage, ob dem Patienten das Recht zu konzedieren ist, ggf. auch einen Wunsch nach einem ärztlich begleiteten Suizid äußern zu dürfen, dann wäre ohne Frage § 16 MBO-Ä Satz 1 abzuändern. Das kategorische Verbot, wonach Ärztinnen und Ärzte das Leben der oder des Sterbenden nicht „aktiv“ verkürzen dürfen, spiegelt zwar derzeit die (noch) geltende Rechtslage und zugegebenermaßen auch das standesethische Kastendenken der ärztlichen Berufskammern wider, ohne hierbei jedoch zu überzeugen, mal ganz abgesehen davon, dass § 16 MBO-Ä den Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen nur dann gestattet, wenn ein Hinausschieben des „unvermeidbaren Todes“ für die sterbende Person lediglich eine unzumutbare Verlängerung des Leidens bedeuten würde. Letztere Alternative entspricht jedenfalls nach der Rechtsprechung des 3. Strafsenats beim BGH nicht der aktuellen Rechtslage, da bereits mit der sog. Kemptener Entscheidung (1994) die Beendigung der künstlichen Ernährung auch außerhalb der Sterbephase als zulässige Form der passiven Sterbehilfe einordnet werden kann. Das hier der 12. Zivilsenat beim BGH mit seinen beiden Entscheidungen aus dem Jahr 2003 und 2005 nachhaltig zur Irritation geführt hat, verdeutlicht lediglich nur, dass hier der © 2007 205 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Gesetzgeber zwingend gefordert ist, eine gesetzliche Regelung endlich auf den Weg zu bringen. Dies gilt um so mehr, als dass dem BGH allenfalls nur eine „Notkompetenz“ zuzubilligen ist, da insoweit der Gesetzgeber bis dato seinen grundrechtlichen Schutzpflichten nicht nachgekommen ist. Die Zählebigkeit der zurückliegenden Debatte lässt nun allerdings vermuten, dass es sinnvoll erscheint, auch offensiv die Fragen nach einer „aktiven“ Sterbehilfe im Sinne eines ärztlich begleiteten Suizids in eng zu begrenzenden Fällen zu diskutieren, damit ggf. eine adäquate Regelung Eingang in die entsprechenden Rechtsvorschriften finden kann. Einschlägige Rechtsprechung hat hier den Weg bereits geebnet, ohne dass damit eine Lockerung des Verbots auf „Tötung auf Verlangen“ verbunden wäre. Gleichwohl ist mit Verrel davon auszugehen, dass „es endlich Schluss damit sein (muss), dass diejenigen, die sich für eine eng begrenzte Straffreistellung aktiver Sterbehilfe aussprechen, mit dem Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten in Verbindung gebracht werden." (Quelle: Humanistische Union >>> Die Freiheit zu sterben Selbstbestimmung durch Sterbehilfe und Patientenverfügungen >>> http://www.humanistische-union.de/themen/bioethik/tagung/strafrecht/ ). Zwar wollen wir hier nicht verschweigen, dass T. Verrel seinen Beitrag nicht zur Legalisierung der aktiven Sterbehilfe verstanden wissen möchte, wenngleich es insgesamt darauf ankommen dürfte, einen neu aufkommenden medizinethischen Paternalismus dringend Einhalt zu gebieten. „Aktive“ Sterbehilfe im Sinne eines ärztlich begleiteten Suizids ist nicht nur wünschenswert, sondern ggf. auch dem Willen des Patienten entsprechend verfassungsrechtlich geboten, wenn und soweit etwa die therapeutische Option unweigerlich den Todeseintritt nicht nur beschleunigt, sondern vor allem auch ermöglicht. Darf also die Ärztin oder der Arzt eine entsprechende Medikation veranlassen, die unweigerlich zum Tode des Patienten führt, ohne dass bereits die Sterbephase eingesetzt hat? Ohne Frage wird hier der Arzt „aktiv“ tätig – Definitionsfragen über die Bedeutung des „Aktiven“ im Sprachgebrauch helfen hier nicht wirklich weiter, sondern © 2007 206 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? tragen im Ergebnis nur zur Verwirrung bei. Es ist vielmehr erforderlich, den ärztlich begleiteten Suizid nicht mehr länger zu stigmatisieren und dieser ist nicht nur ethisch zu tolerieren, sondern in erster Linie verfassungsrechtlich als individuelle Option aus der Sicht des Patienten geboten. Und diesbezüglich wird dann die „Spreu vom Weizen“ zu trennen sein: ärztliches Standes- und Berufsrecht, dass einen ärztlich begleitenden Suizids mit „aktivem Tun“ verbietet, kollidiert nicht nur mit dem Verfassungsrecht, sondern zuvörderst auch mit dem Grundrecht auf Gewissensfreiheit der Ärzteschaft. Nach § 2 Allgemeine ärztliche Berufspflichten (MBO-Ä) üben Ärztinnen und Ärzte ihren Beruf nach ihrem Gewissen, den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit aus. Hierbei dürfte außer Frage stehen, dass die Gebote der ärztlichen Ethik nicht dazu führen können, dass die ureigene Gewissensentscheidung der Ärztin oder des Arztes obsolet geführt wird. Die Gebote der ärztlichen Ethik – nicht selten phantasievoll durch Berufsethiker im Rekurs auf den historischen Willen des Hippokrates und anderen Vordenkern in unserer Gegenwart entfaltet – sind keine Grundrechtsschranken, die den Arzt davon abhalten können, eine andere individuelle Gewissensentscheidung nach Art. 4 GG zu treffen. Sofern also die Gebote der ärztlichen Ethik, zu deren strikten Befolgung die Ärzteschaft schein verpflichtet sind, mit der Gewissensentscheidung des Einzelnen konfligieren, gebührt letztere der Vorrang, sofern diese nicht gegen Recht und Gesetz verstößt. In diesem Sinne macht auch die Palliativmedizin die Debatte um den ärztlich begleiteten Suizid keineswegs überflüssig, wie erst kürzlich Bettina Schöne-Seifert wieder betonte © 2007 (Quelle: Stern – 08.12.07 >>> http://www.stern.de/politik/panorama/:Pro-+Kontra-Sollen-%C4rzte-Sterbehilfe-/604738.html?p=2&nv=ct_cb ). Es gibt Grenzbereiche zwischen Leben und Tod und diese zu identifizieren ist die höchstpersönliche Entscheidung des Patienten, so dass dieser sich nicht mit seinem individuellen Leid ethisch oder moralisch für einen bewussten Abschied aus dem Leben und für einen schnellen Tod zu rechtfertigen hat. Der 207 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? ärztlich begleitete Suizid in solchen Lebenslagen könnte daher ein humaner Gewinn aus der