Sterbehilfe - In dubio pro libertate

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IQB
Medizin &. Pflegerecht
§§
Schriftenreihe zum Medizin- und Pflegerecht
___________________________________________________
Sterbehilfe
In dubio pro libertate
Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher oder
öffnen wir ihm die Türen?
Vom „guten, demokratisch legitimierten Sterben“
Von der Instrumentalisierung des „Todes“ und der „Ethik“
Beiträge über die Ethik, das Sterben und die Grenzen der
Selbstbestimmung.
Lutz Barth
2007
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Institut zur Qualifizierung &. Beratung
von Mitarbeitern &. gesundheitseinrichtungen
Medizin-, Pflege- &. Gerontopsychiatrierecht
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Vorwort
In dem aktuellen Wertediskurs über den Grund und die Grenzen
unserer Patientenverfügung ringen wir alle um eine Orientierung.
Es geht hierbei um fundamentale Entscheidungen und neben den
Parteien fühlen sich insbesondere auch Verbände und
Körperschaften des öffentlichen Rechts dazu berufen, uns an ihrer
Sichtweise teilhaben zu lassen.
Nicht immer können wir uns mit den „Lehren“ identifizieren und es
wächst die Sorge, dass unser aller „Sterben“ instrumentalisiert
wird.
Das hier vorgelegte Buch soll in erster Linie mit seinen
Einzelbeiträgen dazu anregen, dass Sie, verehrte Leserinnen und
Leser, sich dem kritischen Dialog gleichsam aus Ihrer
Innenperspektive heraus stellen, ohne dass Sie zwingend einen
Gesprächspartner benötigen.
Der Haupttitel des Kompendiums in dubio pro libertate ist
deshalb gewählt, weil ich Sorge habe, dass wir in unserer
säkularisierten Gesellschaft Gefahr laufen, in einem höchst
individuellen
Freiheitsbereich,
namentlich
unserer
Selbstbestimmung, instrumentalisiert zu werden.
Die Idee, meine einzelnen Beiträge zusammenfassend in einem
Buch vorzustellen, ist einer intensiven Diskussion mit Kollegen und
Freunden geschuldet, die in weiten Teilen eine andere
Rechtsauffassung und Lebensphilosophie vertreten.
Es handelt sich hierbei um Grenzbereiche, in denen nahezu jede
Position vertretbar erscheint und deshalb möchte ich sie durch ihr
Lesestudium einladen, an meinem individuellen Wertediskurs
teilzuhaben und ihn kritisch zu reflektieren.
2
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Hingegen ist nicht beabsichtigt, Sie von meiner Position zu
„überzeugen“: allein Sie tragen für sich selber die hohe
Verantwortung bei einer entsprechenden Wahrnehmung Ihres
Selbstbestimmungsrechts.
Die persönliche Last hierbei wird Ihnen nicht von den Mediziner,
Juristen und etwa der Theologen abgenommen.
Ihr Lutz Barth
Bremerhaven, Dezember 2007
_____________________________________________________
Hinweis:
Alle in diesem Buch veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt.
Das gilt insoweit auch für die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre
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IQB - Lutz Barth, im Dezember 2007
3
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Inhaltsverzeichnis (mit Hyperlinfunktion)
Die „Würde des Menschen“ – eine „kleine Münze“ im Streit um die
Leitprofession bei der Betreuung schwerstkranker Patienten? ................. 6
„Bloß nicht zur Last fallen“ - Leben und Sterben in Würde aus der Sicht
alter Menschen in Pflegeheimen ............................................................. 11
Die Enthaltsamkeit des Gesetzgebers als Ursache für den mangelnden
Grundrechtsschutz in der Arzt-Patienten-Beziehung mit Blick auf die
Patientenverfügung!................................................................................. 25
Frontalangriff auf Vertreter der Ärzteschaft, Kirchen, Parteien und
Regierungen! ........................................................................................... 42
Sendboten einer neuen Sterbekultur und die Funktion des Strafrechts ?
................................................................................................................. 49
Der Arzt und die Pflegenden - ihr subjektives Recht zum ethischen
Ungehorsam versus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten !?.... 53
Sterbehilfe und Paternalismus Das Selbstbestimmungsrecht des
Patienten.................................................................................................. 79
Das „Recht des Komapatienten auf den eigenen Tod“ versus der
Gewissensentscheidung der Ärzte und Pflegemitarbeiter ?.................... 89
Das „Sterbenlassen“ einer Wachkoma-Patientin - Gebührt nicht auch der
katholischen Einrichtung Respekt und Toleranz vor der
Gewissensentscheidung?!.....................................................................117
Gibt es gute Gründe gegen Assistenz beim Suizid und aktive Sterbehilfe?
...............................................................................................................126
Selbstbestimmtes Sterben in Würde – eine Utopie? Die ärztliche
Standesethik als Grundrechtsschranke?...............................................131
Ethischer (ärztlicher) Paternalismus vs. Autonomie des Patienten Patientenverfügungen: Kein „Sterben in Würde“?.................................143
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In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Die „Leitkultur“ (der CDU) als Grundrechtsschranke?...........................146
Freiburger Appell der Herren Th. Klie und Chr. Student – Cave
Patientenverfügung................................................................................149
Kardinal Lehmann zur Sterbehilfe: Dem Leiden nicht ausweichen .......151
Cave Patientenverfügung - Grenzen der palliativmedizinischen Ethik!.153
Der ärztlich assistierte Suizid – eine ethisch vertretbare Option? .........161
Unseliger Papst –Tod? Die künstliche Ernährung und die katholische
Glaubenslehre .......................................................................................163
Nochmals: Patientenverfügung und Sterbewille - Grenzen eines
drohenden (palliativ)medizinethischen Paternalismus – oder: in dubio pro
libertate! .................................................................................................178
Beistand für Sterbende – ist § 16 MBO-Ä noch zeit- und
verfassungsgemäss?.............................................................................205
Sterbehilfe und der ethische Verkündungsauftrag der
Bundesärztekammer – der unmündige Arzt? ........................................211
Beiträge zur Sterbehilfedebatte im Deutschen Ärzteblatt -Fortführung der
Dokumentation ab 01.01.2005 ..............................................................213
5
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Die „Würde des Menschen“ – eine „kleine Münze“ im Streit
um die Leitprofession bei der Betreuung schwerstkranker
Patienten?
Es scheint, dass sich unsere Gesellschaft nicht nur in einem
tiefgreifenden Wandel befindet, in der das Recht auf Gesundheit
zur Disposition gestellt wird, sondern dass vielmehr der Weg für
eine anthropologische (Neu)Orientierung geebnet und mit aller
Konsequenz beschritten wird.
Im Zeitalter des „medizinisch Machbaren“ wird nicht selten die
„Würde des Menschen“ und das „Menschenbild“ schlechthin als
Argumentationsfigur konträrer Positionen bemüht und es drängt
sich der Eindruck auf, dass die Berufung auf die „Würde“
gelegentlich durch eine argumentative Hilflosigkeit nicht nur
überschattet1, sondern zur diffusen Metapher denaturiert wird.
Die Pflege scheint hiervon nicht ausgenommen und das
Argument von der Würde des Alterspatienten/Bewohners
entwickelt sich zu einer anthropologisch und normativ scheinbar
verbindlichen Superanspruchsgrundlage im Kontext sozialer
Beziehungen, die in einem konkreten Rollenkonflikt keiner
Rechtfertigung
mehr
bedarf
und
dem
sich
das
unterfassungsrechtliche Recht auch in Gestalt privatrechtlicher
Beziehungen „unterzuordnen“ hat.
© 2007
1
M. Kettner, Menschenwürde als Begriff und Metapher, Diskussionspapier, 1-94
Hamburger Institut für Sozialforschung, 1994, S. 5 (zit. als Kettner,
Menschenwürde als Begriff..., S. )
6
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Das dem so ist, dokumentiert eine Vielzahl von Heimverträgen und
die
jeweiligen
Prospekte
für
die
„klientenwirksame“
Außenpräsentation von Alteneinrichtungen, in denen nicht selten
das pflegerische Leitbild mit Blick auf die Wahrung der Würde der
Bewohner pathetisch als eine Art Magna Charta vorangestellt wird.
Problematisch freilich ist, dass derzeit die Protagonisten des
„Würdearguments“ in Anbetracht der vielfach als „defizitär“
beschriebenen Situation in der Altenpflege zunehmend in
Argumentationsnöte geraten.
In der Diskussion wird zumeist unreflektiert auf den Begriff der
Würde rekurriert und es hat der Kampf innerhalb der
verschiedenen Professionen um den Status einer sog.
Leitprofession
begonnen.
Dieser
wird
zumeist
mit
unversöhnlicher Härte geführt, zumal wenn es um den
Grenzbereich am Ende des menschlichen Lebens und damit um
die Bestimmung der Lebensqualität geht.
Das Verfassungsrecht spielt hierbei eine scheinbar untergeordnete
Rolle.
Es wird vermehrt in der pflegekundlichen Literatur gefordert, den
Experten nicht die Diskussion zu überlassen, sondern die
unterschiedlichsten Konzepte von der Würde des Menschen
ringen um Beachtung, ohne dass es offensichtlich einer
Rückbindung an die Staatsfundamentalnorm des Art. 1 Abs. 1 GG
bedarf.
Es scheint, als dass bereits der Hinweis auf die Würde des
Menschen eine weitere inhaltliche Diskussion entbehrlich macht
(besser machen soll), da letztlich kein ernsthafter Zweifel an der
Unantastbarkeit eben dieser Würde des Menschen besteht,
geschweige denn begründet werden könne.
© 2007
Paradigmatisch hierfür steht der Diskurs um den Grund und die
Grenze der Sterbehilfe und damit der Würde des Bewohners und
des Patienten.
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In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Die
wünschenswerten
Professionalisierungstendenzen
der
Pflegeberufe münden u.a. in der Diskussion um die Betreuung
hochbetagter und schwererkrankter Patienten in einen Streit um
den Status einer Leitprofession.
Die jeweiligen Konzepte von der Würde des Bewohners werden
nicht selten phantasievoll auf der Klaviatur alltagsphilosophischer
Betrachtungsweisen gespielt und es wird nicht davor gescheut, vor
den „Kolonialisierungstendenzen“ der Medizin im Allgemeinen und
der Palliativmedizin im Besonderen zu warnen. Die Pflege ringt um
Professionalisierung und verstrickt sich dabei in einen
„Kulturkampf“ um das bessere Konzept von der Würde des
Patienten, um so jedenfalls in der Betreuung des sterbenden
Patienten als Leitprofession anerkannt zu werden.
Freilich ist zu konzedieren, dass nicht nur den Experten die Rolle
zukommt, über den Begriff der Würde zu räsonieren, so dass ein
jeder hierzu seinen Beitrag leisten kann.
Zu fragen bleibt aber allemal, warum eine durchaus historisch
bedeutsame
Wertediskussion
zugleich
als
Terrain
für
Professionalisierungsbemühungen genutzt wird, die offensichtlich
darauf abzielen, sich dem ärztlichen Primat zu entziehen?
Diese Frage soll hier nicht weiter erörtert werden, wenngleich es
darauf hinzuweisen gilt, dass jedenfalls in dem Diskurs um die
Würde des Menschen eine sehr hohe Hürde in Gestalt des
Verfassungsrechtes zu beachten ist. Hieran wird sich auch nichts
ändern, wenn die Forderung erhoben wird, die Diskussion nicht
nur den Experten zu überlassen.
© 2007
In diesem Sinne dürfte es in der weiteren Diskussion keinen Sinn
machen, dass jeweilige Würdekonzept nicht an den Normen
unserer
Verfassung
messen
zu
wollen.
Die
Verfassungsinterpretation ist aus guten Gründen nicht mit der
Philosophie, Anthropologie, Theologie und Pflegewissenschaften
gleichzusetzen.
Sofern also das hohe Gut der Würde des Menschen in dem
Diskurs eingeführt wird, werden sich die differenten Konzepte an
8
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
unserer Verfassung zwangsläufig orientieren müssen, um nicht
von vornherein ad absurdum geführt zu werden.
Anlass zu dieser Überlegung besteht insbesondere deshalb, weil
selbst die Experten in Sachen Recht, namentlich die Richter, nicht
immer vor einer „sinnverflachenden Inhaltsentleerung“ gefeit sind2.
Die Gefahr für das hohe Gut „Würde“ liegt demzufolge in der
Trivialisierung, wenn und soweit nicht über die philosophischen
Offenbarungsquellen
hinaus
auch
ein
Blick
in
das
Verfassungsrecht geworfen wird, ob überhaupt die Würde tangiert
ist.
Deutlich wird dies u.a. daran, dass gerade bei dem Streit um die
Leitprofession
bei
der
Behandlung
und
Betreuung
schwerstkranker und multimorbider Alterspatienten die ganz
normale Arzt-Patienten-Beziehung vernachlässigt wird, wonach in
erster Linie der Patient in eine ärztliche Heilbehandlung
einzuwilligen hat. Er – der Alterspatient also – entscheidet
demzufolge darüber, ob er sich einer kurativen und/oder
palliativmedizinischen Behandlung unterziehen möchte oder nicht
(!).
Insofern ist hier in erster Linie nicht die „Würde des Menschen als
Patient“ betroffen, sondern sein Selbstbestimmungsrecht vor dem
Hintergrund seiner geschützten physischen und psychischen
Integrität (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Es reicht eben nicht aus, dass
eine Behandlung in bester Absicht oder unter Berufung auf das
vermeintlich „objektive Wohl“ des Patienten3 vorgenommen wird,
wenn und soweit der betroffene Patient hierzu seine Einwilligung
verweigert!
© 2007
2
Vgl. statt vieler Dreier, Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl. (2004), Bd. I – Art. 1 I
Rdnr. 48 mit weiteren Nachweisen aus der Literatur und Rechtsprechung
3
So zu Recht Geddert-Steinmacher, Menschenwürde als Verfassungsbegriff, S.
46
9
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Der verfassungsnormativ besetzte Begriff von der „Würde des
Menschen“ wird schlicht und ergreifend überfordert, wenn dieser
Verfassungsbegriff
„zum
zentralen
Maßstab
der
Konflikteinscheidung im Grenzbereich zwischen Leben und Tod“4
gemacht wird, ungeachtet dessen, dass eine isolierte Betrachtung
aufgrund der nachfolgenden Grundrechtsnormen ausgeschlossen
erscheint.
Die Diskussion um eine Leitprofession wird nicht auf der Ebene
des Art. 1 Abs. 1 GG entschieden, sondern nach dem Recht auf
die körperliche Unversehrtheit des Alterspatienten. Hierzu hat der
Gesetzgeber und ihm folgend die Rechtsprechung allerdings ein
deutliches und bis dato gültiges Votum abgegeben: Mit Blick auf
eine kurative oder palliative Behandlung des Alterspatienten
besteht ein ärztlicher Vorbehalt, sofern mit der Behandlung ein
ärztlicher Heileingriff vorgenommen wird. Dieser ärztliche
Vorbehalt schließt freilich eine Einbindung anderer Professionen
nicht aus, wie im Übrigen auch einhellig von den Palliativmediziner
nicht nur gewünscht, sondern auch gefordert wird und aus der
Sicht der Patienten zwingend erforderlich ist.
Hierbei
erfährt
die
Palliativmedizin
eine
beachtliche
Rückendeckung durch die Bundesärztekammer, nicht zuletzt
durch ihren Präsidenten J.D. Hoppe, der konsequent eine
angemessene Schmerztherapie und die menschliche Zuwendung
für die von Leiden, Krankheit und Behinderung Betroffenen fordert.
Dies ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe allen ersten Ranges
und erfordert eine flächendeckende palliativmedizinische
Versorgungsstruktur durch den Auf- und Ausbau von
Palliativstationen, stationären und ambulanten Hospiz- und
Palliativstationen5.
© 2007
4
Höfling, in JuS 2000, S. 111 ff. (114)
Vgl. dazu G. Klinkhammer, Sterbehilfe – Zuwendung erfahren – Der Präsident
der Bundesärztekammer lehnt aktive Euthanasie kategorisch ab, in Deutsches
Ärzteblatt / Jg. 103 / Heft 22 / 02.06.06 – A 1526
5
10
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
„Bloß nicht zur Last fallen“ - Leben und Sterben in Würde aus
der Sicht alter Menschen in Pflegeheimen
Dissertation v. Sabine Pleschberger, vorgelegt im Dezember
2004
Kurzkommentierung( L. Barth)
Ausgehend von der Menschenwürdegarantie, die in unserem
Grundgesetz in Art. 1 Abs. 1 verankert ist, geht die Autorin
zunächst davon aus, dass diese trotz ihrer Unantastbarkeit
gleichwohl verletzt werden kann.
Die Gefahr einer Verletzung dieser Würde des Menschen nimmt
insbesondere dann zu, wenn Menschen von der Hilfe Dritter
abhängig sind. Als Beispiele benennt die Autorin hierfür das Alter,
die Krankheit oder das Sterben. „Die Vulnerabilität der Würde von
Menschen in solchen Lebenslagen liegt nicht zuletzt darin
begründet, dass sie meist mit Institutionen konfrontiert sind, bzw.
dort leben.“ (S. 1)
In ihrer Dissertation widmet sich S. Pleschberger primär der nach
ihrer
Auffassung
in
der
wissenschaftlichen
Debatte
vernachlässigten Perspektive des Lebens und Sterbens in Würde
eben aus der Sicht der unmittelbar Betroffenen, wobei hier
insbesondere auch die (organisatorischen und personellen)
Bedingungen problematisiert werden.
© 2007
Es werden u.a. verschiedene Konzepte von der Würde vorgestellt
und in Teilen diskutiert.
Interessant ist vor allem das fünfte Kapitel in der Dissertation, das
die Darstellung der Ergebnisse aus den Interviews mit den
Bewohnern zum Thema Sterben in Würde beinhaltet. Unmittelbar
hieran schließt sich ein Kapitel an, das sich mit den Sichtweisen
11
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
der Professionellen zur Gesamtthematik auseinandersetzt, um
dann im siebten Kapitel die Ergebnisse der verschiedenen
Sichtweisen diskutieren zu können.
Das achte und letzte Kapitel in der Dissertation enthält einen
Ausblick auf die Versorgung alter und sterbender Menschen und
orientiert sich hierbei an der Würde als Leitkategorie.
Die in diesem letzten Kapitel formulierten Thesen basieren auf der
Annahme der Autorin, dass in der wissenschaftlichen Literatur zur
Versorgung älterer und sterbender Menschen die Würde
allgemeinhin eine Randerscheinung sei.
Sie führt dies in einer (m.E. nach nicht hinterfragten)
Arbeitshypothese u.a. darauf zurück, dass der Begriff der Würde
vielmehr ideologisch besetzt wird, „was den Verdacht nährt, mit
dem Vehikel Würde latent religiöse Normativität zu transportieren“
(S. 177).
Andere Konzepte wie Autonomie und Qualität haben Fuß gefasst
und sie stellt eine weitere These in diesem Zusammenhang
stehend damit auf, dass diese Konzepte nicht nur ein anderer
Ausdruck für Würde seien, sondern dass damit „eine
Verschiebung in den Wertvorstellungen, worauf die Versorgung
ausgerichtet werden soll, einhergeht“ (S. 177).
Diese These versucht die Autorin in den nachfolgenden
Abschnitten argumentativ zu belegen, in dem sie u.a. den Fragen
einer
© 2007
► problematischen Engführung der Versorgungsdebatte auf die
Qualität ( S. 177 – 179),
► dem enormen Potenzial des Würdekonzepts (S. 179 –180) und
► den Chancen und Risiken der Hospizarbeit und Palliativmedizin
(S. 180 – 182)
12
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
nachgeht.
In Anbetracht der weitreichenden Thesen der Autorin wäre hier
m.E. nach eine stringentere und vor allem intensivere
Argumentation
in
der
Auseinandersetzung
mit
der
wissenschaftlichen Literatur angebracht und erforderlich gewesen.
Dies gilt einerseits für den Blick auf die Würde als Leitkategorie,
die auch „eine Perspektive auf die körperlich-leibliche Dimension
von
Menschen,
die
in
der
Auseinandersetzung
um
Versorgungsfragen häufig ausgeblendet werden“, eröffne (S. 179).
Hier folgt etwas unvermittelt der Hinweis auf den leiborientierten
Würdebegriff von Pelkner, „verstanden als Schutz der Integrität
und Grenzen des weiblichen Körpers“, den dieser im
Zusammenhang der Fortpflanzungstechnologie verwendet. Dieser
Hinweis ist durchaus wichtig, aber die nähere Frage, ob gleichsam
die körperlich-leibliche Dimension Eingang in ein konsensfähiges
Konzept von der Würde finden muss, bleibt eine
erörterungsbedürftige These, zumal die körperlichen (leiblichen)
Integritätsinteressen – so wie im übrigen das Lebensrecht - im
Verfassungsrecht von der Würde des Menschen aus plausiblen
Gründen entkoppelt worden ist, ungeachtet der Tatsache, dass
neben der garantierten Würde insbesondere Art. 2 des
Grundgesetzes seine besondere Bedeutung für den Schutz des
Körpers und seiner Integrität im weitesten Sinne entfaltet. Eine
andere Wertung scheint auch nicht deshalb anbefohlen zu sein,
weil gerade in den Pflegeeinrichtungen überwiegend weibliche
Bewohner umfassend betreut und gepflegt werden (so der Hinweis
von Pleschberger, S. 179). Es bedarf keiner besonderen
Betonung, dass u.a. der spezifisch weibliche Integritätsschutz zu
gewährleisten ist, wenngleich hier auf Art. 3 GG
Gleichheitsgrundsatz verwiesen werden kann, der eine primär
feministische Grundrechtsinterpretation (ohne dies hier der Autorin
unterstellen zu wollen) und damit ein spezifisch weiblich
leiborientiertes Würdekonzept ausschließen dürfte.
Ob es den Rückgriff auf den hoch abstrakten Begriff der Würde
bedarf, um gewichtige Argumente für eine humane an den
© 2007
13
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Menschen orientierte Versorgungsgestaltung liefern zu können,
„während die Rede von der Qualität um einiges „zahnloser“ sei (S.
180), soll hier nicht problematisiert werden.
Sicherlich wird man in der Diskussion dem Aspekt der Würde als
leiblich gebundenes Konzept das Potenzial eines solches
Konzeptes nicht absprechen können – die These aber, dass
dieses Konzept sein Potential „erst dann ganz entfalten“ kann,
„wenn eine Diskussion nicht auf juristische Ebene reduziert oder
ExpertInnen überlassen wird“ (S. 180), ist nicht recht
nachvollziehbar, zumal wenn die unmittelbaren Ausführungen der
Autorin an diese Aussage weiter gelesen werden:
„Dieser (würdegeleitete) Wertediskurs muss sowohl innerhalb der
Heime als auch außerhalb geführt werden (Reitinger et. al. 2004,
27). Menschen in Pflegeheimen haben ein Recht darauf, dass
ihnen keine Gewalt angetan wird, sie haben ein Recht darauf,
dass ihre Privatsphäre geschützt wird, sie haben ein Recht darauf,
am sozialen Geschehen Anteil nehmen zu können und vieles
mehr. Eine Verletzung dieser Rechte ist demokratiepolitisch
fragwürdig und menschenrechtlich anzuklagen“ (S. 180)
Zuzugeben und selbstverständlich ist, dass innerhalb einer
allgemeinen Wertediskussion den Juristen oder Experten keine
Exklusivrecht vorbehalten ist, ihre konzeptionellen und ideellen
Vorstellungen von der Würde zu äußern. Gleichwohl muss der
Gesetzgeber oder in Ersetzung dessen die Judikative
Wertvorstellungen von dem Begriff der Würde entwickeln, so dass
sich hieraus einklagbare Rechte des Bewohners ergeben können.
Dass hier allerdings der Gesetzgeber gehalten wäre,
bereichsspezifische Würdekonzeptionen – die wohl eher als
Bereichsethiken zu definieren wären – in das (Verfassungs-)Recht
zu transportieren, erscheint jedenfalls im Bereich des Art. 1 Abs. 1
GG eher unwahrscheinlich.
Es entspricht vielmehr der herrschende Lehre, dass
Verfassungsinterpretation nicht mit der Philosophie oder einer
spezifischen Bereichs(Pflege)Ethik gleichzusetzen ist, wenngleich
diese gesicherte Erkenntnis keinen Anlass zur Resignation geben
© 2007
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In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
sollte, für sein wertgebundenes Konzept einer speziell auf den
Alterspatienten zentriertes Würdeverständnis zu werben und zu
argumentieren.
Nicht weniger unproblematisch ist m.E. nach der Exkurs der
Autorin in die Palliativmedizin, die nach ihrem Verständnis
„weitgehend in der professionellen Tradition verhaftet ist“ (S. 181).
Folgende pars pro toto soll hier zunächst zitiert werden:
„So
kann
auch
der
Palliativmedizin
ein
gewisses
Dominanzverhalten gegenüber den anderen Akteuren in diesem
Feld nicht abgesprochen werden. Die Etablierung einer
Fachdisziplin ist in vollem Gange, mit der Einrichtung von
Lehrstühlen
für
Palliativmedizin
wurde
der
ärztlichen
Qualifizierung, noch stärker jedoch der schulmedizinischen
Forschung Vorschub geleistet. Das Spektrum an möglichen
medizinischen Interventionen palliativer Art ist mittlerweile enorm,
es reicht von der Strahlen- und Chemotherapie bis hin zur
„terminalen Sedierung". Heller und Heller deuten diese rasante
Entwicklung der Palliativmedizin „auch als Versuch der Ärzte (...),
das Monopol über das Sterben ‚rückzuerobern'" (2003, 9). Dass
die AutorInnen hier sprachlich auf das Bild eines kriegerischen
Feldzuges verweisen, scheint nicht zufällig. Im Kontext von
Palliativmedizin „kämpfen" ÄrztInnen zwar nicht mehr um jeden
Preis um Heilung und Lebenserhalt, doch scheinen sie weiterhin in
einen Kampf verstrickt - gegen das Leiden. Denn auch das
Sterben soll möglichst leidfrei „erlebt" werden. Und die Grenzen
zwischen „Leiden lindern" und „Leiden verhindern" verschwimmen
dabei leicht. Für die „PatientInnen" heißt das, dass man zwar
anders als früher, nicht mehr kurativ bis zum Ende behandelt wird
sondern palliativ (behandelt). Das mag zu einer Verbesserung der
„Lebensqualität" beitragen. Eine Emanzipation aus der Rolle als
„Behandlungsfall", eine Abkehr von latent aggressivem
Kampfverhalten, finden auch im palliativen Setting nicht statt. Aus
PatientInnen werden nicht sterbende Menschen, sie bleiben
PatientInnen. So haben sich zwar die Ziele verändert, die
© 2007
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In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Maßnahmen aber sind weitgehend dieselben geblieben. Dass die
einzig wahre Antwort auf „totalen Schmerz" die totale
Schmerzbekämpfung ist, darf bezweifelt werden. Das Problem
sind professionelle Scheuklappen und die Ausblendung anderer
Formen des Umgangs mit Leiden. Somit bildet auch die
Palliativmedizin keinen Widerspruch zum traditionellen ärztlichen
Selbstverständnis, wie es Ivan Illich (1981) in „Die Nemesis der
Medizin" beschrieben hat.
Eine Vielzahl anderer aktueller Debatten unterstreicht den Beitrag
der Medizin zur leidensfreien Gesellschaft, von der
Präimplantationsdiagnostik bis hin zu Wunschkaiserschnitten, die
den Frauen die Leiden der Geburt ersparen sollen.“ (S. 181, 182).
...
„Die Hospizarbeit enthält wohl das überzeugendere Potenzial für
einen guten Umgang mit dem Leiden und Sterben, und letztlich
auch für die Entwicklung eines anderen Verständnisses ärztlicher
Behandlung von sterbenden Menschen. Sie sollte angesichts der
bestehenden
Strömungen
wachsam
sein,
um
Kolonialisierungsbestrebungen - insbesondere von Seiten der
Medizin - entgegenzuwirken. Dies gelingt wohl am Besten, indem
die
Hospizbewegung
ihr
Profil
als
Bürgerund
Menschenrechtbewegung schärft.“ (S. 182)
Zwar steht zu vermuten an, dass diese vorstehenden
Ausführungen der Kapitelunterschrift Ausblick geschuldet sind,
wenngleich dieser „Kampfaufruf“ geradezu einen Widerspruch
herausfordert, zumal in den knapp gehaltenen Ausführungen der
Autorin Emanzipationsbestrebungen offenbar werden, die eine
professionelle Herangehensweise vermissen lassen und m.E.
einen
nicht
nachvollziehbaren
Frontalangriff
auf
die
Palliativmedizin darstellen.
© 2007
Bei der Begleitung Sterbender geht es beileibe nicht um
„Kolonialisierungsbestrebungen“
der
Ärzteschaft,
der
„Rückeroberung“ eines verloren geglaubten „Monopols“ durch die
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In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Mediziner und schon gar nicht um den Anspruch einer „totalen
Schmerzbekämpfung“.
Mag auch Pleschberger unter Bezug auf Lenzen (der wiederum
an Sokrates) erinnern und gleichsam feststellen, dass „es kein
Leben (gibt), das leidfrei“ ist, folgt hieraus nicht zugleich, dass wir
die interpretierten Konsequenzen aus dem Gleichnis von Sokrates
zu ziehen haben.
„Das Gleichnis lehrt, dass nur die Erfahrung des Leides es uns
erlaubt, die Freude des Lebens in anderen Augenblicken als
Abwesenheit von Leid zu erleben. Auf eine Kurzformel gebracht
heißt das, nur wer gefesselt war, weiß, was Freiheit ist. Dabei geht
es nicht nur um das Leiden, es geht auch darum, Grenzen
wahrzunehmen und anzunehmen.“ (S. 182).
Mit Verlaub – hier offenbart sich unverblümt ein paternalistisches
Verständnis von einem individuellen Umgang mit einem möglichen
Schmerz, dass seine besondere Würze durch den Hinweis auf den
offensichtlich beklagten Kaiserschnitt nach Wunsch (S. 182) erhält.
Dies erinnert u.a. daran, dass frau „unter Schmerzen gebären soll“
und demzufolge der Schmerz als Vorbote des wahren Glücks (hier
der Freiheit) zu werten ist, mal ganz davon abgesehen, dass aus
der Sicht der Patienten der „Schmerz“ eine ungeheure Belastung
sein kann und es zuvörderst dem legitimen Wunsche etwa der
Tumorpatienten entspricht, dass sich bei einer infausten Prognose
nach der kurativen eine palliative Behandlung und Betreuung (!)
anschließt, die das Leid des übermächtigen Schmerzens – wenn
nicht beseitigt – so doch zumindest erleichtert. Der Patient ist nicht
(!) gehalten, am Ende seines verlöschenden Lebens das hohe Gut
der Freiheit (nochmals) zu kosten, in dem er seine Grenzen wahrund annimmt, in dem er unter Schmerzen leidet. Das hier der
Palliativmedizin eine eminent wichtige Rolle zukommt, ist evident
und bedarf per se keine weiteren Erläuterung.
© 2007
Hier konnte Pleschberger offensichtlich nicht dem Versuch widerstehen, einen Rundumschlag mit Verweis auf die „professionellen
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In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Scheuklappen“ (S. 182) der Palliativmediziner aufgrund allgemeiner pflegerischer Professionalisierungstendenzen und – bemühungen vorzunehmen, denen sie sich erkennbar verpflichtet fühlt.
Ein näherer Blick in die palliativmedizinische Literatur hätte dann
auch gezeigt, dass gerade die Palliativmedizin sich als
interprofessionelle Disziplin erweist, da gerade der kurativen
Medizin Grenzen gesetzt sind und sich bei infausten
Symptomenkomplexen das Therapieziel nachhaltig ändert.
Selbstverständlich ist hierbei, dass auch die Palliativmediziner in
Anlehnung an das Selbstbestimmungsrecht nach gehöriger
Aufklärung und ggf. notwendigen Einwilligung des Patienten von
einer weiteren medikamentösen Schmerztherapie Abstand
nehmen müssen, wenn dies dem Willen des Patienten entspricht.
Der Wille des Sokrates oder der Interpreten des Gleichnisses ist
hingegen für den Patienten völlig unbeachtlich, wenn und soweit er
selbstbestimmt den Wunsch nach einer möglichst wirksamen
Schmerztherapie äußert.
Sofern Pleschberger das hohe Gut der Freiheit (auch) über das
Leiden zu erschließen gedenkt, bleibt ihr ein solches Verständnis
freilich unbenommen, wenngleich sie sich der Gefahr aussetzt, mit
ihrer Lesart den Begriff der Würde ebenfalls ideologisch zu
besetzen. Ein Umstand, den sie mit Blick auf die Religion meint,
kritisieren zu müssen. Weder der Religion noch der
berufsständischen Pflegeethik kommt allerdings die Befugnis zu,
allein die Definitionsherrschaft über den ideologiefreien Begriff von
der Würde des Menschen für sich reklamieren zu können.
Es bleibt ihnen - wie im Übrigen anderen gesellschaftlichen oder
philosophischen Gruppierungen und Interessenvertretungen auch
– unbenommen, auf dem offenen Marktplatz der Meinungen zur
Würde des Menschen ihre Auffassungen darzulegen und zu
begründen. In erster Linie bleiben aber die Diskursteilnehmer
aufgefordert, sich in Toleranz zu üben und zwar sowohl in der
wissenschaftlichen Diskussion als auch gegenüber dem
hochbetagten Bürger.
© 2007
18
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Der Soziologe Feldmann dürfte mit seiner These von der
„Instrumentalisierung des Todes“6 durch die verschiedensten
Gruppen und Interessen treffend das Dilemma in der
Sterbehilfedebatte charakterisiert haben und mir scheint gerade
die Sterbehilfediskussion der denkbar schlechteste Ort für die
emanzipatorischen Professionalisierungsbemühungen der Pflege
zu sein, um sich dauerhaft dem ärztlichen Primat entziehen zu
können.
Die Palliativmedizin erhebt gerade nicht (!) den Anspruch, ein
Monopol bei der Betreuung und Begleitung schwerstkranker und
sterbender Patienten und ihrer Familie begründen zu wollen. Eher
das Gegenteil ist der Fall und dies kommt letztlich auch in der
Definition der Ziele der Palliativmedizin der WHO deutlich zum
Ausdruck:
Palliative care ist danach „ein Ansatz zur Verbesserung der
Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit einer
lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen, und zwar durch
Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen,
untadeliger Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie
anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer
und spiritueller Art“.
In diesem Sinne ist die Palliativmedizin in ihrem Wesen nach ein
interdisziplinäres und multiprofessionelles Arbeitsfeld, in dem u.a.
folgende (Berufs)Gruppen beteiligt sind:
Ärzte
Angehörige
Atemtherapeuten
Diätisten
Ergotherapeuten
Hospizmitarbeiter
© 2007
Logopäden
Musiktherapeuten
Pflegekräfte
Psychologen
Selbsthilfegruppen
Schlucktherapeuten
6
Klaus Feldmann, Aktive Sterbehilfe: soziologische Analysen, Institut für
Soziologie und Sozialpsychologie, Universität Hannover, 2005, S. 7
19
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Krankengymnasten
Kunsttherapeuten
Seelsorger
Sozialarbeiter
Quelle: Borasio/Bausewein/Beyer/Fittgau-Tönnesmann – Das IZP
stellt sich vor – Palliativmedizin – Aufgabe aller Ärzte7
Hierbei steht ebenfalls außer Frage, dass für eine erfolgreiche
Begleitung der Patienten und ihrer Familien die enge Kooperation
mit externen Institutionen wie Pflegediensten, ambulanten und
stationären Hospizdiensten von zentraler Bedeutung ist, so dass
es in der Diskussion durchaus entbehrlich ist, von vornherein der
einen oder anderen Profession eine dominierende Rolle
einräumen zu wollen.
Es geht nicht (!) um die Frage, ob die „Hospizarbeit ... wohl das
überzeugendere Potenzial für einen guten Umgang mit dem
Leiden und Sterben, und letztlich auch für die Entwicklung eines
anderen Verständnisses ärztlicher Behandlung von sterbenden
Menschen (enthält)“8, sondern um eine zwingend gebotene
Kooperation, die nicht durch ideologieträchtige Würdekonzepte
gegeneinander ausgespielt wird.
Bezeichnenderweise finden wir denn auch in der Fußnote 128 den
Hinweis darauf, dass gute Hospizarbeit ärztliche Mitarbeit mit
einschließt, nicht jedoch in der Rolle als Leitprofession9.
Wer aber soll diese Rolle wahrnehmen?
Die Antwort erscheint nicht ganz einfach, wenn wir uns nochmals
die beteiligten Berufsgruppen vergegenwärtigen, die in einem
multiprofessionellen und daher zugleich auch interdisziplinären
Team zusammenarbeiten.
© 2007
7
in klinikarzt 2006; 35(1): S. 37 ff. (38)
So Pleschberger, S. 182
9
Pleschberger mit Hinweis auf Student (1999, S. 25), S. 182 in Fn. 128
8
20
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Nehmen wir die Würde nicht nur als „kleine Münze“ ideologischer
Sichtweisen wahr, so ist und bleibt es allein der Patient, der die
„Regie“ in seinem höchst persönlichen Sterbeprozess führt.
Er allein besitzt das „Monopol“10 über die Modalitäten seines
vergehenden Lebens und konkurriert allenfalls mit dem
nachvollziehbaren Anspruch der Medizin, nicht um jeden Preis das
verlöschende Leben zu erhalten. Aber genau an diesem
neuralgischen Punkt des Lebens, gleichsam an der Schwelle des
Todes, gesteht sich die Medizin ein, ihren wohlverstandenen
ärztlichen Auftrag nicht mehr schulmedizinisch erfüllen zu können
und es ändert sich das therapeutische Ziel. Es findet ein Wechsel
von der kurativen zur palliativen Medizin statt und auch letztere
orientiert sich freilich am Willen des Patienten, so dass der Patient
durchaus die Möglichkeit hat, Präferenzentscheidungen für seinen
bevorstehenden und zu durchlebenden Tod zu fällen. Sofern er
sich dafür ausspricht, dass der ihn bis zur Ohnmacht quälende
Schmerz aufhören möge, hat er eine Präferenzentscheidung im
Sinne einer wünschenswerten und möglichst wirkungsvollen
Schmerztherapie getroffen.
Aus der selbstbestimmten Entscheidung des Patienten folgt dann
zugleich auch eine Präferenzentscheidung, mit der in der Folge in
erster Linie die ärztliche Profession mit den Möglichkeiten einer
analgetischen Schmerztherapie gefordert ist.
Der Sterbeprozess ist ein höchst individueller und sollte m.E. nicht
durch mehr oder minder begründete Theorien der Thanatologie
oder eines Freiheitsverständnis vor dem Hintergrund eines
bereichspezifischen
Würdekonzeptes
und
damit
einer
Partikularethik gelenkt werden. Der Preis hierfür wäre sehr hoch:
der Tod des Einzelnen wird instrumentalisiert und der Patient
© 2007
10
Dies gilt gerade auch in Kenntnis dessen, dass (auch) die Kirche nicht mehr
das Monopol in Sachen Weltanschauung für sich reklamieren kann, vgl. dazu
instruktiv Fakultätsgutachten der Theologischen Fakultät der Ernst-Moritz-ArndtUniversität Greifswald für die Pommersche Evangelische Kirche – Der Mensch
und sein Tod – Grundsätze der ärztlichen Sterbebegleitung, S. 34
21
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
erweist sich bei näherer Betrachtung als ein Objekt vermeintlich
moderner Sterbekonzepte einzelner Professionen, die den Status
einer Leitprofession einzunehmen gedenken.
Besonders bedenklich wird es, wenn der Streit um den Status
einer Leitprofession im Übrigen von demokratiepolitischen
Argumenten11 begleitet wird.
Nach Pleschberger soll die Hospizarbeit wachsam sein, um
„Kolonialisierungsbestrebungen – insbesondere von Seiten der
Medizin – entgegenzuwirken“12. Nach ihr könne das wohl am
Besten gelingen, indem die Hospizbewegung ihr Profil als Bürgerund Menschenrechtsbewegung schärft.
Ungeachtet dessen, dass es allen (!) gesellschaftlichen
Gruppierungen unbenommen bleibt, für ihr Konzept von einem
würdevollen Sterben und Tod zu werben, ist der Weg über die
vermeintlich demokratische Legitimation einer Bewegung für den
Würdeschutz des Einzelnen im Zweifel verhängnisvoll. Das
Demokratieprinzip hängt untrennbar mit Mehrheiten zusammen
und der Sinn der unantastbaren Würde des Menschen besteht u.a.
gerade darin, in Ausübung des dem Bürger zustehenden
Selbstbestimmungsrechtes nicht seinen individuellen Tod aufgrund
(parlamentarischer) Mehrheiten gleichzuschalten. Der gut
gemeinte und durchaus nachvollziehbare Hospizgedanke setzt
sich der Gefahr einer Instrumentalisierung seines eigenen
Gedankens aus, der unversehens in einen neuen Paternalismus
münden kann. So wenig wie der Ärzteschaft das Recht anheim
steht, paternalistisch sich über den Willen des Sterbenden
© 2007
11
So offensichtlich Pleschberger, S. 180 mit Hinweis darauf, dass die Verletzung
der Rechte der Menschen in Pflegeheimen demokratiepolitisch fragwürdig ist und
menschenrechtlich anzuklagen sind. Hier verkennt die Autorin, dass die von ihr
angemahnten Rechte (u.a. Schutz vor Gewalt, Schutz der Privatsphäre, Teilhabe
am sozialen Geschehen) bereits in unserer Rechtsordnung umfänglichen Schutz
genießen: nur – wo kein Kläger, ist auch kein Richter!
12
Pleschberger, S. 182
22
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
hinwegzusetzen, gilt dies freilich auch für die Hospizbewegung,
den Religionen13 oder anderen Gruppierungen.
Der Hinweis auf das Fesselgleichnis von Sokrates entbindet
ebenso wenig wie der Verweis auf Francis Bacon die
verschiedenen Berufsgruppen in dem multiprofessionellen Team
von der zwingenden Notwenigkeit, sich an dem Willen des
Patienten gerade in seiner letzten Lebensphase mit Blick auf die
medizinischen oder palliativen Interventionsmöglichkeiten zu
orientieren.
„Es ist die Aufgabe des Arztes, Schmerzen zu lindern, und das
nicht nur, wenn jene Linderung der Schmerzen als eines
gefährlichen Zustandes zur Wiederherstellung der Gesundheit
dient, sondern auch dann, wenn ganz und gar keine Hoffnung
mehr vorhanden und doch aber durch Linderung der Qualen ein
mehr sanfter Übergang aus diesem zu jenem Leben verschafft
werden kann. Es ist fürwahr ein kleiner Teil der menschlichen
Glückseligkeit, dass man nämlich ein sanftes Ende habe.“14
Es bleibt dem Patienten überlassen, welcher Profession er sich als
eine Art Leitprofession anvertraut und das multiprofessionelle
Team wird diese Entscheidung zu akzeptieren haben.
Hiermit ist freilich nicht zum Ausdruck gebracht, dass ggf. die Ärzte
und die Pflegenden ihre eigenen moralischen, ethischen und
religiösen Prinzipien aufzugeben haben. Sofern diese die
13
© 2007
Ob der einer am Wohlergehen des Lebens orientierten Ethik der Fürsorge und
der Solidarität mit den schwächsten und unheilbaren Mitmenschen der Vorrang
vor einer nur an der empirisch vorhandenen Autonomie des Patienten
ausgerichteten Ethik zu geben ist, soll hier nicht entschieden werden, so wohl
Eibach, zit. im Fakultätsgutachten, aaO., S. 41. Vgl. auch zu den Grenzen eines
uneingeschränkten Selbstverfügungsrechts aus katholischer Sicht Gerd Fasselt,
Menschenwürde im Wertewandel – Überlegungen zur christlichen Orientierung in
der gegenwärtigen Situation, S. 14, in Menschenwürde am Ende des Lebens,
Hrsg. Klaus Hampel (2004)
14
Zitiert bei Thomm, Schmerzpatienten in der Pflege, 5. Aufl. 2004, S. 7
23
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
selbstbestimmte
Entscheidung
des
Patienten
aus
nachvollziehbaren Gewissensgründen nicht mittragen können,
wird diese Entscheidung zu akzeptieren sein. Denn die
Selbstbestimmung des Patienten kann nicht zu einer
Fremdbestimmung Dritter führen15. Mithin kommt dem
Toleranzgebot eine entscheidende Bedeutung zu.
© 2007
15
L. Barth, Der Arzt und die Pflegenden - ihr subjektives Recht zum ethischen
Ungehorsam versus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten !? Einige
Gedanken zum bevorstehenden Kulturkampf um die Würde des Menschen an
seinem Lebensende (17.05.06), in IQB-Internetportal >>> zum Beitrag <<< pdf
24
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Die Enthaltsamkeit des Gesetzgebers als Ursache für den
mangelnden Grundrechtsschutz in der Arzt-PatientenBeziehung mit Blick auf die Patientenverfügung!
Welchen Beitrag wird der kommende 66. Deutsche
Juristentag in Stuttgart im September 2006 hierzu leisten
können?
Es stellt sich zunehmend als ein Ärgernis dar, dass der zur
Entscheidung berufene Gesetzgeber trotz der gebotenen
Dringlichkeit keine Veranlassung sieht, sich mit aller Konsequenz
den Fragen der Patientenautonomie am Ende des Lebens zu
widmen.
Die Politiker verkünden unablässig die Notwendigkeit spezieller
Regelungen und es fragt sich, woran das Gesetzesvorhaben
scheitert. Der von der Bundesjustizministerin vorgelegte (erste)
Gesetzentwurf zur Patientenverfügung wurde zurückgenommen,
weil ihrer Meinung nach der Meinungsbildungsprozess noch nicht
abgeschlossen sei.
In der Deutschen Ärztezeitung16 konnten wir in dieser Woche
lesen, dass u.a. der baden-württembergische Justizminister U.
Goll eine klare gesetzliche Regelung zur Reichweite und
Bindungswirkung von Patientenverfügungen fordert.
Der
Mitteilung
kann
entnommen
werden,
dass
die
Regierungskoalition „noch“ in dieser Legislaturperiode zu einer
Regelung kommen will; die Bundesjustizministerin plant, bis Mitte
2007 einen Gesetzentwurf vorzulegen.
© 2007
16
Deutsche Ärztezeitung >>> Goll: Patientenverfügungen müssen verbindlich
sein <<<
25
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Nun haben wir als Bürgerinnen und Bürger durchaus Verständnis
dafür, dass die Regierungskoalition zukunftsweisende Reformen
auf den Weg bringen will, wenngleich dies nicht hinderlich sein
sollte, ein seit Jahren höchst sensibles und kontrovers diskutiertes
Thema endlich einer Klärung zuzuführen.
Der Regelungsbedarf ist unverkennbar, nicht zuletzt auch
deswegen, weil in der Sterbehilfediskussion nicht selten Positionen
von Interessenverbänden vertreten werden, die über ein
alltagstheoretisches Räsonnieren nicht hinaus kommen: es fehlt
mancherorts die erforderliche Sensibilität für die höchst
bedeutsamen Fragen am Ende Lebens und zwar insbesondere mit
Blick auf die mit der Sterbehilfedebatte verbundenen
verfassungsrechtlichen Fragen.
Hiervon
scheinen
gelegentlich
manche
Juristen
nicht
ausgenommen, zumal vereinzelt die These vertreten wird, als dass
der zustände Strafsenat beim Bundesgerichtshof in seiner
berühmten „Kemptener-Entscheidung die Sterbehilfe bzgl. der
Wachkoma-Patienten bereits legalisiert habe.
Dem ist mitnichten so, da eine solch weitgehende Kompetenz dem
BGH nicht zukommt, mag er auch im Einzelfall aufgrund des
Justizgewährleistungsanspruchs zur Entscheidung berufen
gewesen sein. Gleiches gilt für den 12. Zivilsenat beim BGH, der
über den Wachkoma-Patienten Peter K. zu entscheiden hatte.
Es ist in Erinnerung zu rufen, dass ausnahmslos der Gesetzgeber
aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes aufgerufen bleibt, endlich
die drängenden Fragen am Ende des Lebens zu regeln.
© 2007
An Aktivitäten hat es in den letzten Jahren jedenfalls auf Seiten
der Rechtswissenschaft nicht gemangelt. Zu erinnern ist hier u.a
an den 63. Deutschen Juristentag im Jahre 2000, wo J. Taupitz ein
Rechtsgutachten mit der Fragestellung „Empfehlen sich
zivilrechtliche
Regelungen
zur
Absicherung
der
Patientenautonomie am Ende des Lebens?“ vorgelegt hat. Die
Antwortung der konkreten Fragestellung dürfte nicht überraschend
sein: ja!
26
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Zwischenzeitlich haben verschiedene Enquete-Kommissionen
getagt, ihre Voten abgegeben und der Gesetzgeber dürfte sich
eigentlich in einer recht komfortablen Position wähnen: er kann auf
einen Fundus an Informationen zum Problemkreis zurückgreifen,
um so seinen Aufgaben nachkommen zu können.
Aktuell hat der Nationale Ethikrat unter dem 13.07.06 seine
Stellungnahme zur „Selbstbestimmung und Fürsorge am
Lebensende“ vorgelegt und bereits im Vorfeld hat er sich zu den
Fragen rund um die „Patientenautonomie“ positioniert. Für eine
gewisse Kontinuität in den entscheidenden Rechtsfragen bürgt
allein der Umstand, dass J. Taupitz neben seiner
Gutachtertätigkeit für den seinerzeitigen 63. DJT auch als Mitglied
im Nationalen Ethikrat mitwirkt.
Und dennoch: der Gesetzgeber schweigt gegenwärtig beharrlich,
mal von einzelnen Verlautbarungen einzelner Mandatsträger
abgesehen, die eine baldige Regelung in Aussicht stellen.
Offensichtlich hat der Gesetzgeber das Problem, die vielfältigen
Expertisen, Stellungnahmen, Sondervoten etc. systematisch zu
erfassen, auszuwerten und dann in einen tragfähigen Normtext
einfließen zu lassen, wenn er denn überhaupt beabsichtigt, die mit
der Patientenautonomie am Ende des Lebens verbundenen
Rechtsfragen in einem Gesetz klären zu wollen.
Skepsis ist allemal angebracht, signalisiert doch die
Bundesministerin der Justiz, dass der Meinungsbildungsprozess
noch nicht abgeschlossen sei. Es drängt sich hier der Verdacht
auf, dass die politisch Verantwortlichen nicht über die erforderliche
Sachkunde verfügen. Dies mag für sich genommen noch kein
besonderes Übel darstellen, da in aller Regel die politisch
Verantwortlichen sich Expertenrat einholen (müssen), wie sich
unschwer an der geradezu inflationären Einsetzung von
Expertenkommissionen ablesen lässt. Auf keinen Fall hinnehmbar
ist aber, dass die mangelnde Sachkunde des Parlaments auf
© 2007
27
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Dauer zu einer Verneinung seiner Regelungspflicht führt17 und
demzufolge der Staat den ihm gegenüber den Patienten, Ärzten
und z.B. den Pflegenden obliegenden grundrechtlichen
Schutzpflichten nicht nachkommt und ihnen so in unzulässiger
Weise den Grundrechtsschutz vorenthält.
Möglichweise sind aber die politisch Verantwortlichen derzeit ein
wenig verwirrt über die Vielfalt der in dem Diskurs vertretenen
Auffassungen. Vollends kompliziert scheint die Sachlage dann zu
werden, wenn gleich zwei von der Regierung eingesetzte
Kommissionen miteinander konkurrieren und zu allem Überfluss
auch noch differente Auffassungen vertreten.
Die Bundesjustizministerin wird sicherlich auch registrieren, dass
jedenfalls die Profession der Ärzteschaft mittlerweile den Nutzen
von Patientenverfügungen wieder in Frage stellt und allenfalls in
Erwägung gezogen werden sollte, „Verfahrensbestimmungen“ zu
erlassen. Dies mag ein willkommener Anlass sein, dass
Gesetzesvorhaben über die Patientenverfügung einstweilen auf
Eis zu legen.
Erstaunlich ist nur, dass der parlamentarische Gesetzgeber mit
einem
ungeheuren
und
leidenschaftlich
geführten
Diskussionsaufwand über Monate (eigentlich Jahre) hinweg sich
dem überaus gewichtigen Problem des Dosenpfands18
angenommen hat. Es scheint, als habe das Dosenpfand in unserer
Gesellschaft einen höheren Stellenwert als der Grundrechtsschutz
der Bürger. Aber immerhin: das Dosenpfand wurde rechtlich
geregelt,
ohne
dass
hierzu
Heerscharen
von
Expertenkommissionen über die Jahre hinweg gebildet wurden.
© 2007
17
So auch Hollenbach, Grundrechtsschutz im Arzt-Patienten-Verhältnis – Eine
Untersuchung zur Umsetzung verfassungsrechtlicher Vorgaben im einfachen
Recht, 2003, S. 133
18
Um der Klarstellung willen: Das Beispiel des Dosenpfands ist von Kutzer,
ehemaliger Vorsitzender Richter beim BGH angeführt worden und erfährt hier nur
eine kleine Pointierung.
28
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Nun ist es zwar demokratiepolitisch fragwürdig, wenn sich die
politisch Verantwortlichen dauerhaft „vertreten“ lassen, aber die
Bedenken wiegen umso weniger, als dass jedenfalls namhafte
Experten sich dem Grundrechtsschutz dem Inhalte nach
annehmen und so den politisch Verantwortlichen
einen
Handlungsrahmen eröffnen.
Vielleicht will aber der Gesetzgeber noch den 66. Deutschen
Juristentag in der Zeit v. 19. – 22. September 2006 in Stuttgart
abwarten. Dort werden mehr als 3000 Teilnehmer erwartet und in
der Abteilung Strafrecht wird das Thema „Patientenautonomie und
Strafrecht bei der Sterbebegleitung“ behandelt. Zwar gibt es eine
Fülle von strafrechtlichen Expertisen zum Thema, hindert aber
nicht an einer nochmaligen intensiven Behandlung durch den
Deutschen Juristentag.
Der Homepage des Deutschen Juristentages19 – ein eingetragener
Verein - können wir entnehmen, dass „in mehreren
Fachabteilungen ... drängende rechtspolitische Fragen im
Interesse der gesamten Gesellschaft und des gesamten
Juristenstandes über alle Gruppeninteressen hinweg behandelt
(werden – L. Barth). Auf der Grundlage ausführlicher
wissenschaftlicher Gutachten und mehrerer Referate, die das
Problem von verschiedenen Seiten beleuchten, diskutieren die
Teilnehmer der Deutschen Juristentage mit dem Ziel, in Form von
Beschlüssen Regelungsvorschläge zu machen. Oft hat der
Gesetzgeber diese Beschlüsse des Juristentages aufgegriffen.“
© 2007
Zu Recht wird in der Homepage darauf hingewiesen, dass
teilweise in unserem Rechtsalltag Regelungen fehlen, die wir aber
dringend benötigen. Nach dem Selbstbekenntnis des Vereins
beeinflussen die Ergebnisse der Beratungen maßgeblich die
Gesetzgebung in Deutschland.
19
Die Teilnahme an den Deutschen Juristentagen steht jedem Interessierten
offen. An den Abstimmungen und damit den Beschlüssen des Juristentages
können jedoch nur Mitglieder des Vereins Deutscher Juristentag teilnehmen.
29
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Um so mehr muss die Enthaltsamkeit des Gesetzgebers
verwundern, zumal neben dem Deutschen Juristentag e.V. nahezu
alle
Verbände
und
Institutionen
(Bundesärztekammer,
verschiedene Landesärztekammer, Patientenvereinigungen und
Interessenvertretungen,
die
Anwaltschaft,
der
Deutsche
Richterbund und etwa die beiden großen Konfessionen) sich in
den letzten Jahren intensiv dem Thema gewidmet und einzelne
Regelungsvorschläge
betreffend
der
Patientenautonomie
unterbreitet haben.
Gelegentlich sind auch die BürgerInnen in repräsentativen
Umfragen zum Problem der Sterbehilfe gehört worden, um so über
die Expertengruppen hinaus der Diskussion insgesamt zur
(weiteren) demokratischen Legitimation zu verhelfen. Der Trend ist
hiernach unübersehbar: Die Bürgerinnen und Bürger in unserem
Land wollen überwiegend über die zentralen Entscheidungen am
Lebensende selber entscheiden. Ein eigentlich eindeutiges Votum
des
Staatsvolkes,
von
dem
jedenfalls
nach
dem
grammatikalischen Wortlaut des Grundgesetzes in Art. 20 Abs. 1
GG alle Staatsgewalt auszugehen hat20.
Was also dürfen wir von dem bevorstehenden 66. Deutschen
Juristentag erwarten?
20
© 2007
Dass hier demokratiepolitische Defizite zu beklagen sind, liegt auf der Hand.
Allein der Hinweis auf die parlamentarisch-repräsentative Demokratie erklärt nicht
die beklagenswerte Nichteinbindung des Staatsvolkes an wesentlichen
Grundsatzfragen unseres staatlichen Gemeinwesens, zumal in den Fragen, in
denen es um höchstpersönliche Entscheidungen des Einzelnen geht. Der Weg zu
mehr Demokratie und Partizipation ist freilich in der Staatsfundamentalnorm des
Art. 20 GG vorgezeichnet, wird doch nach dem eindeutigen Wortlaut der
Verfassungsbestimmung die Staatsgewalt vom Volke in Wahlen und
Abstimmungen (!) ausgeübt. Weshalb nun aber beharrlich die sog. plebiszitären
Elemente in unserer Verfassung für den Bereich der Abstimmungen geleugnet
werden, bleibt nach wie vor ein offenes Geheimnis der politischen Klasse.
30
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Nach diesseitigem Eindruck eine Bestandsaufnahme der bisher
schon in der rechtswissenschaftlichen Literatur vertretenen
Auffassungen, eine sich anschließende Diskussion und
Beschlüsse durch die ordentlichen Mitglieder des Deutschen
Juristentages, verbunden mit der Hoffnung, dass der
parlamentarische Gesetzgeber jedenfalls den Beschlüssen des
DJT Aufmerksamkeit schenkt, ohne hierdurch durch die
ergänzenden Stellungnahmen und Voten abermals irritiert zu sein
(freilich mit Blick auf den Meinungsbildungsprozess).
Die in den strafrechtlichen Kontext eingebundenen Fragen um die
Patientenverfügung werden sich aller Voraussicht nach dem
gewichtigen Problem der bis dato geltenden legislativen Vorgabe
des Fremdtötungsverbots nach den §§ 212, 216 StGB widmen.
Gerade durch das Verbot der Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB)
soll derzeit ein strikter Schutz vor Fremdtötungen bewirkt werden,
da dieses Verbot unabhängig vom Willen und der
Willensbetätigung des Patienten besteht.
Es ist evident, dass hierdurch der Selbstbestimmung des
Patienten am Lebensende eine Grenze gezogen ist, die er
(derzeit) nicht übersteigen kann, zumal in den Fällen, dass vielfach
der im Sterben liegende Patient oftmals nicht sein Leben selbst
beenden kann21 und er sich hierzu eines Dritten, vornehmlich
eines Arztes, bedienen müsste.
Der strafrechtliche Rahmen ist unbefriedigend und trägt vor allem
nicht
zur
Auflösung
des
verfassungsrechtlichen
Spannungsverhältnisses
zwischen
dem
staatlichen
Rechtsgüterschutz einerseits und dem Selbstbestimmungsrecht
des Patienten zu Gunsten seiner Lebensbeendigung andererseits
bei22. Eine Lösung allein aus der strafrechtlichen (und
zivilrechtlichen) Perspektive ist auch nicht zu erwarten, da dass
© 2007
21
So auch Hollenbach, Grundrechtsschutz im Arzt-Patienten-Verhältnis – Eine
Untersuchung zur Umsetzung verfassungsrechtlicher Vorgaben im einfachen
Recht, 2003, S. 293
22
Ebenso Hollenbach, ebenda, S. 294
31
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Strafrecht und Zivilrecht an die verfassungsrechtlichen Vorgaben
gebunden sind!
Erforderlich
dürfte
demzufolge
eine
intensive
verfassungsrechtliche Diskussion sein, aus denen dann
Maßgaben für das Straf- und Zivilrecht folgen. Gelegentlich
entsteht der Eindruck, dass in der Debatte der umgekehrte Weg
eingeschlagen wird, wonach auf der Ebene des einfachen Rechts
die höchst bedeutsamen Rechtsfragen entschieden werden.
Dieser Befund wird im Übrigen dadurch verschärft, dass trotz des
parlamentarischen Gesetzesvorbehalts bei grundrechtsrelevanten
Fragen die Judikative durch die Enthaltsamkeit des Gesetzgebers
zu Entscheidungen gezwungen wird und die Fachgerichte
gelegentlich
die
Dimension
der
verfassungsrechtlichen
Implikationen ihrer Entscheidungen nicht zu überblicken vermag.
Auch wenn die „Kemptener- Entscheidung des Strafsenats und die
des Zivilsenats über den Wachkoma-Patienten Peter K. beim BGH
vom Ergebnis her für vertretbar gehalten werden können, sollte
dies nicht den Blick darüber trüben, dass hier der BGH keine (!)
