Rezension: Christoph Stückelberger (2001): Ethischer Welthandel. Eine Übersicht, Bern: Verlag Paul Haupt Das Ziel dieses Buches ist es, eine Einführung in die Handelsethik zu geben, welche angesichts von wirtschaftlicher Globalisierung und den damit verbundenen Ängsten und Widerständen Möglichkeiten zu einer ethisch verantwortbaren Gestaltung des Handels aufzeigen soll. Dabei versucht der Autor sowohl einen „objektiven und methodischen Überblick“ über bestehende Ansätze zu geben, als auch normativ auf der Basis einer theologischen Ethik „Hoffnung zu machen“. Allerdings nimmt der Autor für sich in Anspruch, die Wertgrundlagen ohne spezifisch theologische Begründungen formuliert zu haben, so dass sie von verschiedenen weltanschaulichen Hintergründen nachvollziehbar sein sollten. Er geht dabei von der Prämisse aus, dass Ethik zum „Kerngeschäft der Wirtschaft und all ihrer Akteure gehört“. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf der unternehmensethischen Ebene, in Teilbereichen werden auch wirtschaftsethische – im Sinne wirtschaftspolitischer bzw. makroökonomischer – Aspekte einbezogen. Dabei bleibt der Referenzrahmen die sozial und ökologisch verantwortete Marktwirtschaft. Das Buch gliedert sich in sechs Teile: zwei einführende Kapitel zu Ethik im Handel und zu Methoden der Ethik, einem Kapitel über Grundwerte, je eines über Instrumente und Akteure sowie ein letztes Kapitel über Handlungs- und Spannungsfelder. Die beiden ersten Grundlagenkapitel sollen Begriffsklärungen vermitteln in Bezug auf Ethik, Wirtschaft, Handel usw. Dabei versucht der Autor in diesem wie in allen anderen Kapiteln des Buches jeweils auf einer Seite einige Begrifflichkeiten zu klären und auf der gegenüberliegenden Seite dies auch noch grafisch zu veranschaulichen. Diese didaktische Methode, die einen leichteren Überblick über die Thematik verschaffen soll, ist aber nicht immer überzeugend. Oftmals werden die Kategorien, nach denen im Rahmen von Baumdiagrammen oder Organigrammen Oberbegriffe in Unterbegriffe unterschieden werden, nicht deutlich bzw. erscheinen sogar willkürlich gewählt. Viele Behauptungen werden nicht näher begründet, wobei hier zum Teil auf andere Werke des Autors verwiesen wird. Insbesondere die Begriffsklärungen zum Handel erscheinen unsystematisch und gelegentlich fehlt der Bezug zwischen Text und Grafik. Im Rahmen des Exkurses zum „Welthandel biblisch“ wird im Fazit der unfaire vom fairen Handel dadurch unterschieden, dass der erste Leben töte, während der zweite Leben fördere. Dabei schwingt als 26 Basis das Primat der Ethik vor der Ökonomie mit, also eine Position, die in der wirtschaftsethischen Debatte der letzten 15 Jahre als „Unterdrückungsmodell der Wirtschaftsethik“ in extenso diskutiert und kritisiert wurde. Letztlich diskutiert der Autor nur die christliche Ethik als Basis für eine Handelsethik. Andere Ethiken werden zwar genannt, aber nicht näher erläutert. Im Kapitel über Grundwerte stellt der Autor elf Grundwerte (Lebenserhaltung, Gerechtigkeit, Freiheit, Nachhaltigkeit, Friede, Solidarität, Würde, Partnerschaft, Vertrauen, Macht-Verantwortung, Vergebung) vor, die auf der Basis von bestimmten Fundamentalprämissen entwickelt seien. Leider wird dies ebenso wenig wie die Begründung dieser Grundwerte dargelegt. Problematisch erscheint, dass der Autor keine klaren Beziehungen zwischen diesen Grundwerten aufzeigt, sondern lediglich ihre Interdependenz betont. Tatsächlich ergeben sich aber in den einzelnen Erläuterungen durchaus hierarchische Verhältnisse zwischen einzelnen Grundwerten. Durch diese Unklarheit ergibt sich in der Folge auch, dass die Dimensionen der Grundwerte, die der Autor jeweils entwickelt, zum Teil redundant sind und keine Systematik erkennen lassen. Man hat das Gefühl, dass der Autor versucht, in jedem Grundwert auch noch alle Aspekte der anderen in irgendeiner Form mit einfließen zu lassen, was die Spezifizität der jeweiligen Grundwerte verwischt und ihre Unterscheidbarkeit in Frage stellt. Im vierten Teil des Buches werden Instrumente