wohlverstandenen Patientenperspektive sein, ohne dass die Ärzte und Ärztinnen in der einen oder anderen Richtung fremdbestimmt werden. Weder die patientenautonome Entscheidung noch die standesethischen Proklamationen führen zur Fremdbestimmung der Ärzteschaft so wie der Patient seinen Todeszeitpunkt in bestimmten Fällen auch ohne „höhere sittliche Werte“ markieren kann. Wir bedürfen nicht eines wohlmeinenden Paternalismus, sondern vielmehr um einen Schutz gerade vor den Folgen eines derart verstandenen Sendungsbewusstseins der Ethiker, die da meinen, dass das „gelungene“ Sterben nur dann gelungen sei, wenn es auf der Basis einer konsentierten Sozialethik vollzogen wird. Eine individualethische Betrachtungsweise ist vielmehr anbefohlen, denn anderenfalls droht der „Tod“ instrumentalisiert zu werden, auch mit Blick auf ein vermeintliches Gelingen guter palliativmedizinischer Betreuung am Lebensende. Hierbei steht außer Frage, dass die Palliativmedizin insgesamt stärker ins Bewusstsein nicht nur der Gesundheitsökonomen zu rücken ist, aber nicht um den Preis, dass hierdurch die individuellen ethischen Grundentscheidungen der Patienten, die sich in erster Linie als echte Grundrechtsausübung erweisen, nur noch in einem restriktiven Rahmen getroffenen werden können, die den Grundrechtsschutz verkürzen. Das individuelle Sterben bedarf keiner gesellschaftlichen Akzeptanz und noch weniger eines „standesrechtlichen Segens“. So eindeutig der verfassungsrechtliche Befund auch sein mag, entsteht doch in der Öffentlichkeit der Eindruck, als seien diejenigen, die den ärztlich begleiteten ärztlichen Suizid als eine ethische Option werten, Sendboten einer unheilvollen Sterbekultur. Dem ist mitnichten so, denn vielmehr ist das Gegenteil anzunehmen: eine „Sterbekultur“ wird sich immer daran messen lassen müssen, ob diese Freiräume für ein individuelles Sterben ermöglicht. Wenn dies nicht der Fall ist, wird die zentrale Funktion der Grundrechte mit ihren primär individualgrundrechtlichen Bezügen geleugnet und die „Würde“ des Patienten wird zur „kleinen Münze geschlagen“. Der Patient hat sich nicht in den „Dienst“ einer Palliativmedizin zu © 2007 208 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? stellen und tunlichst von Patientenverfügungen keinen Gebrauch zu machen, sondern seine Würde gebietet es, ihm die Regie über seinen Tod zu überlassen. Sofern er dann hierzu der Hilfe bedarf, kann er um sie nachsuchen, ohne dass er bereits im Vorfeld als egozentrisch diskeditiert wird. Sendboten eines neuen medizin-, aber auch rechtsethischen Paternalismus erweisen sich in der Konsequenz als wenig tolerant, glauben diese doch, ein Patentrezept für ein“gelungenes Sterben“ als Abschluss eines mehr oder weniger sinnstiftenden Lebens gefunden zu haben, so dass es ferner darauf ankomme, „Lebensqualität“ in den letzten Stunden, Tagen oder Monaten in Aussicht zu stellen und zu gewähren. Für manchen Patienten mag die „Lebensqualität“ in einem „schnellen Tod“ bestehen, so dass die Qualität seines (!) Sterbens im Mittelpunkt seines Interesses und seiner Wünsche steht. Warum – so wird zu fragen sein – wollen wir diesen Patienten in bestimmten Situationen den ärztlich begleiteten Suizid vorenthalten? Enttabuisierung ist gefordert und nicht, wie zu befürchten ansteht, eine neue Mystifizierung über das humane Sterben und den vermeintlich ethischen vertretbaren, weil gesellschaftlich konsentierten und akzeptierten Tod. Der Patient muss nicht Schmerzen erfahren, um die Freiheit zu kosten, sondern er hat durchaus die Freiheit, individuell seinem Leben die Grenzen zu setzen. Ihm darf die Freiheit und damit die Regie über sein Sterben nicht deshalb versagt werden, weil etwa im Rahmen des sog. Last-Diskurses nicht selten die Befürchtung gehegt wird, dass er im wahrsten Sinne des Wortes Anderen nicht zur Last fallen möge, denn der Last-Diskurs dient lediglich dazu, einer Sozialethik das Wort zu reden, in der sich dann die individuellen Entscheidung des Patienten um der scheinbaren Bedeutung höhere Ziele und ethischer Werte unterzuordnen hätte. Nicht die Revitalisierung einer konservativen Wertekultur christlicher Prägung ist das Gebot der Stunde, sondern eine pragmatische Individualethik, die eben ein individuelles Sterben im säkularen Verfassungsstaat erlaubt. Wenn schon die „gezielte Tötung auf Nichtverlangen“ eine ethisch vertretbare Option sein soll – dies der Kern in der Debatte um den Abschuss eines Passagierflugzeugs mag jemand erklären, weshalb der ärztlich begleiteten Suizid als © 2007 209 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Ausdruck einer wohlverstandenen Humanität moralisch verwerflich sein soll? So wie der Fluggast hat sich auch der Patient mit Blick auf seinen individuellen Tod nicht in den zweifelhaften Dienst einer Sozialethik zu stellen, zumal die Würde des Menschen unantastbar ist, es sei denn, der einzelne Grundrechtsträger disponiert über sein Leben. Die mangelnde Bereitschaft der Bereichsethiker, einen ärztlich begleiteten Suizid zu akzeptieren, wiegt um so schwerer, als dass es scheinbar um übergeordnete und unverrückbare Werte gehe, die der Verfügungsgewalt und – befugnis des Individuums entzogen seien: die Konsequenz ist unübersehbar, denn der Patient wird zum Objekt einer bereichsspezifischen Ethik, die den subjektivrechtlichen Kern seiner Selbstbestimmtheit leugnet, ja sogar leugnen muss. Dies deshalb, weil die Bereichsethiker im Begriff sind, moralische Werte mit einem Grad an Allgemeinverbindlichkeit zu versehen, zumal es nur dann es möglich ist, das Individuum mit einem strikten ethischen und moralischen Befehl zu binden. Berufsständische Kammern leben uns einstweilen vor, wie ein „einheitliches (?) Gewissen“ etwa der Ärzteschaft produziert werden kann und es wird die permanente Botschaft ausgegeben, dass die „Ärzteschaft gegen aktive Sterbehilfe“ sei. Sie ist es wohl nicht und die