Rechtsanwendung in Form der Konkretisierung parlamentarischer
Vorgaben vorgenommen hat, sondern im Begriff ist, anstelle des
nicht tätig werdenden Gesetzgebers spezifische Regeln in einem
grundrechtsrelevanten und vor allem zentralen Bereich
aufzustellen23.
Diese Kompetenz steht dem BGH nicht zu, auch wenn wir
ansonsten darauf vertrauen dürfen und müssen, dass die Fragen
der Patientenautonomie im Arzt-Patienten-Verhältnis in guten
Händen bei den Richtern des BGH liegen, wie dies wohl
allgemeinhin für das Arztrecht schlechthin anzunehmen ist, denn
ansonsten ließe sich nach dem Selbstbekenntnis einzelner
Senatsmitglieder beim BGH die Abstinenz des Gesetzgebers in
Fragen des Arztrechtes nicht erklären.
© 2007
23
Hollenbach, ebenda, S. 294
32
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Gänzlich problematisch wird es dann allerdings, wenn sich
Senatsmitglieder dazu berufen fühlen, im Nachgang zu einer
Entscheidung in öffentlichen Vorträgen ihre Entscheidung oder
Beschlüsse zu kommentieren. Es drängt sich diesbezüglich der
Eindruck auf, dass die Senatsmitglieder sehr wohl um das
Dilemma wissen, ohne es nachdrücklich (jedenfalls in der
Öffentlichkeit) zu beklagen: die Enthaltsamkeit des Gesetzgebers!
Zwar wird vereinzelt wie in der übrigen Fachwelt darauf verwiesen,
dass hier der Gesetzgeber gefordert ist, wenngleich dieser Ruf
offensichtlich derzeit noch ungehört bleibt.
Es gibt gute Gründe dafür, anzunehmen, dass der Gesetzgeber
aufgrund der ihm obliegenden Schutzpflicht verpflichtet ist (!), tätig
zu werden.
In diesem Sinne darf den an der Diskussion beteiligten
Fachkreisen
und
insbesondere
den
Mitarbeitern
im
Bundesjustizministerium die durchweg instruktive Untersuchung
von Axel Hollenbach über den Grundrechtsschutz im ArztPatienten-Verhältnis (2003) zur Lektüre empfohlen werden. Auch
wenn in Teilen die in dieser Untersuchung vertretenen Positionen
nicht gänzlich unumstritten sind, kommt den Ausführungen zur
Schutzpflicht des Staates in dem grundrechtsrelevanten Bereich
mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzgebers eine überragende
Bedeutung zu.
Nicht die Fachgerichtsbarkeit, sondern der Gesetzgeber hat nach
sorgfältiger Abwägung der verfassungsrechtlichen Vorgaben die
Fragen rund um die Patientenautonomie und Sterbehilfe zu klären.
Dies gilt freilich nicht nur für eine ggf. zu akzeptierende autonome
Entscheidung
des
Patienten,
sondern
auch
für
die
Grundrechtsstellung und damit den Grundrechtsschutz der
weiteren, unmittelbar betroffenen Berufsgruppen, namentlich der
Ärzteschaft und der Pflegenden24.
© 2007
24
In diesem Sinne wäre es m.E. wünschenswert gewesen, wenn sich der
Nationale Ethikrat in seiner aktuellen Stellungnahme v. 13.07.06 deutlich zu den
33
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
.
Überdies geht es nicht an, dass derjenige, „der die Ethik nicht
fühlen kann oder will“25, das „Recht spüren muss“. Eine wie auch
immer geartete „Berufsethik“ lässt den Vorbehalt des Gesetzes im
grundrechtsrelevanten Bereich nicht obsolet werden! Das
Selbstbestimmungsrecht des autonomen Patienten findet seine
Grenze (auch) in den Grundrechen der anderen Beteiligten und
darf nicht zur Fremdbestimmung führen. Der Appell an einen
vermeintlich berufsethischen Grundkonsens enttarnt sich bei
näherer
Betrachtungsweise
als
eine
„standesethische
Grundrechtsschranke“, die dem Grundgesetz nun beileibe nicht
bekannt ist.
Von daher kommt auch den Standesorganisationen und
Berufsverbänden der verschiedenen Professionen nicht die
Kompetenz zu, über die „Standesethik“ höchst bedeutsame
Grundrechtsfragen für die Berufsgruppe verbindlich lösen oder
darauf zu vertrauen zu wollen.
Die oben aufgeworfene Frage, was wir vom Deutschen Juristentag
2006 erwarten dürfen, ist m.E. nicht leicht zu beantworten:
vielleicht am ehesten ein eindringlicher Appell an Gesetzgeber,
endlich seinen legislativen Verpflichtungen nachzukommen.
In der Sache selbst wird m.E. kein entscheidender
Paradigmenwechsel zu erwarten sein, da die differenten
Positionen gerade in der Strafrechtswissenschaft hinreichend
markiert sind und es zu befürchten ansteht, dass dem
Verfassungsrecht nicht der Stellenwert eingeräumt wird, dem es
ihm in der Diskussion um die Fragen der Patientenverfügung, dem
Selbstbestimmungsrecht und den Grundrechten betroffener Dritter
per se zukommen müsste.
© 2007
verfassungsrechtlichen Vorgaben und Verpflichtungen des Gesetzgebers
positioniert hätte.
25
In diesem Sinne: U. Riedel, Wer die Ethik nicht fühlen will, muss das Recht
hören, in F.A.Z. v. 07.05.01, bezogen auf die Embryonenforschung.
34
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Allenfalls die Beschlussfassung der ordentlichen Mitglieder des
Vereins könnte für einige Überraschungen sorgen, während
demgegenüber das Gutachten und die Referate in der
Strafrechtsabteilung zum Thema aufgrund der von den Autoren
schon bisher in der wissenschaftlichen Diskussion vertretenen
Positionen durchweg transparent sein dürften.
Folgende Gutachter und Referenten sind auf dem 66. Deutschen
Juristentag vorgesehen:
Gutachter: Prof. Dr. Torsten Verrel, Bonn
Referenten: Prof. Dr. med. Gian Domenico Borasio, München
Vors. Richter am BGH a.D. Klaus Kutzer, Karlsbad
Rechtsanwalt Wolfgang Putz, Berlin/München
Es erscheint an dieser Stelle außerordentlich reizvoll, eine
Prognose über den möglichen Inhalt der Expertisen abzugeben,
zeichnen sich doch einzelne Referenten neben ihrer Fachlichkeit
insbesondere auch durch einen besonderen „Missionierungseifer“
in der Sterbehilfededatte aus.
Wir alle haben an dem Schicksal des Wachkoma-Patienten Peter
K. dank der ihn und seine Erben betreuende Rechtsanwälte
aufgrund
eines
respektablen
öffentlichkeitswirksamen
Presseaufwandes regen Anteil nehmen können. Es verwundert
darüber hinaus nicht, dass bereits die erste BGH-Entscheidung
des XII. Zivilsenats aus 2003 u.a. durch W. Putz neben Borasio
und Eisenmenger durchaus wohlwollend und zustimmend
kommentiert wurde, sei doch immerhin dem BGH der erste Schritt
in die richtige Richtung gelungen, in dem der Patientenwille
gestärkt wurde. Prinzipielle verfassungsrechtliche Bedenkung
aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes wurden nicht erhoben.
Eher das Gegenteil wurde von den gemeinsamen Autoren
angenommen:
© 2007
35
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
„Wie schon die Deutsche Gesellschaft für Medizinrecht in ihren
Empfehlungen zum Thema „Arzt-Patienten-Verhältnis am
Lebensende“ ausgeführt hat, sollte man tunlichst eine
Überregulierung auf diesem Sektor vermeiden. Der Gesetzgeber
hat es aus gutem Grund bisher unterlassen, in diesen Bereich
einzugreifen. Ein auf einer vernünftigen Basis entstandener
Konsens aller direkt Beteiligten ist die beste Grundlage für das
ärztliche Handeln am Lebensende. Ein interdisziplinäres Konzil
unter Einbeziehung von Vertretern der Bereiche Recht,
Ethik/Theologie und Palliativmedizin kann in schwierigen Fällen
zur Konsensbildung beitragen und sollte in allen größeren
Krankenhäusern etabliert werden.“
Das von den Autoren vorgeschlagene und zur Diskussion gestellte
Entscheidungsdiagramm geht davon aus,
„dass erst die gemeinsame Ermittlung des Patientenwillen eine
ausreichende Grundlage für die Festlegung des Therapieziels und
damit für die medizinische Indikation darstellt. Ein solches
Vorgehen ist unseres! (scil. der Autoren) Erachtens im Einklang
mit den „Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung“ und den
„Handreichungen zum Umgang mit Patientenverfügungen“ der
Bundesärztekammer und entspricht der Maßgabe des BGH, das
Vormundschaftsgericht „nur in Konfliktlagen“ anzurufen.
Die hier vorgeschlagene Umsetzung des BGH-Beschlusses
beinhaltet kein strafrechtliches Risiko für Ärzte und Vertreter des
Patienten, denn nach der unverändert gültigen strafrechtlichen
Dogmatik des BGH beurteilt sich die Frage nach der
strafrechtlichen Schuld einzig und allein danach, ob der Wille des
Patienten beachtet wurde. Haben Arzt und Betreuer, wie ihnen
nun vom BGH erneut aufgegeben wird, dem Willen des Patienten
„Geltung verschafft“ und sein Sterben zugelassen, so handeln sie
© 2007
36
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
straffrei,
ohne
dass
es
auf
Vormundschaftsgerichts ankommt.“26
die
Einschaltung
des
Mit Verlaub:
Beim Lesen solcher Zeilen kommt man/frau nicht mehr aus dem
Staunen heraus. Den Medizinern sei es nachgesehen, wenn sie im
Eifer des Gefechts um der gerechten Sache willen keinen
weitergehenden Zugang zum Verfassungsrecht finden, wenngleich
dies nicht ohne weiteres entschuldbar ist. Denn schließlich
kommentieren sie einen Beschluss des BGH und aufgrund der
weit reichenden Aussagen sollte man sich schon der Mühe
unterziehen, die damit verbundenen Fragen über den reinen
Wortlaut der Entscheidung hinaus zu thematisieren. Dies gilt
freilich vor allem für die Juristen, die gelegentlich (auch) über den
Tellerrand eines Zivil- oder Strafrechtlers hinausschauen sollten.
Den Diskussionsteilnehmer sollte deutlich werden, dass es in
erster Linie um grundrechtsrelevante Entscheidungen geht, bei
denen nicht vor einer Überregulierung zu warnen ist, sondern in
Anlehnung an das Grundgesetz mit dem parlamentarischen
Gesetzesvorbehalt vielmehr eine Regulierung einzufordern ist!
So wenig wie die Senate beim BGH aufgerufen sind, mit ihren
Entscheidungen die legislativen Akte des Gesetzgebers
entbehrlich zu machen, gilt dies freilich auch mit Blick auf die
Grundsätze der BÄK zur ärztlichen Sterbebegleitung.
Es ist ohne Belang, ob sich ein vorgeschlagenes
„Entscheidungsdiagramm“ sowohl im Einklang mit der
Rechtsprechung des BGH befindet noch mit den soeben
erwähnten Grundsätzen der BÄK, denn beide habe sich an den
verfassungsrechtlichen Maßgaben zu orientieren! Nun wird wohl
keiner bestreiten wollen, dass weder dem BGH noch der BÄK die
Kompetenz zukommt, über derart gewichtige Aspekte des
© 2007
26
Borasio / Putz / Eisenmenger, Neuer Beschluss des Bundesgerichtshofs:
Verbindlichkeit von Patientenverfügungen gestärkt Dtsch Arztebl 2003; 100: A
2062–2065 [Heft 31–32]
37
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Grundrechtsschutzes „Recht“ zu setzen, dem wir als die
Rechtsgemeinschaft unterworfen wären.
Noch fataler freilich wäre es, wenn - wie erkennbar von den
Autoren vorgeschlagen – auf einen „vernünftigen Konsens“ aller
direkt Beteiligten gesetzt werden möge und in Zweifelsfällen ein
interdisziplinäres Konzil eingebunden wird, dass aus Vertretern
von Recht, Ethik, Theologie und Palliativmedizin bestehen soll,
dass dann in der Folge über gewichtige Fragen am Lebensende
entscheidet.
Hier disponiert dann das Konzil als interdisziplinäres Forum quasi
gesetzesvertretend über den Grundrechtsschutz des Patienten
und es stellt sich in pointierter Form die Frage, ob in den letzten
Jahren eine neue Staatsgewalt geboren wurde?
Eindringlich ist daran zu erinnern, dass es eine der vornehmsten
Aufgaben unseres Staates ist, seine ihm obliegenden
grundrechtlichen Schutzpflichten wahrzunehmen. Gerade diese
Schutzpflichten stehen einer staatlichen Passivität oder
Nichtbeteiligung entgegen und verlangt geradezu nach einer
parlamentarisch und ggf. kontrovers geführten Diskussion27, die
dann nachgänglich (demokratisch legitimiert!) in eine gesetzliche
Regelung mündet.
Es kann nicht angehen, dass bestimmte Professionen für sich
einen verfassungsfreien Raum reklamieren und der Gesetzgeber
dieses achselzuckend toleriert. Ein Konzil ersetzt nicht den
zwingend
geforderten
parlamentarischen
Gesetzgeber,
wenngleich nicht ausgeschlossen ist, dass der Gesetzgeber sich
zu einer solchen verfahrenstechnischen Lösung durchringen
könnte. Maßgeblich ist allein, dass die grundrechtsrelevanten
Konfliktlagen im Vorfeld hinreichend geklärt und in einem Gesetz
schonend zum Ausgleich gebracht werden.
© 2007
Im Gegensatz dazu plädiert der ehemalige Vorsitzende Richter am
BGH, Kutzer, mit Nachdruck dafür, dass endlich der Gesetzgeber
tätig werden möge, da insoweit viele Fragen offen seien. In einem
27
Vgl. auch Hollenbach, aaO., S. 296
38
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Interview in der Welt v. 30.09.0528 zufolge wird vom ehemaligen
Richter der Regierung vorgehalten, in Sachen „Sterbehilfe“
„versagt“ zu haben. Es sei ein unhaltbarer Zustand, dass wir
immer noch keine verbindlichen Gesetze haben.
Dieser Ansatz von Kutzer bürgt jedenfalls im Vorfeld für eine
ausgiebige Diskussionsgrundlage und es bleibt zu hoffen, dass er
diesen auch in solch pointierter Form konsequent auf dem 63. DJT
vertreten wird.
Dies wäre insbesondere deshalb zu wünschen, weil wider
Erwarten die Stellungnahme des Nationalen Ethikrats v. 13.07.06
eine
deutliche
Positionierung
in
den
entscheidenden
verfassungsrechtlichen Fragen vermissen lässt.
Sicherlich wird zu konzedieren sein, dass in einer Kommission die
Mitglieder nicht immer einer Meinung sind. Dies wird schon allein
deshalb nicht der Fall sein können, weil verschiedene
Professionen ihr Fachgebiet vertreten und es nicht zu erwarten
ansteht, dass mit Blick auf die fundamentalen Positionen die
einzelnen Mitglieder einen radikalen Paradigmenwechsel
vornehmen. Ein solches verbietet sich erkennbar für die Theologie,
Medizin und Jurisprudenz gleichermaßen.
Dennoch ist den Mitgliedern der Kommission die Möglichkeit
eröffnet, ein Sondervotum abzugeben und immerhin drei Mitglieder
haben sich in der Stellungnahme des Nationalen Ethikrates dazu
entschlossen.
Dies ist legitim und ich gestehe hier durchaus freimütig, dass ich
mir ein solches auch von den Juristen gewünscht hätte.
Die Reputation u.a. der Herren Taupitz und Dreier sind
unbestritten und ein Blick in ihre Publikationen offenbart bei
näherer Analyse eine gewachsene dogmatische Haltung, nach der
eigentlich kein Zweifel aufkommen dürfte, wie sie das Problem der
Patientenverfügung,
der
Selbstbestimmung
und
die
Sterbehilfeproblematik lösen würden. Hervorzuheben sei hier nur
© 2007
28
Die Welt v. 30.09.05 (online) - >>> mehr dazu <<<; ebenso Die Welt v.
15.10.05 (online) >>> mehr dazu <<<
39
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
das Gutachten von Taupitz, erstellt für den 63. DJT und die
Kommentierung von Dreier zum Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland.
Beide Rechtswissenschaftler positionieren sich seit Jahren in dem
verfassungs- und zivilrechtlichen Diskurs und setzen sich hierbei
intensiv mit ihren Kollegen auseinander, die ebenfalls mit
beachtlichen Argumenten ihre Rechtsposition vertreten.
Ein Blick in die gängige und umfangreiche Kommentarliteratur zum
Grundgesetz erleichtert demzufolge auch dem Gesetzgeber die
„Rechtsfindung“, mal von der Vielzahl zu dem Problembereich der
Sterbehilfe / Sterbebegleitung / Patientenautonomie etc. erstellten
Dissertationen, Monografien und Einzelbeiträgen ganz abgesehen.
Von
einer
fehlenden
Meinungsbildung, von
der
die
Bundesjustizministerin auszugehen scheint, kann also wahrlich
keine Rede sein.
In diesem Sinne wird hier dafür plädiert, dass endlich der
Gesetzgeber seine Aufgabe zur Regelung wahrnimmt. Weitere
Stellungnahmen sind durchaus entbehrlich und führen nicht zu
dem gewünschten Ergebnis einer Konsensbildung. Der
Gesetzgeber allein muss entscheiden!
Dies hat auch der Nationale Ethikrat nur wenige Stunden nach der
Veröffentlichung seiner Stellungnahme auf seiner Homepage
erfahren können. Es gibt mittlerweile Stellungnahmen29 zu der
Stellungnahme und es scheint, dass die Diskussion wieder am
Anfang beginnen wird, zumal weitere Stellungnahmen folgen
werden.
Hierfür mögen wir Verständnis aufbringen. Dies entbindet aber den
demokratisch legitimierten Gesetzgeber nicht, nunmehr im
Parlament ein Gesetz einzubringen, dass (hoffentlich) den
verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht.
© 2007
29
Unter anderem: Erklärung von Karl Kardinal Lehmann zur Stellungnahme des
Nationalen Ethikrates v. 13.07.06 >>> online lesen <<<; Bischof Huber kritisiert
Ethikrat in Sterbehilfe-Debatte (13.07.06) >>> online lesen <<<
40
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Dass dies nicht immer der Fall ist, belegt eindrucksvoll eine Reihe
von Judikate des Bundesverfassungsgerichts, so u.a. die
Entscheidung v. 15.02.2006 zum Luftsicherheitsgesetz, wo ein
Angriff auf die Menschenwürde abzuwehren war.
Wir dürfen also gespannt auf das Gutachten von Verrel zuwarten,
welches er im Auftrag des DJT zu den strafrechtlichen Aspekten
der Selbstbestimmung und Fürsorge erstellen wird. Auch Verrel
wird es an einer deutlichen Positionierung nicht mangeln lassen,
hat er doch bereits zusammen mit H. Schöch einen AlternativEntwurf zur Sterbebegleitung vorgelegt.30
Der Gesetzgeber wähnt sich also in der Tat nach dem Deutschen
Juristentag in einer sehr komfortablen Situation, hat ihn doch in
den letzten Jahren die Rechtswissenschaft und ein
interdisziplinäres Forum weitestgehend die Arbeit abgenommen.
Sollte dies immer noch nicht für einen Meinungsbildungsprozess
ausreichend sein, könnte die Regierung oder das zuständige
Fachministerium einen Wettbewerb nach dem Motto „Studenten
forschen“ mit einem Preis ausloben. Ich bin davon überzeugt, dass
mit Hilfe kritischer Begleitung durch die Professoren es den
juristischen Arbeitsgemeinschaften der Studenten gelingen wird,
parlamentarische Vorgaben für ein formelles und materiell
tragfähiges Gesetz zu entwickeln, die dann ebenfalls zur
Meinungsbildung beitragen können.
© 2007
Eines jedenfalls scheint aus der Sicht der Studentenschaft auch
ohne Prüfungszwang in den juristischen Klausuren gesichert zu
sein: Man/frau wird sich intensiv dem Vorbehalt des Gesetzes
widmen!
30
Alternativ-Entwurf Sterbebegleitung (AE-StB) (zusammen mit H. Schöch u.a.)
In: Goltdammer's Archiv für Strafrecht 2005, 553-624; Pressemitteilung .
41
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Frontalangriff auf Vertreter der Ärzteschaft, Kirchen, Parteien
und Regierungen!
Der Beitrag von Kurt F. Schobert (Augsburg)
Wie verbindlich sind verfassungsrechtliche Normen im
Pflegeund
Sterbealltag?
–
Antidemokratische
Blockadepolitik im Kielwasser elitären Kastendenkens
in Aufklärung und Kritik, Sonderheft 11/2006 >>> Quelle:
Web – Beitrag im pdf. Format <<<
erhebt erkennbar den Anspruch, einen Beitrag zur allgemeinen
Situation im Pflege- und Sterbealltag leisten zu wollen und ich
möchte hier die Gelegenheit nutzen, zur Nachdenklichkeit
anzuregen.
Kurze Stellungnahme (L. Barth):
Selbstbewusst führt K.F. Schobert einführend aus und ich darf
zitieren:
„Wer gravierende Meinungen, Mutmaßungen und
Vorhaltungen dieser Art äußert, sollte sich nicht auf
Stammtischniveau äußern. Deshalb die folgenden Thesen,
die sich mit dem Anliegen verbinden, aufzuklären,
wachzurütteln und Klischees zu enttarnen. Dabei bedient
sich der Autor auch des Stilmittels der paradoxen Intervention zum Nachweis der Inkompatibilitäten des
unzureichend ausgebauten freiheitlich-demokratischen
Rechtsstaats.“31
© 2007
31
Schobert, aaO., S. 95
42
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Über Stilfragen lässt sich nun vortrefflich streiten, wenngleich die
Frage nach einem möglichen „Stammtischniveau“ durchaus
problematischer Natur ist, und zwar insbesondere in den Fällen,
wenn in einzelnen Beiträgen der emanzipatorische Anspruch der
„Aufklärung“ nicht eingelöst wird und einen faden Beigeschmack
des
alltagstheoretischen
Räsonierens
über
zentrale
verfassungsrechtliche Fragestellungen hinterlässt.
Es scheint, dass in Zeiten einer allgemeinen Wertediskussion, bei
der es um die fundamentalen Werte der Würde des Menschen und
des Selbstbestimmungsrechts geht, manche Autoren die
Orientierung im ethischen Diskurs verlieren, wenn und soweit es
darum geht, einen fragwürdigen Anspruch als Sachwalter in
„Fragen eines guten Todes“ einnehmen zu wollen und gleichsam
der Versuchung nicht widerstehen können, phantasievoll auf der
Klaviatur des Verfassungsrechts spielen zu müssen, ohne hierbei
zu erkennen, dass allenfalls Disharmonien beträchtlichen
Ausmaßes komponiert werden.
Diejenigen, die da meinen, die „Diskussion für Tod“ gepachtet zu
haben, sollten sich zumindest der Mühe unterziehen, das höchst
konfliktund
spannungsgeladene
Problem
des
sog.
„Sterbenlassens“ emotionslos anzugehen, wird doch durch eine
allzu starke (professionelle oder verbandspolitische) Bindung an
das Thema der Blick für das Wesentliche getrübt.
Unabhängig von dem bemühten Stil der „paradoxen Intervention“
will der Autor Schobert nach seinem Selbstbekenntnis zunächst
„aufklären“, „wachrütteln“ und „Klischees enttarnen“ – und mit
Verlaub: wohl in erster Linie provozieren!
© 2007
Die Aufklärung über den Wertediskurs gelingt ihm in seinem
Beitrag nur mäßig, lässt er doch zentrale verfassungsrechtliche
Überlegungen außer Acht und er bedient sich zudem selbst der
Klischees, die er glaubt, enttarnen zu müssen. Das, was ihm wohl
augenscheinlich gelingen wird, ist die diesseits vermutete
43
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Provokation, ohne hierbei aber die interessierten Leser ernsthaft
aus der Reserve locken zu können.
Auch Schobert kommt nicht umhin, seinen Frontalangriff
insbesondere gegenüber den Ärzten und Kirchen zunächst mit
Hinweis auf die nationalsozialistische Zeit und das Zeitalter der
Inquisition einleiten zu müssen. Hier hätte er seinem eigenen
Anspruch durchaus gerecht werden sollen:
„Der moderne Verfassungs- und Rechtsstaat hat nicht die
Aufgabe, antiquiertes Kastendenken zu revitalisieren, als
käme es darauf an, elitär der ärztlichen, juristischen,
politischen
und
theologischen
Berufskasten
den
demokratischen
Willensbildungsprozess
umzubiegen,
zurechtzuinterpretieren und letzten Endes nicht den
Patienten und Betroffenen entscheiden zu lassen“32.
Es bedarf nicht des historischen Rekurses, um auf die Dringlichkeit
der Gegenwartsfragen aufmerksam machen zu müssen und noch
weniger
bedarf
es
der
mahnenden
Worte
der
„Gegenwartsphilosophen“, die Ärzteschaft als auch die Kirchen
daran erinnern zu müssen, dass auch diese in der Vergangenheit
eine in Teilen unrühmliche Rolle wahrgenommen haben.
Der Hinweis, dass
„(d)ie im weißen Kittel oder im schwarzen Talar verkleidete
Selbstherrlichkeit wird die verfassungsrechtlich verankerten
Abwehrrechte des Individuums zur Sicherung seines
Selbstbestimmungsrechts respektieren müssen.“33
© 2007
ist nicht nur entbehrlich, sondern vor allem auch eine rechtliche
Binsenweisheit,
während
demgegenüber
die
gerügte
„Selbstherrlichkeit“ der Ärzte oder Juristen auf ein durchaus
32
33
Schobert, aaO., S. 97
Schobert, ebenda
44
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
diskussionswürdiges Verhältnis zur Toleranz und sachgerechter
Kommunikation schließen lässt, die im übrigen der Autor selbst in
seinen späteren Ausführungen expressis verbis mit Blick auf die
Medien und tendenziell einseitiger Berichterstattung glaubt, rügen
zu müssen.
Vollends dramatisch werden die Ausführungen allerdings dann,
wenn der Autor versucht, mit demokratie-politischen Argumenten
aufzuwarten, um so seinen Hinweis erteilen zu können, dass wohl
auch die Kirchen eine unrühmliche Rolle in der gegenwärtigen
Wertediskussion einnimmt:
„Gegenpositionen, die diese Haltungen in Frage stellen
oder relativieren, sind vergleichsweise selten, obwohl
bekannt ist, dass die Kirche nicht eben eine Organisation
ist, die demokratisch geführt wird und insoweit am demokratischen Willensbildungsprozess lediglich eingeschränkte
Mitwirkungsrechte haben sollte. Medien, die sich entgegen
dem Willensbildungsprozess der Mehrheit der Bevölkerung
zum Sprachrohr kirchlicher Interessen machen (lassen),
widersprechen letztlich ihrem Auftrag, durch aufklärende
Berichterstattung
den
freiheitlich-demokratischen
Rechtstaat zu fördern. Damit sei nicht behauptet, dass es
auch andere Berichte und Meinungen in diesen Medien
gibt;
entscheidend
ist
die
Verhältnismäßigkeit;
entscheidend ist auch, ob die Leser redlich aufgeklärt werden, wenn die Vertreter von Ärzteschaft, Kirchen und
Parteien ihre Meinungen und Positionen verbreiten.“34
© 2007
Und spätestens nach diesem Zitat möchte ich hier die
interessierten Leser ausdrücklich dazu aufrufen, den Beitrag in
toto zu lesen.
Es offenbart sich ein seltsames Demokratieverständnis. Mir
persönlich ist nicht bekannt, dass die Kirchen am demokratischen
34
Schobert, aaO., S. 102
45
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Willensbildungsprozess nur eingeschränkte Mitwirkungsrechte
haben sollten? Vielleicht wäre an dieser Stelle ein Literaturhinweis
des Autors sinnvoll gewesen, oder darf vermutet werden, dass es
eine nicht interpretierte Arbeitshypothese des Autors ist?
Wenn dem so ist, darf darauf hingewiesen werden, dass die Kirche
als Institution in unserer säkularisierten Gesellschaft kein „aktives
Wahlrecht“ hat. Der Autor selbst zeigt aber in aller Deutlichkeit die
eigentliche Konsequenz seiner Forderung nach „weniger
Kirchenpräsenz“ auf, in dem er die Präsenz der Kirche in den
Medien rügt!
Aber mit Verlaub:
Helfen „Sprachverbote“, Einschnitte in die Meinungs- und
Pressefreiheit,
gleichsam
die
Beschränkung
sämtlicher
Kommunikationsgrundrechte einschließlich der Rezipientenfreiheit,
sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten, hier
weiter?
Gerade die ungehinderte Kommunikationsgesellschaft ist eine
unabdingbare
Voraussetzung
für
den
demokratischen
Willensbildungsprozess und es ist nicht ersichtlich, warum hiervon
aus
„demokratie-politischen
Gründen“
Institutionen,
Berufsverbände oder eben die Kirchen ausgeschlossen sein
sollen.
Wir befinden uns in einer säkularisierten Gesellschaft auf einem
bunten Marktplatz vielfältiger Meinungen, in dem wir alle
aufgerufen bleiben, uns rege im Diskurs über ethische
Grundsatzfragen
zu
beteiligen
und
keiner
der
Diskussionsteilnehmer kann für sich die Exklusivrechte und damit
das Monopol bei der Auslegung des Verfassungsrechts
beanspruchen, es sei denn, irgendwann wird einmal das BVerfG
zur Entscheidung aufgerufen, das dann als „Hüter der Verfassung“
sein Letztentscheidungsmonopol wahrzunehmen hat.
Dies wird wohl auch der Autor – aber eben nicht nur dieser akzeptieren müssen.
© 2007
46
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Abschließend sei noch die kurze Anmerkung gestattet, auch wenn
diese bei einigen Lesern für Unbill sorgen wird:
Weder die jetzige Ärzteschaft noch die Kirchen tragen gegenwärtig
die (Erb)Schuld für die indiskutablen und durch Nichts (!) zu
rechtfertigende Vergangenheit, sondern vielmehr mit der
gesamten Gesellschaft die Verantwortung dafür, dass solche
ethischen und moralischen Entgleisungen nicht wieder
vorkommen.
Hierfür hält unserer Grundgesetz ein verfassungsmäßiges
Programm bereit, dass auch über die „Schatten der
Vergangenheit“ hinaus der Verfassungswirklichkeit positiv
Rechnung tragen soll, so dass uns der Hinweis auf die Inquisition
und die Euthanasieverbrechen zuvörderst als Mahnung dafür
dienen sollte, wozu die Gattung Mensch fähig ist, nicht aber um
auf bestimmte Berufsgruppen in einem historisch bedeutsamen
Gegenwartsdiskurs über die bedeutsamen Fragen am Ende (oder
Anfang) des Lebens disziplinarisch einwirken zu können.
Dies gilt auch für den Juristenstand, der bekanntermaßen eine
ebenso unrühmliche wie auch inakzeptable Rolle in der
Vergangenheit gespielt hat und letztlich mit der Gesellschaft
aufgerufen bleibt, über die Gegenwart mit Blick in die weitere
Zukunft gemeinsam zu wachen. Hilfreich ist hierbei im Übrigen die
Erkenntnis, dass gerade im Verfassungsrecht der historischen
Auslegung der Grundrechte gelegentlich eine besondere Rolle
zukommt!
Und schlussendlich soll die Frage am Ende des Beitrages von
Schobert
© 2007
„Sind den mächtigen Kasten im Lande die Sterbenden
>minderwertig>?“35
aus meiner höchstpersönlichen Perspektive beantwortet werden:
Nein! und allein die Fragestellung offenbart die Notwendigkeit, in
35
Schobert, aaO., S. 107
47
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
dem Diskurs bei allen Beteiligten ein Höchstmaß an Sensibilität
anzumahnen, denn die Diskreditierung eines oder mehrerer
Berufstände oder Institutionen birgt ohne Frage die Gefahr in sich,
sich hierdurch möglicherweise einer stringenten Argumentation
entziehen zu wollen.
Den streitbaren Teilnehmern ist also durchaus ein bisschen mehr
an verfassungsrechtlichem Lesestudium zuzumuten, anderenfalls
droht der Diskurs tatsächlich auf dem „Stammtisch-Niveau“
entschieden zu werden und das wollen wir doch nicht oder?
© 2007
48
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Sendboten einer neuen Sterbekultur und die Funktion des
Strafrechts ?
Unsere Bundesjustizministerin sieht allen anderen voran keinen
strafrechtlichen Reformbedarf für die in Wissenschaft, Literatur
und Rechtsprechung heftig umstrittenen Fragen der Sterbehilfe
resp. der Sterbebegleitung.
Professionelle Bereichsethiker, aber auch die Anwaltschaft als ein
sog. Organ der Rechtspflege schicken sich an, dieses Terrain für
sich zu besetzen und die zur Gesetzgebung Berufenen hüllen sich
trotz guter Argumente für eine gesetzliche Regelung nach wie vor
in vermeintliches Stillschweigen – vermeintlich deshalb, weil
zumindest die Erklärungen nicht ganz unwesentlicher politischer
Mandatsträger eher darauf schließen lassen, dass es keine
strafrechtliche Neuregelung geben wird.
Eigentlich beansprucht das Recht für sich nach seinem
Selbstverständnis die Rolle, gesellschaftliche Probleme nach den
Wertmaßstäben und in den Grenzen des Verfassungsrechts
vernünftig regeln zu wollen. Prinzipiell gilt das - offensichtlich als
Mythos - zu enttarnende Grundideal, wonach alle Bürger – also die
Ärzteschaft – von den inhaltlichen Wertdefinitionen und deren
prozeduraler Verwirklichung gleichermaßen betroffen sind und sie
nachvollziehen sollten.
Sofern allerdings im Rahmen der von der Verfassung offen
gelassenen Wertungsspielräume diese nicht nur durch die
Vernunft, sondern auch gemäß den politischen und ökonomischen
Machtstrukturen ausgefüllt werden können, ist allemal Vorsicht
geboten. Dies gilt insbesondere mit Blick auf das Strafrecht, dass
nicht umsonst als angewandtes Verfassungsrecht bezeichnet wird.
© 2007
„Strafrecht ist das extremste, repressivste Mittel, mit dem der Staat
in die Grundrechte des Bürgers eingreifen kann. Denn die Strafe
impliziert symbolisch ein besonderes sozialethisches Unwerturteil
49
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
über den Menschen. Und sie leistet instrumentell eine
Übelszufügung, die - insbesondere im Falle des Freiheitsentzuges
- ein Höchstmaß an Lebenseinschränkung für den Bestraften und
an mittelbaren Auswirkungen für seine Lebenswelt nach sich zieht.
Unstreitig ist deshalb, dass die der Strafe äußerstes Mittel der
Sozialpolitik bleiben muss und dass sie besonderer Legitimation
und Anwendungssorgfalt bedarf.“
>>> vgl. dazu Böllinger, Betäubungsmittelstrafrecht, Drogenpolitik
und Verfassung (1999)
http://www.bisdro.uni-bremen.de/boellinger/Btmgstraf.htm
Auch wenn diese grundlegenden Gedanken Böllingers aus einem
Vortrag aus 1999 entlehnt sind, bleiben diese doch auch für den
aktuellen Wertediskurs mit Blick auf die Sterbebegleitung von
zentraler Bedeutung. Nicht nur, dass den Ärzten ein mehr an
Rechtssicherheit in den zentralen Fragen am Lebensende
zukommen sollte, bleibt festzustellen, dass das Strafrecht im
demokratischen Rechtsstaat nicht die Funktion übernehmen kann,
eine spezifische Berufsgruppe auf eine bestimmte „Kultur eines
guten Todes“ mittels Zwang zu verpflichten. Hierbei steht außer
Frage, dass nach wie vor der ärztliche Heileingriff vorbehaltlich
einer vollumfänglichen Aufklärung und Einwilligung des Patienten
tatbestandlich als eine Körperverletzung qualifiziert wird. Die
autonome Entscheidung des Patienten ist nicht nur zu
respektieren, sondern diese ermöglicht zuallererst überhaupt eine
ärztliche Heilbehandlung, mal von den Notfällen etc. abgesehen.
Das Rechtsgüterschutzprinzip kommt daher ohne Frage als
allgemeine Begründung, aber eben auch als Begrenzung
strafrechtlicher Grundrechtseingriffe in Betracht.
© 2007
Die Basis für eine Lösung der konfligierenden (Grund)Rechte
verschiedener Grundrechtsträger ist also in der Verfassung zu
erblicken und nicht, wie derzeit propagiert wird, auf der Ebene des
einfachen Rechts. Hier ist es wenig hilfreich, einen Reformbedarf
zu verneinen, sondern dem parlamentarischen Gesetzgeber
kommt vielmehr die Verpflichtung (!) zu, seine ihm obliegenden
50
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Schutzpflichten endlich wahrzunehmen. In einem modernen
Rechtsstaat wird es zunehmend für die Ärzteschaft unerträglich,
aufgrund vorhandener Regelungsdefizite über Gebühr den
Strafverfolgungsbehörden „ausgeliefert“ zu sein, wenn die durch
einen besonderen Missionierungseifer geplagten Sendboten einer
neuen Sterbekultur das Strafrecht als Plattform für egalitäre
Interessen instrumentalisieren. Es gibt derzeit keinen allseits
akzeptierten ethischen Konsens über eine „Sterbekultur“, sondern
allenfalls Grundbedingungen und Grenzen guter ärztlicher
Behandlung. Aber gerade die Grenzen sind es, die zunehmend
verschoben werden und hier gilt es, über verfassungsrechtlich
tragfähige Regelungen nachzudenken.
Der denkbar schlechteste Weg ist allerdings, die Augen vor einem
notwenigen Reformbedarf zu verschließen, da ansonsten alleine
auf dem Rücken der Ärzteschaft der historisch bedeutsame
Wertediskurs durch das Strafrecht entschieden wird, der dann in
der Folge kein Diskurs mehr ist, sondern allenfalls als das soziale
und strafrechtlich bedeutsame Unwerturteil über die mit
Strafanzeigen und ggf. Urteilen überzogenen Ärzte zu enttarnen
wäre.
Selbstredend ist hierbei, dass der Rechtsgüterschutz eine zentrale
Aufgabe des Gesetzgebers ist. Ebenso selbstverständlich dürfte
allerdings sein, dass das Strafrecht mit der Funktion seines
Strafens ein besonders schwerwiegendes sozialethisches
Unwerturteil über den Arzt impliziert, so dass höchste Eile geboten
ist, hier für ein Mehr an Transparenz und Rechtssicherheit zu
sorgen.
Wenn Ärzte dauerhaft mit Strafanzeigen bei der Behandlung ihrer
Patienten auch am Lebensende überzogen werden, ist dies ein
überdeutliches Signal für den parlamentarischen Gesetzgeber,
dass
die
von
der
Verfassung
offen
gelassenen
Wertungsspielräume von bereichspezifischen Interessengruppen
besetzt und ausgefüllt werden. Nicht die strafrechtlichen
Ermittlungsbehörden, sondern der Gesetzgeber hat die
grundlegenden
Bedingungen
eines
verfassungskonformen
© 2007
51
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Schutzpflichtkonzepts zu offenbaren und zu regeln, und – mit
Verlaub – noch weniger Interessenverbände und Vereine, die für
sich genommen durchaus mit ihren Vorstellungen über einen
guten und gerechten Tod gehört werden sollen, aber eben nur als
eine Stimme unter vielen im Wertediskurs.
Natürlich bleibt es den von einem medizinischen oder
pflegerischen Fehlschlag betroffenen Patienten unbenommen,
Strafanzeige gegen die behandelnden Ärzte zu stellen. Hieran
kann kein Zweifel bestehen.
Ein Unbehagen schleicht sich vielmehr dort ein, wo solche
individuellen Schicksale medial aufbereitet werden und die These
von dem Soziologen K. Feldmann von der „Instrumentalisierung
des Todes“ und des „Sterbens“ sich zu bewahrheiten scheint: Der
Prozesssieg - oder strafrechtrechtliche Ermittlungserfolg wird als
ein Sieg für die neue Kultur des Sterbens und der Grenzen der
ärztlichen
Behandlungspflicht
propagiert
und
jeder
medienwirksame Einzelfall scheint daher dazu geeignet, auf Dauer
„Recht zu produzieren“ – im Zweifel bis hin zum
Bundesgerichtshof, der dann in der Folge letztinstanzlich das
einfache Gesetzesrecht anzuwenden und auszulegen hat.
Kurskorrekturen
können
dann
nur
noch
vom
Bundesverfassungsgericht vorgenommen werden, vorausgesetzt,
die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen.
© 2007
52
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Der Arzt und die Pflegenden - ihr subjektives Recht zum
ethischen Ungehorsam versus dem Selbstbestimmungsrecht
des Patienten !?
Einige Gedanken zum bevorstehenden Kulturkampf um die
Würde des Menschen an seinem Lebensende
Wir haben darüber berichtet, dass das LG Traunstein in erster
Instanz die Klage der Erben des Wachkomapatienten Peter K.
über die begehrten Schadensersatzansprüche verneint hat.
Nunmehr hat das OLG München die Berufung der Kläger ebenfalls
als unbegründet zurückgewiesen und der Fall der Erben des Peter
K. geht in die nächste und entscheidende Runde vor dem BGH.
Auch im Rahmen des Revisionsverfahrens vor dem BGH darf
diesseits die Prognose abgegeben werden, dass der Revision kein
Erfolg beschieden sein wird und zwar aus den in den Vorinstanzen
dargelegten und nachvollziehbaren Gründen.
Der Fall um den Wachkomapatienten kommt also immer noch
nicht zur Ruhe und es stellt sich durchaus die Frage, ob die These
von der Instrumentalisierung des Todes nicht doch auf eine
beängstigende Art und Weise ihre Rechtfertigung findet.
Wir befinden uns scheinbar in einem fortwährenden Kultur- und
Rechtskampf um das hohe Gut der Würde des Menschen und
damit um höchst sensible Fragen sowohl am Ende, aber auch am
Beginn des menschlichen Lebens und es regt sich ein hohes Maß
an Unbehagen darüber, dass offensichtlich einige Juristen die
Herrschaft über die Definition der Würde des Menschen an ihrem
Lebensende mit einem beachtlichen Publikationsaufwand
übernommen haben, ohne hierbei die subjektiven Befindlichkeiten
und vor allem Rechte der an der Betreuung eines
Wachkomapatienten beteiligten Ärzte und Pflegenden hinreichend
zu berücksichtigen.
© 2007
53
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Vor dieser Schelte – und sie mag dem Autor hier aufgrund der
Staatsfundamentalnorm des Art. 1 GG nachgesehen werden –
war auch der XII. Zivilsenat des BGH in seinem Beschluss v.
08.06.0536 über den Wachkomapatienten Peter K. nicht gefeit,
ging doch der BGH mit einer erstaunlichen Leichtigkeit über die
Grundrechte der Ärzte und Pflegenden hinweg, ohne in eine
erforderliche umfassende Grundrechtsabwägung einzutreten37.
Das redliche Bemühen des BGH um eine sachgerechte Lösung
der anstehenden Rechtsfragen soll hier freilich nicht in Abrede
gestellt werden, wenngleich im Umgang mit den Grundrechten der
Beteiligten eine deutlichere Sensibilität anzumahnen war und ist.
Die nunmehr beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde vor dem
BGH mit Blick auf die Schadensersatzansprüche wird sich in erster
Linie darauf konzentrieren, in Anlehnung an die berühmte
Kemptener Entscheidung den Nachweis zu führen, dass der Fall
des Peter K. im Wesentlichen mit dem Sachverhalt, der der
Kemptener Entscheidung38 zugrunde lag, vergleichbar ist. Ein
solches ergibt sich zumindest aus der Pressemitteilung der
Prozessbevollmächtigten39 und es wird die Auffassung vertreten,
dass die Rechtslage spätestens seit dieser Entscheidung des 1.
Strafsenats beim BGH strafrechtlich höchstrichterlich geklärt sei.
Ob dem so ist, soll hier nicht weiter thematisiert werden,
wenngleich die Entscheidung des 1. Strafsenats nach wie vor
diskussionswürdig erscheint. Von wesentlicher Bedeutung ist
allein, dass das Zivilrecht nicht das erlauben kann, was das
Strafrecht verbietet40. Dies hat seinerzeit der XII. Zivilsenat des
© 2007
36
BGH v. 08.06.05 – XII ZR 177/03 – online in >>> Entscheidungssammlung des
BGH <<<
37
L. Barth, Der Wachkoma-Patient und ein „öffentlichkeitswirksamer“ Rechtsstreit
- die „zulässige Sterbehilfe“ aus anwaltlicher Sicht?! >>> mehr dazu
(pdf)
38
BGH v. 13.09.94, in NJW 1995, 204
39
Zur Pressemitteilung >>> mehr dazu <<<
40
So auch bereits BGH, Beschl. v. 17.03.03 – XII ZB 2/03 – (S. 13) >>>
Entscheidungssammlung des BGH <<<
54
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
BGH in seinem Beschluss v. 08.06.05 deutlich zum Ausdruck
gebracht, in dem er meint, dass die strafrechtlichen Grenzen der
Sterbehilfe im weiteren Sinn bislang nicht hinreichend geklärt
erscheinen (BGH, aaO., S. 8).
Gegenwärtig hat sich an dieser Rechtslage nichts geändert, wobei
ohnehin daran zu erinnern ist, dass hier ausnahmslos der
Gesetzgeber, und nicht wie vielleicht nach den Verlautbarungen
mancher Autoren zu vermuten anstehen würde, der Strafsenat des
Bundesgerichtshofs gefordert ist oder in der Folge bei differenten
Rechtsauffassungen zwischen dem 1. Straf- und dem XII.
Zivilsenat der sog. Große Senat beim BGH41.
Dies gilt umso mehr, als dass die Selbstbestimmung Sterbewilliger
in
der
deutschen
Rechtsliteratur
einschl.
der
verfassungsrechtlichen Literatur nicht nur einen diffusen Status42
hat, sondern vielmehr höchst umstritten ist. Hierbei ist von
zentraler Bedeutung, dass das einfachgesetzliche Recht, also
sowohl das Straf- als auch Zivilrecht, vom Verfassungsrecht ganz
maßgeblich mitbestimmt wird. Der Gesetzgeber ist insoweit
gefordert, sich den zentralen Verfassungsrechtsfragen am Ende
des menschlichen Lebens inmitten der Wertediskussion über die
Würde des Menschen stellen müssen. In diesem Sinne kann
durchaus
die
Prognose
gewagt
werden,
dass
die
gesetzgeberischen Aktivitäten - ähnlich denen der mit Blick auf die
Schwangerschaftsproblematik um die §§ 218 ff. StGB - mit
kritischem Interesse begleitet und letztlich einer Entscheidung
durch das Bundesverfassungsgericht zugeführt werden.
© 2007
Der Kulturkampf um die Würde des Menschen ist schon seit
geraumer Zeit (wieder) entfacht und es steht zu vermuten an, dass
41
In diese Richtung deutend wohl die Pressemitteilung der
Prozessbevollmächtigten, Zur Pressemitteilung >>> mehr dazu <<<
42
So zu Recht U. Kämpfer, Die Selbstbestimmung Sterbewilliger – Sterbehilfe im
deutschen und amerikanischen Verfassungsrecht, 2005 (Dissertation), S. 159
55
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
sich ein Konsens innerhalb unserer Gesellschaft und in der
geschlossenen Gesellschaft der Verfassungsinterpreten, der Zivilund Strafrechtler, der Theologen, der Philosophen und neuerdings
auch in vermehrter Form der Neurowissenschaftler nicht
abzeichnen wird. Das „Menschenbild der Lebenswissenschaften“
konkurriert mit dem „Menschenbild der Philosophie“; diese
wiederum mit dem „Menschenbild christlicher Prägung(en)“ usw.
Bischof Huber betont ebenso die religiösen Wurzeln unserer
gleichwohl säkularisierten Gesellschaft
"Nur die Religion erklärt mir, warum der Mensch seine
Würde nie verlieren kann", sagte Huber in einem "SpiegelGespräch43.
wie etwa Bischof Mixa, der unlängst bei der Forderung der
Einbeziehung des Gottesbezuges in eine Europäische Verfassung
unmissverständlich darauf hinwies,
dass die in den großen Rechtsordnungen der Moderne
festgeschriebene Unantastbarkeit der Menschenwürde eine
Rechtsnorm sei, die genuin aus dem jüdisch-christlichen
Erbe stamme44.
Eine Woche vor der Papstwahl veröffentlichte die "Süddeutsche
Zeitung" am 13. April einen Aufsatz von Joseph Ratzinger, in
dem der heutige Papst Benedikt XVI. auf die aktuelle Situation in
Europa und auf die Menschenwürde und Menschenrechte
eingegangen ist:
© 2007
„Unbedingtheit
der
Menschenrechte als Werte
43
44
Menschenwürde
und
Siehe dazu EKD – online >>> mehr dazu <<<
Quelle: katholisch.de >>> zur Mitteilung <<< v. 30.01.06
56
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Drei wesentliche Dinge dürfen in einem künftigen Europa
und seiner Verfassung nicht fehlen: Das erste ist die
Unbedingtheit,
mit
der
Menschenwürde
und
Menschenrechte als Werte erscheinen müssen, die jeder
staatlichen Rechtssetzung vorangehen. Günter Hirsch hat
mit Recht betont, dass diese Grundrechte nicht vom
Gesetzgeber geschaffen noch den Bürgern verliehen
werden, "vielmehr existieren sie aus eigenem Recht, sie
sind seit je vom Gesetzgeber zu respektieren, ihm
vorgegeben als übergeordnete Werte".
Diese allem politischen Handeln und Entscheiden
vorangehende Gültigkeit der Menschenwürde verweist
letztlich auf den Schöpfer: Nur er kann Rechte setzen, die
im Wesen des Menschen gründen und für niemanden zur
Disposition stehen. Insofern ist hier wesentlich christliches
Erbe in seiner besonderen Art von Gültigkeit kodifiziert.
Dass es Werte gibt, die für niemanden manipulierbar sind,
ist die eigentliche Gewähr unserer Freiheit und
menschlicher Größe; der Glaube sieht darin das Geheimnis
des Schöpfers und der von ihm dem Menschen verliehenen
Gottebenbildlichkeit. So schützt dieser Satz ein
Wesenselement der christlichen Identität Europas in einer
auch dem Ungläubigen verstehbaren Formulierung.
Nun wird heute kaum jemand direkt die Vorgängigkeit der
Menschenwürde und der grundlegenden Menschenrechte
vor allen politischen Entscheiden verleugnen; zu kurz
liegen noch die Schrecknisse des Nazismus und seiner
Rassenlehre zurück. Aber im konkreten Bereich des so
genannten medizinischen Fortschritts gibt es sehr reale
Bedrohungen: Ob wir an das Klonen, an die Vorratshaltung
menschlicher Föten zum Zweck der Forschung und der
Organspende, an den ganzen Bereich der genetischen
Manipulation denken – die stille Auszehrung der
Menschenwürde, die hier droht, kann niemand übersehen.
Immer wieder werden "gute Zwecke" vorgebracht, um das
zu rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist. Dazu
kommen in wachsendem Maß der Menschenhandel, neue
© 2007
57
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Formen der Sklaverei, das Geschäft mit menschlichen
Organen zum Zweck der Transplantation.“45
Das hohe Gut der Würde des Menschen scheint also bedroht zu
sein und in diesem Sinne verwundert es nicht, wenn die
Neukommentierung von Mathias Herdegen in dem altehrwürdigen
Kommentar zum Grundgesetz v. Maunz/Dürig auf reges und vor
allem
kritisches
Interesse
anders
denkender
Verfassungsrechtlicher46 stößt.
Bei allem gebotenen Respekt vor den mehr oder minder
gewichtigen verfassungsrechtlichen Stimmen in der neueren
Gegenwart dürfte es aber letztlich auf den wissenschaftlichen
Streit zwischen den Verfassungsrechtlern nur insoweit ankommen,
als dass ihre Beiträge und Kommentierungen ebenfalls in der
Konsequenz Glaubensbekenntnisse eigener Art darstellen und
insofern die Vielfalt der ohnehin noch kaum zu überblickenden
Thesen zur Würde des Menschen bereichern werden. Es werden
unablässig Stellungnahmen veröffentlicht, um so auf die zentrale
Bedeutung der in den Beiträgen enthaltenen Thesen und
Interpretationen hinweisen zu können – vielleicht in der Hoffnung,
es werde sich die Schar der Anhänger der
einen oder anderen Lehrmeinung vergrößern, um so dem
Gespenst von der herrschenden Lehre neue Nahrung geben zu
können.
Mit Blick auf das Selbstbestimmungsrecht des Alterspatienten und
dem Anspruch auf einen würdevollen Tod mag es daher um der
Bedeutung
des
Würdeprinzips
willen
Sinn
machen,
gebetsmühlenartig
darauf
hinzuweisen,
dass
das
Selbstbestimmungsrecht (auch) Ausdruck der Würde des
© 2007
45
Quelle: ZENIT - Die Welt von Rom aus gesehen. , Joseph Ratzinger: "Die
Seele Europas". Für Menschenwürde, Ehe und Familie und das Heilige. ROM,
28. April 2005 (ZENIT.org)
46
Böchenförde, Bleibt die Menschenwürde unantastbar? >>> zum Beitrag (pdf)
<<<
58
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Menschen ist und demzufolge die verfassungsrechtliche Lage klar
zu sein scheint.
Dem Argument von der Würde des Menschen kommt in der
Diskussion um die Sterbehilfe eine eminent wichtige Bedeutung
bei. Allein die Inbezugnahme der Würde des Menschen als
oberstes Wertprinzip unserer Verfassung zeitigt die unweigerliche
Konsequenz, dass bei einer Berufung hierauf nicht nur die
unterfassungsrechtlichen Rechte, sondern auch die Grundrechte
dergestalt „instrumentalisiert“ werden, als dass die Würde des
Menschen nicht abwägbar ist und demzufolge alle die mit ihr
konfligierenden Grundrechte sich der hohen Bedeutung des
Rechtsguts Würde unterzuordnen haben.
Die Folgen in dem Kulturkampf um den würdigen Tod eines
Wachkomapatienten sind denn auch unübersehbar. In weiten
Teilen der Rechtsprechung47 bemüht man sich nicht einmal mehr
um einen verfassungsdogmatischen Begründungsversuch, zumal
der Verweis auf das Würdeargument scheinbar jedwede weitere
Diskussion entbehrlich machen soll. Hier offenbart sich das
eigentliche Dilemma zeitgenössischer Interpretation in unserer von
einem Wertewandel heimgesuchten offenen und vor allem
pluralistischen Gesellschaft. Die Würde des Menschen als ein
objektiver Verfassungsbegriff gerät so in die bedenkliche Nähe
einer diffusen Metapher und allein der Rückgriff auf die Würde des
Menschen
verpflichtet
die
Rechtsgenossen
unserer
Rechtsgemeinschaft,
sich
diesem
hohen
Rechtsgut
unterzuordnen.
© 2007
Im Fall der Wachkomapatienten wird die Inpflichtnahme der Ärzte
und Pflegenden denn auch besonders deutlich. Es wird noch nicht
einmal mehr phantasievoll auf der Klaviatur der hoch abstrakten
47
So auch Dreier mit Hinweis darauf, dass „gegen derartige Tendenzen einer
»sinnverflachenden Inhaltsentleerung« ... auch die Judikatur nicht vollständig
gefeit (scheint), die nicht immer ... der Inflationierungsgefahr widersteht“, in
Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2004, Hrsg. H. Dreier, Art. 1 I Rdnr. 48
59
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Verfassungsnormen mit den widerstreitenden Thesen gespielt,
sondern der XII. Zivilsenat des BGH verweist in seinem Beschluss
v. 08.06.2005 lediglich darauf, dass den Mitarbeitern
„auch kein Verweigerungsrecht zu(stand), das sich aus den
in Art. 1, 2 und 4 GG verbürgten Rechten der Beklagten
oder ihrer Pflegekräfte ableiten ließe. Zwar sind die
Pflegekräfte der Beklagten auch in ihrer beruflichen
Tätigkeit Träger der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG).
Das bedeutet jedoch nicht, dass damit auch ihre ethischen
oder medizinischen Vorstellungen vom Schutzbereich des
Art. 1 Abs. 1 GG umfasst sind oder mit dem verlangten
Unterlassen in diesen Schutzbereich eingegriffen würde48.
Ein Verstoß gegen Art. 2 GG ist nicht ersichtlich;
insbesondere fand das Selbstbestimmungsrecht der
Pflegekräfte am entgegenstehenden Willen des Klägers
bzw. des für ihn handelnden Betreuers - also an den
"Rechten anderer" (Art. 2 Abs. 1 GG) - ihre Grenze. Die
Frage, ob das Verlangen des Klägers die Gewissensfreiheit
(Art. 4 Abs. 1 GG) des Pflegepersonals berührte, kann
letztlich dahinstehen. Soweit das Strafrecht die künstliche
Ernährung eines willensunfähigen Patienten gebietet49,
bedarf es eines Rückgriffs auf Art. 4 Abs. 1 GG nicht;
niemand darf zu unerlaubten Handlungen gezwungen
werden. Im Übrigen verleiht die Gewissensfreiheit dem
Pflegepersonal aber kein Recht, sich durch aktives
Handeln über das Selbstbestimmungsrecht des durch
seinen Betreuer vertretenen Klägers hinwegzusetzen und
seinerseits in dessen Recht auf körperliche Unversehrtheit
einzugreifen50.“
© 2007
48
Hier beruft sich der BGH auf Hufen in einer nicht veröffentlichten gutachtlichen
Stellungnahme zu der angefochtenen Entscheidung; zum Maßstab für einen
Eingriff in die Menschenwürde vgl. etwa BVerfGE 30, 1, 26
49
Wird näher unter Ziff. 2 des Beschlusses begründet.
50
Hufen NJW 2001, 849, 853
60
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Mit diesen wenigen Sätzen hat der BGH in seinem Beschluss
fundamentale Grundrechte angesprochen und ein halbwegs
nachvollziehbarer Abwägungsprozess im Rahmen des gebotenen
Prinzips der praktischen Konkordanz über konfligierende
Grundrechtspositionen wird schmerzlich vermisst. Zwar konzediert
der BGH immerhin, dass die Pflegekräfte auch Träger der
Menschenwürde sind, wenngleich hieraus aber nicht der Schluss
zu ziehen sei, dass damit ihre ethischen und medizinischen
Vorstellungen vom Schutzbereich des Art. I 1 GG umfasst seien
oder mit dem verlangten Unterlassen der künstlichen Ernährung in
diesen Schutzbereich der Pflegenden nicht eingegriffen würde.
Warum eigentlich nicht?
Die entscheidende Antwort bleibt der XII. Zivilsenat schuldig,
zumal doch dem BGH bekannt sein dürfte, dass er mit dem
Hinweis darauf, dass auch die Pflegenden Träger der
Menschenwürde sind, ein echtes verfassungsdogmatisches
Problem offenbart hat. Wenn sowohl der Wachkomapatient und
die Pflegenden resp. die Ärzte Träger der Menschenwürde sind,
wäre hier eine Kollision auf höchster Ebene zu lösen gewesen:
Würde gegen Würde und zwar trotz des grammatikalischen
Wortlauts in Art. I 1 GG, wonach die Menschenwürde unantastbar
sei.
Warum aber damit die ethischen und medizinischen Vorstellungen
der Pflegenden nicht vom Schutzbereich des Art. I 1 GG umfasst
seien, ist im wahrsten Sinne des Wortes eine „nicht interpretierte
These des BGH“, die aufzustellen er nur deswegen in der Lage ist,
weil der erkennende Senat beim BGH offensichtlich seine
ethischen, moralischen und medizinischen Vorstellungen in den
Normbereich des Art. I 1 GG hat einfließen lassen, zumal es nach
wie vor keinen (verbindlichen) objektiv feststellbaren Norminhalt
über die Würde des Menschen beim oder im Sterben gibt. Weder
die Verfassungsväter und Mütter haben hierzu Stellung bezogen,
noch das Bundesverfassungsgericht. Der (objektive) Wille der
Verfassungsväter lässt sich demzufolge nur subjektiv durch die
Verfassungsinterpreten beim BGH erschließen und somit ist die
Feststellung des BGH höchst subjektiver Natur, die nicht
© 2007
61
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
notwendigerweise dem ethischen und medizinischen Norminhalt
des Art. I 1 GG entsprechen muss.
Der normative Rang und der Anspruch auf die Absolutheit der
Menschenwürdegarantie weist demzufolge eine Tendenz zur
Trivialisierung auf und mündet so in eine „Floskel für
Sonntagsredner“ (Hilgendorf)51. Andererseits ist nicht zu
übersehen, dass bei Grundrechtskonflikten die Inanspruchnahme
der Menschenwürdegarantie „zu einem probaten Problemlöser
auch für hochkomplexe und epochale Entwicklungsprozesse“
(Dreier)52 führen kann, wodurch dann eine unübersteigbare Hürde
für konfligierende Grundrechte anderer Grundrechtsträger
aufgebaut wird.