für ethische Verantwortung im Handel vorgestellt. Während bei der Darstellung der Planungsinstrumente die relative Bedeutung von ökonomischen Sachzielen und ethischen Grundwerten unklar bleibt, sind die Informationsinstrumente (Kennzeichnungsvorschriften, Marken, Labels, Kodizes, Controlling, Monitoring, Statistiken, Werbung), die der Autor unter anderem unter der Bezeichnung „Ethik der Etiketten“ vorstellt, relativ übersichtlich gestaltet. Allerdings bleibt die ethische Reflexion dieser Instrumente oftmals an der Oberfläche und lässt keinen klaren Bezug zu den im vorangegangenen Kapitel entwickelten Grundwerten erkennen. Teilweise beschränkt sich die Reflexion darauf, Labels u. ä. genau auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu prüfen, wofür es kaum einer spezifisch ethischen Begründung bedarf. Obwohl der Autor in seiner Einleitung zu diesem Kapitel darauf verweist, dass es ihm in erster Linie um Instrumente für Unternehmen geht, misst er z. B. in Bezug auf die Kodizes staatlichen bzw. suprastaatlichen Regulierungen eine herausgehobene Bedeutung zu. Außerdem sind sechs der sechzehn vorgestellten Instrumente keine Instrumente, die die Unternehmung nutzen kann, sondern Instrumente der Stakeholder (insbesondere der Konsumenten) oder staatlicher bzw. suprastaatlicher Institutionen. 27 Entsprechende ordnungsethische Überlegungen werden aber kaum zur Begründung herangezogen. Im fünften Kapitel werden unterschiedliche Akteure der Handelsethik vorgestellt. Auffällig ist hier, dass allen Akteuren normativ vorgeschrieben wird, was sie aus Sicht des Autors tun sollten, um ethisch zu handeln, dass aber auf die Motivationslage und Zielstruktur der Akteure nicht näher eingegangen wird. Insbesondere wird der mögliche Zielkonflikt zwischen ökonomischen und ethischen Zielen für Unternehmen kaum thematisiert und einfach normativ zugunsten der ethischen Ziele entschieden. Der Bezug zu den vorher vorgestellten Instrumenten wird nur sehr selten hergestellt, so dass die einzelnen Kapitel relativ unverbunden zueinander bleiben. Im letzten Kapitel spricht der Autor Handlungs- und Spannungsfelder der Handelsethik an. Für den Aufbau des Buches wäre es möglicherweise sinnvoll gewesen, mit diesem problemorientierten Kapitel zu beginnen, da sich die Notwendigkeit einer Handelsethik am besten anhand der aufgezeigten Probleme darstellen lässt. Dies wäre auch deshalb geboten gewesen, da dieses Kapitel mehr Fragen aufwirft als es löst. Ein Bezug zu den Akteuren, die in den jeweiligen Problemlagen ethisch aktiv werden könnten sowie zu den möglichen Instrumenten, die sich in der dargestellten Situation anbieten, wird leider kaum hergestellt. Auch wird die strukturelle Dilemmasituation ethisch Handelnder in ökonomischen Kontexten nicht näher thematisiert, sondern mit Hilfe einer klaren Prioritätensetzung zugunsten der Ethik umgangen. Diese Vorgehensweise reflektiert aber nicht den aktuellen Stand der wirtschaftsethischen Diskussion im deutschsprachigen Raum, sondern übernimmt eine Position des ethischen Imperialismus, die den angesprochenen Problemen nicht angemessen erscheint. Insgesamt werden die Problemfelder so knapp behandelt, dass eine fundierte Befassung mit der Materie nicht möglich ist und eine große Anzahl Fragen offen bleiben muss. Auch die angegebenen Literaturhinweise sind sehr knapp gehalten und spiegeln nur eine bestimmte Spielart der Wirtschaftsethik wieder. Insgesamt kann dieses Buch den selbst gestellten Anspruch, eine Einführung in die Handelsethik zu liefern, nicht wirklich erfüllen, da zu viele Aspekte angerissen werden, die eigentlichen Probleme aber nicht tief genug ausgearbeitet sind. Eine Begrenzung auf einige beispielhafte Handlungsfelder und die Beschränkung auf einige hilfreiche Grafiken bei gleichzeitiger vertiefter Darstellung der Konfliktpotentiale und Dilemmastrukturen wären für die Lesbarkeit des Buches von Vorteil gewesen. zfwu, 3/2 (2002), 282-284 28 Dr. Bettina Hollstein Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien, Universität Erfurt 29