ständige Proklamation ethischer Grundwerte dient allenfalls dem Ziel, einen berufsständischen (aber letztlich nicht legitimierten) Konsens vorzutäuschen, ohne hier Arglist unterstellen zu wollen. Das dieser nicht vorhandene Konsens innerhalb der Ärzteschaft allerdings aus der Sicht der Funktionäre einer Absicherung bedarf, zeigt uns u.a. der Blick in die ärztliche MBO und die dazu ergangenen Interpretations- und Entscheidungshilfen. Bedarf der einzelne Arzt oder die Ärztin einer ethischen Zwangsverpflichtung durch ihre berufsständischen Kammern, zumal wenn die ethischen Proklamationen sich im Zweifel nicht mit ihrer individuellen Gewissensentscheidung decken? Wenn dem so ist, bleibt die Ärzteschaft aufgerufen, sich den berühmten ersten Facharztbeschluss des Bundesverfassungsgerichts in Erinnerung zu rufen. © 2007 210 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Sterbehilfe und der ethische Verkündungsauftrag Bundesärztekammer – der unmündige Arzt? der Der BÄK-Präsident Hoppe hat erneut Pläne zu einer gesetzlichen Regelung zu Patientenverfügung zurückgewiesen. Eine solche Regelung sei nicht notwendig, sagte er. "Es ist alles klar, es ist nur nicht jedem alles klar." Die BÄK bleibt also ihrer Linie treu und nimmt die Debatte um die Sterbehilfeorganisation Dignitas zum Anlass, zum wiederholten Male davor zu warnen, den ärztlich begleiteten Suizid im Strafgesetzbuch als nicht strafbare Maßnahme aufzunehmen. Die BÄK führe zurzeit Gespräche mit dem Bundesjustizministerium, den Fraktionen und einzelnen Abgeordneten, berichtete Hoppe. Quelle: Ärzte Zeitung online (26.11.07) Kurze Anmerkung (L. Barth): In der Tat ist „alles klar“, aber der BÄK scheint nicht klar zu sein, dass aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten folgend ggf. der ärztlich begleitete Suizid eine verfassungsrechtlich vertretbare Option aus der Perspektive des Patienten sein kann. Zu fragen ist also, ob der Gesetzgeber die prinzipielle Möglichkeit hierzu einräumen will oder ob er dem berufsethischen Votum der BÄK zu folgen gedenkt. Das dem Gesetzgeber diesbezüglich ein Ermessensspielraum einzuräumen ist, dürfte evident sein, wenngleich bei einer strikten individualrechtlichen Sichtweise, die beim selbstbestimmten Tod zuvörderst zum Tragen kommt, die Ermessensspielräume durchaus als eng zu bezeichnen sind. Der Patient bedarf nicht einer ethischen Legitimation zum Sterben und er hat durchaus das Recht, entgegen mancher Rechtsauffassungen zu den Voraussetzungen des Selbstbestimmungsrecht auf „ethisch qualifizierte © 2007 211 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Entscheidungswege“ zu verzichten. Sein Abschied aus dem Leben mag der Patient individualethisch verantworten, ohne dass er gehalten ist, einer wie auch immer gearteten Sozialethik eines vermeintlich vertretbaren ethischen Todes zu folgen. Die zentrale kulturelle Bedeutung des Rechts (auf den selbstbestimmten Tod) liegt entgegen der Auffassung etwa von Student und Klie gerade in der Anwendung des Rechts mit Blick auf den Einzelfall, denn Grundrechte sind und bleiben zuvörderst individuelle Rechte und der Patient ist nicht aufgefordert, seine individuelle Patientenverfügung an den moralischen Werten unserer Gesellschaft auszurichten. Die „herrschende Moral“ der Gesellschaft wird es aushalten müssen, dass Mitglieder unserer Gesellschaft sich für andere vertretbare und vor allem verfassungsrechtlich gebotene Handlungsoptionen entscheiden. Moralische und ethische Glaubensbekenntnisse mögen legitim sein, aber es sind eben nur Stimmen unter vielen. Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber wird dies bei seiner geplanten gesetzlichen Regelung zur Patientenverfügung zu berücksichtigen haben - eine Regelung, die entgegen der Auffassung der BÄK und mancher Medizinethiker dringender denn je ist. Hieran ändert sich auch nichts, wenn die BÄK wohl demnächst in einem handbaren und jederzeit griffbereiten Format ein Faltblatt herauszugeben denkt, in dem die Grundsätze der ärztlichen Sterbebegleitung und die Empfehlungen zum Umgang mit Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen enthalten sind. Der Gesetzgeber ist aufgrund seines Schutzauftrages und des Vorbehalts des Gesetzes dazu verpflichtet, die wesentlichen Fragen selbst zu regeln. Standesethische Proklamationen ersetzen eine gebotene Regelung und letztlich die individuelle Gewissensentscheidung des Arztes oder Ärztin nicht! Dieser Befund mag für die BÄK unangenehm sein, aber bei der Frage nach der Sterbehilfe lässt sich keine standesethische Grundsatzposition verordnen, denen die Ärzteschaft verpflichtet wäre, zumal der mündige Patient eines „mündigen Arztes und einer Ärztin“ als Gesprächspartner bedarf, die frei von (ethischer und moralisierender) Fremdbestimmung sind. Der Verkündungsauftrag der BÄK hat also durchaus auch seine © 2007 212 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Grenzen und diese ergeben sich aus der Verfassung, was nicht „allen klar zu sein scheint“. Beiträge zur Sterbehilfedebatte im Deutschen Ärzteblatt Fortführung der Dokumentation ab 01.01.2005 und weitere Beiträge und Links zur Sterbehilfe und Sterbebegleitung Das Deutsche Ärzteblatt hatte sich unlängst dazu entschlossen, die „Grundsätze zur Sterbebegleitung“ aus dem Jahr 1998 und aus dem Jahr 2004 der BÄK in einem neuen Internetdossier zu veröffentlichen. Darin sind auch zahlreiche weitere Dokumente wie die „Handreichungen für Ärzte zum Umgang mit Patientenverfügungen“ der Bundesärztekammer, Muster für Patientenverfügungen sowie das niederländische und belgische Euthanasiegesetz abrufbar. Außerdem können sämtliche Beiträge zum Thema Sterbehilfe, aber auch zur Sterbebegleitung und Palliativmedizin heruntergeladen werden, die seit Heft 39/1998 bis 2004 erschienen sind. © 2007 Dokumentation Sterbehilfe » Beiträge aus 1998 (PDF-Datei 72 KB) » Beiträge aus 1999 (PDF-Datei 92 