Nun soll hier mit der Kritik an der Rechtsprechung des BGH und
anderen Norm- und Verfassungsexergeten keinesfalls behauptet
werden, dass es sich bei den Senatsmitglieder oder Autoren um
„Sonntagsredner“ handelt. Anzumahnen ist aber der zuweilen
unkritisch und unreflektierte Gebrauch des Würdearguments, wie
sich u.a. auch in der Schockwerbung für Benetton zeigt(e) und es
muss bei Berufung auf die Würde des Menschen ein beachtliches
Maß an juristischer Argumentationslast demjenigen aufgebürdet
werden, der sich hierauf beruft, wenn und soweit es darum geht, in
einem konkreten Einzelfall einen durchaus gewichtigen
Grundrechtskonflikt zweier subjektiver Grundrechtsträger zu lösen
oder jedenfalls in Teilen zu harmonisieren.
© 2007
Der Hinweis des BGH im Wachkomapatienten-Fall, wonach die
Frage,
51
Hilgendorf, Die mißbrauchte Menschenwürde. Probleme des
Menschenwürdetopos am Beispiel der bioethischen Diskussion, in Jahrbuch für
Recht und Ethik 7 (1999), S. 137ff. (138)
52
Dreier, Grundgesetz, aaO., Art. 1 I Rdnr. 46
62
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
ob „das Verlangen des Klägers die Gewissensfreiheit
(Art. 4 Abs. 1 GG) des Pflegepersonals berührte, ...
letztlich dahinstehen (kann)“,
offenbart
deutlich
das
Problem
zeitgenössischer
Grundrechtslösung in einem konkret individuellen Rechtsstreit.
Diese Frage kann eben nicht „dahinstehen“ und demzufolge
unbeantwortet bleiben, da es sich immerhin bei der
Gewissensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG um ein Grundrecht
handelt, dass (zunächst) vorbehaltlos gewährleistet ist und
Eingriffe hierin einen besonderen Legitimationsgrund erfordern!
Dem BGH konnte dieser Schluss nur gelingen, weil er durchaus
geschickt mit einem minimalen Argumentationsaufwand darauf
Bezug nimmt, dass wenn und soweit das Strafrecht eine künstliche
Ernährung des Patienten gebietet, es auf einen Rückgriff auf die
Gewissensfreiheit nicht ankomme, da niemand zu unerlaubten
Handlungen gezwungen werden dürfe. Dem ist in der Tat so und
auch die sich hieran anschließende Feststellung des BGH,
wonach im übrigen die Gewissensfreiheit dem Pflegepersonal kein
Recht
eröffnet,
durch
aktives
Handeln
über
das
Selbstbestimmungsrecht des Patienten hinwegzusetzen, um so
seinerseits in das Recht der körperlichen Unversehrtheit des
Patienten einzugreifen, ist für sich genommen plausibel. Aber die
Plausibilität dieses Schlusses ergibt sich allein daraus, dass hier
das Pflegepersonal aktiv gehandelt hat, in dem es die künstliche
Ernährung des Wachkomapatienten fortgesetzt hat, obgleich es
einen anders lautenden Willen des nicht mehr äußerungsfähigen
Patienten durch den Betreuer gab.
© 2007
Hierbei dürfte außer Frage stehen, dass jedweder Eingriff in die
körperliche und psychische Integrität und Konstitution zunächst
der Einwilligung des Patienten bedarf; dies gilt freilich auch für den
medizinischen Heileingriff, so dass der Patient überhaupt davon
Abstand nehmen kann, sich in therapeutisch zwingend
angeratenen Fällen behandeln zu lassen. Der Patientenwille als
63
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
wohlverstandener Ausdruck seines ihm ohne Frage zukommenden
Selbstbestimmungsrechtes ist oberste Richtschnur für eine noch
so
gutgemeinte
und
im
(vermeintlichen
und
daher
paternalistischen) Interesse des Patienten liegenden scheinbar
notwendigen Heilbehandlung. Dies wird die Rechtsordnung in
allen Teilen des Rechts akzeptieren müssen und zwar aus
durchaus guten Gründen. Der ärztliche wohlverstandene
Paternalismus im Sinne einer Fürsorge für die ihm sich
anvertrauenden Patienten und demzufolge auch die staatliche
Schutzpflicht mit seinem (paternalistischen) Rechtsschutz endet
dort, wo der Patient selbstbestimmt über den Beginn, den Verlauf
und
ggf.
auch
den
Abbruch
einer
medizinischen
Behandlungsmaßnahme bestimmt. Insofern hat der BGH durchaus
Recht mit seiner Feststellung, dass dem Pflegepersonal ein
aktives Handeln ebenso wenig ermöglicht wird wie dem ärztlichen
Therapeuten. Nimmt man unsere Grundrechte und dort in erster
Linie das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ernst, kann es
keinen Raum für einen ärztlichen und/oder pflegerischen
Paternalismus geben, der in der Folge dazu führen würde, dass
der Patient entgegen seiner nachhaltigen Willensbekundung mit
einer anderen Entscheidung „zwangsbeglückt“ wird.
Dieser normative Grundkonsens reicht aber nur soweit, wie er auf
den konkret individuellen Fall zutrifft. Das schlichte Unterlassen
und das Verweigern einer der das Gewissen der Ärzte und
Pflegenden belastenden, aber gleichwohl vom Patienten
gewünschten Behandlung erfordert eine weitaus intensivere
verfassungsrechtliche
Argumentation.
Das
Selbstbestimmungsrecht des Patienten ist ohne Frage ein sehr
hohes Gut, welches es zu bewahren und letztlich auch weiter
abzusichern gilt.
© 2007
Die
entscheidende
Frage
lautet
also,
ob
dass
Selbstbestimmungsrecht des Patienten in Verbindung mit dem
Würdeargument dazu führen kann, dass in der Folge etwa das
Grundrecht der Ärzte und Pflegenden auf ihre Gewissensfreiheit
auf Null reduziert wird und demzufolge auch eine schlichte
64
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Unterlassung verfassungsrechtlich ohne Belang wäre oder mit den
Worten des BGH gewendet, dahinstehen könne?
Ich meine nein, weil das Selbstbestimmungsrecht des Patienten
und freilich auch des Wachkomapatienten sich unweigerlich als
Fremdbestimmung über andere Grundrechtsträger erweisen
würde, so dass für einen inhaltsbezogenen Grundrechtsgebrauch
etwa aus Art. 4 Abs. 1 GG den Ärzten und Pflegenden kein Raum
mehr verbliebe.
Den Befürwortern der Sterbehilfe im weiten Sinn gelingt ihre
Interpretation von der Inpflichtnahme der Ärzte und Pflegenden
(nur) deshalb, weil sie sich einer unkritischen und unreflektierten
Lesart von der Würde des Menschen und damit des Patienten
bedienen, um so dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten an
seinem Lebensende ein entscheidendes Gewicht beimessen zu
können: Die unantastbare Würde.
Man wird es in der Diskussion schwer haben, dem
Selbstbestimmungsrecht des Patienten auf der Grundlage der
Staatsfundamentalnorm des Art. 1 Abs. 1 GG Grenzen ziehen zu
können, und zwar insbesondere solche Grenzen, die aus den
(Grund)Rechten Anderer resultieren. Das gewichtige Pfund von
der Würde (eines einzelnen) Menschen droht so die
Grundrechtspositionen der Ärzte und Pflegenden zu erdrücken,
ohne dass es offensichtlich hier zu einer Abwägung zwischen den
Grundrechten der Grundrechtsträger kommen soll.
© 2007
Es ist hier eine deutliche Zurückhaltung anzumahnen, was
einerseits die unmittelbare Ableitung von zwingenden gesetzlichen
Verboten53, aber auch scheinbaren Geboten aus dem
Menschenwürdeargument anbelangt. Dies gilt in erster Linie
deswegen, weil zugleich aus der Unantastbarkeit der
Menschenwürde das zentrale Argument für ihre ausnahmslose
Unabwägbarkeit folgt und demzufolge ist die Würde des
53
Vgl. Dreier, Grundgesetz, aaO., Art. 1 I Rdnr. 78 mit weiteren Nachweisen
65
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Menschen aus Art. 1 Abs. 1 GG jeder Abwägung mit anderen
Werten von Verfassungsrang entzogen54.
Dies zeitigt die bedeutsame Konsequenz, dass eine Antastung der
Menschenwürde auch nicht durch die Berufung auf
möglicherweise konfligierende Grundrechte Dritter oder sonstige
verfassungskräftige Rechtspositionen (etwa die Sicherheit vor den
Terrorgefahren) gerechtfertigt werden kann, mal von der
prinzipiellen
Möglichkeit
der
Würdekollision
zweier
Grundrechtsträger ganz abgesehen, wo die Pflichtenkollision
durchaus zu höchst problematischen Lösungen führen kann55.
Auch wenn hier nicht die offensichtlich ganz herrschende Lehre
von der Unabwägbarkeit der Würde des Menschen vertreten wird,
kann gleichwohl hieraus in erster Linie der Schluss gezogen
werden, dass eben der Berufung auf die Würde des Menschen
aus verfassungsdogmatischer und auch –theoretischer Sicht
54
So wohl die herrschende Meinung: siehe dazu Dreier, ebenda, Rdnr. 132 u.
Rdnr. 44 m.w.N. aus Literatur und Rechtsprechung. Vgl. auch Starck, in
Kommentar zum Grundgesetz, Band I, 5. Aufl. 2005, Art. 1 Abs. 1 Rdnr. 35,
wonach eine Abwägung und gegebenenfalls eine Einschränkung
verlassungsrechtlich erlaubt ist, soweit Menschenwürdeschutz gegen
Menschenwürdeschutz steht.
55
Die Problematik um den Schwangerschaftsabbruch ist geradezu
paradigmatisch für den Fall, dass auf höchster Ebene das höchste Gut in der
Verfassung, namentlich die Würde des Menschen (Embryo, Fötus, Mutter)
miteinander kollidieren können, jedenfalls dann, wenn man das
Menschenwürdeargument konsequent zur Anendung bringt. In diesem Sinne hat
Dreier durchaus Recht mit seiner Annahme, dass der Rekurs auf die
Menschenwürde zur weitgehenden Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen
über den Schwangerschaftsabbruch hätte führen müssen. U.a. die Urteile des
BVerfG zum Schwangerschaftsabbruch widerlegen also letztlich eindrucksvoll die
mancherorts geäußerte These, dass eine Abwägung mit der Würde nicht möglich
sei; das Bundesverfassungsgericht hat hier in den beiden Urteilen eine
(vermittelnde) Präferenzentscheidung zu treffen gesucht, ohne dass es dem
Gericht wirklich gelungen ist. Das Menschenwürdeargument scheint jedenfalls
vom Lebensrecht des Menschen entkoppelt zu sein (so auch Dreier, in
Grundgesetz, aaO., Art. 1 I Rdnr. 67)
© 2007
66
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
durchaus Grenzen gesetzt sind, da anderenfalls jedwedes
Argument von der Würde des Menschen unsere Verfassung mit
den Grundrechten und anderen tragenden Fundamentalprinzipien
buchstäblich aus den Angeln heben würde.
In diesem Sinne wird denn auch hier für die Zurückhaltung bei der
Berufung auf das (dogmatische) Argument von der
Menschenwürde geworben, da die Konsequenzen bei einer in die
Beliebigkeit
des
Interpreten
gestellten
Interpretation
unausweichlich sind: Der reale individuelle Rechtskonflikt etwa
eines Wachkomapatienten dient einerseits zum Zwecke der
Instrumentalisierung einer individuellen Verfassungsinterpretation
und andererseits dient er zur Begründung der Inpflichtnahme des
Dritten, sich strikt an eine nicht von der Verfassung als
verpflichtend vorgegebene (Pflege)Ethik orientieren zu müssen.
So sehr die These auch überzeugen mag, dass das
„Sterbenlassen ... zur Herausforderung gerade für die Pflege
in Pflegeheimen (wird)“, kann hieraus nicht der Schluss gefolgert
werden, dass es die „Pflege ... aus ethischer Überzeugung
tragen (muss) und nicht getrieben von juristischem Zwang“56.
Mit anderen Worten: wenn und soweit der Pflegende oder der Arzt
das
wie
auch
immer
geartete
Sterbenlassen
des
Wachkomapatienten nicht aus ethischer Überzeugung trägt, sei
juristischer Zwang geboten.
Eine solche Auffassung verkennt vollends die Tragweite und
Bedeutung der Grundrechte, aber auch den konsentierten Inhalt
der Staatsfundamentalnorm in Art. 1 des Grundgesetzes jedenfalls
innerhalb
der
(geschlossenen)
Gesellschaft
der
Verfassungsinterpreten. Bezeichnenderweise räumen in der Regel
die Kommentatoren zum Verfassungsrecht auch gleich zum
© 2007
56
Putz, Patientenrechte am Ende des Lebens, Vortrag auf dem 5. Deutschen
Medizinrechtstag der Stiftung Gesundheit – Recht und Ethik in der Medizin- v.
17.- 18.09.2004, S. 12, 13
67
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Beginn ihrer Kommentierungen (bereitwillig) ein, dass Verständnis,
Auslegung und Konkretisierung des Art. 1 Abs. 1 GG jeden
Rechtsanwender vor besondere Probleme stellen, die über den
Normfall der Interpretation unbestimmter, offener Normen auch
und gerade des Verfassungsrechts hinausgehen. „Das liegt vor
allem am ethisch-philosophischen Gehalt des MenschenwürdeSatzes, der gleichwohl als positivierte Verfassungsnorm in einer
weltanschaulich neutralen Rechtsordnung Geltung unabhängig
von einem bestimmten Glauben, einer bestimmten Ethik oder
Philosophie Geltung beansprucht“57.
Es überzeugt, wenn die Lehre davon (zunächst) ausgeht, dass
Verfassungsinterpretation keine Philosophie ist58, wenngleich die
Überzeugungskraft solcher Feststellungen unversehens binnen
weniger Zeilen wieder zur Disposition gestellt wird, in dem darauf
verwiesen wird, dass die mancherorts geführte Klage über die Last
der Philosophiegeschichte, die an der Menschenwürdegarantie
hafte, verwundern müsse59.
Dies verwundert in der Tat, ist doch unsere Verfassung und damit
auch der Grundrechtskatalog ein Spiegelbild fortwährender
Kulturkämpfe um das hohe Gut der Freiheit, der Autonomie und
damit freilich auch dem Selbstbestimmungsrecht in einer
säkularisierten Gesellschaft, in der sich eine Pluralität von
Würdekonzepten widerspiegelt und die zugleich einer
Harmonisierung bedürfen. Wenn wir redlich sein wollen, müssen
wir uns den fortwährenden Kampf um die Menschenwürdegarantie
die Würde eines jeden Einzelnen stets ins Bewusstsein rufen, um
so auch die Schranken und Grenzen einer emanzipatorischen,
mehr noch – einer kategorisch imperativen – Inanspruchnahme
mitdenken zu können.
© 2007
57
So etwa Dreier, Grundgesetz, aaO., Art. 1 I Rdnr. 1; ebenso Starck,
Grundgesetz, aaO., Art. 1 Abs. 1 Rdnr. 3 jeweils mit weiteren Nachweisen aus
der Literatur
58
So Starck, ebenda, Art. 1 Abs. 1 Rdnr. 4
59
Starck, ebenda
68
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Wer Freiheit, Selbstbestimmung, Autonomie und Würde für sich
reklamiert, muss diese auch dem Dritten konzedieren, ohne dass
damit das individuelle Würdekonzept zum Präferenzprinzip
erhoben und damit der egoistische Anspruch begründet wird, sein
(!) Würdekonzept habe Eingang in die Verfassung gefunden. Da
der Staat nicht um seiner Selbst willen besteht (hieran scheint er
gelegentlich zu erinnern sein), kommt ihm die eminent wichtige
Aufgabe zu, die differenten Menschenwürdekonzepte und –
begriffe miteinander zu harmonisieren60.
Der Staat übernimmt die moderne Rolle eines Mediators und
entwickelt hierbei ein Würdekonzept, dass sowohl statische als
auch dynamische Elemente enthalten kann, ja sogar enthalten
muss, will er auch der Verfassungswirklichkeit positiv Rechnung
tragen. Beispiele, die das eigentliche Dilemma zeitgenössischer
Würdekonzepte und ihre Lösungen für so manche Rechtsfrage
offenbaren, gibt es genug. Erinnert sei hier nur an die
Peepshowurteile des Bundesverwaltungsgerichts, an die
Prostitution und höchst aktuell mal wieder an die
Leichenpräsentation v. Hagens, der in einer von Arbeitslosigkeit
stark gebeutelten Region eine Werkstatt zur Plastination einrichten
möchte.
Der Verfassungsbegriff von der Würde des Menschen wird
argumentativ belebt und eine Schar von individuellen
Bereichsethikern mit ihren Moralvorstellungen zieht in die Schlacht
des bevorstehenden Kulturkampfes um den Wert oder Unwert der
Plastination menschlicher Leichen, so wie es vielleicht Sinn für
einen Beschwerdeführer gemacht haben möge, sich auf die
Verletzung seiner Würde zu berufen, in dem eine
Verwaltungsbehörde
in
einem
maschinell
erstellten
© 2007
60
Anders wohl Starck, der erst dieser Frage Bedeutung beimessen will, wenn die
historische Entwicklungslinie der Menschenwürdebegriffe nicht zum Erfolg führt:
Erst dann wäre daran zu denken, die philosophischen Menschenwürdebegriffe
auf ein gemeinsames Minimum zu untersuchen und dieses der Interpretation des
Art. 1 Abs. 1 GG zugrunde zu legen, Starck, Grundgesetz, aaO., Art. 1 Abs. 1
Rdnr. 4
69
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Verwaltungsakt seinen im Namen enthaltenen Umlaut mit –e
geschrieben hat.
Aber mit Verlaub – derartige Würdekonzepte sind zwar tolerierbar,
aber dennoch denkbar ungeeignet, um ein tragfähiges, auf
Konsens
angewiesenes
und
damit
der
Verfassung
entsprechendes Würdekonzept zu begründen, dass zuvörderst
den Anspruch erhebt, einen Grad an Verbindlichkeit zu
produzieren, dem dann sowohl die Staatsmacht als auch das
Staatsvolk gleichermaßen (einstweilen) unterworfen ist.
Partikularinteressen mögen zwar ihre Rechtfertigung in der Würde
des Menschen finden, wenngleich hiermit nicht zum Ausdruck
gebracht ist, dass hieraus gleichsam das Fundament der
Würdegarantie
einen
stetigen
Ausbau
mit
normativer
Verbindlichkeit erfahren muss, an der dann die Rechte Dritter
zwangsläufig scheitern müssen.
Sofern also die Bereichsethik in Gestalt einer Pflegeethik eine
neue (Rechts)Kultur des Sterbens einzufordern versucht, ist dies
legitim, wenn und soweit damit nicht zugleich der
emanzipatorische Anspruch einhergeht, diese Bereichsethik als
verpflichtend einzuführen.
Einer solchen quasi Recht setzenden Macht kommt weder der
Philosophie, der Religion, der Naturwissenschaft noch anderen
(Geistes)Strömungen zu; sie konkurrieren vielmehr miteinander
und der Staat hat um seiner bedeutsamen Aufgabe willen, die
Menschenwürde aktiv zu achten und zu schützen, eine
Mediatorenrolle mit Blick auf die Harmonisierung der insoweit
miteinander konfligierenden Würdekonzepte und damit den
Grundrechten überhaupt ein- und wahrzunehmen.
© 2007
Von daher ist es durchaus sympathisch, wenn der
Naturwissenschaftler und der Philosoph an die Grenzen seiner
Offenbarungsquellen stößt, wenn es um die Konstruktion eines
neuen „Menschenbildes“ geht und wiederum die Religion mit ihrem
transzendenten Bezug sich dem wissenschaftlichen Diskurs zu
70
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
stellen hat, wenn es um die Grenzfragen am Anfang und Endes
des Lebens geht. Allen Protagonisten der differenten
Würdekonzepte bleibt es unbenommen, sich in einem höchst
spannenden Kulturkampf zu Worte zu melden, aber mit Verlaub
stets in dem Bewusstsein, nicht mit ihren Argumenten immer und
sofort Eingang in das Würdekonzept der Staatsfundamentalnorm
des Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz zu finden, dass mit einem
ungeheuren
Grad
an
Rechtsverbindlichkeit
auf
ewig
festgeschrieben und garantiert ist.
Eine verfassungsstaatlich verordnete Kultur des Sterbens mit einer
entsprechenden kollektiven Zwangsverpflichtung kann und wird es
nicht geben und demzufolge sollte der Blick der Bereichsethiker
mit ihrem emanzipatorischen Anspruch auf durchaus praktische
Fragen gerichtet werden, wie der Konflikt im Konflikt bei der Hilfe
im Sterben zu lösen ist.
Nach diesseitiger Auffassung eröffnet Art. 4 des Grundgesetzes
vielmehr den Ärzten und den Pflegenden ein vorbehaltloses
(Grund)Recht (auch) zum ethischen Ungehorsam, dass es zu
akzeptieren gilt. Mag auch der Wunsch nach einer einheitlich
verpflichtenden Pflegeethik als Beleg für einen sichtbaren Erfolg
auf dem mühseligen Weg der Professionalisierung der
Pflegeberufe angesehen werden, so sind doch diesem Wunsche
beachtliche verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt.
In diesem Sinne ist diesseits an anderer Stelle eine Lösung
vorgeschlagen wurde, die sich durchaus als konsensfähig
erweisen könnte.
© 2007
So wie die drei Staatsgewalten zur religiösen Neutralität in unserer
säkularisierten Gesellschaft verpflichtet sind, so sind diese
gleichsam zur Neutralität in ethischen Grundfragen unserer
Gesellschaft verpflichtet und aufgrund ihres Schutzauftrages dazu
aufgerufen, die einzelnen Grundrechtsträger vor den Folgen einer
Zwangskollektivierung mit Blick auf eine pflegespezifische
Bereichsethik zu schützen.
71
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
In diesem Sinne geht es aber freilich nicht um die Frage, ob die
traditionelle abendländische Ethik zusammengebrochen ist
(Singer)61, sondern allenfalls um die Einsicht, dass die christliche
Kirche nicht mehr das Monopol in Sachen Weltanschauung, Werte
und ethische Orientierung für sich reklamieren kann62. Die
christliche Theologie und Kirche ist nach wie vor eine
gesellschaftlich relevante Größe in unserem säkularisierten
Gesellschaftssystem und diese bleibt ebenso wie andere
philosophischen Strömungen aufgerufen, ihr Wertdenken in einem
argumentativen Diskurs unter Bezug auf universell konsensfähige
Prinzipien einzubringen63.
Gerade in dem Bemühen, die Wertekonzepte Andersdenkender in
das ureigene Konzept von der Würde des Menschen zu
integrieren, zeigt sich die gebotene Toleranz auf der Suche nach
dem konsensfähigen Inhalt einer normativ verbindlichen
Menschenwürdegarantie. Ohne Toleranz in dem Diskurs über die
Grenzfragen am Beginn und Ende des menschlichen Lebens geht
in der Debatte die Würde und das Selbstbestimmungsrecht des
Einzelnen verlustig und der Kampfruf64
„Wer die Ethik nicht fühlen will, muss das Recht hören“65
ist lediglich nach diesseitiger Auffassung eine nicht ganz
unbedenkliche These, bei der der Wunsch der Vater des
61
© 2007
P. Singer, Leben und Tod, 1998, S. 7
62
Der Mensch und sein Tod, Grundsätze der ärztlichen Sterbebegleitung,
Fakultätsgutachten der Theologischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität
Greifswald für die Pommersche Evangelische Kirche (2001), Bl. 34 Quelle:
Kirche-MV: >>> zum Fakultätsgutachten (pdf) <<<
63
Fakultätsgutachten, ebenda
64
So F. Hufen, Erosion der Menschenwürde, in Juristenzeitung (JZ) 2004, S. 313
ff. (S. 319 Anm. 53)
65
U. Riedel, Wer die Ethik nicht fühlen will, muss das Recht hören, in F.A.Z. v.
07.05.01 mit Blick auf die Embryonenforschung
72
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Gedankens war. Es geht in der Diskussion nicht um eine Ethik, die
zu fühlen sei, sondern um höchst individuelle Werte in einem
staatsfreien Raum, die von dem Recht einschließlich des
Verfassungsrechtes nicht vorgegeben werden können, sondern
vielmehr vom Staat zu achten und zu schützen sind. Das
subjektive (Rechts)Verständnis von der eigenen Ethik mit
vorgeblicher Verbindlichkeit findet freilich dort seine Grenze, wo
die Partikularethik mit anderen Ethiken kollidiert oder zu kollidieren
droht, so dass der Gesetzgeber oder in Ersetzung dessen die
Judikative gehalten ist, einen schonenden Ausgleich der
widerstreitenden Ethiken und Moralen vorzunehmen, die sich dann
in den einzelnen Rechts- und Verfassungsnormen widerspiegeln.
Menschenwürde ist ein interdisziplinär zu erarbeitender Begriff66,
der sich aus einem Erbe verschiedenster Strömungen und darauf
beruhender Konzepte und einem offenen Tatbestand künftiger
Werte zusammensetzt.
Problematisch scheint allenfalls zu sein, dass wir das Erbe etwa
großer Philosophen, Anthropologen und Theologen nicht wie im
Privatrecht ausschlagen dürfen, obwohl das Urteil darüber, was
der Würde des Menschen entspricht, nur auf dem jetzigen Stande
der Erkenntnis beruhen und keinen Anspruch auf zeitlose
Gültigkeit erheben kann67.
Diesen Spagat zwischen dem verfassungsrechtlich bedeutsamen
Erbe68 und den auf uns unweigerlich zurollenden Kulturkampf um
das Leben und Tod können wir zumindest in einem staats- und
interessenfreien Raum unseres Gewissens vollziehen, der
jedweden
Instrumentalisierungsversuchen
versperrt
bleibt.
Insofern besitzen wir in der Tat ein ethisches Recht zum
© 2007
66
P. Häberle, Menschenwürde und Verfassung..., in Rechtstheorie II (1980), S.
389 ff. (S.424)
67
BVerfGE 45, 187(229)
68
Bezeichnenderweise geht man ganz überwiegend in der
verfassungsrechtlichen Literatur von dem geistigen Erbe aus, dass letztlich auf
die Gegenwart wirkt: vgl. statt vieler Starck, Grundgesetz, aaO., Art. 1 Abs. 1
Rdnr. 5; welchen Einfluss die Präambel hierauf hat, soll einstweilen hier
unerörtert bleiben.
73
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
subjektiven Ungehorsam, wenn wir nicht unter Aufgabe unseres
Gewissens und eigener Werte unversehens in die ethische
Gemeinschaft eingemeindet werden wollen. Art. 4 Abs. 1 des
Grundgesetzes
bietet
uns
einen
exklusiven
und
verfassungsrechtlich geschützten Raum, die individuelle
Gewissensentscheidung auch tatsächlich zu leben, so dass es den
Ärzten und den Pflegenden anheim gestellt ist, ihre Einstellung zur
Sterbehilfe zu offenbaren, die dann jedenfalls Gehör in einem
rechtsstaatlichen Verfahren finden muss.
Mehr noch – bei all seinen künftigen Regelungen zur Sterbehilfe
wird der Gesetzgeber den Grundrechtsträgern die Möglichkeit
eröffnen müssen, dass ihre Gewissensentscheidung diese nicht in
einen Konflikt mit der Rechtsordnung bringt69. Die Glaubens-,
Gewissens- und Religionsfreiheit Dritter wird sich daher stets als
mitgedachte Schranke und Grenze bei der Ausformung des
Selbstbestimmungsrechtes des sterbewilligen Patienten erweisen
müssen und zwar unter der Maßgabe, dass alle konfligierenden
Grundrechte der Beteiligten im Kern und damit in ihrem
Wesensgehalt unangetastet bleiben.
In dem bevorstehenden Kulturkampf um die Würde und das
Selbstbestimmungsrecht des Menschen und über die (neue)
Grenzziehung des menschlichen Lebens an seinem Anfang und
Ende müssen wir nicht das Recht hören (und mit möglichen
69
© 2007
Siehe dazu auch Kämpfer, aaO. (Fn. 7), S. 341, der allerdings zunächst (wohl
einschränkend) davon ausgeht, „dass der Staat allerdings der Religions- und
Gewissenfreiheit von Ärzten und Pflegepersonal dadurch Rechnung tragen
(darf), dass er die Verweigerung der Mitwirkung an einer passiven Sterbehilfe
erlaubt, insbesondere wenn sie nicht lediglich eine Unterlassung, sondern aktiven
Handeln von den Beteiligten verlangt (z.B. bei der langsamen Reduzierung
künstlicher Ernährung und begleitender palliativer Pflege)“. Dies ist m.E. ein
richtiger Ansatz, wenngleich der Gesetzgeber hierzu nach meinem
Verfassungsverständnis und der Bedeutung des Art. 4 GG verpflichtet ist;
insoweit besteht für den Gesetzgeber kein Ermessens- und
Gestaltungsspielraum.
74
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Sanktionen nachhaltig spüren), weil wir nicht die scheinbar
verpflichtende Pflegeethik fühlen, sondern das Recht und damit
der Gesetzgeber und in Ersetzung dessen die Judikative bleibt
aufgefordert, die individuelle Gewissensentscheidung in einem
konkret individuellen Konflikt gebührend Rechnung zu tragen und
diese nicht „dahingestellt sein lassen“.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in jüngster Zeit (BVerfG, 1
BvR 357/05 vom 15.2.2006) erneut die Gelegenheit gehabt, sich
mit dem hohen Gut der Menschenwürde auseinanderzusetzen.
Bekanntermaßen hatte der Gesetzgeber den untauglichen
Versuch
im
Luftsicherheitsgesetz
unternommen,
durch
unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ein Luftfahrzeug
abzuschießen, das gegen das Leben von Menschen eingesetzt
werden soll. Wir schulden dem Bundesverfassungsgericht insofern
Dank, als dass wir als Tatunbeteiligte den vollen Schutz des
Grundgesetzes genießen und dadurch nicht unversehens Opfer
des Gesetzgebers in der Zukunft hätten werden können.
„b) § 14 Abs. 3 LuftSiG steht darüber hinaus im Hinblick auf
die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG (aa)
auch materiell mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht in Einklang,
soweit er es den Streitkräften gestattet, Luftfahrzeuge
abzuschießen, in denen sich Menschen als Opfer eines
Angriffs auf die Sicherheit des Luftverkehrs im Sinne des §
1 LuftSiG befinden (bb). Nur soweit sich die
Einsatzmaßnahme des § 14 Abs. 3 LuftSiG gegen ein
unbemanntes Luftfahrzeug oder gegen den- oder
diejenigen richtet, denen ein solcher Angriff zuzurechnen
ist,
begegnet
die
Vorschrift
keinen
materiellverfassungsrechtlichen Bedenken (cc).
© 2007
119
aa) Das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete
Grundrecht auf Leben steht gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG
75
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
unter dem Vorbehalt des Gesetzes (vgl. auch oben unter C
I). Das einschränkende Gesetz muss aber seinerseits im
Lichte dieses Grundrechts und der damit eng verknüpften
Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG gesehen
werden. Das menschliche Leben ist die vitale Basis der
Menschenwürde als tragendem Konstitutionsprinzip und
oberstem Verfassungswert (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 72,
105 <115>; 109, 279 <311>). Jeder Mensch besitzt als
Person diese Würde, ohne Rücksicht auf seine
Eigenschaften, seinen körperlichen oder geistigen Zustand,
seine Leistungen und seinen sozialen Status (vgl. BVerfGE
87, 209 <228>; 96, 375 <399>). Sie kann keinem
Menschen genommen werden. Verletzbar ist aber der
Achtungsanspruch, der sich aus ihr ergibt (vgl. BVerfGE
87, 209 <228>). Das gilt unabhängig auch von der
voraussichtlichen Dauer des individuellen menschlichen
Lebens (vgl. BVerfGE 30, 173 <194> zum Anspruch des
Menschen auf Achtung seiner Würde selbst nach dem
Tod).
120
Dem Staat ist es im Hinblick auf dieses Verhältnis von
Lebensrecht und Menschenwürde einerseits untersagt,
durch eigene Maßnahmen unter Verstoß gegen das Verbot
der Missachtung der menschlichen Würde in das
Grundrecht auf Leben einzugreifen. Andererseits ist er
auch gehalten, jedes menschliche Leben zu schützen.
Diese Schutzpflicht gebietet es dem Staat und seinen
Organen, sich schützend und fördernd vor das Leben jedes
Einzelnen zu stellen; das heißt vor allem, es auch vor
rechtswidrigen An- und Eingriffen von Seiten Dritter zu
bewahren (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 46, 160 <164>; 56, 54
<73>). Ihren Grund hat auch diese Schutzpflicht in Art. 1
Abs. 1 Satz 2 GG, der den Staat ausdrücklich zur Achtung
und zum Schutz der Menschenwürde verpflichtet (vgl.
BVerfGE 46, 160 <164>; 49, 89 <142>; 88, 203 <251>).
© 2007
121
76
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Was diese Verpflichtung für das staatliche Handeln konkret
bedeutet, lässt sich nicht ein für allemal abschließend
bestimmen (vgl. BVerfGE 45, 187 <229>; 96, 375 <399
f.>). Art. 1 Abs. 1 GG schützt den einzelnen Menschen
nicht nur vor Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung,
Ächtung und ähnlichen Handlungen durch Dritte oder durch
den Staat selbst (vgl. BVerfGE 1, 97 <104>; 107, 275
<284>; 109, 279 <312>). Ausgehend von der Vorstellung
des Grundgesetzgebers, dass es zum Wesen des
Menschen gehört, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und
sich frei zu entfalten, und dass der Einzelne verlangen
kann,
in
der
Gemeinschaft
grundsätzlich
als
gleichberechtigtes Glied mit Eigenwert anerkannt zu
werden (vgl. BVerfGE 45, 187 <227 f.>), schließt es die
Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der
Menschenwürde vielmehr generell aus, den Menschen zum
bloßen Objekt des Staates zu machen (vgl. BVerfGE 27, 1
<6>); 45, 187 <228>; 96, 375 <399>). Schlechthin verboten
ist damit jede Behandlung des Menschen durch die
öffentliche Gewalt, die dessen Subjektqualität, seinen
Status als Rechtssubjekt, grundsätzlich in Frage stellt (vgl.
BVerfGE 30, 1 <26>; 87, 209 <228>; 96, 375 <399>),
indem sie die Achtung des Wertes vermissen lässt, der
jedem Menschen um seiner selbst willen, kraft seines
Personseins, zukommt (vgl. BVerfGE 30, 1 <26>; 109, 279
<312 f.>). Wann eine solche Behandlung vorliegt, ist im
Einzelfall mit Blick auf die spezifische Situation zu
konkretisieren, in der es zum Konfliktfall kommen kann (vgl.
BVerfGE 30, 1 <25>; 109, 279 <311>).“70
© 2007
Gerade diese Entscheidung des BVerfG – und derer gibt es viele
Beispiele in der Judikatur des BVerfG – ist geradezu
paradigmatisch dafür, dass der demokratisch legitimierte
Gesetzgeber nicht ohne Weiteres die erforderliche Sensibilität für
70
Quelle: Entscheidungssammlung des BVerfG >>> zur amtlichen, vollständigen
Entscheidung des BVerfG <<<
77
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
bedeutsame Grundrechtskonflikte und –fragen besitzt, so dass in
der Tat nicht immer auf das Recht zu hören ist!
Der Staat wäre ohne die festgestellte Verfassungswidrigkeit bei
einem möglichen Szenario zum Täter geworden!
© 2007
78
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Sterbehilfe und Paternalismus
Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten
Sterbehilfe / Paternalismus / Grundrechte / Parlamentsvorbehalt /
Ethikrat / Deutscher Juristentag
Die
Stellungnahme
des
Nationalen
Ethikrats
zur
Selbstbestimmung und Fürsorge v. 13.07.06 hat die Diskussion
um den Grund und die Grenzen der Sterbehilfe neu belebt und zu
heftigen Diskussionen geführt.
Wir haben darüber berichtet und auf der Internetpräsenz des IQB
sind zeitgleich zwei Beiträge eingestellt worden, die sich mehr
oder minder dem zentralen Problem der Selbstbestimmung des
Patienten an seinem Lebensende unter verfassungsrechtlichen
Aspekten annähern.
Hieraufhin erreichten den Autor einige Zuschriften, die mich dazu
veranlassen, folgende ergänzende Stellungnahme abzugeben.
Es wurde auf dieser Homepage des Öfteren darauf verwiesen,
dass es nicht darum gehen kann, lediglich die „ganz herrschende
Meinung“ zu referieren und ggf. zu vertreten. Berufsständische
Institutionen, Gremien, Expertenkommissionen und einzelne
Personen mögen sich in dem vermeintlichen Diskurs über die
rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten einer möglichen und nach
diesseitiger Auffassung wünschenswerten Regelung der
Rechtsfragen am Lebensende durchaus positionieren, müssen
aber damit rechnen, dass in der Diskussion ihre Beiträge und
einzelne Verlautbarungen auch kritisch beleuchtet werden.
Nach diesseitigem Verständnis ist und bleibt es die vornehmste
Aufgabe des Gesetzgebers, seinen Regelungsaufgaben aufgrund
des Vorbehalts des Gesetzes nachzukommen. Eine Delegation
auf sog. Ethik- oder Expertenkommission dient nach der Ziel- und
Aufgabenstellung solcher interprofessioneller Gremien allenfalls
nur dazu, einen Querschnitt für die in unserer Gesellschaft
vorhandenen und freilich divergierenden Auffassungen und
Meinungen liefern zu können. Dies gilt auch für den Deutschen
Juristentag, der allerdings seinen Blick in erster Line auf die
rechtlichen Fragen fokussiert. Da diese Fragen aber letztlich seit
© 2007
79
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Jahren inhaltlich und vor allem kontrovers diskutiert werden, steht
m.E. kein Paradigmenwechsel bei der grundrechtlichen Bewertung
des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten an. Der Gutachter
T. Verrel steht bekanntermaßen für einen bereits zur Diskussion
vorgelegten Alternativ-Entwurf für die (Straf)Rechtsfragen am
Ende des Lebens, der in eng begrenzten Fällen die Möglichkeit
eines „assistierten Suizids“ vorsieht. Dies ist auch nach
diesseitiger Auffassung zu begrüßen, kommt doch dem Staat die
Aufgabe zu, in erster Linie seine ihm obliegenden grundrechtlichen
Schutzpflichten wahrzunehmen, ohne dass diese in einen
staatlichen oder grundrechtlichen Paternalismus münden.
Dennoch wird hier die Prognose abgegeben, dass es eine
„Lockerung“ des Verbots nicht geben wird, konkurrieren doch in
unserem staatlichen Gemeinwesen gesellschaftliche Kräfte jeweils
mit ihren Visionen von einem gerechten und guten Tod: einerseits
wird der selbstbestimmte Tod der Herrschaftsgewalt des einzelnen
entzogen und dadurch wird der Tod sozusagen in die ethischen
und moralischen Vorstellungen der politischen und moralischen
Elite eingemeindet, während demgegenüber die Befürworter auf
ein subjektives Verfügungsrecht des einzelnen beharren. Beide
Positionen können für sich erhebliche verfassungsrechtliche
Argumente in Anspruch nehmen, die bereits Gegenstand
zahlreicher Publikationen waren.
Völlig unabhängig hiervon wird aber zu respektieren sein, dass
das Selbstbestimmungsrecht des Patienten im konkreten Einzelfall
nicht
zum
Fremdbestimmungsrecht
über
andere
Grundrechtsträger ausgestaltet werden kann. Insofern hat der
Gesetzgeber m.E. dafür Sorge zu tragen, dass es der
selbstverantworteten Entscheidung eines Arztes oder der
Pflegenden überlassen bleibt, ob sie an der Erfüllung eines
Wunsches des Patienten an einem „assistierten Suizid“ teilnehmen
wollen oder nicht. Wir müssen in diesem Zusammenhang nicht
den
Hippokratischen
Eid
bemühen,
um
die
Gewissensentscheidung der Ärzte oder der Pflegenden zu
akzeptieren, wie überhaupt die Verfassungswirklichkeit die ohne
Frage verdienstvollen Philosophen vergangener Jahrhunderte und
in manchen Teilen auch unsere Verfassungsväter und
© 2007
80
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Verfassungsmütter mit ihrem seinerzeit durchaus erheblichen
Willen überrollt hat. Dies zu akzeptieren, mag zwar im Einzelfall
schwierig sein, aber bereits die juristische Methodenlehre mit ihren
Vorgaben für die Verfassungsauslegung zeichnet uns den Weg
hierbei vor, in dem der historischen Auslegung eines Gesetzes nur
eine beschränkte Rolle beigemessen wird. Freilich können und
sollen wir aus der Geschichte lernen, aber die uns allen auferlegte
„Erblast“ der deutschen Vergangenheit und das „geistige Erbe“
großer Philosophen sollte nicht den Blick in der Diskussion um das
selbstbestimmte Sterben dafür trüben, dass es um die Einlösung
der grundrechtlichen Schutzverpflichtungen des Staates geht.
Wenn und soweit der Sterbewillige aufgrund einer freien und
selbstverantworteten Entscheidung aus dem Leben treten möchte,
haben wir einen solchen Entschluss zu akzeptieren. Hierbei steht
außer Frage, dass die Verfassungsmütter und –väter das
Grundgesetz als ein Gegenprogramm zur totalitären Missachtung
des Individuums formuliert hat. „Als Grundnorm personaler
Autonomie, individueller Selbstwerthaftigkeit und Subjektqualität
des Menschen in seiner wechselseitigen Anerkennung mit
anderen markiert Art. 1 I GG den fundamentalen Anspruch auf die
gleiche Würde aller“71. Der Blick in die deutsche Vergangenheit
schärft denn auch den Blick für die durchaus gewaltigen
Spannungslagen, die mit dem Thema verbunden sind.
Andererseits können die pervertierten und verwerflichen
politischen, rechtlichen, moralischen und rechtsethischen
Entgleisungen im Nationalsozialismus den heutigen Gesetzgeber
vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Verfassungswirklichkeit
nicht davon entlasten, den Grundrechten nicht ein zeitgemäßes
lege artis Programm geben zu wollen. Mag auch das sog.
Dammbruchargument für sich genommen schwer wiegen, so
obliegt es dem Gesetzgeber (resp. dann in der Folge der
Judikative) aufgrund seiner staatlichen Schutzpflicht, in einem
fortwährenden, gleichsam dynamischen Prozess eben diese
grundrechtlichen Schutzpflichten jeweils zu aktualisieren, wenn
© 2007
71
Vgl. dazu statt vieler: H. Dreier, Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1 (2004),
Art. 1 I Rdnr. 40
81
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
und soweit Beeinträchtigungen festzustellen sind. Gerade um der
zentralen Bedeutung des Menschenwürdearguments als ein
oberster Wert ist m.E. vor einer inflationären Inanspruchnahme
dringend zu warnen, gilt doch die Menschenwürde als ein
Absolutum in einer zutiefst relativistischen Wert. Die Würde des
Menschen präsentiert sich als eine Art zivilreligiöser Anker72 und
mahnt u.a. an die unsäglichen Entwürdigungen des
nationalsozialistisches Regimes, geht aber freilich über diese
Entwürdigungen hinaus und bedarf eines zeitgemäßen
Programms, ohne hiermit den historischen Kontext zu leugnen.
Die Motive für den Gebrauch des Menschenwürdearguments
mögen noch so ehrenwert sein, ändert aber nichts an der
gebotenen restriktiven Auslegung73, zumal ansonsten das
Argument von der Würde zu einer Superschranke der
nachfolgenden Grundrechte umfunktionalisiert wird, die letztlich
auch auf Partikularethiken bestimmter Professionen beruhen kann,
aber auf einen konsentierten Inhalt verzichten.
Von dieser Auffassung abzurücken, sieht der Autor derzeit keine
Veranlassung, zumal es den verschiedenen Professionen anheim
gestellt ist, ihre bereichsspefischen Berufsethiken zu formulieren
und hierfür zu werben. Einigkeit sollte vielmehr nur darüber
bestehen, dass aufgrund des hohen normativen Rangs der Würde
des Menschen es einer sehr sorgfältigen Argumentation bedarf,
dem Würdebegriff eine neue bereichsspezifische Partikularethik
zuzuordnen.
Die diesseitige Kritik an den bereichsspezifischen Ethiken richtet
sich vornehmlich an diejenigen Autoren, nach deren Auffassung
die Ethik die Legitimationsbasis dafür liefern soll, dass der
autonome Wille des sterbewilligen Patienten stets von jedem Arzt
oder den Pflegenden zu beachten sei. Dem ist m.E. nicht so, weil
die bereichsspezifische Ethik nicht zur Zwangsinstrumentalisierung
der zu respektierenden Gewissensentscheidung führen kann. Die
Lösung miteinander konfligierender Grundrechte kann nur im
© 2007
72
73
Dreier, ebenda, Art. 1 I Rdnr. 41 mit Hinweis auf Hilgendorf in Fn. 130
So auch Dreier, ebenda, Art. 1 I Rdnr. 41
82
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Wege der praktischen Konkordanz erfolgen und sollte nicht durch
eine durch eine Bereichsethik vorgegeben sein, die im übrigen
derzeit immer noch einer (demokratischen) Legitimation durch die
Professionellen entbehrt und es nicht zu erwarten ansteht, dass
diese je erreicht werden kann. Das Gewissen eines
Grundrechtsträgers in unserer Gesellschaft bedarf aus guten
Gründen keiner demokratischen Legitimation in einem
intraprofessionellen Raum, auch wenn anhand der ethischen
Generaldebatte und vor allem der Diskursethik hieran mehr und
mehr Zweifel aufkommen. Mit Blick auf das Argument von der
Würde des Menschen wäre dann in der Folge kein Raum mehr für
eine Grundrechtsabwägung und genau dies kann nicht der Sinn
einer bereichsspezifischen Arzt- oder Pflegethik sein. Wir müssen
nicht (!) das Recht hören, wenn wir die vorgegebene
Partikularethik nicht fühlen wollen, so wie es jedem Einzelnen
überlassen blieb, die Ausstellung von Hagens „Körperwelten“ zu
besuchen. Es kann keine einheitliche und verpflichtende und
daher auch normativ verbindliche Berufsethik verordnet werden,
mag auch die Ethik von der Moral unterschieden werden.
Hippokrates in allen Ehren, aber auch seine (!) berufsethischen
Vorstellungen finden seine Grenzen an dem Gewissen der
Professionellen und nur dies gilt es zu akzeptieren.
Problematisch und geradezu charakteristisch für unsere
Gesellschaft ist nun allerdings, dass im Kern der demokratischen
Legitimation durch das Staatsvolk in der gewichtigen Debatte
keine zentrale Rolle von den Verantwortlichen beigemessen wird.
Freilich wäre es wünschenswert, wenn wir als unmittelbar
Betroffene auch „mitentscheiden“ dürften, jedenfalls über das „Ob“
eines möglichen Sterbewunsches im Rahmen assistierter Hilfe.
© 2007
Der Nationale Ethikrat war bemüht, darzulegen, dass aus den
Meinungsumfragen – also den empirischen Befunden – der
Bevölkerung nicht abzuleiten ist, was ethisch richtig oder vertretbar
sei. Kurz gefasst: Die Meinung des Volkes sei zwar nicht ganz
unerheblich, erübrigt aber nicht die normative Prüfung, ob die
faktischen Wertungen nach den Kriterien des Rechts und der Ethik
83
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Geltung beanspruchen können (Stellungnahme des Nat. Ethikrats
v. 13.07.06, S. 8).
Dieser Befund wird in nicht ganz unbedenklicher Weise mit
Selbstverständlichkeiten untermauert, ohne hierbei die zentrale
Frage nach der verfassungsrechtlichen Bedeutung des
Selbstbestimmungsrechts
versus
den
paternalistischen
Bestrebungen des Gesetzgebers und/oder anderer Institutionen
und Interessenverbänden, den Bürger nicht in die Freiheit seines
selbstverantworteten Sterbens entlassen zu wollen, zu
problematisieren.
Natürlich bedarf es keiner besonderen Betonung, dass im
Angesicht des Todes alles, was jemand vorher über das Sterben
geäußert hat, vergessen sein kann (Stellungnahme, aaO., S. 4) –
aber ändert dies etwas an der verfassungsrechtlichen Qualität der
Selbstbestimmtheit des autonomen Willens? Mag auch das
Menschenbild des Grundgesetzes nicht dasjenige eines
selbstherrlichen Individuums sein, wie sich das BVerfG
auszudrücken pflegt, so bleiben dennoch die Grundrechte in erster
Linie subjektive Rechte, so dass hieraus folgend Präferenzen für
die Ideale der Selbstbestimmung, Autonomie und Unabhängigkeit
folgen (anders dagegen das Sondervotum v. Losinger, Radtke,
Schockenhoff in der Stellungnahme, aaO., S. 57).
In diesem Sinne wäre m.E. unter demokratiepolitischen
Gesichtspunkten betrachtet eine Volksentscheidung über das
prinzipielle „Ob“ einer assistierten Sterbehilfe wünschenswert,
eröffnet es doch dem Gesetzgeber über die Demoskopen hinaus
ein durchaus verlässliches Votum der unmittelbar Betroffenen über
die mögliche Grundrichtung einer legislativen Entscheidung.
Selbstredend hierbei ist, dass dem Gesetzgeber ein
Entscheidungs- und Beurteilungsspielraum bei der näheren
Umsetzung des Gesetzes zu konzedieren ist, der sich allerdings
an dem überragenden Grundrecht der Selbstbestimmung zu
orientieren hat und dieses nicht gegen Null reduzieren darf.
In diesem Sinne ist es denn auch verfehlt, nicht über die
Enttabuisierung des Todes auch im Sinne einer Selbsttötung
© 2007
84
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
diskutieren zu wollen. Das Sondervotum in der Stellungnahme des
Nationalen Ethikrates ist ein beredtes Beispiel für einen ethischen
und moralischen Paternalismus: allein die Angst davor, dass etwa
durch ein öffentliches Angebot einer organisierten Suizidbeihilfe
und Förderung einer institutionalisierten Suizidberatung der
Anschein von Normalität und gesellschaftlicher Akzeptanz für
Handlungen verliehen werde, die auf die Auslöschung des eigenen
Lebens gerichtet sind, ist für sich genommen ein außerordentlich
schwaches Argument. Es geht nicht um die gesellschaftliche
Akzeptanz oder um subjektive Befindlichkeiten bei der Beurteilung
einer patientenautonomen Entscheidung, sondern um die
Wahrnehmung eines Grundrechts durch einen Grundrechtsträger,
der für sich einen staatsfreien und von vermeintlich
übergeordneten Ethiken und Moralen freien Raum bei einer
ausschließlich
selbstbestimmten
Entscheidung
reklamiert.
Diese konsequente Grundhaltung schließt freilich nicht aus, dass
der
Staat
analog
der
Beratung
bei
beabsichtigten
Schwangerschaftsabbrüchen durchaus aufgerufen sein kann, den
Suizidenten Hilfen anzubieten! Die Hochschätzung des Lebens als
ein eminent hohes Verfassungsgut schließt es aber eben nicht
aus, hierauf selbstbestimmt verzichten zu können. Weder dem
Staat, noch einer zwangsbeglückenden Gattungsethik oder einer
Verantwortungsethik mit einer Heuristik der Furcht (Jonas) kommt
die Befugnis zu, den selbstbestimmten Tod zu einer öffentlichen
Veranstaltung zu instrumentalisieren. Das Individuum selbst
entscheidet selbstbestimmt über sein Leben und seinen Tod und
mit den Worten von Taupitz74 ausgedrückt, obliegt ihm hierfür auch
die Kehrseite der Medaille, namentlich die Last der durchaus
hohen Selbstverantwortung!
Das Dilemma in der Diskussion um fundamentale (Grund)Rechte
in unserer Gesellschaft spiegelt eigentlich das Kernproblem wider:
der Staat sollte seinen Mitbürgern, von dem er die demokratische
© 2007
74
So Taupitz, in Gutachten A zum 63. Deutschen Juristentag, 2002, Empfehlen
sich zivilrechtliche Regelungen zur Absicherung der Patientenautonomie am
Ende des Lebens?, A 13
85
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Legitimation erhält, mehr Verantwortung nicht nur zutrauen,
sondern vielmehr auch gewähren. Es geht nicht um die
Konservierung politischer Macht aufgrund eines zu vollziehenden
Spagats zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Kräften,
sondern um die Autonomie des Bürgers, u.a. die für ihn zentralen
Fragen selbst regeln zu wollen und zu können. Es geht eben nicht
darum, dass sich die Politik gesellschaftlichen Einstellungstrends
unter Umständen widersetzen muss, sondern ausschließlich
darum, in einem säkularen Verfassungsstaat das Sterben als ein
individuelles Geschehen zu akzeptieren.
Dies erkennt auch der Nationale Ethikrat bereits in dem Vorwort zu
seiner Stellungnahme an (S. 3) und mündet ohne Frage in der
verfassungsrechtlich bedeutsamen Schlussfolgerung, dass das
Sterben (grundsätzlich) der Selbstbestimmung des Einzelnen nicht
entzogen werden kann.
Wenn dem so ist, bedarf es der näheren Analyse, was dann in der
Folge mit vielfältigen ethischen Verbindlichkeiten, rechtliche
Auflagen und religiösen Erwartungen gemeint sein soll?
Die rechtliche Auflagen sind schnell mit einem Blick in das
Strafrecht und die höchstrichterliche Rechtsprechung ausgemacht,
ebenso wie die religiösen Erwartungshaltungen. Aber was sind die
vielfältigen ethischen Verbindlichkeiten?
Nach diesseitiger Auffassung kommt primär den rechtlichen
Auflagen eine besondere Bedeutung zu und gerade diese stehen
derzeit in ungewohnter Schärfe zur Diskussion an. In diesem
Sinne sind in erster Linie die Verfassungsrechtler gefordert, um in
der Debatte die Reichweite der grundrechtlichen Schutzpflichten
des parlamentarischen Gesetzgebers markieren zu können, denn
hier scheint ein besonderer Informationsbedarf gegeben zu sein.
Damit ist keineswegs zum Ausdruck gebracht, dass den Zivil- und
Strafrechtlern eine Teilnahme an der Diskussion verwehrt ist –
eher das Gegenteil ist anzunehmen, da auch die an sich
geschlossene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten „frischen
Wind“ bedarf, um über die bisher stereotyp vertretenen
Auffassungen hinaus sich nochmals der Kategorie der Rechtsethik
erinnern zu müssen. Auch wenn Verfassungsinterpretation keine
Philosophie, geschweige denn ein Glaubensbekenntnis ist, kommt
© 2007
86
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
gleichwohl der Rechtsethik insofern in der Debatte eine
entscheidende Rolle zu, als dass die legislative Entscheidung über
einen letzten und selbstbestimmten Individualakt des sterbenden
Menschen nur seine Rechtfertigung eben aus dieser Individualität
des betroffenen Individuums erfahren kann.
Weder die Diskursethik, noch ein Berufsethos oder die
theologischen Begründungsversuche der großen Konfessionen
entbinden den Gesetzgeber von der Verpflichtung, dass
Individuum in den Mittelpunkt seiner verfassungsrechtlichen
Betrachtungen zu stellen und hierbei darauf zu achten, dass der
individuell verantwortete Wille des Sterbewilligen nicht
unversehens einer zweifelhaften ethischen Superschranke zum
Opfer fällt.
Ein „Mehr“ an Entscheidungskompetenz sollten wir uns selber
zutrauen und ich persönlich verlasse mich nicht darauf, dass die
Abgeordneten ihres hohen Mandats bei den zentralen Fragen am
Anfang oder Ende des menschlichen Lebens gerecht werden. Die
demokratische Legitimation endet dort, wo es um höchst
individuelle Entscheidungen geht, die keiner demokratischen
Legitimation bedürfen. Demokratiepolitisch stellt sich also
durchaus die Frage, warum nicht das Staatsvolk zu dieser eminent
wichtigen Frage gehört wird? Dies setzt freilich voraus, dass wir
die Idee vom mündigen Bürger nicht nur denken, sondern auch mit
Leben füllen.
Der Nationale Ethikrat gibt zu bedenken, dass die Politik den
gesellschaftlichen Trends nicht immer folgen brauche und damit
die Frage nicht beantwortet sei, was als ethisch verbindlich zu
gelten habe.
Dem mag man/frau zustimmen können, wenngleich dies m.E.
gerade nicht für die patientenautonome Entscheidung am
Lebensende gilt. Hier geht es zuvörderst um das Individuum und
nicht um eine demokratiepolitisch fragwürdige Kultur des Sterbens!
Ein persönliches Votum:
Ich bin der festen Überzeugung, dass im Sterbeprozess oder bei
einer schweren Krankheit bei den meisten Betroffenen die
© 2007
87
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
demokratisch legitimierte und verbindlichkeitsstiftende Ethik keine
– jeweils nennenswerte – Rolle spielt und dass es nur darauf
ankommt, gemäß seinem freien und vielleicht auch letzten Willen
aus dem Leben zu scheiden. Bei mir persönlich lösen deshalb die
sog. leiborientierten Würdekonzepte ein großes Unbehagen aus,
wenn damit zugleich die Vorstellung verbunden wird, dass wir es
verlernt haben, aus den Schmerzen und dem erfahrenen Leid ggf.
auch positive Konsequenzen zu ziehen. Der sterbende Patient ist
m.E. nicht gehalten, am Ende seines verlöschenden Lebens
nochmals das hohe Gut der Freiheit zu kosten, in dem er seine
Grenzen wahr- und annimmt, in dem er fortan unter Schmerzen
leidet75. Seine ihm von der Verfassung wegen zu konzedierende
Freiheit besteht vielmehr darin, zwischen Alternativen zu wählen,
so dass er der alleinige Autor seines Todes und damit für den
Abschied aus dem Leben bleibt, mag er hierzu auch im konkreten
Fall der Hilfe Anderer bedürfen. In seiner Entscheidung bleibt er
frei und ihm bleibt es selbstverständlich unbenommen, gerade
aufgrund der Säkularisierung in unserem Verfassungsstaat sich für
eine der Todesethiken zu entschließen. Jedweder Versuch der
Instrumentalisierung des vermeintlichen guten - dramatischer noch
- besseren Sterbens enttarnt bei näherer Betrachtungsweise
einen ggf. ideologisch besetzten Paternalismus, der dazu führen
kann, dass bei der letzten Entscheidung des mündigen Bürgers
dieser vollends entrechtet wird. Die kollektive Todesethik wandelt
sich im Zeitpunkt der konkret anstehenden Entscheidung in eine
Individualethik um, die wir mit dem Begriff der PatientenAutonomie
umschreiben können.
© 2007
Ich danke für die Zuschriften.
Lutz Barth
75
Vgl. dazu ausführlicher: L. Barth, Kommentierung der Dissertation v.
Pleschberger, „Bloß nicht zur Last fallen“ – Leben und Sterben in Würde aus der
Sicht alter Menschen in Pflegeheimen, 2004 – hier im Komendium -
88
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Das „Recht des Komapatienten auf den eigenen Tod“ versus
der Gewissensentscheidung der Ärzte und Pflegemitarbeiter ?
- zugleich ein Plädoyer für die „Freiheit der
Gewissensentscheidung“
In aller Kürze
Die Rechtssicherheit für die Pflege und ihre Mitarbeitern ist nach
wie vor zu bezweifeln.
Die ärztlich angeordnete „Hilfe zum Sterben“ bindet nicht das
Pflegepersonal, wenn dieses die Entscheidung nicht mit ihrem
Gewissen vereinbaren kann.
Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten findet seine Grenze in
den Grundrechten der ihn behandelnden und pflegenden Ärzten
und PflegerInnen
Wer „Freiheit“ für sich reklamiert, muss diese „Freiheit“ auch
anderen konzedieren.
Der XII. Zivilsenat des BGH76 hatte die Frage zu entscheiden, ob
aus dem Heimvertrag dem Träger resp. den Mitarbeitern einer
Pflegeeinrichtung die Möglichkeit eröffnet wird, entgegen den
Weisungen des Betreuers in Übereinstimmung mit dem
behandelnden Arzt die beabsichtigte Einstellung der künstlichen
Ernährung zu unterlassen, nachdem das OLG München77 als
Vorinstanz dies grundsätzlich bejaht hatte.
© 2007
76
77
BGH, Beschl. v. 08.06.05 >>> in Entscheidungssammlung des BGH >>>
>>> OLG München >>>
89
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Wie zu erwarten war, haben die beiden Entscheidungen nicht nur
in der juristischen Fachöffentlichkeit erhebliche Resonanz
hervorgerufen78.
In dem nachfolgenden Beitrag geht es weniger um die zivil- und
strafrechtlichen Rechtsfragen für und wider einer „Sterbehilfe im
weiten Sinn“79, sondern vielmehr um die Ausstrahlungswirkung
des Verfassungsrechtes auf privatrechtliche Rechtsbeziehungen
bei der medizinische resp. pflegerischen Betreuung eines
Komapatienten.
Der Beschluss des BGH v. 08.06.05 wird im Kern mehr Fragen
aufwerfen, als das er Antworten zu einer höchst umstrittenen und
sich immer noch im interprofessionellen Diskurs befindlichen
Frage zum Grund und den Grenzen der „Sterbehilfe im weiten
Sinn“ zwischen Paternalismus einerseits und patientenautonomer
Entscheidung andererseits geben wird.
Problemorientierung
Die Sterbehilfediskussion „ist Teil eines sozialen Wandels der
Werte, Normen, Lebensstile und Technologien“80 und ... (das)
ritualisierte Wiederholen traditioneller oder standesbezogener
empirisch nicht abgesicherter Argumente und das Vermeiden von
Forschung lässt vermuten, dass es im Interesse wichtiger Gruppen
(Standesorganisationen der Ärzte, Kirchen etc.) liegt, die
tatsächliche Situation nicht zu erforschen, dagegen die eigenen
78
© 2007
Vgl. hierzu auch W. Putz / B. Steldinger, Grundsatzentscheidung des
Bundesgerichtshof im Fall des Komapatienten Peter K. (Traunsteiner Fall) –
Besprechung des BGH-Beschlusses v. 08. Juni 2005 und Darstellung der
jahrelangen BGH-Rechtsprechung zum Selbstbestimmungsrecht des Patienten
bei Behandlungsverweigerung (zur Veröffentlichung in PKR 3/2005, S. 57 ff.
vorgesehenes Manuskript)
79
Siehe dazu etwa Putz/Steldinger, aaO. (Fn. 3) mit einer Darstellung der
höchstrichterlichen Rechtsprechungsentwicklung.
80
Klaus Feldmann, Aktive Sterbehilfe: soziologische Analysen, Institut für
Soziologie und Sozialpsychologie, Universität Hannover, 2005, S. 1
90
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
normativen Postulate vermischt mit selektiven Erzählungen aus
der Praxis möglichst häufig und publikumswirksam zu
verkünden“.81
Der Soziologe Feldmann bringt in einer These zum Ausdruck,
dass „tatsächlich ... nicht die Sterbenden die Regie im Spiel
(führen), sondern andere, die das Sterben für sich
instrumentalisieren, für ihr Gewinnen – oder Scheitern“ und das
hieraus folgend „jegliche Beeinträchtigung des großen Geschäfts
verhindert werden (soll)“82.
Bei ihm wird das Problem der Sterbehilfe resp. der
Sterbebegleitung schärfer als gewohnt in der Literatur
umschrieben und er warnt (zu Recht!?) vor der sich
abzeichnenden Instrumentalisierung des Patienten. Gerade von
Gesundheits- resp. Finanzökonomen, die im übrigen als Experten
die politisch Verantwortlichen beraten, werden die zunehmende
Technisierung (Stichwort: Apparatemedizin) und das derzeitige
medizinische Wissen als Gründe dafür ins Feld des
„Meinungskampfes“
eingeführt,
dass
eine
„vernünftige
Ressourcenkalkulation“ gerade in der Medizin unabdingbar sei,
anderenfalls der drohende „Kollaps“ unvermeidbar sei.
Die damit verbundenen Fragen sind von größter Aktualität und
freilich Brisanz, da im Zweifel der Arzt angehalten werden könnte,
auch Kostenaspekte in seine ärztliche Entscheidung am
Lebensende seines von ihm zu betreuenden Patienten mit
einfließen zu lassen.
© 2007
„Darf, konkret gefragt, eine Behandlung insbesondere am Ende
des Lebens unterbleiben, weil sie ´zu teuer´ ist? Führt eine
Bejahung dieser Frage nicht zu der Konsequenz, dass (von wem
auch immer) der ´Preis des Lebens´ bestimmt wird, was offenbar
81
82
Feldmann, ebenda
Feldmann, aaO., S. 7
91
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
einen eklatanten Verstoß gegen die Menschenwürde beinhaltet,
zumal nicht einmal Leben gegen Leben abwägbar ist?“.83
Die
These
des
Soziologen
Feldmann
von
der
„Instrumentalisierung“ der Patienten an ihrem „Lebensende“ ist in
Anlehnung an die vorstehenden Überlegungen von Taupitz wohl
nicht von der Hand zu weisen, wenngleich die Problematik in
einem scheinbaren systemimmanenten Dilemma der Medizin
schlechthin besteht: „Eine Medizin, deren Selbstverständnis es ist,
Grenzen zu verschieben und zu durchbrechen, wird
Schwierigkeiten haben, nunmehr Grenzen anzuerkennen.“84
Die „Grenzen“ der Medizin werden durch die Bindung des
ärztlichen Heilbehandlungskonzepts
an die privatautonome
Entscheidung des Patienten nach der gebotenen ärztlichen
Aufklärung angekoppelt, so dass der Patient in einem „freien“ und
zudem selbst zu verantwortenden85 Willen eben die Grenzen der
Medizin in seinem individuellen Einzelschicksal selbst zu ziehen
vermag.
Der ärztliche Heilbehandlungsvertrag als Bezugspunkt
Die rechtliche Annäherung an den Problembereich der „Grenzen
einer Behandlungspflicht“ setzt freilich die Erkenntnis voraus, dass
nach der herrschenden Lehre der Heileingriff zunächst
tatbestandlich als Körperverletzung nach §§ 223 ff. StGB zu
qualifizieren und nur mit der Einwilligung des Patienten nach
erfolgter Aufklärung zulässig ist. Der Arzt bewegt sich demzufolge
bei der Ausübung seiner Tätigkeit in den allgemein gültigen
© 2007
83
So Taupitz, in Gutachten A zum 63. Deutschen Juristentag, 2002, Empfehlen
sich zivilrechtliche Regelungen zur Absicherung der Patientenautonomie am
Ende des Lebens?, A 25 mit Hinweis auf BVerfGE 39, 1, 59
84
so zu Recht Gallmeier/Kappauf, Wissen, Macht und Ohnmacht, in
Süddeutsche Zeitung (Nr. 290) v. 15.12.1999
85
Taupitz, aaO. (Fn.8), A 13
92
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Normen des Zivil- und Strafrechts, und zwar unabhängig davon,
dass sich die Ärzteschaft selbst über ihr eigenes Berufsrecht und
durch Richtlinien der Bundesärztekammer in weiten Teilen ihrer
Berufsausübung (rechtlichen) Bindungen unterworfen hat86. Es
wird zu Recht in der Literatur darauf hingewiesen, dass die
standesinterne Erzeugung von „verbindlichen Regeln“ und damit
die prinzipielle Möglichkeit der Sanktionierung nicht ohne weiteres
gerechte Lösungen im Verhältnis zum Patienten verbürgen, da die
Ärzteschaft auch eine ergebnisinteressierte Standesgemeinschaft
ist und insoweit durchaus ein Ungleichgewicht in der ArztPatienten-Beziehung rechtlich kontrolliert werden muss87.
Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II 1 GG),
das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG) und nicht zuletzt
die Schutzverpflichtung der
in Art. 1 I 1 GG als
Staatsfundamentalnorm mit einer Ewigkeitsgarantie ausgestaltete
Menschenwürde eröffnen es prinzipiell jedem Betroffenen, selbst
über seinen Körper und damit sein „Leben“ zu entscheiden, mag
diese Entscheidung auch aus der Sicht anderer noch so
unvernünftig sein.
Im Kern gewährt unsere Verfassung allen Bürgern und damit
freilich auch den Patienten bei ihren existentiellen Fragen am
Lebensende ein weit reichendes Selbstbestimmungsrecht über
ihren Körper und dieses steht „über einer wie immer gearteten
Schutzpflicht anderer für sein Leben. Folglich ist die (auf Abwehr
des Eingreifens anderer gerichtete) Autonomie und nicht das
Leben das höchste von der Verfassung geschützte Gut.“88
Das ehemals paternalistisch strukturierte Arzt-Patientenverhältnis
ist heute durch ein Verständnis geprägt, das zunehmend den
Patienten nicht als „Objekt“, sondern vielmehr als „Subjekt“
© 2007
86
Vgl. hierzu etwa Taupitz, Rechtliche Bindungen des Arztes:
Erscheinungsweisen, Funktionen, Sanktionen, in Neue Juristische Wochenschrift
(NJW) 1986, S. 2851 ff.
87
Vgl. statt vieler, Mertens, in Münchener Kommentar zum BGB, Schuldrecht,
Besonderer Teil III, 3. Aufl. 1997, § 823 Rdnr. 351, 352
88
Taupitz, aaO. (Fn. 8), A 13
93
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
begreift, wenngleich mit dieser berühmten Objektformel
keineswegs zum Ausdruck gebracht ist, dass der „Wille“ des
Patienten durchaus seine Grenzen auch am „Willen“ oder an
anderen Grundrechten der ihn pflegenden Personen finden kann.
Weiter bedarf es des klarstellenden Hinweises, dass der
Arztvertrag als Grundlage für die Heilbehandlung privatrechtlicher
Natur ist und demzufolge die allgemeinen Regeln nicht nur für das
Zustandekommen von privatrechtlichen Verträgen zur Anwendung
kommen89. Der Arzt entscheidet im Rahmen der ihm zustehenden
Vertragsfreiheit prinzipiell selbst darüber, ob er einen Arztvertrag
abzuschließen gedenkt, so dass für ihn keine Abschlusspflicht
besteht. Der Grundsatz der Abschluss- und Behandlungsfreiheit
(Therapiefreiheit)90
berechtigt den Arzt, frei darüber zu
entscheiden, ob er jeweils eine Behandlung übernehmen will oder
nicht. Unter dem Begriff der Behandlungsfreiheit wird zugleich das
Recht eines Arztes verstanden, eine von ihm übernommene
Behandlung nach seiner Methode durchzuführen.
Nach wie vor dürfte allerdings die Frage nicht hinreichend geklärt
sein, ob aus der selbstbestimmten und letztlich auch selbst zu
verantwortenden Entscheidung des Patienten ihm die Möglichkeit
eröffnet ist, dergestalt eine „Grenze der Medizin“ und damit im
Übrigen auch der Forschung ziehen zu können, in dem er den Arzt
oder
alternativ
das
Pflegepersonal
mit
seiner
„Willensentscheidung“ am Ende seines Lebens bindet, so dass
diese strikt zu einem „aktiven Handeln“ oder in Ersetzung dessen
89
© 2007
Nicht ausgeschlossen ist hierbei allerdings die vielerorts vorgenommene
Wertung, dass das Arzt-Patienten-Verhältnis weit mehr als eine juristische
Vertragsbeziehung sei, siehe hierzu etwa Uhlenbruck, in Laufs/Uhlenbruck,
Handbuch des Arztrechts, 1992, § 39 Rdnr. 2 mit Hinweis auf den grundlegenden
Beschluss des BVerfG v. 25.07.79, in NJW 1979, S. 1925(1930).
90
Laufs/Uhlenbruck, Handbuch..., Uhlenbruck, § 41 Rdnr. 2 m.w.N; im übrigen
mit Hinweis auf § 1 Abs. 7 S. 3 BOÄ, wonach die „Verpflichtung des Arztes in
Notfällen“ hiervon unberührt bleibt. Eine allgemeine Pflicht, die Behandlung eines
Kranken zu übernehmen, trifft den Arzt hingegen nicht, so deutlich Mertens,
Münchener Komm., aaO., § 823 Rdnr. 366
94
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
zu einem „Unterlassen“ entgegen ihrer Gewissensentscheidung
verpflichtet werden.
Eine solche individuell verbindliche Gestaltungsmacht des
Patienten setzt freilich voraus, dass der Staat sich nicht
„aufschwingt“, rechtsgestaltend in diese höchst individuelle
Entscheidung quasi paternalistisch einzugreifen, indem er sich auf
den
untauglichen
Versuch
einlässt,
eine
ethische
Grundüberzeugung oder im Zweifel einen „ethischen Kompromiss“
zwangsweise zu verordnen. So wie der Staat zur religiösen
Neutralität verpflichtet ist und dem Staatsvolk keinen „subjektiven
Gewissens- und Bekenntnisinhalt“ verordnen
kann, ist er
gleichsam aufgerufen, lediglich sicher zu stellen, dass im ArztPatientenverhältnis das Selbstbestimmungsrecht des Patienten
gewahrt ist.
Diese hier vertretene Auffassung beinhaltet freilich auch die nach
der
Verfassung
gebotene
Rücksichtnahme
der
Grundrechtsposition des den Patienten behandelnden Arztes und
pflegenden
Personals.
Es
ist
verfassungsrechtlich
ausgeschlossen, „nur“ aus dem Blickwinkel des Patienten das
Problem der „Sterbehilfe“, besser „Sterbebegleitung“, lösen zu
wollen.
Wer die Freiheit zur Selbstbestimmung für sich selbst reklamiert,
muss sie auch anderen konzedieren.
Der Arzt, der Träger (soweit dieser grundrechtsfähig ist) und das
medizinische Assistenzpersonal können jeweils mit ihrem
verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbestimmungsrecht i.V.m.
Art. 4 I 1 (Gewissensfreiheit) u. Art. 12 GG (Berufs- und
Berufsausübungsfreiheit) ebenso die „Grenzen“ der medizinischen
Behandlung individuell „markieren“. So wie der Patient die
Möglichkeit
hat,
überhaupt
von
medizinischen
Behandlungsmaßnahmen Abstand zu nehmen, hat die ärztliche
Profession vorbehaltlich einer möglichen Garantenstellung und der
allgemeinen Hilfeleistungspflicht durchaus das Recht, eine
Behandlung abzulehnen. Den Grund, der den Arzt zu einer
solchen ablehnenden Entscheidung veranlasst, mag durchaus in
© 2007
95
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
seiner „Gewissensentscheidung“ erblickt werden, die sowohl vom
Patienten, von organisierten Interessenvertretungen und freilich
auch vom Staat zu akzeptieren ist. Die grundrechtlichen Freiheiten
der beteiligten Akteure im Arzt-Patienten-Pfleger-Verhältnis
bedürfen einer sorgfältigen „Abwägung“, so dass jedenfalls der
Kernbereich der kollidierenden Grundrechte gewahrt bleibt, ohne
dass eines der Grundrechte auf „Null“ reduziert wird.
Gegenwärtig entsteht allerdings der Eindruck, dass jedenfalls nach
der
derzeitigen
höchstrichterlichen
Rechtsprechung
„Krankenhäuser, Pflegeheime und ebenso wenig wie Ärzte sich
weigern können, ein selbstbestimmtes Sterben von Bewohnern
zuzulassen“91. Die scheinbar gesicherte Annahme, dass der Arzt
und nach diesseitiger Auffassung auch das Pflegepersonal
grundsätzlich nicht zu Handlungen verpflichtet werden können, die
mit ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht zu vereinbaren
sind92, wird offensichtlich zur Disposition gestellt.
Das Verfassungsrecht liefert nicht nur Impulse und Maßgaben für
die Gewährung von Patientenrechten, sondern weist zugleich die
mit
den
Patientenrechten
potentiell
kollidierenden
Rechtspositionen aus93, wobei im Übrigen auch die durch Art. 5 III
GG verfassungsrechtlich gewährleistet Forschungsfreiheit die
„Grenzen“ der Medizin eher offen gestaltet und demzufolge der
medizinische Fortschritt nicht als „Schranke“ für oder gegen
Patientenrechte bei der Bestimmung des „eigenen Rechts auf den
Tod“ zu dienen bestimmt ist, an denen sich im Zweifel der Arzt zu
halten hätte. Die Grenzen dessen, was die Medizin zu leisten
vermag, orientiert sich ausnahmslos in einem Korridor möglicher
widerstreitender Grund(rechts)Positionen in einem konkret
individuellen Konflikt (also einer Einzelfallentscheidung) und muss
© 2007
91
So expressis verbis Putz/Steldinger, aaO. (Fn. 3), S. 12
Taupitz, aaO. (Fn. 8), A 23
93
Fischer/Kluth/Lilie, Rechtsgutachten „Ansätze für eine Stärkung der
Patientenrechte im deutschen Recht – Bestandsaufnahme und
Handlungsperspektiven“, erstellt im Auftrag der Enquete-Kommisson „Recht und
Ethik der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestages – Zweite überarbeitete
Fassung (Stand März 2002) – im folgenden zit. als Fischer/Kluth/Lilie,
Rechtsgutachten...Patientenrechte, S. 24
92
96
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
im Rahmen der sog. praktischen Konkordanz sachgerecht zum
Ausgleich gebracht werden. Bezugspunkt hierbei ist freilich das
Selbstbestimmungsrecht des Patienten und die damit verbundene
Freiheit, sich selbst zu bestimmen, nicht hingegen aber die
Freiheit, über andere zu bestimmen94 und deren ebenfalls
selbstbestimmte Gewissensentscheidung auf „Null“ zu reduzieren.
Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten mag nach
Einschätzung mancher Autoren durchaus zu einem „zentralen
normativen Prinzip“ geworden sein, so dass „Rechte des Patienten
... Vorrang vor den Pflichten des Arztes (haben)95; zu betonen
bleibt aber, dass die Rechte des Patienten auch ihre Grenze an
den Rechten der Ärzte und Pflege finden können.
Nachfolgend sollen daher einige Überlegungen angestellt werden,
die dazu dienlich sein können, über den „Tellerrand eines
Zivilrechtlers“ hinaus blicken zu können.
Verfassungsrechtliche Anknüpfungspunkte
Nach Auffassung des OLG München sei der Heimvertrag „auf die
Bewahrung von Leben ausgerichtet“ und überdies sei es das Ziel
des Vertrages, dem Bewohner die insoweit geschuldeten
Leistungen auf Rehabilitation und Pflege „unter Wahrung seiner
Menschenwürde und Sicherung seiner Selbstbestimmung zu
gewähren“.
Auch wenn es eine Selbstverständlichkeit sein sollte, dass die
„Würde eines Menschen“ und damit freilich auch die eines
Patienten zu achten und zu wahren ist, erscheint es den
Pflegeeinrichtungen als unerlässlich, in ihren „Pflegeleitbildern“ auf
die Einhaltung eben dieser personalen Würde hinzuweisen. Eine
besondere Qualität kommt dem pflegerischen Leitbild dann zu,
© 2007
94
Taupitz, aaO. (Fn. 8), A 23
Fusch et.al., Der Mensch und sein Tod, Grundsätze der ärztlichen
Sterbebegleitung, Fakultätsgutachten der Theologischen Fakultät Greifswald,
2000, Blatt 27 unter Berufung auf Joecks in Fn. 102
95
97
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
wenn es gleichsam mit einem Ethikvorbehalt der Pflegenden
versehen bzw. gleichgesetzt wird, der letztlich zu einer
Grundrechtskollision führen kann.
Der Alterspatient beruft sich auf seine „Würde“ resp. sein
grundrechtlich geschütztes „Selbstbestimmungsrecht“, während
demgegenüber die Ärzteschaft und das Pflegepersonal ihrerseits
etwa auf das ihnen verfassungsrechtlich verbürgte Grundrecht der
Gewissensfreiheit rekurrieren.
Die miteinander kollidierenden Grundrechtspositionen bedürfen
somit einer Abwägung. Nach Auffassung des OLG München
resultiert gerade auch aus der Gewissenfreiheit der Pflegenden ein
Recht auf Verweigerung der von ihnen geforderten Einstellung der
künstlichen Ernährung, so dass hieraus praktisch die
Grundrechtsposition
des
Bewohners/Patienten
einem
Ethikvorbehalt der Mitarbeiter unterworfen zu sein scheint.
Ungeachtet der Frage, ob die Würde des Patienten und des
Pflegenden als zentrales Verfassungsprinzip einer Kollision
zugänglich ist, da die Würde unantastbar und prinzipiell funktional
gleichgerichtet ist und sich von daher eigentlich nicht „abwägen“
lassen dürfte, dürfte Konsens darüber bestehen, dass die
Menschenwürde in der Lage ist, gleichwohl andere Grundrechte
einzuschränken. Gerade weil aber dieser Begriff so unbestimmt
und differenten philosophischen, moralischen, anthropologischen
und ethischen Interpretationen offen ist96, wird es in der
Grundsatzdiskussion entscheidend darauf ankommen, den
verfassungsrechtlich maßgeblichen Kern der Menschenwürde
exakt zu bestimmen, damit nicht alle Grundrechte unversehens
unter einen allgemeinen „Ethikvorbehalt“ gestellt werden (so
Hufen).
© 2007
Völlig zu Recht konstatiert Hufen unter Berufung auf Dürig: „Die
Verfassungsinterpretation darf insbesondere der in der ethischen
Diskussion feststellbaren „Marginalisierung und Veralltäglichung
des Menschenwürdearguments“ (Dreier, GG, Art. 1 I Rn. 35) nicht
96
Vgl. dazu instruktiv M. Kettner, Menschenwürde als Begriff und Metapher,
Diskussionspapier, 1-94, Hamburg
98
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
zum Opfer fallen. Wird die Menschenwürde, wie bereits beklagt
worden ist (Dreier a.a.O.; Dürig, FS Maunz (1971), 41,43,51), zur
„kleinen Münze“ geschlagen, dann kann sie unversehens zur
praktisch beliebig einsetzbaren Grundrechtsschranke werden, die
weder den Schöpfern des Grundgesetzes noch den Interpreten
der Einzelgrundrechte vorgeschwebt hat“97.
Der BGH hat in seinem Beschluss v. 08.06.05 darauf hingewiesen,
dass selbstverständlich auch die Pflegekräfte in ihrer beruflichen
Tätigkeit Grundrechtsträger sind, wenngleich hieraus jedoch nicht
der Schluss gezogen werden darf, dass ihre ethischen oder
medizinischen Vorstellungen vom Schutzbereich des Art. I 1 GG
(Menschenwürde) umfasst seien.
Der BGH hat gerade mit Blick auf das Grundrecht der
Gewissensfreiheit lediglich ausgeführt:
„Die Frage, ob das Verlangen des Klägers die Gewissensfreiheit
(Art. 4 Abs. 1 GG) des Pflegepersonals berührte, kann letztlich
dahinstehen. Soweit das Strafrecht die künstliche Ernährung eines
willensunfähigen Patienten gebietet (vgl. dazu unter 2.), bedarf es
eines Rückgriffs auf Art. 4 Abs. 1 GG nicht; niemand darf zu
unerlaubten Handlungen gezwungen werden. Im Übrigen verleiht
die Gewissensfreiheit dem Pflegepersonal aber kein Recht, sich
durch aktives Handeln über das Selbstbestimmungsrecht des
durch seinen Betreuer vertretenen Klägers hinwegzusetzen und
seinerseits in dessen Recht auf körperliche Unversehrtheit
einzugreifen“.
Die von einigen Zivilrechtlern aus dieser Passage herausgelesen
These, wonach die „Gewissensfreiheit von Heim und Pflegekräfte
nicht schützenwert (ist)“98, erweist sich bei näherer
Betrachtungsweise als nicht haltbar und verkennt im Übrigen die
Bedeutung der Grundrechte auch im Privatrecht.
© 2007
97
Hufen, in seinem Gutachten betreffend der Ausstellung von Hagen,
Körperwelten unter
http://www.koerperwelten.de/de/pages/Hufen_IV.%20Rechtfertigung%20II.asp
98
Putz/Stedlinger, aaO. (Fn. 3), S. 6
99
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Ungeachtet dessen, dass der BGH in seinem Beschluss v.
08.06.05 in der oben zitierten Passage völlig zu Recht die
Selbstverständlichkeit betont, dass in der Tat das Zivilrecht nicht
das erlauben kann, was den Ärzten oder dem Pflegepersonal
strafrechtlich verboten ist99 und dies freilich auch für die konkrete
Grundrechtsausübung in Gestalt einer Gewissensentscheidung
gilt, wäre der BGH gut beraten gewesen, es bei dieser
Feststellung zu belassen.
Dies insbesondere deshalb, weil jedenfalls auch nach Auffassung
des XII. Zivilsenats des BGH die strafrechtlichen Grenzen einer
Sterbehilfe im weiteren Sinn bislang nicht hinreichend geklärt
erscheinen. Sollte nämlich das Strafrecht die künstliche Ernährung
eines willensunfähigen Patienten verbieten, bedarf es keines
Rückgriffs auf Art. 4 I GG, denn niemand könne zu unerlaubten
Handlungen gezwungen werden.
Das der BGH in diesem Zusammenhang stehend sich dazu weiter
veranlasst sah, darauf hinzuweisen, das „im Übrigen die ...
Gewissensfreiheit dem Pflegepersonal aber kein Recht (verleiht),
sich durch aktives Handeln über das Selbstbestimmungsrecht des
durch den Betreuer vertretenen Klägers hinwegzusetzen und
seinerseits in dessen Recht auf körperliche Unversehrtheit
einzugreifen“, war abermals entbehrlich. Es wird erneut eine
verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit betont, weil die
Gewissensfreiheit des Pflegepersonals keinesfalls diesem das
Recht einräumt, sich über das Selbstbestimmungsrecht des
Patienten im Hinblick auf die begehrte Unterlassung der
Fortführung der künstlichen Ernährung hinwegzusetzen. Der BGH
hat in seinem Beschluss v. 08.06.05 das eigentliche „Unterlassen“
der Pflegekräfte, der Anordnung des Arztes und des Betreuers
Folge zu leisten, als „aktives Handeln“ ausgewiesen, da insoweit
mit der Nichtbefolgung dieser Anordnung aus der Sicht des
Altenhilfeträgers und seinem Personal die künstliche Ernährung
© 2007
99
So bereits der XII. Zivilsenat in seinem Beschluss v. 17.03.03 (Az. XII ZB
02/03), in NJW 2003, S. 1588
100
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
fortgesetzt wurde – mithin also ein aktives Handeln, dass in der
Konsequenz als ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des
Patienten zu werten ist. Bei einer solchen Lesart freilich kann das
Grundrecht der Gewissensfreiheit nicht seine Bedeutung entfalten,
da hier in der Tat das Selbstbestimmungsrecht des Patienten dem
aktiven Tun des Pflegepersonals Grenzen zu setzen vermag.
Es gilt hier zu betonen, dass der BGH lediglich über einen
Einzelfall zu entscheiden hatte, ohne das hieraus – wie bei
manchen Autoren zu befürchten ansteht – gleich ein neues
„Gesetz“ verabschiedet wurde, dem nunmehr alle unterworfen
seien.
Völlig anders wäre der Fall etwa dann zu lösen gewesen, wenn
und soweit das Pflegepersonal es schlicht bei der Weigerung, der
Anordnung des Arztes und des Betreuers nachzukommen,
belassen hätte, ohne hierbei sich dem Vorwurf eines „aktiven
Handelns“ in Gestalt der Fortführung der künstlichen Ernährung,
die sich nunmehr als eine gegen den Willen des Patienten
vorgenommene Zwangsernährung darstellte, aussetzen zu
müssen. In einem solchen Fall hätte sich dann der BGH etwas
intensiver mit dem Grundrecht der Gewissensfreiheit der
Pflegenden auseinander setzen müssen, ohne sich in dem
konkreten Einzelfall auf ein „aktives Handeln“ der Mitarbeiter in der
beklagten stationären Alteneinrichtung zurückziehen zu können.
Hier stellt sich das gegenwärtig immer noch nicht gelöste Problem,
weshalb ohne kritische Reflektion in Teilen der Literatur (und
offensichtlich auch Rechtsprechung) davon ausgegangen wird,
dass das Pflegepersonal dazu berufen ist, therapeutische
Entscheidungen des Arztes, möge diese auch vom Betreuer im
wohlverstandenen Interesse des Betreuten und seiner autonomen
Entscheidung mitgetragen worden sein, umzusetzen. Auch
gegenwärtig ist kein „Weisungsrecht“ des freiberuflich tätigen
Arztes gegenüber den Mitarbeitern etwa einer stationären
© 2007
101
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Alteneinrichtung begründet100. Es dürfte unbestritten sein, dass der
Arzt in der Regel zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet
ist und nur in Grenzen bestimmte „ärztliche“ Aufgaben an das (ihm
organisatorisch zugehörige) nichtärztliche Assistenzpersonal
delegieren darf.
Dass diesbezüglich aber immer noch ein erheblicher
Klärungsbedarf besteht, dürften die nachstehenden Zitate belegen:
„Pflegeunternehmen jeglicher Art sind verpflichtet, ärztliche
Anordnungen umzusetzen. Das Heimgesetz schützt die Alten und
Kranken und verbietet Heimen die Kündigung. Ärztliche
Anordnungen stehen grundsätzlich nicht zur Disposition der
Pflege, Magensondenernährung ist eine invasive ärztliche und
keine pflegerische Maßnahme.“101
„Der Arzt bestimmt entsprechend dem Patientenwillen mit den
Bevollmächtigten resp. Betreuern das Procedere! Das Heim hat
keine Möglichkeit zu opponieren. Das Heim hat kein Veto-Recht,
auch kein fristloses Kündigungsrecht. Es kann seine Vertragstreue
nicht von der Art des Sterbevorgangs abhängig machen. Das
Heim hat die ärztliche Anordnung, den Patienten durch
Reduzierung der Substitution sterben zu lassen, umzusetzen.
Auch die ordentliche Kündigung ist zum Schutz der Alten und
Sterbenden ausgeschlossen. Können einzelne Pflegekräfte aus
persönlichen Gründen die Pflege in der Sterbephase nicht
erbringen, so hat das Heim andere Pflegekräfte einzusetzen oder,
falls diese Möglichkeit nicht existiert, zuzulassen, dass ambulante
Pflegekräfte den Sterbenden pflegen.
Die Ausübung von juristischem Zwang kann in der Praxis nicht als
ideal bezeichnet werden. Die Pflegekräfte müssen sich daher auf
die neue Situation einstellen. Sterbenlassen wird zur
Herausforderung gerade für die Pflege in Pflegeheimen. Die
© 2007
100
vgl. statt vieler: Klie, Rechtskunde, Das Recht der Pflege alter Menschen, 7.
Aufl. 2001, S. 111
101
Putz, Patientenrechte am Ende des Lebens, Vortrag auf dem 5. Deutschen
Medizinrechtstag der Stiftung Gesundheit – Recht und Ethik in der Medizin- v.
17.- 18.09.2004, S. 12
102
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Pflege muss es aus ethischer Überzeugung tragen und nicht
getrieben von juristischem Zwang“102.
Diese Aussagen sind in ihrer Allgemeinheit nicht haltbar.
Pflegeunternehmen haben zuvörderst die nach ihrem Heimvertrag
übernommenen Leistungspflichten gegenüber dem Bewohner zu
erfüllen, während demgegenüber der einen Patienten betreuende
Arzt die ihm obliegenden Pflichten aus dem ärztlichen
Heilbehandlungsvertrag zu erbringen hat.
Innerhalb unserer Privatrechtsordnung gilt (immer noch) der
ehrwürdige Grundsatz der Privatautonomie! Als eine der
Haupterscheinungsformen der Privatautonomie gilt allgemein hin
die Vertragsfreiheit, also die Freiheit des einzelnen, seine
Lebensverhältnisse durch Verträge eigenverantwortlich zu
gestalten. Diese Vertragsfreiheit gehört zu den grundlegenden
Prinzipien unser Rechtsordnung und ist als Teil des Rechts auf
freie
Entfaltung
der
Persönlichkeit
(Art.
2
I
GG)
103
verfassungsrechtlich verbürgt und geschützt . Freilich unterliegt
auch die privatautonome Gestaltung der einzelnen Verträge den
Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung, so dass die
Selbstbestimmung des einen Vertragspartners nicht zur
„schrankenlosen Fremdbestimmung“ des anderen wird; diese
Schranken – etwa durch die Grundrechte des Patienten – wirken
über die privatrechtlichen Generalklauseln (z.B. §§ 138, 242 BGB)
in das Vertragsverhältnis ein und können somit mögliche
„Spannungen“ zwischen den Vertragsbeteiligten auflösen, wobei
hier freilich ein sachgerechter „Interessenausgleich“ zu erfolgen
hat.
© 2007
Dem BGH gelingt die Grenzziehung zwischen dem
Selbstbestimmungsrecht des Patienten und der Gewissensfreiheit
der Pflegenden argumentationstechnisch nur deshalb, weil er von
einem aktiven Handeln ausgeht, ohne die Bedeutung des
102
Putz, ebenda, S. 12, 13
vgl. statt vieler: Palandt/Heinrichs, BGB-Kommentar, 60. Aufl., Einf v § 145
Rdnr. 7 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG
103
103
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Grundrechts auf Gewissenfreiheit auch für das schlichte
Unterlassen für eine übertragene Aufgabe zu prüfen.
Dies ist insofern bedeutsam, weil das Grundrecht der
Gewissensfreiheit vorbehaltlos gewährleistet ist und die Erfindung
des Theorems von den verfassungsimmanenten Schranken nicht
zu überzeugen vermag. In der Praxis führt dies letztlich dazu, dass
an die Stelle eines Gesetzesvorbehalts ein Richtervorbehalt tritt,
ohne dass plausibel und rational begründbar wird, warum sich die
verfassungsimmanenten Schranken für die Gewissensfreiheit „nur
in das Ohr des Richters, nicht aber in das des Gesetzgebers
mitteilen soll“ (so Rupp).
Selbst wenn man aber der Lehre von den verfassungsimmanenten
Schranken folgt, ist doch auffällig, mit welcher „Leichtigkeit“ der
BGH in seinem Beschluss die Gewissensfreiheit der betroffenen
Pflegemitarbeiter in die von ihm gezogenen Schranken verweist.
Als Schranke wird das Selbstbestimmungsrecht des Patienten
ausgewiesen, das ohne Frage einen besonders hohen Rang in
unserer Rechtsordnung einnimmt und demzufolge freilich auch
das Arzt-Patienten-Pfleger-Verhältnis in Gestalt des ärztlichen
Heilbehandlungsvertrages und des Pflege- und Heimvertrages
maßgeblich
mitbestimmt.
Die
Ausstrahlung
von
Grundrechtsgewährleistungen
in
privatrechtliche
Vertragsverhältnisse ist nun allerdings nicht ungewöhnlich,
sondern beschäftigt seit Jahrzehnten die verschiedensten
Fachgerichte, so u.a. das Bundesarbeitsgericht.
Dominierend hierbei sind zwar Judikate, die sich insbesondere mit
den Loyalitätspflichten kirchlicher Arbeitnehmer auseinander zu
setzen hatten, wenngleich sich der verfassungsrechtliche
Gewährleistungsbereich der Gewissensfreiheit keineswegs in
einem engen Kontext zur religionsspezifischen Komponente
reduzieren lässt.
Die „Debatte“ um das „Recht der Kriegsdienstverweigerer“ oder
um den „medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch“ hat
die Staatsmacht, aber auch die Gerichte mit dem „Gewissen“ von
Staatsbürgern konfrontiert, das bekanntermaßen für durchaus
schützenswert erachtet wurde.
© 2007
104
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Wenn
und
soweit
die
grundrechtliche
Stellung
der
Pflegemitarbeiter zur Diskussion gestellt wird, kann dies nicht (nur)
auf der unterverfassungsrechtlichen Ebene des Zivilrechtes
erfolgen, wie es in der konkreten Auseinandersetzung bei
manchen Autoren den Eindruck erweckt.
Die Erkenntnis, dass „die Ausübung von juristischem Zwang in der
Praxis nicht als ideal bezeichnet werden (kann)“104, ist durchaus
lobenswert und richtig, wenngleich dieses Dilemma nicht dadurch
gelöst werden kann, in dem auf den Begriff Ethik rekurriert wird.
„Sterbenlassen wird zur Herausforderung gerade für die Pflege in
Pflegeheimen. Die Pflege muss es aus ethischer Überzeugung
tragen und nicht getrieben von juristischem Zwang“105.
Mit Verlaub – hier ist der Wunsch der Vater des Gedankens: Der
„juristische Zwang“, der sich allein in einem konkret zur
Entscheidung anstehenden Konfliktes mit einem für die
Prozessbeteiligten annehmbaren oder nicht annehmbaren
richterlichen Beschluss oder Urteil manifestiert, ist nicht die
Triebfeder für ein „Sterbenlassen“, sondern einzig die
selbstbestimmte, privatautonome Entscheidung des Patienten, die
sowohl von unserem Verfassungsstaat als auch von den Bürgern
zu akzeptieren ist.
Ein „Muss“, gleichsam die Verantwortung der Pflegeberufe für eine
„einheitlich, verpflichtende Pflegeethik“, ist aus guten Gründen
verfassungsrechtlich nicht möglich, mehr noch, eine verbindliche
Pflegeethik ist m.E. vom Ansatz her nicht demokratisch
legitimierbar oder vermittelbar, selbst unter der Voraussetzung,
dass es irgendwann einmal eine „Bundespflegekammer“ geben
sollte.
Hier drängt sich der Verdacht auf, dass den Pflegemitarbeitern
unter
dem
Tarnmantel
der
Ethik
ein
vermeintlich
„leitliniengerechtes Handeln“ mit sanftem Zwang unter Hinweis auf
die zivilrechtlichen Haftungsfolgen auferlegt wird, so dass sich das
© 2007
104
105
Putz, aaO. (Fn. 3), S. 13
Putz, ebenda
105
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
„Sterbenlassen“ in der Konsequenz als scheinbar „gute
pflegerischen Behandlung und Betreuung“ lege artis erweist,
zumal derjenige, der den „ethischen Maßstäben und Ansprüchen“
der Pflegeethik nicht genügt bzw. entspricht oder schlicht aus
anderen Überzeugungen heraus nicht entsprechen will, ein
erhebliches Darstellungsproblem in der Profession haben dürfte.
Wenn das ureigene „Gewissen“ den Spagat zwischen den eigenen
Wertvorstellungen von Tod und Leben und einer „Sterbehilfe im
weitesten Sinne“ nicht zu vollziehen vermag, darf der Träger des
Gewissens dann im Sinne einer einheitlichen Pflegeethik
„zwangsverpflichtet“ werden?
Liegt es nicht auch und vielleicht sogar gerade im Interesse des
Sterbenden, dass seine autonome Willensentscheidung von
Pflegenden umgesetzt wird, die sich nicht in einem
Gewissenskonflikt befinden und demzufolge dem Sterbenden
näher sind, als es je eine professionell verordnete „Berufsethik“ zu
schaffen in der Lage ist? Bedarf es des „juristischen Zwanges“,
wenn die Berufsethik bei einzelnen Pflegemitarbeitern „versagt“,
nur weil diese die Entscheidung etwa des Arztes oder des
Betreuers mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können?
Exkurs: Gewissensfreiheit und Kirchenautonomie
Wie bereits oben angedeutet, kommt dem Grundrecht der
Gewissensfreiheit in unserer Gesellschaft eine eminent wichtige
Bedeutung zu, zumal im Kontext mit möglichen religiösen
Glaubensbekenntnissen und der vom Grundgesetz in Art. 140 GG
i.V.m. Art. 137 WRV gewährleisteten Kirchenautonomie. Hiernach
hat der weltanschaulich neutrale Staat den Kirchen das Recht
eingeräumt, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der
Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu
verwalten106. Im Laufe der letzten Jahrzehnte sind immer wieder
© 2007
106
Einen fundierten Einstieg in die Problematik kirchlicher Arbeitsverhältnisse
ermöglicht der Aufsatz von Rüthers, Wie kirchentreu müssen kirchliche
Arbeitnehmer sein?, in NJW 1986, S. 356 ff.
106
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
vom BVerfG Entscheidungen oberster Bundesgerichtshöfe, so u.a.
vom BAG, aufgehoben worden und es hat sich ein
„Sonderarbeitsrecht“ der Kirchen herauskristallisiert. Den
Kirchen107 wird das Recht zugestanden, den kirchlichen Dienst
nach ihrem Selbstverständnis zu regeln und verbindlich zu
bestimmen, so dass den kirchlichen Mitarbeitern (auch solche in
karitativen Einrichtungen) besondere Loyalitätspflichten auferlegt
werden können.
Aufgrund des „kirchlichen Selbstbestimmungsrechts“ folgt, dass
bei der arbeitsvertraglichen Gestaltung des kirchlichen Dienstes
das Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft zugrunde gelegt
werden kann, woraus sich dann verbindlich Grundpflichten der
Arbeitnehmer
und
damit
gesteigerte
Loyalitätspflichten
individualarbeitsrechtlich
ergeben können. Dass Verstöße
hiergegen ganz einschneidende Konsequenzen nach sich ziehen,
hat ein Arzt108 in einem katholischen Krankenhaus „schmerzvoll“
feststellen
müssen,
nachdem
dieser
öffentlich
in
„schwerwiegender Weise“ die kirchliche Lehre mit Blick auf den
Schwangerschaftsabbruch kritisiert hat. Die Folge war letztlich die
von dem katholischen Krankenhausträger ausgesprochene
fristlose Kündigung, die zwar vor dem BAG109 keinen Bestand
hatte, aber vom BVerfG110 bestätigt wurde111.
Sofern also Ärzte (und Pflegemitarbeiter?!) in einem katholischen
Krankenhaus (oder Alteneinrichtung etc.) tätig sind, haben diese
die größtmögliche Nähe zur Kranken- und Altenpflege, die sich im
© 2007
107
Das BVerfG erkennt allerdings nur Verlautbarungen der verfassten Kirche für
den rechtlich erheblichen Inhalt des Selbstverständnisses an, siehe dazu im
einzelnen Rüthers, aaO., S. 356
108
Siehe Beschluss des BVerfG v. 04.06.85, in NJW 1986, S. 367 ff.
109
Vgl. BAG, Urteil v. 21.10.82, in NJW 1984, S. 826 ff.
110
BVerfG, ebenda
111
Bedenklich stimmt allerdings der Umstand, dass in dem Verfahren lediglich die
Meinungsfreiheit (Art. 5 I 1 GG) und nicht zugleich auch die Gewissensfreiheit
geprüft wurde.
107
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Kern seit eh und je als eine Lebens- und Wesensäußerung der
Kirche darstellen.
Es bedarf nun keiner großen Phantasie mehr, dass der vom BGH
zu beurteilende Fall durchaus anders hätte entschieden werden
können und zwar unter der Voraussetzung, dass es sich bei dem
Träger etwa um eine katholische Einrichtung gehandelt hätte.
Anlass zu dieser Überlegung besteht deshalb, weil Papst
Johannes Paul II noch im Jahre 2004 das katholische Leitbild mit
Blick auf die künstliche Ernährung präzisiert hat.
"Der Kranke im vegetativen Zustand, der die Wiederherstellung
oder das natürliche Ende erwartet, hat das Recht auf eine
grundlegende ärztliche Betreuung (Versorgung mit Nahrung und
Flüssigkeit, Hygiene, Wärme usw.) und auf die Vorsorge gegen
Komplikationen, die mit der Bettlägerigkeit verbunden sind. Er hat
auch das Recht auf einen gezielten rehabilitativen Eingriff und auf
die Überwachung der klinischen Zeichen einer eventuellen
Besserung. - Insbesondere möchte ich unterstreichen, dass die
Verabreichung von Wasser und Nahrung, auch wenn sie auf
künstlichen Wegen geschieht, immer ein natürliches Mittel der
Lebenserhaltung und keine medizinische Handlung ist. Ihre
Anwendung ist deshalb prinzipiell als normal und angemessen und
damit als moralisch verpflichtend zu betrachten, in dem Maß, in
dem und bis zu dem sie ihre eigene Zielsetzung erreicht, die im
vorliegenden Fall darin besteht, dem Patienten Ernährung und
Linderung der Leiden zu verschaffen. - Denn die Pflicht, dem
Kranken in solchen Fällen die gebotenen normalen Behandlungen
nicht vorzuenthalten, umfasst auch die Versorgung mit Nahrung
und Wasser (vgl. Päpstl. Rat für die Pastoral im Krankendienst,
Charta
für
den
Krankendienst,
Nr.
120).
Eine
Wahrscheinlichkeitsrechnung, die auf den geringen Hoffnungen
auf Besserung gründet, wenn der vegetative Zustand mehr als ein
Jahr andauert, kann ethisch die Aussetzung oder Unterbrechung
der Mindestbehandlungen des Patienten, einschließlich der
Ernährung und Wasserverabreichung, nicht rechtfertigen. Denn
der Tod durch Verhungern und Verdursten ist das einzig mögliche
© 2007
108
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Resultat infolge ihrer Unterbrechung. In diesem Sinn wird er am
Ende - wenn er bewusst und absichtlich herbeigeführt wird - zur
tatsächlichen realen Euthanasie durch Unterlassung (...) Im
übrigen ist der moralische Grundsatz bekannt, wonach auch der
einfache Zweifel, ob man sich einer lebenden Person gegenüber
befindet, schon dazu verpflichtet, diese voll zu respektieren und
jede Handlung zu unterlassen, die auf ihren vorzeitigen Tod
abzielt."112
In katholischen Kirchenkreisen wird aus der Ansprache des
Papstes gleichsam gefolgert: „Die Grundfrage bleibt jedoch, ob
eine gültige Patientenverfügung in solchen Fällen jemals die
sittliche Legitimation zur Entfernung der Ernährungssonde geben
wird können. Vom Naturrecht her, auf das sich der verstorbene
Papst Johannes Paul II. in seiner diesbezüglich richtungweisenden
Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Fachkongresses
zum Thema "Lebenserhaltende Behandlungen und vegetativer
Zustand: wissenschaftlicher Fortschritte und ethische Dilemmata"
vom 20. März 2004 zweifellos bezog, scheint dies absolut
ausgeschlossen“.113
Wenn
demzufolge
die
künstliche
Ernährung
„absolut
ausgeschlossen“ sein soll, könnte hier der Schluss geboten sein,
dass analog der Auffassung der katholischen Kirche zum
Schwangerschaftsabbruch die geforderte Unterlassung der
künstlichen Ernährung die Glaubwürdigkeit der Kirche in ihrer
Lebensäußerung
„Krankenhaus
und
Altenpflege“
ganz
entscheidend berührt, da insoweit das „Leben“ schlechthin
betroffen ist – namentlich die „reale Euthanasie durch
Unterlassen“, wie Papst Johannes Paul II. formulierte. Die
gelegentlich
gebotene
Differenzierung
der
Beschäftigungsverhältnisse zur Nähe der Verkündigung und damit
© 2007
112
Jeglichen Anfängen der Euthanasie in Deutschland wehren! Es gab und gibt
nur eine bioethische Verpflichtung: weiterpflegen und weiterernähren. Ein
Kommentar von Vizeoffizial Dr. Alexander Pytlik, Eichstätt, >>> unter kath.net
vom 6.8.2005
113
Pytlik, ebenda, >>> unter kath.net vom 6.8.2005
109
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
zum eigentlichen Auftrag der Kirche dürfte bei den kirchlichen
Fundamentalnormen resp. der zentralen Glaubens- und
Sittenlehre eine untergeordnete Rolle spielen, zumal das „Leben“
per se am Anfang und am Ende gleichermaßen als schützenswert
erachtet wird.
Und spätestens an dieser Stelle dürfte sich dann sich die „Spreu
vom Weizen“ trennen:
Der BGH wird im Zweifel die schwierige Aufgabe lösen zu haben,
gerade vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich verbürgten
Kirchenautonomie und das von den Kirchen gelebte Bekenntnis
„zum natürlichen Sterben“ das Spannungsverhältnis mit dem
scheinbar absolut gesetzten Rechtsanspruch auf den „eigenen
Tod“ zu entschärfen.
Ein solches wird ihm nach diesseitiger Einschätzung nicht
gelingen, da die verfasste Kirche in ihren Entscheidungen
autonom ist – eine Erkenntnis, die etliche kirchliche Mitarbeiter
haben feststellen müssen und zwar gerade dort, wo es um
„existenzielle Fragen“ des Lebens und nunmehr auch des Todes
geht.
Der in einer katholischen Alteneinrichtung tätige Arzt dürfte nach
den Verlautbarungen des Papstes zum einen eine solche Weisung
nicht erteilen und, was ebenso bedeutsam ist, dem
selbstbestimmten und daher berechtigten Wunsche des
„sterbenden Patienten“ nicht nachkommen, es sei denn, er möchte
seinen Arbeitsplatz verlieren. In einem solchen Fall stößt die
Gewissensentscheidung des Arztes oder der Pflegemitarbeiter auf
„zentrales Kirchenrecht“ und findet dort seine Grenze; sofern dann
die Gewissensentscheidung vom Arzt oder Pflegepersonal auch
„gelebt“ werden soll, bliebe nur noch die Konsequenz, bei einer
Nichtvereinbarung mit der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre
das zwischen dem Personal und der Kirche begründete
Arbeitsverhältnis selbständig zur Aufkündigung zu bringen.
© 2007
Mögliche Folgerungen für die Ärzteschaft und Pflegepersonal
110
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Hier scheint denn auch ein Kompromiss in der Diskussion um die
„Sterbehilfe im weiten Sinn“ möglich.
Wenn es der Alteneinrichtung, dem Arzt oder dem Pflegepersonal
nicht möglich erscheint, aufgrund ihrer höchst persönlichen
Gewissensentscheidung
die von ihnen verlangte resp.
angeordnete Einstellung der künstlichen Ernährung einzustellen,
sollte um der Bedeutung der Grundrechtsposition eben dieser
Beteiligten wegen diese Entscheidung akzeptiert werden.
Es wird hierbei nicht verkannt, dass das öffentliche Recht eine
Schutzfunktion (vgl. § 2 HeimG) entfaltet. Weshalb nun aber das
Kündigungsrecht ausgeschlossen sein soll, ist nicht erklärlich. § 8
Abs. 3 HeimG sieht zwar vor, dass der Träger den Heimvertrag
nur aus wichtigem Grund kündigen kann. Ein wichtiger Grund liegt
u.a. nach § 8 Abs. 3 Ziff. 2 HeimG dann vor, wenn der
Gesundheitszustand der Bewohnerin oder des Bewohners sich so
verändert hat, dass ihre oder seine fachgerechte Betreuung in
dem Heim nicht mehr möglich ist. Die aus diesem Grund folgende
Kündigung kann auch fristlos erfolgen, wenngleich sie nach § 7
HeimG an einen Nachweis für eine anderweitige angemessene
Unterkunft und Betreuung zu zumutbaren Bedingungen geknüpft
ist.
Wesentlich ist hierbei, dass die Kündigungsgründe nicht
abschließend im HeimG geregelt sind und demzufolge der
„wichtige Grund“ zur Auflösung des Heimvertrages auch in einer
von dem Arzt oder Betreuer angeordnete Maßnahme erblickt
werden kann, die dem „ethischen Leitbild“ der Institution und dem
Gewissen der Mitarbeiter in Ausübung ihrer verfassungsrechtlich
gewährleisteten Grundrechte nachhaltig nicht entspricht. Dieses
Privileg steht beileibe nicht nur den Kirchen im Rahmen der ihnen
verfassungsrechtlich verbürgten Kirchenautonomie zu, sondern
freilich auch den Trägern und Mitarbeitern, die unabhängig von
einer religionsspezifischen und motivierten Grundüberzeugung zu
der höchstpersönlichen Einstellung gelangen, keinen Beitrag zur
„Hilfe bei Sterben im weiten Sinne“ leisten zu wollen.
© 2007
Bei der Reichweite der Bestimmung des Grundrechts der
Gewissensfreiheit dürfte die nach wie vor in der Literatur
111
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
umstrittene Frage, ob die künstliche Ernährung eine „invasive
Maßnahme“114 sei oder zu den sog. „remedia ordinaria“ zählt, auf
die im Rahmen der Basispflege ein zwingender Anspruch
bestehe115, nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung sein.
Entscheidend ist vielmehr die konfligierende Rechtsgüterposition
zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten einerseits
und der Gewissensentscheidung etwa des Arztes oder des
Pflegepersonals andererseits, da insoweit dem Patienten ein
„Rechtsanspruch auf den eigenen Tod“ zu konzedieren ist, diesen
aber nicht von den ihn behandelnden oder pflegenden Personen
entgegen ihrer Gewissensentscheidung „erzwingen“ kann.
Entgegen der von Putz und Steldinger vertretenen Auffassung
bestätigt der BGH nicht die „Selbstverständlichkeit, dass einheitlich
Ärzte, Kliniken und Pflegekräfte dem Patientenwillen unterworfen
sind“116, sondern allenfalls das autonome Recht des Patienten, auf
invasive oder pflegerische Behandlung und Betreuung an seinem
Lebensende
verzichten
zu
können
und
zu
wollen.
Selbstverständlich wäre allenfalls nur die Erkenntnis, dass der
selbstbestimmte „Patientenwille“ nicht zur „Fremdbestimmung“
anderer Grundrechtsträger instrumentalisiert wird und demzufolge
die „Freiheit“ einer Gewissensentscheidung vollständig verdrängt
und somit das Grundrecht aus Art. 4 GG inhaltsleer wird. In
diesem Sinne kann hier auch die Frage, ob die künstliche
Ernährung eine invasive oder eine pflegerische Maßnahme ist,
unbeantwortet bleiben, da dass Selbstbestimmungsrecht des
Patienten entweder an dem Gewissen des Arztes (invasive
Behandlungsmaßnahme) oder an dem Gewissen des
Pflegepersonals (dann pflegerische „Vorbehaltsaufgabe“ der
Basispflege) seine „Grenze“ findet117.
© 2007
114
So wohl Taupitz, Gutachten A zum 63. DJT..., aaO. Fn. 110, A 48 mit
weiteren Nachweisen in Fußnote 205; im übrigen auch Putz/Steldinger, aaO. (Fn.
4), S. 14
115
In diesem Sinne etwa, Schmidt/Madea, Grenzen ärztlicher Behandlungspflicht
am Ende des Lebens, in Medizinrecht (MedR) 1998 (Heft 9), S. 406 ff. (406)) mit
weiteren Nachweisen.
116
Putz/Steldinger, aaO. (Fn. 3), S. 12
117
Prinzipiell ist hierbei zwar zu berücksichtigen, dass die medizinisch gebotene
112
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang sicherlich, dass
Putz und Steldinger selbst darauf hinweisen, dass Pflegeheime
einzelne Pflegekräfte arbeitsrechtlich jedoch nicht zwingen
können, Verrichtungen gegen deren eigene ethische Überzeugung
vorzunehmen. Dies ist in der Tat ein richtiger Hinweis, der auch
um das Recht der Ärzte als auch der Träger (sofern diese
grundrechtsfähig sind) zu ergänzen ist, dass auch diese nicht
gezwungen werden können, gegen ihre Gewissensentscheidung
zu handeln oder eine begehrte Unterlassung, namentlich die
Einstellung der Versorgung mit Flüssigkeit und Nahrung,
vorzunehmen.
Die Lösung in dem konfliktbeladenen Spannungsfeld zwischen der
autonomen
und
selbstverständlich
zu
respektieren
Patientenentscheidung und der Gewissens- und Berufsfreiheit des
Arztes und der Mitarbeiter kann daher nur in der „Beendigung“
entweder des ärztlichen Heilbehandlungsvertrages oder des
Heimvertrages
erblickt
werden.
Die
Betreuung
des
Heimbewohners an seinem Lebensende wird dann von Ärzten und
Pflegenden, die sich keinem Gewissenskonflikt ausgesetzt sehen,
bis zu dem Zeitpunkt erbracht, bis der Träger eine zumutbare
anderweitige Unterbringung des zu Pflegenden nachgewiesen hat
und somit eine Verlegung des Patienten möglich ist.
Der
hier
vertretene
Kompromiss
zwischen
dem
Selbstbestimmungsrecht des Patienten und der Gewissensfreiheit
der ihn betreuenden Ärzte und Pflegenden beruht auf einem dem
Arbeitsrechtler hinreichend bekannten Grundsatz, dass der
Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei verfassungskonformer
© 2007
Maßnahme dann ihre Indikation verliert, wenn sie ihr ursprüngliches (kuratives)
Ziel nicht mehr erreichen kann und demzufolge dann auch abzubrechen ist,
wenngleich hiermit die außerordentlich schwierige Frage bei der „Hilfe beim
Sterben im weiten Sinn“ aufgeworfen ist, ob etwa bei den Komapatienten gerade
die medizinische Indikation ein Unterlassen der künstlichen Ernährung gebietet.
Dies Frage ist in der medizinischen Fachliteratur nach wie vor umstritten.
113
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Auslegung des § 315 BGB keine Arbeit zuweisen darf, die diesen
in einen vermeidbaren Gewissenskonflikt bringt. „Dabei ist als
Gewissensentscheidung jede ernstliche sittliche Entscheidung
anzuerkennen, die der einzelne in einer bestimmten Lage als für
sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt und
gegen die er nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte.“118
Ein solcher Gewissenskonflikt ist eben auch dann anzuerkennen,
wenn sich die Ärzte oder die Pflegemitarbeiter aus ernsthafter
Gewissensnot „weigern“, die künstliche Ernährung einzustellen. Es
mögen sich dann durchaus die Therapieziele bei (sterbenden)
Patienten geändert haben, so dass statt kurativer nunmehr die
palliative
Medizin
gefordert
ist,
wenngleich
die
Gewissensentscheidung
über
die
Notwendigkeit
der
unbestrittenen Basispflege durchaus auch die Versorgung mit
Flüssigkeit und Nahrung mit beinhalten kann. Bei allem
gebotenem Respekt vor anders lautenden Rechtsmeinungen
erscheint mir die Akzeptanz der Gewissensentscheidung von
Ärzten und PflegerInnen auch im Sinne des Toleranzgebotes
zwingend erforderlich, zumal bei den Grenzfragen zwischen
„Leben und Tod“ jeder einzelne nur seinem Gewissen
verantwortlich ist, ohne dass dieses „Gewissen“ im Sinne einer
„Zwangskollektivierung“ auf eine scheinbar normativ verpflichtende
„Pflegeethik“ gleichgeschaltet wird.
Ausblick
© 2007
Es besteht kein Anlass zur Euphorie, dass der „Streit“ nunmehr
„höchstrichterlich“ geklärt sei; der BGH hat m.E. zentrale
verfassungsrechtliche Überlegungen im konkreten Einzelfall nicht
angestellt bzw. im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung
auch keine Veranlassung gesehen, diese in extenso vertiefend zu
118
Becker et.al., Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu
sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 1998, Fischemeier zu § 626
BGB Rdnr. 141 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung und Literatur.
114
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
behandeln, ungeachtet der Tatsache, dass dann in der Folge das
BVerfG zur Entscheidung von einem der Prozessbeteiligten
bemüht werden könnte.
Den streitbaren Teilnehmern an der Diskussion in einem höchst
sensiblen Bereich sei im Übrigen gerade um der Bedeutung des
ethischen Diskurses willen ein Höchstmaß an Mäßigung
empfohlen119.
Es geht beileibe nicht um eine „perverse zwangsweise
Lebenserhaltung“120, sondern um fundamentale Grundrechte und
Werte in unserer Verfassung, die gleichermaßen dem Patienten
als auch den anderen beteiligten Akteuren zu konzedieren sind.
Knoepffler hat in seinem Vortrag völlig zu Recht konstatiert:
„Ähnlich ist es um die Autonomie der behandelnden Ärzte, d.h.
Weigerung der Vollstreckung eines dem Ethos des Arztes
widersprechenden,
tatsächlichen
oder
mutmaßlichen
Patientenwillen, bestellt. Wenn also der Patientenwille nicht erfüllt
wird, scheint ein Zwang aufgrund des Respekts der Autonomie
des Arztes unangebracht. Vielmehr müssten solche Fälle über die
Policy des Krankenhauses geklärt werden, wie es etwa in Amerika
der Fall ist.“ 121
119
„Mit den Eltern sind wir zutiefst erleichtert, dass die perverse zwangsweise
Lebenserhaltung gegen den Willen von Peter K. nach fast sechs Jahren endlich
ein Ende genommen hat. Sie war rechtlich gesehen nicht nur eine mit Strafe
bedrohte Körperverletzung, sondern vor allem eine Verletzung der
Selbstbestimmung und Würde unseres Mandanten. Unsere Anerkennung und
Hochachtung gilt aber nicht nur den Eltern sondern auch dem großartigen Arzt
von Peter K., der mit der Familie und uns seit Jahren gekämpft hat, Peter durch
passive Sterbehilfe seinem Wunsch entsprechend sterben zu lassen.“, so Putz /
Steldinger, in Presserklärung, siehe unter >>>
http://www.patientenverfuegung.de/pv/detail.php?uid=183
120
Putz / Steldinger, ebenda.
121
Ebenso Knoepffler, in Tagungsbericht – Menschenwürde in der Bioethik – das
Lebensende – Interdisziplinäres Forum zur aktuellen Wertediskussion v. 28.07.05
(v. Benedikt Seidenfuß), Hans Seidel Stiftung &. Akademie für Politik und
Zeitgeschehen, S. 8
© 2007
115
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Mit
Interesse
darf
daher
das
Ansinnen
der
Prozessbevollmächtigten der Eltern des Verstorbenen verfolgt
werden, nunmehr den Träger der stationären Alteneinrichtung auf
„Schadensersatz und Schmerzensgeld für die rechtswidrige
Zwangsernährung“ zu verklagen, zumal diese Ansprüche auf die
Eltern des Verstorbenen übergegangen sind. In einem solchen
Verfahren bietet sich erneut die Möglichkeit, die Bedeutung der
Grundrechte aller Beteiligten ins Bewusstsein derer zu rufen, die
die Entscheidung herbeiführen möchten und derjenigen, die zur
Entscheidung berufen sind.