KB) » Beiträge aus 2000 (PDF-Datei 178 KB) » Beiträge aus 2001 (PDF-Datei 202 KB) » Beiträge aus 2002 (PDF-Datei 129 KB) » Beiträge aus 2003 (PDF-Datei 189 KB) » Beiträge aus 2004 (PDF-Datei 129 KB) 213 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Hinweis: In den Jahresdokumentationen sind die einzelnen Beiträge bereits enthalten! Quelle: Deutsche Ärzteblatt >>> zum Internetdossier <<< In Anbetracht der aktuellen Diskussion und der angekündigten Gesetzesinitiative zum Recht der Patientenverfügung möchten wir hier auf die weiteren Beiträge im Deutschen Ärzteblatt ab 2005 bis einschließlich 11. März 2007 hinweisen. Die Beitragssuche wurde am 11.03.2007 im Archiv unter dem Stichwort „Sterbehilfe“ vorgenommen. Zu den Beiträgen gelangen Sie über den jeweiligen Link entweder im HTML oder PDL Format. Nach der Dokumentation der Einzelbeiträge zur Sterbehilfe Problematik aus dem Deutschen Ärzteblatt finden Sie weitere Literaturverweise bzw. Querverweise, die von besonderem Interesse sein könnten. Hierbei handelt es sich überwiegend um Links zu rechtlichen Beiträgen. Eine vollständige Dokumentation ist freilich nicht beabsichtigt! Ihr Lutz Barth – IQB (März 2007) © 2007 Das Deutsche Ärzteblatt Beiträge aus 2005 1. Richter-Kuhlmann, Eva A. Bioethik: Kompromiss ohne große Hürden Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 48 vom 02.12.2005, Seite A-3303 / B-2793 / C-2613 HTML PDF 214 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? POLITIK Ethik; Sterbebegleitung; Bundesregierung; Embryonenforschung; Stammzelltherapie; Koalitionsvereinbarung 2. Fuchs, Udo Sterbehilfe: Zeit für Reformen Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 45 vom 11.11.2005, Seite A-3090 / B-2613 / C-2453 BRIEFE Schweiz; Ethik; Sterbehilfe; Dignitas HTML PDF 3. Baum, Matthias Sterbehilfe: Hilfe bei Suizid Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 45 vom 11.11.2005, Seite A-3090 / B-2613 / C-2453 BRIEFE Schweiz; Ethik; Sterbehilfe; Dignitas HTML PDF 4. Hibbeler, Birgit Aktive Sterbehilfe: Je nachdem, wie man fragt Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 43 vom 28.10.2005, Seite A-2897 / B-2449 / C-2309 AKTUELL Sterbehilfe; Umfrage; Emnid-Institut; Palliativmedizin HTML PDF © 2007 5. Hibbeler, Birgit Das Porträt: Dr. med. Michael de Ridder – Den Finger in die Wunden legen Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 43 vom 28.10.2005, Seite A-2912 / B-2464 / C-2319 POLITIK Rettungsdienst; Arztberuf; Biografie 6. Klinkhammer, Gisela HTML 215 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Kinderhospiztage: Begleitung für Familien Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 43 vom 28.10.2005, Seite A-2916 / B-2466 / C-2321 POLITIK Ethik; Sterbebegleitung; Palliativmedizin; Pädiatrische Erkrankung; Hospiz PDF 7. KNA Großbritannien: Liberalisierung der Sterbehilfe Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 42 vom 21.10.2005, Seite A-2825 / B-2389 / C-2253 AKTUELL Sterbehilfe; Großbritannien; Euthanasie-Gesetz HTML PDF 8. Stüwe, Heinz Jörg-Dietrich Hoppe 65 Jahre: Aufrecht, fair, gelassen Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 42 vom 21.10.2005, Seite A-2831 / B-2393 / C-2257 POLITIK Biografie HTML PDF 9. Morlock, Ulrich Sterbehilfe: Erhaltung des Lebens als immer geltende Regel Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 41 vom 14.10.2005, Seite A-2776 / B-2342 / C-2210 BRIEFE Therapieabbruch; Ethik; Sterbehilfe; Wachkoma HTML PDF © 2007 10. Gieselmann, Winfrid Sterbehilfe: Versteckte Botschaft Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 41 vom 14.10.2005, Seite A-2776 / B-2342 / C-2210 BRIEFE HTML PDF 216 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Therapieabbruch; Ethik; Sterbehilfe; Wachkoma 11. Engelhardt, Karlheinz Sterbehilfe: Ethische Verwirrung Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 41 vom 14.10.2005, Seite A-2777 BRIEFE Therapieabbruch; Ethik; Sterbehilfe; Wachkoma HTML PDF 12. Hutzel, Anna Sterbehilfe: Humaner Mittelweg Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 41 vom 14.10.2005, Seite A-2778 BRIEFE Therapieabbruch; Ethik; Sterbehilfe; Wachkoma HTML PDF 13. Payk, Theo R. Töten aus Mitleid? Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 41 vom 14.10.2005, Seite A-2781 / B-2346 / C-2214 BÜCHER Sterbehilfe HTML PDF 14. Klinkhammer, Gisela Sterbehilfe: Reise in die Schweiz Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 40 vom 07.10.2005, Seite A-2661 / B-2249 / C-2125 SEITE EINS Schweiz; Ethik; Sterbehilfe; Dignitas HTML PDF 15. Voss, Leo Hochschulen: Besser als der deutsche Medizinerdurchschnitt Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 38 vom 23.09.2005, Seite A-2546 / B-2149 / C-2028 BRIEFE HTML PDF © 2007 217 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Ärztliche Ausbildung; Wissenschaftsrat; Hochschulmedizin; Universität Witten/Herdecke 16. Richter-Kuhlmann, Eva A.; Klinkhammer, Gisela Bioethik: Noch nicht ausdiskutiert Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 37 vom 16.09.2005, Seite A-2435 / B-2051 / C-1941 POLITIK Ethik; Patientenverfügung; Embryonenforschung; Wahlkampf; Stammzelltherapie; Bundestagswahl HTML PDF 17. Wiesemann, Claudia; Biller-Andorno, Nikola Medizinethik. Für die neue AO Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 37 vom 16.09.2005, Seite A-2467 BÜCHER Ethik; Approbationsordnung HTML PDF 18. Richter-Kuhlmann, Eva A. Prozess um Sterbebegleitung: Ärztin muss vor Gericht Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 33 vom 19.08.2005, Seite A-2197 / B-1857 / C-1757 SEITE EINS Sterbehilfe; Palliativmedizin; Strafverfolgung HTML PDF 19. Klinkhammer, Gisela Euthanasie: Töten ist keine ärztliche Aufgabe Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 33 vom 19.08.2005, Seite A-2212 / B-1869 / C-1769 POLITIK Ethik; Sterbehilfe; Sterbebegleitung; Palliativmedizin; Europäischer Vergleich HTML PDF 20. Strätling, Meinolfus; Schmucker, Peter; Bartmann, Franz-Joseph HTML PDF © 2007 218 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Künstliche Ernährung: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 31-32 vom 08.08.2005, Seite A-2153 / B-1814 / C-1718 THEMEN DER ZEIT Bundesgesundheitsministerium; Künstliche Ernährung; Sondenernährung; Indikation; Selbstbestimmungsrecht Literatur 21. Beine, Karl H.; Böttger-Kessler, Grit Brisantes Forschungsprojekt: Sterbehilfe bei Menschen im Wachkoma? Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 30 vom 29.07.2005, Seite A-2082 / B-1756 / C-1660 THEMEN DER ZEIT Therapieabbruch; Sterbehilfe; Wachkoma; Umfrage; Universität Witten/Herdecke HTML PDF 22. Richter-Kuhlmann, Eva A. Palliativmedizin: Geld und Gesetz Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 27 vom 08.07.2005, Seite A-1917 / B-1621 / C-1525 SEITE EINS Sterbebegleitung; Palliativmedizin; Häusliche Pflege; Finanzierung; Enquetekommission HTML PDF 23. Wiesenberg, Christa; Novelle, S. Maria delle Buone Sterbehilfe: Leben und Tod verdienen Würdigung Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 25 vom 24.06.2005, Seite A-1804 / B-1521 / C-1437 BRIEFE Sterbehilfe; Deutscher Ärztetag HTML PDF 24. Schlegel, Ernst Sterbehilfe: Unsere „Staatsmoral“ ist fragwürdig HTML PDF © 2007 219 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 25 vom 24.06.2005, Seite A-1804 / B-1521 / C-1437 BRIEFE Sterbehilfe; Deutscher Ärztetag 25. Richter-Kuhlmann, Eva A. Patientenverfügungen: Vorrang der Autonomie Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 23 vom 10.06.2005, Seite A-1633 / B-1373 / C-1295 POLITIK Patientenverfügung; Selbstbestimmungsrecht; Ethikrat; Enquetekommission HTML PDF Zusatzinfo 26. Bennewitz, Klaus Terri Schiavo: Selbstbestimmung Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 23 vom 10.06.2005, Seite A-1660 / B-1394 / C-1315 BRIEFE Ethik; Sterbehilfe HTML PDF 27. Overdick-Gulden, Maria Terri Schiavo: Aktive Euthanasie Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 23 vom 10.06.2005, Seite A-1661 BRIEFE Ethik; Sterbehilfe HTML PDF © 2007 28. Merten, Martina Der Patient als Partner: Einen Schritt weiter Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 22 vom 03.06.2005, Seite A-1560 / B-1310 / C-1236 POLITIK Modellprojekt; Bundesgesundheitsministerium; Arzt-Patienten-Beziehung; Forschungsförderung HTML PDF 29. ps HTML 220 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Belgien: Sterbehilfe bei Neugeborenen Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 19 vom 13.05.2005, Seite A-1321 / B-1109 / C-1049 AKTUELL Sterbehilfe; Perinatalmedizin; Belgien PDF 30. Klinkhammer, Gisela Sterbehilfe: Keine aktive Euthanasie Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 19 vom 13.05.2005, Seite A-1327 / B-1113 / C-1053 POLITIK: Deutscher Ärztetag Ethik; Patientenverfügung; Sterbehilfe; Sterbebegleitung; Deutscher Ärztetag HTML PDF 31. Hibbeler, Birgit Lebensqualität: Briefe aus der Hölle Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 18 vom 06.05.2005, Seite A-1299 / B-1090 / C-1032 VARIA: Feuilleton Lebensqualität; Sterbehilfe; Kinofilm; Biofeedback HTML PDF 32. Jachertz, Norbert; Klinkhammer, Gisela; RichterKuhlmann, Eva A. Betreuungsrecht: Mutmaßlicher Wille, weitreichende Folgen Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 17 vom 29.04.2005, Seite A-1193 / B-996 / C-940 THEMEN DER ZEIT Ethik; Patientenverfügung; Sterbebegleitung; Selbstbestimmungsrecht; Betreuungsrecht HTML PDF 33. Hoppe, Jörg-Dietrich Standpunkt: Sterbehilfe Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 15 vom 15.04.2005, Seite A-1084 / B-912 / C-860 STATUS HTML PDF © 2007 221 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Sterbehilfe; Suizid 34. Klinkhammer, Gisela Lexikon: Sterbehilfe PP 4, Ausgabe April 2005, Seite 168 BRIEFE Ethik; Sterbehilfe HTML PDF 35. Roller, Susanne Sterbehilfe: Missverständlich Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 14 vom 08.04.2005, Seite A-970 / B-818 / C-765 BRIEFE Sterbehilfe; Sterbebegleitung HTML PDF 36. Schubert, Barbara Sterbebegleitung: Erwiderung! Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 13 vom 01.04.2005, Seite A-899 / B-757 / C-708 BRIEFE Sterbehilfe; Sterbebegleitung HTML PDF 37. Schott, H. Medizingeschichte(n): Euthanasie – „Ballastexistenzen“ Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 12 vom 25.03.2005, Seite A-833 / B-703 / C-656 MEDIZIN Nationalsozialismus; Medizingeschichte HTML PDF 38. Richter-Kuhlmann, Eva A. Patientenverfügungen: Zypries’ Rückzug Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 9 vom 04.03.2005, Seite A-550 / B-468 / C-435 POLITIK: Kommentar Ethik; Patientenverfügung; HTML PDF © 2007 222 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Selbstbestimmungsrecht; Bundesjustizministerium 39. Richter, Joachim Niederlande: Weltweiter Protest fehlt! Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 9 vom 04.03.2005, Seite A-576 / B-484 / C-452 BRIEFE Sterbehilfe; Schwangerschaftsabbruch; Niederlande HTML PDF 40. Second International Conference – Clinical Ethics Consultation Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 9 vom 04.03.2005, Seite A-611 / B-515 / C-483 BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER: Bundesärztekammer Fortbildungsseminar HTML PDF 41. Hölscher, Wolfgang Sterbebegleitung: Ablehnung der aktiven Sterbehilfe Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 6 vom 11.02.2005, Seite A-350 / B-288 / C-271 BRIEFE Sterbehilfe; Sterbebegleitung HTML PDF 42. Klinkhammer, Gisela Niederlande: Sterbehilfe an Säuglingen PP 4, Ausgabe Februar 2005, Seite 53 NACHRICHTEN Ethik; Sterbehilfe; Niederlande; EuthanasieGesetz HTML PDF Zusatzinfo 43. Klinkhammer, Gisela Niederlande: Sterbehilfe an Säuglingen Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 5 vom HTML PDF Zusatzinfo © 2007 223 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? 