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116
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Das „Sterbenlassen“ einer Wachkoma-Patientin - Gebührt
nicht auch der katholischen Einrichtung Respekt und
Toleranz vor der Gewissensentscheidung?!
Kurze Stellungnahme, u.a. zur Pressemitteilung v. RA(e) Putz
und Steldinger122
v. Lutz Barth, 24.08.06
Die Individualschicksale einzelner schwerstkranker Patienten
sollten nachhaltig den Gesetzgeber veranlassen, nunmehr tätig zu
werden. Allein der Gesetzgeber ist dazu berufen, in dem höchst
sensiblen und vor allem grundrechtsrelevanten Bereich aufgrund
der ihm zuvörderst zustehenden Gesetzgebungskompetenz eine
Regelung herbeizuführen, die sowohl den Interessen der Patienten
als auch diejenigen der sie Pflegenden und Betreuenden
entspricht. Auf Dauer wird der auch der Bundesgerichtshof
überfordert sein, die Problemfälle zu judizieren und zwar
ungeachtet der Tatsache, dass dem BGH in diesen
grundrechtsrelevanten Fällen auf Dauer keine gesetzesvertretende
„Gesetzgebungskompetenz“ in Gestalt eines sog. Richterrechtes
zukommt.
In einzelnen Pressemitteilungen wird nach wie vor der Eindruck
erweckt, als sei mit der berühmten „Kemptener-Entscheidung“ die
strafrechtliche Dimension der sog. Sterbehilfe-Debatte bereits
gelöst. Dem ist mitnichten so, da allein der Gesetzgeber aufgrund
seiner grundrechtlichen Schutzpflichten gehalten ist, sich endlich
mit Nachdruck der Problematik anzunehmen. Trotz der
Rechtsprechungsentwicklung des BGH steht zu bezweifeln an, ob
© 2007
122
Pressemitteilung der RA(e) Putz und Steldinger v. 22.08.06, Quelle: >>>
Homepage der RA(e) <<<; vgl. ebenso OVB-online v. 21.08.06, >>> „Das kann
kein Mensch wollen“ <<< v. Boris Forstner.
117
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
der Hinweis auf die sog. „allgemeinen Wertvorstellungen“ bei der
Beurteilung von lebensverlängernden Maßnahmen sich als
verfassungsrechtlich tragfähig erweisen wird, zumal wenn es um
die Beurteilung und Reichweite einer patientenautonomen
Entscheidung geht. Dies gilt auch in den Fällen, in denen nach
dem „mutmaßlichen Willen“ des Patienten zu forschen ist, wenn
und soweit keine eindeutige patientenautonome Erklärung vorliegt.
Völlig unabhängig hiervon ist aber das Problem zu werten, ob den
Ärzten
und
ggf.
den
Pflegenden
entgegen
ihrer
Gewissensentscheidung ein Verhalten abgerungen werden soll,
wonach u.a. bei dem Patienten die Ernährung eingestellt wird.
Ich meine nicht, denn weder den Patienten noch den Betreuern
kommt ein „Fremdbestimmungsrecht“ zu! Das Prinzip der
praktischen Konkordanz erfordert einen möglichst schonenden
Ausgleich zwischen den konfligierenden Grundrechten der
Beteiligten, so dass einerseits das Selbstbestimmungsrecht des
Patienten und andererseits die ernsthafte und zu respektierende
Gewissensentscheidung der Ärzte und Pflegenden gewahrt
bleiben.
Es geht eben nicht darum, dass Pfleger oder Einrichtungen nicht
bereit seien, ihre Patienten in Ruhe und Frieden „sterben zu
lassen“, sondern um eine nach außen hin gelebte und praktizierte
Gewissensentscheidung, die es ihnen offensichtlich verbietet, ggf.
die künstliche Ernährung einzustellen. Dies mögen wir akzeptieren
und anderenorts wurde bereits darauf verwiesen, dass sich eine
wie auch immer geartete Pflegeethik in Gestalt einer „guten
Todes- oder Sterbeethik“ nicht zwangsweise vermitteln lässt.
Selbstredend ist hierbei, dass die Gewissensentscheidung der
Ärzte und Pfleger nicht dazu führen kann, dass das
Selbstbestimmungsrecht des Patienten bei der Grundfrage nach
seinem eigenen Tod und Sterbewunsch nicht berücksichtigt wird.
Hierzu wurde bereits vorgeschlagen, in solchen Situationen den
Patienten in eine andere Einrichtung zu verlegen, in der der
autonome Wille eine adäquate Berücksichtigung findet.
© 2007
118
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Überdies wird angeregt, jedenfalls den rechtlichen Diskurs nicht
mit emotionalen und für sich genommen bedauerlichen
Einzelschicksalen zu überfrachten. Es steht außer Frage, dass die
Macht des geschriebenen Wortes eine ungeheure Wirkung
entfalten kann, wobei aber stets die Gefahr mitschwingt, dass
dann in der Öffentlichkeit ein Bild etwa der Pflegenden oder der
Einrichtung skizziert wird, dass nicht sachgerecht die Motive und
damit auch die Gewissensentscheidung widerspiegelt. Beredtes
Beispiel hierfür ist der jüngste Fall in Bayern, der für allgemeines
Medieninteresse sorgen wird. Den Presseberichten kann
entnommen werden, dass die Amputation des Fußes eigentlich
medizinisch indiziert war, hiervon aber aufgrund der
Gesamtumstände Abstand genommen wurde. Dies ist für sich
genommen unter medizinischen Aspekten betrachtet nicht
ungewöhnlich.
Ungewöhnlich und nachdenklich stimmend ist vielmehr in der
Presseberichterstattung, dass in der Folge die Mumifizierung des
Unterschenkels einschließlich der sichtbaren Kniescheibe und
Pattelasehne eine besondere Gewichtung erfährt, dergestalt, in
dem unmittelbar hieran darauf verwiesen wird, dass das
Pflegeheim sich weigerte, die Patientin sterben zu lassen. Was soll
uns dieser Hinweis sagen?
Der schockierte Leser, der zunächst mit einer Mumifizierung in
einer deutschen Alteneinrichtung konfrontiert wird, bleibt seinen
Spekulationen überlassen: Hat etwa die Alteneinrichtung ein (Mit)Verschulden daran, dass das rechte Bein der Patienten
zunehmend mumifizierte und das linke Bein bereits erste
Anzeichen hierfür aufwies? Wäre es vielleicht doch besser
gewesen, die Patientin „sterben zu lassen“ – wie es offensichtlich
dem Wunsche der Familienangehörigen als auch der Ärzte
entsprach -, bevor diese am lebendigen Leibe mumifiziert? Und –
auch die Krankenschwestern geben zu bedenken, dass dies ja
unendlich große Schmerzen sein müssten!
© 2007
All dies wird in der Öffentlichkeit nicht seine nachhaltige Wirkung
verfehlen und gerade weil dies so ist, muss (!) der Gesetzgeber
119
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
schnellstens tätig werden. Anderenfalls steht zu befürchten an,
dass ein gesamter Berufsstand abermals stigmatisiert und an den
Pranger gestellt wird, obwohl diese eine nachvollziehbare
Gewissensentscheidung getroffen haben, die auch Rechtsanwälte,
Betreuer oder Familienangehörige zu respektieren haben.
Nicht sonderlich hilfreich ist bei dieser Fragestellung im übrigen
der Hinweis, dass jede ärztliche Behandlung einer Indikation und
freilich der Einwilligung des Patienten nach zuvor erfolgter
ärztlicher Aufklärung bedarf. Dies dürfte allgemeinen bekannt sein,
während demgegenüber die Frage nach einem möglichen
Behandlungsabbruch aufgrund einer scheinbar infausten
Prognose mit Blick auf einen Wachkoma-Patienten höchst
umstritten ist.
Gerade die Frage, in welchen (!?) Situationen das Sterbenlassen
erlaubt ist, steht zur Diskussion an.
Bislang galt das Kriterium, das der Patient schon in die
Sterbephase eingetreten sein müsse. Nach der Rechtsprechung
des BGH galt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn und soweit
das Leiden des Patienten nach ärztlicher Überzeugung irreversibel
war und einen Verlauf angenommen hat, bei dem der Tod in
kurzer Zeit eintritt. Im sogenannten „Kemptener Fall“ hat dann in
der Folge der BGH allerdings entschieden, dass ein zulässiges
Sterbenlassen auch dann vorliegen könne, wenn der Patient noch
nicht in die Sterbephase eingetreten ist, dieser aber den Abbruch
der ärztlichen Behandlungsmaßnahmen expressis verbis wünscht
resp. will bzw. die Voraussetzungen des mutmaßlichen Willens
des Patienten gegeben sind. Hierbei ist klar, dass an die
Voraussetzungen der Annahme eines sog. mutmaßlichen Willens
strenge Anforderungen zu stellen sind. Festzuhalten bleibt aber in
jedem Falle, dass es mit dem Selbstbestimmungsrecht des
Patienten nicht vereinbar ist, gegen seinen Willen Maßnahmen zur
künstlichen Lebensverlängerung vorzunehmen (vgl. dazu auch die
Stellungnahme des Nationales Ethikrates v. 13.06.06 –
Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende, S. 35; ebenso
die
Stellungnahme
des
Nationalen
Ethikrates
zur
Patientenverfügung).
© 2007
120
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Es geht m.E. nicht „der Blick für die Indikation“ verlustig, sondern
mit den ständig wachsenden Möglichkeiten der Medizin
einschließlich der Medizintechnik stößt die Medizin in Bereiche
vor, die gegenwärtig Zweifel aufkommen lassen, bei bestimmten
medizinischen Krankheitssymptomatiken von einer sog. infausten
Prognose ausgehen zu können. Dies gilt sowohl für die
Wachkoma-Patienten und in der Folge auch für die hochgradig
dementiell erkrankten Patienten, um hier nur zwei Beispiele zu
nennen.
Und in diesem Sinne darf dann wohl auch der in der Pressenotiz
mitgeteilte Hinweis der Geschäftsführerin der Caritas Sozialwerke
verstanden werden, wonach „der Sterbeprozess noch nicht
eingesetzt hatte“.
Ob dies tatsächlich so war und ob ggf. doch der Wille der Patientin
für einen Behandlungsabbruch entgegen den Bekundungen der
Einrichtung hinreichend „klar und präzise“ war oder zumindest ein
„mutmaßlicher Wille“ hierfür festgestellt werden konnte, kann in
Ermangelung eines konkreten, sämtliche die den Fall betreffenden
Einzelheiten, maßgeblichen Sachverhalts nicht (!) beurteilt werden
und es verbietet sich eine allzu schnelle „Vorverurteilung“ – auch
durch die Medien, die mit ihrer Berichterstattung einen Eindruck
aufkommen lassen können, als habe man hier einen lebenden
Patienten bewusst länger als nötig mumifizieren lassen.
Die medizinische Entwicklung führt also zunehmend zu
(rechts)normativen Problemen und gerade die sog. medizinische
Indikation erweist sich bei näherer Betrachtungsweise mit all
seinen
dynamischen
Elementen
in
Zeiten
einer
wissenschaftsorientierten Medizin als nicht statisch. Die Grenze,
ab wann ein medizinischer Eingriff nicht mehr medizinisch indiziert
sei und demzufolge es nicht mehr auf den Patientenwillen
ankomme (so Putz), wird zunehmend nicht nur in Frage gestellt,
sondern wird laufend verschoben, so dass die Frage nach der
Indikation zwar nicht an normativer Bedeutung verliert, gleichwohl
aber an hinreichender dogmatischer Schärfe. Dies zeitigt im
© 2007
121
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Ergebnis die Konsequenz, dass nach wie vor dem autonomen
Patientenwillen eine eminent wichtige Bedeutung zukommt,
vorausgesetzt, die Rechtsordnung akzeptiert mit all seinen
Konsequenzen einen Rechtsanspruch auf den eigenen Tod. „Die
Patientenverfügung schlägt demzufolge in der Tat zurück“, um sich
der Worte der Rechtsanwälte zu bedienen und zwar aus guten
Gründen: die Entlassung des Patienten in seine grundrechtlich
geschützte autonome Stellung bedingt zugleich die Kehrseite
seines wohlverstandenen Selbstbestimmungsrechts, namentlich
die hohe Selbstverantwortung! Mit den zunehmenden
medizinischen Erfolgen und damit der Grenzverschiebung der
medizinischen Indikation von einer infausten Prognose geht die
besondere Verantwortung des Patienten für seine künftige und
mögliche patientenautonome Entscheidung einher; er selbst ist
dazu berufen, die Regie für „seinen Tod“ zu führen. Weder die
„allgemeinen Wertvorstellungen“ in unserer Gesellschaft noch die
Spekulationen der Familienangehörigen über den mutmaßlichen
Willen des Patienten, geschweige denn irgendwelche
Rechtsanwälte oder Richter vermögen sich auf Dauer der
Erkenntnis verschließen, dass primär unsere Verfassung die
Vorgaben für eine Lösung in dem konfliktbeladenen
Spannungsfeld des sog. Sterbenlassens liefert und nicht ein Ziviloder Strafgericht, mögen dies auch die Senate beim BGH sein.
Der eigentliche Konflikt im Konflikt ist aber eher unspektakulär zu
lösen: Die Gewissensfreiheit der Ärzte und Pflegenden setzt dem
Selbstbestimmungsrecht der Patienten durchaus seine Grenzen.
Ein solches gilt freilich auch für die Religionsfreiheit, wenn nicht
gar in einem besonderen Maße. Nicht nur dem Krankenhaus (so
Putz), sondern auch der Einrichtung der Caritas ist großer Respekt
zu zollen, halten sie doch den Wirrungen in einer lebhaften und
von einer allgemeinen Wertediskussion teilweise geplagten
säkularisierten Gesellschaft stand. Die Kirche muss nicht ihre
Grundüberzeugungen „über Bord werfen“; im Gegenteil, sie bleibt
aufgerufen, gleichsam ein „Fels in der Brandung“ zu sein, um im
Zeitalter einer allgemeinen Wertediskussion auf dem Marktplatz
der Meinungen mit Nachdruck ihre Auffassung konsequent zu
© 2007
122
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
vertreten und es darf die Prognose angestellt werden, dass sie
sich hierbei auf einem verfassungsrechtlich gut abgesicherten
Boden befindet.
Um allen Spekulationen hier den „Wind aus den Segeln“ zu
nehmen sei darauf hingewiesen, dass die vorstehenden Zeilen von
einem weltanschaulich neutralen Beobachter stammen, der
allerdings die Grundrechte und den Verfassungsstatus nicht nur
der Patienten, Ärzte und Pflegenden, sondern auch der
Konfessionen achtet, ohne hier das Wort von einer
philosophischen oder transzendenten Verfassungsinterpretation
reden zu wollen. Trotz aller Säkularisierung ist es die vornehmste
Aufgabe und das verfassungsmäßig verbürgte Recht (!) der
Kirche, ihren „Weg“ in der Sterbehilfedebatte selbst zu bestimmen
und zu gehen und – soweit für mich ersichtlich – hat sich die
katholische Kirche deutlich positioniert.
Üben wir Toleranz gegenüber einer Einrichtung, die aus ihrem
Selbstverständnis heraus nicht den Schritt in ein „Sterbenlassen“
des Patienten aufgrund der Einstellung der künstlichen Ernährung
zu gehen bereit ist. Es bedarf nicht des moralischen, ethischen
oder rechtlichen Drucks einer Gesellschaft auf die kirchlichen
Einrichtungen,
um
die
Grenzfragen
am
Lebensende
verfassungsrechtlich entschärfen zu können. In diesem
Zusammenhang stehend darf daran erinnert werden, dass das
katholische und unverrückbare Bekenntnis zum Lebensrecht des
Menschen als ein fundamentaler Wert etwa in der
Schwangerschaftsberatung dazu geführt hat, dass sich die Kirche
hiervon distanziert hat.
© 2007
Im jüngsten Fall hegt hier der Autor allerdings keinen Zweifel an
der Redlichkeit der Ausführungen der Geschäftsführerin der
Caritas – Sozialwerke, wonach für den Fall des Eintretens einer
Sterbephase dafür Sorge getragen worden wäre, dass die
Patientin keine lebensverlängernden Maßnahmen erhält.
123
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Mögen auch die Anwälte über diese Argumente den Kopf schütteln
und behaupten, „bei diesem Fall brauche ich keine
Patientenverfügung“, so darf daran erinnert werden, dass
jedenfalls nach der Rechtsprechung des BGH über das
Sterbenlassen in der Sterbephase hinaus nur dann das
Unterlassen der weiteren Behandlung straflos ist, wenn der
Patient eine Fortsetzung der Therapie ablehnt! Das bedeutet in
der Konsequenz, dass in jedem Falle eine patientenautonome
Entscheidung vorliegen muss (ggf. auch im Rekurs auf den
mutmaßlichen Willen), es sei denn, die erste Alternative über den
Eintritt des Patienten in die Sterbephase würde bereits vorliegen,
so dass die Weiterbehandlung des Patienten aufgrund des
irreversiblen Grundleidens nicht mehr indiziert war. Ob dies
allerdings vorliegend gegeben war, kann den Pressemitteilungen
nicht entnommen werden.
Aus all diesen leidigen Diskussionen folgt zuvörderst die
Erkenntnis, dass der Gesetzgeber dringlichst aufgerufen bleibt,
endlich
seinen
grundrechtlichen
Schutzverpflichten
nachzukommen. Die höchst umstrittenen Fragen werden auf
Dauer weder beim BGH in Karlsruhe noch in einer Anwaltskanzlei
in München entschieden. Ob der kommende 66. Deutsche
Juristentag in Stuttgart hierzu einen Beitrag wird leisten können,
steht insofern zu bezweifeln an, da die Grundfragen nicht auf der
Ebene des einfachen Gesetzesrechts, sondern auf der des
Verfassungsrechts entschieden werden. Hierbei wird nicht
verkannt, dass derzeit die Gerichte gehalten sind, den
Grundrechtsschutz der Patienten und der anderen Beteiligten zu
gewährleisten, bis der Gesetzgeber ein verfassungskonformes
Schutzkonzept entfaltet und entsprechend etabliert hat. Nicht
hinnehmbar ist allerdings der Umstand, dass auf Dauer
Tätigkeitsversäumnisse des Gesetzgebers zu beklagen sind,
obgleich dieser ausreichend Zeit und Gelegenheit hatte, eine
rechtsförmige Regelung vorzunehmen. Letztlich bliebe hier nur
noch der Gang zum Bundesverfassungsgericht, um mehr oder
minder sanften Druck auf den parlamentarischen Gesetzgeber
entfalten zu können, damit dieser seinen Aufgaben nachkommt
© 2007
124
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
und ich für meinen Teil gestehe freimütig, dass ein solcher Gang
wünschenswert wäre. Dabei geht es weniger um die „Sanktion“
des Gesetzgebers als vielmehr um eine verfassungsrechtlich
fundierte Orientierung durch das Bundesverfassungsgericht. Denn
eines dürfte bereits jetzt klar sein: die vom Gesetzgeber
erlassenen Regelungen werden ohnehin durch das BVerfG einer
Prüfung unterzogen.
© 2007
125
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Gibt es gute Gründe gegen Assistenz beim Suizid und aktive
Sterbehilfe?
Ein Vortrag v. Uwe Fahr auf Einladung durch die Gesellschaft für
analytische Philosophie, Regionalgruppe Erlangen-Nürnberg auf
dem öffentlichen Workshop Leben und Tod als philosophische
Herausforderung: Pathozentrismus – Medizinethik – Sterbehilfe
am 24.06.06.
Quelle: http://www.ethik-info.de/Uwe_Fahr_Vortrag_06_06_24.pdf
Kurze Anmerkung (L. Barth):
Uwe Fahr kommt in seinem Referat u.a. zum folgenden Resümee:
„Ich meine, dass es für einen Gesetzgeber gute Gründe gibt, auf
eine Liberalisierung des Paragraphen 216 zu verzichten. Sie
bestehen darin, dass eine genaue Abgrenzung zwischen
Menschen, die zurecht eine Tötung für sich in Anspruch nehmen
können und solchen, die dies zu unrecht tun würden, nicht
gezogen werden kann. Im Sinne des Schutzes menschlichen
Lebens ist es daher einzelnen zumutbar, ihre persönliche
Wertentscheidung dem Gesamtinteresse unterzuordnen“.
Im Kern bedeutet dies nach ihm, dass der Gesetzgeber diejenigen
Menschen,
© 2007
„die sich authentisch auf ihrer Wertgrundlage gegen das Leben
entscheiden, zuzumuten (ist), weiterzuleben als es zuzulassen, die
Willensschwachen vorzeitig töten zu lassen“.
Hierbei verlange dann in der Folge der Gesetzgeber lediglich
Gehorsam und Fahr gibt für einige der willensstarken
Sterbewilligen gleich ein vielleicht hilfreiches Argument an die
Hand:
126
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
„Da ich Teil der politischen Gemeinschaft bin und daher Teil des
Gesetzgebers als des Souveräns, kann ich zugunsten anderer
Menschen auf meine Tötung verzichten, auch wenn dies für mich
selbst mit Leiden verbunden ist; es ist allerdings dann ein Leiden,
das ich auf mich nehme, um andere Personen zu schützen“.
Diese Lesart vom Selbstbestimmungsrecht des Individuums greift
m.E. nach wesentlich zu kurz und zielt letztlich direkt auf einen
Grundrechtsverzicht ab.
Unabhängig davon, dass dem parlamentarischen Gesetzgeber ein
beachtlicher Beurteilungs- und damit Gestaltungsspielraum
zukommt, findet dieser jedoch seine Grenze an den legitimen
Interessen der einzelnen Grundrechtsträger.
Die höchst individuelle Entscheidung am Lebensende für einen
selbstbestimmten Tod impliziert zugleich auch das Recht, nicht
zum Weiterleben verpflichtet zu werden.
Mit dem Hinweis darauf, dass der Einzelne Teil der politischen
Gemeinschaft und damit auch des Souveräns ist, appelliert der
Autor Fahr nach meiner Auffassung eher an einen tugend-, denn
an einen rechtsethischen Aspekt.
Grundrechte sind in erster Linie Individualrechte und sie finden
ihre Grenze an den Grundrechten anderer und freilich auch an
überragenden Verfassungswerten. Hierzu zählt allerdings nicht die
Verpflichtung, persönliches Leid mit Blick auf den Sterbewunsch
auf sich zu nehmen, um andere Personen zu schützen. Der
Sterbewillige hat vielmehr Anspruch darauf, dass ihm gesetzliche
Rahmenbedingungen ermöglich werden, in den ihm die
Möglichkeit zum selbstverantworteten Sterben eingeräumt werden.
Der Appell an einen Verzicht des legitimen Sterbewunsches (auch
um den Preis des eigenen Leidens willen) bedeutet in der
Konsequenz einen Rückschritt in der aktuellen Debatte und setzt
erkennbar auf einen ethischen Tugendkompromiss, der dem
Einzelnen nicht nur demokratische Tugenden, sondern auch
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127
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
individuelle Leidensfähigkeit und einen Grundrechtsverzicht
abringt, die so in unserer Verfassung nicht vorgesehen sind.
Der individuelle Wunsch des Sterbens bedarf keiner
demokratischen Legitimation, sondern vielmehr obliegt es dem
Gesetzgeber,
seinen
grundrechtlichen
Schutzauftrag
wahrzunehmen. Er ist dafür darlegungs- und beweisbelastet,
warum das Individuum ggf. einen Eingriff in seine subjektiven
Grundrechte zu tolerieren hat. Wenig hilfreich ist hierbei ohne
Frage der ansonsten tugendethische Appell, ggf. andere Personen
zu schützen. Der Sterbewunsch und noch weniger das Sterben an
sich ist eine öffentliche Veranstaltung, in denen das Individuum mit
Hinweis
auf
vermeintlich
ethische
Schranken
zwangsinstrumentalisiert wird. Ihm allein obliegt die Entscheidung
und
der
Gesetzgeber
hat
hierfür
die
notwenigen
Rahmenbedingungen zu schaffen.
Und selbst wenn dann in der Folge der Gesetzgeber eine
Regelung getroffen hat, müssen wir uns nicht zwangsläufig mit
dieser Regelung zufrieden geben. Prinzipiell hegt zwar der
Gesetzgeber die Erwartung, dass das Staatsvolk gehorsam ist.
Insofern kann Fahr beigepflichtet werden.
Aber dennoch kann und soll der betroffene Bürger dann
Ungehorsam praktizieren, wenn und soweit er einen
Grundrechtseingriff zu tolerieren hat, der verfassungswidrig ist
oder den er für nicht verfassungskonform hält.
Auch
ein
Gesetz
eines
parlamentarisch-repräsentativen
demokratischen Gemeinwesens steht zur Disposition seiner
Bürger, wenn und soweit in dem Gesetz Grundrechtsverletzungen
zu beklagen sind. Nun mag man Gehorsam auch als Tugend
bezeichnen, aber nicht um den Preis eines Grundrechtsverzichtes
willen. Der Appell als solcher mag auch lobenswert sein,
wenngleich hier die Tugendethik ebenso wie das vermeintliche
moralische Gesetz unmittelbar ihre Grenzen aus der Verfassung
erfahren.
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128
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
In diesem Zusammenhang stehend könnte es dann natürlich Sinn
machen, über den Begriff der Autonomie weiter nachzudenken.
Diesbezüglich soll auf den Beitrag v. Uwe Fahr „Zur Kritik der
aktiven Sterbehilfe“ verwiesen werden.
>>> http://www.ethik-info.de/Fahr005.pdf
Gleich einführend bemerkt Fahr, dass jedenfalls Bettina SchöneSeifert in einem Aufsatz nachdrücklich die Auffassung vertritt, dass
sich zum Gesamtkomplex der Sterbehilfe ethisch kaum noch
etwas Neues sagen lässt. In der Tat sind auf prinzipieller und
pragmatischer Ebene die Argumente vorgebracht, auch wenn die
prinzipiellen Grundfragen nicht zufrieden stellend beantwortet sind.
Dies mag mit Wehmut für beklagenswert erachtet werden, aber ein
Konsens
divergierender
philosophischer
und
ethischer
Grundannahmen steht nicht zu erwarten an – mehr noch, ein
moralisches Gesetz, ausgestattet mit einem Grad an
Verbindlichkeit, ist weder erstrebenswert noch zwingend
notwendig. Hier hilft auch der Rekurs auf die deontologischen
Ethik nicht weiter, mal abgesehen davon, dass etwa die ethischen
Theorien Kants als magna charta in der Moderne begriffen werden
und die Philosophie gleichsam in einem nachfolgendem Gehorsam
die Gegenwartsprobleme theoretisch konservieren, so als ob die
(Verfassungs-)Wirklichkeit gleichsam retroperspektiv an den
theoretischen Annahmen Kants stets einer fortwährenden
Ausrichtung und ggf. Korrektur bedarf. Weder die Lehren und
Theorien von Kant, Hippokrates, Hoerster, Habermas, Singer oder
Linus Geisler (um nur einige Persönlichkeiten hier zu nennen)
werden dem Patienten bei seinem Entscheidungsakt die
höchstpersönliche Entscheidung ebnen können, wenn es darum
geht, die individuelle Grenze des eigenen Lebens ziehen zu
wollen. Philosophische Betrachtungsweisen über den vermeintlich
guten Tod nach einem moralisch guten Gesetz dringen nicht mehr
in das Bewusstsein derjenigen, die da meinen, einen
selbstverantworteten Sterbewunsch in praxi umsetzen zu wollen.
Die Frage ist also, ob wir dem Patienten und im Vorfeld den
Bürgerinnen und Bürgern dieses „autonome Recht“ zugestehen
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129
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
wollen, nach dem sie die alleinige Regie in und bei ihrem Tod
führen, in dem sie etwa eine Patientenverfügung verfasst haben
und sofern sie der konkreten Hilfe bei dem Vollzug ihres
höchstpersönlichen Willens bedürfen, jedenfalls die Möglichkeit
einer ärztlichen Assistenz in Anspruch nehmen können
(vorausgesetzt, es ließe sich eine Ärztin oder Arzt finden, die eine
solche ärztliche Assistenz beim selbstverantworteten Suizids mit
ihrem Gewissen vereinbaren können).
Philosophen und professionelle Bereichsethiker sind im Begriff, in
einem höchst bedeutsamen Wertediskurs die Autonomie des
Individuums zur kleinen Münze zu schlagen, in dem sie das
Subjekt ihrer philosophischen Betrachtungen und Erörterungen
instrumentalisieren und daher zum „Objekt“ ihrer Wissenschaft
denaturieren. Neue Offenbarungsquellen scheinen nicht in Sicht
zu sein, so dass u.a. der ehrwürdige Geist Hippokrates und Kants
reanimiert wird, wobei im säkularen Gemeinschaftswesen parallel
dazu von standhaften Christen die Metaphysik bemüht wird, die
die Offenbarungsquelle gleichsam von vornherein mitliefert und
keiner dogmatischen Grundlegung mehr bedarf, geschweige denn
ihre (unverrückbaren) Prämissen zur Diskussion und damit zur
Disposition stellt.
Ob uns dies beim Abfassen einer Patientenverfügung gegenwärtig
ist, steht nachhaltig zu bezweifeln an. Weder Kant, Hippokrates
noch Gott haben uns Patientenverfügungen in formalisierter Form
hinterlassen und trotz dem gebotenen Respekt bleibt zu
konstatieren, dass dies auch nicht sonderlich von Belang ist. Wenn
das Individuum Autonomie für sich beansprucht, bedarf es keines
Rekurses auf Kant, wenn und soweit der Patient seine ureigene
Entscheidung zu treffen gedenkt und er in der Folge auch diese
Entscheidung umgesetzt wissen möchte.
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In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Selbstbestimmtes Sterben in Würde – eine Utopie?
Die ärztliche Standesethik als Grundrechtsschranke?
Die Frage muss für sich genommen provozierend erscheinen,
ringen doch die derzeitigen Diskussionsteilnehmer in der
scheinbar unendlichen Debatte um das „Sterben in Würde“ um die
Fundamentalprinzipien unserer ethischen Werteordnung.
Keiner wird in der Debatte bestreiten wollen, dass
selbstverständlich ein „Sterben in Würde“ in unserer Gesellschaft
möglich sein muss. Aber gilt dies auch für ein selbstbestimmtes
Sterben? Die spezifische Akzentuierung dieser Fragestellung liegt
nicht auf dem Sterben per se, sondern vielmehr auf der
Selbstbestimmtheit der Entscheidung und hier scheint mehr denn
je Aufklärungsbedarf geboten. Der durchaus bedeutsame ethische
Wertediskurs ist im Begriff, den bisher erreichten Status quo im
geltenden Verfassungsrecht zu überlagern, wenn nicht gar zu
verändern und damit zu verdrängen.
Die Diskursteilnehmer sind unentwegt bemüht, ihre ethischen
Fundamentalprinzipien auf dem bunten Marktplatz der Meinungen
in erster Linie dem eigenen Fachpublikum zu präsentieren und
diese mit einer Verbindlichkeit zu versehen, so dass zumindest die
Profession an die ethischen Proklamationen gebunden ist.
Freilich geht mit einer solch ständigen Proklamation auch ein
gewisses Sendungsbewusstsein einher, um über den eigenen
Adressatenkreis hinaus auch ein weiteres Publikum erreichen zu
können. Der interessierte Bürger, der sich um sein würdevolles
und selbstbestimmtes Sterben sorgt, registriert das vielfältig
vorhandene Angebot miteinander konkurrierender und im Kern
unversöhnlicher Bereichsethiken und es könnte bei ihm der
Eindruck entstehen, als müsse er sich für eine der angebotenen
Alternativen entscheiden, zumindest aber mit seiner Entscheidung
zuwarten, bis ein allgemeiner ethischer Konsens gefunden wird.
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In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Bis dahin verbleibt dem Patienten einstweilen die Möglichkeit,
dass
kaum
noch
überschaubare
„Angebot“
von
Patientenverfügungen resp. Patientenvollmachten zu sichten und
sich hierbei für eine geeignete Alternative zu entscheiden.
Einen ethischen Konsens wird es allerdings bei den diametral
entgegen gesetzten Positionen nicht geben und das
unvermeintliche Ergebnis des Diskurses besteht in einem
ethischen Minimum, das nach allgemeiner Beachtung strebt. Das
„Sterben in Würde“ wird nach der ethischen Generaldebatte durch
die verschiedenen Experten als ein ethischer Minimalkompromiss
ausgewiesen und hierzu dürfte u.a. wohl auch die Verneinung des
ärztlich assistierten Suizids zählen, obgleich dieser aus guten
verfassungsrechtlichen Gründen geboten erscheint.
Vermeintliche Leitprofessionen in der Debatte, allen voran die
Ärzteschaft (und sicherlich auch die Kirchen), reklamieren für sich
die Befugnis, über ethisch bedeutsame Grundsatzfragen zu
entscheiden. Dies ist durchaus nachvollziehbar, schwebt doch
nach wie der Geist des ehrwürdigen Hippokrates über die
Ärzteschaft hinweg und mahnt stetig in aktueller Stunde an die
ethischen und moralischen Sollensregeln ärztlichen Handeln und
im Zweifel gar Denkens mit Blick auf das ureigene Gewissen!
Der Präsident der Bundesärztekammer hat unlängst in einem
Vortrag erneut deutlich die Position der Bundesärztekammer zum
Ausdruck gebracht: „Das Sterben ist nicht normierbar“ und in der
Folge betont er durchaus selbstbewusst:
© 2007
„Ich lasse bei dieser grundsätzlichen ethischen Frage auch
kein Diktat des Zeitgeistes zu.
Also, in aller Bescheidenheit, man darf schon einmal
fragen, ob der letzte Juristentag mit seinen Beschlüssen
zum ärztlich assistierten Suizid nicht dem Druck des
Mainstream erlegen ist.“
132
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Ob dieses Statement des BÄK-Präsidenten - trotz der betonten
Bescheidenheit zutreffend die Bemühungen des letzten
Deutschen Juristentages kennzeichnet, mag ein jeder für sich
selbst entscheiden.
Diskussionswürdig hingegen scheint mir zunächst die
emanzipatorische Haltung der ärztlichen Selbstverwaltung zu sein,
die über ihre Befugnis zur Teilnahme an dem bedeutsamen
ethischen Wertediskurs hinaus in Teilen aufgrund ihrer Profession
und damit Nähe u.a. auch zum Sterben im Begriff ist, die
„Herrschaftsgewalt“ über die grenzwertigen Fragen des
selbstbestimmten Sterbens zu übernehmen.
Anlass zu dieser Fragestellung besteht deshalb, weil über die
Öffentlichkeit hinaus auch in der Ärzteschaft ggf. der Eindruck
entstehen könnte, als sei die Auffassung der Bundesärztekammer
(auch nur partiell für die Ärzteschaft) verbindlichkeitsstiftend und
dass überdies die Debatte um die Patientenverfügungen rhetorisch
schärfer123 geführt werde.
Der Münchener Palliativmediziner G.D. Borasio hat in der F.A.Z. v.
19.01.07 gefordert, Ärzte gesetzlich zum Befolgen von
Patientenverfügungen
zu
verpflichten.
„Vorschläge, etwa des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der
CDU/CSU Bosbach und des SPD-Politikers Röspel, dass
Patientenverfügungen nur bei unumkehrbar tödlichen Krankheiten
Anwendung finden sollten, seien weltfremd, bevormundend und
fundamentalistisch. Borasio kritisierte, dass in der modernen
Medizin statt einer Lebensverlängerung oft nur eine
Sterbeverlängerung erreicht werde.“124
© 2007
123
In einem Beitrag von Johannes Seibel in Die Tagespost v. 25.01.07 wird
darauf hingewiesen, dass die Debatte um Patientenverfügungen rhetorisch
schärfer geführt wird. Der Münchener Palliativmediziner G.D. Borasio erhebt in
der aktuellen Diskussion um die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen gegen
die Kritiker Vorwürfe und verwendet dabei Begriffe, die zum intellektuellen
Einschüchtern Andersdenkender geeignet sind. Quelle: Die Tagespost v.
25.01.07
124
Quelle: FAZ.net
133
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Borasio befürchtet den Ersatz des alten medizinischen
Paternalismus durch einen neuen und schlimmeren ethischen
Paternalismus. Dem kann nur beigepflichtet werden, wobei
diesseits davon ausgegangen wird, dass bereits der ethische
Paternalismus seit geraumer Zeit schleichend in unserem
säkularen Verfassungsstaat Eingang gefunden hat. Es ist schon
erstaunlich, mit welchem Engagement verfassungsrechtliche
Selbstverständlichkeiten in unserer Gesellschaft negiert werden.
Das individuelle Selbstbestimmungsrecht des Patienten und damit
sein Wille auch in schriftlich verbriefter Form einer
Patientenverfügung schließt einerseits jedwede Formen der
Verpflichtung des Patienten auf einen ethischen Minimalkonsens
und damit eines ethischen Paternalismus aus und andererseits ist
ausnahmslos der Wille des Patienten verbindlich.
Es gibt keine verfassungsrechtliche Pflicht zum Leben und noch
weniger lässt sich ein Zwang zum Leben verfassungsrechtlich
(demokratisch) legitimieren. Diese Position von Borasio ist nicht
nur vertretbar, sondern vor allem auch Ausdruck der geltenden
Verfassungsrechtslage.
„Die öffentliche Debatte, die in Deutschland über aktive Sterbehilfe
geführt wird, ist soziologisch unterbelichtet“ konstatiert Wolfgang
van den Daele und dem ist hinzuzufügen, dass das
Verfassungsrecht in der Diskussion zuweilen unterrepräsentiert ist
und die Verfassungsinterpretation durch Bereichsethiker sich
gelegentlich als ein alltagstheoretisches Philosophieren erweist.
© 2007
Dank Borasio wird nunmehr eine Debatte eröffnet, in der die
Diskursteilnehmer endlich ihre eigentlichen Prämissen zu
offenbaren haben. Wir werden dann schnell feststellen können,
dass
unsere
Verfassung
gegenüber
einem
ethischen
Paternalismus mit durchaus fundamentalistischen Zügen
verfassungsfest ist und dass die Verfassungsinterpretation aus
guten Gründen eben nicht mit der Philosophie gleichzusetzen ist.
134
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Es mag zwar reizvoll sein, auf die Vorgaben des
Verfassungsrechts in der Debatte verzichten zu wollen, aber
jedwedes
Bemühen,
ethische
Superschranken
für
Grundrechtseingriffe konstruieren zu wollen, scheitert an den
Vorgaben unserer Verfassung. Es stellt sich zunehmend als ein
Ärgernis dar, wenn in der Debatte eine vermeintliche Dichotomie
zwischen ärztlicher Ethik versus Patientenautonomie behauptet
wird und hieraus folgend der Versuch unternommen wird, die
Patientenautonomie auch nur mit Blick auf die Fragen am
selbstbestimmten Lebensende ad absurdum führen zu wollen.
Hier scheint dringend Aufklärungsbedarf geboten, wenngleich zu
befürchten ansteht, dass dieser Aufklärungsbedarf zwar erkannt
und in Teilen auch inhaltlich nachvollzogen werden kann, aber um
der eigenen Position willen schlicht und ergreifend negiert wird.
Kaum hat der Gesetzgeber seine dienstbeflissene Bereitschaft
dokumentiert, endlich die Rechtsfragen, die um die
patientenautonomen Entscheidungen ranken, zu regeln, melden
sich Heerscharen von Ethikern zu Wort und mahnen zugleich vor
der Überbetonung der Autonomie des einzelnen Patienten.
Phantasievoll wird auf der Klaviatur der Ethik und dem
Verfassungsrecht gespielt. Es wird in dem Bemühen,
Partikularethiken als verbindlich auszuweisen, vielfältige
Disharmonien komponiert und der Patient droht so mit seiner
individuellen Einstellung zum Tod instrumentalisiert zu werden.
Besonders misslich wird es, wenn mit Blick auf das individuelle
Leid philosophische Grundsatzbetrachtungen angestellt werden,
wonach auch in dem Leid eine Chance erblickt werden könne.
Sendboten einer leiborientierten Körper- und Leidensphilosophie
setzen dem Autonomieanspruch des Patienten eine Kultur des
Leidens entgegen und münden nicht selten in der Erkenntnis, dass
wir dieses Leid anzunehmen haben.
© 2007
Das hierbei auch dem Engagement der Bundesärztekammer
durchaus Grenzen gesetzt sind, muss insbesondere deshalb
135
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
besonders
betont
werden,
weil
die
Statements
der
berufsständischen
Selbstverwaltungsorgane
in
ethischen
Grundsatzfragen allenfalls die Meinung eben der Kammer
widerspiegeln und lediglich als eine Art Orientierungshilfe im
ethischen Diskurs sowohl für die Kammermitglieder als auch der
Öffentlichkeit dienen, ohne hierbei den Arzt oder den Patienten die
eigentliche Last der eigenverantwortlichen Entscheidung
abnehmen zu können. Auch die stete Erinnerung an Hippokrates
vermag
allenfalls
einen
Beitrag
zur
ethischen
Entscheidungsfindung zu leisten, ohne aber wirklich den Arzt von
der Bürde seiner Last, besser seines Gewissens zu entlasten.
Der Homepage der Bundesärztekammer können wir folgenden
Passus entnehmen:
„Der 100. Deutsche Ärztetag hat sich 1997 in Eisenach
intensiv mit dem vom Vorstand der Bundesärztekammer
vorgelegten
Entwurf
einer
Muster-Berufsordnung
auseinandergesetzt. Der schließlich vom Plenum des
Deutschen Ärztetags verabschiedete Text bedeutet eine
umfassende Neugliederung und Überarbeitung der bisher
geltenden Muster-Berufsordnung. Auffällig ist die verstärkte
Hinwendung zu ethischen Grundsatzfragen, wie sie etwa in
der Hervorhebung der Patientenrechte oder der
Grundsätze korrekter ärztlicher Berufsausübung zum
Ausdruck kommt. In die gleiche Richtung weisen die
Bestimmungen der neuen Muster-Berufsordnung, mit
denen der Arzt bei den Tätigkeiten, die medizinischethische Probleme aufwerfen, an die Richtlinien
(Handlungsleitlinien) der Ärztekammern gebunden wird
oder mit denen verbindliche Vorgaben zur Sterbebegleitung
gemacht werden.“125
© 2007
125
Quelle: BÄK >>> Medizinethik in der Berufsordnung – Entwicklungen in der
Muster-Berufsordnung v. Ch. Fuchs und Th. Gerst
136
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Den beiden Autoren ist zunächst zuzustimmen,
„dass gerade infolge ... (des) medizinischen Fortschritts
und gleichzeitiger Ressourcenknappheit immer neuer
Regelungsbedarf im medizinethischen Bereich erwächst ...“
Ob es allerdings ratsam erscheint, in der (neuen) MusterBerufsordnung bei bestehenden oder neu entstehenden
Problemen die Bindung des Arztes an entsprechende Richtlinien
und Empfehlungen der Ärztekammern festzuschreiben, bleibt
durchaus diskussionswürdig.
Hierbei steht außer Frage, dass (auch) die Ärzteschaft ihre
ethischen Fragen selbst zu identifizieren und zu beantworten
haben. Zu fragen bleibt aber, ob die ethischen Grundsatzfragen in
einem Regelwerk zu integrieren sind, dass im Kern medizinethisch
verpflichtend sein soll.
Gerade die aktuelle Debatte über den Sinn, Zweck und vor allem
Reichweite einer Patientenverfügung zeigt überdeutlich, dass sich
ein ethischer Konsens nicht in einer Berufsordnung der Ärzteschaft
oder einer Richtlinie verordnen lässt. Wesentlich hierbei ist der
verfassungsrechtlich erhebliche Umstand, dass mit der
medizinethischen Verpflichtung in den Berufsordnungen in
bedeutsame Grundrechte der Ärzte eingegriffen wird, die
(zunächst) vorbehaltlos gewährleistet sind.
Das redliche Bemühen der ärztlichen Selbstverwaltungsorgane um
eine nach der ärztlichen Ethik ausgerichteten Regelung ist legitim.
Gleichwohl stößt dieses Bemühen sowohl an innere als auch
äußere Grenzen, die sich primär aus den Vorgaben der
Verfassung ergeben. Die innere Grenze wird durch die subjektive
Grundrechtsstellung der Ärzte bestimmt, während demgegenüber
eine äußere Grenze durch den Parlamentsvorbehalt gezogen wird,
wonach der Gesetzgeber trotz der Ermächtigungsklausel sich nicht
den zentralen Fragen auch mit Blick auf die Satzungsautonomie
der Körperschaften des öffentlichen Rechts entziehen kann.
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137
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Hierzu
zählen
ohne
Frage
die
Rechtsfragen
der
Patientenautonomie und der Patientenverfügung, die keineswegs
durch die Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen
Sterbebegleitung (2004) obsolet geworden sind.
Entgegen
der
Auffassung
des
Präsidenten
der
Bundesärztekammer ist das „Sterben“ sehr wohl normierbar und
zwar im Sinne einer verfassungsrechtlich verbürgten und daher
einfachgesetzlich auszugestaltenden Handlungsoption.
Hierüber wird denn auch in aller Regel nicht intensiv gestritten, da
der verfassungsrechtliche Befund eindeutig ist.
Gleichwohl scheint das ärztliche Ethos mit einer wohlverstandenen
Autonomie des Patienten zu hadern und es wird die vermeintliche
Superschranke der Ethik in Gestalt der sozialethischen
Inpflichtnahme des Patienten bemüht. Patientenverfügungen seien
Ausdruck einer egozentrischen Individualethik und stellen einen
schweren Verstoß gegen das allgemeinmenschliche Selbst- und
Fürsorgegebot dar126.
Es scheint, als ob der ehrwürdige Hippokrates seine Sendboten zu
einer Zeit mit einer besonderen Mission beauftragt hat, in der der
Patient sein Selbstbestimmungsrecht zu wahren sucht. Die
Vorgaben des Rechts sind eindeutig und so mancher Sendbote
erliegt der Versuchung, die verfassungsrechtlichen Prämissen
durch einen Ausflug in die Ethik umschiffen zu können. Dies wird
den Sendboten nicht gelingen und es stimmt nachdenklich, wenn
zugleich die verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit von der
Bindungswirkung einer patientenautonomen Entscheidung im Kern
als ein Argument gegen eine Palliativmedizin verwandt wird.
Auch der Sozialethik werden im Zweifel durch unsere Verfassung
durch die legitimen Interessen der Patienten und damit der
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126
Dörner/Zieger/Bavasto/Holfelder, Patientenverfügungen: Kein „Sterben in
Würde“.
Quelle: Deutsches Ärzteblatt 99, Ausgabe 14 vom 05.04.2002, Seite A-917 / B770 / C-718
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikeldruck.asp?id=31074
138
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Individualethik die Grenzen aufgezeigt, mag auch das
Menschenbild unseres Grundgesetzes nicht das eines
„selbstherrlichen Individuums“ sein, wie sich gelegentlich das
Bundesverfassungsgericht auszudrücken pflegte.
Weitaus gewichtiger als der metajuristische Ausflug der
Bereichsethiker in die nebulösen Dimensionen der Sozialethik
scheint denn auch der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts zu
sein, wonach Eberhard Schmidt folgend die ärztliche Standesethik
nicht isoliert neben dem Recht steht:
„Sie wirkt allenthalben und ständig in die rechtlichen
Bindungen des Arztes zum Patienten hinein. Was die
Standesethik vom Arzte fordert, übernimmt das Recht
weithin zugleich als rechtliche Pflicht. Weit mehr als sonst
in den sozialen Beziehungen des Menschen fließt im
ärztlichen Berufsbereich das Ethische mit dem Rechtlichen
zusammen.“
Hieraus kann aber freilich nicht der Schluss gezogen werden, dass
die Standesethik der Ärzte Recht setzt und somit der Patient
rechtlich gebunden wird. Das BVerfG hat vielmehr unmittelbar an
das Zitat von Schmidt konstatiert, dass die Beachtung des
Selbstbestimmungsrechts des Patienten ein wesentlicher Teil des
ärztlichen Aufgabenbereichs ist127.
Dies ist ein konsequenter verfassungsrechtlicher Befund, der
zugleich auch die Grenzen des standesethischen Bemühens der
Ärzteschaft markiert: Eine noch so wohlverstandene ärztliche Ethik
wird sich an dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten messen
lassen müssen, mag auch das Berufsrecht der Ärzte oder die
Vorgaben einer ärztlichen Standesethik keine (einklagbaren)
Rechte für den Patienten verbürgen.
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127
BVerfGE 52, 131ff.
139
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Vielmehr gilt hier zu betonen, dass auch das objektive Recht nicht
isoliert neben der ärztlichen Standesethik steht und demzufolge
Maßgaben für einen drohenden standesethischen Konflikt liefert!
Dieses Ergebnis korrespondiert mit dem verfassungsrechtlichen
Befund, dass ohnehin berechtigte Zweifel angemeldet werden
können, ob über das ärztliche Standesrecht verbindliche ethische
Sollensmaßstäbe für den gesamten Berufsstand mit normativer
Bindung gesetzt werden können, wenn und soweit der Arzt
diesbezüglich eine andere ethische Auffassung vertritt. Neben der
objektivrechtlichen Dimension der Grundrechte entfalten
insbesondere auch die den Ärzten verbürgten individuellen
Grundrechtsfreiheiten ihre besondere Wirkung im Standesrecht
der Ärzte und können ihrerseits die einzelnen Normen begrenzen.
In diesem Zusammenhang stehend sind insbesondere Art. 12 GG
und Art. 4 GG zu erwähnen. Auch diesbezüglich hat das BverfG
mehrfach Gelegenheit gehabt, sich mit der Grundrechtskonformität
des ärztlichen berufsständischen Rechts auseinanderzusetzen.
Nach wie vor entfaltet die berühmte Facharztentscheidung des
BVerfG128 ihre kaum zu unterschätzende Bedeutung für die
Eingliederung,
aber
auch
Begrenzung
eben
des
berufsspezifischen
(Kammer)Rechts
innerhalb
unserer
Grundrechtsordnung.
Mit der ersten Facharztentscheidung hat das BVerfG „eine
Bresche in die Arkana und Interna der Berufsverbände
geschlagen“, so Häberle. Nicht nur nach ihm ist diese Tendenz zu
begrüßen: „von der – von den Kammern gewiss in Anspruch
genommenen „Demokratie im Kleinen“ zu ständischen
Privilegien mit angemaßter Exklusivität ist es gewiss oft nur ein
kleiner Schritt“129, so Häberle weiter und in der Tat gilt es hieran
© 2007
128
BVerfGE 33, 125 ff. – Facharzt; desgl. BVerfGE 106, 181 ff. – Weitere
Facharztbezeichnungen
129
Häberle, Berufsständische Satzungsautonomie und staatliche Gesetzgebung,
in DVBl. 1972, S. 909 (S. 913)
140
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
mehr als 30 Jahre nach dem Beitrag von Häberle wieder zu
erinnern.
Die grundgesetzliche Ordnung setzt der Verleihung und Ausübung
von Satzungsgewalt bestimmte Grenzen. Wo die Grenzen im
Einzelfall verlaufen, kann nicht schematisch beantwortet werden,
wenngleich es hierauf auch nicht ankommen dürfte. Unabhängig
von der Autonomieverleihung darf jedenfalls der Gesetzgeber
seine vornehmste Aufgabe nicht an andere Stellen innerhalb oder
außerhalb der Staatsorganisation zu freier Verfügung überlassen,
sofern gerade der autonome Berufsverband zugleich auch zu
Eingriffen in den Grundrechtsbereich ermächtigt wird. Hier obliegt
dem Gesetzgeber eine besondere Obliegenheit, zumal über die
eigenverantwortliche Wahrnehmung der dem autonomen Verband
übertragenen Aufgaben und der Organisation des Berufsstandes
hinaus die Standesethik in einem besonderen Maße
grundrechtsrelevant ist.
Die hohe Bedeutung sowohl der Berufsfreiheit als auch der
Gewissensfreiheit gebietet es daher, die freie Selbstbestimmung
des einzelnen Arztes nur so weit einzuschränken, wie es die
Interessen der Allgemeinheit erfordern.
Die weitaus überwiegende Bevölkerung allerdings reklamiert für
sich das patientenautonome Selbstbestimmungsrecht und die
ärztlichen Selbstverwaltungskörperschaften sind dazu aufgerufen,
dieses Selbstbestimmungsrecht nicht dadurch zu unterlaufen, in
dem sie ihre verkammerten Mitglieder auf ein „einheitliches
Gewissen“ verpflichten, so dass das Selbstbestimmungsrecht des
Patienten an seinem Lebensende mit dem möglichen Wunsch
eines ärztlich assistierten Suizids zu einer sprachsoziologischen
Leerformel und Worthülse denaturiert wird.
© 2007
Hierbei ist evident, dass keine Ärztin oder Arzt gegen ihre/seine
ureigene Gewissensentscheidung (zwangs-)verpflichtet werden
kann, an einem ärztlich assistierten Suizid mitzuwirken. Die
Freiheit zur Selbstbestimmung des Patienten führt aus guten
141
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
verfassungsrechtlichen Gründen nicht zur Fremdbestimmung, aber
gleichwohl steht zu vermuten an, dass einige Ärzte es mit ihrem
Gewissen vereinbaren können, eben diesen letzten Dienst an
einem Patienten zu erbringen, ohne dass hierdurch der einzelne
Arzt oder Ärztin durch die Auffassung der Kammern eine ethische
Stigmatisierung erfährt.
© 2007
142
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Ethischer (ärztlicher) Paternalismus vs. Autonomie des
Patienten - Patientenverfügungen: Kein „Sterben in Würde“?
Der Münchener Palliativmediziner G.D. Borasio hat in der F.A.Z. v.
19.01.07 gefordert, Ärzte gesetzlich zum Befolgen von
Patientenverfügungen zu verpflichten.
Quelle: F.A.Z. >>>
http://www.faz.net/s/Rub9D1EE68AC11C4C50AC3F3509F354677D/Doc~E7D66F078C662
4ACAB23B3CE80EA8C60A~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Borasio befürchtet den Ersatz des alten medizinischen
Paternalismus durch einen neuen und schlimmeren ethischen
Paternalismus. Dem ist durchaus zuzustimmen, zeichnet sich doch
geraumer Zeit in der Diskussion eine Tendenz ab, wonach über
die ethische Wertediskussion der Autonomie des Patienten
Grenzen gezogen werden sollen. Eine unheilvolle Tendenz, zumal
die Autonomie des Patienten und damit in erster Linie die
Patientenverfügung in einen direkten Widerspruch zur
Palliativmedizin und dem damit verbundenen medizinischen Ethos
gesetzt wird.
Beredtes
Beispiel
für
eine
fürsorgliche
ethische
Zwangsbeglückung des Patienten ist der Beitrag von
Dörner/Zieger/Bavasto/Holfelder
zum
Thema
Patientenverfügungen: Kein „Sterben in Würde“.
© 2007
Quelle: Deutsches Ärzteblatt 99, Ausgabe 14 vom 05.04.2002,
Seite A-917 / B-770 / C-718
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikeldruck.asp?id=31074
Zwei Zitate mögen dies verdeutlichen:
„Eine Aufwertung der Ethik der Autonomie des Einzelnen bedeutet
eine Dominanz des Stärkeren über die Ethik des Schwachen.“
143
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
„Viele
„Patientenverfügungen“
vernachlässigen
den
Beziehungscharakter
von
Würde,
ihren
Bezug
zum
Zwischenmenschlichen, zum sozialen Zusammenhalt, zu den
Zielen einer solidarischen Gesellschaft. Sie vereinseitigen damit
den Würdebegriff auf eine fast schon egozentrische Betonung der
Autonomie des Individuums. Einem bioethischen Menschenbild,
das der Individualethik und dem „Glück“ des Einzelnen gegenüber
der Sozialethik und dem Solidarisch-aufeinander-Angewiesensein
der Menschen einen höheren sittlichen Stellenwert einräumt, wird
der Vorzug gegeben. Selbst eine perfekt ausgefüllte
Patientenverfügung garantiert aber nicht, dass die Krankheit
angemessen oder würdevoll verläuft. Angesichts der Tatsache,
dass sich Menschenwürde stets beim Schwächeren, nicht aber
beim Stärkeren konkretisiert, bedeutet die Aufwertung der Ethik
der Autonomie eine neue Vorherrschaft des Stärkeren (das
autonome Individuum) vor der Ethik des Schwächeren (die
fürsorgliche und solidarische Begegnung zweier Menschen)“.
Der Beitrag der Autoren endet gleichsam mit folgender These:
„Mithilfe von Patientenverfügungen ist dem Patienten die
Fürsorgepflicht des Arztes weggenommen worden. So gesehen
stellen Patientenverfügungen einen schweren Verstoß gegen das
allgemeinmenschliche Selbst- und Fürsorgegebot dar und
verletzen damit auch Autonomie und Würde des Menschen.“
Ein Blick in das Verfassungsrecht hingegen wird allerdings zeigen,
dass der Autonomie des Individuums ein sehr hoher Stellenwert
beigemessen wird und im Übrigen das Verfassungsrecht nicht ein
einheitlich verpflichtendes Menschenbild kennt und noch weniger
eine einheitliche Ethik, aus denen dann Maßgaben für eine
patientenautonome Entscheidung folgen. Borasio warnt also
durchaus zurecht vor einem neuen ethischen Paternalismus, denn
es steht zu befürchten an, dass die Verfassungsinterpretation mit
der Philosophie gleichgesetzt wird und hieraus folgend der Patient
zwangsinstrumentalisiert wird.
© 2007
Völlig unhaltbar ist
Patientenverfügungen
die
der
These der Autoren, wonach
Sterbebegleitung
und
der
144
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Palliativmedizin entgegenstehen. Auch im Jahre 2002, aus dem
der Beitrag der Autoren datiert, kam dem Selbstbestimmungsrecht
der Patienten eine überragende Bedeutung zu und es steht außer
Frage, dass dies auch künftig so sein wird. Allen voran das
Bundesverfassungsgericht
käme
in
einen
ungeheuren
Erklärungsnotstand, sich von seiner Rechtsprechung zum
Selbstbestimmungsrecht verabschieden zu wollen, um so der
Einführung eines ethischen Paternalismus Vorschub leisten zu
können. Grundrechte sind und bleiben in erster Linie subjektive
Rechte des Einzelnen und diese kommen freilich auch dem
Patienten zu, der allein mit Blick auf sein individuelles Sterben die
Regie führen möchte. Sofern er diesbezüglich Beistand benötigt
oder wünscht, ist es ihm allein anheim gestellt, diesen
einzufordern und ggf. die wohlgemeinten Ratschläge in seine
Entscheidung einfließen zu lassen.
Keinesfalls sollte der Patient sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen,
dass er mit seinem autonomen Willen der vermeintlichen
Sozialethik eine Absage erteilt und quasi egozentrisch seine
Individualethik einen höheren sittlichen Stellenwert einräumt. Es
droht offensichtlich nicht nur ein neuer ethischer Paternalismus,
sondern er hat bereits greifbare Formen angenommen!
© 2007
145
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Die „Leitkultur“ (der CDU) als Grundrechtsschranke?
Der Generalsekretär der CDU, namentlich Herr Pofalla, fühlt sich
dazu
berufen,
uns
an
den
Verkündungen
seines
Sendungsauftrages teilhaben zu lassen. Er thematisiert die Frage,
„was wir verteidigen müssen“. Nachdem der Begriff „Leitkultur“
Eingang in das Grundsatzprogramm der CDU gefunden hat,
offenbart nunmehr der Generalsekretär die eigentliche Intention.
Wir dürfen zitieren:
„Mit dem Begriff Leitkultur machen wir unseren Anspruch als
Gesellschaft deutlich - an uns selbst und an andere. Unser Leitbild
ist eine Gesellschaft, die in gleichem Maße die freie Entfaltung des
Einzelnen ermöglicht, wie sie Zusammenhalt der Bürger
untereinander schafft...
Zu unserer Leitkultur gehört zuallererst die Anerkennung der
Wertordnung des Grundgesetzes. Es beruht auf den Erfahrungen
der europäischen und deutschen Geschichte und auf der Basis
des christlichen Menschenbildes. Daher rührt die Unantastbarkeit
der Würde des von Gott geschaffenen Menschen - unabhängig
von äußeren Merkmalen wie Geschlecht, Hautfarbe oder Status,
unabhängig auch vom Zeitpunkt des Lebens. Es gehören dazu
das Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit und die Gleichheit der
Rechte, die sich aus der Gleichwertigkeit der Menschen ableitet.
Es gehören dazu die Anerkennung unterschiedlichster
Lebensentwürfe und geistiger Orientierungen und damit der
Respekt vor der Freiheit des religiösen Bekenntnisses.
Dieses Bekenntnis zur Wertordnung des Grundgesetzes ist leider
keine Selbstverständlichkeit.“
Quelle: CDU.de >>> zum Statement von Pofalla <<<
© 2007
Kurze Anmerkung (L. Barth):
Schön zu lesende Worte. Aber was bedeuten diese für und in der
Praxis?
Wir zitieren weiter:
146
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
„Der 11. September, die Unruhen in Frankreich und den
Niederlanden, der Karikaturenstreit oder die Absetzung einer Oper
in Berlin haben auch der Linken beigebracht, dass es ohne
unmissverständliche Positionierung für die Grundwerte unseres
Zusammenlebens nicht geht. Nur noch wenige Alt-68er, die
Ewiggestrigen von heute, träumen noch von Multikulti. Die
Bürgerinnen und Bürger sind viel weiter. Ein neues
Wertebewusstsein ist an die Stelle alter Wertevergessenheit
getreten.“
Ob die Bürgerinnen und Bürger viel weiter sind, kann und soll hier
nicht entschieden werden, wohl aber die Frage, ob ein neues
Wertebewusstsein an die Stelle alter Wertevergessenheit getreten
ist. Dies wird man/frau verneinen müssen, da die Debatte um die
„Leitkultur“ bei näherer Betrachtung sich als eine alte Diskussion
im neuen Gewande präsentiert: die Inpflichtnahme des
Individuums in einem säkularen Verfassungsstaat. Bereits Thomas
Hobbes (Leviathan) mahnte mit seiner bedeutvollen Aussage
„Auctoritas, non veritas facit legem“ gleichsam vor den
werteorientierten „Nebelbomben“ der Herrschenden, so dass die
Autorität und nicht die Wahrheit bestimmt, was Gesetz wird.
Besonders prekär wird die Situation, wenn über die
Glaubensbekenntnisse zu den fundamentalen Werten etwa
unserer Grundrechtsordnung hinaus der Staat sich dazu
aufschwingt, ein vermeintlich „neues Wertebewusstsein“ zu
verteidigen. Die traditionsreichen Werte, für die es sich lohnt, in
einer streitbaren Kultur nachhaltig einzutreten, sind schnell
ausgemacht: in erster Linie dürfte es die Freiheit mit all seinen
Implikationen
auch
für
den
demokratischen
Willensbildungsprozess sein. Ein neues Wertebewusstsein
hingegen will neue Prioritäten setzen, die sich im Zweifel diametral
zu den traditionsreichen Grundwerten des menschlichen und
zwischenmenschlichen
Zusammenlebens
verhalten.
Im
alltagspolitischen Tagesgeschäft können wir dies letztlich auch
festmachen: Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten wird in
der aktuellen Sterbehilfe-Debatte in unzulässiger Weise auf den
irreversiblen,
zum
unweigerlichen
Tode
führenden
© 2007
147
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Krankheitsverlauf verkürzt. In einem säkularen Verfassungsstaat
wird der Bürger daran erinnert, dass er von Gott erschaffen
worden sei und es ist evident, welche Folgen sich hieraus für die
Werteorientierung ergeben. Die Bandbreite der Folgen des 11.
September für das „neue Wertebewusstsein“ sind in der Gänze
nicht absehbar, aber immerhin lässt sich an der leidigen
Diskussion um das Luftfahrtsicherheitsgesetz mit dem möglichen
Abschuss eines mit zivilen Bürgern bemannten Flugzeuges eine
gewisse Grundtendenz ablesen: Das persönliche Notopfer des
Einzelnen im Sinne einer gerechten Sache, die es zu verteidigen
gilt – die nationale Sicherheit. Was macht es da schon aus, wenn
kurzerhand das Lebensrecht und die Würde einiger weniger
Flugpassagiere
geopfert
wird?
Auch
wenn
das
Bundesverfassungsgericht diesem „Wertverständnis“ (?) eine
Absage erteilt hat, kommt das christlich-demokratische UnionsBewusstsein nicht zur Ruhe. Es wird nach Alternativen gesucht,
um doch irgendwie das Ziel zu erreichen. Nicht Werte, nicht die
schillernde „Wahrheit“, sondern die Autorität in Gestalt der politisch
Verantwortlichen,
zugleich
Sendboten
eines
neuen
Wertebewusstsein mit der Möglichkeit, Sanktionen zu verordnen,
sollen künftig den Begriff der „Leitkultur“ markieren und ausfüllen
und der Bürger hat sich in den Dienst des vermeintlich neuen
Bewusstseins zu stellen.
Nicht nur die Weltmeisterschaft hat gezeigt, wie sehr empfänglich
wir doch für einen Bewusstseinswandel sind und diejenigen, die in
kritischer Distanz den neuen geistigen, kulturellen und vor allem
ethischen und moralischen Überbau unserer Gesellschaft
verfolgen, müssen künftig mit dem Diktat der Autorität rechnen.
Was aber bleibt? Der Verlust an elementarer individueller Freiheit
um der Etablierung einer neuen Leitkultur willen, die sich im Kern
als eine Art Magna Charta von sprachsoziologischen Leerformeln
erweisen wird, nach denen zu handeln und zu denken wir von den
parteipolitischen Strategen aufgefordert und im Zweifel qua Gesetz
zwangsinstrumentalisiert werden.
© 2007
148
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Freiburger Appell der Herren Th. Klie und Chr. Student – Cave
Patientenverfügung
Die beiden Freiburger Wissenschaftler Prof. Dr. Dr. Christoph
Student, Arzt und langjähriger Leiter des Stuttgarter Hospizes und
der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Thomas Klie, unter anderem
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und
Geriatrie, warnen in ihrem Appell an die Abgeordneten des
Deutschen Bundestages davor, in der gesetzlichen Regelung zur
Patientenverfügung eine einfache Lösung zu sehen, wie in
dilemmatösen
Entscheidungssituationen
am
Lebensende
verfahren werden kann. Diese Auffassung stößt auf prinzipielle
Bedenken.
Vielmehr muss mit Blick auf die zentralen Fragen der
Patientenverfügung Rechtssicherheit geschaffen werden. Hierauf
haben die Patienten, Ärzte und Pfleger, aber eben auch die
Gerichte, einen Anspruch. Nicht sonderlich hilfreich ist es hierbei,
wenn das berühmte „Dammbruchargument“ eingeführt und betont
wird, dass das Recht immer über den Einzelfall hinausragt, so die
Herren Klie und Student in ihrem Appell.
„Gerade im Falle
einer gesetzlichen Regelung der
Patientenverfügungen, werden diese eine Wirkung auf die Moral
unserer Gesellschaft entfalten: Es erscheint dann möglicherweise
nicht mehr tunlich, ein Leben mit schwerer Krankheit und
Behinderung z. B. unter den Bedingungen eines apallischen
Syndroms („Wachkoma“) leben zu wollen. Der verbreitete LastDiskurs kann den Druck der Mitglieder der Gesellschaft erhöhen,
„selbstbestimmt“ Sorge dafür zu tragen, der Gesellschaft im Falle
schwerer Pflegebedürftigkeit, Demenz und chronischer Krankheit
nicht zur Last zu fallen. Angesichts des demografischen Wandels,
der
Zunahme
von
demenzkranken
und
hochbetagten
pflegebedürftigen Menschen muss es aber gerade darum gehen,
diesen Menschen einen Platz mitten in der Gesellschaft zu geben.“
© 2007
149
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Quelle:
Freiburger
Appell
(Klie
und
Student)
christoph-student.homepage.t-online.de/42853.html
>>>
So wichtig dieser Appell auch sein mag, aber gerade die Moral der
Gesellschaft spielt bei der individuellen Entscheidung des
Einzelnen
keine
nennenswerte
Rolle.
Der
einzelne
Grundrechtsträger ringt um seinen gesellschaftlichen Freiraum,
selbst verantwortlich handeln und ohne ein moralisches oder
ethisches Zwangskonzept seine Entscheidung treffen zu können,
die dann tunlichst auch in der Folge akzeptiert wird. Aufgabe kann
es daher nur sein, dem Patienten auch die Last der scheinbar
herrschenden moralischen Pflichten nicht aufzubürgen, so dass es
auch keinen ethischen Paternalismus in die eine oder andere
Richtung geben darf. Das Sterben ist keine gesellschaftliche
Veranstaltung, in der sich das Individuum für seine Entscheidung
moralisch zu rechtfertigen hätte. Diejenigen, die da meinen, dieser
Selbstbestimmtheit Grenzen zu setzen, obliegt die Darlegungsund Beweislast für die Rechtfertigung eben dieser Grenzen. Das
ansonsten ehrwürdige Argument von der „Moral und Ethik“ ist
insofern nicht tauglich, weil es den Einzelnen bei Ausübung seines
Selbstbestimmungsrechtes auf sein „individuelles Sterben“ nicht
bindet!
Die Grenze selbst ergibt sich allerdings daraus, dass das
Selbstbestimmungsrecht
des
Patienten
nicht
zur
Fremdbestimmung anderer Grundrechtsträger führen kann. Ein
künftiges Gesetz, wenn es denn kommen sollte, wird sich
insbesondere hierauf zu konzentrieren haben, denn es geht um
einen schonenden Ausgleich möglicher Grundrechtskonflikte.
© 2007
Lutz Barth
150
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Kardinal Lehmann zur Sterbehilfe: Dem Leiden nicht
ausweichen
Der Erste Mainzer Hospiz- und Palliativtag stand unter der
Überschrift „Dem Leid begegnen“ und Kardinal Karl Lehmann hat
sich erneut gegen die aktive Sterbehilfe ausgesprochen.
Er mahnte: „Wir haben aber nicht das Recht, unser Leben
selbstmächtig zu beenden oder unser Menschsein durch völlige
Ausschaltung unserer Sinne und unseres Denkens und Wollens zu
betäuben oder geradezu auszuschalten.“
Hospizarbeit und Palliativmedizin setzten diese schwierige
Aufgabe in eindrucksvoller Weise um. Allerdings müssten „diese
Hilfen, Wege und Mittel in ethisch zuverlässiger Weise“ eingesetzt
werden, da man sonst den „Druck in Richtung aktiver Sterbehilfe“
kaum aufhalten könne.
„Wir dürfen mit vielen Mitteln die Schmerzen lindern, aber nicht
aktiv das Leben beenden. Hier verläuft bei allen differenzierten
Erfahrungen im Raum von Leben und Tod zwischen
Sterbenlassen und Töten doch eine grundsätzliche Grenze. ,Du
sollst nicht töten’ ist ein unbedingtes Gebot“, sagte Lehmann beim
ersten Mainzer Hospiz- und Palliativtag am Samstag, 17. März, im
Erbacher Hof in Mainz.
Quelle: Bistum Mainz >>> mehr dazu >>>
© 2007
In diesem Zusammenhang stehend darf auch auf den
Erklärungstext der Vollversammlung v. 24.11.06 des ZDK – Leben
und Sterben in Würde - verwiesen werden.
„Auch in Krankheit und Sterben ist die zentrale Richtschnur allen
Handelns die unverfügbare Würde des betroffenen Menschen. Der
Respekt vor der Einmaligkeit seines Lebens verbietet jede
Instrumentalisierung des Schicksals eines Sterbenden, jede
Abwertung seiner Lebenslage, jede Fremdbestimmung seines
Willens. Das unveräußerliche Recht jedes Patienten auf
151
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Selbstbestimmung ist aber kein Recht auf Durchsetzung des
eigenen Willens um jeden Preis. Vielmehr verlangt die Würde des
Menschen eine Selbstbestimmung, die sich verantwortlich weiß
vor sich selbst, aber auch vor den Mitmenschen und – zumindest
aus christlicher Perspektive – vor Gott.“
Quelle: Erklärungstext des ZDK >>> zur vollständigen Erklärung
>>>
Kurze Anmerkung (L. Barth):
Wir haben schon öfters darauf hingewiesen, dass es auch im
säkularen Staat den Kirchen anheim gestellt ist, sich an dem
bedeutsamen Wertediskurs über die Sterbehilfe zu beteiligen,
ohne dass wir gehalten wären, hiergegen aus Gründen des
evolutionären Humanismus zu Felde zu ziehen. Problematisch
erscheint allerdings in dem Statement von Kardinal Lehmann,
dass wir nicht das Recht haben, in der Gänze unser Menschsein
aufzugeben, auch nicht durch die völlige Ausschaltung unserer
Sinne, in dem wir diese „betäuben“. Angesichts ungeheurer
Schmerzen gerade bei Krebspatienten ist diese Auffassung
durchaus zu hinterfragen, wie zuletzt nicht auch der aktuelle
Sterbehilfefall in Frankreich zeigt. Die 35jährige franz. Ärztin, die
einer krebskranken Patientin aktive Sterbehilfe geleistet hat, ist in
Frankreich zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden.
Die 65-jährige Patientin, die im Krankenhaus von Saint-Astier,
einem Dorf in der Dordogne, mit Pankreaskrebs behandelt wurde,
hatte nur noch wenige Tage zu leben und litt trotz hoher
Morphindosen unter extremen Schmerzen. Die Patienten ist dem
„Leid begegnet“ und hat sich selbstbestimmt dafür entschlossen,
diesem Leid zu entsagen, in dem sie ihren Sterbewunsch
gegenüber ihrem Sohn und den Mitarbeitern in der Klinik geäußert
hat. Diesem Sterbewunsch wurde entsprochen und ich meine,
dass hier ein legitimer ärztlich assistierter Suizid vorgelegen hat,
der auf einen Konsens zwischen Patient und Ärztin beruhte.
© 2007
152
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Cave Patientenverfügung - Grenzen der
palliativmedizinischen Ethik!
von Lutz Barth (23.08.07)
In unserem säkularisierten Gemeinschaftswesen bleiben alle
Interessierten aufgerufen, sich an einer Diskussion über
fundamentale Rechte zu beteiligen. Dies gilt auch und gerade mit
Blick auf die bedeutsamen Rechtsfragen am Ende eines Lebens,
in dem der Patient ggf. seinen letzten Willen umgesetzt wissen
möchte. Allerdings fällt auf, dass in dem Wertediskurs zunehmend
der Blick für das Wesentliche getrübt wird und es ferner zu
befürchten ansteht, dass eine Archaisierung der Debatte über den
Begriff des „mündigen Patienten“ droht.
Das Selbstbestimmungsrecht des Bürgers ist ihm auch in seiner
Rolle als Patient und damit in allen Phasen seines Lebens oder
Sterbens zu gewähren, so dass die inhaltliche Begrenzung auf den
irreversiblen Krankheitsverlauf bis hin zum Tode auf prinzipielle
verfassungsrechtliche Bedenken stößt. Der „Freiburger Appell“130
der Herren Student und Klie, aber auch die aktuelle
Stellungnahme einiger weiterer Palliativmediziner131 weisen nach
diesseitiger Auffassung einen Weg in die falsche Richtung.
Dass das „Sterben“ an sich nicht normierbar ist, bedarf keiner
besonderen
Betonung.
Gleichwohl
gebieten
es
die
grundrechtlichen
Schutzpflichten
des
parlamentarischen
Gesetzgebers, die ohne Frage vorhandenen Rechtsunsicherheiten
durch ein klares Bekenntnis zum Selbstbestimmungsrecht des
Patienten zu beseitigen. Von dieser Verpflichtung zur Regelung
wird der Gesetzgeber nicht dadurch freigestellt, in dem etwa die
© 2007
130
Freiburger Appell (Klie und Student) >>> online christoph-student.homepage.tonline.de/42853.html
131
Vgl. dazu etwa Klinkhammer, Patientenverfügungen: Gesetzliche Regelung –
pro und kontra, in Deutsches Ärzteblatt 104, Ausgabe 33 v. 17.08.07, S. A - 2234
153
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Bundesärztekammer Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung
verabschiedet hat oder einige Palliativmediziner grundsätzlich die
Ansicht vertreten, dass in der Debatte etwa das Argument von der
Rechtssicherheit vorgetäuscht werde. Der Umgang mit den
Patientenverfügungen könne nur dann gelingen, wenn die
Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung allen Ärzten bekannt
seien, so die Palliativmediziner.
Mal ganz abgesehen davon, dass diese Grundsätze für sich
genommen keine Verbindlichkeit erzeugen und somit weder den
Bürgerinnen und Bürger und nach diesseitiger Auffassung auch
nicht den Ärztinnen und Ärzte die Last der ureigenen
Entscheidung
abnehmen,
kommt
der
BÄK
kein
gesamtgesellschaftliches ethisches Mandat und eine quasi
faktische Rechtsetzungsmacht zu.
Faktische Rechtsetzungsmacht deshalb, weil über die Grundsätze
der ärztlichen Sterbebegleitung scheinbar die Ärzteschaft in erster
Linie standesethisch (und freilich auch berufsrechtlich) gebunden
wird, so dass das Selbstbestimmungsrecht des Patienten auf eine
(demokratisch)
nicht
legitimierte,
das
Grundrecht
der
Selbstbestimmung eingreifende Schranke in Gestalt der ärztlichen
Standesethik stößt und so ins Leere zu laufen droht.
In diesem Sinne plädiere ich für eine gesetzliche Absicherung der
patientenautonomen Entscheidungen, ohne dass die Umsetzung
des Willens der Patienten an den standesethischen ärztlichen
Proklamationen zu scheitern droht. Hierzu zählen freilich auch die
die ethischen Proklamationen der Palliativmediziner, so dass es
zuvörderst darum gehen muss, für Rechtsklarheit Sorge zu tragen.
Da beruhigt es keinesfalls, dass der Bundesgerichtshof sich
vermeintlich eindeutig in den Fragen am Lebensende positioniert
hat. Um es deutlich zu formulieren: auch dem BGH kommt in
dieser
Frage
nicht
die
gesetzesvertretende
Rechtsetzungskompetenz zu. Allenfalls werden wir dem BGH eine
„Notkompetenz“ zubilligen müssen, weil bis dato sich der
Gesetzgeber in Stillschweigen hüllt und gleichwohl die Bürger
© 2007
154
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
einen Anspruch darauf haben, dass kein Stillstand in der
Rechtspflege eintritt.
Gerade weil das Sterben per se nicht normierbar ist und wir eine
Instrumentalisierung des Sterbens befürchten müssen, muss der
parlamentarische Gesetzgeber auf eine verfassungskonforme
Ausgestaltung des Selbstbestimmungsrechts drängen. Sog.
„Dammbruchargumente“ entpflichten den Gesetzgeber ebenso
wenig von seiner Aufgabe wie etwaige Statements oder Appelle
von berufsständischen Organisationen. Diese sind vielmehr ein
Spiegelbild von differenten Meinungen und Auffassungen, die zwar
gehört werden, aber keinesfalls regelmäßig eine strikte (normative)
Beachtung erfahren. Ein solches gilt insbesondere dann, wenn
über Grundrechte philosophiert wird. Wenn die Reichweite der
Patientenverfügungen gar nicht begrenzt werde, bedeute „freie
Entfaltung der Persönlichkeit“ eine Selbstbestimmung, die sich bis
hin zur Selbstverfügung über das eigene Leben erstrecke, so wohl
die Befürchtung der Palliativmediziner. Mit Verlaub – das Recht
steht jedem Patienten zu und in dem ausschließlich der Patient
seine Einwilligung in den angedachten ärztlichen Heileingriff und in
der Folge in die palliativmedizinische Therapie zu erteilen hat,
steht es auch freilich in seinem Ermessen, eben diese Einwilligung
nicht zu erteilen. Die Konsequenzen mögen für den Patienten aus
medizinischer resp. palliativmedizinischer Perspektive heraus
betrachtet zwar „katastrophal“ – weil tödlich – sein, aber dies
ändert nichts an der vom Patienten getroffenen Entscheidung.
Die Lehren u.a. des ehrwürdigen Hippokrates helfen uns aktuell
nicht wirklich weiter, zementiert doch ein Rekurs hierauf eine
ethische und in Teilen paternalistische Werthaltung, die gemessen
an den aktuellen Fragen der Patientenautonomie ein neues
zeitgemäßes
Programm
erfahren
muss.
Die
Reichweitenbestimmung des Selbstbestimmungsrechts des
Patienten ist frei von Ideologien, modernen Seelenvorstellungen,
bereichspezifischen Partikularethiken, Leidkonzeptionen oder
Ähnlichem.
© 2007
155
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Es ist eine Regelung erforderlich, die u.a. aus der Perspektive des
sterbenden Patienten ein selbstbestimmtes Sterben ermöglicht,
ohne das ein ethisches Zwangskorsett verordnet wird.
Hierauf wird der parlamentarische Gesetzgeber zu achten haben.
Die derzeit zur Diskussion gestellten Entwürfe seitens der politisch
Verantwortlichen tragen diesem Gedanken nur unzureichend
Rechnung, spiegelt sich doch in ihnen ein Werteverständnis wider,
dass nicht gebührend dem „bunten Marktplatz“ differenter
Auffassungen gerecht wird. Grundrechte sind und bleiben in erster
Linie individuelle, also höchst subjektive Rechte und der
Gesetzgeber wird gerade bei der Ausgestaltung des
Selbstbestimmungsrechts darauf zu achten haben, dass einzig der
Bürger und damit er als möglicher Patient die Regie mit Blick auf
sein „Sterben“ und „Sterbevorgang“ führt. Die individuelle
Entscheidung des Patienten an seinem Lebensende oder für eine
unweigerlich zum Tode führende Entscheidung bedarf keiner
ethischen Konsensbildung durch die Gesellschaft als Grundlage
für diese autonome Entscheidung, sondern allenfalls einen
Konsens darüber, dass das Selbstbestimmungsrecht in dieser
Frage höchst individuell und frei von paternalistischen oder
wohlmeinenden Ratschlägen und Ideologien ist.
Die (rechts)ethisch bedeutsame Individualentscheidung für das
selbstbestimmte Sterben bedarf ferner nach dem diesseitigen
Grundrechtsverständnis auch keiner demokratischen Legitimation.
Die parlamentarisch-repräsentative Demokratie liefert lediglich
einen geeigneten Rahmen dafür, dass mit Blick auf die
Patientenautonomie gerade der individuelle Wille gewahrt bleibt.
Gleichwohl
sind
den
parlamentarisch-repräsentativen
Willensbildungsprozessen insofern Grenzen gesetzt, als dass
diese frei von Fraktionsinteressen sein müssen. Das neue
„christlich-soziale Leitbild“ und die damit verbundene Leitkultur
kann für sich genommen nur den Anspruch einer allgemeinen
Werteorientierung erheben, ohne das hieraus gleichsam für die
konkrete unterverfassungsrechtliche Grundrechtsausgestaltung
© 2007
156
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
eine ethisch verbindliche „Norm“ folgen würde. Die Ausgestaltung
der Patientenautonomie hat demzufolge unabhängig von einer
„Leitkultur“ einer Partei zu erfolgen, denn die individuelle
Grundrechtsausübung bedarf keines ethischen Kollektivzwanges.
Auch wenn insoweit das BVerfG mehrfach betont hat, dass das
Menschenbild des Grundgesetzes nicht dasjenige eines
selbstherrlichen, sondern das eines gemeinschaftsgebundenen
Individuums sei, ist hieraus keineswegs eine andere
Betrachtungsweise
anbefohlen.
Der
nicht
normierbare
Sterbevorgang und der hierzu im Zweifel geäußerte Wille des
Patienten sind weder gemeinschaftsgebunden, noch bedarf er der
Akzeptanz durch unsere Gesellschaft oder eines ethischen
Konzils.
Zu einem anderen – allerdings nach diesseitigem Verständnis
fragwürdigen – Ergebnis würde man nur dann gelangen, wenn
über die ethischen Normenbildung hinaus einer Gattungsethik das
Wort geredet werden soll, die zu einer besonderen Inpflichtnahme
der Grundrechtsträger und Adressaten führen würde. Hier
schleicht sich dann die Theorie von den immanenten
Verfassungsschranken nicht nur in das Ohr mancher
Verfassungsrechtler, sondern insbesondere auch der Philosophen
und Soziologen, so dass hieraus folgend für die Gattung Mensch
besondere Pflichten mehr oder minder phantasievoll auf der
Klaviatur
ethischer
und
demzufolge
überindividueller
Normenbildung konstruiert und nachfolgend statuiert werden
können.
Eine Verpflichtung zum „Leben“ in Form eines ethischen
Lebenszwangs lässt sich schwerlich verfassungsrechtlich
begründen. Das überindividuelle Interesse einer säkularisierten
Gesellschaft an der Erhaltung der Gattung Mensch ist zwar aus
nachvollziehbaren
Gründen
durchaus
ehrenhaft
und
wünschenswert, trägt aber im konkreten Entscheidungskonflikt mit
Blick auf den autonomen Sterbewunsch nicht zur Lösung bei.
© 2007
Im Übrigen betont werden, dass der Palliativmedizin ein hoher
Stellenwert zukommt. Nicht akzeptabel erscheint mir allerdings,
157
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
dass die Bedeutung der Disziplin durch eine ideologische
Sichtweise überhöht wird, in dem nicht selten „Leidkonzeptionen“
vorgestellt und Befürchtungen vor einem „Lastdiskurs“ geäußert
werden. Auch wenn sich ohne Frage das therapeutische Ziel im
Rahmen einer palliativmedizinischen Behandlung und Betreuung
ändert, erfährt auch die palliativmedizinische Behandlung ihre
Legitimation (nur) durch eine Einwilligung des Patienten, so dass
auch die patientenautonome Entscheidung die Grenze
palliativmedizinischer Bemühungen markiert.
Patientenverfügungen dokumentieren den Willen und damit die
Entscheidung des Patienten, so dass dieser konkreten
Entscheidung Geltung zu verschaffen ist. Die These der Herren
Student und Klie in ihrer cave-Patientenverfügung, wonach ein
Gesetz zur Regelung von Patientenverfügungen über den
Einzelfall hinaus dazu führen könnte, dass hierdurch eine Wirkung
auf die Moral der Gesellschaft entfaltet wird, ist im Allgemeinen
durchaus plausibel, aber dennoch auf den konkreten Fall bezogen
ein ganz und gar untaugliches Argument. Es geht eben nicht um
die „Moral“ der Gesellschaft, sondern um eine individuelle
Entscheidung eines Grundrechtsträgers, der in einem exklusiven
Bereich für sich völlig zu Recht seinen Freiraum reklamiert und
zwar frei von moralischen und ethischen Zwängen. Diesbezüglich
greift die Argumentation der beiden Herren zu kurz, zumal sie
davon ausgehen, dass das Recht im Wesentlichen die Funktion
hat, „Werthaltungen unmittelbar oder mittelbar in der Gesellschaft
Geltung zu verschaffen“.
© 2007
Hier verschweigen die Initiatoren des Freiburger Appells – Cave
Patientenverfügung – beredt eine der zentralen Funktionen
unseren Grundrechten! Dies erscheint zunächst auch
unproblematisch, sind doch auch die Herren Student und Klie nicht
frei von Ideologien; auch sie tragen mit ihrem Appell zunächst nur
zur Diskussion im historisch bedeutsamen Wertediskurs bei, wie
andere Interessierte auch.
158
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Wir alle sind in unserer ureigenen Sozialisation verhaftet, so dass
unsere Gesellschaft sich naturgemäß mit Blick auf grenzwertige
Fragen durch die wünschenswerte Pluralität von Meinungen
auszeichnen sollte und muss. Gleichwohl sind unsere Statements
gewissermaßen einer Plausibilitätskontrolle unterworfen und nicht
selten stellen wir dann in der Folge fest, dass mit wohlmeinenden
Appellen zugleich auch die Gefahren einer Instrumentalisierung in
besondere Weise verbunden sind. Deshalb muss schon für sich
genommen der Hinweis auf „moralische Werthaltungen“ in unserer
Gesellschaft durch die Statuierung von Recht Argwohn auslösen
und zwar gerade in den Fällen, wo ein individueller
Freiheitsbereich
nur
noch
als
Desiderat
moralischer
Gemeinschaftswerte erscheint. Hier wird verkannt, dass die
individuelle Freiheit zur patientenautonomen Entscheidung ein
„Wert per se“ ist und unserer Gesellschafts- und damit
Rechtsordnung als „Werthaltung“ vorgegeben ist. Mögliche
Begrenzungen dieser so verstandenen Freiheit zur autonomen
Selbstbestimmung bedürfen also eines konkurrierenden „Wertes“
auf gleicher Höhe, so dass bei entsprechenden Konflikten eine
angemessene
(Güter)Abwägung
stattfinden
kann.
Nicht
ausreichend dürfte dabei die Visionen von einem befürchteten
Last-Diskurs sein, denn die zu gewährende Freiheit
privatautonomer Selbstbestimmung bedarf keiner „präventiven
Restriktion“, ohne dass sich derartige Konflikte realisiert haben!
Das Sterben ist und bleibt ideologiefrei und nach der Verfassung
kommt dem Gesetzgeber die zentrale Aufgabe zu, in dem
Wertediskurs das Selbstbestimmungsrecht der Patienten
gegenüber
der
Inpflichtnahme
durch
intraprofessionelle
Bereichethiken
als
verfassungsfest
zu
schützen.
Verfassungsinterpretation ist nicht Philosophie und noch weniger
Parteipolitik, mag der Wunsch nach einer allgemeinen Leitkultur
auch noch so groß sein. Gleich, welche „Leitprofession“ sich mit
ihrer Ethik im Diskurs durchzusetzen vermag – jede dieser
Leitprofessionen wird sich an der selbstbestimmten Entscheidung
des Patienten zu orientieren haben, die ihrerseits nicht zur
Fremdbestimmung eben der Ärzte führen darf. Mit der
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159
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Selbstbestimmung ist freilich auch ein hohes Maß an
Selbstverantwortung untrennbar verbunden und insofern „verfügt“
der Patient durchaus „testamentarisch“ über sein Schicksal – ein
„Testament“, welches wir zu akzeptieren haben und nicht der
„Anfechtung“ durch die Bereichsethiker zugänglich ist.
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160
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Der ärztlich assistierte Suizid – eine ethisch vertretbare
Option?
So wie die Bundesärztekammer setzt freilich auch der Deutsche
Juristentag, die Religionsgemeinschaften oder andere Verbände
und Vereine keine verbindlichen Rechtnormen.
Dies zu betonen ist deshalb erforderlich, weil in dem ethischen
Wertediskurs
und
der
zuweilen
unterrepräsentierten
verfassungsrechtlichen Diskussion über uns allen der Geist des
ehrwürdigen Hippokrates zu schweben scheint und uns die
seinerzeitige Botschaft, adressiert an die Ärzteschaft, unaufhörlich
ins das Ohr und damit in das Gewissen nicht nur flüstert, sondern
gelegentlich auch lautstark verkündet. In bedeutsamen Debatten
über medizinethische Problemfelder kommt Hippokrates immer
wieder zu Ehren und es macht erkennbar wenig Sinn, hiergegen
Klage zu führen, obgleich doch die Moral und Ethik durch die
Jahrtausenden hinweg einen mal mehr oder weniger rühmlichen
Verlauf bis hin zu völligen Entgleisungen genommen hat. Dies ist
nichts Ungewöhnliches, weckt allerdings insbesondere dann den
besonderen Argwohn, wenn gleichsam unter der Tarnkappe des
Hippokrates oder sonstiger Leitkulturen eine ethische
Inpflichtnahme des Subjekts schleichend vorbereitet wird, wo dann
die erste aller Maximen, namentlich die Selbstbestimmung des
Menschen, auf der Strecke zu bleiben droht.
Was also hilft uns aus diesem Dilemma? Beobachten wir die
Szenerie mit Blick auf die Diskussion um das Für und Wider der
Patientenverfügung, registrieren wir derzeit emsige Aktivitäten der
politisch Verantwortlichen quer durch alle Fraktionen. Die
Vorschläge müssen wir insoweit zur Kenntnis nehmen, wird doch
schließlich irgendwann einmal im Hohen Hause über einen
Gesetzentwurf zu befinden sein, bei dem dann der Fraktionszwang
hoffentlich nicht eingefordert wird. Jeder der Abgeordneten wird
demzufolge nur seinem Gewissen unterworfen sein und es stellt
sich dann die höchst brisante Frage, warum diese individuelle
Gewissensentscheidung mich persönlich binden soll? Meine
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161
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
individuelle Entscheidung über Leben oder Tod bedarf keiner wie
auch immer gearteten Legitimation, also auch keiner
demokratischen! Dies gilt auch insbesondere in den Fällen, in dem
wir nicht der gattungsethischen Inpflichtnahme des Individuums
das Wort reden wollen, sondern einzig der Selbstbestimmung. Die
Selbstbestimmung des Patienten führt freilich nicht zur
Selbstbestimmung
der
Ärzte,
wobei
auch
die
Gewissensentscheidung der Ärzte keiner berufsständischen
Legitimation bedarf, so dass mit Blick auf den ärztlich assistierten
Suizid es gute Gründe dafür gibt, diesen als Option ernsthaft in
Betracht zu ziehen. Diese Option ergibt sich nicht aus dem
ärztlichen Standesrecht und den ärztlichen ethischen Prinzipien,
sondern zuvörderst aus dem Verfassungsrecht. Insofern bedurfte
es keiner Beschlüsse (durch den DJT) darüber, ob die
standesrechtliche Missbilligung des ärztlichen Suizids einer
differenzierten Regelung zu weichen habe oder ob an ihr
festzuhalten sei. Konzedieren wir dem Patienten ein weit
reichendes Selbstbestimmungsrecht, dann folgt aus diesem auch
die frei verantwortete Entscheidung über sein Behandlungs- und
damit Lebensende. Sofern dann in der Folge Fallkonstellationen
zur Lösung anstehen, in denen der Patient trotz aller
palliativmedizinischen Bemühungen sich seines (!) Lebens
begeben möchte und hierzu der ärztlichen Assistenz bedarf, mag
ihm die ärztliche Assistenz beim Suizid gewährt werden, ohne
dass der Arzt einem Strafbarkeitsrisiko ausgesetzt wird und noch
weniger, weil rechtlich unrelevant, eine berufsrechtliche
Sanktionierung und damit Stigmatisierung droht. Kann eine Ärztin
oder Arzt es mit dem ureigenen Gewissen vereinbaren, an einem
ärztlichen assistierten Suizid mitzuwirken, ist diese Entscheidung
zu akzeptieren! Der ärztlich assistierte Suizid ist demzufolge
weniger
eine
ethische
Option,
als
vielmehr
eine
verfassungsrechtlich tragfähige Option, in denen sowohl das
Selbstbestimmungsrecht
des
Patienten
als
auch
die
Grundrechtsstellung der Ärzte gewahrt bleibt, ohne das es einer
standesrechtlichen Regelung bedarf.
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In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Erinnern wir uns gemeinsam an ein in der Moderne fast in
Vergessenheit geratenes Prinzip: in dubio pro libertate!
Unseliger Papst –Tod?
Die künstliche Ernährung und die katholische Glaubenslehre
Aktueller Anlass
Unter dem Tenor „Unseliger Papst-Tod? Ist Papst Johannes Paul
II. dank ärztlicher Sterbehilfe aus dem Leben geschieden?“ hat
3sat im Nachgang zur Sendung Kulturzeit am 28.09.07 einen
Bericht online gestellt, der zweifelsohne gewichtige Fragen der
katholischen Glaubenslehre aber auch des Selbstverständnisses
einzelner Kirchenmitglieder aufwerfen dürfte.
„Papst Johannes Paul II. soll aufgrund ärztlicher Sterbehilfe aus
dem Leben geschieden sein. Mithilfe eines - aus Sicht der Kirche kriminellen Handels. Er hätte, wäre es mit normalen Dingen
zugegangen, mit seiner Parkinson-Erkrankung noch Wochen,
Monate oder Jahre leben können, behaupten Mediziner“ und es
wird vermutet, dass die hierzu aufkommende Debatte „ins Mark
der päpstlichen doktrinären Ethik“ gehen werde.
Die Professorin für Anästhesie, Lina Pavanelli, hat auf einer
Pressekonferenz ein umfangreiches Dossier erläutert. In diesem
Dossier dokumentiert sie, dass der Papst an Unterernährung
gestorben sei und zwar aufgrund unterlassener künstlicher
Ernährung.
Ihrer Auffassung nach sei dies nur möglich gewesen, weil es nicht
vorstellbar sei, dass „ein so hochkarätiges Ärzteteam wie jenes,
das den Papst behandelte, diesen Papst nicht über die
verschiedenen Möglichkeiten und Konsequenzen einer Therapie
unterrichtet hätte". Anderenfalls hätten die Ärzte ein strafrechtlich
© 2007
163
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
relevantes Verbrechen begangen. Hieraus wird geschlussfolgert,
dass wohl der Papst selber die Erlaubnis zu eben diesem Handeln
der Ärzte erteilt hat, eben ihn nicht künstlich zu ernähren, da
ausweislich der öffentlich zugänglichen Krankenberichte der Papst
rapide an Gewicht verloren habe und er gleichwohl nicht künstlich
ernährt wurde. Die Hauptursache von Karol Wojtylas Tod war die
Unterernährung", sagt Pavanelli." Die Unterernährung sei es
gewesen, die ihn soweit geschwächt hat, dass er eine Infektion,
die normalerweise ganz leicht mit Antibiotika bekämpft wird, nicht
überwinden konnte."
Bis dato schweigt die Kirche zu den „Enthüllungen“, während
demgegenüber der Leibarzt öffentlich bestätigt habe, dass man mit
der künstlichen Ernährung erst zwei Tage vor dem Tod begonnen
habe132.
Zur Diskussion
Sofern die Schlussfolgerungen der Professorin für Anästhesie
zutreffend sein sollte, könnte sich hier in der Tat ein Problem
aufgetan haben, dass gerade in dem allgemeinen Wertediskurs
über die Patientenverfügung mit Blick auf das Lebensende höchst
brisant werden könnte.
Hier geht es weniger um die Frage, ob ggf. sich die Ärzte eines
strafbaren Verhaltens schuldig gemacht haben. Dies steht
jedenfalls nach deutschen Strafrechtsrechtsverständnis nicht zu
befürchten an, da ggf. der Papst eine hierauf gerichtete
Einwilligung zur künstlichen Ernährung nicht erklärt resp. diese
abgelehnt hat.
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Sofern allerdings der Leibarzt zu Erkennen gegeben hat, dass der
Papst zwei Tage vor seinem Tod künstlich ernährt worden sei,
132
Quelle: 3sat v. 28.09.07 >>>
http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/113721/index.h
tml
164
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
stellt sich durchaus die Frage, wer hier die Entscheidung getroffen
hat. Sofern der Papst tatsächlich – wie von der Anästhesistin
gleichsam gemutmaßt – im Vorfeld der medizinischen Therapie
seinen Willen dahingehend erklärt hat, dass er nicht künstlich
ernährt werden möchte, ist dieser aktuelle Wille insofern für das
ärztliche Team verbindlich, als dass sich nicht gewichtige
Anhaltspunkte dafür ergeben, dass möglicherweise der
mutmaßliche Wille des Papstes sich tatsächlich (innerhalb von
zwei Tagen?) geändert haben dürfte133. Dies setzt allerdings
voraus, dass der Papst seinen erheblichen Willen nicht mehr
aktuell bekunden und äußern konnte.
Wenn überhaupt strafrechtliche Aspekte geprüft werden sollen,
müssten diese sich hierauf konzentrieren und erst in diesem Sinne
wäre die kirchliche Doktrin bedeutsam bei der sich anschließenden
Frage, ob die Ärzte gehalten gewesen wären, in jedem Falle die
künstliche Ernährung nicht nur anzubieten, sondern gleichsam
auch durchzuführen. Die nähere Frage ist also, ob der katholische
Glaube und das hierauf sich gründende Werteverständnis und
spezifisch katholische „Gewissen“ mit Blick auf die in dem
Evangelium vitae angemahnte Kultur des Lebens die
Zwangsernährung gebietet.
Und noch dramatischer wird es, wenn der Frage nachgegangen
wird, ob die Kirchenmitglieder – also auch der Papst selber –
gehalten sind, aus Respekt vor der Kultur des Lebens und dem
hohen Wert des Lebens sich regelmäßig für eine künstliche
Ernährung entscheiden zu müssen? Anlass zu dieser Frage
besteht insbesondere deshalb, weil unter Umständen die These
formuliert werden könnte, dass das Ablehnen einer künstlichen
Ernährung durch einen entscheidungsfähigen Patienten einem
freiwilligen Suizid gleichgestellt werden könnte, der nun nach
den Lehren der katholischen Kirche ein besonders bedeutsames
Übel darzustellen scheint.
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133
In diesem Sinne ist es auch fraglich, ob ein Fall der „ärztlichen Sterbehilfe“
vorliegt, wie Lina Pavanelli mutmaßt.
165
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Die besondere Brisanz des Themas ergibt sich aber auch daraus,
dass bereits im Jahre 2004 Papst Johannes Paul II selbst das
katholische Leitbild mit Blick auf die künstliche Ernährung
präzisiert hat: "Der Kranke im vegetativen Zustand, der die
Wiederherstellung oder das natürliche Ende erwartet, hat das
Recht auf eine grundlegende ärztliche Betreuung (Versorgung mit
Nahrung und Flüssigkeit, Hygiene, Wärme usw.) und auf die
Vorsorge gegen Komplikationen, die mit der Bettlägerigkeit
verbunden sind. Er hat auch das Recht auf einen gezielten
rehabilitativen Eingriff und auf die Überwachung der klinischen
Zeichen einer eventuellen Besserung. - Insbesondere möchte ich
unterstreichen, dass die Verabreichung von Wasser und Nahrung,
auch wenn sie auf künstlichen Wegen geschieht, immer ein
natürliches Mittel der Lebenserhaltung und keine medizinische
Handlung ist. Ihre Anwendung ist deshalb prinzipiell als normal
und angemessen und damit als moralisch verpflichtend zu
betrachten, in dem Maß, in dem und bis zu dem sie ihre eigene
Zielsetzung erreicht, die im vorliegenden Fall darin besteht, dem
Patienten Ernährung und Linderung der Leiden zu verschaffen. Denn die Pflicht, dem Kranken in solchen Fällen die gebotenen
normalen Behandlungen nicht vorzuenthalten, umfasst auch die
Versorgung
mit
Nahrung
und
Wasser134“.
Die Grundfrage135, ob eine gültige Patientenverfügung in solchen
Fällen jemals die sittliche Legitimation zur Entfernung der
Ernährungssonde wird geben können, scheint ganz aktuell mit
einem Dekret der Kongregation für die Glaubenslehre
entschieden:
© 2007
Die Kongregation für die Glaubenslehre hat folgende Antworten
auf Fragen
134
Vgl. Päpstl. Rat für die Pastoral im Krankendienst, Charta für den
Krankendienst, Nr. 120, zitiert nach Pytlik, unter kath.net vom 6.8.2005 >>>
www.kath.net/detail.php?id=11169
135
So Pytlik, ebenda
166
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten bezüglich der
künstlichen Ernährung und Wasserversorgung gegeben.
Papst Benedikt XVI. hat in der dem unterzeichneten
Kardinalpräfekten gewährten Audienz die nachstehenden
Antworten, die in der Ordentlichen Versammlung dieser
Kongregation beschlossen worden sind, gutgeheißen und deren
Veröffentlichung angeordnet.
1. Frage: Ist die Ernährung und Wasserversorgung (ob auf
natürlichen oder künstlichen Wegen) eines Patienten im
„vegetativen Zustand“ moralisch verpflichtend, außer wenn
Nahrung und Wasser vom Körper des Patienten nicht mehr
aufgenommen oder ihm nicht verabreicht werden können, ohne
erhebliches physisches Unbehagen zu verursachen?
Antwort: Ja. Die Verabreichung von Nahrung und Wasser, auch
auf künstlichen Wegen, ist prinzipiell ein gewöhnliches und
verhältnismäßiges Mittel der Lebenserhaltung. Sie ist darum
verpflichtend in dem Maß, in dem und solange sie nachweislich
ihre eigene Zielsetzung erreicht, die in der Wasser- und
Nahrungsversorgung des Patienten besteht. Auf diese Weise
werden Leiden und Tod durch Verhungern und Verdursten
verhindert.
2. Frage: Falls ein Patient im “anhaltenden vegetativen Zustand”
auf künstlichen Wegen mit Nahrung und Wasser versorgt wird,
kann deren Verabreichung abgebrochen werden, wenn
kompetente Ärzte mit moralischer Gewissheit erklären, dass der
Patient das Bewusstsein nie mehr wiedererlangen wird?
© 2007
Antwort: Nein. Ein Patient im “anhaltenden vegetativen Zustand”
ist eine Person mit einer grundlegenden menschlichen Würde, der
man deshalb die gewöhnliche und verhältnismäßige Pflege
schuldet, welche prinzipiell die Verabreichung von Wasser und
Nahrung, auch auf künstlichen Wegen, einschließt.
167
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, am 1.
August 2007136.
Problembeschreibung im engeren Sinn
Nehmen wir die vorstehenden Verlautbarungen zunächst ihrem
grammatikalischen Wortlaut nach zur Kenntnis, scheint sowohl die
Verlautbarung des Papstes aus dem Jahre 2004 als auch das
Dekret der Kongregation für die Glaubenslehre bei der Klärung
des vermeintlich ethischen und vor allem kirchespezifischen
Dilemmas nicht sonderlich hilfreich zu sein.
Adressaten dieser Verlautbarungen – freilich ausgestattet mit
einem hohen Grad an Verbindlichkeit – sind diejenigen natürlichen
Personen, die den Patienten – insbesondere solche im komatösen
Zustand – medizinisch zu betreuen und zu pflegen haben.
Spätestens mit dem Dekret v. 01.08.07 gibt es also die
unabdingbare „moralische Verpflichtung“ zur Verabreichung von
Nahrung und Wasser, auch solche auf künstlichem Wege. Der
Entscheidungsspielraum für die Ärzte ist demzufolge auf „Null“
reduziert und gebietet demzufolge regelmäßig die künstliche
Ernährung. Die eigentlich bedeutsame Frage aber, ob der Patient
gehalten ist, die künstliche Ernährung auch „einzufordern“, bleibt
allerdings unbeantwortet sowie die Frage, wie der Arzt seinen
„moralischen Verpflichtungen“ nachkommen soll, wenn und soweit
der Patient zur zwingend gebotenen künstlichen Ernährung sein
Einverständnis im Hinblick auf diese invasive Therapie nicht erteilt.
Dem Arzt droht immerhin nach der katholischen Glaubenslehre
beachtlicher Unbill, wenn er entgegen den moralischen
Verpflichtungen handelt und der Patient selbst könnte mit seiner
ablehnen Haltung zur künstlichen Ernährung nicht weniger
einschneidenden und gleichsam repressiven – wenngleich
kirchenspezifischen – Sanktionen ausgesetzt sein.
© 2007
136
Quelle; Vatikan >>>
http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith
_doc_20070801_risposte-usa_ge.html
168
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Es ist allgemein bekannt, dass der seinerzeitige Papst Johannes
Paul II. im Evangelium vitae v. 25.03.95137, gerichtet an die
Bischöfe, Priester und Diakone, die Ordensleute und Laien sowie
an alle Menschen guten Willens über den Wert und die
Unantastbarkeit des menschlichen Lebens (über)deutliche Worte
gefunden hat.
Erst durch das (intensive Studium) des Evangelium vitae
erschließt sich m.E. nach die besondere Dramatik des von der
Anästhesistin Lina Pavanelli behaupteten Verstoßes gegen die
kircheneigenen Dogmen von der Unverfügbarkeit des
menschlichen Lebens.
Das „Evangelium zum Leben“ legt Zeugnis von dem ab, worin der
unvergleichliche Wert der menschlichen Person besteht. Gleich
einführend wird darauf hingewiesen, das
•
„der Mensch ist zu einer Lebensfülle berufen, die weit über
die Dimensionen seiner irdischen Existenz hinausgeht, da
sie in der Teilhabe am Leben Gottes selber besteht. Die
Erhabenheit dieser übernatürlichen Berufung enthüllt die
Größe und Kostbarkeit des menschlichen Lebens auch in
seinem zeitlich-irdischen Stadium. Denn das Leben in der
Zeit ist Grundvoraussetzung, Einstiegsmoment und
integrierender Bestandteil des gesamten einheitlichen
Lebensprozesses des menschlichen Seins. Eines
Prozesses, der unerwarteter- und unverdienterweise von
der Verheißung erleuchtet und vom Geschenk des
göttlichen Lebens erneuert wird, das in der Ewigkeit zu
seiner vollen Erfüllung gelangen wird (vgl. 1 Joh 3, 1-2).
© 2007
137
Quelle: Vatikan de. >>>
http://www.vatican.va/holy_father/john_paul_ii/encyclicals/documents/hf_jpii_enc_25031995_evangelium-vitae_ge.html; Hinweis: Sofern in der Folge aus
dem Evangelium vitae zitiert wird, sind die Zitate sämtlichst aus der vorstehende
Quelle entlehnt. Im Text der Zitate hat der Verfasser besondere
Hervorhebungen, die er für besonders wesentlich erachtet, rot gekennzeichnet.
169
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Zugleich unterstreicht diese übernatürliche Berufung die
Relativität des irdischen Lebens von Mann und Frau. In
Wahrheit ist es nicht »letzte«, sondern »vorletzte«
Wirklichkeit; es ist also heilige Wirklichkeit, die uns
anvertraut wird, damit wir sie mit Verantwortungsgefühl
hüten und in der Liebe und Selbsthingabe an Gott sowie an
die Schwestern und Brüder zur Vollendung bringen“138.
Anschließend skizziert das Evangelium vitae die aktuellen
Bedrohungslagen des menschlichen Lebens und wie sich allein
aus der Tenorierung des Evangeliums erschließen lässt, gibt es
derer viele. Auch wenn der „Abtreibung“ einschließlich aller der
damit verbundenen ethischen Grundfragen im Evangelium vitae
ein großer Raum eingeräumt wird, reduziert sich das Evangelium
vitae hierauf beileibe nicht.
Vielmehr erweist sich das Evangelium vitae nicht nur als
Mahnschrift, sondern zugleich auch – wenn nicht gar in erster Linie
– als eine „Streitschrift“ gegen Ende des 20. Jahrhunderts, dass
dem katholischen Leitbild vom unvergleichlichen Wert der
menschlichen Person eine Kontur gibt, die an Schärfe nichts
ermangelt
und
zugleich
als
eine
emanzipatorische
Streitverkündungsschrift an den säkularen Verfassungsstaat
begriffen werden kann, in dem diesen resp. seinen demokratisch
gewählten Mitglieder139 ebenso kirchenspezifisches Unbill droht,
wie ggf. den Ärzten und Pflegern, aber auch Patienten, die sich
nicht durch ein auf Wahrheit gründendes reines Gewissen
auszeichnen.
© 2007
Nun liegt an der Eigenheit des „Glaubens“ und der „Religion“
begründet, dass gleichsam die „Wahrheit“ von dem Wert und der
Bedeutung des menschlichen Lebens keiner Diskussion
138
Evangelium vitae – Einführung (Ziff.2)
Nur in Parenthese sei hier angemerkt, dass einigen CDU/CSU- Abgeordneten
ein Blick in das Evangelium vitae den rechten Weg mit Blick auf die aktuelle
Debatte um die Reichweite der „Terrorismusbekämpfung“ und hier insbesondere
des geplanten Abschuss eines Passagierflugzeuges weisen dürfte.
139
170
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
zugänglich ist, reklamiert doch in diesem Bereich die verfasste
katholische Amtskirche das Definitionsmonopol mit der damit
verbundenen unausweichlichen Konsequenz, dass das „reine
Gewissen“ der Kirchenmitglieder sich an der Wahrheit zu
orientieren hat, mehr noch: das „reine Gewissen“ ist mit der
verkündeten und im Übrigen schon immer da gewesenen und
vorgegebenen
Wahrheit
absolut
kongruent.
Entscheidungsspielräume für den wahrhaft Gläubigen und damit
nicht
nur
den
Patienten,
sondern
gleichsam
allen
Gesellschaftsmitgliedern, lassen sich so nicht erschließen und so
erscheint es nur allzu konsequent zu sein, wenn im Evangelium
vitae gleichsam ein apodiktischer Kreuzzug gegen die sich mehr
und mehr einschleichende „Kultur des Todes“ wortgewaltig geführt
wird und der Staat wird mehr oder minder eindringlich davor
gewarnt, dieser „Kultur des Todes“ – die ihre Nahrung aus dem
höchst subversiven und fehlgeleiteten Autonomieverständnis der
(nichtgläubigen?) Menschen, allerlei Gruppen und Verbände, aber
auch Parteien speist – zu erliegen.
Eine Diskussion hierüber, geschweige denn Widerspruch ist nicht
nur nicht erwünscht, sondern mit der nicht zur Debatte stehenden
„Wahrheit“140 kirchenspezifischer Dogmen über die Heiligkeit des
Lebens und die Verklärung des Todes wird zugleich auch die
140
Evangelium vitae (Ziff. 48): „Das Leben trägt unauslöschlich eine ihm
wesenseigene Wahrheit in sich. Der Mensch muß sich, wenn er das Geschenk
Gottes annimmt, bemühen, das Leben in dieser Wahrheit zu erhalten, die für
jenes wesentlich ist. Die Abwendung von ihr ist gleichbedeutend mit der eigenen
Verurteilung zu Bedeutungslosigkeit und Unglück, was zur Folge hat, daß man
auch zu einer Bedrohung für das Leben anderer werden kann, sobald die
Schutzdämme niedergerissen sind, die in jeder Situation die Achtung und
Verteidigung des Lebens garantieren. Die dem Leben eigene Wahrheit wird vom
Gebot Gottes geoffenbart. Das Wort des Herrn gibt konkret an, welcher Richtung
das Leben folgen muß, um seine Wahrheit respektieren und seine Würde
schützen zu können. Nicht nur das spezifische Gebot »du sollst nicht töten« (Ex
20, 13; Dtn 5, 17) gewährleistet den Schutz des Lebens: das ganze Gesetz des
Herrn steht im Dienst dieses Schutzes, weil es jene Wahrheit offenbart, in der das
Leben seine volle Bedeutung findet.“
© 2007
171
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Sanktion verkündet, die dem nicht reinen Gewissensträger droht:
Mit Blick auf die „Abtreibung“ etwa sah der Codex des
kanonischen Rechtes von 1917 für die Abtreibung die Strafe der
Exkommunikation vor und dies dürfte unverändert fortgelten. Auch
die erneuerte kanonische Gesetzgebung stellt sich auf diese Linie,
wenn sie bekräftigt: »Wer eine Abtreibung vornimmt, zieht sich mit
erfolgter Ausführung die Tatstrafe der Exkommunikation latae
sententiae zu«141, das heißt die Strafe tritt von selbst durch
Begehen der Straftat ein142.
Eine höchst missliche Situation also für den- oder diejenigen, der
resp. die sich eines solchen sittlichen Verbrechens schuldig
machen und es bleibt zu fragen, ob das gleiche Schicksal
derjenige erleiden wird, der nicht reinen Gewissens ist und so zum
Täter resp. Mittäter einer Tötung auf Verlangen wird und dem
Sterbenden die gebotene künstliche Ernährung vorenthält. Das
Verlangen des Patienten selbst könnte schon – für sich allein
betrachtet – zu einem erheblichen Konflikt führen, wie die
nachstehende pars pro toto nahe zu legen scheint:
•
141
Die willentliche Entscheidung, einen unschuldigen
Menschen seines Lebens zu berauben, ist vom
moralischen Standpunkt her immer schändlich und kann
niemals, weder als Ziel noch als Mittel zu einem guten
Zweck gestattet werden. Sie ist in der Tat ein schwerer
Evangelium vitae (Ziff. 62), dazu im Übrigen weiter: „Die Exkommunikation
trifft alle, die diese Straftat in Kenntnis der Strafe begehen, somit auch jene
Mittäter, ohne deren Handeln sie nicht begangen worden wäre. Mit dieser erneut
bestätigten Sanktion stellt die Kirche diese Straftat als eines der schwersten und
gefährlichsten Verbrechen hin und spornt so den, der sie begeht, an, rasch auf
den Weg der Umkehr zurückzufinden.“
142
Die Sanktion der Exkommunikation scheint nach katholischem
Selbstverständnis konsequent, geht doch die Lehre nach wie vor davon aus, dass
gerade unter „allen Verbrechen, die der Mensch gegen das Leben begehen kann,
die Vornahme der Abtreibung Merkmale auf(weist), die sie besonders
schwerwiegend und verwerflich machen.“
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172
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Ungehorsam gegen das Sittengesetz, ja gegen Gott selber,
seinen Urheber und Garanten; sie widerspricht den
Grundtugenden der Gerechtigkeit und der Liebe. »Niemand
und nichts kann in irgendeiner Weise zulassen, daß ein
unschuldiges menschliches Lebewesen getötet wird, sei es
ein Fötus oder ein Embryo, ein Kind oder ein Erwachsener,
ein Greis, ein von einer unheilbaren Krankheit Befallener
oder ein im Todeskampf Befindlicher. Außerdem ist es
niemandem erlaubt, diese todbringende Handlung für sich
oder für einen anderen, der seiner Verantwortung
anvertraut ist, zu erbitten, ja man darf in eine solche nicht
einmal explizit oder implizit einwilligen. Auch kann sie keine
Autorität rechtmäßig auferlegen oder erlauben«
Das „Drama der Euthanasie“143 nimmt also seinen unweigerlichen
Lauf, auch wenn in dem Evangelium vitae der nach diesseitiger
Auffassung nicht geglückte Versuch unternommen wird, mit Blick
auf ein „korrektes sittliches Urteil“ über die Euthanasie eben diese
Euthanasie zu definieren144. Adressat dieser Botschaft ist zunächst
freilich der Ausführende als aktiv Handelnder oder Unterlassender
– also im Zweifel der Arzt oder die Pflegenden -, wobei die
Hinweise an den Patienten selber ebenso schwerwiegend wie
folgenreich sein dürften:
„Sicherlich besteht die moralische Verpflichtung sich pflegen und
behandeln zu lassen, aber diese Verpflichtung muß an den
konkreten Situationen gemessen werden; das heißt, es gilt
abzuschätzen, ob die zur Verfügung stehenden therapeutischen
Maßnahmen objektiv in einem angemessenen Verhältnis zur
Aussicht
auf
Besserung
stehen.
Der
Verzicht
auf
außergewöhnliche oder unverhältnismäßige Heilmittel ist nicht
gleichzusetzen mit Selbstmord oder Euthanasie; er ist vielmehr
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143
144
Evangelium vitae, Ziff. 64
Evangelium vitae, Ziff. 65
173
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Ausdruck dafür, daß die menschliche Situation angesichts des
Todes akzeptiert wird.“145
Auch in Kenntnis dessen, dass hier der Autor sich nicht dazu
berufen fühlt, zu den gewichtigen Fragen kirchenspezifischer
Dogmatik Lösungen vorzuschlagen, scheint sich doch hier ein
Kompromiss auf die von Lina Pavanelli initiierte, scheinbar aus
kirchlichem Selbstverständnis und Dogmatik heraus nicht lösbaren
Frage nach dem „Unseligen Paps-Tod“ aufzudrängen.
Die Frage könnte vielmehr unspektakulär dahingehend gelöst
werden, dass eben der Verzicht etwa auf künstliche Ernährung
jedenfalls vom Grundsatz her nicht mit einem „Selbstmord“
gleichzusetzen wäre, sondern gerade als ein Einlassen des
gläubigen Christen auf seinen Tod, der eben nichts
Beklemmendes in und an sich trägt146, verstanden und als eine
prinzipiell achtenswerten „heroischen Haltung“ geachtet wird, die
eigentlich „voller Lobes“ würdig ist.
Anlass zu dieser Überlegung dürfte allemal bestehen, weil gerade
im Kontext mit der Frage nach dem frei verantwortlichen Suizid die
palliativmedizinisch
angebotene
Schmerzmedikation
im
Evangelium vitae auch als eine angemessene Maßnahme erachtet
wird, wenn hierdurch die Gefahr einer Lebensverkürzung
begründet wird.
•
„Schon Pius XII. hatte gesagt, den Schmerz durch
Narkotika zu unterdrücken, auch wenn das eine Trübung
des Bewußtseins und die Verkürzung des Lebens zur
Folge habe, sei erlaubt, »falls keine anderen Mittel
vorhanden sind und unter den gegebenen Umständen
dadurch nicht die Erfüllung anderer religiöser und
moralischer Verpflichtungen behindert wird«. 79 Denn in
diesem Fall wird der Tod nicht gewollt oder gesucht, auch
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145
Evangelium vitae, ebenda
Eher das Gegenteil dürfte nach der kirchenspezifischen und nicht zur
Diskussion stehenden „Wahrheit“.
146
174
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
wenn aus berechtigten Gründen die Gefahr dazu gegeben
ist: man will einfach durch Anwendung der von der Medizin
zur Verfügung gestellten Analgetika den Schmerz wirksam
lindern. Doch »darf man den Sterbenden nicht ohne
schwerwiegenden Grund seiner Bewußtseinsklarheit
berauben«: die Menschen sollen vor dem herannahenden
Tod in der Lage sein, ihren moralischen und familiären
Verpflichtungen nachkommen zu können, und sich vor
allem mit vollem Bewußtsein auf die endgültige Begegnung
mit Gott vorbereiten können147.
Als eine höchst angenehme Folge hieraus könnte auch die per se
nach katholischem Selbstverständnis und Lehre gebotene
Ernährungs- und Flüssigkeitsversorgung dann aus der Sicht des
(gläubigen!)