04.02.2005, Seite A-241 / B-201 / C-189 AKTUELL Ethik; Sterbehilfe; Niederlande; EuthanasieGesetz 44. Klinkhammer, Gisela Lexikon: Sterbehilfe Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 5 vom 04.02.2005, Seite A-312 / B-260 / C-244 STATUS Ethik; Sterbehilfe HTML PDF 45. Jachertz, Norbert Gesundheits- und Sozialpolitik: Redaktion im Gespräch Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 1-2 vom 10.01.2005, Seite A-16 / B-13 / C-12 POLITIK Gesundheitsreform; Selbstverwaltung; Krankenhausarzt; Deutsches Ärzteblatt; Arbeitsbedingung; Medizinisches Versorgungszentrum; Integrierte Versorgung; Ärztlicher Kreisverband Regensburg HTML PDF 46. Spielberg, Petra Sterbehilfe: Heikle Forderungen Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 1-2 vom 10.01.2005, Seite A-28 / B-20 / C-19 POLITIK Ethik; Sterbehilfe; Europarat; Ständiger Ausschuss der Europäischen Ärzte; Selbstbestimmungsrecht HTML PDF 47. Thilenius, Dietmut Marburger Bund: Unärztliches Handeln Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 1-2 vom HTML PDF © 2007 224 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? 10.01.2005, Seite A-38 / B-29 / C-27 BRIEFE Sterbebegleitung; Marburger Bund; Selbstbestimmungsrecht Beiträge aus 2006 1. Klinkhammer, Gisela Grenzen ärztlichen Handelns am Ende des Lebens: Sterben ist nicht normierbar Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 48 vom 01.12.2006, Seite A-3219 / B-2803 / C-2686 POLITIK Symposium; Ethik; Patientenverfügung; Sterbehilfe; Palliativmedizin; Ärztliches Handeln HTML PDF 2. Bickhardt, Jürgen Juristentag: Wo der Konsens endet Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 48 vom 01.12.2006, Seite A-3248 BRIEFE Sterbehilfe; Selbstbestimmungsrecht; Deutscher Juristentag HTML PDF 3. Hasler, Ulrich Nationaler Ethikrat: Vorschläge nicht genug praxisbezogen Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 44 vom 03.11.2006, Seite A-2933 / B-2554 / C-2456 BRIEFE Sterbebegleitung; Künstliche Ernährung; Ethikrat HTML PDF 4. Arens, Christoph; KNA Deutscher Juristentag: Patientenverfügungen als HTML PDF © 2007 225 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? verbindlich anerkennen Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 39 vom 29.09.2006, Seite A-2518 / B-2182 / C-2104 POLITIK Patientenverfügung; Sterbehilfe; Selbstbestimmungsrecht; Suizid; Deutscher Juristentag 5. In Kürze Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 37 vom 15.09.2006, Seite A-2379 / B-2063 / C-1984 MEDIEN HTML PDF 6. Preuß, Kay Medizinische Indikation und Patientenwille: Zwischen den Stühlen Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 33 vom 18.08.2006, Seite A-2161 / B-1865 / C-1803 THEMEN DER ZEIT Stationäre Versorgung; Patientenverfügung; ArztPatienten-Beziehung; Kasuistik; Indikation; Selbstbestimmungsrecht HTML PDF 7. Rabbata, Samir Nationaler Ethikrat: Expertenstreit um Sterbehilfe Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 30 vom 28.07.2006, Seite A-2008 / B-1726 / C-1670 POLITIK Ethik; Sterbehilfe; Sterbebegleitung; Suizid; Ethikrat HTML PDF Zusatzinfo © 2007 8. Klinkhammer, Gisela Sterbehilfe: Zuwendung erfahren Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 22 vom 02.06.2006, Seite A-1526 / B-1300 / C-1252 POLITIK: Deutscher Ärztetag HTML PDF 226 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Ethik; Sterbehilfe; Sterbebegleitung; Palliativmedizin; Deutscher Ärztetag 9. Entschließungen zum Tagesordnungspunkt VII: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 22 vom 02.06.2006, Seite A-1540 / B-1314 / C-12664 DOKUMENTATION: Deutscher Ärztetag Schutzimpfung; Bundesärztekammer; Prävention; Pflegebedürftigkeit; Arzt-Patienten-Beziehung; Tätigkeitsbericht; Genitalverstümmelung; Protest; Deutscher Ärztetag; Entschließung; Zwangstherapie; Katastrophenschutz; IGELLeistung; Disease Management; Gesundheitstelematik; Versorgungsforschung HTML PDF 10. EB Sterbehilfe: Aufklären und informieren Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 21 vom 26.05.2006, Seite A-1412 / B-1206 / C-1158 MEDIEN Sterbehilfe; Internet; Ärztekammer Niedersachsen HTML PDF 11. Rabbata, Samir Patientenverfügungen: Zypries mahnt zur Eile Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 21 vom 26.05.2006, Seite A-1430 / B-1219 / C-1171 POLITIK Ethik; Patientenverfügung; Sterbebegleitung; Selbstbestimmungsrecht; Bundesjustizministerium; Hauptstadtkongress HTML PDF 12. Kardinal Lehmann wurde 70: Gegen Embryonenforschung und aktive Sterbehilfe Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 21 vom 26.05.2006, Seite A-1478 / B-1262 / C-1214 HTML PDF © 2007 227 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? VARIA: Personalien Ethik; Katholische Kirche; Biografie 13. Tolmein, Oliver Keiner stirbt für sich allein Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 19 vom 12.05.2006, Seite A-1292 / B-1098 / C-1058 BÜCHER Sterbebegleitung; Selbstbestimmungsrecht HTML PDF 14. Rabbata, Samir Medizinethik: Dialog der Kulturen Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 18 vom 05.05.2006, Seite A-1187 / B-1007 / C-971 POLITIK Symposium; Ethik; Kassenärztliche Vereinigung Berlin; Embryonenforschung; Globalisierung; Menschenwürde HTML PDF 15. Kick, Hermes Andreas Die Rolle von Patienten und Kunden: Ethische Verantwortung des Therapeuten Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 18 vom 05.05.2006, Seite A-1206 / B-1021 / C-984 THEMEN DER ZEIT Ethik; Arzt-Patienten-Beziehung; Ressourcenverteilung; Ärztliches Handeln; Marketing HTML PDF Literatur © 2007 16. Unschuld, Paul U. Geschichte der Medizin: Der Patient als Leidender und Kunde Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 17 vom 28.04.2006, Seite A-1136 / B-959 / C-925 THEMEN DER ZEIT Symposium; Arztberuf; Medizingeschichte; Arzt- HTML PDF 228 