Patienten
abgelehnt
werden,
wenn
das
therapeutische Ziel der kurativen Medizin nicht mehr erreicht
werden kann und demzufolge in eine pallitivmedizinische
Betreuung mündet, die ihrerseits nur noch in der Lage zu sein
scheint, den herannahenden Tod zu verhindern oder positiv
gewendet – dem gläubigen Patienten das Recht zum Zugang in
eine andere, ihm verheißene Welt zu versagen. Hier hindert das
palliativmedizinische Können dem gläubigen Patienten gleichsam
an der Möglichkeit, dass zu schauen, wozu er eigentlich nach dem
nicht zur Debatte stehenden Sittengesetz berufen ist:
•
„Erhellt und zum Abschluß gebracht werden diese
natürliche Abneigung gegen den Tod und diese keimhafte
Hoffnung auf Unsterblichkeit durch den christlichen
Glauben, der die Teilhabe am Sieg des auferstandenen
Christus verheißt und anbietet: es ist der Sieg dessen, der
durch seinen Erlösungstod den Menschen vom Tod, dem
»Lohn der Sünde« (Röm 6, 23), befreit und ihm den Geist,
das Unterpfand für Auferstehung und Leben, geschenkt hat
(vgl. Röm 8, 11). Die Gewißheit über die zukünftige
Unsterblichkeit und die Hoffnung auf die verheißene
Auferstehung werfen ein neues Licht auf das Geheimnis
© 2007
147
Evangelium vitae, Ziff. 65
175
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
des Leidens und Sterbens und erfüllen den Gläubigen mit
einer außerordentlichen Kraft, sich dem Plan Gottes
anzuvertrauen.
Der Apostel Paulus hat dieses Neue in den Worten von
einer völligen Zugehörigkeit zum Herrn, der den Menschen
in jeder Lage umfängt, zum Ausdruck gebracht: »Keiner
von uns lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber:
Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben
wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir
gehören dem Herrn« (Röm 14, 7-8). Sterben für den Herrn
heißt den eigenen Tod als letzten Gehorsamsakt
gegenüber dem Vater erleben (vgl. Phil 2, 8), indem wir die
Begegnung mit dem Tod in der von Ihm gewollten und
beschlossenen »Stunde« annehmen (vgl. Joh 13, 1), der
allein zu sagen vermag, wann unser irdischer Weg zu Ende
ist. Leben für den Herrn heißt auch anerkennen, daß das
Leid, auch wenn es an sich ein Übel und eine Prüfung
bleibt, immer zu einer Quelle des Guten werden kann. Das
ist der Fall, wenn es aus Liebe und mit Liebe, aus
freiwilliger Hingabe an Gott und aus freier persönlicher
Entscheidung in der Teilhabe am Leiden des gekreuzigten
Christus selber gelebt wird. Auf diese Weise wird der, der
sein Leiden im Herrn lebt, Ihm vollkommener ähnlich (vgl.
Phil 3, 10; 1 Petr 2,21) und hat zutiefst teil an seinem
Erlösungswerk für die Kirche und die Menschheit. Das ist
die Erfahrung des Apostels, die auch jeder leidende
Mensch nachzuleben aufgerufen ist: »Jetzt freue ich mich
in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi,
die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das,
was an den Leiden Christi noch fehlt« (Kol 1, 24)“148
© 2007
Dies also ist der Weg der Liebe und des echten Mitleids, „den
unser gemeinsames Menschsein vorschreibt und den der Glaube
an Christus, den Erlöser, der gestorben und auferstanden ist, mit
148
Evangelium vitae, Ziff. 67
176
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
neuen Einsichten erhellt149“ und wenn ich es hier recht überblicken
vermag, dann kann der gläubige Patient gerade mit dem
Verweigern der künstlichen Ernährung sich expressis verbis dem
„Plan Gottes anvertrauen“ und ihm zum Zeitpunkt seiner
willentlichen Entscheidung „so nah“ sein, in dem ihm gleichsam
nach katholischem Verständnis die frohe Kunde von der
Verheißung zuteil wird und ihm die vom Herrn beschlossene
„Stunde“ des Todes offenbar geworden ist.
Fazit
Bei einer solchen Interpretation freilich droht auch dem Papst kein
Unbill und noch weniger dürfte seine (?) ureigene Entscheidung
bei der Frage der ausstehenden Seligsprechung hinderlich sein.
Mit Blick auf Letzterem steht eher das Gegenteil zu vermuten an,
denn wie es scheint, hat er „reinen Gewissens“ sich dem
unabänderlichen Gesetz der Wahrheit unterworfen und hierbei auf
die ihm vorbestimmte Stunde des Todes zugewartet, so dass sich
an ihm der Plan Gottes vollzogen hat. Mag es auch eine
moralische Verpflichtung geben, sich behandeln oder pflegen zu
lassen, so ist erkennbar nach dem Evangelium vitae diese
Verpflichtung situationsgebunden und letztlich auch dem „Willen
des Gläubigen“ entweder unterworfen oder situationsbedingt
entzogen. Nicht „sein Wille, sondern der Wille des Herrn“ ist
maßgeblich und gerade der Papst wird um diese, seine Erkenntnis
und für ihn unabänderliche Wahrheit gewusst haben. Dies zu
glauben, bleibt den Christen selbstverständlich vorbehalten,
nehmen sie doch ihr Grundrecht auf Religionsfreiheit wahr, ohne
dass hierdurch gleichsam (ethische und religiöse) Bindungen für
die anderen nach einem selbstbestimmten Tod ringenden
Patienten folgen.
© 2007
149
Evangelium vitae, ebenda
177
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Nochmals: Patientenverfügung und Sterbewille - Grenzen
eines drohenden (palliativ)medizinethischen Paternalismus –
oder: in dubio pro libertate!
In unserem säkularisierten Gemeinschaftswesen bleiben alle
Interessierten weiterhin aufgerufen, sich an der Diskussion über
ihre fundamentalen Rechte zu beteiligen.
Dies gilt auch und gerade mit Blick auf die bedeutsamen
Rechtsfragen am Ende eines Lebens, in dem der Patient ggf.
seinen letzten Willen umgesetzt wissen möchte. Auffällig ist
allerdings, dass in dem Wertediskurs zunehmend der Blick für das
Wesentliche getrübt wird und es zu befürchten ansteht, dass eine
Archaisierung der Debatte über den Begriff des „mündigen
Patienten“ droht. Dies belegen u.a. die zur Diskussion gestellten
und der Öffentlichkeit präsentierten Gesetzgebungsvorschläge und
die hierzu ergangenen Stellungnahmen. Besonders nachdenklich
muss in diesem Zusammenhang stimmen, dass zuweilen das
Verfassungsrecht in der Debatte unterrepräsentiert ist oder nicht
selten keine adäquate Berücksichtigung findet. Immer öfters erhallt
der Ruf nach „höheren sittlichen Werten“ und ebenso oft bleiben
allerdings die Autoren die Darlegung ihrer Offenbarungsquellen
schuldig, wo denn diese „Werte“ ihren positiven Niederschlag
gefunden haben. Es könnte der Eindruck entstehen, dass
tatsächlich ein „Kulturkampf um die Würde“ des Menschen und
damit des Patienten entbrannt ist, in dem neben den
verfassungsrechtlich gesicherten „Werten“ gleichsam neue
„höhere sittliche Werte“ zur Diskussion gestellt werden, die mehr
oder minder dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten neue
Konturen – und sei es auch nur im Wege einer restriktiven Inhaltsund Reichweitenbestimmung – geben sollen.
© 2007
Evident
scheint
hierbei
nur
zu
sein,
dass
das
Selbstbestimmungsrecht des Bürgers ihm auch in seiner Rolle als
Patient und damit in allen Phasen seines Lebens oder Sterbens zu
178
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
gewähren ist, so dass insbesondere diejenigen Vorschläge, die die
inhaltliche Begrenzung auf den irreversiblen Krankheitsverlauf bis
hin zum Tode vorsehen, auf prinzipielle verfassungsrechtliche
Bedenken stoßen müssen. Der „Freiburger Appell“150 der Herren
Student und Klie, aber auch die aktuellen Stellungnahmen einiger
weiterer (Palliativ)mediziner151 sind nach diesseitiger Auffassung
ein Beleg dafür, dass offensichtlich ein Rekurs auf
das
Verfassungsrecht nicht die gewünschten Ergebnisse in der
Debatte zu liefern vermag, so dass an eine „allgemeinverbindliche“
Ethik oder an die Moral appelliert werden muss.
Hier entzieht sich der Wertediskurs schleichend einer stringenten
Argumentationsführung und mündet unversehens in einem
wohlmeinenden ethischen Paternalismus, in dem die tragenden
Achsen der Freiheitssphäre und damit die der Autonomie der
Grundrechtsträger verlustig gehen.
Dass das „Sterben“ als ein natürlicher Vorgang per se nicht
normierbar ist, bedarf keiner besonderen Betonung und die
Einführung dieser kreatürlichen Selbstverständlichkeit als
Argument gegen eine Normierung der bedeutsamen Rechtsfragen
am Ende eines menschlichen Lebens führt denn auch eher zur
Verwirrung, denn zur Klärung der Probelme, die sich rund um die
Sterbehilfe ranken, bei. Vielmehr gilt: die grundrechtlichen
Schutzpflichten des parlamentarischen Gesetzgebers gebieten es,
die ohne Frage vorhandenen Rechtsunsicherheiten durch ein
klares Bekenntnis zum Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu
beseitigen. Von dieser Verpflichtung zur Regelung wird der
Gesetzgeber nicht etwa dadurch freigestellt, in dem etwa die
Bundesärztekammer Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung
verabschiedet hat oder einige Palliativmediziner grundsätzlich die
Ansicht vertreten, dass in der Debatte das Argument von der
© 2007
150
Freiburger Appell (Klie und Student) >>> online christoph-student.homepage.tonline.de/42853.html
151
Vgl. dazu etwa Klinkhammer, Patientenverfügungen: Gesetzliche Regelung –
pro und kontra, in Deutsches Ärzteblatt 104, Ausgabe 33 v. 17.08.07, S. A - 2234
179
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Rechtssicherheit vorgetäuscht werde. Der Umgang mit den
Patientenverfügungen könne vielmehr nur dann gelingen, wenn
die Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung (der BÄK) allen
Ärzten bekannt seien, so die Palliativmediziner.
Mal ganz abgesehen davon, dass die Grundsätze der BÄK zur
Sterbebegleitung für sich genommen keine Verbindlichkeit
erzeugen und somit weder den Bürgerinnen und Bürger und nach
diesseitiger Auffassung auch nicht den Ärztinnen und Ärzte152 die
Last der ureigenen Entscheidung abnehmen, kommt der BÄK kein
gesamtgesellschaftliches ethisches Mandat zu, aufgrund dessen
eine (normative) Bindung erzeugt werden kann. Eine
Rechtsetzungsmacht – auch eine solche faktischer Natur – kommt
der BÄK mit Bindungswirkung für Dritte nicht zu.
Faktische Rechtsetzungsmacht deshalb, weil über die Grundsätze
der ärztlichen Sterbebegleitung scheinbar in erster Linie die
Ärzteschaft standesethisch (und freilich auch berufsrechtlich)
gebunden wird, so dass das Selbstbestimmungsrecht des
Patienten auf eine (demokratisch) nicht legitimierte, das
Grundrecht der Selbstbestimmung eingreifende Schranke in
Gestalt der ärztlichen Standesethik stößt und so ins Leere zu
laufen droht. Selbst wenn aber den berufständischen Kammern die
Regelungsbefugnis zu konzedieren wäre, bliebe dieser Befund für
den Bürger unbeachtlich, entfalten doch die (Standes)Regeln nur
ihre Wirkung im intraprofessionellen Raum. Aber auch hier wirkt
das Standesrecht und die Standesethik nicht grenzenlos, muss es
sich doch letztlich an den Grundrechten der einzelnen Ärzte und
Ärztinnen messen lassen, woran gelegentlich in der diskursiven
Wertedebatte zu erinnern ist.
© 2007
In diesem Sinne plädiere ich für eine gesetzliche Absicherung der
patientenautonomen Entscheidungen, ohne dass die Umsetzung
152
In dem hier gemeinten Sinne konkurriert das Standes- bzw. Berufsrecht der
Ärzteschaft unmittelbar mit der Gewissensfreiheit der Ärzte und Ärztinnen aus
Art. 4 GG.
180
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
des Willens der Patienten an den
zugegebenermaßen
wohlmeinenden
Proklamationen153 zu scheitern droht.
standesethischen –
ärztlichen
Hierzu zählen freilich auch die die ethischen Proklamationen der
Palliativmediziner, so dass es zuvörderst darum gehen muss, für
Rechtsklarheit Sorge zu tragen. Da beruhigt es keinesfalls, dass
der Bundesgerichtshof sich vermeintlich eindeutig in den Fragen
am Lebensende positioniert hat. Um es deutlich zu formulieren:
auch dem BGH kommt in dieser Frage nicht die
gesetzesvertretende Rechtsetzungskompetenz zu. Allenfalls
werden wir dem BGH eine „Notkompetenz“ zubilligen müssen, weil
bis dato sich der Gesetzgeber in Stillschweigen hüllt und
gleichwohl die Bürger einen Anspruch darauf haben, dass kein
Stillstand in der Rechtspflege eintritt.
Gerade weil das Sterben als ein natürlicher Vorgang per se nicht
normierbar ist und wir eine Instrumentalisierung des Sterbens
befürchten müssen, muss der parlamentarische Gesetzgeber auf
eine
verfassungskonforme
Ausgestaltung
des
Selbstbestimmungsrechts drängen.
Sog. „Dammbruchargumente“ entpflichten den Gesetzgeber
ebenso wenig von seiner Aufgabe wie etwaige Statements oder
Appelle154
von
berufsständischen
Organisationen
oder
Religionsgemeinschaften. Diese sind vielmehr ein Spiegelbild von
differenten Meinungen und Auffassungen, die zwar gehört werden,
aber keinesfalls regelmäßig eine strikte (normative) Beachtung
© 2007
153
Im Übrigen wird im Allgemeinen in der Debatte der Eindruck geschürt, dass
die (ärztlichen) Richtlinien zur Sterbebegleitung auf einem allgemeinen ethischen
Konsens der Ärzteschaft beruhen. Dem ist mitnichten so, wie sich ganz aktuell
am sog. „Lahrer – Kodex“ ablesen lässt. Dass die BÄK diesen Kodex für
überflüssig erachtet, spricht gewissermaßen für sich selbst, soll doch in der
Öffentlichkeit nicht der Eindruck entstehen, als gäbe es einen
Harmonisierungsbedarf mit Blick auf differente arztethische Strömungen.
154
Neben dem Freiburger Appell hat erfährt ganz aktuell der sog. Lahrer Kodex
allgemeine Beachtung.
181
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
erfahren. Ein solches gilt insbesondere dann, wenn über
Grundrechte philosophiert wird und der Kern insbesondere des
Selbstbestimmungsrechts als ein überragendes Rechtsgut und
Freiheitsrecht nicht adäquat erfasst wird.
Wenn die Reichweite der Patientenverfügungen gar nicht begrenzt
werde, bedeute „freie Entfaltung der Persönlichkeit“ eine
Selbstbestimmung, die sich bis hin zur Selbstverfügung über das
eigene Leben erstrecke, so wohl die Befürchtung der
Palliativmediziner. Mit Verlaub – das Recht auf Selbstbestimmung
steht jedem Patienten zu und in dem ausschließlich der Patient
seine Einwilligung in den angedachten ärztlichen Heileingriff und in
der Folge in die palliativmedizinische Therapie zu erteilen hat,
steht es auch freilich in seinem Ermessen, eben diese Einwilligung
zu erteilen oder zu versagen. Die Konsequenzen mögen für den
Patienten
aus
medizinischer
resp.
palliativmedizinischer
Perspektive heraus betrachtet zwar „katastrophal“ – weil zum Tode
führend – sein, aber dies ändert nichts an der vom Patienten
getroffenen Entscheidung und insofern kann der Patient durchaus
über das eigene Leben selbst verfügen.
Die Lehren u.a. des ehrwürdigen Hippokrates helfen uns aktuell
nicht wirklich weiter, zementiert doch ein Rekurs hierauf eine
ethische und in Teilen paternalistische Werthaltung, die gemessen
an den aktuellen Fragen der Patientenautonomie ein neues
zeitgemäßes
Programm
erfahren
muss.
Die
Reichweitenbestimmung des Selbstbestimmungsrechts des
Patienten ist frei von Ideologien, modernen Seelenvorstellungen,
bereichspezifischen Partikularethiken, Leidkonzeptionen oder
Ähnlichem.
© 2007
Es ist eine Regelung erforderlich, die u.a. aus der Perspektive des
sterbenden Patienten ein selbstbestimmtes Sterben ermöglicht,
ohne das ein ethisches (oder religiöses) Zwangskorsett verordnet
wird. Anlass für eine verfassungskonforme Regelung dürfte daher
allemal bestehen, schicken sich doch einige Medizinethiker an, mit
182
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
ihrer bereichsspefizischen Ethik ein neues Kapitel im
Verfassungsrecht aufzuschlagen.
Beredte
Beispiele
für
eine
fürsorgliche
ethische
Zwangsbeglückung des Patienten und ihre vorgebliche
verfassungsrechtliche Legitimationsbasis finden sich immer öfter in
der Literatur155. Zwei Zitate mögen dies verdeutlichen:
„Eine Aufwertung der Ethik der Autonomie des Einzelnen bedeutet
eine Dominanz des Stärkeren über die Ethik des Schwachen.“
„Viele
„Patientenverfügungen“
vernachlässigen
den
Beziehungscharakter
von
Würde,
ihren
Bezug
zum
Zwischenmenschlichen, zum sozialen Zusammenhalt, zu den
Zielen einer solidarischen Gesellschaft. Sie vereinseitigen damit
den Würdebegriff auf eine fast schon egozentrische Betonung der
Autonomie des Individuums. Einem bioethischen Menschenbild,
das der Individualethik und dem „Glück“ des Einzelnen gegenüber
der Sozialethik und dem Solidarisch-aufeinander-Angewiesensein
der Menschen einen höheren sittlichen Stellenwert einräumt, wird
der Vorzug gegeben. Selbst eine perfekt ausgefüllte
Patientenverfügung garantiert aber nicht, dass die Krankheit
angemessen oder würdevoll verläuft. Angesichts der Tatsache,
dass sich Menschenwürde stets beim Schwächeren, nicht aber
beim Stärkeren konkretisiert, bedeutet die Aufwertung der Ethik
der Autonomie eine neue Vorherrschaft des Stärkeren (das
autonome Individuum) vor der Ethik des Schwächeren (die
fürsorgliche und solidarische Begegnung zweier Menschen)“.
© 2007
Der Beitrag der Autoren endet gleichsam mit der These:
„Mithilfe von Patientenverfügungen ist dem Patienten die
Fürsorgepflicht des Arztes weggenommen worden. So gesehen
stellen Patientenverfügungen einen schweren Verstoß gegen das
155
Geradezu beispielhaft hierfür der Beitrag von Dörner/Zieger/Bavasto/Holfelder
zum Thema Patientenverfügungen: Kein „Sterben in Würde“, in Deutsches
Ärzteblatt 99, Ausgabe 14 vom 05.04.2002, Seite A-917 / B-770 / C-718
183
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
allgemeinmenschliche Selbst- und Fürsorgegebot dar und
verletzen damit auch Autonomie und Würde des Menschen“156.
Ein Blick in das Verfassungsrecht hingegen wird allerdings zeigen,
dass der Autonomie des Individuums ein sehr hoher Stellenwert
beigemessen wird und im übrigen das Verfassungsrecht nicht ein
einheitlich verpflichtendes Menschenbild kennt und noch weniger
eine einheitliche Ethik, aus denen dann Maßgaben für eine
patientenautonome Entscheidung folgen.
Der Münchener Palliativmediziner G.D. Borasio warnt also
durchaus
zurecht
vor
einem
neuen
medizinethischen
Paternalismus, denn es steht zu befürchten an, dass die
Verfassungsinterpretation mit der Philosophie oder einem
alltagstauglichen Räsonnieren gleichgesetzt wird und hieraus
folgend der Patient zwangsinstrumentalisiert wird. Es offenbaren
sich ganz aktuell unheilvolle Tendenzen, wenn die Autonomie des
Patienten und damit in erster Linie die Patientenverfügung in einen
direkten Widerspruch zur Palliativmedizin und dem damit
verbundenen medizinischen Ethos gesetzt wird und zugleich
einige Mediziner unablässlich behaupten, dass es den „mündigen
Patienten“ nicht gäbe – mehr noch, eigentlich nicht geben kann.
Da beruhigt es keinesfalls, dass zumindest das Streben nach
Mündigkeit als wünschens- und lobenswert erachtet wird157.
Völlig unhaltbar ist die These der Autoren Dörner et al., wonach
Patientenverfügungen
der
Sterbebegleitung
und
der
Palliativmedizin entgegenstehen. Auch im Jahre 2002, aus dem
der Beitrag der Autoren datiert, kam dem Selbstbestimmungsrecht
der Patienten eine überragende Bedeutung zu und es steht außer
Frage, dass dies auch künftig so sein wird. Allen voran das
Bundesverfassungsgericht
käme
in
einen
ungeheuren
© 2007
156
Dörner et.al., ebenda.
H.H. Büttner, Der Arzt – eine Quelle der „Mündigkeit“ für den mündigen
Patienten?, in Ärzteblatt Mecklenburg-Vorpommern 5/2007, S. 152 ff.
157
184
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Erklärungsnotstand, sich von seiner Rechtsprechung zum
Selbstbestimmungsrecht verabschieden zu wollen, um so der
Einführung eines ethischen Paternalismus Vorschub leisten zu
können. Grundrechte sind und bleiben in erster Linie subjektive
Rechte des Einzelnen und diese kommen freilich auch dem
Patienten zu, der allein mit Blick auf sein individuelles Sterben
(und damit gleichsam sein Leben) die Regie führen möchte.
Sofern er diesbezüglich Beistand benötigt oder wünscht, ist es ihm
allein anheim gestellt, diesen einzufordern und ggf. die
wohlgemeinten Ratschläge in seine Entscheidung einfließen zu
lassen; der Patient bedarf insoweit keiner (!) ethischen
Zwangsbeglückung.
Keinesfalls sollte sich der Patient dem Vorwurf ausgesetzt sehen,
dass er mit seinem autonomen Willen der vermeintlichen
Sozialethik eine Absage erteilt und quasi egozentrisch seiner
Individualethik einen „höheren sittlichen Stellenwert“ einräumt158.
Es droht offensichtlich nicht nur ein neuer ethischer Paternalismus,
sondern er hat bereits greifbare Formen angenommen! Mag auch
das Menschenbild des Grundgesetzes nicht dasjenige eines
selbstherrlichen
Individuums,
sondern
einer
gemeinschaftsgebundenen Person sein – wie sich gelegentlich
das BVerfG auszudrücken pflegt -, so folgt hieraus freilich jedoch
158
So aber Dörner et.al., ebenda. Hier offenbart sich eine autoritäre und
vorgeblich wohlmeinende Gesinnungshaltung, die der Individualethik jedenfalls in
der Sterbehilfedebatte keine, allenfalls nur noch eine marginale Bedeutung
beimessen will und zumindest in der Vergangenheit vielfach als Grund dafür
benannt werden konnte, dass im Arzt-Patienten-Verhältnis sich ein zunehmender
Autoritätsverlust eingeschlichen hat. Der Mythos vom „allwissenden,
fürsorgenden und gleichsam dienenden Arzt“ ist gerade in den letzten Jahren
entmythologisiert worden und die Revitalisierung alter Mythen in der Debatte um
den Grund und die Reichweite patientenautonomer, verbindlicher Erklärungen
muss nachdenklich stimmen. Der sich eingestellte Autoritätsverlust lässt sich
nicht durch eine paternalistische Medizinethik kompensieren und dies ist m.E.
nachhaltig zu begrüßen, trägt doch der Patient ein hohes Maß an
Eigenverantwortung!
© 2007
185
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
nicht (!) eine schier unerschöpfliche Quelle für die sozialethische
Inpflichtnahme
des
Individuums,
das
lediglich
seine
patientenautonome Entscheidung umgesetzt wissen möchte.
Es ist absurd und in der Folge vor allem höchst ärgerlich, einen
prinzipiellen Antagonismus zwischen der selbstbestimmten
Entscheidung in Gestalt der Patientenverfügung und „höheren
sittlichen Werten“ zu behaupten, nur um des Zieles willen, um
jeden Preis die vorgebliche „Fürsorgepflicht“ des Arztes erhalten
zu wollen. Die Fürsorgepflicht des Arztes konkurriert eben nicht mit
der Selbstbestimmung des Patienten, denn die Fürsorge des
Arztes reicht nur soweit, wie eben der Patient nach erfolgter
Aufklärung und Einwilligung die „Fürsorge“ des Arztes oder der
Ärztin in Anspruch zu nehmen gedenkt159.
Es muss verwundern, dass auch im scheinbar aufgeklärten 21.
Jahrhundert Vertreter der Ärzteschaft daran zu erinnern sind, dass
die Fürsorge(Pflicht) und damit etwa die Behandlungspflicht ihre
Grenzen an dem individuellen Willen des Patienten findet: der
Patient bestimmt vielmehr den Beginn, in Teilen auch den Verlauf
und im Übrigen das Ende der kurativen, aber auch
palliativmedizinischen und eine hierauf gerichtete pflegerische
Behandlung. Der Ärzteschaft freilich bleibt es unbenommen, ihre
bereichsspezifischen Ethiken und Moralen und die damit
verbundenen Fragen selbst zu identifizieren und zu beantworten,
wenngleich eindringlich davor zu warnen ist, wenn in der
Fürsorgepflicht des Arztes zuvörderst mit Blick auf die
Patientenverfügung „ein sittlicher Wert“ erblickt wird, der über dem
des konkreten Willen des Patienten als Ausdruck seines
Selbstbestimmungsrechts zu stellen ist. Es bedarf nicht der
Einführung der boni mores durch die Medizinethiker160, wenn es
darum geht, im Zuge der Debatte um den Grund und die
Reichweite der Patientenverfügungen auf verfassungsrechtlich
gebotene Maßgaben hinzuweisen. „Der gute Arzt“ oder die
© 2007
159
160
Von Notfallsituationen mal abgesehen.
Dies gilt freilich auch für die Pflegeethiker.
186
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Pflegenden werden die Grenzen ihrer ethischen Grundhaltung
hoffentlich erkennen und sich nicht in die Rolle eines Sendboten
einer tradierten Wertekultur begeben, die sie erneut im Lichte
eines „Gottes in weiß“ oder der ehrwürdigen F. Nightingale
erscheinen und erstrahlen lassen, diesmal aber zusätzlich gepaart
mit einem sozialethischen Erziehungsauftrag, der unmittelbar auf
die Instrumentalisierung und Kolonialisierung patientenautonomer
Entscheidungen um vermeintlich „höherer sittlicher Werte“
hinausläuft.
Hier würde sich die (Medizin- und Pflege)Ethik als probates Mittel
der
„Herrschaftsausübung“
über
selbstbestimmte
Partikularinteressen
erweisen
und
so
einem
neuen
medizinethischen (Zwangs)Paternalismus Vorschub leisten, der an
die Stelle des „alten“ medizinischen Paternalismus tritt.
Hierauf wird der parlamentarische Gesetzgeber zu achten und
zuvörderst zu berücksichtigen haben, dass das „Recht der
Patientenverfügung“ nicht der intraprofessionellen Normsetzung
durch die Ärzteschaft überantwortet wird, die im Zweifel über ihre
bereichsethische Sichtweise „höhere sittliche Werte“ generieren,
die über die eigene Profession hinaus nach allgemeiner
Beachtung streben und so die Gestalt einer verbindlichen
„sittlichen Norm“ annehmen. Die grundrechtlichen Schutzpflichten
und insbesondere die zentralen Fragen zur Absicherung der
patientenautonomen Entscheidung am Ende des Lebens sind
vielmehr durch den parlamentarischen Gesetzgeber selbst zu
regeln und die Beantwortung, geschweige denn die Regelung,
kann nicht (!) auf Berufs- resp. Standesorganisationen delegiert
werden. Die dem Gesetzgeber von der Verfassung auferlegten
grundrechtlichen Schutzpflichten sind von diesem selbst
wahrzunehmen und die einzelnen Professionen bleiben lediglich
dazu aufgerufen, in der Wertedebatte sich zu Worte zu melden,
um ggf. den Gesetzgeber zum weiteren Nachdenken über seine
bedeutsame
Rolle
bei
der
Abwehr
von
Grundrechtsbeeinträchtigungen
anzuregen,
zumal
der
verfassungsrechtliche Sachverstand der politisch Verantwortlichen
© 2007
187
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
eher begrenzt, zuweilen auch mitunter als dürftig zu bewerten sein
dürfte161.
Die derzeit zur Diskussion gestellten Entwürfe seitens der politisch
Verantwortlichen tragen diesem Gedanken nur unzureichend
Rechnung, spiegelt sich doch in ihnen ein Werteverständnis wider,
dass nicht gebührend dem „bunten Marktplatz“ differenter
Auffassungen gerecht wird. Grundrechte sind und bleiben in erster
Linie individuelle, also höchst subjektive Rechte und der
Gesetzgeber wird gerade bei der Ausgestaltung des
Selbstbestimmungsrechts darauf zu achten haben, dass einzig der
Bürger und damit er als möglicher Patient die Regie162 mit Blick
auf sein „Sterben“ und „Sterbevorgang“ führt. Die individuelle
Entscheidung des Patienten an seinem Lebensende oder für eine
unweigerlich zum Tode führende Entscheidung bedarf keiner
ethischen Konsensbildung durch die Gesellschaft163 als
Grundlage für diese autonome Entscheidung, sondern allenfalls
einen Konsens darüber, dass das Selbstbestimmungsrecht in
dieser Frage höchst individuell und frei von paternalistischen oder
wohlmeinenden Ratschlägen und Ideologien ist.
161
Leider gilt dieser desolate Befund auch für eine nicht unerhebliche Zahl von
Vormundschaftsrichtern, bei denen höchst bedenkliche und eigentlich rational
nicht nachvollziehbare Defizite im Umgang mit den bedeutsamen Rechtsfragen
am Lebensende festzustellen sind. Auch dieser Umstand dürfte dafür sprechen,
die Rechtsfragen verfassungskonform zu regeln, damit u.a. den
Vormundschaftsrichtern ein klares Regelungswerk an die Hand gegeben wird,
aufgrund derer es ihnen möglich sein müsste, „Recht“ zu judizieren.
162
Hierbei ist es im Übrigen unbeachtlich, dass Patienten gerade an ihrem
Lebensende dazu neigen, „ihre“ Entscheidung an Ärzte resp. nahe stehende
Personen delegieren zu wollen. Genauer betrachtet ist diese Entscheidung des
Patienten, „nicht“ entscheiden zu wollen, ebenfalls Ausdruck und Folge des von
ihm wahrgenommenen Selbstbestimmungsrechts, so dass sich hierin nicht – wie
vielfach von Medizinethikern behauptet – die „mangelnde Mündigkeit“ des
Patienten offenbart. Eher das Gegenteil dürfte anzunehmen sein.
163
Und ebenso wenig die der Familie oder sonstiger Angehörigen.
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188
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Die (rechts)ethisch bedeutsame Individualentscheidung für das
selbstbestimmte Sterben bedarf ferner nach dem diesseitigen
Grundrechtsverständnis auch keiner demokratischen Legitimation.
Die parlamentarisch-repräsentative Demokratie liefert lediglich
einen geeigneten Rahmen dafür, dass mit Blick auf die
Patientenautonomie gerade der individuelle Wille gewahrt bleibt.
Auch wenn mit den Worten des BverfG dem Gesetzgeber ein
großzügig zu bemessener Ermessens- und demzufolge
Gestaltungsspielraum einzuräumen ist, sind gleichwohl den
parlamentarisch-repräsentativen
Willensbildungsprozessen
insofern Grenzen gesetzt, als dass diese nicht nur frei von
Fraktionsinteressen sein müssen. Das neue „christlich-soziale
Leitbild“ und die damit verbundene Leitkultur kann für sich
genommen nur den Anspruch einer allgemeinen Werteorientierung
erheben, ohne das hieraus gleichsam für die konkrete
unterverfassungsrechtliche Grundrechtsausgestaltung eine ethisch
verbindliche „Norm“ folgen würde. Die Ausgestaltung der
Patientenautonomie hat demzufolge unabhängig von einer
„Leitkultur“ einer Partei zu erfolgen, denn die individuelle
Grundrechtsausübung bedarf keines ethischen Kollektivzwanges,
der einer parteipolitischen Philosophie entspringt und geschuldet
ist. In diesem Sinne sind die Abgeordneten bei ihrer Entscheidung
„nur“ ihrem Gewissen verantwortlich, gleichwohl aber hoffentlich in
Kenntnis von dem Meinungsbild in der Bevölkerung, das ihnen
einstweilen „treuhänderisch“ die Staatsgewalt übertragen hat.
Insofern
muss
nicht
zwangsläufig
die
individuelle
Gewissensentscheidung der Abgeordneten über den Grund und
die
Reichweite
eines
Gesetzes
zur
Regelung
der
Patientenverfügung maßgeblich bestimmend sein, sondern
vielmehr das Spiegelbild der differenten Werteauffassungen in
unserer Gesellschaft, so dass sich in einer normativen Regelung
auch eben dieses Spiegelbild verschiedenster Werte niederschlägt
und so dem (verfassungsrechtlich einschlägigen) Toleranzgebot
Rechnung trägt. Der Wille eines Herrn Bosbach oder eines Herrn
Stünker ist zwar durchaus individuell beachtlich, führt aber letztlich
nicht dazu, dass ihr höchst individueller Wille – freilich getragen
von der Fraktion - gleichsam zu einem allgemeinen Gesetz
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In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
erhoben wird, der uns bindet. Dem Gesetzgeber sind hier insoweit
Grenzen gesetzt, als dass die Regelung grundrechtskonform
ausgestaltet werden muss und so gleichsam die individuelle
Grundrechtsstellung der Normadressaten gewahrt bleibt;
anderenfalls droht der Vorwurf der verfassungswidrigen Regelung
und dieser Vorwurf ließe sich am ehesten dadurch vermeiden, in
dem von vornherein auf eine verfassungskonforme und freilich die
das
Selbstbestimmungsrecht
des
Patienten
hinreichend
berücksichtigende Regelung gedrängt wird, ohne dass die
Abgeordneten ggf. dem Charme mancher Medizinethiker erliegen,
wonach dem „egozentrischen Willen“ des Patienten
die
sozialethischen Grenzen skizziert werden müssen.
Auch wenn insoweit das BVerfG – wie bereits oben erwähnt mehrfach betont hat, dass das Menschenbild des Grundgesetzes
nicht dasjenige eines selbstherrlichen, sondern das eines
gemeinschaftsgebundenen
Individuums
sei,
ist
hieraus
keineswegs eine andere Betrachtungsweise anbefohlen. Der nicht
normierbare kreatürliche Sterbevorgang und der hierzu im Zweifel
geäußerte Wille des Patienten ist weder gemeinschaftsgebunden,
noch bedarf er der Akzeptanz durch unsere Gesellschaft oder
eines ethischen Konzils und freilich noch weniger einer Partei,
Standesorganisation oder einer Religionsgemeinschaft – mehr
noch: auch aus familiären Bindungen folgt keine Inpflichtnahme
oder Reichweitenbeschränkung des autonomen Willens mit Blick
auf den selbst zu verantwortenden Abschied aus dem Leben,
wobei freilich es dem Patienten unbenommen bleibt, aus welchen
Motiven heraus auch immer mit seiner Familie oder ihm
nahestehenden Personen im letzten Akt seines Lebens (oder
Sterbens) gemeinsam die Regie zu führen; ihm bliebe gar die
Möglichkeit eröffnet, sich selbst die Rolle einer „Regieassistenz“ zu
entziehen und insgesamt sich seinen Angehörigen (oder der
Ärzteschaft, der Pflegenden oder einer wie auch immer gearteten
transzendenten „Macht“) anzuvertrauen; all dies bliebe dem
Patienten aufgrund seines Selbstbestimmungsrechts vorbehalten
und er selbst darf die Prioritäten setzen, so wie er im Übrigen sich
dazu entscheiden kann, dem „würdevollen Sterben“ und der damit
© 2007
190
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
vielfach propagierten „Lebensqualität in den letzten Stunden“ zu
entsagen und sich für eine „Qualität des Todes und damit des
Sterbevorganges“ durchringt, die sein Leben ein abruptes Ende
bereitet.
Zu einem anderen – allerdings nach diesseitigem Verständnis
fragwürdigen – Ergebnis würde man nur dann gelangen (können),
wenn über die ethische Normbildung hinaus einer Gattungsethik
das Wort geredet werden soll, die zu einer besonderen
Inpflichtnahme der Grundrechtsträger und Adressaten führen
würde. Hier schleicht sich dann u.a. die Theorie von den
immanenten Verfassungsschranken nicht nur in das Ohr mancher
Verfassungsrechtler, sondern insbesondere auch der Philosophen
und Soziologen ein, so dass hieraus folgend für die Gattung
Mensch besondere Pflichten mehr oder minder phantasievoll auf
der Klaviatur ethischer und demzufolge überindividueller
Normenbildung konstruiert und nachfolgend scheinbar verbindlich
statuiert werden können und vor allem sollen.
Eine Verpflichtung zum „Leben“ in Form eines ethischen
Lebenszwangs lässt sich schwerlich verfassungsrechtlich
begründen. Das überindividuelle Interesse einer säkularisierten
Gesellschaft an der Erhaltung der Gattung Mensch ist zwar aus
nachvollziehbaren
Gründen
durchaus
ehrenhaft
und
wünschenswert, trägt aber im konkreten Entscheidungskonflikt mit
Blick auf den autonomen Sterbewunsch nicht zur Lösung bei.
Im Übrigen soll hier aber durchaus betont werden, dass der
Palliativmedizin ein hoher Stellenwert zukommt. Nicht akzeptabel
erscheint mir allerdings zu sein, dass die Bedeutung der Disziplin
durch eine ideologische (oder theologische) Sichtweise überhöht
wird, in dem nicht selten „Leidkonzeptionen“ vorgestellt und
Befürchtungen vor einem „Lastdiskurs“ geäußert werden. Dass es
hier im Einzelfall zu Konflikten kommen kann, zeigt nicht zuletzt
auch die aktuelle Debatte um den sog. „unseligen Papst-Tod“, der
für sich genommen aber nicht „unselig“ war, sondern durchaus
den Grundsätzen des Evangelium vitae entsprach.
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191
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Auch wenn sich ohne Frage das therapeutische Ziel im Rahmen
einer palliativmedizinischen Behandlung und Betreuung ändert,
erfährt auch die palliativmedizinische Behandlung ihre Legitimation
(nur) durch eine Einwilligung164 des Patienten, so dass auch die
patientenautonome
Entscheidung
die
Grenze
palliativmedizinischer
Bemühungen
markiert.
Patientenverfügungen dokumentieren den Willen und damit die
Entscheidung des Patienten, so dass dieser konkreten
Entscheidung Geltung zu verschaffen ist. Die These etwa der
Herren Student und Klie in ihrer cave-Patientenverfügung, wonach
ein Gesetz zur Regelung von Patientenverfügungen über den
Einzelfall hinaus dazu führen könnte, dass hierdurch eine Wirkung
auf die Moral der Gesellschaft entfaltet wird, dürfte zwar durchaus
plausibel sein, aber dennoch auf den konkreten Fall der
Patientenverfügung bezogen ein ganz und gar untaugliches
Argument. Es geht eben nicht um die „Moral“ der Gesellschaft,
sondern
um
eine
individuelle
Entscheidung
eines
Grundrechtsträgers, der in einem exklusiven und höchst
individuellen Bereich für sich völlig zu Recht seinen Freiraum
reklamiert und zwar frei von moralischen und ethischen Zwängen.
Diesbezüglich greift die Argumentation der beiden Herren zu kurz,
zumal sie davon ausgehen, dass das Recht im Wesentlichen die
Funktion hat, „Werthaltungen unmittelbar oder mittelbar in der
164
Nicht nur die kurative, sondern auch die palliativmedizinische Therapie des
Patienten erfordert eine ärztliche Aufklärung, aufgrund derer der Patient dann
seine Einwilligung in das vom Arzt oder die Ärztin vorgeschlagene therapeutische
Konzept zu erteilen hat. Sofern der Patient meint, auf ein gebotenes
Aufklärungsgespräch verzichten zu wollen, wird dies grundsätzlich zu
respektieren sein, wenngleich ein allgemeiner Schluss, dass etwa der
multimorbide Alterspatient regelmäßig (?!) durch beredtes Stillschweigen seinen
Verzicht und damit sein Einverständnis erklärt habe, nicht zulässig ist! Entgegen
der von Klie vertretenen Auffassung gibt es keine Regel, wonach „von einer
(zumindest stillschweigenden) Einwilligung des Patienten gegenüber der vom
Arzt verordneten Behandlung ausgegangen werden kann, wenn dieser der
Behandlung nicht widerspricht“, so Klie in Rechtskunde – Das Recht der Pflege
alter Menschen, 8. Aufl. 2006, S. 99, 100.
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192
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Gesellschaft Geltung zu verschaffen“165. Mit Blick auf die
Patientenverfügung geht es aber eben nicht darum, allgemeine
Werthaltungen in das Bewusstsein deren zu rufen, die eine
selbstbestimmte individuelle Entscheidung zu treffen gedenken
und diese „Werthaltungen“ als verbindliche Standards zu
definieren. Vielmehr ist das Selbstbestimmungsrecht des
Patienten ein „Wert an sich“, dem Geltung zu verschaffen ist und
seine Grenze lediglich an den Grundrechten anderer findet.
Hier verschweigen die Initiatoren des Freiburger Appells – Cave
Patientenverfügung – (aber auch andere Philosophen und Ethiker)
beredt eine der zentralen Funktionen unsere Grundrechte! Dies
erscheint zunächst auch unproblematisch, sind doch auch die
Herren Student und Klie nicht frei von Ideologien; auch sie tragen
mit ihrem Appell zunächst nur zur Diskussion im historisch
bedeutsamen Wertediskurs bei, wie andere Interessierte auch.
Wir alle sind in unserer ureigenen Sozialisation verhaftet, so dass
unsere Gesellschaft sich naturgemäß mit Blick auf grenzwertige
Fragen durch die wünschenswerte Pluralität von Meinungen
auszeichnen sollte und muss. Gleichwohl sind unsere Statements
gewissermaßen einer Plausibilitätskontrolle unterworfen und nicht
selten stellen wir dann in der Folge fest, dass mit wohlmeinenden
Appellen zugleich auch die Gefahren einer Instrumentalisierung in
besondere Weise verbunden sind. Deshalb muss schon für sich
genommen der Hinweis auf „moralische Werthaltungen“ in unserer
Gesellschaft durch die Statuierung von Recht Argwohn auslösen
und zwar gerade in den Fällen, wo ein individueller
Freiheitsbereich
nur
noch
als
Desiderat
moralischer
Gemeinschaftswerte erscheint. Hier wird verkannt, dass die
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165
So Student und Klie in Cave – Patientenverfügung, aaO. Hier verkennen die
Autoren insbesondere den Sinn und Zweck von Grundrechten, die in erster Linie
als individuelle Freiheitsrechte Geltung beanspruchen und insofern gerade der
„herrschenden Moral“ auch in Gestalt wohlmeinender, aber gleichwohl
freiheitsbeschränkender Gesetze die Grenzen setzen können. Gesetztes „Recht“
als Ausdruck „herrschender Moral“ ist nicht stets ein Garant dafür, dass dieses
Recht verfassungskonform ist.
193
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
individuelle Freiheit zur patientenautonomen Entscheidung ein
„Wert per se“ ist und unserer Gesellschafts- und damit der
Rechtsordnung als „Werthaltung“ vorgegeben ist. Mögliche
Begrenzungen dieser so verstandenen Freiheit zur autonomen
Selbstbestimmung bedürfen also eines konkurrierenden „Wertes“
auf gleicher Höhe, so dass bei entsprechenden Konflikten eine
angemessene (Güter)Abwägung166 stattfinden kann. Nicht
ausreichend dürfte dabei die Visionen von einem befürchteten
Last-Diskurs sein, denn die zu gewährende Freiheit
privatautonomer Selbstbestimmung bedarf keiner „präventiven
Restriktion“, ohne dass sich derartige Konflikte realisiert haben
und noch weniger ist der Patient moralisch verpflichtet, sein „Leid“
anzunehmen und ggf. zu tragen, wobei es ihm aber auch
unbenommen bleibt, sich dafür zu entscheiden, anderen „nicht zur
Last fallen zu wollen“.
Maßgeblich ist nur die Innenperspektive des Patienten bei seinem
Ringen um eine selbstbestimmte Entscheidung, die frei von
moralischen, ethischen und gesamtgesellschaftlichen „Zwängen“
und wohlmeinenden Perspektiven sein muss, so dass eben die
säkularisierte Gesellschaft verpflichtet ist, ein verfassungsrechtlich
gebotenes Alternativverhalten und die darauf gründende
selbstbestimmte Entscheidung als Option zu gewährleisten und zu
garantieren. Ein „moralischer Druck“, „nicht zur Last fallen zu
dürfen“ ist für den selbstbestimmenden Patienten ebenso
unbeachtlich wie dass Ansinnen mancher Bereichsethiker, er
möge doch die Angebote einer palliativmedizinischen Therapie
annehmen; dies gilt zumindest in den Fällen, in denen gleichsam
mit der ohne Frage überaus sinnvollen palliativmedizinischen
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166
Das sog. Prinzip der praktischen Konkordanz weist hier den richtigen Weg, so
dass mögliche Präferenzentscheidungen stets sich an der Bedeutung der
einzelnen, miteinander konfligierenden Grundrechte zu orientieren haben. So
führt das Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht zur Fremdbestimmung der
Ärzteschaft und die Grundrechte müssen jeweils in ihrem Kern beachtet werden,
so dass sowohl der patientenautonomen Entscheidung des Patienten als auch
der möglichen (individuellen!) Gewissenentscheidung der Ärzte und der
Pflegenden hinreichend Rechnung getragen werden kann.
194
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Betreuung mehr oder minder schleichend ein Inpflichtnahme des
Patienten verbunden wird, wonach dieser auf seine egozentrische
individuelle Sichtweise (einstweilen) zu verzichten hat, trägt er
doch mit diesem Verzicht auf eine selbstbestimmte Entscheidung
letztlich
zur
Weiterentwicklung
und
Verbreitung
der
Palliativmedizin (oder des Hospizgedankens) bei. Besonders
deutlich wird dieser Ansatz bei U. Fahr, auch wenn er betont, auf
das Hauptproblem der schweren, unerträglichen Schmerzen nicht
näher eingegangen zu sein:
„Es kann sein, dass Personen gibt, deren Leben geglückt ist, die
auch Sterben können, und die jetzt Sterben wollen, weil sie unter
unerträglichem Schmerz leiden. Ich meine aber, dass sie auf die
Wahrnehmung dieser Möglichkeit verzichten können, unter der
Voraussetzung, dass alles getan wird, um bessere
Schmerzmedikamente zu entwickeln, als es sie bisher gibt. Sie
wissen, dass ohne ihr Leiden der Druck in Richtung einer
besseren Schmerzmedizin geschmälert würde. Schwere
Schmerzen sind kein Grund zu töten, sondern ein guter Grund
dafür, schnellstmöglich bessere Schmerzmedikamente zu
entwickeln“167.
Dieses abschließenden Votum von Fahr in seinem Beitrag zur
Kritik an der aktiven Sterbehilfe überzeugt allerdings nicht, denn
hier wird verkannt, dass der Patient sich nicht in den Dienst der
Forschung u.a. von Pharmaunternehmen zu stellen hat und noch
weniger hat sich der an unerträglichen Schmerzen leidende
Patient der Erkenntnis zu öffnen, dass „ohne sein Leiden“ kein
hinreichender Druck auf die Forschung aufgebaut werden könne.
Gelegentlich wird mit Blick auf die aktive Sterbehilfe darauf
hingewiesen, dass „professionalisierte Hilfe zur Selbsttötung das
sei, was man ein unmoralisches Angebot nennt“168. Ob diese
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167
So Fahr in seinem Beitrag, Zur Kritik der aktiven Sterbehilfe, aaO.
„Einen Freitod zu begleiten, wie Dignitas das anbietet, lehne ich aus
moralischen Gründen ab. Nichts zu tun ist unmoralisch!“ Das heiße zwar nicht,
dass Leben um jeden Preis verlängert werden müssten. Eines aber sei klar:
„Professionalisierte Hilfe zur Selbsttötung ist das, was man ein unmoralisches
168
195
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Einschätzung zutreffend ist, kann nur ein jeder für sich selbst
beantworten. Die Ärzte, die bereit wären, einen Suizid zu begleiten
– und derer dürfte es Umfragen zufolge mehrere geben –
unterbreiten dem Patienten nach diesseitiger Auffassung kein
„unmoralisches“ Angebot, sondern entsprechen lediglich dem
selbstbestimmten Sterbewunsch des Patienten nach einer
entsprechenden Hilfe zum Sterben, ohne hierbei offensichtlich mit
ihrer ureigenen Gewissensentscheidung in Konflikt zu geraten.
In diesem Sinne erscheint es durchaus entbehrlich, den
(fragwürdigen) moralischen Zeigefinger zu erheben, wenn es Ärzte
mit ihrem Gewissen und entgegen einer vielleicht dem
ehrwürdigen Geist des Hippokrates widerstrebenden moralischen
und ethischen Grundhaltung vereinbaren können, in Grenzfällen
aktive Sterbehilfe zu leisten. Mag auch die ethische Grundhaltung
eines Herrn Salm (und freilich die der anderen Damen und Herren)
ehrenwert und akzeptabel sein, so bleibt doch sein Bekenntnis im
Ergebnis eine Stimme unter vielen, die im Wertediskurs gehört
werden möchte – freilich aber in dem Bewusstsein, dass dieses
Bekenntnis Ausdruck seiner momentanen selbstbestimmten
Entscheidung zu einem aktuellen Problem ist und uns seine
individuelle Gewissensentscheidung in Teilen offenbart. Mehr
dürfen wir, die wir uns am Diskurs beteiligen, auch nicht erwarten,
denn: derart moralisierende und mahnende Betrachtungsweisen
fordern nicht selten zur nachhaltigen Skepsis auf, auch wenn sich
die moralisierenden Norminterpreten hierbei auf historisch
überlieferte und ohne Frage bedeutsame Worte großer
Philosophen berufen können. Indes gilt aber: weder Hippokrates,
Kant noch Habermas oder der ehrwürdige Sokrates lösen den
individuellen Konflikt bei der zentralen Frage am Ende eines
verlöschenden Lebens und es ist wenig hilfreich, wenn etwa
darauf verwiesen wird, dass es „kein Leben gibt, dass nicht leidfrei
ist“.
© 2007
Angebot nennt“, so S. Salm in der Sendung von Sabine Christiansen am
11.03.07
196
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
„Das Gleichnis(von Sokrates: der Verf.) lehrt, dass nur die
Erfahrung des Leides es uns erlaubt, die Freude des Lebens in
anderen Augenblicken als Abwesenheit von Leid zu erleben. Auf
eine Kurzformel gebracht heißt das, nur wer gefesselt war, weiß,
was Freiheit ist. Dabei geht es nicht nur um das Leiden, es geht
auch darum, Grenzen wahrzunehmen und anzunehmen“169
Mit Verlaub – wer die Freiheit kosten will, muss nicht das Leid
annehmen und ertragen; es geht auch nicht darum, die Grenzen
wahr- und gleichsam anzunehmen, sondern vielmehr darum, dass
der Patient seinen Willen mit Blick auf seinen Tod (!) – seinem
Abschied aus dem Leben – artikulieren kann und dass dieser Wille
entsprechend beachtet wird.
Sofern Pleschberger das hohe Gut der Freiheit (auch) über das
Leiden zu erschließen gedenkt, bleibt ihr ein solches Verständnis
freilich unbenommen, wenngleich sie sich der Gefahr aussetzt, mit
ihrer Lesart den Begriff der Würde ebenfalls ideologisch zu
besetzen. Ein Umstand, den sie mit Blick auf die Religion meint,
kritisieren zu müssen.
Weder der Religion noch der berufsständischen Pflege- und
Arztethik kommt allerdings die Befugnis zu, allein die
Definitionsherrschaft über den ideologiefreien Begriff von der
Würde des Menschen für sich reklamieren zu können, aus dem
dann gleichsam eine „Leid-Konzeption“ folgt, die für alle
verbindlich sei170. Vielmehr bleibt es dem einzelnen
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169
So Pleschberger, „Bloß nicht zur Last fallen“ - Leben und Sterben in
Würde aus der Sicht alter Menschen in Pflegeheimen, Dissertation v. Sabine
Pleschberger, vorgelegt im Dezember 2004
170
In diesem Zusammenhang stehend dürfte es aufschlussreich sein, wenn die
Autorin Pleschberger zugleich darauf verweist, dass der „Kaiserschnitt nach
Wunsch“ zu beklagen sei (Pleschberger, aaO., S. 182). Auch wenn das Buch der
Bücher davon ausgeht, dass die „Frau unter Schmerzen gebären solle“, bleibt
dies in Ansehnung an die moderne Medizin nur ein frommer Wunsch, den zu
wünschen im Belieben einer jeden werdenden Mutter steht, aber wohl nicht zum
moralischen Gebot erhoben werden dürfte.
197
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Grundrechtsträger unbenommen, ein diesbezügliches „Wahlrecht“
auszuüben, dass wiederum selbst Ausdruck seines individuellen
Selbstbestimmungsrechts ist: sofern also der Patient sich dazu
entschließt, dass „Leid“ – aus welchen Motiven und
Grundüberzeugungen auch immer – anzunehmen und zu
ertragen, werden wir dies selbstverständlich zu akzeptieren haben.
Das hier neben dem Selbstbestimmungsrecht ggf. noch zusätzlich
die
Glauben-,
Gewissensund
Religionsfreiheit
die
patientenautonome Entscheidung stützen und rechtfertigen, ist
eine von der Verfassung vorgesehene Folge, zumal mit Blick auf
das Leben und Sterben in der Regel mehrere Grundrechte
betroffen sind resp. sein können.
Das Sterben ist und bleibt ideologiefrei und nach der Verfassung
kommt dem Gesetzgeber die zentrale Aufgabe zu, in dem
Wertediskurs das Selbstbestimmungsrecht der Patienten
gegenüber
der
Inpflichtnahme
durch
intraprofessionelle
Bereichethiken, aber auch religiöse Grund- und Werthaltungen, als
verfassungsfest zu schützen. Es geht auch nicht um einen - mehr
zweifelhaften denn redlichen - „Kampf“ um die Leitprofession beim
„Sterben“! Sowohl die Ärzteschaft, die Pflegenden als auch die
geistlichen Würdenträger und im übrigen die Humanisten haben zu
akzeptieren, dass die Verfassungsinterpretation aus guten
Gründen nicht (!) mit der Philosophie und noch weniger mit einer
Partei-, Verband- oder Vereinspolitik gleichzusetzen ist, mag auch
der „Wunsch“ nach einer allgemeinen Leitkultur und nach der
Dominanz für eine Profession beim „professionellen Sterben“
noch so groß sein. Die Dominanz einer Profession oder einer
bereichsspezifischen Ethik und damit die Geistes- und
Werthaltung einer gesellschaftlichen Gruppe folgt auch nicht aus
der Tatsache, dass ggf. die Stiftung Warentest das beachtliche
Angebot der vorformulierten Patientenverfügungen einer Prüfung
unterzieht und einzelne Angebote hierbei besonders „gut“
abschneiden. All diese Angebote, ob moralisch genehm oder als
„unmoralisch“ zu verwerfen, sind lediglich in einem beschränkten
Umfange Orientierungshilfen für den Patienten, der sich zum
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198
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Abfassen einer Patientenverfügung durchringt, wobei ihm die
zentrale Entscheidung des Ob (!) keiner abzunehmen vermag171.
Gleich, welche „Leitprofession“ sich mit ihrer bereichsspezifischen
Ethik im Diskurs durchzusetzen vermag – jede dieser
Leitprofessionen wird sich an der selbstbestimmten Entscheidung
des Patienten zu orientieren haben, die ihrerseits nicht zur
Fremdbestimmung eben der Ärzte oder der Pflege führen darf.
Zitate von großen Philosophen können allenfalls zur Orientierung
im historisch bedeutsamen Diskurs dienen, uns aber nicht die
höchst individuelle und selbstbestimmte Entscheidung abnehmen.
Man/frau muss nicht Kant, Sokrates oder die Richtlinien der BÄK
zur Sterbebegleitung oder dergleichen gelesen haben, um seine
Entscheidung treffen zu können.
Mit der Selbstbestimmung ist freilich auch ein hohes Maß an
Selbstverantwortung untrennbar verbunden und insofern „verfügt“
der Patient durchaus „testamentarisch“ über sein Schicksal – ein
„Testament“, welches wir zu akzeptieren haben und nicht einer
„ethischen Anfechtung“ der Bereichsethiker zugänglich ist.
„Höhere sittliche “ und vor allem in der Gesellschaft konsentierte
Werte mögen vielleicht zur „Sittenwidrigkeit“ eines Vertrages
führen, nicht aber zur Nichtigkeit einer patientenautonomen
Verfügung, die den nachhaltigen Willen des Patienten
dokumentiert172.
Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die höchst spannende
Debatte über den mutmaßlichen Willen und, sofern dieser nicht
feststellbar sein sollte, die „allgemeinen Wertvorstellungen“ in
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171
Nicht ausgeschlossen sein dürften allerdings Instrumentalisierungsversuche,
die nicht zwangsläufig zum Scheitern verurteilt sind.
172
Nur in Parenthese sei an dieser Stelle angemerkt und gleichsam in Erinnerung
gerufen, dass nicht selten wenige Jahre später sich das „Anstandsgefühl aller
billig und gerecht Denkenden“ und damit die herrschende Sozialethik durchaus
ändern kann, wie die – bereits schon zum seinerzeitigen Zeitpunkt – unselige und
„pseudoethische“ Debatte um das Peepshow-Urteil des BVerwG hinreichend
dokumentiert haben dürfte.
199
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
unserer Gesellschaft. Der scheinbare Widerspruch „in dubio pro
vita“ und „pro libertate“ begegnet sich am Horizont fundamentaler
Werte gleichsam auf Augenhöhe und löst sich in Wohlgefallen auf:
derjenige, der von seiner Freiheit nicht Gebrauch machen möchte,
will oder kann, entschließt sich „stillschweigend“ zugleich auch für
sein Leben (!) und im Zweifel der kurativen und ihr nachfolgend
der palliativen medizinischen Therapie und Betreuung. Freiheit
und damit das Selbstbestimmungsrecht will im status activus
gelebt werden, so dass die negative Freiheitsausübung stets aus
der Perspektive des Grundrechtsträgers mitbedacht werden sollte.
Dies bleibt freilich nicht ohne Konsequenzen für den Gesetzgeber,
der im Rahmen seiner Regelungskompetenz den notwendigen
verfassungsrechtlich gebotenen Freiraum dafür schaffen muss,
dass
sowohl
die
positive
als
auch
die
negative
Freiheitskomponente ihre Berücksichtigung findet, ohne sich von
einem der grundlegenden Werte – namentlich Freiheit,
Selbstbestimmung, Leben und Gesundheit – verabschieden zu
müssen. Der „sterbewillige“ Grundrechtsträger kann selbst die
Regie mit Blick für seinen Tod führen, so wie es ihm anheim
gestellt bleibt, sich dem Prozess der Rechts- und Güterabwegung
nach dem geltenden Verfassungsrecht und der aktuellen
Verfassungswirklichkeit entweder zu „unterwerfen“ oder durch
positive und hinreichend konkretisierte Willensäußerung zu
„entziehen“.
Dass er hierbei Gefahr läuft, dem „allgemeinen moralischen und
ethischen Wertekonsens“ unterworfen zu werden, belegt im
Zweifel die Rechtsprechung des BGH und es liegt an ihm,
Vorsorge zu treffen. Das hierbei „moralische und ethische Werte“
zu pervertieren drohen, steht nicht zu befürchten an, auch wenn
dies ein nicht hinwegzudiskutierender Makel der unrühmlichen
deutschen Vergangenheit ist. Die Kategorie „unwertes Leben“ war
und ist kein (!!) Wert und sie wird es auch künftig nicht werden,
wohl aber das Recht und die Freiheit des Einzelnen, für sich sein
(!) Leben individuell als „lebenswert“ zu qualifizieren. Er steht dann
vor der durchaus schwierigen Entscheidung, seinen Lebensplan
und seine Grenzen hierzu zu markieren, die zu markieren einzig
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200
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
seine individuelle Entscheidung ist. Die „Würde“ des unmittelbar
betroffenen
Patienten
und
das
ihm
zustehende
Selbstbestimmungsrecht unterliegt keinen (!) gesellschaftlichen
resp. moralischen Grundrechtsschranken, aufgrund derer eine
Inpflichtnahme für einen vermeintlichen „guten und gerechten Tod“
(und im Zweifel der Gesellschaft dienlichen Tod) begründet
werden könnte. Ein Staat, der dies zu einem allgemeinen,
moralisch verbindlich vorgeschriebenen Gesetz erheben würde,
enttarnt sich als ein Staat, der eben nicht die ureigene
Lebensphilosophie des Individuums achtet und Erinnerungen an
das gewaltige Unrecht in der Geschichte schlechthin wach werden
lässt. So wie der psychisch und physisch kranke und scheinbar
dem Tode geweihten und nahestehende (Alters-)Patient keine
„Ballastexistenz“ ist, so wenig darf ihm gegenüber der Vorwurf
einer „egozentrischen individualethischen Grundhaltung“ erhoben
werden, nur weil er seinen konkreten Willen im Rahmen seiner (!)
medizinischen Behandlung umgesetzt und gewahrt wissen
möchte. Ethische Maßgaben für die Individualethik offenbaren sich
nicht selten als eine (fragwürdige) Tugendethik, um so eindringlich
auf das Individuum erzieherisch einwirken zu können,
vermögedessen der Patient das trügerische Gefühl vermittelt
bekommt, sich „sozialethisch“ konform und angemessen zu
verhalten. Hier könnte dann freilich in der Tat von einem „LastDiskurs“ gesprochen werden, dergestalt, als dass der Patient mit
seinem gefassten individuellen Willen mit der „Last“ einer
sozialethischen Inpflichtnahme und damit vermeintlich „höheren
sittlichen Werten“ konfrontiert wird, unter der es kein Entrinnen
mehr gibt. In dem hier gemeinten Sinne kommt dann dem neuen
medizinethischen Paternalismus eine höchst kritisch zu
bewertende Qualität zu: er enttarnt sich bei genauerer
Betrachtungsweise als eine Ideologie, die über den Weg der
Sozialethik Eingang in den konkret individuell zu fassenden Willen
des Patienten finden soll und von daher ist die These des
Soziologen Feldmann durchaus zutreffend, wonach es wohl um
die Instrumentalisierung des Todes und der hierzu geführten
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201
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Debatte geht173. Die Folge ist ein „gesellschaftlich akzeptiertes,
weil ethisch vorbereitetes und damit konsentiertes Sterben“, so
dass jedes von dieser ethischen Norm abweichendes individuelles
Sterben als „moralisch verwerflich“ stigmatisiert werden muss und
nur in Parenthese sei angemerkt, dass es dann freilich Sinn macht
und überaus konsequent ist, alternative und die den
Individualwillen des Patienten hervorhebende Konzepte als
„unmoralische Angebote“ zu diskreditieren.
Die Aufgabe des Verfassungsrechts wird allerdings zuvörderst
darin
zu
erblicken
sein,
dem
Grundrechtsträger
Handlungsoptionen zur Verfügung zu stellen, die ihm auf
unterverfassungsrechtlicher Ebene in Gestalt eines einfachen
Gesetzes oder ggf. ergänzender und abändernder Rechtsnormen
die Möglichkeit einräumen, seine selbstbestimmte Entscheidung
zu treffen, die dann auch in der Folge – auch in Form seines
antizipierten Willens – strikt zu beachten ist. Unsere Gesellschaft
und vor allem die säkularisierte Wertegemeinschaft mit ihrer
gesamten Pluralität wird es aushalten müssen, dass das Sterben
höchst persönlicher Natur ist und dass offensichtlich eine nicht
unbeträchtliche Zahl von Bürgerinnen und Bürgern u.a. auch die
aktive Sterbehilfe in aussichtslosen, weil u.a. mit unsäglichén
Schmerzen verbundenen Situationen befürwortet. Indes bleibt
aber zu fragen: kommt es eigentlich hierauf an? Nach diesseitigem
Verständnis eher nicht, denn ob 30, 40 oder vielleicht 70% der
Befragten eine positive Einstellung zur aktiven Sterbehilfe haben,
ist nicht entscheidend, sondern vielmehr die Tatsache, dass immer
eine Minderheit das Gegenteil befürwortet oder sich einen
vermittelnden Weg – etwa durch die Angebote der Palliativmedizin
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173
Insofern erinnert die ethische Zwangsbeglückung zugleich an die „reiche
Erbtante“, die im Wachkoma liegend ggf. im Interesse eines zu erwartenden
Erbes schneller als gewünscht aus dem „Leben“ zu scheiden hat. Sowohl die
Intention der potentiellen Erben, aber eben auch die Intoleranz mancher Ethiker
sind gleichermaßen bedenklich und inakzeptabel – anders ausgedrückt:
moralisch verwerflich, um sich dieser Kategorie hier ganz ausnahmsweise mal
bedienen zu dürfen.
202
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
– zu entscheiden gedenkt. Das Verfassungsrecht und hier näher
das individuelle Selbstbestimmungsrecht liefert die Maßgaben für
den Gesetzgeber dergestalt, als dass dieser im Rahmen seiner
grundrechtlichen Schutzverpflichtung gehalten ist, allen (!)
Optionen Rechnung zu tragen.
Am Schluss dieses Beitrages möchte ich selbst die Frage an mich
richten, ob auch ich mit einem „Sendungsbewusstsein“
ausgestattet bin. Die Antwort fällt eher selbstkritisch aus und muss
bejaht werden: in einem höchst spannenden Wertediskurs plädiere
ich für das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, dass nicht zur
Fremdbestimmung anderer Grundrechtsträger führen darf.
Schlagen wir nicht die „Würde des Menschen“ zur „kleinen
Münze“, in dem wir uns auf die Suche nach einem „höheren
sittlichen Wert“ begeben und hierbei ggf. unseren Blick dafür
trüben, dass der autonome Patient zum „Objekt“ einer beliebigen
Bereichs- oder allgemeinverbindlichen Gattungsethik wird. Uns
allen bleib es freigestellt, sich an der Diskussion zu beteiligen –
aber stets in dem Bewusstsein, dass unsere Innen- und
Außenansichten über das individuelle Sterben nicht notwendig
Eingang in die Verfassung finden werden, noch dass diese die
Verfassungswirklichkeit nachhaltig und zielführend präjudizieren,
in dem (scheinbar neue) „höhere sittliche Werte“ reaktiviert
werden. Es ist eine individual(grund)rechtliche Betrachtungsweise
anbefohlen, die nicht im Rekurs auf einen höchst fragwürdigen
Appell an die sozialethischen „Pflichten“ (?) der Bürgerinnen und
Bürger obsolet geführt werden sollte. Es gibt keine Pflicht zum
Leben und ein hierauf gerichteter ethischer Zwang ist mehr als
„unethisch“, wird doch das Individuum um eines seiner zentralen
Freiheitsrechte,
namentlich
das
Selbstbestimmungsrecht,
schleichend „beraubt“ und dies wären nach diesseitiger
Überzeugung keine guten Aussichten für den nach Freiheit und
Selbstbestimmung
strebenden
Bürger
im
säkularen
Verfassungsstaat. Ein solches gilt sowohl für staatliche
Grundrechtsgefährdungen,
aber
auch
für
aktuelle
Bedrohungslagen, die aus einer paternalistischen ethischen
Werthaltung von Bereichsethikern folgen, die nach allgemeiner
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In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Beachtung und Verbindlichkeit streben. „Nicht dein, sondern mein
Wille“ ist und bleibt entscheidend und dies gilt freilich auch für
meinen (und nicht deinen!) „mutmaßlichen Willen“, den zu
erschließen (und nicht zu interpretieren) im Zweifel die Ärzte,
Verwandte oder andere nahe stehenden Personen berufen sind.
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In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Beistand für Sterbende – ist § 16 MBO-Ä noch zeit- und
verfassungsgemäss?
„Ärztinnen und Ärzte dürfen - unter Vorrang des Willens der
Patientin oder des Patienten - auf lebensverlängernde
Maßnahmen nur verzichten und sich auf die Linderung der
Beschwerden beschränken, wenn ein Hinausschieben des
unvermeidbaren Todes für die sterbende Person lediglich eine
unzumutbare Verlängerung des Leidens bedeuten würde.
Ärztinnen und Ärzte dürfen das Leben der oder des Sterbenden
nicht aktiv verkürzen. Sie dürfen weder ihr eigenes noch das
Interesse Dritter über das Wohl der Patientin oder des Patienten
stellen.“, so die derzeit aktuelle Fassung des § 16 MBO-Ä.
Nehmen wir das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ernst und
mündet dieses unmittelbar in die Frage, ob dem Patienten das
Recht zu konzedieren ist, ggf. auch einen Wunsch nach einem
ärztlich begleiteten Suizid äußern zu dürfen, dann wäre ohne
Frage § 16 MBO-Ä Satz 1 abzuändern. Das kategorische Verbot,
wonach Ärztinnen und Ärzte das Leben der oder des Sterbenden
nicht „aktiv“ verkürzen dürfen, spiegelt zwar derzeit die (noch)
geltende Rechtslage und zugegebenermaßen auch das
standesethische Kastendenken der ärztlichen Berufskammern
wider, ohne hierbei jedoch zu überzeugen, mal ganz abgesehen
davon, dass § 16 MBO-Ä den Verzicht auf lebensverlängernde
Maßnahmen nur dann gestattet, wenn ein Hinausschieben des
„unvermeidbaren Todes“ für die sterbende Person lediglich eine
unzumutbare Verlängerung des Leidens bedeuten würde. Letztere
Alternative entspricht jedenfalls nach der Rechtsprechung des 3.
Strafsenats beim BGH nicht der aktuellen Rechtslage, da bereits
mit der sog. Kemptener Entscheidung (1994) die Beendigung der
künstlichen Ernährung auch außerhalb der Sterbephase als
zulässige Form der passiven Sterbehilfe einordnet werden kann.
Das hier der 12. Zivilsenat beim BGH mit seinen beiden
Entscheidungen aus dem Jahr 2003 und 2005 nachhaltig zur
Irritation geführt hat, verdeutlicht lediglich nur, dass hier der
© 2007
205
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Gesetzgeber zwingend gefordert ist, eine gesetzliche Regelung
endlich auf den Weg zu bringen. Dies gilt um so mehr, als dass
dem BGH allenfalls nur eine „Notkompetenz“ zuzubilligen ist, da
insoweit der Gesetzgeber bis dato seinen grundrechtlichen
Schutzpflichten nicht nachgekommen ist. Die Zählebigkeit der
zurückliegenden Debatte lässt nun allerdings vermuten, dass es
sinnvoll erscheint, auch offensiv die Fragen nach einer „aktiven“
Sterbehilfe im Sinne eines ärztlich begleiteten Suizids in eng zu
begrenzenden Fällen zu diskutieren, damit ggf. eine adäquate
Regelung Eingang in die entsprechenden Rechtsvorschriften
finden kann. Einschlägige Rechtsprechung hat hier den Weg
bereits geebnet, ohne dass damit eine Lockerung des Verbots auf
„Tötung auf Verlangen“ verbunden wäre. Gleichwohl ist mit Verrel
davon auszugehen, dass „es endlich Schluss damit sein (muss),
dass diejenigen, die sich für eine eng begrenzte Straffreistellung
aktiver Sterbehilfe aussprechen, mit dem Euthanasieprogramm
der Nationalsozialisten in Verbindung gebracht werden."
(Quelle: Humanistische Union >>> Die Freiheit zu sterben
Selbstbestimmung durch Sterbehilfe und Patientenverfügungen >>>
http://www.humanistische-union.de/themen/bioethik/tagung/strafrecht/
).
Zwar wollen wir hier nicht verschweigen, dass T. Verrel seinen
Beitrag nicht zur Legalisierung der aktiven Sterbehilfe verstanden
wissen möchte, wenngleich es insgesamt darauf ankommen
dürfte, einen neu aufkommenden medizinethischen Paternalismus
dringend Einhalt zu gebieten. „Aktive“ Sterbehilfe im Sinne eines
ärztlich begleiteten Suizids ist nicht nur wünschenswert, sondern
ggf.
auch
dem
Willen
des
Patienten
entsprechend
verfassungsrechtlich geboten, wenn und soweit etwa die
therapeutische Option unweigerlich den Todeseintritt nicht nur
beschleunigt, sondern vor allem auch ermöglicht. Darf also die
Ärztin oder der Arzt eine entsprechende Medikation veranlassen,
die unweigerlich zum Tode des Patienten führt, ohne dass bereits
die Sterbephase eingesetzt hat? Ohne Frage wird hier der Arzt
„aktiv“ tätig – Definitionsfragen über die Bedeutung des „Aktiven“
im Sprachgebrauch helfen hier nicht wirklich weiter, sondern
© 2007
206
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
tragen im Ergebnis nur zur Verwirrung bei. Es ist vielmehr
erforderlich, den ärztlich begleiteten Suizid nicht mehr länger zu
stigmatisieren und dieser ist nicht nur ethisch zu tolerieren,
sondern in erster Linie verfassungsrechtlich als individuelle Option
aus der Sicht des Patienten geboten. Und diesbezüglich wird dann
die „Spreu vom Weizen“ zu trennen sein: ärztliches Standes- und
Berufsrecht, dass einen ärztlich begleitenden Suizids mit „aktivem
Tun“ verbietet, kollidiert nicht nur mit dem Verfassungsrecht,
sondern
zuvörderst
auch
mit
dem
Grundrecht
auf
Gewissensfreiheit der Ärzteschaft. Nach § 2 Allgemeine ärztliche
Berufspflichten (MBO-Ä) üben Ärztinnen und Ärzte ihren Beruf
nach ihrem Gewissen, den Geboten der ärztlichen Ethik und der
Menschlichkeit aus. Hierbei dürfte außer Frage stehen, dass die
Gebote der ärztlichen Ethik nicht dazu führen können, dass die
ureigene Gewissensentscheidung der Ärztin oder des Arztes
obsolet geführt wird. Die Gebote der ärztlichen Ethik – nicht selten
phantasievoll durch Berufsethiker im Rekurs auf den historischen
Willen des Hippokrates und anderen Vordenkern in unserer
Gegenwart entfaltet – sind keine Grundrechtsschranken, die den
Arzt davon abhalten können, eine andere individuelle
Gewissensentscheidung nach Art. 4 GG zu treffen. Sofern also die
Gebote der ärztlichen Ethik, zu deren strikten Befolgung die
Ärzteschaft
schein
verpflichtet
sind,
mit
der
Gewissensentscheidung des Einzelnen konfligieren, gebührt
letztere der Vorrang, sofern diese nicht gegen Recht und Gesetz
verstößt. In diesem Sinne macht auch die Palliativmedizin die
Debatte um den ärztlich begleiteten Suizid keineswegs überflüssig,
wie erst kürzlich Bettina Schöne-Seifert wieder betonte
© 2007
(Quelle: Stern – 08.12.07 >>> http://www.stern.de/politik/panorama/:Pro-+Kontra-Sollen-%C4rzte-Sterbehilfe-/604738.html?p=2&nv=ct_cb ).
Es gibt Grenzbereiche zwischen Leben und Tod und diese zu
identifizieren ist die höchstpersönliche Entscheidung des
Patienten, so dass dieser sich nicht mit seinem individuellen Leid
ethisch oder moralisch für einen bewussten Abschied aus dem
Leben und für einen schnellen Tod zu rechtfertigen hat. Der
207
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
ärztlich begleitete Suizid in solchen Lebenslagen könnte daher ein
humaner Gewinn aus der wohlverstandenen Patientenperspektive
sein, ohne dass die Ärzte und Ärztinnen in der einen oder anderen
Richtung fremdbestimmt werden. Weder die patientenautonome
Entscheidung noch die standesethischen Proklamationen führen
zur Fremdbestimmung der Ärzteschaft so wie der Patient seinen
Todeszeitpunkt in bestimmten Fällen auch ohne „höhere sittliche
Werte“ markieren kann. Wir bedürfen nicht eines wohlmeinenden
Paternalismus, sondern vielmehr um einen Schutz gerade vor den
Folgen eines derart verstandenen Sendungsbewusstseins der
Ethiker, die da meinen, dass das „gelungene“ Sterben nur dann
gelungen sei, wenn es auf der Basis einer konsentierten
Sozialethik
vollzogen
wird.
Eine
individualethische
Betrachtungsweise ist vielmehr anbefohlen, denn anderenfalls
droht der „Tod“ instrumentalisiert zu werden, auch mit Blick auf ein
vermeintliches Gelingen guter palliativmedizinischer Betreuung am
Lebensende. Hierbei steht außer Frage, dass die Palliativmedizin
insgesamt
stärker
ins
Bewusstsein
nicht
nur
der
Gesundheitsökonomen zu rücken ist, aber nicht um den Preis,
dass hierdurch die individuellen ethischen Grundentscheidungen
der Patienten, die sich in erster Linie als echte
Grundrechtsausübung erweisen, nur noch in einem restriktiven
Rahmen getroffenen werden können, die den Grundrechtsschutz
verkürzen.
Das
individuelle
Sterben
bedarf
keiner
gesellschaftlichen Akzeptanz und noch weniger eines
„standesrechtlichen
Segens“.
So
eindeutig
der
verfassungsrechtliche Befund auch sein mag, entsteht doch in der
Öffentlichkeit der Eindruck, als seien diejenigen, die den ärztlich
begleiteten ärztlichen Suizid als eine ethische Option werten,
Sendboten einer unheilvollen Sterbekultur. Dem ist mitnichten so,
denn vielmehr ist das Gegenteil anzunehmen: eine „Sterbekultur“
wird sich immer daran messen lassen müssen, ob diese
Freiräume für ein individuelles Sterben ermöglicht. Wenn dies
nicht der Fall ist, wird die zentrale Funktion der Grundrechte mit
ihren primär individualgrundrechtlichen Bezügen geleugnet und die
„Würde“ des Patienten wird zur „kleinen Münze geschlagen“. Der
Patient hat sich nicht in den „Dienst“ einer Palliativmedizin zu
© 2007
208
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
stellen und tunlichst von Patientenverfügungen keinen Gebrauch
zu machen, sondern seine Würde gebietet es, ihm die Regie über
seinen Tod zu überlassen. Sofern er dann hierzu der Hilfe bedarf,
kann er um sie nachsuchen, ohne dass er bereits im Vorfeld als
egozentrisch diskeditiert wird. Sendboten eines neuen medizin-,
aber auch rechtsethischen Paternalismus erweisen sich in der
Konsequenz als wenig tolerant, glauben diese doch, ein
Patentrezept für ein“gelungenes Sterben“ als Abschluss eines
mehr oder weniger sinnstiftenden Lebens gefunden zu haben, so
dass es ferner darauf ankomme, „Lebensqualität“ in den letzten
Stunden, Tagen oder Monaten in Aussicht zu stellen und zu
gewähren. Für manchen Patienten mag die „Lebensqualität“ in
einem „schnellen Tod“ bestehen, so dass die Qualität seines (!)
Sterbens im Mittelpunkt seines Interesses und seiner Wünsche
steht. Warum – so wird zu fragen sein – wollen wir diesen
Patienten in bestimmten Situationen den ärztlich begleiteten Suizid
vorenthalten? Enttabuisierung ist gefordert und nicht, wie zu
befürchten ansteht, eine neue Mystifizierung über das humane
Sterben und den vermeintlich ethischen vertretbaren, weil
gesellschaftlich konsentierten und akzeptierten Tod. Der Patient
muss nicht Schmerzen erfahren, um die Freiheit zu kosten,
sondern er hat durchaus die Freiheit, individuell seinem Leben die
Grenzen zu setzen. Ihm darf die Freiheit und damit die Regie über
sein Sterben nicht deshalb versagt werden, weil etwa im Rahmen
des sog. Last-Diskurses nicht selten die Befürchtung gehegt wird,
dass er im wahrsten Sinne des Wortes Anderen nicht zur Last
fallen möge, denn der Last-Diskurs dient lediglich dazu, einer
Sozialethik das Wort zu reden, in der sich dann die individuellen
Entscheidung des Patienten um der scheinbaren Bedeutung
höhere Ziele und ethischer Werte unterzuordnen hätte. Nicht die
Revitalisierung einer konservativen Wertekultur christlicher
Prägung ist das Gebot der Stunde, sondern eine pragmatische
Individualethik, die eben ein individuelles Sterben im säkularen
Verfassungsstaat erlaubt. Wenn schon die „gezielte Tötung auf
Nichtverlangen“ eine ethisch vertretbare Option sein soll – dies der
Kern in der Debatte um den Abschuss eines Passagierflugzeugs mag jemand erklären, weshalb der ärztlich begleiteten Suizid als
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209
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Ausdruck einer wohlverstandenen Humanität moralisch verwerflich
sein soll? So wie der Fluggast hat sich auch der Patient mit Blick
auf seinen individuellen Tod nicht in den zweifelhaften Dienst einer
Sozialethik zu stellen, zumal die Würde des Menschen
unantastbar ist, es sei denn, der einzelne Grundrechtsträger
disponiert über sein Leben. Die mangelnde Bereitschaft der
Bereichsethiker, einen ärztlich begleiteten Suizid zu akzeptieren,
wiegt um so schwerer, als dass es scheinbar um übergeordnete
und unverrückbare Werte gehe, die der Verfügungsgewalt und –
befugnis des Individuums entzogen seien: die Konsequenz ist
unübersehbar, denn der Patient wird zum Objekt einer
bereichsspezifischen Ethik, die den subjektivrechtlichen Kern
seiner Selbstbestimmtheit leugnet, ja sogar leugnen muss. Dies
deshalb, weil die Bereichsethiker im Begriff sind, moralische Werte
mit einem Grad an Allgemeinverbindlichkeit zu versehen, zumal es
nur dann es möglich ist, das Individuum mit einem strikten
ethischen und moralischen Befehl zu binden. Berufsständische
Kammern leben uns einstweilen vor, wie ein „einheitliches (?)
Gewissen“ etwa der Ärzteschaft produziert werden kann und es
wird die permanente Botschaft ausgegeben, dass die „Ärzteschaft
gegen aktive Sterbehilfe“ sei. Sie ist es wohl nicht und die ständige
Proklamation ethischer Grundwerte dient allenfalls dem Ziel, einen
berufsständischen (aber letztlich nicht legitimierten) Konsens
vorzutäuschen, ohne hier Arglist unterstellen zu wollen. Das dieser
nicht vorhandene Konsens innerhalb der Ärzteschaft allerdings
aus der Sicht der Funktionäre einer Absicherung bedarf, zeigt uns
u.a. der Blick in die ärztliche MBO und die dazu ergangenen
Interpretations- und Entscheidungshilfen. Bedarf der einzelne Arzt
oder die Ärztin einer ethischen Zwangsverpflichtung durch ihre
berufsständischen Kammern, zumal wenn die ethischen
Proklamationen sich im Zweifel nicht mit ihrer individuellen
Gewissensentscheidung decken? Wenn dem so ist, bleibt die
Ärzteschaft
aufgerufen,
sich
den
berühmten
ersten
Facharztbeschluss des Bundesverfassungsgerichts in Erinnerung
zu rufen.
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210
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Sterbehilfe und der ethische Verkündungsauftrag
Bundesärztekammer – der unmündige Arzt?
der
Der BÄK-Präsident Hoppe hat erneut Pläne zu einer gesetzlichen
Regelung zu Patientenverfügung zurückgewiesen. Eine solche
Regelung sei nicht notwendig, sagte er. "Es ist alles klar, es ist nur
nicht jedem alles klar."
Die BÄK bleibt also ihrer Linie treu und nimmt die Debatte um die
Sterbehilfeorganisation Dignitas zum Anlass, zum wiederholten
Male davor zu warnen, den ärztlich begleiteten Suizid im
Strafgesetzbuch als nicht strafbare Maßnahme aufzunehmen. Die
BÄK führe zurzeit Gespräche mit dem Bundesjustizministerium,
den Fraktionen und einzelnen Abgeordneten, berichtete Hoppe.
Quelle: Ärzte Zeitung online (26.11.07)
Kurze Anmerkung (L. Barth):
In der Tat ist „alles klar“, aber der BÄK scheint nicht klar zu sein,
dass aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten folgend ggf.
der ärztlich begleitete Suizid eine verfassungsrechtlich vertretbare
Option aus der Perspektive des Patienten sein kann. Zu fragen ist
also, ob der Gesetzgeber die prinzipielle Möglichkeit hierzu
einräumen will oder ob er dem berufsethischen Votum der BÄK zu
folgen gedenkt. Das dem Gesetzgeber diesbezüglich ein
Ermessensspielraum einzuräumen ist, dürfte evident sein,
wenngleich bei einer strikten individualrechtlichen Sichtweise, die
beim selbstbestimmten Tod zuvörderst zum Tragen kommt, die
Ermessensspielräume durchaus als eng zu bezeichnen sind. Der
Patient bedarf nicht einer ethischen Legitimation zum Sterben und
er
hat
durchaus
das
Recht,
entgegen
mancher
Rechtsauffassungen
zu
den
Voraussetzungen
des
Selbstbestimmungsrecht
auf
„ethisch
qualifizierte
© 2007
211
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Entscheidungswege“ zu verzichten. Sein Abschied aus dem Leben
mag der Patient individualethisch verantworten, ohne dass er
gehalten ist, einer wie auch immer gearteten Sozialethik eines
vermeintlich vertretbaren ethischen Todes zu folgen. Die zentrale
kulturelle Bedeutung des Rechts (auf den selbstbestimmten Tod)
liegt entgegen der Auffassung etwa von Student und Klie gerade in
der Anwendung des Rechts mit Blick auf den Einzelfall, denn
Grundrechte sind und bleiben zuvörderst individuelle Rechte und
der Patient ist nicht aufgefordert, seine individuelle
Patientenverfügung an den moralischen Werten unserer
Gesellschaft auszurichten. Die „herrschende Moral“ der
Gesellschaft wird es aushalten müssen, dass Mitglieder unserer
Gesellschaft sich für andere vertretbare und vor allem
verfassungsrechtlich gebotene Handlungsoptionen entscheiden.
Moralische und ethische Glaubensbekenntnisse mögen legitim
sein, aber es sind eben nur Stimmen unter vielen. Der
demokratisch legitimierte Gesetzgeber wird dies bei seiner
geplanten gesetzlichen Regelung zur Patientenverfügung zu
berücksichtigen haben - eine Regelung, die entgegen der
Auffassung der BÄK und mancher Medizinethiker dringender denn
je ist. Hieran ändert sich auch nichts, wenn die BÄK wohl
demnächst in einem handbaren und jederzeit griffbereiten Format
ein Faltblatt herauszugeben denkt, in dem die Grundsätze der
ärztlichen Sterbebegleitung und die Empfehlungen zum Umgang
mit Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen enthalten
sind. Der Gesetzgeber ist aufgrund seines Schutzauftrages und
des Vorbehalts des Gesetzes dazu verpflichtet, die wesentlichen
Fragen selbst zu regeln. Standesethische Proklamationen
ersetzen eine gebotene Regelung und letztlich die individuelle
Gewissensentscheidung des Arztes oder Ärztin nicht! Dieser
Befund mag für die BÄK unangenehm sein, aber bei der Frage
nach der Sterbehilfe lässt sich keine standesethische
Grundsatzposition verordnen, denen die Ärzteschaft verpflichtet
wäre, zumal der mündige Patient eines „mündigen Arztes und
einer Ärztin“ als Gesprächspartner bedarf, die frei von (ethischer
und
moralisierender)
Fremdbestimmung
sind.
Der
Verkündungsauftrag der BÄK hat also durchaus auch seine
© 2007
212
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Grenzen und diese ergeben sich aus der Verfassung, was nicht
„allen klar zu sein scheint“.
Beiträge zur Sterbehilfedebatte im Deutschen Ärzteblatt Fortführung der Dokumentation ab 01.01.2005
und weitere Beiträge und Links zur Sterbehilfe und
Sterbebegleitung
Das Deutsche Ärzteblatt hatte sich unlängst dazu entschlossen,
die „Grundsätze zur Sterbebegleitung“ aus dem Jahr 1998 und aus
dem Jahr 2004 der BÄK in einem neuen Internetdossier zu
veröffentlichen. Darin sind auch zahlreiche weitere Dokumente wie
die „Handreichungen für Ärzte zum Umgang mit
Patientenverfügungen“ der Bundesärztekammer, Muster für
Patientenverfügungen sowie das niederländische und belgische
Euthanasiegesetz abrufbar.
Außerdem können sämtliche Beiträge zum Thema Sterbehilfe,
aber auch zur Sterbebegleitung und Palliativmedizin
heruntergeladen werden, die seit Heft 39/1998 bis 2004
erschienen sind.
© 2007
Dokumentation Sterbehilfe
» Beiträge aus 1998 (PDF-Datei 72 KB)
» Beiträge aus 1999 (PDF-Datei 92 KB)
» Beiträge aus 2000 (PDF-Datei 178 KB)
» Beiträge aus 2001 (PDF-Datei 202 KB)
» Beiträge aus 2002 (PDF-Datei 129 KB)
» Beiträge aus 2003 (PDF-Datei 189 KB)
» Beiträge aus 2004 (PDF-Datei 129 KB)
213
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Hinweis: In den Jahresdokumentationen sind die einzelnen
Beiträge bereits enthalten!
Quelle: Deutsche Ärzteblatt >>> zum Internetdossier <<<
In Anbetracht der aktuellen Diskussion und der angekündigten
Gesetzesinitiative zum Recht der Patientenverfügung möchten wir
hier auf die weiteren Beiträge im Deutschen Ärzteblatt ab 2005 bis
einschließlich 11. März 2007 hinweisen. Die Beitragssuche wurde
am 11.03.2007 im Archiv unter dem Stichwort „Sterbehilfe“
vorgenommen.
Zu den Beiträgen gelangen Sie über den jeweiligen Link entweder
im HTML oder PDL Format.
Nach der Dokumentation der Einzelbeiträge zur Sterbehilfe Problematik aus dem Deutschen Ärzteblatt finden Sie weitere
Literaturverweise bzw. Querverweise, die von besonderem
Interesse sein könnten. Hierbei handelt es sich überwiegend um
Links zu rechtlichen Beiträgen.
Eine vollständige Dokumentation ist freilich nicht beabsichtigt!
Ihr Lutz Barth – IQB (März 2007)
© 2007
Das Deutsche Ärzteblatt
Beiträge aus 2005
1. Richter-Kuhlmann, Eva A.
Bioethik: Kompromiss ohne große Hürden
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 48 vom
02.12.2005, Seite A-3303 / B-2793 / C-2613
HTML
PDF
214
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
POLITIK
Ethik; Sterbebegleitung; Bundesregierung;
Embryonenforschung; Stammzelltherapie;
Koalitionsvereinbarung
2. Fuchs, Udo
Sterbehilfe: Zeit für Reformen
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 45 vom
11.11.2005, Seite A-3090 / B-2613 / C-2453
BRIEFE
Schweiz; Ethik; Sterbehilfe; Dignitas
HTML
PDF
3. Baum, Matthias
Sterbehilfe: Hilfe bei Suizid
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 45 vom
11.11.2005, Seite A-3090 / B-2613 / C-2453
BRIEFE
Schweiz; Ethik; Sterbehilfe; Dignitas
HTML
PDF
4. Hibbeler, Birgit
Aktive Sterbehilfe: Je nachdem, wie man fragt
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 43 vom
28.10.2005, Seite A-2897 / B-2449 / C-2309
AKTUELL
Sterbehilfe; Umfrage; Emnid-Institut;
Palliativmedizin
HTML
PDF
© 2007
5. Hibbeler, Birgit
Das Porträt: Dr. med. Michael de Ridder – Den
Finger in die Wunden legen
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 43 vom
28.10.2005, Seite A-2912 / B-2464 / C-2319
POLITIK
Rettungsdienst; Arztberuf; Biografie
6. Klinkhammer, Gisela
HTML
215
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Kinderhospiztage: Begleitung für Familien
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 43 vom
28.10.2005, Seite A-2916 / B-2466 / C-2321
POLITIK
Ethik; Sterbebegleitung; Palliativmedizin;
Pädiatrische Erkrankung; Hospiz
PDF
7. KNA
Großbritannien: Liberalisierung der Sterbehilfe
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 42 vom
21.10.2005, Seite A-2825 / B-2389 / C-2253
AKTUELL
Sterbehilfe; Großbritannien; Euthanasie-Gesetz
HTML
PDF
8. Stüwe, Heinz
Jörg-Dietrich Hoppe 65 Jahre: Aufrecht, fair,
gelassen
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 42 vom
21.10.2005, Seite A-2831 / B-2393 / C-2257
POLITIK
Biografie
HTML
PDF
9. Morlock, Ulrich
Sterbehilfe: Erhaltung des Lebens als immer
geltende Regel
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 41 vom
14.10.2005, Seite A-2776 / B-2342 / C-2210
BRIEFE
Therapieabbruch; Ethik; Sterbehilfe; Wachkoma
HTML
PDF
© 2007
10. Gieselmann, Winfrid
Sterbehilfe: Versteckte Botschaft
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 41 vom
14.10.2005, Seite A-2776 / B-2342 / C-2210
BRIEFE
HTML
PDF
216
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Therapieabbruch; Ethik; Sterbehilfe; Wachkoma
11. Engelhardt, Karlheinz
Sterbehilfe: Ethische Verwirrung
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 41 vom
14.10.2005, Seite A-2777
BRIEFE
Therapieabbruch; Ethik; Sterbehilfe; Wachkoma
HTML
PDF
12. Hutzel, Anna
Sterbehilfe: Humaner Mittelweg
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 41 vom
14.10.2005, Seite A-2778
BRIEFE
Therapieabbruch; Ethik; Sterbehilfe; Wachkoma
HTML
PDF
13. Payk, Theo R.
Töten aus Mitleid?
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 41 vom
14.10.2005, Seite A-2781 / B-2346 / C-2214
BÜCHER
Sterbehilfe
HTML
PDF
14. Klinkhammer, Gisela
Sterbehilfe: Reise in die Schweiz
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 40 vom
07.10.2005, Seite A-2661 / B-2249 / C-2125
SEITE EINS
Schweiz; Ethik; Sterbehilfe; Dignitas
HTML
PDF
15. Voss, Leo
Hochschulen: Besser als der deutsche
Medizinerdurchschnitt
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 38 vom
23.09.2005, Seite A-2546 / B-2149 / C-2028
BRIEFE
HTML
PDF
© 2007
217
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Ärztliche Ausbildung; Wissenschaftsrat;
Hochschulmedizin; Universität Witten/Herdecke
16. Richter-Kuhlmann, Eva A.; Klinkhammer, Gisela
Bioethik: Noch nicht ausdiskutiert
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 37 vom
16.09.2005, Seite A-2435 / B-2051 / C-1941
POLITIK
Ethik; Patientenverfügung; Embryonenforschung;
Wahlkampf; Stammzelltherapie; Bundestagswahl
HTML
PDF
17. Wiesemann, Claudia; Biller-Andorno, Nikola
Medizinethik. Für die neue AO
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 37 vom
16.09.2005, Seite A-2467
BÜCHER
Ethik; Approbationsordnung
HTML
PDF
18. Richter-Kuhlmann, Eva A.
Prozess um Sterbebegleitung: Ärztin muss vor
Gericht
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 33 vom
19.08.2005, Seite A-2197 / B-1857 / C-1757
SEITE EINS
Sterbehilfe; Palliativmedizin; Strafverfolgung
HTML
PDF
19. Klinkhammer, Gisela
Euthanasie: Töten ist keine ärztliche Aufgabe
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 33 vom
19.08.2005, Seite A-2212 / B-1869 / C-1769
POLITIK
Ethik; Sterbehilfe; Sterbebegleitung;
Palliativmedizin; Europäischer Vergleich
HTML
PDF
20. Strätling, Meinolfus; Schmucker, Peter; Bartmann,
Franz-Joseph
HTML
PDF
© 2007
218
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Künstliche Ernährung: Gut gemeint ist nicht immer
gut gemacht
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 31-32 vom
08.08.2005, Seite A-2153 / B-1814 / C-1718
THEMEN DER ZEIT
Bundesgesundheitsministerium; Künstliche
Ernährung; Sondenernährung; Indikation;
Selbstbestimmungsrecht
Literatur
21. Beine, Karl H.; Böttger-Kessler, Grit
Brisantes Forschungsprojekt: Sterbehilfe bei
Menschen im Wachkoma?
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 30 vom
29.07.2005, Seite A-2082 / B-1756 / C-1660
THEMEN DER ZEIT
Therapieabbruch; Sterbehilfe; Wachkoma;
Umfrage; Universität Witten/Herdecke
HTML
PDF
22. Richter-Kuhlmann, Eva A.
Palliativmedizin: Geld und Gesetz
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 27 vom
08.07.2005, Seite A-1917 / B-1621 / C-1525
SEITE EINS
Sterbebegleitung; Palliativmedizin; Häusliche
Pflege; Finanzierung; Enquetekommission
HTML
PDF
23. Wiesenberg, Christa; Novelle, S. Maria delle
Buone
Sterbehilfe: Leben und Tod verdienen Würdigung
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 25 vom
24.06.2005, Seite A-1804 / B-1521 / C-1437
BRIEFE
Sterbehilfe; Deutscher Ärztetag
HTML
PDF
24. Schlegel, Ernst
Sterbehilfe: Unsere „Staatsmoral“ ist fragwürdig
HTML
PDF
© 2007
219
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 25 vom
24.06.2005, Seite A-1804 / B-1521 / C-1437
BRIEFE
Sterbehilfe; Deutscher Ärztetag
25. Richter-Kuhlmann, Eva A.
Patientenverfügungen: Vorrang der Autonomie
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 23 vom
10.06.2005, Seite A-1633 / B-1373 / C-1295
POLITIK
Patientenverfügung; Selbstbestimmungsrecht;
Ethikrat; Enquetekommission
HTML
PDF
Zusatzinfo
26. Bennewitz, Klaus
Terri Schiavo: Selbstbestimmung
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 23 vom
10.06.2005, Seite A-1660 / B-1394 / C-1315
BRIEFE
Ethik; Sterbehilfe
HTML
PDF
27. Overdick-Gulden, Maria
Terri Schiavo: Aktive Euthanasie
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 23 vom
10.06.2005, Seite A-1661
BRIEFE
Ethik; Sterbehilfe
HTML
PDF
© 2007
28. Merten, Martina
Der Patient als Partner: Einen Schritt weiter
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 22 vom
03.06.2005, Seite A-1560 / B-1310 / C-1236
POLITIK
Modellprojekt; Bundesgesundheitsministerium;
Arzt-Patienten-Beziehung; Forschungsförderung
HTML
PDF
29. ps
HTML
220
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Belgien: Sterbehilfe bei Neugeborenen
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 19 vom
13.05.2005, Seite A-1321 / B-1109 / C-1049
AKTUELL
Sterbehilfe; Perinatalmedizin; Belgien
PDF
30. Klinkhammer, Gisela
Sterbehilfe: Keine aktive Euthanasie
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 19 vom
13.05.2005, Seite A-1327 / B-1113 / C-1053
POLITIK: Deutscher Ärztetag
Ethik; Patientenverfügung; Sterbehilfe;
Sterbebegleitung; Deutscher Ärztetag
HTML
PDF
31. Hibbeler, Birgit
Lebensqualität: Briefe aus der Hölle
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 18 vom
06.05.2005, Seite A-1299 / B-1090 / C-1032
VARIA: Feuilleton
Lebensqualität; Sterbehilfe; Kinofilm; Biofeedback
HTML
PDF
32. Jachertz, Norbert; Klinkhammer, Gisela; RichterKuhlmann, Eva A.
Betreuungsrecht: Mutmaßlicher Wille,
weitreichende Folgen
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 17 vom
29.04.2005, Seite A-1193 / B-996 / C-940
THEMEN DER ZEIT
Ethik; Patientenverfügung; Sterbebegleitung;
Selbstbestimmungsrecht; Betreuungsrecht
HTML
PDF
33. Hoppe, Jörg-Dietrich
Standpunkt: Sterbehilfe
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 15 vom
15.04.2005, Seite A-1084 / B-912 / C-860
STATUS
HTML
PDF
© 2007
221
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Sterbehilfe; Suizid
34. Klinkhammer, Gisela
Lexikon: Sterbehilfe
PP 4, Ausgabe April 2005, Seite 168
BRIEFE
Ethik; Sterbehilfe
HTML
PDF
35. Roller, Susanne
Sterbehilfe: Missverständlich
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 14 vom
08.04.2005, Seite A-970 / B-818 / C-765
BRIEFE
Sterbehilfe; Sterbebegleitung
HTML
PDF
36. Schubert, Barbara
Sterbebegleitung: Erwiderung!
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 13 vom
01.04.2005, Seite A-899 / B-757 / C-708
BRIEFE
Sterbehilfe; Sterbebegleitung
HTML
PDF
37. Schott, H.
Medizingeschichte(n): Euthanasie –
„Ballastexistenzen“
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 12 vom
25.03.2005, Seite A-833 / B-703 / C-656
MEDIZIN
Nationalsozialismus; Medizingeschichte
HTML
PDF
38. Richter-Kuhlmann, Eva A.
Patientenverfügungen: Zypries’ Rückzug
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 9 vom
04.03.2005, Seite A-550 / B-468 / C-435
POLITIK: Kommentar
Ethik; Patientenverfügung;
HTML
PDF
© 2007
222
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Selbstbestimmungsrecht; Bundesjustizministerium
39. Richter, Joachim
Niederlande: Weltweiter Protest fehlt!
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 9 vom
04.03.2005, Seite A-576 / B-484 / C-452
BRIEFE
Sterbehilfe; Schwangerschaftsabbruch;
Niederlande
HTML
PDF
40. Second International Conference – Clinical Ethics
Consultation
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 9 vom
04.03.2005, Seite A-611 / B-515 / C-483
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER:
Bundesärztekammer
Fortbildungsseminar
HTML
PDF
41. Hölscher, Wolfgang
Sterbebegleitung: Ablehnung der aktiven
Sterbehilfe
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 6 vom
11.02.2005, Seite A-350 / B-288 / C-271
BRIEFE
Sterbehilfe; Sterbebegleitung
HTML
PDF
42. Klinkhammer, Gisela
Niederlande: Sterbehilfe an Säuglingen
PP 4, Ausgabe Februar 2005, Seite 53
NACHRICHTEN
Ethik; Sterbehilfe; Niederlande; EuthanasieGesetz
HTML
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Zusatzinfo
43. Klinkhammer, Gisela
Niederlande: Sterbehilfe an Säuglingen
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 5 vom
HTML
PDF
Zusatzinfo
© 2007
223
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
04.02.2005, Seite A-241 / B-201 / C-189
AKTUELL
Ethik; Sterbehilfe; Niederlande; EuthanasieGesetz
44. Klinkhammer, Gisela
Lexikon: Sterbehilfe
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 5 vom
04.02.2005, Seite A-312 / B-260 / C-244
STATUS
Ethik; Sterbehilfe
HTML
PDF
45. Jachertz, Norbert
Gesundheits- und Sozialpolitik: Redaktion im
Gespräch
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 1-2 vom
10.01.2005, Seite A-16 / B-13 / C-12
POLITIK
Gesundheitsreform; Selbstverwaltung;
Krankenhausarzt; Deutsches Ärzteblatt;
Arbeitsbedingung; Medizinisches
Versorgungszentrum; Integrierte Versorgung;
Ärztlicher Kreisverband Regensburg
HTML
PDF
46. Spielberg, Petra
Sterbehilfe: Heikle Forderungen
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 1-2 vom
10.01.2005, Seite A-28 / B-20 / C-19
POLITIK
Ethik; Sterbehilfe; Europarat; Ständiger
Ausschuss der Europäischen Ärzte;
Selbstbestimmungsrecht
HTML
PDF
47. Thilenius, Dietmut
Marburger Bund: Unärztliches Handeln
Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 1-2 vom
HTML
PDF
© 2007
224
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
10.01.2005, Seite A-38 / B-29 / C-27
BRIEFE
Sterbebegleitung; Marburger Bund;
Selbstbestimmungsrecht
Beiträge aus 2006
1. Klinkhammer, Gisela
Grenzen ärztlichen Handelns am Ende des
Lebens: Sterben ist nicht normierbar
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 48 vom
01.12.2006, Seite A-3219 / B-2803 / C-2686
POLITIK
Symposium; Ethik; Patientenverfügung;
Sterbehilfe; Palliativmedizin; Ärztliches Handeln
HTML
PDF
2. Bickhardt, Jürgen
Juristentag: Wo der Konsens endet
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 48 vom
01.12.2006, Seite A-3248
BRIEFE
Sterbehilfe; Selbstbestimmungsrecht; Deutscher
Juristentag
HTML
PDF
3. Hasler, Ulrich
Nationaler Ethikrat: Vorschläge nicht genug
praxisbezogen
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 44 vom
03.11.2006, Seite A-2933 / B-2554 / C-2456
BRIEFE
Sterbebegleitung; Künstliche Ernährung; Ethikrat
HTML
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4. Arens, Christoph; KNA
Deutscher Juristentag: Patientenverfügungen als
HTML
PDF
© 2007
225
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
verbindlich anerkennen
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 39 vom
29.09.2006, Seite A-2518 / B-2182 / C-2104
POLITIK
Patientenverfügung; Sterbehilfe;
Selbstbestimmungsrecht; Suizid; Deutscher
Juristentag
5. In Kürze
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 37 vom
15.09.2006, Seite A-2379 / B-2063 / C-1984
MEDIEN
HTML
PDF
6. Preuß, Kay
Medizinische Indikation und Patientenwille:
Zwischen den Stühlen
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 33 vom
18.08.2006, Seite A-2161 / B-1865 / C-1803
THEMEN DER ZEIT
Stationäre Versorgung; Patientenverfügung; ArztPatienten-Beziehung; Kasuistik; Indikation;
Selbstbestimmungsrecht
HTML
PDF
7. Rabbata, Samir
Nationaler Ethikrat: Expertenstreit um Sterbehilfe
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 30 vom
28.07.2006, Seite A-2008 / B-1726 / C-1670
POLITIK
Ethik; Sterbehilfe; Sterbebegleitung; Suizid;
Ethikrat
HTML
PDF
Zusatzinfo
© 2007
8. Klinkhammer, Gisela
Sterbehilfe: Zuwendung erfahren
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 22 vom
02.06.2006, Seite A-1526 / B-1300 / C-1252
POLITIK: Deutscher Ärztetag
HTML
PDF
226
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Ethik; Sterbehilfe; Sterbebegleitung;
Palliativmedizin; Deutscher Ärztetag
9. Entschließungen zum Tagesordnungspunkt VII:
Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 22 vom
02.06.2006, Seite A-1540 / B-1314 / C-12664
DOKUMENTATION: Deutscher Ärztetag
Schutzimpfung; Bundesärztekammer; Prävention;
Pflegebedürftigkeit; Arzt-Patienten-Beziehung;
Tätigkeitsbericht; Genitalverstümmelung; Protest;
Deutscher Ärztetag; Entschließung;
Zwangstherapie; Katastrophenschutz; IGELLeistung; Disease Management;
Gesundheitstelematik; Versorgungsforschung
HTML
PDF
10. EB
Sterbehilfe: Aufklären und informieren
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 21 vom
26.05.2006, Seite A-1412 / B-1206 / C-1158
MEDIEN
Sterbehilfe; Internet; Ärztekammer Niedersachsen
HTML
PDF
11. Rabbata, Samir
Patientenverfügungen: Zypries mahnt zur Eile
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 21 vom
26.05.2006, Seite A-1430 / B-1219 / C-1171
POLITIK
Ethik; Patientenverfügung; Sterbebegleitung;
Selbstbestimmungsrecht;
Bundesjustizministerium; Hauptstadtkongress
HTML
PDF
12. Kardinal Lehmann wurde 70: Gegen
Embryonenforschung und aktive Sterbehilfe
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 21 vom
26.05.2006, Seite A-1478 / B-1262 / C-1214
HTML
PDF
© 2007
227
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
VARIA: Personalien
Ethik; Katholische Kirche; Biografie
13. Tolmein, Oliver
Keiner stirbt für sich allein
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 19 vom
12.05.2006, Seite A-1292 / B-1098 / C-1058
BÜCHER
Sterbebegleitung; Selbstbestimmungsrecht
HTML
PDF
14. Rabbata, Samir
Medizinethik: Dialog der Kulturen
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 18 vom
05.05.2006, Seite A-1187 / B-1007 / C-971
POLITIK
Symposium; Ethik; Kassenärztliche Vereinigung
Berlin; Embryonenforschung; Globalisierung;
Menschenwürde
HTML
PDF
15. Kick, Hermes Andreas
Die Rolle von Patienten und Kunden: Ethische
Verantwortung des Therapeuten
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 18 vom
05.05.2006, Seite A-1206 / B-1021 / C-984
THEMEN DER ZEIT
Ethik; Arzt-Patienten-Beziehung;
Ressourcenverteilung; Ärztliches Handeln;
Marketing
HTML
PDF
Literatur
© 2007
16. Unschuld, Paul U.
Geschichte der Medizin: Der Patient als Leidender
und Kunde
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 17 vom
28.04.2006, Seite A-1136 / B-959 / C-925
THEMEN DER ZEIT
Symposium; Arztberuf; Medizingeschichte; Arzt-
HTML
PDF
228
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Patienten-Beziehung; Medizinische Notwendigkeit
17. Helmchen, Hanfried; Kanowski, Siegfried; Lauter,
Hans
Ethik in der Altersmedizin
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 17 vom
28.04.2006, Seite A-1144 / B-967 / C-932
BÜCHER
Ethik; Geriatrie
HTML
PDF
18. Verleihungen
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 16 vom
21.04.2006, Seite A-1098 / B-930 / C-898
VARIA: Preise
Vincenz-Czerny-Preis; APO-Bank; Scharrer-Preis
HTML
PDF
19. SR/kna
Bundesrat: „Ethische Schieflage“
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 15 vom
14.04.2006, Seite A-969 / B-821 / C-793
AKTUELL
Bundesrat; Ethik; Sterbehilfe; Suizid
HTML
PDF
20. Reindl, Tobias Kajetan
Kinderonkologie: Lebensqualität in der
verbleibenden Zeit
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 15 vom
14.04.2006, Seite A-995 / B-841 / C-812
THEMEN DER ZEIT
Lebensqualität; Krebs im Kindesalter;
Palliativmedizin; Pädiatrische Erkrankung;
Onkologische Versorgung; Hospiz
HTML
PDF
21. Klinkhammer, Gisela
Palliativmedizin: Herausforderungen für eine junge
Sparte
HTML
PDF
© 2007
229
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 13 vom
31.03.2006, Seite A-826 / B-706 / C-682
POLITIK
Symposium; Ethik; Patientenverfügung;
Sterbebegleitung; Palliativmedizin;
Selbstbestimmungsrecht
22. Fege, Jürgen
Leitbilder: Christliche Werte pflegen
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 12 vom
24.03.2006, Seite A-770 / B-651 / C-631
BRIEFE
Ethik; Arzt-Patienten-Beziehung; Ärztliches
Handeln
HTML
PDF
23. Klinkhammer, Gisela
Aktive Sterbehilfe: Straffreiheit gefordert
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 6 vom
10.02.2006, Seite A-300 / B-264 / C-252
AKTUELL
Ethik; Sterbehilfe
HTML
PDF
24. Klinkhammer, Gisela
Deutsche Hospiz Stiftung: Menschliche
Zuwendung
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 1-2 vom
09.01.2006, Seite A-14 / B-11 / C-11
POLITIK
Ethik; Sterbebegleitung; Palliativmedizin; Hospiz;
Deutsche Hospiz-Stiftung
HTML
PDF
25. Hamm, Margret
Lebensunwert zerstörte Leben.
Zwangssterilisation und „Euthanasie“
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 1-2 vom
HTML
PDF
© 2007
230
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
09.01.2006, Seite A-39
BÜCHER
Nationalsozialismus; Zwangssterilisation
Beiträge aus 2007
1. Klinkhammer, Gisela
HTML
Medizinrechtliche Probleme am Ende des lebens: Der
PDF
Wunsch nach einem „natürlichen“ Tod
Deutsches Ärzteblatt 104, Ausgabe 10 vom 09.03.2007,
Seite A-630
THEMEN DER ZEIT
2. Klinkhammer, Gisela
Interview mit Prof. Dr. med. Gian Domenico Borasio:
„Ohne Dialog gibt es keine guten Entscheidungen“
Deutsches Ärzteblatt 104, Ausgabe 5 vom 02.02.2007,
Seite A-224 / B-204 / C-200
POLITIK: Das Interview
Ethik; Patientenverfügung; Sterbehilfe; Palliativmedizin;
Selbstbestimmungsrecht
HTML
PDF
3. Eggert Beleites † – Differenziert im Denken, entschieden HTML
im Handeln
PDF
Deutsches Ärzteblatt 104, Ausgabe 3 vom 19.01.2007,
Seite A-134 / B-123 / C-119
PERSONALIEN
Nekrolog
© 2007
Überwiegend juristische Beiträge
231
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Mit Blick auf die rechtlichen Probleme und Fragestellungen finden
Sie einen sehr guten Überblick in der fortlaufenden
Literaturauswertung des Instituts für Gesundheits- und
Medizinrecht (IGMR) mit Sitz in Bremen unter der Rubrik
„Sterbehilfe“ und „Ethik“.
>>> Literaturauswertung 2006 <<<
>>> Literaturauswertung 2005 <<<
>>> Literaturauswertung 2004 <<<
>>> Literaturauswertung 2003 <<<
>>> Literaturauswertung 2002 <<<
>>> Literaturauswertung 2001 <<<
>>> Literaturauswertung 2000 <<<
>>> Literaturauswertung bis 1999 <<<
Speziell zur Judikatur in der Bundesrepublik
Auf der Internetseite der Forschungsstelle für das Recht des
Gesundheitswesens der Universität zu Köln finden Sie eine
umfassende Auswahl der Rechtsprechung aus alle Instanzen zur
„Sterbebegleitung“
>>> Zur Internetseite der Forschungsstelle <<<
© 2007
Auf folgende Einzelpublikationen und Expertisen neueren
Datums darf hier hingewiesen werden:
Rechtsgutachten: "Strafrechtliche Aspekte der SuizidBegleitung in Deutschland" von RA Wolfgang Putz
232
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Einleitung (PDF-Datei*, 32 KB)
Volltext (PDF-Datei*, 418 KB)
Quelle: DGHS
13. Juli 2006
Der Nationale Ethikrat legt seine Stellungnahme
„Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende" vor
online lesen | Druckversion
Quelle: Pressemitteilung Nationaler Ethikrat Nr. 03(2006)
Schmerz und Leid in der Palliativmedizin Religionsphilosophische Grenzen der Palliativmedizin?
(openPR) - Der Münchener Arzt und Theologe Professor Dr.
Matthias Volkenandt hat am ersten niedersächsischen Hospiztag
Anfang November letzten Jahres einen vielbeachten Festvortrag
mit dem Tenor „Leid tragen“ gehalten.
>>> mehr dazu <<<
© 2007
Die Gewissensentscheidung: Juristisches Repetitorium für
Abgeordnete des Deutschen Bundestages
(openPR) - Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten soll in den
kommenden Monaten intensiv in den Fraktionen diskutiert werden.
Hierbei sollen u.a. die Rechtsfragen mit Blick auf die
233
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Patientenverfügung geklärt und ggf. in einem Gesetz
verabschiedet werden....
>>> mehr dazu <<<
PEG – Sondenernährung
Ethische Grundlagen der Entscheidungsfindung
Bedingt durch den medizinischen und technischen Fortschritt ist
die enterale Ernährung mit der PEG eine vergleichsweise einfache
und komplikationslose Möglichkeit geworden, Patienten auch über
einen längeren Zeitraum hinweg mit Nahrung und Flüssigkeit zu
versorgen. In diesem Zusammenhang stehend sind Probleme u.a.
medizinischer, ernährungs-physiologischer, ethischer,
pflegerischer und nicht zuletzt rechtlicher Natur aufgeworfen, die in
der Literatur nicht immer einhellig beantwortet werden.
Vornehmlich im geriatrischen Bereich wird zunehmend die Frage
offen problematisiert, ob die PEG-Sonde den betroffenen
Patienten noch einen sog. Nutzen bietet und ob es nicht geboten
wäre, die künstliche Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr
abzubrechen oder letztlich erst gar nicht zu beginnen.
Hierzu möchten wir auf den gleichnamigen Beitrag von Georg
Marckmann im Ärzteblatt Baden-Württembergisch 01/2007, S. 23
ff. verweisen.
© 2007
>>> http://www.laek-bw.de/arzteblatt/Homepage/aktuell/Ethik.pdf
Pleschberger, Sabine
"Bloß nicht zur Last fallen!" : Leben und Sterben in Würde
aus der Sicht alter Menschen in Pflegeheimen
234
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Dokument 1.pdf (2,316 KB)
pdf
Quelle: Giessener Elektronische Bibliothek
Siehe dazu auch einen kurzen Beitrag v. L. Barth
>>> Einige Gedanken zur Dissertation <<<
pdf
Der Arzt und die Pflegenden
- ihr subjektives Recht zum ethischen Ungehorsam
versus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten !?
Einige Gedanken zum bevorstehenden Kulturkampf um die
Würde des Menschen an seinem Lebensende
v. Lutz Barth, 17.05.06 >>> zum Beitrag <<< (pdf.)
Oliver Tolmein: Keiner stirbt für sich allein
Sterbehilfe, Pflegenotstand und das Recht auf Selbstbestimmung;
Bertelsmann Verlag, 2006; 255 S., 14,95 €
Vgl. dazu auch den Kurzbeitrag v. Elisabeth Wehrmann
Der gute Tod ist teuer
Wie stirbt es sich in Zeiten der Kostendämpfung? Oliver Tolmein
sucht nach der Würde des Sterbens, während Schmerzmittel und
Pflegekräfte knapp werden.
© 2007
Quelle: DIE ZEIT, 11.01.2007 Nr. 03 >>> zum Beitrag <<<
Entscheidungen am Lebensende in der modernen Medizin
Ethik, Recht, Ökonomie und Klinik
235
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Die Ergebnisse einer Tagung über ethische Fragen am
Lebensende, die im Februar 2006 in der Ruhr-Universität
stattgefunden hat, sind nun in diesem Tagungsband
zusammengefasst. Herausgeber sind Dr. Jan Schildmann, M.A.
und Prof. Dr. med. Dr. phil. Jochen Vollmann vom Institut für
Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin der RuhrUniversität sowie Dr. Uwe Fahr von der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg.
Titelaufnahme
Uwe Fahr, Jan Schildmann, Jochen Vollmann (Hg.):
Entscheidungen am Lebensende in der modernen Medizin: Ethik,
Recht, Ökonomie und Klinik. (=Ethik in der Praxis / Practical Ethics
–Kontroversen / Controversies, Bd. 24), LIT VERLAG Münster –
Hamburg, ISBN 3-8258-9533-5, 272 S., 29,90 Euro
Unter diesem Link finden Sie eine Pressemitteilung zu diesem
Thema.
Informationen zum Buch als download (PDF)
Jochen Taupitz
Empfehlen sich zivilrechtliche Regelungen zur Absicherung
der Patientenautonomie am Ende des Lebens?
© 2007
Gutachten A zum 63. Deutschen Juristentag (Leipzig 2000)
Grit Böttger-Kessler
Aktive Sterbehilfe bei Wachkoma-Patienten
236
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Die Einstellung von Ärzten und Pflegepersonen zur aktiven
Sterbehilfe bei Menschen in Wachkoma
Mabuse - Verlag
Erscheinungsjahr: 2006
248 Seiten / Preis: EUR 29.00
Bestell-Nr: M-01453
ISBN: 3-938304-53-7
“Die Autorin hat die Einstellungen von ärztlichen und pflegenden
Mitarbeitern zur Aktiven Sterbehilfe an Wachkomapatienten
untersucht. Über die Hälfte der Befragten votierte für eine
Veränderung der Gesetzeslage in Deutschland nach
niederländischem Vorbild und damit für die Legalisierung der
Aktiven Sterbehilfe. Eine deutliche Mehrheit hielt es unter
bestimmten Umständen für gerechtfertigt, das Leben eines
Menschen im Wachkoma aktiv zu beenden. Die Befürwortung war
jeweils signifikant häufiger bei Untersuchungsteilnehmern, die
jünger waren, Berufsanfänger, konfessionslos, mit ihrer beruflichen
Situation unzufrieden, aus den neuen Bundesländern stammend
oder geschieden.“
Zur Autorin:
Grit Böttger-Kessler, geb. 1956, Dr.med., niedergelassen seit 1994
als Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapie in eigener
Praxis in Detmold.
Quelle: Marbuse-Verlag >>> mehr dazu <<<
© 2007
Ulsenheimer
Die Patientenverfügung in der Rechtsprechung des BGH
Quelle: VDGH >>> zum Beitrag <<< (pdf)
237
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
Linus S. Geisler:
Patientenautonomie - eine kritische Begriffsbestimmung.
in Deutsche Medizinische Wochenschrift (DMW), März 2004.
Quelle: Linus-Geisler.de >>> zum Beitrag <<< (html)
Leibl
Medizinischer Paternalismus und Patientenautonomie
Quelle: AEKSH >>> zum Beitrag <<< (html)
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ständigen Entwicklungen unterworfen.
Gerade im Bereich der Medizin werden die Erkenntnisse durch Forschung und
klinische Erfahrung erweitert. Dies gilt vornehmlich auch im Bereich der
Diagnostik und Therapie, so auch der medikamentösen Therapie. Soweit auf
238
In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
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In dubio pro libertate - Kommt der Tod auf „ethisch leisen Sohlen“ daher?
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