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Patienten-Beziehung; Medizinische Notwendigkeit 17. Helmchen, Hanfried; Kanowski, Siegfried; Lauter, Hans Ethik in der Altersmedizin Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 17 vom 28.04.2006, Seite A-1144 / B-967 / C-932 BÜCHER Ethik; Geriatrie HTML PDF 18. Verleihungen Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 16 vom 21.04.2006, Seite A-1098 / B-930 / C-898 VARIA: Preise Vincenz-Czerny-Preis; APO-Bank; Scharrer-Preis HTML PDF 19. SR/kna Bundesrat: „Ethische Schieflage“ Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 15 vom 14.04.2006, Seite A-969 / B-821 / C-793 AKTUELL Bundesrat; Ethik; Sterbehilfe; Suizid HTML PDF 20. Reindl, Tobias Kajetan Kinderonkologie: Lebensqualität in der verbleibenden Zeit Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 15 vom 14.04.2006, Seite A-995 / B-841 / C-812 THEMEN DER ZEIT Lebensqualität; Krebs im Kindesalter; Palliativmedizin; Pädiatrische Erkrankung; Onkologische Versorgung; Hospiz HTML PDF 21. Klinkhammer, Gisela Palliativmedizin: Herausforderungen für eine junge Sparte HTML PDF © 2007 229 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 13 vom 31.03.2006, Seite A-826 / B-706 / C-682 POLITIK Symposium; Ethik; Patientenverfügung; Sterbebegleitung; Palliativmedizin; Selbstbestimmungsrecht 22. Fege, Jürgen Leitbilder: Christliche Werte pflegen Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 12 vom 24.03.2006, Seite A-770 / B-651 / C-631 BRIEFE Ethik; Arzt-Patienten-Beziehung; Ärztliches Handeln HTML PDF 23. Klinkhammer, Gisela Aktive Sterbehilfe: Straffreiheit gefordert Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 6 vom 10.02.2006, Seite A-300 / B-264 / C-252 AKTUELL Ethik; Sterbehilfe HTML PDF 24. Klinkhammer, Gisela Deutsche Hospiz Stiftung: Menschliche Zuwendung Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 1-2 vom 09.01.2006, Seite A-14 / B-11 / C-11 POLITIK Ethik; Sterbebegleitung; Palliativmedizin; Hospiz; Deutsche Hospiz-Stiftung HTML PDF 25. Hamm, Margret Lebensunwert zerstörte Leben. Zwangssterilisation und „Euthanasie“ Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 1-2 vom HTML PDF © 2007 230 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? 09.01.2006, Seite A-39 BÜCHER Nationalsozialismus; Zwangssterilisation Beiträge aus 2007 1. Klinkhammer, Gisela HTML Medizinrechtliche Probleme am Ende des lebens: Der PDF Wunsch nach einem „natürlichen“ Tod Deutsches Ärzteblatt 104, Ausgabe 10 vom 09.03.2007, Seite A-630 THEMEN DER ZEIT 2. Klinkhammer, Gisela Interview mit Prof. Dr. med. Gian Domenico Borasio: „Ohne Dialog gibt es keine guten Entscheidungen“ Deutsches Ärzteblatt 104, Ausgabe 5 vom 02.02.2007, Seite A-224 / B-204 / C-200 POLITIK: Das Interview Ethik; Patientenverfügung; Sterbehilfe; Palliativmedizin; Selbstbestimmungsrecht HTML PDF 3. Eggert Beleites † – Differenziert im Denken, entschieden HTML im Handeln PDF Deutsches Ärzteblatt 104, Ausgabe 3 vom 19.01.2007, Seite A-134 / B-123 / C-119 PERSONALIEN Nekrolog © 2007 Überwiegend juristische Beiträge 231 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Mit Blick auf die rechtlichen Probleme und Fragestellungen finden Sie einen sehr guten Überblick in der fortlaufenden Literaturauswertung des Instituts für Gesundheits- und Medizinrecht (IGMR) mit Sitz in Bremen unter der Rubrik „Sterbehilfe“ und „Ethik“. >>> Literaturauswertung 2006 <<< >>> Literaturauswertung 2005 <<< >>> Literaturauswertung 2004 <<< >>> Literaturauswertung 2003 <<< >>> Literaturauswertung 2002 <<< >>> Literaturauswertung 2001 <<< >>> Literaturauswertung 2000 <<< >>> Literaturauswertung bis 1999 <<< Speziell zur Judikatur in der Bundesrepublik Auf der Internetseite der Forschungsstelle für das Recht des Gesundheitswesens der Universität zu Köln finden Sie eine umfassende Auswahl der Rechtsprechung aus alle Instanzen zur „Sterbebegleitung“ >>> Zur Internetseite der Forschungsstelle <<< © 2007 Auf folgende Einzelpublikationen und Expertisen neueren Datums darf hier hingewiesen werden: Rechtsgutachten: "Strafrechtliche Aspekte der SuizidBegleitung in Deutschland" von RA Wolfgang Putz 232 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Einleitung (PDF-Datei*, 32 KB) Volltext (PDF-Datei*, 418 KB) Quelle: DGHS 13. Juli 2006 Der Nationale Ethikrat legt seine Stellungnahme „Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende" vor online lesen | Druckversion Quelle: Pressemitteilung Nationaler Ethikrat Nr. 03(2006) Schmerz und Leid in der Palliativmedizin Religionsphilosophische Grenzen der Palliativmedizin? (openPR) - Der Münchener Arzt und Theologe Professor Dr. Matthias Volkenandt hat am ersten niedersächsischen Hospiztag Anfang November letzten Jahres einen vielbeachten Festvortrag mit dem Tenor „Leid tragen“ gehalten. >>> mehr dazu <<< © 2007 Die Gewissensentscheidung: Juristisches Repetitorium für Abgeordnete des Deutschen Bundestages (openPR) - Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten soll in den kommenden Monaten intensiv in den Fraktionen diskutiert werden. Hierbei sollen u.a. die Rechtsfragen mit Blick auf die 233 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Patientenverfügung geklärt und ggf. in einem Gesetz verabschiedet werden.... >>> mehr dazu <<< PEG – Sondenernährung Ethische Grundlagen der Entscheidungsfindung Bedingt durch den medizinischen und technischen Fortschritt ist die enterale Ernährung mit der PEG eine vergleichsweise einfache und komplikationslose Möglichkeit geworden, Patienten auch über einen längeren Zeitraum hinweg mit Nahrung und Flüssigkeit zu versorgen. In diesem Zusammenhang stehend sind Probleme u.a. medizinischer, ernährungs-physiologischer, ethischer, pflegerischer und nicht zuletzt rechtlicher Natur aufgeworfen, die in der Literatur nicht immer einhellig beantwortet werden. Vornehmlich im geriatrischen Bereich wird zunehmend die Frage offen problematisiert, ob die PEG-Sonde den betroffenen Patienten noch einen sog. Nutzen bietet und ob es nicht geboten wäre, die künstliche Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr abzubrechen oder letztlich erst gar nicht zu beginnen. Hierzu möchten wir auf den gleichnamigen Beitrag von Georg Marckmann im Ärzteblatt Baden-Württembergisch 01/2007, S. 23 ff. verweisen. © 2007 >>> http://www.laek-bw.de/arzteblatt/Homepage/aktuell/Ethik.pdf Pleschberger, Sabine "Bloß nicht zur Last fallen!" : Leben und Sterben in Würde aus der Sicht alter Menschen in Pflegeheimen 234 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Dokument 1.pdf (2,316 KB) pdf Quelle: Giessener Elektronische Bibliothek Siehe dazu auch einen kurzen Beitrag v. L. Barth >>> Einige Gedanken zur Dissertation <<< pdf Der Arzt und die Pflegenden - ihr subjektives Recht zum ethischen Ungehorsam versus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten !? Einige Gedanken zum bevorstehenden Kulturkampf um die Würde des Menschen an seinem Lebensende v. Lutz Barth, 17.05.06 >>> zum Beitrag <<< (pdf.) Oliver Tolmein: Keiner stirbt für sich allein Sterbehilfe, Pflegenotstand und das Recht auf Selbstbestimmung; Bertelsmann Verlag, 2006; 255 S., 14,95 € Vgl. dazu auch den Kurzbeitrag v. Elisabeth Wehrmann Der gute Tod ist teuer Wie stirbt es sich in Zeiten der Kostendämpfung? Oliver Tolmein sucht nach der Würde des Sterbens, während Schmerzmittel und Pflegekräfte knapp werden. © 2007 Quelle: DIE ZEIT, 11.01.2007 Nr. 03 >>> zum Beitrag <<< Entscheidungen am Lebensende in der modernen Medizin Ethik, Recht, Ökonomie und Klinik 235 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Die Ergebnisse einer Tagung über ethische Fragen am Lebensende, die im Februar 2006 in der Ruhr-Universität stattgefunden hat, sind nun in diesem Tagungsband zusammengefasst. Herausgeber sind Dr. Jan Schildmann, M.A. und Prof. Dr. med. Dr. phil. Jochen Vollmann vom Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin der RuhrUniversität sowie Dr. Uwe Fahr von der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg. Titelaufnahme Uwe Fahr, Jan Schildmann, Jochen Vollmann (Hg.): Entscheidungen am Lebensende in der modernen Medizin: Ethik, Recht, Ökonomie und Klinik. (=Ethik in der Praxis / Practical Ethics –Kontroversen / Controversies, Bd. 24), LIT VERLAG Münster – Hamburg, ISBN 3-8258-9533-5, 272 S., 29,90 Euro Unter diesem Link finden Sie eine Pressemitteilung zu diesem Thema. Informationen zum Buch als download (PDF) Jochen Taupitz Empfehlen sich zivilrechtliche Regelungen zur Absicherung der Patientenautonomie am Ende des Lebens? © 2007 Gutachten A zum 63. Deutschen Juristentag (Leipzig 2000) Grit Böttger-Kessler Aktive Sterbehilfe bei Wachkoma-Patienten 236 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Die Einstellung von Ärzten und Pflegepersonen zur aktiven Sterbehilfe bei Menschen in Wachkoma Mabuse - Verlag Erscheinungsjahr: 2006 248 Seiten / Preis: EUR 29.00 Bestell-Nr: M-01453 ISBN: 3-938304-53-7 “Die Autorin hat die Einstellungen von ärztlichen und pflegenden Mitarbeitern zur Aktiven Sterbehilfe an Wachkomapatienten untersucht. Über die Hälfte der Befragten votierte für eine Veränderung der Gesetzeslage in Deutschland nach niederländischem Vorbild und damit für die Legalisierung der Aktiven Sterbehilfe. Eine deutliche Mehrheit hielt es unter bestimmten Umständen für gerechtfertigt, das Leben eines Menschen im Wachkoma aktiv zu beenden. Die Befürwortung war jeweils signifikant häufiger bei Untersuchungsteilnehmern, die jünger waren, Berufsanfänger, konfessionslos, mit ihrer beruflichen Situation unzufrieden, aus den neuen Bundesländern stammend oder geschieden.“ Zur Autorin: Grit Böttger-Kessler, geb. 1956, Dr.med., niedergelassen seit 1994 als Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapie in eigener Praxis in Detmold. Quelle: Marbuse-Verlag >>> mehr dazu <<< © 2007 Ulsenheimer Die Patientenverfügung in der Rechtsprechung des BGH Quelle: VDGH >>> zum Beitrag <<< (pdf) 237 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? Linus S. Geisler: Patientenautonomie - eine kritische Begriffsbestimmung. in Deutsche Medizinische Wochenschrift (DMW), März 2004. Quelle: Linus-Geisler.de >>> zum Beitrag <<< (html) Leibl Medizinischer Paternalismus und Patientenautonomie Quelle: AEKSH >>> zum Beitrag <<< (html) Haftungsausschluss Inhalte Die Inhalte der Internetseiten werden sorgfältig geprüft und nach bestem Wissen erstellt. Jedoch kann keinerlei Gewähr für die Korrektheit, Vollständigkeit, Aktualität oder Qualität der bereitgestellten Informationen übernommen werden. Haftungsansprüche gegen das IQB, welche sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung der dargebotenen Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Informationen verursacht wurden sind grundsätzlich ausgeschlossen, sofern auf Seiten des IQB kein nachweislich vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden vorliegt. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wider. © 2007 Wie jede Wissenschaft sind die Medizin, Pharmazie aber auch das Recht ständigen Entwicklungen unterworfen. Gerade im Bereich der Medizin werden die Erkenntnisse durch Forschung und klinische Erfahrung erweitert. Dies gilt vornehmlich auch im Bereich der Diagnostik und Therapie, so auch der medikamentösen Therapie. Soweit auf 238 In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher? dieser Webpräsenz des IQB und der darin enthaltenen Beiträge ein diagnostisches Verfahren, eine Applikation oder eine Dosierung von Pharmaka erwähnt wird, kann vom IQB keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere wird der Nutzer und Leser der Internetseite des IQB und der darin enthaltenen Beiträge nicht von der Verpflichtung befreit, die Indikation zu therapeutischen Interventionen für jeden Patienten sorgfältig abzuwägen. 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